Tausendundeine Nacht mit dem Boss

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Als Sekretärin Lucy ihren faszinierenden Boss Malik Al-Rashid ins Wüstenreich Sarastan begleitet, fühlt sie sich wie in einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Weil Malik zur Königsfamilie gehört, ist sie zusammen mit ihm in einem prachtvollen Palast untergebracht! Ständig in seiner Nähe, kann sie seiner sinnlichen Anziehungskraft nicht lange widerstehen und lässt sich zu einer leidenschaftlichen Liebesnacht verführen. Ein Fehler? Eine einfache Bürgerliche wie sie kann doch niemals mehr als seine heimliche Geliebte sein, oder?


  • Erscheinungstag 04.02.2025
  • Bandnummer 2686
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534598
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Sie sind nass. Warum? Außerdem sind Sie zu spät!“

Die Tür zu Maliks Büro war mit dem üblichen Elan aufgestoßen worden. Und da stand sie, tropfte seinen hellgrauen Teppich voll und versuchte vergeblich, ihre Haare auszuwringen, die in nassen Strähnen herunterhingen. Malik setzte sich in seinem Ledersessel zurück, legte die Fingerspitzen aneinander und betrachtete seine Sekretärin mit schräg gelegtem Kopf.

Lucy Walker, die seit etwas mehr als drei Jahren für ihn arbeitete, war eine Naturgewalt. Sie war klein und kurvig, mit lockigen hellblonden Haaren, die ihren eigenen Willen hatten, und einem Grübchenlächeln, das die beunruhigende Tendenz aufwies, Malik aus dem Konzept zu bringen, sobald er sie zur Rede stellen wollte.

So wie jetzt.

Malik hatte schon lange aufgehört, sich zu fragen, wie es sein konnte, dass sie in jeder Hinsicht ein Erfolg war, obwohl sie von ihrem Typ her eigentlich nicht annähernd in die engere Auswahl für die hochkarätige Stelle seiner persönlichen Assistentin gekommen wäre.

Aber beim Vorstellungsgespräch hatte sie ihn nicht nur mit ihrem fundierten Wissen über den Aktienmarkt beeindruckt, sondern auch mit ihrem Selbstvertrauen. Sie hatte ihm ihr Grübchenlächeln geschenkt und ihn aufgefordert, ihr irgendeine Aufgabe zu stellen, damit sie ihm ihr Können beweisen konnte.

Malik hatte ihr zehn Minuten gegeben, um Entwürfe über Anlagen von mehreren Millionen in verschiedene Unternehmen auszuarbeiten. Sie hatte ihm in der Hälfte der Zeit bewiesen, dass sie ihr Geld wert sein würde. Lucy Walker hatte eine herrlich offene Art! Außerdem war sie beeindruckend immun gegen seine Furcht einflößende Seite, die die meisten Menschen dazu brachte, es sich zweimal zu überlegen, bevor sie etwas sagten, was ihm missfallen könnte. In jeder Gesellschaftsschicht war er gleichermaßen respektiert und gefürchtet. Aber diese Frau hatte keine Angst vor ihm.

Lucy entledigte sich ihres Regenmantels und ließ ihn auf den Stuhl fallen, auf dem sie üblicherweise saß, wenn sie in seinem Büro war. Vom Mantel tropfte es weiter auf seinen teuren Teppich.

„Nicht zu fassen, dieses Wetter, Malik. Eine Schande. Warum kriegen diese überbezahlten Leute die Wettervorhersage nicht richtig hin? Kein Wort von einem Sturm heute Morgen, als ich den Fernseher angemacht habe – stattdessen Sonne und Schauer.“

„Vielleicht hätten Sie bei dem Wetterbericht mehr auf den Teil mit den Schauern achten sollen. Es ist übrigens schon nach halb zehn.“

„Ich hätte Ihnen ja eine SMS geschickt, doch mein Handy hatte nur noch wenig Saft. Aber jetzt bin ich da und bereit, sofort loszulegen. Hab mir übrigens viele Gedanken über das IT-Unternehmen gemacht, das Sie sich unter den Nagel reißen wollen.“

