Traummänner & Traumziele: Monaco

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Verliebt in Monte Carlo
Nie, so wünscht sich Maggie, soll die Zeit mit Caleb zu Ende gehen. Aber nicht nur weil der Multimillionär ihr wertvolle Juwelen schenkt: Für Maggie ist Caleb ihr Traummann! Doch wird es je ein Happy End für sie beide geben? Vor sechs Monaten hat er Millionen verloren - durch ihre Schuld! Und nun will er sich an ihr rächen! Zwei Monate lang soll sie seine Geliebte sein - Zeit genug für Maggie, um Calebs Herz zu gewinnen?

Eine Frau für gewisse Stunden
Hals über Kopf verliebt Freya sich in den charismatischen Multimillionär Zacharie Deverell. Er zeigt ihr das Leben der Reichen und Schönen – und entführt sie in seinem Luxuspenthouse in Monaco in eine faszinierende Welt der Leidenschaft. Bis Freya überraschend schwanger wird, und Zacharie die sinnliche Affäre mit einem Schlag beendet … Zwei Jahre später bringt das Schicksal sie erneut zusammen. Gegen ihren Willen verspürt Freya sofort wieder Zacharies einzigartige Anziehungskraft. Wie kann sie ihm nur widerstehen? Nicht noch einmal will sie nur eine Frau für gewisse Stunden sein …...

Tango der Liebe
Bei einem Kostümball in London erscheint Emily als Teufelsdame in heißem Rot – und trifft auf einen sinnlichen Engel der Nacht. Ein Herzensbrecher, fürchtet sie, aber dann lässt sie sich doch von seinem Charme verzaubern. Nur einen Tango lang will sie in seinen Armen liegen. Und ihn dann vergessen. Aber schon bald hat sie sich unsterblich in den attraktiven Finanzberater verliebt und wird seine Frau. Als strahlende Braut fährt sie mit ihm auf Hochzeitsreise nach Monaco – und sieht sich plötzlich schockiert in einem Netz aus Intrigen verstrickt ...

Leidenschaftliche Rache in Monte Carlo
"Sind wir uns schon mal begegnet?" Lorrayne stockt der Atem bei Kingsley Claybornes Frage. Hat ihr Jugendschwarm sie etwa erkannt? Doch auch wenn sein Blick untrügliches Interesse verrät, scheint King zum Glück nicht zu ahnen, wer sie ist. Denn Lorrayne plant eine pikante Enthüllungsstory über sein Milliarden-Unternehmen, das er auf Kosten ihrer Familie errichtet hat. Ihr Ziel ist klar - wäre Kingsley nicht unwiderstehlicher denn je. Gegen ihren Willen schlägt Lorraynes Herz höher. Und ehe sie sich versieht, ist sie zerrissen zwischen leidenschaftlicher Rache und Liebe …


  • Erscheinungstag 10.11.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787417
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Abby Green, Chantelle Shaw, Jacqueline Baird, Elizabeth Power

Traummänner & Traumziele: Monaco

Abby Green

Verliebt in Monte Carlo

IMPRESSUM

JULIA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2007 by Abby Green
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 1795 (1/2) - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Gudrun Bothe

Fotos: RJB Photo Library

Veröffentlicht im ePub Format im 03/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86349-492-6

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

PROLOG

London, November

In der nachtschwarzen Dunkelheit des späten Novembers traten die funkelnden Lichter des exklusiven Londoner Hotels besonders strahlend hervor. Maggie Holland stand direkt vor der gläsernen Drehtür. Ihr Herz klopfte im Hals, die Knie zitterten, die Hände waren feucht, und über ihren Rücken rann Schweiß.

Unter der Fülle glänzender Locken, die mit unzähligen Nadeln hochgesteckt waren, klopfte es schmerzhaft hinter ihrer Stirn. Mit klammen Fingern zog sie den viel zu kurzen Regenmantel fest um sich. Doch obwohl der eisige Wind peinigend um ihre Beine fegte, schaffte sie es nicht, sich aus ihrer Erstarrung zu lösen.

Gleich hinter ihr stieg ein Paar aus einem Taxi und flüchtete sich in den Schutz des ausladenden Schirmes, den der Hotelportier beflissen aufgespannt hatte. Er hieß die Gäste in gebrochenem Deutsch willkommen, dann kam die ganze Gruppe auf Maggie zu. Sie musste sich bewegen, so viel stand fest. Entweder sie betrat die Lobby hinter der Glaswand, oder sie ging zur Seite, um die anderen vorbeizulassen.

Urplötzlich wich die Erstarrung von ihr. Mit einem tiefen Atemzug stieß sie die Drehtür auf und betrat das warme Foyer.

In der gleichen Sekunde sah sie ihn. Unmöglich, ihn nicht wahrzunehmen, da er, wie gewohnt, alle Blicke auf sich zog. Zum Glück stand er mit abgewandtem Gesicht zu ihr und sprach mit irgendjemand – deshalb blieb ihr Eintritt unbemerkt. Maggie war froh über den unverhofften Aufschub. So erhielt sie wenigstens eine geringe Chance, sich zu sammeln und ihre zitternden Nerven unter Kontrolle zu bekommen.

Und ihn unauffällig beobachten zu können …

Wie er lässig mit den Händen in den Hosentaschen dastand, wobei sich der Stoff seiner maßgeschneiderten Hose über der wohlgeformten Kehrseite spannte, konnte man ihn eher für einen Athleten als für das geniale Finanzgenie halten, das mit Millionen jonglierte wie ein Artist mit seinen Bällen.

Einige redeten sogar von Milliarden!

Ein Tycoon, dem der Ruf eines … wenn nicht sogar des innovativsten und erfolgreichsten Geschäftsmannes Europas anhaftete.

Bis vor zwei Wochen, als sie ihm im Haus ihres Stiefvaters begegnet war, hatte Maggie noch nie von Caleb Cameron gehört. Nur auf Wunsch ihrer Mutter, die dringend ihre Unterstützung benötigte, war sie überhaupt dort erschienen. Caleb war einer von mehreren Geschäftsleuten gewesen, die sich in den letzten zwei Wochen zu augenscheinlich bedeutsamen Meetings bei ihrem Stiefvater eingefunden hatten.

Während dieser Zeit stand Maggie ihrer Mutter fast jeden Tag zur Seite, um die Gäste zu bewirten und zu betreuen. Und seitdem wurde jede Minute jedes einzelnen Tages – und der Nächte – von Gedanken an diesen unglaublich attraktiven, dynamischen Mann beherrscht, der ein offensichtliches Interesse an ihr zeigte.

Beweis dafür war das für heute arrangierte Treffen …

Ein Date, zu dem sie gezwungen wurde. Maggie presste die Lippen zusammen und schluckte heftig. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte, sich aus diesem Dilemma zu befreien, befürchtete aber, in der ersten Sekunde von ihm durchschaut zu werden. Fast hoffte sie es sogar. Hieß es nicht, er habe einen rasiermesserscharfen Verstand? Und trotzdem erwartete man von ihr, dass sie …, nein, befahl man ihr, dass sie …

Maggie fühlte heftige Übelkeit aufsteigen und schloss die Augen. Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre geflohen. Doch das durfte sie nicht. Denn an die Konsequenzen, die das für die einzige Person, die ihr wirklich nahestand, zur Folge hätte, mochte sie erst gar nicht denken. Sie hatte keine Wahl.

„Maggie.“

Wie ertappt riss sie die Augen auf. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Jetzt stand er vor ihr wie eine große geschmeidige Dschungelkatze, bereit zum Sprung … oder bildete sie sich das nur ein? Maggie straffte ihren Rücken und begegnete scheinbar gelassen seinem Blick.

„Verzeihung, Caleb. Hoffentlich habe ich Sie nicht zu lange warten lassen.“

Er musterte sie langsam von Kopf bis Fuß und hob leicht die Schultern, während Maggie unter seinem abschätzenden Blick fast der Atem stockte. „Die paar Minuten Verspätung waren eher eine angenehme Überraschung. Ich bin es gewohnt, sonst viel länger auf Frauen warten zu müssen.“

Instinktiv wusste Maggie, dass er log. Keine Frau würde diesen Mann freiwillig warten lassen. Es fiel ihr schwer, dem durchdringenden Blick aus diesen unglaublich azurblauen Augen standzuhalten. Ihre Knie wurden schwach, und das Blut floss wie glühende Lava durch ihre Adern. Ein verstörender Effekt, den allein Calebs Anblick von der ersten Sekunde an auf sie ausgeübt hatte … und der sie unglaublich frustrierte.

Zu dem Zeitpunkt wusste sie allerdings noch nichts von der Rolle, die ihr von ihrem Stiefvater in seinen hinterhältigen Machiavelli-Plänen zugedacht worden war. Der attraktive Fremde war für sie einfach nur Caleb gewesen, der Mann, der sie beeindruckte, wie niemand zuvor … und nicht jemand, den sie betrügen und ausnehmen sollte.

Und als ersten Schritt … verführen.

Maggie schaute in sein dunkles Gesicht und zwang sich zu einem Lächeln. Für einen Sekundenbruchteil gelang es ihr sogar, sich einzubilden, dass Toms finstere Pläne gar nicht existierten. Konnte es nicht wirklich nur ein aufregendes Date sein, zu dem dieser attraktive Mann sie eingeladen hatte? Die Vorstellung ließ ihr Herz schneller schlagen und machte sie atemlos.

Des sehnsüchtigen, etwas bitteren Lächelns, das bei diesem Gedanken um ihren weichen Mund spielte, war sie sich nicht bewusst. Nach heute Abend würde sie Caleb Cameron nie wiedersehen. Dieses Wissen machte es Maggie einerseits leichter, an ihre Illusion zu glauben, andererseits verursachte es ihr einen schmerzhaften Stich im Herzen.

In Calebs ausdrucksvollen Augen blitzte es für einen Sekundenbruchteil gefährlich auf, dann verwandelte sich sein Gesicht zu einer fast nachsichtigen höflichen Maske.

„Wollen wir? Unser Dinner wartet …“

Hier war sie – ihre letzte Chance zu entfliehen …

„Gern“, sagte sie leise.

Auf steifen Beinen folgte sie ihm durchs Foyer und fühlte sich wie auf dem Weg zur Guillotine. Verborgen in ihrer Manteltasche, wog der Zimmerschüssel zu der eleganten Suite, die ihr Stiefvater für sie gebucht hatte, plötzlich schwer wie Blei. Dort oben in diesem Hotel würde der Verführungsakt stattfinden.

Und irgendwo, im Schatten … im Hintergrund, lauerte Tom Hollands Handlanger, der die ganze hässliche Szene aufnehmen sollte.

Guter Gott! Wie hatte sie sich nur darauf einlassen können?

An der Tür zum Hotelrestaurant zuckte Maggie unter Calebs Berührung zusammen, als er leicht die Hand auf ihre Schulter legte. Die Wärme seiner Finger schien sie durch den Regenmantel und die dünne Spitze der Stola zu versengen, mit der sie versuchte, das freizügige Kleid, das ihr Stiefvater extra für diesen Anlass beschafft hatte, wenigstens zum Teil zu verstecken.

Am liebsten hätte sie den Mantel anbehalten, doch der Maître d’Hotel nahm ihn ihr beflissen lächelnd ab und übergab ihn der Garderobiere. Erneut stieg heiße Panik in Maggie hoch. Sie konnte es nicht tun! Wie sollte sie den Ausdruck auf Calebs Gesicht ertragen, wenn er erst ihren Aufzug sah?

Sie trug nur einen winzigen Slip … das war unter dem fast transparenten Kleid deutlich auszumachen. Nur mit Mühe gelang es Caleb, seinen Blick loszureißen und auf die kunstvolle Frisur zu richten. Ihre hochgesteckten Locken reizten ihn dazu, die Haarnadeln herauszuziehen, um die tizianrote Haarflut über Maggies weiße Alabasterschultern herabfließen zu sehen.

Die Tatsache, dass sie es selbst in diesem billigen provokanten Outfit fertigbrachte, eine wilde, fast schmerzhafte Begierde nach ihrem perfekten Körper in ihm zu wecken, frustrierte und erregte ihn gleichermaßen. Und noch etwas bewegte Caleb – Selbstironie, Spott und Hohn.

Obwohl er genau wusste, wer und was sie war, hatte es einen Moment gegeben, in dem er hoffte … oder sich gewünscht hätte …

Energisch versuchte er, derart alberne und unsinnig romantische Gedanken zu verdrängen und dahin zu verbannen, wohin sie gehörten – in das Reich der Fantasie. Doch eine kleine hartnäckige Stimme in seinem Hinterkopf ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.

