Tiffany Hot & Sexy Band 6

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EIN CASANOVA WIRD SCHWACH von NELSON, RHONDA
Ben ist umwerfend sexy und ein Casanova, der angeblich jede Frau zur Ekstase bringen kann. Wirklich jede? April, die lustvolle Höhepunkte in der Liebe vermisst, wagt den Versuch - und stellt bestürzt fest: In Bens Armen schmilzt nicht nur ihr Körper, sondern auch ihr Herz …

BIKINIS UND MARTINIS von WILDE, LORI
… heißt der Frauenklub, der Katies Selbstbewusstsein aufpeppen soll. Schon die erste Aufgabe hat’s in sich: Sex an einem verbotenen Ort. Mit Ledermini, High Heels und viel Herzklopfen trifft sie Liam im Kino - wild entschlossen, ihren Traummann hier zu verführen …

KOMM UND SPIEL MIT MIR! von MYERS, CINDI
Mehr Spaß bei der Liebe - und alles, was man dazu braucht, verkauft Jill in dem Sex-Shop, den der neue Besitzer schließen will. Da hilft nur eins: umfassende Aufklärung -möglichst praxisnah! Sie überrascht den eher zurückhaltenden Mitch mit einem ganz speziellen Angebot …


  • Erscheinungstag 11.06.2008
  • Bandnummer 6
  • ISBN / Artikelnummer 9783942031332
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

TIFFANY HOT & SEXY erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,

20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)

Cheflektorat:

Ilse Bröhl

Lektorat/Textredaktion:

Daniela Peter

Produktion:

Christel Borges, Bettina Schult

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Vertrieb:

asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg

Telefon 040/347-27013

Anzeigen:

Miran Bilic

Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

© 2007 by Lori Vanzura

Originaltitel: „My Secret Life“

erschienen bei: Harlequin Enterprises, Ltd., Toronto

in der Reihe: BLAZE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Übersetzung: Mona Rot

© 2005 by Rhonda Nelson

Originaltitel: „Getting It Right!“

erschienen bei: Harlequin Enterprises, Ltd., Toronto

in der Reihe: BLAZE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Übersetzung: Johannes Heitmann

© 2003 by Cynthia Myers

Originaltitel: „Just 4 Play“

erschienen bei: Harlequin Enterprises, Ltd., Toronto

in der Reihe: BLAZE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Übersetzung: Christian Trautmann

Fotos: PICTURE PRESS / Newberry, Firth

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: TIFFANY HOT & SEXY

Band 6 (2) 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Veröffentlicht im ePub Format im 02/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN-13: 978-3-942031-33-2

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

TIFFANY HOT & SEXY-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

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Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYLADY, MYSTERY, TIFFANY SEXY

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Lori Wilde

Bikinis und Martinis

1. KAPITEL

Katie Winfield plante die Verführung so strategisch und genau wie eine militärische Großoffensive.

Ein derart präzises Vorgehen war für sie ungewöhnlich, da sie sonst eher spontan und unbefangen vorging. Aber nun flirteten sie und Richard schon seit Wochen, ohne dabei wirklich voranzukommen. Heute Nacht sollte sich das ändern. Heute würden sie den entscheidenden Schritt tun.

Entzückt über die langen Vorbereitungen, mit denen sie sich normalerweise nicht aufhielt, nahm Katie einen Bleistift in die Hand und ging die Punkte auf ihrer Liste durch.

Kosmetik und Pediküre. Erledigt.

Sexy französisches Stubenmädchenkostüm. Erledigt.

Erregendes neues Parfüm. Erledigt.

„Fang mich, nimm mich“-High Heels. Abgehakt.

Kastanienbraune Perücke. Abgehakt.

Schwarze Seidenstrümpfe. Abgehakt.

Push-up-BH. Abgehakt.

Erotische Maske. Abgehakt.

Viele, viele Kondome. Abgehakt.

Sie brauchte die Liste nur zu lesen, und schon verspürte sie ein aufregendes Kribbeln und gleichzeitig eine wohlige Wärme in sich. Heute Abend, während des superschicken Wohltätigkeits-Maskenballs der Boston Ladies League, der jedes Jahr am Freitag vor dem Labor-Day-Wochenende stattfand, würde sie Richard Montgomery Hancock III verzaubern.

In der Mittagspause war Katie einkaufen gegangen und jetzt mit fünfzehn Minuten Verspätung und außer Puste an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Verstohlen kickte sie die gefüllten Tüten unter den Schreibtisch. Dann blickte sie über die Schulter, um zu sehen, ob ihr Chef die Verspätung bemerkt hatte.

„Was hast du denn Schönes gekauft?“, erkundigte sich ihre Kollegin Tanisha Taylor, die mit einem Latte macchiato in der Hand zur Tür hereinschlenderte.

Katie zuckte die Schultern. „Ach, nichts Besonderes.“

Mit ihren eins fünfundsiebzig überragte Tanisha Katie, die nur einen Meter sechzig groß war. Sie waren beide vierundzwanzig Jahre alt und hatten vor zehn Monaten am selben Tag bei Sharper Designs als Grafikerinnen angefangen. So lange war Katie noch nie an einem Arbeitsplatz geblieben. Diese Tatsache beunruhigte sie inzwischen fast.

Mit ihrem strahlenden karamellfarbenen Teint und den schokoladenbraunen Augen war Tanisha umwerfend schön. Sie trug ihr schulterlanges Haar zu kleinen Zöpfen geflochten, wodurch ihr schmales Gesicht noch zarter wirkte. Sie hatte den schlanken, muskulösen Körperbau einer Tänzerin, ganz anders als Katie, die wohlgerundet und nicht nennenswert sportlich war.

Heute trug Tanisha eine lavendelfarbene Seidenbluse, die sie in eine gerade geschnittene schwarze Hose gesteckt hatte, dazu flache schwarze Schuhe. Dank der wilden Nächte, die sie beide bis zur Sperrstunde in diversen Bars verbracht hatten, wusste Katie, dass sich unter dem zugeknöpften Äußeren eine abenteuerlustige nubische Göttin verbarg.

Tanisha entdeckte die rot-schwarz gestreifte Tüte von Fetching Fantasies, hockte sich hin und griff danach, bevor Katie sie bremsen konnte. Als sie die Einkäufe hervorgezogen hatte, stellte Tanisha lächelnd ihren Kaffeebecher ab, setzte sich auf die Schreibtischkante und untersuchte die Sachen.

„Oh, là, là, was haben wir denn da? Parlez vous français?“, fragte sie neckend.

Katie entriss ihr die Tüte und presste sie an die Brust. „Nur ein Kostüm für den Maskenball der Ladies League. Wie ich schon sagte, nichts Besonderes.“

Tanisha lachte. „In diesem Fummel bist du die verruchteste Lady des Abends.“

„Genau das habe ich vor.“

„Raus mit der Sprache. Auf wen hast du’s abgesehen?“

Katie hielt Tanishas listigem Blick stand und schüttelte langsam den Kopf.

„Tu nicht so unschuldig. Du führst doch etwas im Schilde.“

Katie neigte den Kopf und sah Tanisha unter gesenkten Lidern verschwörerisch an. „Kennst du Richard Hancock?“

„Jeder in der Stadt kennt Richard. Was hast du vor? Willst du es dir etwa mit sämtlichen Damen des Bostoner Adels verscherzen?“

Diese Bemerkung brachte Katie ziemlich aus der Fassung. Warum kam es ihr plötzlich so vor, als hätte Tanisha mit dieser Frage einen Pfeil auf ihr Gewissen abgeschossen?

Volltreffer.

„Wie kommst du darauf?“

„Warum sonst solltest du auf Richard ‚der Schwanz‘ Hancock aus sein? Er ist so was von überhaupt nicht dein Typ.“ Tanisha sprang vom Schreibtisch auf.

„Wie meinst du das? Richard sieht doch sehr gut aus.“

„Ich rede nicht von seinem Aussehen.“

„Was stimmt denn nicht mit Richard?“

„Mit ihm ist alles in Ordnung. Was mich stört, ist die Tatsache, dass du vorhast, ihn auf dem Ball der Ladies League zu verführen.“ Tanisha schnalzte mit der Zunge.

„Was ist daran so schlimm?“

„Mach dir nichts vor, Katie. Du liebst es, Aufsehen zu erregen.“

„Tu ich nicht.“

„Oh doch.“

„Ach ja?“

„Wer wurde denn auf unserer Weihnachtsfeier dabei erwischt, wie sie den Sohn des Generaldirektors unter dem Mistelzweig geküsst hat, hm?“

„Hey“, verteidigte sich Katie. „Ich konnte doch nicht ahnen, dass er frisch verlobt ist.“

„Genau das meine ich. Du nimmst dir keine Zeit, die richtigen Fragen zu stellen, und kommst damit oft in Teufels Küche. Darum glaube ich, dass du es unbewusst genießt, einen Skandal zu verursachen.“

„Das ist nicht wahr.“ Oder etwa doch?

„Entweder ist es das, oder du betreibst Selbstsabotage. Welches davon?“

„Nichts davon.“

„Wenn du meinst.“ Tanisha klang skeptisch.

„Ja, das meine ich.“

„Und der Nil ist nur ein Fluss in Ägypten.“ Tanisha schnaubte.

Sabotierte sie sich selbst? Sie war als jüngste von drei Schwestern in einem Haushalt aufgewachsen, der von einer liebenden Mutter und einem strengen Vater geführt wurde, der Navy-Offizier war. Katie hatte sich gern ein bisschen danebenbenommen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Na und?

In der Highschool hatte sie ein paarmal geschwänzt. Ein- oder zweimal war sie dabei erwischt worden, wie sie aus dem Fenster ihres Schlafzimmers kletterte, um sich mit einem Jungen zu treffen. Sie genoss es, wenn ihre stinkvornehme Großtante Josephine missbilligend die Nase rümpfte, wenn sie Hip-Hop hörte, Straßenslang sprach und zu Familientreffen in Jeans erschien. Aber ganz ehrlich, sie würde bei alldem niemals zu weit gehen. Katie hatte einfach gern ihren Spaß. Ihre Motive waren so einfach gestrickt wie ein Lied von Cyndi Lauper.

Nun gut, manchmal wurde es ihr zu stickig mit ihren beiden älteren, ach so vollkommenen Schwestern. Brooke war die stets hilfsbereite Schönheit, Joey eine gewandte Frau der Tat. Und beide waren stockbrav. Da war für Katie nur noch die Rolle des Wildfangs geblieben. Aber jeder in einer Familie hat seine Rolle zu spielen, nicht wahr? Und sie würde ihrer Rolle voller Stolz gerecht werden.

Um ehrlich zu sein, hatten sie und ihre Schwestern auch nach dem Tod ihres Vaters vor fünf Jahren immer noch ein Leben wie im Märchen. Sie waren vom Glück verwöhnt gewesen, bis ihre heile Welt urplötzlich zusammengebrochen war.

Katie wollte nicht darüber nachdenken, aber die Erinnerungen überwältigten sie sturzflutartig. Sie zwang sich zu lächeln, damit Tanisha nichts von ihrem Kummer mitbekam.

Aber dieses Lächeln konnte ihre tiefe Traurigkeit nicht beenden.