„Sie sollten sich erst einmal etwas Trockenes anziehen.“

Lucy verzog das Gesicht. „Dafür müsste ich aber in ein Geschäft gehen. Die Ersatzkleidung, die ich hier hatte, habe ich vor ein paar Wochen wieder mit nach Hause genommen und völlig vergessen, neue mitzubringen. Ich hatte genug von Blau und Grau und dachte, dass fröhlichere Farben angesagt sind, weil doch bald Weihnachten ist.“

„Wir haben September.“ Malik seufzte vernehmlich und sah sie in nachdenklichem Schweigen an, bevor er eine andere Assistentin herbeizitierte, die in Rekordgeschwindigkeit herantrippelte und mit schlecht verhüllter Belustigung seine tropfende Sekretärin anstarrte.

„Sir?“

„Sie müssen Lucy trockene Kleidung kaufen“, sagte er zu Julia, die die Sekretärin einer der Männer war, die für ihn arbeiteten. „Nehmen Sie Roberts Firmenausweis und machen Sie schnell.“

„Malik …“

Malik sah Lucy mit einem ungeduldigen Stirnrunzeln an. „Ich brauche Sie hier und kann Sie nicht für eine Stunde entbehren, während Sie sich neue Kleidung kaufen.“

„Habe verstanden.“

„Holen Sie sich ein Handtuch aus dem Waschraum und wickeln Sie sich darin ein. Ich kann es mir nicht leisten, dass Sie morgen mit einer Erkältung zu Hause bleiben.“

„Glauben Sie mir, eine Erkältung ist das Letzte, was ich will.“

Julia hatte sofort versprochen, in weniger als einer halben Stunde wieder da zu sein. Wieder einmal fragte sich Malik, warum ausgerechnet seine eigene Sekretärin so stur wie ein Esel sein konnte, wenn alle anderen Menschen auf dieser Welt sofort parat standen, wenn er nur mit den Fingern schnippte.

„Ab mit Ihnen, Lucy. Es gibt wichtige Dinge, die ich mit Ihnen besprechen muss, und es wird immer später.“

Lucy beachtete seine Anweisung nicht. Stattdessen nahm sie den nassen Regenmantel vom Stuhl, ließ ihn auf den Boden fallen und setzte sich.

„Zuerst verdienen Sie eine Erklärung, sonst sind Sie den ganzen Tag schlecht gelaunt.“ Ihre Grübchen zeigten sich. „Ich hatte mich entschlossen, heute Morgen zu Fuß zu gehen. Es war so schön und sonnig. Nichts zu sehen von dem Schauer, von dem Carol morgens im Fernsehen erzählt hat, bevor ich um sieben losgegangen bin. Außerdem brauche ich Bewegung, wenn ich ehrlich bin. In letzter Zeit bin ich viel zu selten an der frischen Luft und …“

„Kommen Sie auf den Punkt, Lucy.“

„Also bin ich losgegangen. Normalerweise hätte ich eine Dreiviertelstunde gebraucht, aber dann sind Wolken aufgezogen. Schauer, dass ich nicht lache, das war die reinste Überschwemmung. Obendrein streiken die U-Bahnfahrer, und die Busse waren total voll. Fast eine halbe Stunde habe ich an der Bushaltestelle vergeudet. Schließlich blieb mir nichts anderes übrig, als so schnell wie möglich zu Fuß herzukommen, aber bei dieser schon erwähnten Überschwemmung … Sie müssten mal die Straßen draußen sehen, Malik. Sie haben sich in Kanäle verwandelt. Man könnte glauben, man sei in Venedig.“

„Haben Sie eigentlich schon mal daran gedacht, sich einen Schirm zu kaufen?“ Es fiel Malik zunehmend schwer, ein Lächeln zu unterdrücken.

„Eigentlich nicht, nein. Ich dachte die ganze Zeit, der Regen würde sich verziehen. Wie auch immer, es war ein bisschen chaotisch.“

„Ich bezahle Sie nicht so großzügig dafür, dass Sie ein Chaos anrichten.“

„Kapiert.“ Sie stand auf, verzog das Gesicht, als sie auf ihre nassen Sachen sah, erklärte ihm, dass ein Handtuch eine gute Idee sei und sie vielleicht aufwärmen würde. In einer Minute sei sie wieder da.