Als er Maggie zum ersten Mal gesehen hatte, war eine Saite in seinem Inneren berührt worden, von deren Existenz er bis dahin gar nichts gewusst hatte. Ihre lebendige Schönheit und ihr süßes schüchternes Lächeln erschütterten sein zynisches desillusioniertes Ego. Von der ersten Sekunde an schien die Luft zwischen ihnen vor sexueller Spannung zu vibrieren. Doch da war noch etwas anderes, nicht Greifbares gewesen – eine Art femininer Unschuld, die ihn gleichermaßen überraschte und irritierte.

Er war es gewohnt, dass Frauen ihm zulächelten, aber stets so offensichtlich und kalkuliert, dass sich nur Abscheu in ihm regte.

Caleb presste die Lippen zusammen, während er Maggie durch den Speisesaal folgte, wobei ihm die neugierigen und begehrlichen Blicke der anderen Männer nicht verborgen blieben. Er brachte es ja selbst kaum fertig, seine Augen von den sexy Kurven unter der dünnen, fast durchsichtigen Seide zu lösen.

Sie heute Abend so vor sich zu sehen, mit dem herausfordernden Hüftschwung, der ihre offenkundigen Absichten gar nicht erst verbarg, ließ ihn an seinem Verstand und seiner Urteilsfähigkeit zweifeln. Wie hatte er nur auf die Idee kommen können, Maggie Holland sei anders als ihre Geschlechtsgenossinnen?

Natürlich sagte ihm seine Erfahrung und männliche Arroganz, dass sie scharf auf ihn war. Beherrschte ihn diese wilde Sehnsucht nicht selbst von der ersten Sekunde an? Aber wie vermessen, sich einzubilden, das einzige Objekt ihrer Begierde zu sein, dachte Caleb zynisch.

Sie war eine exzellente Schauspielerin, das musste man ihr immerhin zugestehen. Allein der Gedanke, dass es ihr fast gelungen wäre, ihn an der Nase herumzuführen, verursachte ihm einen bitteren Geschmack im Mund. Eine derartige Schwäche hatte er sich weder bei seinen geschäftlichen Transaktionen noch bei seinen zahllosen erotischen Intermezzi zwischen New York und Hongkong je zuschulden kommen lassen.

Sein ausgeprägter Instinkt, Selbsterhaltungstrieb und eiserne Kontrolle waren geradezu legendär. Eigenschaften, die es weder ihr noch ihrer Familie erlauben würden, ihn in eine Falle zu locken. Den Hollands stand eine böse Überraschung bevor, wenn sie glaubten, ihn bereits am Haken zu haben …

Maggie war hier, um ihn zu verführen und zu zerstören, daran hatte Caleb nicht den leisesten Zweifel. Die berühmte Venusfalle. Der älteste Trick der Menschheitsgeschichte. Wenn er sich nicht täuschte, war es der Umriss eines Zimmerschlüssels gewesen, der sich durch das dünne Material ihres Regenmantels in der Tasche abzeichnete. Ein Zimmer in diesem Hotel?

Caleb spürte, wie sich erneut heftiger Abscheu in ihm regte.

Doch es gehörten immer zwei zu einem Spiel. Schließlich war auch er hier, um sie zu verführen. Diese kleine Rache oder Entschädigung für seine Fehleinschätzung, was Maggies Charakter betraf, wollte er sich schon gönnen … als eine Art Kriegsbeute. Denn dies hier bedeutete Krieg. Das hatte Caleb in dem Moment für sich entschieden, als er Maggies berechnendes Outfit zu Gesicht bekam.

Sie erreichten ihren Tisch.

Maggie ging auf die andere Seite und warf ihm einen Blick zu, der ihn irritierte und sekundenlang verunsicherte. Unmöglich konnten das Angst und Scham sein, was da in ihren smaragdgrünen Augen aufblitzte, ehe sie den Kopf senkte und Platz nahm.

Zur Hölle! Sie war wirklich gut. Caleb versuchte, das schmerzhafte Ziehen in seinen Lenden zu ignorieren. Er bekam noch Zeit und Gelegenheit genug, um seine brennende Begierde zu stillen. Und Maggie stand ein schmachvolles Erwachen bevor.

Besonders, wenn er als Revanche auch noch ihre gesamte Familie ruinierte. Dann würde er endlich frei sein von seinen unsinnigen romantischen Fantasien und diesem quälenden Verlangen, das sie in ihm wachgerufen hatte.

Nach dieser Nacht würde sie ihn nie mehr vergessen können oder sich wünschen, seinen Weg noch einmal zu kreuzen …

1. KAPITEL

Dublin, sechs Monate später …

„Jetzt müssen wir nur noch das Treffen mit Mr. Murphy hinter uns bringen, dann ist endlich alles erledigt.“

Während sich das Taxi langsam vom Friedhof entfernte, umfasste Maggie auf dem Rücksitz die kalten Hände ihrer Mutter und betrachtete dabei voller Sorge ihr aschgraues Gesicht.

„Ich … ich weiß nicht, ob ich das schaffe …“, gestand die alte Frau mit schwacher Stimme. „Ich empfinde nicht einmal Trauer … ist das nicht schrecklich? Stattdessen bin ich einfach nur froh, dass er endgültig weg ist. Wenn ich daran denke, was ich dir all die Jahre zugemutet habe …“

„Schh, Mum. Es ist vorbei. Er wird keinem von uns beiden je wieder ein Leid zufügen können. Wir sind endlich frei.“

Maggies Herz zog sich schmerzhaft angesichts des trostlosen Ausdrucks und der tiefen Falten im einstmals attraktiven Gesicht ihrer Mutter zusammen. Dabei waren es gerade Camilla Hollands zarte Schönheit und fröhliche Vitalität gewesen, die Tom Holland unwiderstehlich angezogen hatten. Aber noch mehr die stets präsente Rivalität und Eifersucht gegenüber seinem Cousin Brendan, Maggies Vater.

Als Tom nach Brendans Tod versprochen hatte, sich an seiner Stelle um sie und Maggie zu kümmern, wenn Camilla ihn heirate, schien es für Mutter und Tochter die beste Lösung zu sein. Doch gleich nach der Hochzeit zeigte Tom Holland sein wahres Gesicht, voller Heimtücke und Grausamkeit. Und da Scheidung in der konservativen Gesellschaft, in der sie lebten, keine Option war, saß Camilla in der Falle. Bis jetzt.

„Hör zu, Mum, ich glaube nicht, dass du dir unbedingt alle Einzelheiten von Toms Letztem Willen anhören musst. Mr. Murphy kennt uns beide sehr gut, und da du ohnehin die Alleinerbin bist, werden die notwendigen Formalitäten schnell abgewickelt sein.“

„Glaubst du wirklich, Liebes? Ich … wenn ich mich nur ein Stündchen ausruhen dürfte …“

„Aber natürlich. Das kannst du gleich, Mum.“ Maggie legte so viel Stärke und Überzeugungskraft in ihre Stimme, wie sie nur aufbringen konnte, obwohl sie sich selber völlig ausgelaugt fühlte.

Kurz darauf rollte der Wagen durch die Kleinstadt vor den Toren Dublins und bog durch ein breites schmiedeeisernes Tor in die Auffahrt zu einem großen, komfortabel aussehenden Landhaus ein. Maggie atmete erleichtert durch. Der erste Blick auf ihr Elternhaus, gefiltert durch das weiche grünliche Licht im Schatten der umstehenden Bäume, verfehlte nie seine beruhigende Wirkung. Es war der Ort, an dem sie einst mit ihrer Mutter und ihrem viel zu früh verstorbenen Vater gelebt hatte.

Und das einzige Besitztum, worauf Tom nicht seine schmutzigen Hände hatte legen können. Ein Bindeglied zu glücklicheren Zeiten, das ihrer Mutter dabei half, die qualvolle Ehe mit Tom Holland zu überstehen. Hier hatten Maggie und sie die letzten sechs Monate verbracht, nachdem …

Selbst jetzt brachte Maggie es nicht fertig, ohne Schaudern an jene Nacht zu denken. Schmerz und Scham überwältigten sie immer noch wie damals.

Glücklicherweise war es ihr gelungen, ihre Mutter davon zu überzeugen, London gleich am nächsten Morgen zu verlassen. Ehe Tom begriff, dass sein übler Plan nicht funktioniert hatte, war er viel zu tief in geschäftliche Belange verstrickt gewesen, um ihnen folgen zu können. Und jetzt waren sie ihn endlich für immer los.

Er war tot.

Maggie brachte Camilla in ihr Schlafzimmer und stand schon wieder an der Tür, als sie zurückgerufen wurde.

„Was ist, Mum?“ Sie kehrte um und setzte sich zu ihrer Mutter auf die Bettkante.

„Versprich mir, dass du nie jemandem erzählen wirst, was Tom uns angetan hat. Keiner Menschenseele. Ich könnte mit dieser Scham nicht leben …“

Diese eindringliche Bitte hörte Maggie nicht zum ersten Mal. „Natürlich nicht“, antwortete sie fast mechanisch. „Das habe ich bisher nicht getan, also, warum sollte ich es jetzt tun?“

„Versprich es mir, Margaret“, forderte Camilla mit fiebrigem Blick und überraschender Strenge.

„Ich verspreche es.“ Sanft drückte sie einen Kuss auf die Stirn ihrer Mutter. Es war ein Versprechen, das ihr nicht schwerfiel einzuhalten. Nie im Leben wäre sie auf die Idee gekommen, über Tom Holland zu reden, wenn sie es vermeiden konnte.

Maggie war gerade am Fuß der Treppe angelangt, als sie einen Wagen vorfahren hörte. Das musste der Anwalt sein. Sie hängte ihren Mantel an die Garderobe und fuhr sich vor dem Spiegel noch einmal mit den Fingern durchs Haar. Als es an der Tür läutete, öffnete sie mit einem Lächeln auf den Lippen.

Mr. Murphy war schon der Anwalt ihres Vaters gewesen und hatte mit dem dubiosen Juristengesindel, das Tom Holland außerhalb von Dublin in Rechtsfragen bemühte, nie etwas zu tun gehabt.

Mit einem charmanten Lächeln führte sie den distinguiert aussehenden älteren Mann in den kleinen Salon. „Ich hoffe, Sie entschuldigen meine Mutter, aber sie fühlte sich nicht wohl und hat sich hingelegt.“

„Nichts Ernstes, hoffe ich?“, fragte er mitfühlend.

„Nein, nein“, versicherte Maggie rasch. „Die letzten Tage waren nur sehr anstrengend. Falls ihre Anwesenheit …“

Irritiert brach sie ab, als der Anwalt die Hand hob. „Nein, möglicherweise ist es sogar besser, wenn sie nicht dabei ist“, murmelte Mr. Murphy unbehaglich. Maggie fühlte einen kalten Schauer über den Rücken rinnen und hielt unwillkürlich den Atem an.

Sie hatten sich zu früh in der Sicherheit gewiegt, dass Tom Holland ihnen nichts mehr antun konnte, dessen war sie sich schlagartig bewusst.

„Was wollen Sie damit sagen?“, brachte sie gepresst hervor.

„Setzen Sie sich doch bitte, Maggie. Ich befürchte, ich habe schlechte Nachrichten für Sie.“

Wie betäubt ließ sie sich auf den nächstbesten Stuhl sinken, während der Anwalt bedächtig am runden Tisch Platz nahm, seinen Aktenkoffer öffnete, aber keine Papiere herausnahm. Er schien um Fassung zu ringen, was Maggie nur noch nervöser machte.

„Was … was ist?“

Langsam hob er den Kopf und streckte seine leeren Hände aus, die Handflächen nach oben gerichtet. „Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Sie und Ihre Mutter nichts erben werden.“

Fast hätte Maggie erleichtert aufgeseufzt. Sie hatten noch nie viel von Tom erwartet oder gar bekommen. Und Maggie selbst verfügte seit Jahren über ein recht ansehnliches Auskommen durch den Verkauf ihrer Bilder.

„Nun, das ist ja nicht das Ende der Welt. Aber interessieren würde es mich schon, wo das ganze Vermögen geblieben ist.“

Immerhin sprachen sie hier über mehrere Millionen Pfund. Mr. Murphy seufzte. Er hasste es, Überbringer von Hiobsbotschaften zu sein!