Im Januar hatten Katie und ihre Schwestern die schreckliche Nachricht erhalten, dass ihre geliebte Mutter Daisy an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt war. Katie verdrängte die Wahrheit, solange sie konnte. Sie redete sich ein, dass alles nur ein Irrtum war und dass es ihrer Mutter gut ging. Aber mit jedem Tag wurde Daisy Winfield schwächer und kränker, bis Katie endlich der Realität ins Gesicht sehen musste.

Danach war sie wütend geworden. Als Brooke behauptet hatte, dass sie in der zweiten Phase der Trauer stecken geblieben sei, hatte sie das schrecklich aufgeregt. Die heilige Brooke, die nie etwas falsch machte, hatte anscheinend alle Phasen der Trauer glattweg übersprungen. Mit einem Satz überflog sie Verdrängung, Wut und Depression, um es sich gleich beim Akzeptieren des Unvermeidlichen bequem zu machen.

Wenn man Brooke Glauben schenkte, war Katie noch nicht über die Wut hinausgekommen.

Vielleicht war sie das ja wirklich nicht. Aber wie auch? Ihre Mutter war erst dreiundfünfzig gewesen, als sie im Juli starb, nur sechs Monate nach der Diagnose. Sie hatte ja noch nicht einmal Zeit gehabt, sich richtig zu verabschieden.

Das war einfach nicht fair.

Katie schloss die Augen und atmete hörbar ein, als sie sich voller Pein an die entsetzliche Nacht erinnerte, in der ihre Mutter gestorben war.

Ruhelos und fiebrig hatte sie etwas von einem verlorenen Baby vor sich hin gemurmelt. Daisy hatte die Hände ihrer Töchter umklammert und sie gebeten, ihr kleines Mädchen zu finden. Sie hatten keine Ahnung, von was für einem Baby sie sprach. Die Hospizschwester versicherte ihnen, dass es sich um eine Nebenwirkung der starken Schmerzmittel handelte. Aber es war erschütternd, ihre Mutter während ihrer letzten Minuten auf Erden so verzweifelt zu erleben.

Unwillkürlich legte Katie eine Hand auf ihr Herz, wo sie den tiefen Schmerz über den Tod ihrer Mutter spürte.

„Katie?“ Tanishas Stimme holte sie wieder in die Gegenwart zurück.

Sie öffnete die Augen.

Tanisha sah sie verwundert an und beugte den Kopf nach vorn. Ein dunkler Zopf fiel auf ihren wie gemeißelt aussehenden Wangenknochen. „Geht es dir gut?“

„Mmh.“

„Du siehst nicht so aus.“

„Es geht mir aber gut.“

Tanisha deutete mit einem Nicken auf die Einkaufstüten unter Katies Schreibtisch. „Diese Einkaufsorgie, die Verführung bei der Ladies League und das ganze andere verrückte Benehmen – hat das alles irgendwie mit dem Tod deiner Mutter zu tun?“

„Wie kommst du denn darauf?“ Katie lachte gezwungen. Es klang merkwürdig erstickt.

„Ich dachte, dass du Richard vielleicht verführen willst, um deinen Kummer zu vergessen. Man kann Trauer mit Lust bekämpfen.“

„Nein, nein. Natürlich nicht. Das ist lächerlich. Ich kann gar nicht glauben, dass du so etwas denkst.“

„Am kommenden Wochenende liegt der Tod deiner Mutter genau zwei Monate zurück. Und um dich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, verführst du Richard Hancock.“

„Nein, das tue ich ganz bestimmt nicht“, entgegnete Katie scharf.

Tanisha drehte die Handflächen nach oben. „Na gut. Ich wollte nur ganz sicher sein. Kein Grund, sich aufzuregen.“

„Das verstehe ich nicht. Was hast du dagegen, wenn ich es mit Richard treibe?“

„Er ist einfach nicht das, was du im Moment brauchst.“

„Warum nicht?“, hakte sie nach. „Er ist witzig, flirtet gern und weiß sich zu amüsieren.“

„Eben. Ihr seid euch zu ähnlich.“

„Und was ist daran so schlimm?“

„Na komm, sei ehrlich. Magst du Richard überhaupt?“

Katie zuckte die Schultern. „Sicher.“

„Also, was gefällt dir an ihm?“ Tanisha hob den Zeigefinger. „Es darf aber nichts Körperliches sein.“

„Er ist … er ist …“

Warum fiel ihr nichts ein, was sie an Richard mochte, außer seine dichten blonden Haare, sein strahlendes Lächeln, das eine Reihe blitzeweißer Zähne offenbarte, und die kräftigen gebräunten Hände? Er war nicht übermäßig intelligent oder wahnsinnig zuverlässig. Aber sie hatte ja auch nicht vor, ihn zu heiraten.

„Dir fällt nichts ein, stimmt’s?“

„Er ist witzig.“

„Nein, du bist die Witzige von euch beiden. Er lacht über deine Witze.“

Ups. Tanisha hatte recht, aber Katie wollte es nicht zugeben. „Schön, dann ist es das, was ich an ihm mag. Er gibt mir das Gefühl, komisch zu sein.“

„Komisch im Sinne von lustig oder seltsam?“ Tanisha ließ einfach nicht locker.

„Warum machst du es mir so schwer? Worauf willst du hinaus?“

Tanisha atmete tief ein. „Lassen wir das Thema. Wir haben beide vor dem Wochenende noch eine Menge Arbeit zu erledigen.“

„Nein, ehrlich, ich will es wissen.“

„Bist du sicher?“ Tanisha hob eine Augenbraue. „Versprichst du mir, nicht böse zu sein?“

„Wie kommst du darauf? Ich werde nicht so leicht wütend.“

„Früher jedenfalls nicht“, bemerkte Tanisha.

„Und jetzt ja?“

„Nun, manchmal irgendwie schon, und zwar genau seit dem Tod deiner Mutter.“

Katie war verblüfft. So etwas von Brooke zu hören war eine Sache. Als älteste Schwester betrachtete es Brooke als ihre Pflicht, Katie zu beobachten und ihr Verhalten zu maßregeln, aber es von ihrer Freundin zu hören war etwas komplett anderes.

„Ist schon gut“, sagte Tanisha. „Jeder versteht das. Du hast eine Menge durchgemacht. Aber anstatt dich mit vergnügungssüchtigen Kerlen wie Richard herumzutreiben, könntest du überprüfen, ob du nicht einen Punkt im Leben erreicht hast, wo du auf die andere Seite des Zauns schauen solltest. Vielleicht wird es Zeit für dich, dir einen solideren Partner zu suchen.“

„Das verstehe ich nicht. Wo hast du denn diese Weisheiten her? Du feierst und flirtest doch genauso gern wie ich.“

„Ja, aber seit ich mit Dwayne zusammen bin, sehe ich die Dinge etwas anders.“

„Sag mir nicht, dass das zwischen dir und Dwayne etwas Ernstes ist. Du kennst ihn doch erst seit – wie lange? – einem Monat? Und er lebt in Denver. Es ist leicht, eine gute Beziehung zu haben, wenn man sich kaum sieht.“

„Wir reden hier nicht über mich und Dwayne. Wir reden über dich, und ich glaube, du durchlebst gerade eine Phase der Rebellion, als wärst du der Pubertät noch nicht entwachsen. Tief in deinem Innern bist du viel angepasster, aber du möchtest nicht, dass es jemand merkt.“

„Was?“

„Wenn du feiern, flirten und jede Menge belanglosen Sex haben willst – bitte schön. Entschuldige dich nicht dafür. Aber wenn du dich nur so aufführst, um dir selbst zu beweisen, dass du nicht wie der Rest deiner Familie bist, dann solltest du vielleicht noch mal darüber nachdenken, welcher Lebensstil dich wirklich glücklich macht.“

„Das ist doch lächerlich.“

„Ist es das?“

„Winfield“, dröhnte plötzlich eine barsche Stimme durch den Raum.

Sofort drehte sich Katie mit ihrem Stuhl um und sah ihren Chef Max Kruger in der Tür stehen. Über seinen buschigen Augenbrauen klebte ein immerwährendes Stirnrunzeln. Max war um die fünfzig, hatte einen altmodischen Bürstenschnitt und trug mit Vorliebe Khakihosen und gestärkte weiße Hemden. Er sah aus wie ein Baseballtrainer und benahm sich seinen Angestellten gegenüber auf leutselige Art mürrisch.

„Ja, Mr. Kruger?“

Max schritt mit einem Aktenordner in der Hand in ihr Büro.

„Sie müssen heute Abend länger bleiben.“

„Aber es ist der Freitag vor einem Feiertag“, sagte Katie, deren Verführungspläne sich in Rauch aufzulösen drohten. Sie hatte sich doch so fest vorgenommen, Richards kräftigen Arm um ihre Taille zu spüren, seinen Duft einzuatmen und sich selbstvergessen einem Orgasmus hinzugeben.

„Nun?“

„Ich habe schon etwas vor.“

„Mögen Sie Ihren Job, Winfield?“

„Ja, Sir.“

Max nötigte ihr mitleidslos den Ordner auf. „Dann werden Sie Überstunden machen. Kringle’s Krackers gefällt die Hintergrundfarbe des Logos nicht. Sie erwarten etwas mehr urbanen Schick.“

„Für überteuertes Salzgebäck?“

„Das wollen die Kunden nun mal.“ Er zögerte, bevor er die wirklich schlechte Neuigkeit hinterherschickte. „Außerdem müssen Sie sich bis Dienstag ein neues Verkaufsdisplay ausdenken. Der Kunde braucht es sofort für eine besondere Werbeaktion, die er plant.“ Max drehte sich um und stolzierte aus dem Raum.

Katie stöhnte und drehte ihren Stuhl wieder zurück. Verwünschungen murmelnd griff sie nach dem Kringle’s-Krackers-Ordner.

„Vielleicht solltest du das als ein Zeichen sehen“, sagte Tanisha.

„Wie meinst du das?“

„Es soll einfach nicht passieren. Du sollst nicht zum Ladies-League-Maskenball gehen und Richard Hancock verführen.“

Ein Vorschlag, der es wert war, sich ihn ganz kurz durch den Kopf gehen zu lassen. „Ich könnte es als Zeichen sehen“, stimmte Katie zu. „Oder ich könnte die Herausforderung annehmen und testen, wie schnell ich das Projekt bearbeiten und mich aus dem Staub machen kann.“

Tanisha gab es auf. „Das muss man dir lassen, Katie. Wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast, dann lässt du dich nicht mehr davon abbringen.“

„Nee.“ Katie grinste. „Ich betreibe nur ganz gezielt Selbstsabotage.“

Der erdige Geruch des nahenden Herbstes hing schwer in der Abendluft. Katie hetzte aus dem Büro, das in einem älteren Teil Bostons nicht weit von der Innenstadt zwischen anderen malerischen Häusern lag. In den Siebzigern war die Gegend zum Gewerbegebiet ernannt worden. Die meisten Familien waren weggezogen und hatten ihre Häuser in Bürogebäude umbauen lassen. In den renovierten Häusern herrschte ein angenehmes, heimeliges Arbeitsklima, aber Parkplätze mussten separat dazugemietet werden, und der nächstgelegene Parkplatz lag drei Häuserblocks entfernt.