„Soll ich Ihnen auf dem Rückweg einen Kaffee mitbringen?“, fragte sie strahlend.

„Trocknen Sie sich einfach nur ab und warten Sie darauf, dass Julia mit den Sachen zurückkommt.“ Er entließ sie mit einer Handbewegung, starrte ihr jedoch hinterher, als sie aus seinem Büro eilte und leise die Tür hinter sich schloss.

Malik hatte nicht damit gerechnet, dass der Morgen so beginnen würde. Tatsächlich hatte der Tag mit einem unvorhergesehenen Albtraum begonnen, nachdem seine Mutter um kurz nach vier morgens angerufen und ihn darüber informiert hatte, dass sein Vater wegen eines Herzinfarkts ins Krankenhaus gebracht worden war.

Wie üblich hatte sie die Neuigkeit kühl, gefasst und emotionslos übermittelt. Der einzige Hinweis darauf, was unter der Oberfläche vor sich ging, war das leichte Zittern in ihrer Stimme, als sie ihm nach einem kurzen Zögern erklärt hatte, dass die Ärzte ihr nicht bestätigen konnten, ob er durchkommen würde.

„Ich komme sofort“, hatte Malik gesagt und dachte bereits an die Konsequenzen, die sich aus dieser Situation ergeben würden.

Und die waren nicht unerheblich. Malik, inzwischen zweiunddreißig, kehrte einigermaßen selten in sein Heimatland zurück. Hier in London leitete er das Familienunternehmen, dessen riesiges Vermögen mit militärischer Präzision von einem Team erstklassiger Hedgefonds-Manager und Investmentbanker gewinnbringend angelegt wurde. Das meiste stand unter seiner Aufsicht, während er sich noch um seine eigenen Lieblingsprojekte kümmerte: Investitionen in grüne Energie und Immobilien, durch die er es auch längst aus eigenem Antrieb zum Milliardär geschafft hätte, ungeachtet des großen Vermögens der Familie.

Und es gefiel ihm so. Nach Sarastan zurückzukehren, wo seine Eltern in prunkvollem Glanz in ihrem Palast lebten, wie ihr königlicher Status es erforderte, hatte immer den Nachteil, dass er ihre stillschweigende Missbilligung über sich ergehen lassen musste, weil er noch nicht verheiratet war. In ihren Augen lief die Zeit für ihn ab, den Namen der Familie weitergeben zu können.

Hier in London konnte er die unangenehme Wahrheit verdrängen. Aber jetzt …

Mit finsterem Blick wartete er darauf, dass Lucy zurückkehrte.

Sein Vater war eilig ins Krankenhaus gebracht worden, und Malik wusste, was das bedeutete. Die Zeit der Entspannung war vorbei. Ja, er könnte immer noch in London leben, müsste aber vielleicht regelmäßiger nach Hause fahren, um all die Geschäfte, die unter dem Namen der Familie Al-Rashid liefen, zu beaufsichtigen. Allerdings war nun die Zeit gekommen, sich eine Frau zu nehmen.

Er fragte sich, ob seine Mutter dieses Problem unter den gegebenen Umständen direkt ansprechen würde. Sie war eine kühle, majestätische Frau, die nicht dazu tendierte, über Persönliches zu sprechen.

Sein Vater war kaum gesprächiger. Pflicht und Schuldigkeit beherrschten ihr streng geregeltes Leben. Nachdem sein Vater nun im Krankenhaus war und einem ungewissen Ausgang entgegensah, musste Malik mehr Verantwortung übernehmen. Er wusste, dass er an einem Scheideweg stand, ob es ihm gefiel oder nicht.

Verloren in seinen unerfreulichen Überlegungen hob er den Blick und sah seine Sekretärin in seiner Bürotür stehen, nun trocken und in einem ganz anderen Outfit. Sie trug einen dicken grauen Rock, eine weiße Bluse und einen grauen Pulli mit V-Ausschnitt.