„Wie es aussieht, hat einer seiner geschäftlichen Kontrahenten ihm schlussendlich das Genick gebrochen. Einem englischen Finanztycoon, den Ihr Stiefvater augenscheinlich versucht hat, vor einiger Zeit zu schlucken, ist es gelungen, sich durch Mittelsmänner nach und nach seiner sämtlichen Aktien und Firmen zu bemächtigen. Der Tag, an dem Mr. Holland seinen Herzinfarkt erlitt, war zufällig auch der Tag seines geschäftlichen und finanziellen Ruins.“

Wahrscheinlich war das der Grund, warum er uns damals nicht nach Dublin gefolgt ist, sondern Mums sofortige Rückkehr nach London nur übers Telefon gefordert hatte, überlegte Maggie. Trotz der schlechten Nachrichten empfand sie ein Gefühl der Genugtuung und wünschte nur, sie hätte Toms Gesicht sehen können, als er erfuhr, dass er ruiniert war.

„Nun, zu ändern ist daran ohnehin nichts mehr“, stellte sie so gelassen wie möglich fest. „Wenigstens bleibt uns das Haus.“

Die Worte standen fast greifbar im Raum, und als Maggie mit Grauen das schuldbewusste Flackern in Mr. Murphys trüben Augen gewahrte, stellten sich ihre Nackenhaare auf.

„Es ist doch noch unser Haus, oder?“, fragte sie heiser. „Mums Haus …?“

Langsam schüttelte der Anwalt den Kopf, als bringe er es nicht übers Herz, die vernichtende Wahrheit auszusprechen. Doch Maggies eindringlicher Blick ließ ihm keine Wahl. Mr. Murphy räusperte sich umständlich. Als er mit seinen Ausführungen fortfuhr, klang seine Stimme schroffer als beabsichtigt.

„Offenbar ist Ihnen nicht bekannt, dass Ihr Stiefvater vor etwa einem Jahr Ihre Mutter überredet hat, ihm dieses Anwesen als Sicherheit für geschäftliche Transaktionen zu überschreiben. Weiß Gott, wie er sie dazu gebracht hat. Wahrscheinlich wusste sie nicht einmal, was sie da tat. Ich befürchte, es ist jetzt mit allem anderen in den Besitz des …“

Das Geräusch von Autobremsen ließ ihn innehalten und zum Fenster schauen. Maggie war so geschockt, dass es ihr unmöglich war, sich zu rühren. Sie konnte nicht begreifen, wie ihre Mutter so etwas hatte tun können. Dieses Haus war immer ein Heiligtum gewesen, ein sicherer Rückzugsort. Wut und Ungläubigkeit hielten sich die Waage, während Maggie versuchte zu begreifen, was Mr. Murphy ihr gerade eröffnet hatte.

Der Anwalt war inzwischen aufgestanden und ans Fenster getreten. „Er ist es“, stellte er mit hohler Stimme fest. „Der Mann, dem jetzt alles gehört. Er hat mich in meinem Anwaltsbüro aufgesucht und darauf bestanden, heute persönlich hier zu erscheinen, um mit Ihnen und Ihrer Mutter zu sprechen. Es tut mir leid, aber ich habe ihn davon nicht abhalten können.“

Als es an der Tür läutete, saß Maggie immer noch wie versteinert da. Schließlich machte sich Mr. Murphy auf den Weg in die Diele. Wie durch Watte hörte sie das Öffnen der Tür und ein unverständliches Gemurmel, bis sich Schritte auf den Salon zubewegten.

Maggie schaute hoch, und die Welt hörte auf, sich zu drehen. Wie in Trance erhob sie sich von ihrem Stuhl und starrte den Mann an, den sie nie wieder in ihrem Leben zu sehen gehofft hatte.

Caleb Cameron.

Größer und breiter als in ihrer Erinnerung, schien er den ganzen Türrahmen auszufüllen. Während er leicht den Kopf neigte, verzog er seine sinnlichen Lippen zu einem zynischen Lächeln. Sein kalter Blick hielt Maggie gefangen. Während er sie wie Ware taxierte, kam plötzlich Farbe in ihr totenbleiches Gesicht.

Der Mann, der in jener Nacht vor sechs Monaten ihr Leben aus den Fugen gerissen hatte, war zurückgekehrt … offenbar, um ihr den finalen Todesstoß zu versetzen. Mit aller Macht wehrte sich Maggie gegen das schockierende Verlangen, seiner mentalen Stärke nachzugeben.

Verzweifelt rang sie um Atem und nahm wie durch einen Nebelschleier wahr, dass der Anwalt sich an Caleb vorbeischob und mit einer förmlichen Geste in ihre Richtung wies.

„Das ist Margaret Holland. Maggie, ich möchte Ihnen Caleb Cameron vorstellen. Ihm gehört jetzt alles, was Ihr Stiefvater besaß – auch dieses Anwesen.“

„Danke, aber ich kenne Mr. Cameron bereits“, sagte sie mit blutleeren Lippen. „Wir sind uns … in London begegnet.“

Fast im gleichen Augenblick ließ sie sich wieder kraftlos auf ihren Stuhl sinken, da ihre Beine sie keine weitere Sekunde tragen wollten. Mit einer fast morbiden Faszination beobachtete sie Caleb, der Mr. Murphy zum Tisch folgte und neben ihm Platz nahm. Trotz der eleganten weltmännischen Aufmachung strahlte er eine geradezu aggressive Männlichkeit aus, an die sich Maggie nur zu gut erinnerte. Diese ungezügelte Vitalität konnte auch der teuerste Designeranzug nicht verbergen. Bereits bei ihrem ersten Treffen hatte seine Präsenz sie überwältigt, und die unheilvolle Wirkung war durch die Demütigung, die sie durch ihn erlitten hatte, offenbar nicht getrübt worden.

Zumal sie die lebhafte Erinnerung an ihre gemeinsame Nacht nie hatte vergessen können. Selbst nach Monaten standen Maggie die schamlosen Szenen noch sehr lebhaft vor Augen und ließen ihr das Blut heiß durch die Adern rauschen.

Auch Caleb musste seine ganze Kraft und eisernen Willen aufbieten, um betont leidenschaftslos in Maggies reizendes Gesicht zu schauen. Doch das schmerzhafte Ziehen in seinen Lenden, angesichts der zarten Röte, die in ihre Wangen stieg, konnte er nicht kontrollieren.

Totenbleich war sie bei seinem überraschenden Auftritt geworden. Die smaragdgrünen Augen viel zu groß für das schmale Gesicht. Ihr wundervolles tizianrotes Haar hatte sie in einem strengen Knoten gezähmt, doch die herausfordernd weiblichen Linien konnte auch das schlichte, hochgeschlossene schwarze Kleid nicht verbergen.

Verlockende Kurven, an die er sich noch sehr gut erinnerte, und die für ihn den Himmel und die Hölle bedeutet hatten. Aber jetzt war Maggie viel zu dünn. Sie wirkte beunruhigend zerbrechlich. Der unwiderstehliche Drang, sie zu beschützen, irritierte Caleb zutiefst. Doch das Wissen, dass Maggie Holland nichts anderes als eine durchtriebene Hexe war, die gemeinsam mit ihrem Stiefvater versucht hatte, ihn zu ruinieren, brachte ihn schnell wieder zur Vernunft. Voller Genugtuung bemerkte Caleb, wie Maggie mühsam schluckte, bevor sie sprach.

„Du … Ihnen gehört jetzt alles, was Tom besaß …“, murmelte sie schwach.

Himmel, war sie leicht zu durchschauen!

„Ja, Miss Holland.“

Dass er sie mit dem Nachnamen ansprach, war eine absichtliche Zurückweisung. „Inklusive dieses wunderschönen Hauses.“ Gelassen ließ er seinen Blick durch den eleganten Raum schweifen. „Selbstverständlich werde ich mich von den meisten, ausgesprochen dubiosen Firmen Ihres verstorbenen Stiefvaters trennen. Zurzeit werden alle geschäftlichen Konten hier und in England überprüft, und es würde mich nicht wundern, wenn in Kürze beträchtliche Steuernachzahlungen auf Sie zukommen. Gegenüber Steuerhinterziehung haben die Behörden eine erstaunlich niedrige Toleranzschwelle.“

Maggie erhob sich abrupt und wandte sich entsetzt an Mr. Murphy.

„Ist das wahr? Kann so etwas tatsächlich geschehen?“

Er nickte schwer. „Ich befürchte … ja.“

„Aber … aber, wie ist das möglich?“ Verzweifelt richtete sie ihre Worte wieder an den jüngeren Mann. „Ich meine, warum weiß ich nichts davon?“ Konnte es wirklich sein, dass Tom sie selbst aus dem Grab heraus mit seiner Bosheit und Rachsucht verfolgte?

Maggie schloss die Augen, atmete tief durch und suchte noch einmal Beistand bei ihrem Anwalt. „Mr. Murphy …“ Ihre Stimme versagte.

„Es tut mir aufrichtig leid, Maggie. Aber man wird Ihre Mutter dafür zur Rechenschaft ziehen, sollte sich tatsächlich herausstellen, dass Tom irgendwelche geheimen Konten unterhielt oder Steuergelder unterschlug, wie offenbar vermutet wird. Wenn Sie wollen, kann ich Sie in der Sache vertreten, wenn es so weit ist, aber …“ Er hob hilflos die Schultern.

Das wurde ja immer katastrophaler! Maggie presste eine Hand gegen ihre brennenden Wangen, während Caleb sich mit einer geschmeidigen Bewegung erhob und ein imaginäres Staubkörnchen von seinen Jackettärmel zupfte.

„Murphy, den Rest der Angelegenheit überlasse ich Ihnen. Miss Holland, wir haben uns nichts mehr zu sagen. Ich erwarte, dass Sie und Ihre Mutter binnen zwei Wochen hier ausgezogen sind. Das dürfte reichen, um Ihre Angelegenheiten zu regeln. Ich könnte darauf bestehen, das Haus noch heute zu übernehmen, allerdings wäre es mir lieber, Sie nicht anzutreffen, sollte ich mich entschließen, hier einzuziehen.“

Sein grausames Lächeln ließ Maggie den Atem stocken. „Einzuziehen …?“

„Ja, ich habe zufällig einige Monate geschäftlich in Dublin zu tun und brauche für diese Zeit eine Unterkunft. Im Prinzip perfekt …“ Er schaute sich um und runzelte dann missbilligend die Stirn. „… nach den notwendigen Renovierungsarbeiten, natürlich.“

Das war zu viel! Wütend baute sich Maggie vor ihrem Widersacher auf.

„Wie können Sie es wagen, hierherzukommen und so mit mir zu reden!“, stieß sie zitternd vor Empörung hervor. „Und das noch am Tag der Beerdigung. Haben Sie denn gar kein Feingefühl?“

„Sie haben es gerade nötig, von Feingefühl zu sprechen! Was denken Sie … soll ich unseren Freund hier über die Rolle aufklären, die Sie in Ihrem eigenen Untergangsszenario gespielt haben?“

Maggie sog hörbar den Atem ein. Also ging es um Rache. Zuerst hatte er ihren Stiefvater mit gnadenloser Präzision vernichtet, und jetzt war sie dran. In seinen Augen war sie genauso schuldig wie Tom Holland und verdiente alles, was ihr jetzt zustieß.

Abrupt wandte Caleb sich ab und verließ den Raum, der ohne seine explosive Energie plötzlich seltsam verlassen und leblos wirkte. Maggie hörte die Haustür ins Schloss fallen, einen Wagenmotor anspringen und den Kies vor dem Haus bei Calebs aggressivem Start aufspritzen.

Nachdem es wieder ruhig war, drehte sie langsam den Kopf und starrte Mr. Murphy fassungslos an.

„Tja, wie Sie selbst sehen konnten, hat sich Ihr Stiefvater ein wenig übernommen, bei dem Versuch, einen Brocken wie Caleb Cameron zu schlucken. Dass der absolut nichts für Dummköpfe und Betrüger übrig hat, ist allgemein bekannt. Und als Mr. Holland auch noch einen zweiten Anlauf unternahm, um dessen Imperium zu zerstören, ließ der einfach den Tiger von der Leine.“

„Einen zweiten Versuch?“

„Na ja, eigentlich war es sogar der dritte oder vierte. Der Gedanke, Mr. Cameron zu besiegen, ließ ihm einfach keine Ruhe. Es war wie ein verlockender Preis, den er unbedingt erringen wollte. Ich weiß, dass Sie und Ihre Mutter von den meisten seiner Unternehmungen nicht die geringste Ahnung hatten. Auf jeden Fall ist Tom in den Untergrund abgetaucht und hat dort irgendwelche Tricks versucht, nachdem er Cameron Corporation auf legalem Weg nicht gewinnen konnte.“

Maggie fühlte sich krank. Sie erinnerte sich nur zu gut ihrer eigenen unrühmlichen Rolle in jenen finsteren Plänen. Glücklicherweise schien Mr. Murphy davon nichts zu wissen. Immerhin war das alles in London und nicht in Dublin passiert.