Es war fast neun Uhr, und der Maskenball würde bereits in vollem Gange sein. Die Straßenlampen leuchteten diffus in dem verträumten Nebel, der sich vom Hafen her ausbreitete. Katie eilte die Straße hinunter, die Arme mit den Päckchen beladen, die sie in der Mittagspause gekauft hatte.

Ihre hohen Absätze klackerten auf dem Gehweg. Unter dem leichten Herbstmantel trug sie das französische Stubenmädchenkostüm. Sie hatte sich schon im Büro umgezogen, um keine Zeit zu verlieren. Sie fühlte sich in ihrem Outfit entschieden unartig, was sie noch unruhiger und entschlossener machte.

Egal was passierte, sie würde Richard Hancock verführen.

Trotz ihrer Nervosität fühlte sie sich aber auch heldenhaft, als sie allein in ihrer Verkleidung durch die Straßen ging. Sie atmete tief durch, um sich Mut zu machen. Wie würde Richard ihr Aufzug gefallen? Sie hatte ihm nicht verraten, als was sie sich verkleiden würde, denn sie hatte sich ganz spontan für das Stubenmädchenkostüm entschieden. Richard hatte jedoch versprochen, sich als Jack Sparrow aus Fluch der Karibik zu verkleiden, mit allem Drum und Dran, inklusive Johnny Depps Piratenperücke. Gefangene eines Piraten – das war ihre erotische Lieblingsfantasie.

Katie konnte es kaum erwarten. Das Jagdfieber ließ ihren Puls schneller schlagen.

Sie eilte an der Tierhandlung vorbei, die erst letzte Woche eröffnet worden war. Dämmriges Licht fiel aus dem Gebäude, und als sie sich gerade abwenden wollte, um vom Gehweg auf die Straße zu treten, da sah sie ihn.

Ihr Herz hämmerte, und ihr Atem stockte. Ihr Blick traf seinen, und sie war verloren.

Der Welpe, ein honigfarbener Cockerspaniel, saß im Schaufenster in einem Käfig und starrte sie aus großen, treuen braunen Augen an.

„Oh.“ Sie atmete durch, änderte die Richtung und trat ans Schaufenster. „Oh, bist du aber süß.“

Der arme kleine Kerl wedelte wie verrückt mit dem Schwanz, als Katie so vor ihm stand – getrennt durch eine dicke Scheibe.

Augenblicklich verliebte sich Katie in ihn, und im selben Moment ging ihr das Lied How Much Is That Doggy In The Window? durch den Kopf.

Du und ein Hund? Ha!

Was für ein lächerlicher Gedanke. Sie lebte in einer Eigentumswohnung und war fast nie daheim. Außerdem hatte sie noch nie ein Haustier besessen, obwohl sie sich immer eins gewünscht hatte. Sie erinnerte sich, wie sie als Kind um ein Hündchen gebettelt hatte, aber ihre Eltern hatten gemeint, sie wäre nicht verantwortungsbewusst genug. Sie konnte ja nicht mal ihr Zimmer sauber halten, wie sollten sie ihr da ein Tier anvertrauen, das gefüttert und Gassi geführt werden musste?

Katie flehte ihre Mom und ihren Dad an. Doch die sträubten sich. Sie machte die wildesten Versprechungen. Die Eltern blieben fest. Schließlich fand sie einen Streuner und fütterte ihn mit Käsewindbeuteln, damit er ihr nach Hause folgte. Eine schlechte Idee, denn das Kindermädchen rief umgehend im Tierheim an.

Schließlich gab ihr Vater nach, als er merkte, wie entschlossen seine Tochter war. Er sagte ihr, wenn sie beweisen könnte, dass sie verantwortungsbewusst genug war, sich um ein Tier zu kümmern, dann würde sie eins bekommen. Sein Test bestand darin, dass Katie sich um ein Ei kümmern musste, als wäre es ein Welpe.

Sie musste das Ei überallhin mitnehmen und durfte es nirgendwo vergessen. Auf das Ei aufzupassen war für eine Achtjährige sehr schwer, aber nach zwei Wochen, in denen sie alles richtig gemacht hatte, suchte sie sich bereits einen Namen für ihr Hündchen aus.

Dann, am letzten Tag, lief Katie ihrem Vater mit dem Ei in der Hand entgegen, um ihn an der Haustür zu begrüßen. Vor lauter Aufregung stolperte sie und fiel hin. Das Eidotter spritzte quer über den Boden des Eingangsbereichs.

Ein fürchterlicher Moment, die kleine Katie war untröstlich. Ihre Eltern hatten recht. Sie war nicht verantwortungsbewusst genug, um einen Hund zu bekommen.

Glücklicherweise machte ihr strenger, aber liebevoller Vater ihr aus dem Unfall mit dem Ei keinen Vorwurf. Er nahm sie zur nächsten Tierhandlung mit, wo sie sich ein Hündchen aussuchen durfte.

Sie entschied sich für einen Wildfang von einem Cockerspaniel, genau wie dieser hier. Das gleiche honigfarbene Fell, die gleichen schokoladenbraunen Augen. Sie nannte ihn Duke. Es war der glücklichste Tag ihres Lebens.

Doch sobald sie Duke nach Hause brachten, fing Brooke zu niesen an. Ihre Schwester nieste das ganze Wochenende, ihre Augen schwollen an, und ihre Nase lief. Daisy brachte Brooke am nächsten Tag zum Arzt und kam mit der Diagnose zurück, dass Brooke gegen Hunde stark allergisch war.

Katie musste Duke wieder fortgeben. Selbst jetzt, sechzehn Jahre später, fühlte es sich wie ein Schlag in die Magengrube an, wenn sie daran dachte.

„Hey, kleiner Bursche“, lockte sie und ging in die Knie, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein. Dann legte sie die Handfläche ans Schaufenster, und das Hündchen versuchte sofort, ihre Finger abzuschlecken. Ein hoffnungsloses Unterfangen, denn seine rosafarbene Zunge schlabberte dabei nur über das Glas.

Aus Erfahrung wusste sie, dass sein Fell sich so weich wie Puppenhaare anfühlen würde, wenn sie ihn hochnehmen könnte, und dass er ihr Gesicht ablecken würde, bis sie vor Lachen am Boden saß, wo er ihr Ohr beknabbern würde.

Bei dieser Vorstellung verkrampfte sich sofort ihr Magen, und die unterschiedlichsten Gefühle überwältigten sie – Zärtlichkeit, Bedauern und unterschwelliger Ärger über Brookes Allergie, die ihr die Freude daran zunichtegemacht hatte, einen Hund zu besitzen. Es war vielleicht kleinlich, aber so empfand sie nun mal.

Jetzt könntest du ein Hündchen haben.

Nein, es war zu spät, die Kindheit nachzuholen. In ihrem geschäftigen Leben war kein Platz für einen Hund. Eines Tages vielleicht, aber nicht jetzt.

„Ich muss gehen“, flüsterte sie, erhob sich und winkte zum Abschied. „Eine Feier erwartet mich, auf der ich einen hinreißenden Mann verführen muss.“

Der Welpe winselte, und sein Schwanzwedeln wurde langsamer. Der Kleine spürte, dass sie dabei war, ihn zu verlassen.

„Es ist wirklich besser so. Du wärst in meiner Wohnung nicht glücklich. Du wärst den ganzen Tag allein eingesperrt. Es wäre dir gegenüber nicht fair. Ich will nur das Beste für dich.“

Es zerriss ihr fast das Herz, als sie sah, wie der Cockerspaniel sie mit seinen großen Augen anschmachtete.

Das war ja wohl albern. Was war mit ihr los? Wegen eines Hündchens so rührselig zu werden! Er war zweifellos anbetungswürdig, jemand anders würde ihn kaufen. Es gab keinen Grund für sie, sich schuldig zu fühlen.

Aber irgendwie tat sie es trotzdem.

Sie musste dieses Gefühl unbedingt abschütteln, ebenso die Traurigkeit, die auf ihr lastete. Sie musste aufhören, an ihre Mutter zu denken und an Duke, den Welpen, der ihr nur ein Wochenende lang gehört hatte. Sie durfte auch nicht mehr daran denken, wie unheimlich genau Tanisha sie durchschaut hatte.

Spaß.

Das war es, was sie brauchte. Einen starken Drink, laute Musik, einen Raum voller Menschen in farbenfrohen Kostümen.

Und einen Mann, den sie verführen konnte und der sie am nächsten Morgen nicht so ansehen würde, wie dieser Welpe es jetzt tat.

Mit gesenktem Kopf eilte sie davon, flüchtete vor den Dämonen, mit denen sie sich nicht anlegen wollte. Sie würde zu dem Ball gehen, und nichts und niemand würde sie daran hindern, dort den Piraten zu vernaschen.

2. KAPITEL

In Liam James’ Leben drehte sich alles um seine Arbeit. Nichts war ihm so wichtig wie seine Immobilienfirma. Er hatte sie selbst aufgebaut und jetzt, mit nur einunddreißig Jahren, leitete er ein Multimillionen-Dollar-Imperium.

Er liebte die Arbeit und den damit verbundenen Stress, weil es sich anschließend so gut anfühlte, eine Krise bewältigt zu haben. Wenn er keine Probleme hatte, fühlte er sich unwohl, weil er ständig damit rechnete, dass etwas passierte. Das warf ihn regelmäßig aus der Bahn und machte ihn ziemlich nervös.

Auch heute Abend ging es ihm so, zumal er diese lächerliche Jack-Sparrow-Verkleidung trug. Aber im Kostümverleih hatte es nichts anderes mehr in seiner Größe gegeben. Auf dem Ball lief noch ein anderer Jack Sparrow herum. Piraten, vor allem dieser, waren wohl gerade in Mode.

Er schweifte mit seinem Blick über die Menschenmenge, die zum Wohltätigkeits-Maskenball der Ladies League gekommen war. Es wimmelte von gertenschlanken Frauen, denen man peinlicherweise ihre Schönheitsoperationen ansah, und selbstgefälligen reichen Männern in aufwendigen Kostümen. Liam verabscheute solche aufgeblasenen Wichtigtuer.

„Was zur Hölle mache ich hier?“, murmelte er. Eine rein rhetorische Frage, denn er wusste genau, dass er hier war, um sich den Mann anzuschauen, der ihn gezeugt, aber als Sohn nie anerkannt hatte. Den Mann, der seiner Mutter dreihundert Dollar für eine Abtreibung gegeben und sich dann aus dem Staub gemacht hatte.

Es handelte sich um Finn Delancy, Bostons amtierenden Bürgermeister. Die Neuwahlen standen kurz bevor, und es war abzusehen, dass er haushoch gewinnen würde.

Seit Jahren malte Liam sich die Begegnung mit diesem Mann aus, diesen einen Augenblick, wenn er sich ihm vorstellte. „Danke für alles, was Sie nicht für mich getan haben, Sie Mistkerl. Meine Mutter und ich haben es auch ohne Ihre Hilfe geschafft.“

Obwohl der Bürgermeister in seinem Cowboykostüm lächerlich aussah, scharten sich schöne junge Frauen um ihn. Liams Mutter zufolge hatte er mehr Charisma als Bill Clinton und JFK zusammen.