Julia, so vermutete er, hatte in boshafter Absicht genau die Kleidung gekauft, um die ihre Kollegin einen großen Bogen gemacht hätte.

„Setzen!“

„Sie sind doch nicht immer noch verärgert, weil ich so spät gekommen bin, oder?“

Malik sah, wie sie an ihrem Rock zupfte und die Ärmel des Pullis hochschob.

„Betrachten Sie es als vergessen, solange es keine Wiederholung gibt. Vielleicht erkundigen Sie sich beim nächsten Mal, wenn Sie zu Fuß zur Arbeit gehen wollen, ob die U-Bahn fährt. Und wenn Sie schon dabei sind, könnten Sie auch einen Blick auf die Wettervorhersage werfen.“

„Wie ich schon sagte, niemand hat einen Sturm erwähnt, und mit einem leichten Schauer wäre ich bestens klargekommen. Aber in einem Punkt haben Sie recht. Ich könnte mir einen Schirm zulegen.“

Lucy setzte sich ihm gegenüber auf den Stuhl, legte ihren Laptop auf den Schreibtisch, öffnete ihn und musterte Malik über den aufgeklappten Deckel.

Sie hatte wirklich erstaunliche Augen, kornblumenblau und mit dichten, dunklen Wimpern, die in starkem Kontrast zu ihren hellblonden Haaren standen. Dass sie ausgesprochen hübsch war, wurde noch verstärkt durch die reizenden Grübchen, die immer entstanden, wenn sie lächelte. Sie war von Kopf bis Fuß eine Augenweide!

„Sie werden beeindruckt sein, wenn Sie hören“, sagte sie jetzt, „dass ich nicht nur alle Unterlagen durchgearbeitet habe, die Sie mir gegeben haben, sondern es auch geschafft habe, den Erzeuger von Biokraftstoff davon zu überzeugen, seine Bilanz zu schicken. Zusätzlich habe ich mich noch um das IT-Unternehmen gekümmert, das Sie erwerben wollen.“

„Sie haben das Wochenende mit Arbeit verbracht?“

„Nur ein paar Stunden. Kein Grund, sich bei mir zu bedanken.“

Doch ihr sonst so wortgewandter Chef zögerte mit einer Antwort.

Maliks Zögern war für Lucy der erste Hinweis darauf, dass der Tag im Büro nicht nach Plan verlaufen würde.

Sie starrte die scharfen Linien seines unglaublich schönen Gesichts an und war einen Moment verwirrt, weil Zögern eigentlich nicht in seiner DNA vorkam.

Seit mehr als drei Jahren arbeitete sie inzwischen für ihn und konnte daher mit Fug und Recht sagen, dass sie niemanden kannte, der so fokussiert, zielgerichtet, schlau und selbstsicher war wie der Mann, der ihr gegenübersaß. Er konnte rücksichtslos und Furcht einflößend sein, aber für Lucy wurden diese Wesenszüge von anderen, fesselnderen überlagert!

Sie wusste, dass er viele Menschen verschreckte, doch seltsamerweise schüchterte er sie nicht ein. Und das war noch nie der Fall gewesen, selbst als sie vor Jahren in sein Büro marschiert war und das zermürbende Vorstellungsgespräch hinter sich gebracht hatte, um die letzte Hürde für den Job zu nehmen, den sie sich zu sichern gehofft hatte.

Er hatte ihr eine herausfordernde Aufgabe gestellt, die mit dem Aktienmarkt zu tun hatte. Lucy hatte sie in der Hälfte der vorgegebenen Zeit bewältigt und war versucht gewesen, ihn zu fragen, ob er nicht etwas Schwereres auf Lager hätte. Als sie gerade hatte gehen wollen, hatte er sie gefragt, warum sie glaubte, diesen Job zu verdienen, nachdem qualifiziertere Kandidaten ihn unbedingt haben wollten. Sie hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Vielmehr hatte sie ihm lächelnd erklärt, dass dies eine Frage sei, die ihm in einem Jahr nicht einmal mehr in den Sinn käme, weil sie sich dann schon lange bewährt haben würde.