„Cameron hingegen nahm jede einzelne von Toms Transaktionen systematisch und mit wesentlich mehr Finesse unter die Lupe“, fuhr der Anwalt mit kaum verhohlener Hochachtung in der Stimme fort, was Maggie fast aus der Haut fahren ließ.

„Eigentlich steht er gar nicht in dem Ruf, so gnadenlos und unerbittlich zu sein, wie er sich in diesem Fall zeigt, doch Tom muss irgendeinen falschen Knopf gedrückt haben …“, endete er nachdenklich.

Maggie errötete schuldbewusst. „Auf jeden Fall scheint er uns alle über einen Kamm zu scheren.“

„Ja.“ Mr. Murphy seufzte und schüttelte traurig den Kopf. „Ich habe die Angelegenheit gründlich von allen Seiten begutachtet, aber sie scheint absolut wasserdicht und unerschütterlich zu sein. Das Einzige, was wir noch versuchen können, ist, die Steuerlast für Ihre Mutter zu schmälern, wenn es uns gelingt, glaubhaft zu machen, dass sie nicht in die illegalen Transaktionen ihres Mannes verstrickt war.“

„Pleite sind wir trotzdem, oder?“, fragte Maggie bedrückt. „Wie sollen wir nur …?“

Mr. Murphy tätschelte sie aufmunternd. „Machen Sie sich darüber im Moment bloß keine Sorgen. Ich weiß, wie sehr Ihre Mutter gelitten hat und werde alles in meiner Macht Stehende tun, um noch Schlimmeres zu verhindern.“

Obwohl Maggie wusste, dass dies wahrscheinlich nur freundliche, aber leere Versprechungen waren, fühlte sie sich ein wenig getröstet. Doch nachdem sie die Haustür hinter dem Anwalt geschlossen hatte, lehnte sie sich schwer dagegen und schluckte mühsam. Wie sollte sie ihrer Mutter die schrecklichen Neuigkeiten nur klarmachen?

Und was sie selbst betraf … für Maggie waren ihre schlimmsten Albträume Wirklichkeit geworden! Der Mann, den sie gehofft hatte, nie wiedersehen zu müssen, war plötzlich wieder in ihr Leben getreten.

Mit schweren Schritten ging sie zurück ins Wohnzimmer, schenkte sich mit bebenden Fingern ein Glas Brandy ein und stürzte es auf einmal herunter.

Caleb kam vor einer roten Ampel abrupt zum Halt und schlug so heftig auf sein Lenkrad, dass er neugierige Blicke aus den Wagen um ihn herum erntete. Doch selbst das interessierte Aufleuchten in den Augen einer ausgesprochen attraktiven Fahrerin blieb von ihm unbeachtet.

Als es grün wurde, legte er einen Blitzstart hin und verfluchte lautlos seine eigene Unbeherrschtheit. Was hatte er sich eigentlich bei dieser Aktion gedacht? Es war ihm ein Leichtes gewesen, Tom Holland zu ruinieren, nachdem dessen eher ungeschickte Versuche, ihm seine Firma abzuluchsen, aufgeflogen waren. Allein für seinen letzten Coup hatte der Mann sein Schicksal mehr als verdient.

Dieser Coup, an dem sie beteiligt gewesen war …

An jenem Abend im Hotel hatte Caleb Maggie Holland ins Gesicht geschleudert, dass er sie nie wiedersehen wolle, und jetzt, nach kaum sechs Monaten, marschierte er exakt mit dieser Absicht einfach in ihr Haus. Er hätte die leidige Angelegenheit genauso gut durch seinen Anwalt erledigen lassen können, aber nein …

Oder hatte er einfach feststellen wollen, ob sie ihn immer noch so sehr faszinierte und anzog wie damals?

Auf jeden Fall war er in die Falle gelaufen. Unmissverständlich demonstrierte ihm sein verräterischer Körper, wie sehr er sich nach Maggie verzehrte. Als wäre sie die einzige Frau auf Erden, die das schmerzhafte Verlangen in seinen Lenden stillen konnte.

Und dann hatte er zum tödlichen Schlag ausgeholt. Doch wo blieb das Gefühl der Genugtuung? Der Befriedigung über ihren Untergang? Warum sah er ihr zartes blasses Antlitz vor sich, sobald er die Augen schloss? Wie sollte er zwei Monate in der gleichen Stadt mit ihr überleben?

Wie um sein Begehren zu dämpfen, zwang Caleb sich, an jene Nacht vor sechs Monaten zu denken, als Maggie Holland sich genauso verhielt, wie er es von ihr erwartet hatte.

Natürlich war für sie ein Zimmer im gleichen Hotel reserviert gewesen. Wie eine Sirene hatte sie ihn dort hinaufgelockt und versucht, ihn zu verführen.

Und trotzdem hat sie nicht mit dir geschlafen, höhnte eine Stimme in seinem Kopf.

Vielleicht war es das? Noch nie zuvor hatte er eine Frau zurückgelassen, ehe seine Lust befriedigt war. Doch in jener Nacht … Warum er gegangen war, obwohl er sie ohne Zwang hätte haben können, dessen war Caleb sich immer noch nicht sicher. Ihre gegenseitige Anziehungskraft war ungebrochen gewesen, doch als sie in letzter Sekunde vor ihm zurückzuckte, hatte er es einfach nicht fertiggebracht …

Erneut fluchte Caleb in sich hinein und starrte finster auf die Straße. Was für eine Ironie des Schicksals! Anstatt endlich zu verschwinden, war der verzehrende Schmerz, der ihn damals fast um den Verstand gebracht hatte, durch seine eigene Schuld heute noch unbarmherziger zurückgekehrt.

Er musste sich unbedingt eine Geliebte nehmen. Viel zu lange hatte er auf Sex verzichtet. Eine neue Affäre würde ihn am wirkungsvollsten von seinen abwegigen Fantasien befreien und Maggie Holland ein für alle Mal aus seinen Gedanken verbannen.

2. KAPITEL

Am Abend bereitete Maggie eine leichte Mahlzeit und weckte ihre Mutter. Während sie nach dem Essen noch beisammensaßen, stellte Camilla die Frage, vor der sich ihre Tochter die ganze Zeit gefürchtet hatte.

„Wie ist es mit dem Anwalt gelaufen?“

Maggie stählte sich innerlich. „Nicht besonders gut. Ich habe schlechte Nachrichten für dich, Mum.“

Camilla krampfte die Finger um ihre Teetasse, bis die Knöchel weiß hervortraten. „Was … heißt das?“

Beim Anblick des gewohnt stoischen Gesichtsausdrucks, den ihre Mutter angesichts drohender Katastrophen bekam, hätte Maggie in Tränen ausbrechen können. Mühsam versuchte sie, den Kloß aus ihrem Hals zu vertreiben. „Mum, jemand hat Toms gesamte Geschäfte übernommen. Genau gesagt … wir sind bankrott. Es war … es ist jemand, den er versucht hat, übers Ohr zu hauen.“

„Mir war immer bewusst, dass er von vielen gehasst und verachtet wurde“, murmelte Camilla leise. „Aber was genau bedeutet das für uns?“

„Nun …“ Maggie zögerte und wünschte sich verzweifelt, sie müsse die grausame Wahrheit nicht aussprechen. „Wir haben alles verloren.“

Doch ihre Mutter zeigte die gleiche Reaktion wie sie selbst kurz zuvor. „Das verkraften wir auch noch“, erklärte sie fast erleichtert. „Ich meine, was haben wir denn wirklich je gehabt?“ Sie schenkte ihrer Tochter ein schwaches Lächeln und schaute sich mit feuchten Augen um.

„Wenigstens bleibt uns das Haus. Ernsthaft, Liebes, ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn wir auch noch unser Heim verloren hätten. Es ist alles, was dein Vater uns hinterlassen hat. Hier will ich in Frieden leben und die Vergangenheit vergessen.“

Angesichts Maggies gedrückter Miene reichte sie über den Tisch und tätschelte aufmunternd die Hand ihrer Tochter. „Schau nicht so betrübt drein, mein Schatz. Du hast deine Malerei, und ich werde schon einen Job finden. Alles wird gut.“

Sie begreift es nicht, stellte Maggie mit wachsender Verzweiflung fest. Ihre Mutter schien völlig zu verdrängen, was sie getan hatte.

„Mum, du verstehst nicht … wir haben wirklich alles verloren …“

Camillas Blick blieb noch immer ausdruckslos.

„Mr. Murphy sagt, du hast Tom das Haus überschrieben, ehe wir London verließen.“

„Ja, meine Liebe, aber das war doch nur, um … er sagte, es würde nur …“ Sie brach abrupt ab. „Lieber Himmel! Was habe ich getan …?“

Rasch umfasste Maggie ihre Hand. „Es ist auch weg, Mum. Mit allem anderen.“

Sekundenlang saß Camilla wie erstarrt da, dann nahm sie ihre Teetasse, erhob sich und ging in die Küche, um sie auszuspülen. Maggie folgte ihr, besorgt über das seltsame Verhalten ihrer Mutter.

„Mum?“

„Margaret, ich kann nicht …“ Ihre Stimme klang wie geborstenes Glas. „Lass mich nicht darüber nachdenken müssen. Ich könnte es einfach nicht ertragen.“

Hilflos schaute Maggie ihrer Mutter hinterher, die wie in Trance die Küche verließ und scheinbar gelassen die Treppe hinaufschritt. Wenig später ging auch Maggie zu Bett, aber an Schlafen war nicht zu denken. Während sie versuchte, das unterdrückte Schluchzen im Nebenzimmer zu ignorieren, wurde sie nur von einem Gedanken beherrscht. Sie musste etwas unternehmen, um das drohende Verhängnis abzuwenden … egal wie.

Während langsam die Morgendämmerung durch die leichten Vorhänge in ihr Schlafzimmer drang, lag Maggie nach einer schlaflosen Nacht immer noch mit weit geöffneten Augen da und starrte blicklos an die Decke.

Bedrohliche Ungeheuer und Dämonen hatten jeden ihrer Gedanken und Wachträume beherrscht, und sie trugen alle das gleiche vertraute und ausgesprochen attraktive Antlitz.

Und plötzlich wusste Maggie mit quälender Sicherheit, dass es nur einen einzigen Ausweg gab.

Als sie wenig später in die Küche hinunterging, um sich Kaffee zu machen, war jeder Zweifel über ihren Plan ausgeräumt. Ihre Mutter war ihr zuvorgekommen. Sie saß bereits vor einem dampfenden Becher am Küchentisch und hob bei Maggies Eintritt nur müde kurz den Kopf. Unter ihren schönen Augen lagen tiefe Schatten, der Ausdruck war eine seltsame Mischung aus Verzweiflung und Wachsamkeit.

Maggie schenkte sich bedächtig einen Kaffee ein und setzte sich zu ihr. „Mum, schau mich an.“ Sie wartete, bis sich ihr Camilla wieder wie unter der Last eines schweren Gewichtes langsam zuwandte. „Ich werde gleich in die Stadt fahren, wo ich einiges zu erledigen habe. Aber ich verspreche, entweder am Abend oder gleich morgen früh wieder bei dir zu sein.“

Hoffentlich mit guten Nachrichten!, flehte sie innerlich.

Mehr wollte sie nicht sagen, um die Erwartungen ihrer Mutter nicht zu hoch zu schrauben und hinterher vielleicht enttäuschen zu müssen. Doch insgeheim schwor Maggie sich, nichts unversucht zu lassen, um das Haus für ihre Mutter zu retten.

Routiniert bereitete sie ein leichtes Frühstück vor, zwang ihre Mutter, etwas davon zu essen und war froh, hinterher endlich etwas Farbe in ihre schmalen blassen Wangen steigen zu sehen.

Dann schwang Maggie sich in ihren kleinen, ziemlich verbeulten Mini und fuhr als Erstes zu Mr. Murphys Kanzlei, um die Adresse von Caleb Camerons Büro zu erfragen. Der alte Anwalt stellte keine unnötigen Fragen, sondern gab fast erleichtert das Geforderte heraus und brachte Maggie noch zur Tür. „Es wird aber nicht einfach sein, zu ihm vorgelassen zu werden. Fast jeder in Dublin bemüht sich um einen persönlichen Termin …“

„Ich weiß, aber notfalls schlage ich ein Zelt vor seiner Tür auf“, verkündete Maggie entschlossen.

Auf dem Weg nach Dublin geriet Maggie mitten in den Berufsverkehr, sodass sie dreimal länger für den Weg brauchte als die gewohnte halbe Stunde. Doch schließlich erreichte sie die Innenstadt und stellte ihren Wagen auf einem Parkplatz in der Nähe des Bankenviertels ab, wo auch Calebs neues Büro lag.