„Du wirkst verspannt. Stimmt etwas nicht?“, fragte Liams rechte Hand, Tony Gregory, der sich als Bandmitglied von Kiss verkleidet hatte.

Liam schüttelte hastig den Kopf. „Alles in Ordnung.“

„Und wieso musste ich mitkommen?“, hakte Tony nach.

„Weil meine Freundin und ich erkannt haben, dass wir doch nicht zusammenpassen. Darum wollte sie nicht mitkommen.“ Sie war eigentlich nicht wirklich seine Freundin. Er war nur ein paarmal mit ihr ausgegangen. „Es wäre doch schade um die teure Eintrittskarte gewesen.“

Dass er dringend emotionale Unterstützung brauchte, ließ er Tony lieber nicht wissen, auch wenn er sein engster Vertrauter war. Er hatte schon genug Probleme damit, sich selbst gegenüber eine Schwäche einzugestehen. Außerdem hatte er Tony nie anvertraut, dass er der uneheliche Sohn von Bostons einflussreichstem Mann war.

„Wieder eine Beziehung, die den Bach runtergeht?“ Tony pfiff durch die Zähne. „Ich fand Brooke wirklich nett. Wieso kannst du keine Frau an dich binden? Du bist reich, gut aussehend, und du badest regelmäßig.“

„Aber ich mag nicht oberflächlich sein.“ Liam zog die Augenbrauen zusammen, als er beobachtete, wie Finn Delancy einem kichernden Starlet einen Handkuss aufdrückte.

„Ich glaube, es liegt eher daran, dass du ein Workaholic bist und Frauen es nun mal nicht mögen, die zweite Geige zu spielen. Mochtest du Brooke?“

„Natürlich.“

„Aber nicht genug, um dich mehr um sie zu bemühen.“

„Wir waren uns zu ähnlich. Und obwohl sie hübsch ist, habe ich mich zu ihr nicht sexuell hingezogen gefühlt.“ Schulterzuckend fügte er hinzu: „Die Arbeit geht sowieso vor.“

Tony starrte ihn mit offenem Mund an. „Man könnte meinen, dass du noch nie verliebt warst. Ich schwöre dir, wenn dir eine Frau so richtig unter die Haut geht, dann lässt du alles andere sausen.“

Liam verschränkte die Arme. „Wenn das so ist, bin ich froh, dass ich noch nie verliebt war.“

„So empfinde ich für Jess.“ Begeisterung glühte in Tonys Augen. „Sie ist mir das Wichtigste im Leben.“

„Wichtiger als deine Vizepräsidentschaft in meiner Firma?“

„Allerdings.“

„Und das nach fünf Jahren Ehe.“

„Ich verliebe mich von Tag zu Tag mehr in sie. Sie ist meine Geliebte, meine Gefährtin, meine beste Freundin.“

Liam schnaubte ungläubig. Traurig, aber wahr, er war noch nie verliebt gewesen, hatte noch nie eine Frau derart faszinierend gefunden.

„Warum starrst du eigentlich die ganze Zeit den Bürgermeister an?“, wollte Tony auf einmal wissen.

„Ich würde ihm gern vorgestellt werden.“

„Er wird dich nur um Geld für seinen Wahlkampf anhauen.“

„Soll er ruhig. Ich muss ihm ja nichts geben.“

Mit einem Blick über die Schulter meinte Tony: „Zuerst musst du dich aber durch einen ganzen Pulk durcharbeiten. Ich stürme inzwischen das Büfett. Bis später.“

Nachdem Tony in der Menge verschwunden war, näherte sich Liam dem Bürgermeister. Sein Herz begann heftig zu klopfen. Das war der Mann, der Liams Mutter erobert hatte, als sie gerade mal siebzehn war, und der sie schwanger und mit gebrochenem Herzen zurückgelassen hatte. All die Wut, die sich in Liam seit seiner Kindheit aufgestaut hatte, ballte sich zu einem gewaltigen Hassgeschwulst. Es wurde Zeit, eiskalt Rache zu nehmen.

Liam hatte schon seit Jahren Wort für Wort einstudiert, was er sagen würde. Zu dumm nur, dass er seine Rede in dieser lächerlichen Verkleidung halten musste.

Alle hohen Tiere aus Boston waren heute versammelt, dazu die wichtigsten Medienvertreter. Vor ihnen allen wollte er Delancy demütigen. Wild entschlossen, seinen Plan durchzuziehen, griff Liam nach dem Schriftstück, das ein Loch in die Gesäßtasche seiner Lederhose zu brennen schien.

Seine Geburtsurkunde.

„Bürgermeister Delancy“, sagte Liam vernehmlich und schob sich durch den Schwarm Frauen, der seinen Vater umgab.

Delancys Blick glitt herum und blieb an ihm haften. Seine Augen hatten denselben haselnussbraunen Ton wie Liams. Auch die starke, entschlossene Kinnlinie hatten sie gemeinsam. „Was kann ich für Sie tun, mein Sohn?“

Sohn!

Nur Liam wusste, wie bedeutungsschwer dieses Wort in der Luft hing. Aber bald schon würde auch Finn Delancy es verstehen – und ebenso seine treuen Wähler. Was würden sie dann über ihr erlauchtes Oberhaupt denken?

„Das ist für Sie“, brachte Liam heraus und reichte Delancy die zusammengefaltete Geburtsurkunde. Er musste die Zähne zusammenbeißen und seine Gefühle unter Kontrolle halten, damit seine Hand nicht zitterte und seine mühsam unterdrückte Wut verriet.

Delancy starrte ihn einen Augenblick verwirrt an, während Liam ihm das Papier weiterhin mit ausgestrecktem Arm entgegenhielt.

„Oh.“ Delancy blinzelte. „Jetzt verstehe ich.“ Er griff in die Brusttasche seiner Cowboyweste. Liam nahm an, dass er seine Lesebrille herausnehmen wollte. Aber stattdessen zog er einen teuren Kugelschreiber hervor und griff nach dem Blatt.

„Drehen Sie sich um“, sagte er.

Liam war dermaßen überrascht, dass er ohne nachzudenken gehorchte. Er spürte, wie Delancy die Geburtsurkunde an sein Schulterblatt drückte und etwas draufkritzelte. „Bitte schön.“

Liam drehte sich wieder um und bekam von Delancy das Blatt in die Hand gedrückt, während ein Bodyguard vortrat.

„Bürgermeister“, sagte er, „Ihre Limousine ist da.“

„Entschuldigen Sie mich bitte.“ Delancy warf Liam ein gekünsteltes Lächeln zu. „Ich habe noch eine weitere Verpflichtung.“

Der Bodyguard nahm den Bürgermeister am Ellbogen und führte ihn durch die Menge davon.

Verwirrt, weil alles so schnell gegangen war, starrte Liam das immer noch zusammengefaltete Blatt in seiner Hand an. In Delancys krakeliger Schrift standen dort Worte, die Liam vor Scham, Wut, Demütigung und Hass zittern ließen.

Es ist immer nett, einen Bewunderer zu treffen. Alles Gute, Finn Delancy.

Liam bekam kaum noch Luft. Ein Autogramm. Dieser zwielichtige, egoistische Mistkerl hatte seinem unehelichen Sohn ein Autogramm auf die Geburtsurkunde gegeben.

Als Katie im Hightower Mansion ankam, in dem dieses Jahr der Maskenball stattfand, hatte das Gedränge bereits seinen Höhepunkt erreicht. Selbst in ihren High Heels musste sie sich noch auf die Zehenspitzen stellen, um über die kostümierte Menge hinwegzusehen, die das Foyer füllte.

Kellner mit Champagnerflöten auf silbernen Tabletts zwängten sich hindurch. Die Musik und das Gemurmel Hunderter von Stimmen dröhnten so laut, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte.

Wo war Richard?

Für einen kurzen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken heimzugehen, überlegte es sich aber schnell anders, als sie daran dachte, wie viel Geld sie in die geplante Verführung investiert hatte. Als ein Kellner vorbeikam, nahm sie sich ein Champagnerglas und trank einen großen Schluck, um ihre Nervosität zu bekämpfen.

Aus den Lautsprechern ertönte ein höchst erotischer Song, dessen Bass Katie durch Mark und Bein ging. Sie wiegte die Hüften zu der verführerischen Melodie und versuchte, ein bekanntes Gesicht in der Menge zu entdecken. Aber die Verkleidungen waren einfach zu gut. Sie erkannte niemanden. Ihr wurde ganz schwindlig bei der seltsamen Vorstellung, dass all ihre Freunde heute Abend wie Fremde aussahen.

Aber auch sie war für die anderen nicht zu erkennen mit ihrer Maske, die ihr halbes Gesicht verdeckte. Ein aufregendes Gefühl. Sie konnte sich dahinter verstecken, wenn sie wollte. Sie konnte schamlos sein, ohne erkannt zu werden.

Ihr Körper kribbelte vor sinnlichen Empfindungen, während sie sich um einen Spiderman schlängelte, der mit Kleopatra flirtete, und an einem Baseballspieler vorbeiglitt, der mit Elvis Presley über American Football diskutierte. Zwischendurch prüfte sie, ob ihre Perücke mit den hüftlangen kastanienbraunen Haaren noch gerade saß.

Es war allerdings ein wenig schwierig, das gesamte Geschehen zu überblicken. Die Augenlöcher ihrer Maske waren sehr eng, sodass sie wie durch Scheuklappen schaute.

Sie stellte ihr leeres Glas ab und sah sich nach einem Nebenausgang um. Vielleicht war Richard nach draußen gegangen, um frische Luft zu schnappen. In diesem Tollhaus würde sie Stunden brauchen, um ihn zu finden.

Entmutigt lehnte sie sich an den Türrahmen des Raums, in dem das Büfett angerichtet war. Als der nächste Kellner an ihr vorbeikam, griff sie nach einem zweiten Glas Champagner.

Ob Richard den Ball bereits verlassen hatte?

Während sie noch grübelte, fiel ihr auf, dass sie von einigen Männern reichlich dreist angestarrt wurde. Schnell sah sie an sich herab. Oh nein! Als sie sich in der Hektik umgezogen hatte, war ihr nicht aufgefallen, wie tief das Kostüm ausgeschnitten war.

Errötend verschränkte sie die Arme vor der Brust und eilte mit Herzklopfen in den Saal zurück. Sie war es gewöhnt, Männerblicke anzuziehen, aber von diesen verkleideten Gestalten fixiert zu werden war selbst ihr zu viel. Katie versuchte sich damit zu beruhigen, dass sie genauso wenig zu erkennen war wie die anderen.

Und dann sah sie ihn. Bürgermeister Delancy verließ gerade mit seinem Bodyguard den Raum und machte den Blick frei auf den Mann, den sie verführen würde – ihren Jack Sparrow.

Liam ballte die Faust um seine Geburtsurkunde und fühlte sich zornig, hilflos und gedemütigt. Zwölf Jahre lang hatte er auf diesen Augenblick gewartet, und jetzt das! Konnte er es noch einmal versuchen, an einem passenderen Ort?