Lucy wusste, dass ihre Art, ihm barsche Antworten zu geben und ihre Meinung zu sagen, viel dazu beigetragen hatte, sich seinen Respekt zu verdienen – unabhängig davon, ob sie einen Universitätsabschluss hatte oder nicht.

Für sie war es selbstverständlich, ihre Meinung zu sagen. Als mittleres von vier Geschwistern war das der einzige Weg gewesen, um gehört zu werden.

Als einzige ohne Hochschulabschluss in der gesamten Familie, einschließlich ihrer Eltern, hatte sie sich schon früh Gehör verschaffen müssen, um von ihren gelehrteren Schwestern, die lautstark ihre Meinung äußerten und die sich gegenseitig immer einen Schritt voraus sein wollten, nicht untergebuttert zu werden.

„Sie sehen aus, als wollten Sie mir etwas sagen, aber wüssten nicht, wie“, meinte sie nun, direkt wie immer, auch wenn ihr nicht ganz wohl dabei war, diesen Gedanken auszusprechen. „Sie wollen mich doch nicht feuern, oder?“

„Ich habe nicht vor, Sie zu entlassen.“

„Gott sei Dank! Ich könnte es nicht ertragen, mich wieder auf dem freien Arbeitsmarkt zu tummeln. Das ist das reinste Haifischbecken.“

„Ich … habe heute Morgen sehr früh einen Anruf bekommen, Lucy. Von meiner Mutter, die mir erzählt hat, dass mein Vater in aller Eile ins Krankenhaus gebracht worden ist. Sein Herz. Er hat einen Dreifach-Bypass bekommen, und sie warten die Nacht ab, ob die Operation erfolgreich gewesen ist.“

„Ach, du meine Güte!“ Sie stand halb auf, zögerte und setzte sich dann wieder hin. Lucy wusste, dass sie im Gegensatz zu ihrem Chef gefühlsbetont war, und eine Umarmung war das Letzte, was ihm gefallen würde.

Außerdem verspürte sie einen seltsamen Schauer, wenn sie daran dachte, ihn zu umarmen.

„Das tut mir sehr leid, Malik“, sagte sie mit aufrichtigem Mitgefühl. „Sie müssen am Boden zerstört sein. Wie nimmt Ihre Mutter es auf?“

„So gefasst, wie man erwarten kann.“

„Ich nehme an, dass Sie daran denken, zu ihnen zu fliegen. Soll ich einen Flug für Sie buchen?“ Sie klang ungewohnt bedrückt.

„Ja, ich muss hin und möglicherweise für einige Wochen dortbleiben, um die Lage zu peilen. Natürlich werde ich nach London zurückkommen. Aber in der Zwischenzeit muss einiges arrangiert werden, während mein Vater sich erholt, falls es nicht zum Schlimmsten kommt.“

„Zum Schlimmsten?“

„Falls er nicht durchkommt“, erklärte Malik unverblümt und war nicht überrascht, als sie blass wurde.

Sie war sehr leicht zu durchschauen und machte keinen Hehl aus ihren Gefühlen. Nachdem er monatelang versucht hatte, sie von dieser Schwäche abzubringen, weil Gefühlsbetontheit ihm auf die Nerven ging, hatte er inzwischen aufgegeben. Vielleicht hatte er sich auch einfach daran gewöhnt, denn bei ihr nervte es ihn nicht mehr.

„Sie sollten nicht einmal daran denken, Malik. Das Wichtigste für Sie ist, jetzt positiv zu bleiben. Man nennt es das Gesetz der Anziehung, die Beziehung der inneren Welt zu den äußeren Umständen. Es geht darum, dass man durch positives Denken zu einem guten Ergebnis kommt. Was kann ich tun? Es tut mir so leid.“

„So etwas passiert nun mal, Lucy“, meinte er ausdruckslos. „Und nur damit das klar ist, ich werde auch ohne diesen Hokuspokus klarkommen. Ich bin Realist und weiß, dass man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein muss. Wie auch immer, wir sollten das jetzt nicht vertiefen, sondern darüber reden, dass ich für eine gewisse Zeit nicht im Land sein werde.“

„Ja, okay.“ Lucy überlegte, wie der Laden ohne ihn weiterlaufen sollte. Zum Glück war Malik ein Meister darin, Arbeit zu delegieren, und sein erstklassiges Team, das ihm größte Loyalität entgegenbrachte, konnte auch ohne Aufsicht weitermachen.