Sie trug ihr einziges Businessoutfit, um so geschäftsmäßig wie möglich auszusehen. Ein schlichtes strenges Kostüm. Es war dunkelmarineblau, bestand aus einem schmalen knielangen Rock zur kurzen Jacke und wurde durch eine weiße Seidenbluse ergänzt. Dazu glänzende Seidenstrümpfe und dunkle Pumps, ihre roten Locken hatte sie in einem klassischen Knoten gebändigt.

Damit hoffte sie, gegen Calebs sengende Blicke und seinen beißenden Zynismus ausreichend gewappnet zu sein. Wie es wirklich in ihr aussah, ging schließlich niemanden etwas an.

Trotz der lauen Frühlingsluft fröstelte Maggie, als sie das moderne Bürogebäude betrat. Eine attraktive Brünette an der Rezeption schickte sie mit dem Lift in die oberste Etage, die Caleb komplett für sich beanspruchte. Kurz darauf glitten die Fahrstuhltüren lautlos auseinander, und Maggie wurde flau im Magen. Der Gedanke, ihm gleich gegenüberzustehen, beunruhigte und verunsicherte sie weit mehr, als sie es sich vorgestellt hatte.

Die Erwartung, ohne größere Komplikationen zu ihm vordringen zu können, verflüchtigte sich gleich nach Betreten des ultramodern gestylten Empfangsbereichs, der mit einem luxuriösen Teppichboden ausgelegt war, der jedes Laufgeräusch schluckte.

„Haben Sie einen Termin?“

„Nun, nicht direkt, aber wenn er meinen Namen hört, wird er mich bestimmt empfangen. Ich brauche nur ein paar Minuten seiner kostbaren Zeit“, behauptete Maggie mit aller Zuversicht, die sie noch aufbringen konnte.

„Ich werde ihm Bescheid geben, allerdings finden den ganzen Tag über wichtige Meetings statt. Es könnte sein, dass Sie eine Weile warten müssen …“

„Kein Problem!“

Sie würde auch bis Mitternacht warten, wenn es sein musste. Vorsichtshalber rief sie per Handy eine gute Freundin ihrer Mutter an und bat sie, im Verlauf des Tages nach Camilla zu schauen. Dann nahm Maggie auf einem der eleganten Designermöbel Platz und wartete.

Etwa acht Stunden später hatte sie einen wahren Irrgarten an Emotionen durchlaufen: Irritation, Langeweile, Verärgerung, Fassungslosigkeit … und schließlich fühlte sie sich einfach nur noch erschöpft.

Ihr Kostüm wirkte zerknittert, der Knoten löste sich nach und nach auf, und die unbequemen Schuhe hatte sie längst ausgezogen. Jegliches Make-up, das sie ein wenig frischer aussehen lassen sollte, war längst Geschichte.

Den ganzen Tag über kamen und gingen Männer in dunklen Anzügen. Lunch wurde serviert und wieder abgetragen, während ihr Magen lautstark gegen die schnöde Vernachlässigung seiner Bedürfnisse protestierte. Und die Sekretärin vom Morgen war längst durch ein frischeres, eher noch kompetenter erscheinendes Exemplar abgelöst worden.

Als sich die Tür zu Calebs Büro zum wahrscheinlich hundertsten Mal öffnete, hob Maggie kaum noch den müden Blick, der sich allerdings in der Sekunde veränderte, als sie gewahrte, dass es diesmal der Boss persönlich war, der auf der Schwelle erschien. Mit einiger Verzögerung reagierte ihr Gehirn endlich auf seine kraftvolle Erscheinung, die selbst nach dem langen Tag ungebrochene Energie verströmte.

Maggie sprang auf die Füße und verzog qualvoll das Gesicht, als ihre Muskeln nach der erzwungenen Starre gegen die plötzliche Bewegung protestierten. Caleb strebte auf den Lift zu, ohne nach rechts und links zu schauen. Da sie halb hinter einer Pflanzeninsel versteckt gesessen hatte, konnte er sie nicht bemerken.

„Caleb!“, rief sie aus dem dringenden Impuls heraus, ihn aufzuhalten. „Mr. Cameron … warten Sie bitte!“

Er hatte bereits den Knopf gedrückt, um den Fahrstuhl zu ordern und drehte sich jetzt langsam um. Als er Maggie sah, schoben sich die dunklen Brauen über den kalten Augen zusammen. Trotz ihrer aufgelösten Erscheinung und der Tatsache, dass sie ohne Schuhe war, richtete Maggie sich stolz auf und schob das Kinn vor.

„Mr. Cameron, ich habe den ganzen Tag über gewartet, um mit Ihnen zu sprechen. Ich weiß, dass Sie sehr beschäftigt sind, wäre Ihnen aber ausgesprochen dankbar, wenn Sie einige Minuten für mich erübrigen könnten“, formulierte sie steif.

„Ivy hat mir gesagt, dass Sie heute Morgen hier waren, aber sie wusste doch genau, dass ich absolut keine Zeit hatte.“

„Ich … ich habe darauf bestanden zu warten. In der Hoffnung, Sie könnten vielleicht zwischen zwei Terminen ein paar Minuten für mich erübrigen …“

„Nun, wie Sie sehen, ist mir das nicht gelungen. Und wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden … Rufen Sie einfach morgen durch. Möglicherweise ergibt sich ja im Verlauf des Tages eine Lücke.“

Er konnte sie doch nicht einfach so hier stehen lassen. Vor Verblüffung und Ärger schnappte Maggie hörbar nach Luft. Stunde um Stunde hatte sie auf ihn gewartet, ohne ein Stück Brot oder einen Schluck Wasser. Der Ausdruck auf Calebs Gesicht zeigte ihr, dass es wahrscheinlich nichts gab, was ihn weniger interessierte als das.

Als er sich einfach abwandte, starrte sie wie betäubt auf seinen breiten Rücken und suchte fieberhaft nach einer zündenden Idee, um ihn aufzuhalten. Da ihr nichts einfiel, sprintete sie einfach vorwärts und hielt die Hand zwischen die sich bereits schließenden Lifttüren.

„Bitte. Mr. Cameron … nur ein paar Minuten. Ich muss mit Ihnen reden!“

Caleb stand lässig mit dem Rücken gegen die Fahrstuhlwand gelehnt und betrachtete Maggie fast neugierig vom Kopf bis hinunter zu den bestrumpften Füßen. Ob er erwartet, dass ich mich vielleicht noch vor ihm auf den Boden werfe?, fragte sie sich voll bitterer Ironie.

„Gut“, sagte er endlich. „Fünf Minuten. Falls Sie Schuhe dabeihaben … ziehen Sie sie bitte an.“

„Vielen Dank!“, stieß Maggie erleichtert hervor, ohne auf seinen Sarkasmus einzugehen.

Während er den Lift wieder verließ und kurz mit seiner Sekretärin sprach, schlüpfte Maggie mit einiger Anstrengung in ihre Pumps und folgte Caleb in sein Büro, ehe er seine Meinung womöglich noch änderte. Unsicher blieb sie stehen und beobachtete, wie er eine dunkle Flüssigkeit in ein Glas schenkte und einen kräftigen Schluck nahm. Verstohlen schaute Maggie sich in dem betont maskulin gestalteten Raum um. Da nur eine Lampe auf dem Schreibtisch brannte, ließen die abendlichen Schatten das Büro noch dunkler erscheinen, als es ohnehin war.

Automatisch dachte Maggie an Calebs brasilianische Mutter. Von ihr stammten unübersehbar sein südländisches Aussehen und wahrscheinlich auch das leidenschaftliche Temperament, während er die kultiviertere, beherrschte Seite seines Charakters ganz sicher seinem englischen Vater verdankte.

An beides konnte sich Maggie nur zu gut erinnern.

„Nun?“, brachte Calebs kalte Stimme sie unsanft in die Wirklichkeit zurück.

Maggie holte tief Luft. „Es geht um das Haus.“

„Um mein Haus.“

Zögernd neigte Maggie den Kopf und fühlte heiße Wut über seine provokative Arroganz in sich aufsteigen. „Es gehörte meinem Vater … meinem leiblichen Vater“, präzisierte sie. „Und nach seinem Tod meiner Mutter.“

„Und?“ Caleb nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und schaute fast gelangweilt zu ihr hoch.

Maggie trat einen Schritt vor und umklammerte die Lehne von dem Stuhl, der seinem gegenüberstand. „Tom hat sie dazu gebracht, ihm das Haus zu überschreiben. Ich … ich kann mir immer noch nicht erklären, mit welchem Trick ihm das gelungen ist. Mum hat immer geschworen, dass sie nie …“

Sie brach ab, weil sie nicht zu sehr ins Detail gehen wollte. Camillas und ihr Schicksal unter Toms grausamem Regime ging Caleb Cameron nichts an. „Indem Sie auch das Haus beanspruchen, treffen Sie nur eine einzige Person – meine Mutter. Sie hat nichts damit zu tun, was in der Vergangenheit passiert ist und musste genug leiden …“

„Als bedauernswerte Frau eines Multimillionärs?“, spottete Caleb. „Willst du dich über mich lustig machen? Nur um wenigstens irgendetwas zu retten, tischst du mir hier eine rührselige Story auf …“

„Nein!“, protestierte Maggie vehement. „Bitte, du musst mir glauben.“

Beide schienen nicht zu bemerken, dass sie im Eifer des Gefechts zur vertrauten Anrede von damals zurückgekehrt waren.

„Dir glauben?“ In seiner Erregung sprang Caleb von seinem Chefsessel auf und kam um den Schreibtisch herum auf Maggies Seite. „Du hast keinen ehrlichen Knochen im Leib!“, warf er ihr vor. „Wie viele Männer hast du in den letzten Monaten im Auftrag von Tom Holland noch an der Nase herumgeführt? Zehn? Zwanzig? Oder hast du ihnen möglicherweise sogar gewährt, was du mir verweigert hast?“

Seine grausamen Worte trafen Maggie bis ins Mark. Ihre Augen funkelten vor Empörung wie kostbare Smaragde, und ohne sich Rechenschaft über ihr Tun abzulegen, fuhr sie herum und hob die Hand, um Caleb ins Gesicht zu schlagen. Doch der fing ihr Handgelenk auf halbem Weg ein und drückte es brutal herunter.

„Sieh an … in dir schlummert offenbar eine Wildkatze“, stellte er gelassen fest.

Maggie zitterte am ganzen Körper. Sie, die Gewalt aufs Äußerste verabscheute, hatte versucht, Caleb Cameron eine Ohrfeige zu verpassen. Der Gedanke, wozu dieser Mann imstande war sie zu treiben, erschütterte sie zutiefst und machte ihr gleichzeitig Angst.

Sie starrten sich an wie unerbittliche Feinde. Maggie fühlte ihren Puls rasen. Wie hypnotisiert nahm sie Calebs finstere Züge in sich auf. Die harte Kinnlinie, der großzügige Mund, den er jetzt zu einer schmalen Linie zusammenpresste und die durchdringenden blauen Augen, die bis ins Innerste ihrer Seele einzudringen schienen. Sie waren es gewesen, die sie von der ersten Sekunde an besonders fasziniert hatten …

Maggie senkte die Lider und versuchte, die beunruhigenden Erinnerungen zurückzudrängen.

„Du kannst deine alberne Scharade ruhig aufgeben“, stieß Caleb heiser hervor und gab sie frei. Hastig trat Maggie einen Schritt zurück, um möglichst viel Abstand zu gewinnen, massierte sich ihr schmerzendes Handgelenk und zwang sich dazu, den Blick zu heben.

„Tatsache ist, dass es meine Mutter umbringen wird, wenn du ihr das Haus nimmst“, sagte sie mit tödlicher Ruhe. „Es ist alles, was ihr von meinem Vater geblieben ist und sie am Leben hält. Von Tom Holland hat sie nichts bekommen außer …“ In letzter Sekunde erinnerte sich Maggie an das Versprechen, das sie ihrer Mutter gegeben hatte, und biss sich auf die Lippe.

„Außer?“

Er würde es ohnehin nicht verstehen. Dafür hatte sie sein Vertrauen zu sehr strapaziert und missbraucht. Maggie atmete tief durch und straffte die Schultern. „Ich weiß, dass meine Erklärungen dir nichts bedeuten, egal, was ich sage. Hör mir bitte trotzdem zu. Meine Mutter hat nicht das Geringste mit dem Plan zu tun gehabt, dich zu ruinieren …“

Calebs Miene verdüsterte sich weiter.