Seine Mutter, die inzwischen glücklich verheiratet war, würde das bestimmt nicht wollen. Sie meinte, er solle stolz auf das sein, was er ohne die Hilfe seines Vaters erreicht hatte, aber so einfach war das nicht für Liam. Er verspürte eine ständige Wut auf die blaublütigen Privilegierten, die meinten, sich alles erlauben zu können. Genau wie die verwöhnten Reichen, die sich auf diesem Maskenball ihren frivolen Neigungen hingaben. Wenn es ihnen wirklich um Wohltätigkeit ging, würden sie einfach einen Scheck ausstellen, anstatt ihr Geld für so einen albernen Maskenball zu verschwenden.

Er war reicher als die meisten von ihnen, und er hatte sich seinen Wohlstand hart erarbeitet. Ihm war nichts auf einem Silbertablett serviert worden.

Wieder einmal schoss ein Schwall Adrenalin durch seine Adern – wie meistens, wenn er sich mit diesen Gedanken plagte. Gegen Wut und Frust half nur Bewegung. Er musste nur durch den Park joggen, dann würde er seine Gefühle wieder unter Kontrolle haben. Er musste weg von hier, und zwar schleunigst.

Doch dann sah er etwas, das ihn alles vergessen ließ bis auf die Tatsache, dass er seit fast einem Jahr keinen Sex mehr gehabt hatte. Auf der anderen Seite des Saals stand ein Klasseweib im Kostüm eines französischen Stubenmädchens und sah ihn unverwandt an, als wäre er der Mann ihrer verbotenen Träume.

Neckisch warf sie die langen Haare ihrer Perücke über die Schultern.

Liam fuhr sich mit den Händen durch seine eigene Perücke.

Und in diesem Moment leckte sich die kleine „Französin“ die Lippen.

Was für ein Anblick! Liam reagierte sofort. Er steckte lässig die Daumen in die Gürtelschnalle, woraufhin sich – und das konnte er trotz ihrer Maske erkennen – ihre Augen weiteten. Dazu breitete sich eine zarte Röte von ihrem großzügigen Dekolleté bis zu ihrem langen, schlanken Hals aus.

Sofort versteifte sich sein Körper, und Liam stellte sich breitbeinig in Positur.

Das machte Eindruck. Die entzückende Unbekannte senkte den Kopf und löste die verschränkten Arme. Sofort bemerkte er die zarte weiße Haut auf der Innenseite ihrer Handgelenke und ließ seinen Blick von dort bis zu ihren Schultern hochwandern. Obwohl sie eine schwarze Maske trug, glaubte er zu sehen, dass sie ihm zublinzelte. Kühn blinzelte er zurück.

Was sprach dagegen? Sex eignete sich noch besser als Joggen, wenn es darum ging, Dampf abzulassen. Nach dem Vorfall mit Delancy hatte er eine Ablenkung dringend nötig. Mit ihren schön geformten Beinen, die in schwarzen Netzstrümpfen steckten, eignete sich das Objekt seiner Begierde hervorragend dafür.

Aufreizend sah sie ihn an, um dann schnell wegzublicken, als er ihren Blick erwiderte. Kein Zweifel, sie wollte mit ihm spielen.

Dann plötzlich drehte sie sich um und schien verschwinden zu wollen. Neugierig geworden und mit wallendem Blut sah er ihr nach. Wer war die geheimnisvolle Frau? Kannte er sie? Etwas an ihr kam ihm vage vertraut vor. Mit sinnlich wiegenden Hüften bahnte sie sich ihren Weg durch die Menge. An der Tür blieb sie stehen, glitt mit den Fingern über das Holz und warf ihm über die Schulter einen aufreizenden Blick zu, der zu sagen schien: „Folge mir.“

Liam vertraute normalerweise lieber seinem Verstand als seiner Libido, aber jetzt brauchte er dringend etwas, das sein verletztes Ego besänftigte. Diese Schönheit schien heiß und willig. Aber durfte er das ausnutzen, nur um seine Wut auf Delancy zu bekämpfen, indem er sich bewies, dass er eine Dame von Adel herumbekommen konnte?

Doch er konnte den Blick nicht von ihren vollen Lippen losreißen. Jetzt warf sie ihm auch noch eine Kusshand zu und lockte ihn mit dem Zeigefinger. Es war, als hätte sie ihm – oh, là, là – in den Schritt gefasst. Hormone und Endorphine fluteten seinen Körper und sein Gehirn. Dieses französische Stubenmädchen wollte seinen Spaß haben. Warum sollte er nicht derjenige sein, der ihm zu Diensten war?

Wieder ging sie weiter. Beim Anblick ihrer geschmeidigen Bewegungen wurde Liam klar: Er musste diese Frau haben.

Als er die Stelle erreichte, an der sie gestanden hatte, war sie bereits an der Tür zu einem weiteren Raum angelangt und wartete auf ihn. Diesmal schaute sie nicht nach hinten, sie schien anzunehmen, dass er ihr folgte. Sie wandte sich nach links. Liam folgte ihr auf dem schnellsten Weg, ohne auf die schwatzenden, lachenden, trinkenden Menschen zu achten. Doch als er die Tür erreichte, befand sich links von ihm ein langer, von unzähligen Türen gesäumter Gang. Sein Stubenmädchen aber war verschwunden.

„Verdammt“, fluchte er leise. Vielleicht war es besser so. Er fühlte sich viel zu verletzlich, um sich auf anonymen Sex einzulassen. Diese Art von Trost konnte den lebenslangen Schmerz darüber, dass er keinen wirklichen Vater hatte, nicht lindern.

Etwas verloren stand er im Gang, starrte die Türen an und fragte sich, ob sie hinter einer davon auf ihn wartete. Was sollte er tun? Auf keinen Fall gehen, es könnte ja sein, dass sie wieder auftauchte. Eine Minute verstrich, dann noch eine.

Finde dich damit ab. Sie ist fort.

Verdrossen drehte er sich um, als plötzlich die Tür hinter ihm aufging und eine Hand herausschoss, die ihn am Kragen packte.

Lange Fingernägel kitzelten ihn am Hals, und bevor er wusste, wie ihm geschah, wurde er in einen pechschwarzen Garderobenschrank gezogen.

Das französische Stubenmädchen schlang die Arme um ihn und bedeckte sein Gesicht mit unzähligen Küssen. Zumindest hoffte er, dass sie es war.

Sie murmelte etwas auf Französisch. Er verstand die Sprache zwar nicht, aber die Botschaft war eindeutig. Er versuchte einen Schritt zurückzutreten, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, aber sie machte sich bereits an den Knöpfen seines weißen Piratenhemds zu schaffen.

„Nicht so hastig“, wollte er sagen, aber seine Kehle war vor Verlangen wie zugeschnürt, sodass er kaum mehr als ein erregtes Stöhnen zustande brachte.

Ihr berauschender Duft – eine Mischung aus Aprikose und Lilie – fachte seine Lust weiter an. Er konnte in der Dunkelheit nicht das Geringste erkennen, aber alle anderen Sinne waren geschärft und wollten betört werden.

„Was … wie … wo …“ Mehr als einzelne Worte bekam er nicht zusammen.

„Pst.“ Sie legte einen Zeigefinger auf seine Lippen. Ihre Haut schmeckte verboten gut.

Er dachte an Trüffel, Kaviar und Safran, das teuerste Gewürz der Welt. Seine Nerven standen regelrecht unter Strom. Irgendwo in seinem Hinterkopf versuchte sein Gewissen, ihm etwas mitzuteilen.

Hey, Sportsfreund, das geht doch nicht mit rechten Dingen zu. Diese sexy Braut macht sich einfach so an dich ran. Da stimmt was nicht, das wird ein Nachspiel haben. Das hat es doch immer. Komm mal raus aus dieser Hormonsuppe und denk nach. Das Letzte, was du willst, ist, wie dein Vater zu sein. Hey, hey …

Weiter kam er nicht mit seinen Überlegungen, denn sein Gehirn erlitt einen ultimativen Blackout. Es gab nichts mehr außer diesem heißen kleinen Mund, der sich so fantastisch auf seinen Lippen anfühlte.

Katie konnte nicht glauben, dass sie es wirklich tat. Es fühlte sich so verrucht an, so falsch. Und doch gleichzeitig wahnsinnig gut.

Sie hätte wissen müssen, dass Richard küssen konnte wie ein Weltmeister. Er war einer der begehrtesten Junggesellen in Boston. Warum hatte sie ihn nicht schon längst verführt?

Er war so willig und zugänglich. Und als sie mit den Händen seine Unterarme umschloss, zitterte er sogar. Auch sie zitterte.

Sein Mund war heiß und feucht, und er schmeckte nach Pfefferminz, er schmeckte nach mehr. Als wüsste er genau, wonach sie sich sehnte, schlang er mit einem Mal den Arm um ihre Taille und hielt Katie fest.

Die aufgehängten Mäntel im Garderobenschrank schwangen mit ihren Bewegungen mit, die rauen Stoffe reizten ihre nackten Arme. Sein Atem kam stoßweise. Und dann endlich erforschte der Pirat mit seiner Zunge fordernd ihren Mund, ungeduldig und voller Begehren. Atemlos klammerte sie sich an ihn.

Er zog sie näher, drückte sie an seine breite, muskulöse Brust. Ihr kurzer gestärkter Rock knisterte – genau wie die Spannung, die sich unaufhaltsam zwischen ihnen aufbaute. Mit jedem Herzschlag wuchs Katies Lust. Was würde er jetzt tun? Mit den Händen über ihre Oberschenkel streichen? Würde er ihr den sensationellen Orgasmus bescheren, nach dem sie sich verzehrte?

„Du freches Ding“, stöhnte er heiser und glitt mit der Zunge über ihr Kinn und dann ihre Kehle hinunter. „Du bist so wahnsinnig sexy.“

Sie warf den Kopf zurück, damit er die empfindliche Stelle küsste, unter der ihr Puls pochte. Der Mann roch so gut, nach Zuckerstangen und Weihnachtsstimmung. Was Richard heute wohl für ein Rasierwasser benutzte? Sonst empfand sie seinen Duft irgendwie als viel eleganter, abgehobener.

Ob sie ihn fragen sollte?

Würde das nicht den Zauber des Augenblicks zerstören? War sie verrückt?

Während sie sich diese Fragen stellte, beschleunigte sich ihr Atem. Nicht im Entferntesten spürte sie so etwas wie Angst. Und das wiederum war äußerst beängstigend.

Was stimmte nicht mit ihr? Warum ging sie so bereitwillig ein Risiko ein, forderte das Schicksal heraus und ignorierte bewusst jeden vernünftigen Gedanken?

Es war eine rhetorische Frage, denn Katie kannte die Antwort sehr gut. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie ein überwältigendes Bedürfnis, ihren seelischen Schmerz zu vertreiben.

Ohne den Halt, den Daisy ihr gegeben hatte, war es, als hätte sie nichts mehr zu verlieren. Warum also nicht alles aufs Spiel setzen, um ein bisschen Spaß zu haben? Das Leben war zu kurz, um zu warten.

Den Druck seines süßen Mundes auf ihrem zu fühlen verscheuchte die düsteren Fragen. Seine geschickte Zunge ließ sie den Schmerz vergessen.