Was die Frage aufwarf, wo sie in das Ganze hineinpasste.

Und das ließ sie sofort wieder an sein kurzes Zögern zu Anfang denken. Er mochte sie vielleicht nicht feuern, aber würde er ihr eine Weile Urlaub mit Gehaltskürzung anbieten? Lucy hoffte von Herzen, dass er es nicht tun würde.

Auch wenn sie umgeben war von Schwestern mit perfekten Hochschulabschlüssen und vorbildlicher Arbeitsmoral, war sie ihnen zumindest in Bezug auf das Gehalt ebenbürtig.

Lucy wusste, dass sie etwas beweisen wollte, weil sie keinen Abschluss hatte. Sie wollte beweisen, dass sie in dem, was sie tat, erfolgreich war, denn alle hatten ihren Senf dazu abgegeben, als sie ohne Vorwarnung ihr Studium nicht angetreten hatte. Sie hatte schon ihre Koffer für Durham gepackt, um sie dann wieder auszupacken, und sich nicht länger um das gekümmert, was die Familie von ihr erwartete. Lebwohl Mathematik und Wirtschaftslehre, willkommen Berufsfachschule in Exeter.

Niemand konnte begreifen, warum, und sie hatte es auch keinem anvertraut, denn sie hatte sich noch nie so allein in ihrer lautstarken Familie gefühlt wie damals.

Wie konnte sie auch jemandem erzählen, wie dumm sie gewesen war? Wie konnte sie zugeben, dass sie sich Hals über Kopf in einen Charmeur verliebt hatte, der ihr den Kopf verdreht, sie hingehalten und sie in dem Moment fallen gelassen hatte, als sie ihm erklärte, dass sie einen verhängnisvollen Fehler gemacht hatten?

Wie hätte sie die Demütigung ertragen sollen, wenn sie ihrer Familie gestand, dass sie aus Versehen schwanger geworden war? Zwei ihrer Schwestern waren verheiratet und hatten Kinder. Deren Schwangerschaften waren selbstverständlich sorgfältig geplant gewesen.

Wie, in aller Welt, war das passiert?

Konnte es denn so schwer sein, die Pille zu nehmen?

Dann, eine Woche, nachdem sie wegen ihrer Schwangerschaft abserviert worden war, hatte sie eine Fehlgeburt erlitten. Sie hatte all die Erwartungen abgeschüttelt, die auf ihren Schultern gelegen hatten, und einen anderen Weg eingeschlagen. Und sie hatte es nicht bedauert. Denn dieser Weg hatte sie später zu dem interessantesten Job geführt, den sie sich vorstellen konnte– und zu dem interessantesten Mann. Sie erhielt außerdem einen enormen Gehaltsscheck, aber ohne den ständigen Stress, dem ihre Schwestern sich in den von ihnen gewählten Bereichen Medizin und Jura ausgesetzt sahen.

Wenn Malik jetzt für unbestimmte Zeit zu neuen Ufern aufbrach, dann sah die Zukunft für sie lange nicht mehr so rosig aus. Alle Manager des Unternehmens hatten ihre eigenen Sekretärinnen. Würde man sie zum Kaffeeholen verdonnern, während Malik nach Sarastan verschwand, ohne Rückflugticket?

Während sie ihn nun anstarrte, stellte sie bestürzt fest, dass sich dieses Zögern wieder auf seiner Miene zeigte. Statt das zu tun, was sie sonst machte, nämlich ihn zu fragen, was los sei, schwieg sie lieber. Denn manchmal bekam man eine Antwort, die man nicht hören wollte.

„Ich fürchte, es geht kein Weg daran vorbei, auch wenn es mir nicht passt.“

„Das kann ich mir vorstellen. Aber Ihre Eltern werden sich bestimmt freuen, Sie wieder bei sich zu haben. Ich bin sicher, dass Ihr Dad bald aus dem Krankenhaus entlassen wird und schnell wieder fit ist.“ Sie überlegte, wie es sein würde, morgens nicht mit dem Gedanken aufzuwachen, zur Arbeit zu gehen, wo Malik mit einer ellenlangen Aufgabenliste auf sie warten würde. Ein plötzliches Gefühl des Verlustes ließ ihr Herz einen Schlag aussetzen.