„Frag, wen du willst“, fuhr Maggie monoton fort. „Frag Mr. Murphy, er kennt sie sehr gut. Ich rede hier nicht für mich, nur für sie. Und ich bitte dich, meiner Mutter das Haus zu lassen … um ihretwillen.

Immer noch ließ Caleb sie keine Sekunde aus den Augen, doch Maggie hielt seinem sengenden Blick stand.

Als er schließlich sprach, klirrte seine Stimme wie Stahl. „Und die ganze Zeit über, während deine Mutter angeblich völlig ahnungslos war, hast du mit deinem Stiefvater gemeinsame Sache gemacht? Hast dich dafür hergegeben, fremde Männer zu verführen, damit er sie erpressen und ausnehmen kann? Und ganz plötzlich meldet sich dein Gewissen, und du möchtest alles ungeschehen machen? Das kaufe ich dir nicht ab.“

Maggie zwang sich zu einem spröden Lächeln. „Und trotzdem hast du den Nagel quasi auf den Kopf getroffen. Ich versuche, meine Verfehlungen wiedergutzumachen … angefangen bei meiner Mutter.“

Als sie die ungeweinten Tränen hinter ihren Lidern aufsteigen fühlte, senkte Maggie den Blick und versuchte, sich zusammenzunehmen. Dass sie, ebenso wie Camilla, unter ihrem Stiefvater gelitten hatte, würde Caleb ihr niemals abnehmen, so viel stand fest.

„Wenn ich also tatsächlich auf deine abstruse Forderung einginge … was hätte ich davon?“

„Ich würde alles tun, was du von mir verlangst … Böden schrubben, einfach alles!“, stieß sie wild hervor, angesichts der winzigen Chance, die sich ihr bot.

Caleb lehnte sich lässig gegen die Schreibtischkante und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Maggie starrte wie hypnotisiert auf seine Muskeln, die sich unter dem dünnen Businesshemd deutlich abzeichneten. Wie konnte ihr in einem Moment wie diesem so etwas auffallen?

Um seine Lippen spielte ein seltsames Lächeln, das sie nicht deuten konnte. Schaudernd senkte sie die Lider unter seinem unangenehm durchdringenden und abschätzenden Blick.

Caleb spürte, wie ihn ein ungeheurer Triumph erfasste. Hatte er nicht gerade erst beschlossen, es sei an der Zeit, sich eine Geliebte zuzulegen? Warum überhaupt auf die Suche gehen und unnötige Stadien vorgetäuschter Emotionen durchlaufen, um eine willige Schöne in sein Bett zu bekommen, wenn er sie quasi auf dem Präsentierteller serviert bekam?

Der einzige Gedanke, der ihn beherrschte, als er die bebende Gestalt vor sich mit heißen Blicken taxierte, war, dass er sie begehrte. Mehr als jede andere Frau in seinem Leben. Und er war es gewohnt, zu bekommen, wonach es ihn verlangte …

„Selbst wenn du deine Seele dem Teufel verkaufen müsstest?“

„Ja“, kam es ohne zu zögern zurück.

„Du bist also bereit, dich mir als Preis anzubieten?“, vergewisserte er sich mit trügerischer Sanftheit.

Es dauerte einige Sekunden, ehe die Bedeutung seiner folgenschweren Worte in Maggies Bewusstsein drang. Und selbst dann war sie nicht sicher, richtig gehört zu haben. „Ich … ich verstehe nicht. Was meinst du …?

„Du hast mich sehr wohl verstanden, meine Schöne“, kam es brutal zurück.

„Mich als Preis anbieten, wie … wie …“

„Wie eine Geliebte, eine Mätresse, sprich es ruhig aus.“ Sein Blick ruhte voll offenem Verlangen auf ihren schwellenden Brüsten, die sich vor unterdrückter Empörung hoben und senkten.

Maggie erblasste und wich vor Caleb zurück, doch er folgte ihr Schritt für Schritt. Hatte sie wirklich geglaubt, sie könne so einfach an seine Barmherzigkeit appellieren? Männer wie er verlangten immer eine Bezahlung.

„Das kann ich nicht! Wie … wie kannst du es wagen, mir einen derart absurden Vorschlag zu machen?“

„Ganz einfach. Wir knüpfen da an, wo wir damals aufgehört haben. Glaube mir, ich bin nicht stolz auf das Verlangen, das mich beim Anblick deines atemberaubenden Körpers überfällt. Doch ich denke, du schuldest mir ohnehin noch etwas für das perfide Spiel, in das du mich hineinziehen wolltest. Damals, in jenem Hotelzimmer, als du dich plötzlich von einer verführerischen Sirene in eine spröde Eisprinzessin verwandelt hast. Törnt dich so etwas an, Maggie? Gefällt es dir zu wissen, dass du einen Mann an den Rand des Wahnsinns …“

„Nein! Hör auf!“, stieß sie rau hervor. „Ich wollte nicht … ich habe nicht …“ Reue und Scham drohten sie zu überwältigen, doch tief in ihrem Innern wusste Maggie, dass nichts Calebs einmal gefasste Meinung über sie ändern würde. Und wenn sie daran dachte, wie ihr verräterischer Körper auf seine erfahrenen Liebkosungen reagiert hatte, wurde ihr ganz heiß vor Verlegenheit. Dieses unerwartete Erlebnis und das Gefühl lastender Schuld waren es gewesen, die sie damals in seinen Armen hatten erstarren lassen.

Und ehe sie sich fassen und Caleb nonchalant über ihren Schock hinwegtäuschen hatte können, hatte er die Bombe platzen lassen, indem er ihr kalt mitteilte, dass er Tom Hollands Plan bis ins kleinste Detail kannte und genau wusste, warum sie in diesem Hotelzimmer waren.

Und in jener grauenhaften Sekunde erstarb auch jedes nebulöse Gefühl des Verlangens, das sie zuvor empfunden haben mochte. Sie war von ihm ebenso kaltblütig benutzt worden, wie er es von ihrer Seite aus vermutete. Und doch war ihr Liebesspiel voller Leidenschaft, Begehren und Magie gewesen …

„Du hast versucht, mich auszutricksen, Maggie. Oder willst du etwa leugnen, dass du mit dem Plan in das Hotel kamst, mich zu verführen?“

„Nein“, sagte sie tonlos, als sie die lastende Stille um sie herum nicht länger ertrug. Denn genau mit der Absicht war sie zu dem vereinbarten Treffen gegangen – wenn auch gegen ihren Willen. Nie würde er erfahren, wie sehr sie sich damals gewünscht hatte, es wäre ein echtes Rendezvous gewesen …

Maggie atmete tief durch und versuchte noch einmal, ihr Schicksal abzuwenden.

„Aber du hasst mich doch“, sagte sie leise. „Wie kannst du mich da gleichzeitig zu deiner Geliebten nehmen wollen?“

„Spiel bitte nicht die Naive. Du weißt so gut wie ich, dass Sex nichts mit Liebe oder Freundschaft zu tun hat. Du willst das Haus … und ich will dich. So einfach ist das.“

Maggie ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, Ruhe zu bewahren. „Aber wie …? Ich meine, für wie lange und wann?“

„Solange ich in Dublin bin – rechne mit zwei Wochen.“

Erneut wich sie instinktiv zurück. Das Haus, ihre Mutter – alles war vergessen. Was zählte, war einzig und allein der dunkle Racheengel vor ihr. Der leidenschaftslose Ton, in dem Caleb sprach, ließ keinen Zweifel daran, dass ihr Untergang und die Schmach, die sie vonseiten der Dubliner Gesellschaft erwartete, ihn nicht die Spur interessierte. Mit aller Macht mobilisierte Maggie ihre letzten Reserven.

„Aber das sind zwei Monate! Ich … ich kann … ich werde nicht mit dir schlafen“, stammelte sie errötend und suchte nach einem Argument, das ihn von seinem Vorhaben abbringen würde. „Ich … du stößt mich ab.“

„Lügnerin.“

Bevor sie protestieren konnte, lag Maggie in Calebs Armen. Mit einer Hand umfasste er ihren Nacken und bemächtigte sich ihrer bebenden Lippen. Sein Kuss war hart und kompromisslos. Trotzdem hatte Maggie das Gefühl, vor Wonne vergehen zu müssen. Instinktiv drängte sie sich an ihn, und plötzlich wandelte sich sein brutales Statement zu einer fast zärtlichen Liebkosung, die ihr einen sehnsüchtigen Seufzer entlockte.

Mit geschickten Fingern entfernte er die sich ohnehin lösenden Nadeln aus ihrem Knoten, bis ihr tizianrotes Haar als seidiger Wasserfall ihren Rücken herabfloss. Unter ihren zu Fäusten geballten Händen, die immer noch auf seiner Brust lagen, spürte sie seinen heftigen Herzschlag. Langsam entkrampfte Maggie ihre Finger und fuhr behutsam mit den Handflächen über die harten Muskeln des prachtvollen Männerkörpers so dicht vor ihr.

Vom langen Warten ohne die geringste Stärkung fühlte sie sich leicht schwindlig, und Calebs aggressive Männlichkeit kostete sie den Rest ihrer ohnehin angeschlagenen Selbstbeherrschung. Bereitwillig schloss sie die Augen und gab sich ganz dem Zauber seiner herrischen Lippen und leidenschaftlichen Küsse hin.

Wieder in seinen Armen zu liegen, mit den Erinnerungen, die sie nie wirklich hatte verdrängen können, ließ Maggie keine andere Chance, als sich ihm willig hinzugeben. In diesem Moment zog Caleb sich von ihr zurück, aber nur, um mit seiner Zungenspitze einen brennenden Pfad entlang ihrer Kehle zu fahren, bis er die Stelle erreichte, wo ihr Blut unter der alabasterfarbenen Haut heftig pulsierte. Mit jedem Herzschlag wuchs ihr Verlangen nach seinen verlockenden Berührungen ins Unermessliche.

Und ironischerweise war es ausgerechnet dieses ungestüme Gefühl der Lust, das sie schlagartig wieder zur Besinnung brachte. Maggie nahm alle Kraft zusammen, um in die Realität zurückzukehren. Es war wie eine unverhoffte kalte Dusche. Hätten seine warme Hände nicht ihre Schultern umklammert gehalten, wäre sie sicher zu seinen Füßen hingesunken. Ihre Augen glänzten unnatürlich vor offensichtlicher Erregung. Die weichen Lippen waren feucht und geschwollen vom Küssen.

Den Ausdruck auf Calebs Gesicht konnte man nur mit Triumphgefühl beschreiben. Seine Augen funkelten vor Spott über ihren halbherzigen Versuch, ihn zurückzuweisen. „Wie ich schon sagte, du bist eine Lügnerin.“

Er umfasste Maggies Kinn mit zwei Fingern und zwang sie, ihn anzuschauen. „Aber ich liebe es, von dir umgarnt zu werden …“

Am ganzen Körper bebend machte sie sich frei und versuchte, die Schwäche in ihren Beinen zu kontrollieren.

„Du solltest dankbar sein, dass ich dich trotz allem noch begehre, sonst hättest du gar nichts, um mit mir zu verhandeln.“

Seine zynische Bemerkung erinnerte Maggie daran, weshalb sie überhaupt hier war. Wie hatte sie das nur vergessen können? „Heißt das, du gibst meiner Mutter ihr Haus zurück?“, fragte sie heiser.

Caleb nickte bedächtig. „Wenn du mir gibst, was ich von dir will.“

„Mich …“

„Ja.“

Plötzlich kam Maggie ein Gedanke, den sie noch gar nicht berücksichtigt hatte. „Hast du denn keine Freundin?“

„Was?“, fragte Caleb scharf.

Maggie errötete bei dem Gedanken, er könne annehmen, dass sie regelmäßig die Klatschpresse nach den neuesten Nachrichten über Europas attraktivsten Finanztycoon durchstöberte. „Die Presse …“

„Freundin!“ Caleb lachte spöttisch auf. „Wie nett altmodisch das klingt. Ich glaube, ich hatte keine Freundin mehr, seit ich sechs Jahre alt war und mit meiner Mutter in Rio de Janeiro lebte. Nein, ich habe keine Freundin und auch sonst niemanden, der momentan mein Bett wärmt. Nicht, dass es dich überhaupt belasten müsste, da du ja die Moral einer streunenden Katze hast, Honey.

Ihre naive Bemerkung machte Maggie derart zu schaffen, dass sie Calebs Beleidigung gar nicht registrierte. Was war sie nur für ein weltfremdes Ding. Natürlich hatten Männer wie Caleb Cameron Geliebte, solange, bis die sie langweilten oder sie vor den Altar treten mussten. Und das natürlich mit einer Frau aus ihren Kreisen, die ihren Job verstand.