Katie ließ sich kopfüber in die Lust fallen. So impulsiv, dass sie auf ihren hohen Absätzen schwankte und das Gleichgewicht verlor. Das führte dazu, dass sie beide stolperten und gegen die Rückwand des Garderobenschranks fielen – ein eher ernüchternder Moment, doch zum Glück lachte der Seeräuber so herzlich und aufrichtig, dass auch Katie lachte.

„Alles in Ordnung?“, fragte er.

„Mmh.“

„Ich mag dieses Kostüm, es ist sehr sexy.“

„Pst.“ Er sollte sie lieber wieder küssen.

„Hör mal“, sagte er, „ich möchte nicht, dass du …“

„Halt den Mund“, befahl sie.

Die Verkleidungen machten das erotische Spiel besonders aufregend, aber jetzt waren sie im Weg. Daher zog Katie ihrem Gespielen die Perücke herunter, umfasste seinen Nacken und glitt mit den Fingern in sein dichtes Haar.

Der Pirat verstand und drückte ihr sofort leidenschaftliche Küsse auf Mund und Hals, die sie berauschten. Dabei rieb sich seine Ledermaske an ihrer, ein herrlich sinnliches Gefühl.

Ja, lass mich alles vergessen.

Nun drückte er sich gegen ihren Venushügel. Das war es, was Katie wollte: pure Lust und Begierde. Damit ihr Liebhaber merkte, wie sehr ihr gefiel, was er mit ihr tat, schob sie einladend die Hüften vor.

Aber nicht nur die Verführungskünste dieses Mannes waren unvorstellbar gut, die undurchdringliche, anonyme Dunkelheit tat ein Übriges dazu.

Wie er sie küsste, so wild und stürmisch. Und wie herb er schmeckte! Ungeduldig und keuchend bat sie: „Koste mich, knabbre an meinem Hals.“

Sofort folgte er ihrer Einladung und stimulierte ihre empfindliche Haut mit seinen Lippen. Ein elektrisierender Schauer durchrieselte Katie, sodass sie lustvoll aufseufzte und fast vergaß, wo sie sich befand.

Halt, sie mussten leise sein! Sonst würde man sie entdecken. Aber sie war schon zu erregt, um noch klar zu denken und sich Sorgen über eine öffentliche Demütigung zu machen. Dem Seeräuber schien es genauso zu gehen. Suchend glitt er unter ihre Kleidung und presste die Hände auf die nackte Haut ihres Bauches. Wie warm sie waren, wundervoll. In Katie flammte das Begehren heiß auf.

Ihr Liebesspiel war so erotisch, dass sie in der Enge des Garderobenschranks erbebte vor Lust und sich ungeduldig über das Kostüm ihres Liebhabers hermachte. Sie zerrte an seinem Hemd, bis die Knöpfe absprangen und geräuschvoll auf dem Holzboden landeten. Dann schob sie es zurück, fast bis über seine Schultern, und legte den Kopf an seine Brust. Wie gut sich das anfühlte. Weich und zart kitzelten seine Brusthaare sie. Der Mann roch so wahnsinnig betörend. Sie atmete tief ein, noch tiefer. Nichts sollte ihr in diesem Moment entgehen.

Und was machte der Pirat? Er knurrte.

Guter Gott, sie war in der Finsternis mit einem Tiger allein. Süße Angst durchflutete sie, ihr Körper kribbelte vor Furcht, Freude und wildem, geheimem Verlangen.

Und ihr zitterten die Knie. Er schien es zu merken und half ihr, indem er ihren Rücken gegen die Wand drückte und sie mit der Hüfte stützte.

Katie hatte noch nie einen Mann so sehr begehrt, sie war völlig verrückt nach ihm.

Dass er kein Wort sagte, fand sie besonders erregend. Sie hörte lediglich seinen schweren, erregten Atem. Sie schien in eine Fantasiewelt geraten zu sein, und das steigerte ihre Lust weit über ihre Vorstellung hinaus.

Langsam schob sie ihre Zungenspitze vor und strich damit über seine Brust bis hoch zu seiner Kehle. Er schmeckte sogar wie ein Seeräuber – jedenfalls so wie sie es sich vorstellte: vollmundig und salzig. In ihren Ohren rauschte das Blut wie ein wilder Fluss.

Seine Bewegungen waren vielleicht weniger piratenhaft. Denn er wollte sie nicht „kapern“, sondern berührte sie überlegt, sanft und sinnlich. Mit den Fingern umkreiste er zärtlich ihre Brustwarzen, bis sie sich aufrichteten.

Hinter der Maske war er in der Dunkelheit. Ein Geschöpf der Nacht, geschmeidig und ursprünglich – und so unglaublich aufregend, dass ihr die Handflächen feucht wurden, und nicht nur die …

Ein feiner Moschusduft hüllte sie ein, ausgehend von ihren erhitzten Körpern. Mitten in diesem prickelnden Augenblick fragte sich Katie, mit wem sie es eigentlich zu tun hatte. Es musste Richard sein. Wer sonst?

Doch die Vorstellung, dass es ein Fremder sein könnte, erschien ihr mit einem Mal überaus reizvoll. Bei jedem Kuss erzitterte ihr Körper voller Lust, es war aufregend gut und gleichermaßen beängstigend.

Wieder gab der Pirat tiefe, kehlige und äußerst zufriedene Laute von sich. Unwillkürlich kam sie ihm entgegen. Ihr Schoß brannte schier vor Begierde.

Nach einer kleinen Ewigkeit öffnete er endlich den Reißverschluss ihres Kostüms und zog es über ihre Schultern. Dann hakte er ihren BH auf und senkte den Kopf, um hingebungsvoll an einer Brustwarze zu saugen, während er die andere mit Daumen und Zeigefinger reizte. Er war geschickt, liebkoste sie genauso sanft und gleichzeitig entschlossen, wie sie es mochte. Sie spürte, wie etwas in ihr nachgab. Es war fast mystisch. Vielleicht hatte sie der Pirat ja in ein Schiff verwandelt, das sich vom Anker losriss und frei übers Meer trieb – um dann von ihm nach einer wilden Schlacht erobert zu werden.

Sollte der Pirat allerdings so etwas im Sinn haben, ließ er sich jedenfalls Zeit damit. Auch wenn Katie es zu schätzen wusste, seine Gelassenheit machte sie unruhig. Je länger ihr Stelldichein dauerte, desto wahrscheinlicher war es schließlich, dass man sie erwischte. Mit Sicherheit wollte sie sich nicht der Lächerlichkeit preisgeben. Doch gleichzeitig bescherte ihr das Verbotene, das Heimliche, das köstlich Frivole eine aufregend wohlige Gänsehaut.

Seine Arme waren stark und gaben ihr ein Gefühl von Geborgenheit, trotz der ungewöhnlichen Umstände. Insgeheim wünschte sie sich jedoch, es wäre nicht so dunkel, denn dann hätte sie sein Gesicht sehen können.

Aber das würde die Fantasie zerstören!

Nun griff er nach ihrem Bein, hob es an und stellte die Ferse auf seiner Hüfte ab. Katie spürte, wie er ihren Strumpf herunterrollte und den Schuh vom Fuß zog. Er ließ ihn fallen, stellte ihr Bein behutsam wieder auf den Boden und wiederholte die Prozedur mit dem anderen Bein.

Ihr hatte eher ein Quickie in voller Bekleidung vorgeschwebt, aber der Maskierte spielte nach seinen eigenen Regeln. Sie spürte seinen Atem auf ihrer nackten Haut. Es fühlte sich himmlisch an, wie Samt, und es war ungemein erregend.

Jetzt trug sie nur noch den Seidenslip.

„Du brauchst dich nicht auszuziehen“, sagte sie mit verstellter Stimme, um die Fantasie aufrechtzuerhalten. „Wir sollten uns beeilen. Vielleicht sucht man nach uns. Und wir wollen doch nicht bei so etwas Unanständigem erwischt werden.“

„Und warum nicht?“ Seine Stimme klang rau und tief. „Es wäre doch der perfekte Frevel für die gehobene Gesellschaft.“

Katie runzelte die Stirn. Wie meinte er das? Wenn sie doch nur in seinem Gesicht lesen könnte. Aber in die Ebenholzschwärze fiel nur ein schmaler Streifen Licht, der durch den Türspalt drang.

Er antwortete nicht, dafür hörte sie, wie er seinen Reißverschluss aufzog.

Zwischen ihren Schenkeln spürte sie ein süßes Ziehen. Sie sehnte sich verzweifelt danach, dort von ihm berührt zu werden. Und dann endlich fühlte sie seine Fingerspitzen, die sich sanft und beharrlich an ihren Schenkeln entlangtasteten und sich der Stelle näherten, wo sie sich am meisten nach seiner zärtlichen Berührung sehnte.

Doch der geheimnisvolle Unbekannte ließ sich immer noch Zeit. Geschickt glitt er mit seinen Fingern von der Innenseite ihrer Schenkel über ihre Hüfte und vorbei an dem Zentrum ihrer Lust. Einfach so! Katie meinte verrückt zu werden. Sie konnte diese Anspannung kaum noch aushalten. Dann endlich streichelte er ihr seidiges Haar, zupfte zart daran, kreiste mit den Fingerspitzen langsam über ihren Venushügel und näherte sich dabei wie zufällig ihrer kleinen Perle. Leise seufzend hielt sich Katie an seinen Armen fest, während er sie weiter erforschte und dabei sanft und warm küsste.

Bald würde sie vor Verlangen den Verstand verlieren. Diesen Mann musste sie haben, sonst würde sie vergehen. Er schien zu spüren, was sie wollte, und zog ihr den Slip herunter. Der dünne Stoff fiel auf ihre Füße, und sie kickte ihn weg.

Und nun sank der Pirat langsam auf die Knie.

Oh! Was hatte er nur vor?

Sie sollte es sofort erfahren, denn schon spürte sie seine Lippen auf ihren Oberschenkeln und atmete hörbar ein, als sein Mund weiterglitt, genau dorthin, wo Katie seine Zunge am liebsten spüren wollte. Aber war sie überhaupt bereit dafür? Erst wenige Männer hatten sich so weit vorgewagt. Sie legte eine Hand an seinen Nacken. „Warte, ich …“

Er hob den Kopf und flüsterte: „Ich werde dir nicht wehtun.“ Mit seinen festen Lippen berührte er ihre zarte Haut. Katie fühlte sich ihm urplötzlich rettungslos ausgeliefert. So intensive Empfindungen hatte sie noch nie erlebt.

Ihn schien es genauso zu erregen. Er umschlang Katie noch fester und drückte ihre Hüften gegen die Wand, wo er sie festhielt wie ein Beutestück.

Rasend vor Lust, wühlte sie in seinen Haaren. Ihre Seele lag bloß, sie verlor jegliche Kontrolle über sich. Aber das war egal, denn sie verspürte gleichzeitig ein Urvertrauen zu diesem Mann, das ihr Sicherheit gab. Wie könnte sie sonst zulassen, was er gerade mit ihr anstellte? Niemand hatte sie je so berührt wie er. Er spürte all ihre Geheimnisse auf und machte schamlos Gebrauch davon. Und dieses Gefühl war so schön, dass es beinah wehtat.