Malik hob die Augenbrauen. „Positiv denken, ja. Das habe ich schon beim ersten Mal verstanden, also müssen Sie es nicht wiederholen. Zweifellos fragen Sie sich, wie Sie in dieses Bild passen.“

Lucy errötete. „Es ist eine schwere Zeit für Sie“, meinte sie. „Und wie ich da hineinpasse, ist nicht wichtig. Jetzt zählt nur, dass Sie bei Ihrer Familie sind. Die braucht Sie.“

„Sehr edelmütig. Also, ich werde dort viel zu tun haben. Natürlich werde ich sicherstellen, dass während meiner Abwesenheit hier alles geregelt ist, aber trotzdem wird es mich noch einiges an Zeit kosten, dafür zu sorgen, dass alles reibungslos verläuft. Nicht nur hier im Büro, sondern auch bei den vielen fortlaufenden Geschäften.“

„Ich könnte mir Mühe geben, die Dinge am Laufen zu halten, wenn Sie vorübergehend jemand anderem Ihren Platz übertragen. Sie wissen, wie gut ich darin bin, mich selbst zu motivieren, und die meisten dieser Geschäfte kenne ich wie meine Westentasche. Stellen Sie mir irgendeine Frage über eines dieser Geschäfte, und ich kann sie Ihnen beantworten. Ich meine damit nicht, dass es als langfristige Lösung funktionieren wird – das wäre ja verrückt. Aber auf befristete Zeit könnte ich mein Bestes geben.“

„Ich sage es nur ungern, Lucy, aber, so gut Sie auch sein mögen, bin ich doch unersetzlich.“

Lucys Augenbrauen schossen nach oben. „Sie haben eine sehr hohe Meinung von sich.“ Ihre Grübchen zeigten sich, und Malik erwiderte ihr Lächeln.

Seit dem Anruf seiner Mutter war er wie aufgedreht. Ja, er machte sich Sorgen um die Gesundheit seines Vaters, aber die Folgen, die sich daraus ergaben, hatten zu einer Reihe von Entschlüssen geführt, die nicht besonders erfreulich waren, mit denen er sich aber befassen musste.

Doch hier bei Lucy spürte er, dass er sich langsam wieder entspannte. Diese Frau war erfrischend in ihrer lebhaften Respektlosigkeit, das musste er widerwillig einräumen.

„Wie gut Sie mich doch kennen“, sagte er amüsiert, doch sein verhaltenes Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war. Er stand auf und ging zum Fenster.

Lucys Blick folgte ihm.

Seine Schönheit beeindruckte sie immer wieder. Alles an ihm war atemberaubend, angefangen von seinem wohlgeformten Gesicht mit den strengen, arroganten Zügen bis zu der Anmut seines großen, muskulösen Körpers.

Er war sehr zurückhaltend, und obwohl Lucy schon seit mehr als drei Jahren für ihn arbeitete, hatte sie nur eine seiner Freundinnen kennengelernt, eine Anwältin, und wie sie später erfahren hatte, war sie die Jüngste, die je Kronanwältin geworden war.

Seit dieser einen Begegnung hatte sich in Lucys Kopf ein Bild der Frauen geformt, die ihr Chef bevorzugte. Große, elegante, karrieregetriebene Schönheiten, die hohe Ämter innehatten und elegante Designerkleidung trugen und nie zu so weltlichen Dingen wie zerknitterter Kleidung oder hin und wieder einem Kaffeefleck neigten. Frauen, die im September sicher keine weihnachtlichen Farben trugen.

Malik war ein Mann, der Kultiviertheit und Schönheit mochte und beides leicht bekommen konnte. Warum hatte er nie geheiratet? Sie hatte keine Ahnung! Aber reiche Typen hatten doch eine Beziehung nach der anderen, oder nicht? 