„Und wie soll das Ganze jetzt vonstattengehen?“, fragte sie so lässig wie möglich.

„Wenn ich das Haus tatsächlich deiner Mutter überschreibe, hast du dich morgen um vierzehn Uhr mit gepackten Koffern hier einzufinden“, kam es ebenso sachlich zurück.

Maggie fühlte ihre Glieder taub werden. „Du willst, dass ich bei dir einziehe?“

„Selbstverständlich, ich brauche eine Begleitung, jemand, der bei gesellschaftlichen Anlässen an meiner Seite steht … und eine willige Geliebte.“

Seine letzte Bemerkung sandte ihr heiße Schauer über den Rücken. Erstarrt stand sie vor ihm, mit aufgelöstem Haar, zerknittertem Kostüm und immer noch zitternden Knien. Ihr Mund brannte von seinen Küssen.

Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen können?

„Du wirst einen Vertrag unterschreiben, der verhindert, dass du persönlich Nutzen aus unserem Geschäft ziehst“, fuhr Caleb sachlich fort. „Das Haus wird auf den Namen deiner Mutter eingetragen, ohne die Möglichkeit, es dir später zu vererben. Eine weitere Klausel wird besagen, dass sie es auch nicht veräußern darf, falls es das ist, was ihr im Sinn habt.“

Maggie fühlte sich schwach. „Es ist wirklich wahr, was man über dich sagt“, stellte sie dumpf fest. „Du bist grausam, unerbittlich und hast kein Herz.“

Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, wäre sie versucht gewesen, das kurze Aufblitzen in Calebs blauen Augen als Schmerz zu interpretieren, aber das war natürlich völlig abwegig.

„Also, was ist?“, fragte er, ohne auf ihr Statement einzugehen. „Das ist der Deal. Du bist für zwei Monate meine Geliebte oder so lange, wie ich dich begehre.“

„Und was ist, wenn du nach einer Nacht genug von mir hast?“, fragte Maggie aufsässig.

Caleb machte einen großen Schritt auf sie zu, sodass er dicht vor ihr stand. „Das wird nicht passieren, Honey. So viel kann ich dir versprechen.“

Wie Blitzlichter schossen Maggie die wildesten Gedanken durch den Kopf. Ihr Elternhaus war Millionen wert. Und außer diesem verachtenswerten Handel sah sie keine Möglichkeit, es für ihre Mutter zu retten. Dabei ging es gar nicht um den materiellen Wert. Ihr Leben lang war Maggie für ihre empfindsame schwache Mutter da gewesen und hatte einmal sogar versucht, sie mit ihrem eigenen Körper vor Toms brutalen Fäusten zu schützen.

Sie war kaum sechs Jahre alt, und noch heute konnte man die Narbe sehen, die ihr als Erinnerung geblieben war.

Aber Tom war fort. Endgültig! Dies war Camillas letzte Chance auf etwas Glück in ihrem Leben, und das wollte Maggie ihrer Mutter nicht verwehren. Und wenn sie etwas Falsches tun musste, um das Richtige zu erreichen, dann war es eben so.

Entschlossen hob sie den Kopf und schaute Caleb fest in die Augen. „Und wenn ich morgen nicht hier auftauche?“

Der Ausdruck auf ihrem schmalen Gesicht verursachte Caleb unvermutet einen Stich in der Brust, den er sich nicht erklären konnte. Für einen Sekundenbruchteil fühlte er sich versucht, seinen Racheplan fallen zu lassen. Doch dann fegte er alle unsinnigen Skrupel zur Seite.

Maggie spielte mit ihm, das durfte er nie vergessen, so süß und unschuldig sie auch dreinschaute. Sie probierte einfach aus, womit sie durchkam und wie weit sie ihn manipulieren konnte, aber sie würde schon bald feststellen müssen, dass sie ihren Meister gefunden hatte.

Caleb richtete sich zu seiner vollen Größe auf und maß Maggie mit einem kalten Blick. „Dann blieben euch genau eine Woche und sechs Tage, um mein Haus zu räumen.“ Er wandte sich ab und ging langsam zur Tür.

Wie betäubt starrte Maggie ihm hinterher und fragte sich, wo der Mann geblieben war, der sie noch vor wenigen Minuten so leidenschaftlich geküsst hatte. Jetzt wirkte er gelassen, ja, fast gelangweilt. So, als gehörten derartige Gespräche zu seinem ganz normalen Alltag.

„Es liegt bei dir, Maggie. Sei morgen pünktlich, oder sag eurem Haus schon mal Ade. Du findest sicher selbst hinaus.“

Und damit war er verschwunden.

3. KAPITEL

Kurz vor zwei Uhr am nächsten Tag saß Maggie in ihrem Mini Cooper vor Calebs Büro. Ihr war kalt und heiß zugleich, und die Gedanken überstürzten sich, ohne dass sie zu einem Ergebnis kam.

Als sie am gestrigen Abend nach Hause gefahren war, war sie fast überzeugt davon gewesen, dass es ihr gelingen würde, ihre Mutter zu einem gemeinsamen Neustart überreden zu können. Aus der Gegend wegzuziehen, das Haus zu vergessen … alles zu tun, um nicht Calebs … Eigentum zu werden.

Doch als sie das Haus betrat, befand sich Camillas Hausarzt gerade im Gehen. Voller Panik und Sorge um ihre Mutter verdrängte Maggie jeden Gedanken an Caleb Cameron und starrte angstvoll in das grimmige Gesicht des Doktors. Seine Miene besagte nichts Gutes. Er fürchte ernsthaft um die langfristige Gesundheit ihrer Mutter, erklärte der Mediziner. Besonders, was ihre angeschlagene Psyche betraf. Einen derartigen Fall von tiefer verzweifelter Trauer habe er nie zuvor erlebt.

Maggie senkte den Blick und biss sich auf die Unterlippe. Ja, ihre Mutter trauerte … aber nicht um ihren verstorbenen Mann, wie sie nur zu gut wusste.

Damit waren alle Zweifel und Ausflüchte für sie erledigt. Es gab kein Zurück … es durfte keines geben!

Ohnehin hätte sie es kaum fertiggebracht, Camillas Herzenswunsch zu verweigern, wenn es in ihrer Macht lag, ihn zu erfüllen. Und trug sie nicht sogar eine Teilschuld an dieser Situation? Wenn auch als hilfloses Werkzeug ihres skrupellosen Stiefvaters? Trotzdem fühlte Maggie sich schuldig.

Die letzte Sicherheit, dass ihre Entscheidung richtig gewesen war, bekam sie, als sie ihrer Mutter am Morgen eröffnet hatte, dass Caleb ihnen das Haus lassen würde. Camilla war vor Freude und Erleichterung außer sich gewesen und viel zu überrascht, um Maggie nach den Gründen für diese unerwartete Wendung ihres Geschickes zu fragen.

Der Unterschied zu ihrem Gemütszustand vom Vortag war so unglaublich, dass Maggie nicht das Herz hatte, auch nur die leiseste Andeutung zu machen, was dieser Glücksfall für sie bedeutete.

Und nun saß sie hier und musste ihren Teil der Abmachung einhalten. Dies würden die längsten und demütigendsten zwei Monate ihres Lebens werden, davon war sie überzeugt. Doch am Ende winkte auch für sie die Freiheit, das durfte sie nie aus den Augen verlieren.

Caleb hielt sie für die berechnendste Frau auf der Welt, dessen war Maggie sich bewusst. Allein deshalb durfte sie ihn niemals diese fatale Schwäche bemerken lassen, die sie immer in seiner Gegenwart überfiel. Und die ihr vor sechs Monaten für einen beseligenden Moment vorgaukelte, auch er habe ein echtes Interesse an ihr …

Maggie schaute auf ihre Armbanduhr. Zwei Uhr mittags.

Nach einem raschen Blick in den Rückspiegel atmete sie tief durch und öffnete die Autotür.

Nachdem sie von der leicht genervt dreinschauenden Ivy zu Calebs Büro geleitet wurde, legte Maggie die Hand auf die Klinke. Sie zuckte jedoch heftig zusammen, als sich die Tür im gleichen Moment von innen öffnete.

Caleb stand vor ihr, das Hemd am Hals geöffnet, sodass sie den Ansatz dunkler Brustbehaarung auf glatter gebräunter Haut sehen konnte. Die aufgerollten Ärmel ließen seine muskulösen Unterarme frei, und das dunkle zerzauste Haar wirkte, als sei er ungeduldig mit allen zehn Fingern durchgefahren.

„Du bist zu spät!“, zischte er.

Maggie gab sich so blasiert wie möglich und schaute mit erhobenen Brauen auf ihre Armbanduhr. „Zwei Minuten, Mr. Cameron …“

„Ich gehe also davon aus, dass du mein Angebot akzeptierst.“

Sie nickte steif. „Wenn Sie sich an Ihre Abmachung halten“, murmelte Maggie und ignorierte Calebs irritierten Blick angesichts der steifen Anrede. Natürlich war es albern, ihn wieder zu siezen, aber irgendwie verlieh es ihr mehr Souveränität und Sicherheit. Und innerlichen Abstand …

„Selbstverständlich“, gab er unbewegt zurück. „Aber komm nie wieder zu spät.“

Unter seinem taxierenden Blick zupfte Maggie verlegen an dem V-förmigen Ausschnitt ihrer Strickjacke. Obwohl sie darunter eine durchaus dezente Bluse trug, fühlte sie sich plötzlich nackt. „Ich werde mich bemühen …“

Sekundenlang belauerten sie sich wie zwei misstrauische Wildtiere, die ersten Kontakt zueinander aufnahmen. Auf Calebs dunkler Wange zuckte ein Muskel. Maggie spürte, wie sich ein leichter Schweißfilm auf ihrer Oberlippe bildete. Erst als Caleb unverhofft ihren Arm ergriff und sie in sein Büro zog, löste sich die seltsame Spannung.

Sobald die Tür hinter ihnen geschlossen war, machte Maggie sich frei und trat ein paar Schritte in den Raum hinein. Caleb lehnte sich lässig gegen den massiven Schreibtisch und ließ sie nicht aus den Augen. Zum ersten Mal registrierte Maggie die fantastische Aussicht. Zu drei Seiten boten raumhohe Fenster faszinierende Ausblicke auf das geschäftige Treiben in Dublins Innenstadt, und am Horizont ragte eine dunkle Bergkulisse auf.

Am liebsten wäre Maggie an eines der Fenster herangetreten, um den atemberaubenden Eindruck zu vertiefen, doch dazu war sie nicht hergekommen.

„Das alberne Sie kannst du dir sparen“, forderte Caleb unvermittelt. „In meinem Schlafzimmer mag ich keine unnötigen Formalitäten.“

„Wir sind aber noch nicht in deinem Schlafzimmer!“, entfuhr es Maggie spontan.

Calebs Miene verfinsterte sich, und sie wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Wie sollte sie ihn je davon überzeugen, eine erfahrene weltgewandte Persönlichkeit zu sein, wenn sie vor ihm jedes Mal wie ein Kaninchen vor der Schlange zurückzuckte?

Natürlich reagierte er wie gewohnt auf die unnötige Provokation, indem er so dicht auf sie zutrat, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spürte. „Aber wir werden es bald sein“, raunte er heiser. „Und jetzt sag meinen Namen. Los, bloß keine falsche Scham.“

Maggie öffnete den Mund, aber es kam nichts heraus. Noch gestern war es kein Problem für sie gewesen, Caleb bei seinem Vornamen zu nennen, doch plötzlich war ihr Hals wie zugeschnürt. Es war, als würde sie diesem Augenblick damit eine Bedeutung zukommen lassen, die er nicht verdiente. Heiße Röte stieg in ihr Gesicht, als sie langsam den Kopf schüttelte.

Caleb kam noch näher, legte eine Hand um ihren Nacken und brachte seinen Mund ganz dicht an ihren heran. „Maggie …“

„Ich … ich kann nicht!“, rief sie panisch aus.

„Sag es, Maggie.“

Sie fühlte sich wie unter Drogen und starrte hypnotisiert auf Calebs Mund, der immer näher kam. Gleich würde er sie küssen, und dann …

Mit letzter Kraft legte sie eine Hand auf seine Lippen.

„Caleb …“ Es kam heiser und mit einem dunklen Timbre heraus, wie bei einer echten Liebeserklärung. Und genau in diesem Moment begriff Maggie, was es ihr so schwer gemacht hatte, seinen Namen auszusprechen.