Sie war verloren, spürte nur noch die Bewegungen seiner Zunge und ihre überwältigende körperliche Reaktion darauf. Die Anspannung war unglaublich. Er spielte mit ihr, reizte und besänftigte sie zugleich.

Gern hätte sie seinen Kopf festgehalten, wäre auf die Knie gesunken und hätte ihm in der Dunkelheit gegenübergesessen. Doch dann hätte sie vielleicht zu viel über ihn erfahren und damit die Fantasie zerstört. Dann wäre sie in einen Strudel hineingezogen worden, aus dem es kein Entrinnen gab.

Sein Kopf ruhte zwischen ihren Schenkeln, seine Zunge glitt sinnlich über ihre sensible Haut, mal zärtlich, mal wild. Und sie kostete den wilden Ritt bis zur Neige aus. Diese Begegnung war etwas Besonderes, an das sie sich bis an ihr Lebensende erinnern würde.

Nie hätte sie geglaubt, dass dieser Mann zu solch himmlischen Finessen fähig war. Nun widmete er sich ihrer Knospe, umkreiste sie erst langsam mit der Zungenspitze, wurde dann immer schneller und spielte schließlich so virtuos mit ihr, dass Katie fast zum Höhepunkt kam. Nur, so leicht machte er es ihr nicht. Kaum glaubte sie, den Gipfel zu erreichen, wurden seine Berührungen sanfter und langsamer, nur um sie gleich darauf wieder zu demselben Punkt zu tragen. Ihr Atem ging keuchend, ihr Körper schien in Flammen zu stehen.

„Ich möchte dich in mir spüren“, murmelte sie heiser. „Ich muss dich fühlen. Jetzt.“

Als hätte er auf diesen Satz gewartet, zog er sich von ihr zurück und kam auf die Beine. Etwas raschelte. Katie war so voller Verlangen, dass das Warten schmerzte. Sie brauchte ihn. Jetzt, jetzt, jetzt.

„Hast du ein Kondom?“, flüsterte sie.

„Es ist noch verpackt.“

Dann endlich hörte sie das Aufreißen der Packung.

Ungeduldig griff sie nach ihm, schob die Hand durch die Öffnung seiner Lederhose, umschloss seine Erektion schließlich und brachte ihn dazu, tief und lustvoll aufzustöhnen.

„Mach schnell“, drängte sie, als sie plötzlich von einer namenlosen Furcht ergriffen wurde. „Beeil dich.“

„Leg deine Beine um meine Hüfte“, raunte er und drückte dabei ihre Schultern gegen die Wand, „und halt dich fest.“

Sie griff nach oben und umfasste die Kleiderstangen. Sie kam sich vor wie ein Artist am Trapez, als sie endlich die Beine um ihn schlang.

Der Moment war noch berauschender als alles zuvor, vor allem als sie seine samtige Spitze an ihrem Po spürte. Wie zart er sich anfühlte, wie er schon vor Ungeduld zuckte. Katie konnte es kaum noch aushalten.

Und dann glitt er in sie hinein. Endlich.

Was für ein unglaubliches Gefühl.

Das Leder seiner Hose rieb an ihren Schenkeln. Katie schloss die Augen und keuchte. Sie war wie in Trance, ganz von ihm ausgefüllt, von der lebendigen Kraft und der aufregenden Fantasie. Immer wieder drang er in sie ein, tief und tiefer, langsam und behutsam.

Sie passte sich ihm an, drückte den Rücken durch, kam ihm entgegen. Schon bald waren sie vollkommen aufeinander eingespielt. Es war geradezu mystisch. Diese langsame, süße Lustreise, das An- und Abschwellen der Intensität.

„Mehr“, keuchte sie bittend, „ich will mehr.“ Sie brauchte diese Intimität, sie brauchte ihn.

Und dann spürte sie die Welle, die sich kraftvoll in ihrem Körper aufbaute und sie gleich in den Himmel der Lust tragen würde. Um ihre Lust nicht laut herauszuschreien, ließ sie die Kleiderstange los und presste sich die rechte Hand auf den Mund.

Ein letztes Mal drang er in sie ein, dann erbebte er während seines Orgasmus. Sein Atem an ihrem Ohr klang rau. Und da kam auch sie, so heftig wie noch nie. Eine Welle nach der anderen durchflutete sie. Es schien ein ganzer Ozean zu sein. Und die ganze Zeit über hielt der Pirat sie fest in seinen Armen, bis sie nicht mehr zitterte.

Nach einer Weile hatten sie sich erholt, und er half ihr, sich in der Dunkelheit anzuziehen, streifte ihr zärtlich Strümpfe und Schuhe über. Danach zog er sie an seine Brust und gab ihr einen letzten innigen Kuss.

„Oh Richard“, stöhnte sie. „Du warst genauso fantastisch, wie ich es gehofft hatte.“

Mit einem verwirrten Laut wich er zurück.

„Was ist los?“ Katie konnte seinen Schreck spüren. Hastig zog sie die Maske, die ihr hochgerutscht war, wieder vor das Gesicht und rückte die Perücke zurecht.

„Richard?“

Er antwortete nicht, aber sie hörte die Mäntel rascheln, als er sich an ihnen vorbeizwängte, um schnellstens aus dem Garderobenschrank und aus ihrer Nähe zu kommen.

Katie tastete nach dem Lichtschalter und fand ihn, als der Pirat gerade die Tür öffnete. Ihre Blicke trafen sich. Er hob die Handflächen, um sich vor dem gleißenden Licht zu schützen. Um sein linkes Handgelenk hatte er Stacheldraht tätowiert. Völlig paralysiert starrte Katie darauf, aber es dauerte eine Weile, bis ihr Gehirn verarbeitete, was ihre Augen sahen. Dieser Mann war nicht Richard Hancock. Es war Liam James.

Entsetzt keuchte Katie und schlug sich die Hand vor den Mund. Sie hatte es gerade mit dem Freund ihrer Schwester getrieben.

Liam starrte die Frau im Stubenmädchenkostüm wie betäubt an, als sie sich an ihm vorbeidrängte und ihn beinah zu Boden stieß. Unter ihrer Perücke lugten blonde Locken hervor.

„Warte“, rief er.

Sie kam ihm seltsam vertraut vor, trotz der Maske. Sie erinnerte ihn an Brooke Winfield.

Die Synapsen in seinem Gehirn arbeiteten auf Hochtouren. Hatte Brooke sich verkleidet, um ihn zu verführen? Nein, sie hatte braune Haare und war größer. Dann dämmerte ihm, wo er diesen aufreizenden Gang schon einmal gesehen hatte.

Es war Katie Winfield, Brookes kleine Schwester.

Liam fuhr sich stöhnend durch die Haare. Er musste ihr folgen, ihr alles erklären, sich rechtfertigen. Musste verstehen, was sie da eben getan hatten.

Er wollte hinter ihr herrennen, aber Katie war schon in der Menge verschwunden. Als er sich suchend umschaute, stellte er entsetzt fest, dass die Leute ihn anstarrten, mit den Fingern auf ihn zeigten. Aufgebracht sah er an sich herab. Seine Brust war nackt, denn Katie hatte die Knöpfe von seinem Hemd abgerissen – und zu allem Überfluss stand seine Hose offen. Hektisch zog er im Laufen den Reißverschluss hoch. Er musste unbedingt mit Katie reden. Als er die Eingangstür erreichte, war sie bereits auf dem Parkplatz.

„Katie!“, rief er und stolperte die Treppe hinunter auf die Straße. Aber er kam zu spät. Ihr rotes BMW-Cabrio raste an ihm vorbei, er sah nur noch die Rücklichter in der Dunkelheit verschwinden und fühlte sich wie der größte Trottel der Welt.

3. KAPITEL

Katie verbrachte das restliche Wochenende in ihrer Wohnung. Sie machte es sich auf dem Sofa gemütlich, aß Karamell-Popcorn, trank heiße Schokolade und schaute sich einen romantischen Filmklassiker nach dem anderen an. Doch nichts half gegen ihren Trübsinn und die Gewissensbisse. Sie würde Brooke nie wieder in die Augen sehen können.

Ich darf nicht so streng mit mir sein. Ich habe es schließlich nicht mit Absicht getan.

Nichtsdestotrotz schämte sie sich dafür, dass sie wieder einmal gedankenlos gehandelt hatte.

Brooke darf das nie erfahren. Niemand darf davon wissen.

Aber Liam wusste es. Sie betete, dass er sie nicht erkannt hatte. Was sich aber hundertprozentig bei ihr eingegraben hatte und keinesfalls wegzurationalisieren war, blieb. Die schreckliche Wahrheit lautete: Der Sex mit Liam war der beste gewesen, den sie je erlebt hatte, und sie würde es gern immer wieder mit ihm tun.

Es lag nicht an ihm, versuchte sie sich einzureden. Es lag an der Verkleidung, an der Gefahr, entdeckt zu werden, an den aufregenden Umständen. Was hatte sie nur angerichtet?

Am Montagabend rief sie Tanisha an, die ihr erzählte, dass sie das ganze Wochenende mit Dwayne im Bett verbracht hatte. „Und wie war dein Wochenende?“

„Nervtötend.“

Tanisha atmete hörbar ein. „Ist es mit Richard nicht so gut gelaufen?“

„Mit Richard war gar nichts, ich hatte Sex mit dem Freund meiner Schwester“, platzte sie heraus. „Ich hatte es nicht gewollt, ich hielt ihn für Richard, denn er trug auch ein Piratenkostüm. Es war wirklich nur ein Irrtum, aber ich fühle mich so …“

„Ich bin schon auf dem Weg zu dir.“

Eine Stunde später stand Tanisha auf der Matte, in der einen Hand eine riesige Tüte aus dem Chinarestaurant am Ende der Straße, in der anderen eine Großpackung Eiscreme. „Bei so einem Notfall braucht man dringend ein tröstendes Essen“, erklärte sie und rauschte herein.

Sie setzten sich an den gusseisernen Bistrotisch, und Tanisha tischte Hähnchen süßsauer auf. Sie reichte Katie einen Papierteller und Stäbchen. Bei dem köstlichen Duft wurde Katie bewusst, dass sie sich tagelang nur von Popcorn ernährt hatte.

„Erzähl mir, was passiert ist“, forderte Tanisha sie auf.

Katie war froh, sich alles von der Seele reden zu können, und ließ kein Detail aus.

Als sie fertig war, meinte Tanisha: „Ein klarer Fall von Verwechslung. Niemand kann dir daraus einen Vorwurf machen. Er sollte sich lieber schämen, dass er sich einfach mit einer anderen einlässt, obwohl er mit deiner Schwester zusammen ist. Wie ernst ist das eigentlich zwischen ihr und … wie heißt er eigentlich?“

„Liam James.“

Tanisha machte große Augen. „Dieser Immobilienmogul? Ich muss schon sagen, wenn du Mist baust, dann wenigstens mit Stil.“

Katie legte stöhnend den Kopf in die Hände. „Ich weiß nicht, was ich tun soll.“

Schulterzuckend meinte Tanisha: „Vergiss es einfach.“

„Das kann ich nicht.“

„Es geht dir tatsächlich ganz schön an die Nieren. Es ist genau, wie ich befürchtet habe. Du betreibst Selbstsabotage.“

„Wahrscheinlich hast du recht.“ Katie stocherte mit einem Stäbchen auf ihrem Teller herum. Sie hatte zweifelsohne die größte Dummheit ihres Lebens begangen.