Er mochte Lichtjahre entfernt sein von dem Albtraum, mit dem sie sich früher einmal verabredet hatte. Doch auch wenn er ausgesprochen sexy war und ihre ungehorsamen Augen oft in seine Richtung wanderten, wusste Lucy, dass sie nie mehr in ihm sehen durfte als einen tollen Chef, weil er ein Mann war, der keine Bindung eingehen konnte.

Ein gebrochenes Herz hatte sie gelehrt, dass sie nur einen Mann wollte, der sich ihr verpflichten würde. Ein Mann, der bereit war, sich zu binden, war auch bereit, sein Herz zu verschenken. Ansonsten mutierte er womöglich zu einem Trottel, der eine Frau so lange benutzte, wie es ihm passte, bevor er sie mit einer SMS abservierte.

Aber das würde nie Maliks Stil sein. Sie kannte ihn gut genug, um das zu wissen. Doch eine langfristige Bindung wollte er trotzdem nicht. Hin und wieder erlaubte sie ihren Augen und ihrer Fantasie einen Streifzug, aber mehr auch nicht.

Was natürlich unbedeutend war, denn er würde ihr nie einen zweiten Blick gönnen. Sie dachte an ihre Freundin Helen, die inzwischen mit ihrem Chef, auch ein Milliardär, glücklich verheiratet war und ihr erstes Kind erwartete. Widerwillig musste sie einräumen, dass die Ausnahme hin und wieder die Regel bestätigte.

Helen war verschlossen und geheimnisvoll. Sie waren oft zusammen aus gewesen, und Lucy hatte immer bemerkt, dass die Männer ihrer Freundin heimliche Blicke zuwarfen. Natürlich schien Helen das nie bemerkt zu haben. Zuerst, weil sie mit Erinnerungen an George beschäftigt gewesen war und ihrer Enttäuschung über diese Beziehung, danach hatte sie nur noch an ihren Chef gedacht, in den sie sich verliebt hatte.

„Hören Sie mir überhaupt zu, Lucy?“

Sie zuckte zusammen und sah, dass ihr Chef die Stirn runzelte. Helle Sonnenstrahlen warfen ihr Licht durch das Fenster, vor dem er sich wie eine dunkle, hoch aufragende Silhouette abzeichnete, die ihr einen Moment den Atem nahm.

„Tut mir leid, ich war ganz woanders.“

„Sie müssen sich konzentrieren. Ich habe gerade von Ihrer unmittelbaren Zukunft gesprochen und welche Auswirkungen sich aus dem, was passiert ist, ergeben.“

Plötzlich angespannt, straffte Lucy sich. Sie steckte ein paar widerspenstige blonde Strähnen hinter die Ohren und starrte auf ihre hoffnungslos langweilige Kleidung, die ihre Kollegin für sie ausgesucht hatte. Sie mochte leuchtende Farben. Für eine Gelegenheit wie diese schien Kleidung, die so farblos war wie Spülwasser, jedoch passender zu sein, nachdem ihr angenehmes Leben nun eine andere Richtung nehmen sollte.

„Ich bin konzentriert“, sagte sie ruhig. „Sie wissen, dass ich gut darin bin, auch wenn es nicht immer den Anschein haben mag.“

„Ich werde sofort aufbrechen – wahrscheinlich schon morgen Abend. Deshalb habe ich ein Vorstandstreffen mit den zehn wichtigsten Mitarbeitern anberaumt, um sie ins Bild zu setzen.“

„Und ich?“

„In diesem Punkt könnte es vielleicht ein bisschen knifflig werden.“ Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, und wieder zögerte er auf für sie beunruhigende Weise.

„Ich wünschte, Sie würden einfach mit dem herausrücken, was Sie zu sagen haben“, meinte Lucy schließlich in ihrer üblichen Offenheit. „Seit wann sind Sie so zurückhaltend? Ich bin erwachsen und kann damit umgehen. Feuern wollen Sie mich nicht, wie Sie gesagt haben. Aber was dann? Werde ich zur Bürogehilfin degradiert? Muss ich die Böden wischen und dafür sorgen, dass abends abgeschlossen ist, wenn alle gegangen sind?“

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