„Da hilft nur eins. Nimm dir ein Beispiel an mir und hör auf mit dem Gelegenheitssex.“ Sie zog einen Schlüssel aus der Tasche. „Meine wilde Partyzeit ist vorbei. Dwayne und ich haben jetzt Schlüssel für die Wohnung des anderen.“

„Ich freue mich so für dich.“ Katie stand auf, um ihre Freundin zu umarmen.

„Wann hattest du deinen letzten festen Freund?“

Katie schluckte. Sie hatte nie einen gehabt. „Ich bin nicht für feste Beziehungen geeignet. Mir geht es nur darum, keine dummen Fehler mehr zu machen.“

„Dann gewöhn dir an, rechtzeitig über die Folgen deines Handelns nachzudenken. Und was den Sex anbetrifft – da solltest du erst mal auf Entzug gehen.“

Liam verbrachte das Wochenende mit Arbeit, zumindest versuchte er es.

Wem machte er eigentlich etwas vor? Er hatte überhaupt nichts erledigt, hatte nur im Büro gesessen und die Verträge auf seinem Schreibtisch angestarrt. Vor seinem geistigen Auge sah er dabei Katie Winfield in ihrem umwerfenden Kostüm.

Warum ließ er die Sache nicht einfach auf sich beruhen? Es war ihr offensichtlich peinlich gewesen, dass sie ihn für diesen Richard gehalten hatte, sonst wäre sie nicht weggerannt.

Als er sich am Montag immer noch nicht auf die Arbeit konzentrieren konnte, begann er, sich Sorgen zu machen, und ging im Park joggen, um seinen Kopf freizubekommen. Doch es nützte nichts.

Schließlich rief er Tony an und fragte ihn, ob er mit ihm heute Abend das Spiel der Red Sox anschauen wollte.

„Unfassbar. Du nimmst dir wirklich Zeit, mit deinem besten Kumpel ein Baseballspiel anzuschauen? Das haben wir nicht mal im College gemacht.“

„Dann wird es höchste Zeit.“

Als Liam am Fenway Park ankam, wartete Tony bereits am Haupteingang. Sie arbeiteten sich, Bierdosen und Hotdogs balancierend, zu ihren Sitzen vor.

„Gibt es etwas, worüber wir reden sollten?“, wollte Tony wissen.

Liam wehrte ab, aber Tony blieb hartnäckig.

Liam nahm einen Schluck Bier. „Na gut, es geht um eine Frau.“

Tony setzte sich aufrecht hin. „Brooke?“

„Nein, ihre Schwester, Katie.“ Liam senkte die Stimme. „Ich bin ihr auf dem Maskenball nähergekommen.“

„Meinst du das so, wie ich denke, dass du es meinst?“ Als Liam nickte, stieß Tony einen Pfiff aus und boxte ihn freundschaftlich auf den Arm. „Wer hätte das von dir gedacht?“

Unruhig rutschte Liam auf seinem Sitz hin und her. „Das Problem ist, dass sie mir nicht aus dem Kopf geht und ich mich nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren kann.“

„Wie viele Freundinnen hattest du schon?“

„Ich weiß nicht, sechs oder sieben. Aber keine von ihnen hat mich so aus dem Gleichgewicht gebracht.“

„Das kommt daher, dass du dir bisher Karrierefrauen ausgesucht hast, die zu deinem Lebensstil passen. Du hast dich noch nie mit einer Frau abgegeben, die deine Prioritäten infrage gestellt hat.“

„Stimmt.“

„Das könnte das Problem sein.“

„Ich kann dir nicht ganz folgen.“

„Katie Winfield ist anders.“

Liam nickte.

„So ganz und gar nicht für dich gemacht. Impulsiv, schätze ich, abenteuerlustig.“

„Ja, ja.“ Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf die Rückenlehne des Sitzes vor sich. „Worauf willst du hinaus?“

„Zum ersten Mal in deinem Leben hast du eine Frau gefunden, die dir das Gefühl gibt, lebendig zu sein. Im Vergleich dazu wirkt deine Arbeit stumpfsinnig und langweilig.“ Tony grinste. „Und da hilft nur eins, Sportsfreund. Pack die Gelegenheit beim Schopf.“

Liam gefiel die Unterhaltung immer weniger. „Wie meinst du das?“

„Du hast seit deinem sechzehnten Lebensjahr quasi ohne Unterbrechung hart gearbeitet und deine Gefühle unterdrückt. Irgendwann musst du dir auch ein bisschen Spaß gönnen, mal so richtig auf den Putz hauen und der Libido freien Lauf lassen.“

„Du meinst also, wenn ich die Gelegenheit beim Schopf packe und mich mit dieser Frau amüsiere, dann ist die Sache irgendwann ausgestanden und ich kann wieder ungestört arbeiten.“ Gar keine so schlechte Idee.

„Genau. Was arbeitet diese Katie eigentlich?“

„Sie ist Grafikerin in einer kleinen Werbeagentur.“

„Na also, das ist doch ideal.“ Mit einer grünen Serviette tupfte Tony sich Senf vom Kinn. „Du beauftragst die Agentur mit etwas. Wie wäre es mit einer Anzeigenkampagne für die Lagerhäuser in der Innenstadt, die du in Wohnblocks umwandeln lässt?“

„Und dann?“

„Dann verführst du sie und tobst dich mal so richtig aus. Und ab geht die Post!“ Tony sprang auf die Füße und verschüttete dabei beinah sein Bier. „Homerun für die Red Sox!“

Auf Entzug gehen?

Tanisha hatte leicht reden. Sie konnte jederzeit mit Dwayne zusammen sein.

Es war früh am Dienstagmorgen. Max streckte seinen Kopf in das Büro, das sie mit Tanisha teilte. „Entschuldigt, meine Damen, wir haben einen neuen Kunden. Um zehn ist eine Besprechung. Es ist ein ganz großer Fisch, aber er möchte nur ein vorläufiges Angebot einholen. Zeigt euch also von eurer besten Seite.“

Eine Stunde später versammelte sich das Designerteam im Konferenzraum. Es wurde eifrig darüber spekuliert, wer dieser potenzielle Kunde sein könnte. Katie war gedanklich nicht bei der Sache. Doch das änderte sich schlagartig, als Max mit dem neuen Klienten im Schlepptau auf der Bildfläche erschien.

Katie konnte nicht glauben, was sie sah. Liam James, der Mann mit der eigenartigen Tätowierung am Handgelenk, kam mit ausladenden, Achtung gebietenden Schritten hereinstolziert. Sofort erinnerte sich Katie an jede Einzelheit ihres Zusammenseins, an die heißen Küsse, das fieberhafte Herunterreißen der Kleidung, seine kraftvollen Stöße in der undurchdringlichen Dunkelheit.

Katie senkte den Kopf, als sie sich in den Drehsessel am anderen Ende des Konferenztisches gleiten ließ, und betete, dass er sie nicht erkannte.

Max führte Liam um den Tisch und stellte ihm jeden einzeln vor. Als Liams Blick auf Katie fiel, wurde ihr erst eisig kalt, dann glühend heiß.

Seine Stimme war voller Charme, als er sie begrüßte. „Es ist schön, dich wiederzusehen, Katie.“

Oberpeinlich! Wie meinte er das bloß?

Das konnte sie auch nicht herausfinden, als er ihr freundlich die Hand entgegenstreckte. Doch schon bei der ersten winzigen Berührung passierte es: Katie spürte eine so starke Energie zwischen ihnen fließen, dass sie wie vom Blitz getroffen zurückzuckte. Seine haselnussbraunen Augen verdunkelten sich, und ein leichtes, anzügliches Lächeln spielte um seine Mundwinkel.

Er wusste es!

„Hi“, sagte sie, weil das alles war, was sie herausbringen konnte.

Bleib ganz ruhig und tu so, als wäre nichts passiert. Du bist auf Entzug.

„Sie kennen sich?“ Max hob eine Augenbraue.

„Er ist mit meiner Schwester zusammen“, erklärte Katie.

Liam ließ die Augen keine Sekunde von ihr. „Brooke und ich sind nur Freunde.“

„Wirklich?“

„Wirklich.“ Er lächelte.

Erleichterung überflutete sie, zusammen mit neuer Hoffnung und Erregung. Ganz ruhig bleiben.

Liam wandte sich zu Max um. „Ich bin in Wahrheit wegen Katie hier. Ich habe die Grafiken gesehen, die sie für die neue Kampagne von Worthingston’s gemacht hat. Sie ist eine sehr begabte Künstlerin. Sie haben einen großen Fang mit ihr gemacht.“

Bei Liams Kompliment wurde Katie vor Stolz ein wenig rot. Brooke arbeitete bei Worthingston’s. Sie musste Liam die Entwürfe gezeigt haben. Ein wenig unangenehm war Katie das Lob dennoch.

Und jetzt starrte Max Katie auch noch an, als sähe er sie das erste Mal. „Sie ist nicht schlecht. Noch etwas ungeschliffen, aber mit Übung und Entschlossenheit kann sie sich großartig entwickeln.“

Liam hatte wohl inzwischen beschlossen, es sich gemütlich zu machen. Er setzte sich neben Katie, deren Herz wie verrückt hämmerte. Sie waren sich so nah, dass sein männlicher Duft, diese sinnliche Mischung aus Pfefferminz und Herbstlaub, sie komplett einhüllte.

Max setzte sich ebenfalls. „Erzählen Sie uns von Ihrem neuen Projekt, Mr. James.“

„Nun“, sagte Liam und ließ dabei den Blick lange auf Katie ruhen. „Es geht um Sex.“

„Sex?“, fragte Katie heiser.

Wieso zum Teufel hatte er das gesagt? Ihre Nähe brachte ihn völlig durcheinander. Ihm war die herrliche Rundung ihres Hinterns nicht entgangen, als sie sich elegant in den Ledersessel hatte gleiten lassen. Liam brannte darauf, ihren festen Po zu berühren, der sich so reizvoll unter ihrem Seidenrock abzeichnete.

Sie sah ihm direkt in die Augen, nicht im Mindesten eingeschüchtert von seinem taxierenden Blick. Er mochte mutige Frauen.

Sein Blick fiel auf ihren vollen Mund. Liam stellte fest, dass seine Gefühle drohten, außer Kontrolle zu geraten, genau wie auf dem Maskenball. „Sex“, wiederholte er, als hätte er es mit voller Absicht gesagt. „Ich lasse in der Innenstadt einige Lagerhäuser zu Eigentumswohnungen umfunktionieren. Mir schwebt dafür eine Anzeigenkampagne vor, die hippe, junge, wohlhabende Stadtbewohner anspricht.“

Autor

Lori Wilde

Lori Wilde wollte schon immer Autorin werden. Sie machte eine Ausbildung zur Krankenschwester und konnte in dieser Zeit auch nebenbei ihrer Leidenschaft zu schreiben nachgehen. Ihr erstes Buch hat sie 1994 veröffentlicht.

Sie arbeitete 20 Jahre als Krankenschwester, doch ihre große Liebe ist die Schriftstellerei. Lori Wilde liebt das Abenteuer....

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