Er stutzte und richtete sich langsam wieder auf. In seinen Augen glomm ein seltsames Feuer. „Siehst du“, murmelte er rau. „So schwer war es doch gar nicht.“

Himmel!, dachte Maggie. Ich bin noch keine fünf Minuten in seinem Büro und fühle mich bereits wie ein emotionales Wrack! Sie musste sich besser im Griff haben, um den Part zu spielen, auf den sie sich für diese Scharade festgelegt hatte – Caleb Camerons Teilzeitgeliebte –, erfahren, gerissen, überlegen und kühl …

Nur so konnte sie sich vor sich selbst schützen.

Verzweifelt suchte sie nach einem unverfänglichen Thema, mit dem sie Caleb von dem eingeschlagenen Pfad ablenken konnte.

„Gut. Dann also zu meiner Garderobe!“, platzte Maggie viel lauter als beabsichtigt heraus, während sie ein wenig Abstand von ihm nahm.

„Was ist damit?“, fragte er ebenso wachsam wie irritiert. Den rasanten Wechsel von seinem gehauchten Namen zu Kleidungsstücken konnte er so schnell nicht nachvollziehen. Aber eines war klar, er durfte ihr nicht trauen. Irgendwann liefen alle unverständlichen Andeutungen bei Frauen immer aufs gleiche Thema hinaus – seine Brieftasche!

Maggie neigte den Kopf, drehte eine rote Locke um ihren Finger – was sie häufig völlig abwesend tat, jetzt aber gezielt als kokette Geste einsetzte –, und schenkte Caleb ein strahlendes Lächeln.

„Sicher erwartest du, dass ich gut aussehe und Eindruck an deiner Seite mache“, gurrte sie. „Leider befindet sich meine Garderobe dieser Kategorie noch in London. Wenn dir mein derzeitiger Aufzug also zu lässig erscheinen sollte …“ Mit spitzen Fingern zupfte Maggie an ihrer schlichten Jacke, drehte sich dabei hin und her … und hasste sich für diese unwürdige Darbietung.

Ein derart vordergründiges Verhalten widerstrebte ihr zutiefst, doch wenn Caleb ihr die Rolle der leichtfertigen Goldgräberin abnehmen sollte, musste sie ihre gesamte Fantasie und Schauspielkunst aufbieten. Er sollte nur das Schlimmste von ihr denken.

Caleb spürte, wie eisige Kälte in ihm aufstieg. Er hatte sich also nicht geirrt. Sie war wie all die anderen geldgierigen Harpyien, die versuchten, ihn auszunehmen, und die er gründlich verachtete. Hatte er wirklich einen Moment lang angenommen, Maggie sei anders? Nur weil er ihre bezaubernden Augen und das süße Lächeln …

Er ballte seine Hände in den Hosentaschen zu Fäusten. Nun gut, ehe er sie in den Präsenten eines anderen Gönners sehen musste, wollte er lieber selbst dafür sorgen, dass Maggie sich für ihn schön machte und herausputzte. Und nur für ihn!

„Sag mir wo, und ich lasse dir dort ein Konto einrichten“, informierte er sie gelassen. „Am besten gleich heute Nachmittag, da ich überraschend für zwei Tage geschäftlich nach Monte Carlo muss. Du wirst mich begleiten. Ich gehe davon aus, dass dein Pass in Ordnung ist?“

Maggie errötete vor Scham, während sich ihr vorgetäuschtes Selbstbewusstsein in Luft auflöste. Sie nickte mechanisch. Monte Carlo! Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie sich plötzlich in einem Paralleluniversum befand …

Caleb ging um den Schreibtisch herum, griff nach dem Telefon und tippte eine Nummer ein. Dabei schaute er Maggie erwartungsvoll und mit einem Hauch Ungeduld an. Verzweifelt versuchte sie, sich an seine Frage zu erinnern und stammelte schließlich den Namen einer Nobelboutique in Dublin, die ihr als Einziges in den Sinn kam. Nicht dass sie den exklusiven Laden je von innen gesehen hätte!

Nach einer knappen, rasch geführten Konversation war alles erledigt. Caleb trat auf Maggie zu und umfasste ihr Kinn. „Halt dich von dem billigen Flitterkram fern. Ich möchte nicht noch einmal so einen peinlichen Auftritt erleben wie damals im Hotel, als jeder Mann im Restaurant förmlich zu stieren anfing, angesichts deiner … Vorzüge“, endete er mit einem bezeichnenden Blick auf ihre weiblichen Kurven.

Maggie senkte den Blick in Erinnerung an das schamlose Fähnchen, das ihr Stiefvater sie gezwungen hatte anzuziehen. Vor ihrem inneren Auge tauchte plötzlich Tom Hollands vor Zorn gerötetes Gesicht auf.

„Du kannst es tragen oder nackt gehen!“, hatte ihr Stiefvater sie angeschrien. „Und wenn du dich weigerst, bist du allein verantwortlich für das, was mit deiner Mutter passiert!“

„Ich werde mein Bestes tun“, murmelte Maggie jetzt. „Aber da ich das Kleid noch besitze, steht dir ja möglicherweise auch eine Überraschung bevor“, konnte sie sich nicht enthalten hinzuzufügen.

In Calebs Augen blitzte es gefährlich auf. „Versuche es, und ich reiße es dir vom Leib, um dich persönlich passend anzuziehen“, versprach er mit seidenweicher Stimme. „An deiner Stelle würde ich mich auf keine Spielchen mit mir einlassen, Honey. Du kannst nur verlieren.“

Maggie schauderte innerlich und fragte sich ernsthaft, was sie dazu trieb, ihn immer wieder zu provozieren. Tat sie es vielleicht aus Angst, ihr letztes bisschen Stolz zu verlieren? Oder war sie einfach lebensmüde?

Natürlich gab es das scheußliche Kleid längst nicht mehr, weil sie es noch in der gleichen Nacht in tausend Fetzen zerschnitten hatte. Und wenn es möglich gewesen wäre, hätte sie die auch noch verbrannt.

Maggie war schon fast an der Tür, als Caleb sie zurückrief. „Mein Wagen mit Chauffeur steht dir für deine Shoppingtour zur Verfügung und wird dich später zum Apartment bringen. Wo ist dein Gepäck?“

„Ich … es ist in meinem Auto. Deshalb ist es am besten, ich fahre gleich selbst.“

Caleb zuckte mit den Achseln und schrieb ihr die Adresse seines Apartments auf. Maggie kannte das moderne Gebäude in bester Wohnlage. Sie nickte kurz, steckte den Zettel in die Tasche und flüchtete.

Am frühen Abend lenkte Maggie ihren Mini in die einzige freie Parkbucht vor dem exklusiven Apartmentgebäude. Der Rücksitz quoll fast über vor Tüten und Kartons mit dem eleganten Label der Modeboutique. Trotz der starken Versuchung, völlig unpassende Klamotten zu kaufen, nur um Calebs Reaktion zu testen, hatte sie es nicht fertiggebracht.

Stattdessen hatte sie mit äußerster Sorgfalt ausgesucht, was ihr für jeden erdenklichen Anlass in Calebs Umfeld als passend und angemessen erschien.

Der Concierge war über ihre Ankunft informiert, händigte Maggie mit freundlichem Lächeln den Apartmentschlüssel aus, zeigte ihr den Weg zum Lift und versprach, mit ihren Einkäufen nachzukommen.

Während sie im Fahrstuhl nach oben fuhr, wurde Maggie von einer Welle unwillkommener Erinnerungen überschwemmt.

Nach dem Tod ihres Vaters hatte sie sehr schnell erfahren müssen, dass Tom Holland nicht wie versprochen das Beste für sie und ihre Mutter wollte, sondern ihnen und jedermann in ihrer Umgebung Schaden zufügte. Und das alles unter dem Deckmantel einer angesehenen konservativen Familie der sogenannten High Society. Mit der Zeit lernte Maggie zu hassen, was diese Gesellschaftsschicht repräsentierte.

Das war auch einer der Gründe gewesen, warum sie sich zu einem Kunststudium entschloss, abgesehen natürlich von ihrem unbestreitbaren Talent, das sie von ihrem Vater geerbt hatte, was wiederum Tom ein ständiger Dorn im Auge gewesen war.

Wo immer es ging, war sie ihrem boshaften und brutalen Stiefvater und seinen Schmähungen aus dem Weg gegangen … bis vor sechs Monaten. Sie tat es allein für ihre Mutter, andernfalls hätte Maggie nie zugestimmt, zwei ganze Wochen Toms illustre Geschäftsgäste in seinem Haus zu betreuen.

Caleb Cameron war sein Ehrengast gewesen, eingeladen unter dem Vorwand, hier mit einigen der wichtigsten Finanzgrößen der internationalen Geschäftswelt zusammenzutreffen. In Wahrheit hatte Tom ihn nur in seinen intimen Kreis ziehen wollten, um ihn zu vernichten.

Maggie war auf den ersten Blick von Caleb Cameron fasziniert gewesen. Toms gewöhnlichen Bekannten sehr unähnlich, stach er aus der Gruppe von Männern hervor wie ein kostbarer Solitär. Sowohl physisch als auch intellektuell. Und, wie sie damals zumindest dachte, auch moralisch gesehen.

Wie naiv von ihr! Dabei war er nicht besser als Tom. Die gleiche Bestie, nur in trügerisch attraktiver Verpackung. Doch selbst diese Erkenntnis konnte die unglaubliche Anziehung, die er auf sie ausübte, nicht schmälern.

Unglücklicherweise war auch Tom nicht entgangen, dass der Funke zwischen ihnen in der ersten Sekunde übergesprungen war. Mit perfider Raffinesse brachte er es fertig, sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit zusammenzubringen. Das Highlight seines absurden Planes sollte jener Abend im Hotel werden …

Der Lift stoppte abrupt und holte damit Maggie in die Gegenwart zurück. Die Türen glitten auf, und sie schüttelte sich, als wolle sie die quälenden Erinnerungen endgültig abstreifen. Jetzt galt es, in die Zukunft zu schauen – zumindest für die nächsten acht Wochen. Danach würde sie Caleb Cameron für immer aus ihrem Leben streichen.

Nachdem Maggie die Tür aufgeschlossen hatte, betrat sie zögernd das fremde Apartment. Langsam ging sie von einem Raum in den anderen, als befürchtete sie, aus jeder Ecke angegriffen zu werden.

Natürlich gab es nur das Feinste und Beste für den allseits hofierten Stargast der Stadt!

Maggie hatte alles über dieses Gebäude mit seinen luxuriösen Apartments gelesen, das von einem weltberühmten Architekten entworfen worden war. Es lag auf einem Hügel, direkt gegenüber der antiken Kathedrale und entfachte eine äußerst kontroverse Diskussion in der Bevölkerung von Dublin und weit über die Grenzen der Stadt hinaus.

Einige hielten es für eine unerträgliche Provokation, als demonstrativen Kontrapunkt zu dem majestätischen Sakralbau. Die andere Fraktion verteidigte das innovative Objekt als Wunderwerk der modernen Architektur.

Und Maggie liebte es. Neu trifft auf Alt – der Kontrast schafft den Reiz.

Vor der letzten verschlossenen Tür holte sie tief Luft, ehe sie die Klinke herunterdrückte. Ähnlich wie im Büro, reichten die riesigen Fensterfronten in Calebs Schlafzimmer vom Boden bis zur Decke und boten einen echten Millionärsblick auf das abendliche Dublin.

Maggie konnte keine persönlichen Gegenstände ausmachen, die ihr Aufschluss über den Charakter des Bewohners geben konnten. Im begehbaren Schrank hingen einige Kleidungsstücke, und im Bad lagen maskuline Toilettenartikel. Wahrscheinlich hatte Caleb bisher noch keine Zeit gehabt, sich einzurichten.

Aber Zeit genug, sich eine Geliebte zu nehmen …

Maggie versuchte, ihren Blick nicht zum zentralen Punkt des Zimmers wandern zu lassen, doch es gelang ihr nicht. Das riesige französische Bett dominierte den elegant eingerichteten Raum mit Leichtigkeit und Eleganz. Bezogen mit schwarzem kühlem Leinen, wirkte es verlockend, einladend und sehr, sehr gefährlich.

Und plötzlich erschien vor Maggies innerem Auge die Vision von Caleb und ihr auf dieser erotischen Spielwiese – dunkle Haut auf weißer … heiße Körper, leidenschaftlich ineinander verschlungen …

„Dies ist die letzte Ihrer Tüten, Madam“, erklang die höfliche Stimme des Concierge durch die offen stehenden Türen aus dem Foyer.

Maggie legte eine Hand auf ihr wild klopfendes Herz und eilte zur Wohnungstür. „Vielen Dank“, sprudelte sie atemlos hervor. „Das wäre doch gar nicht nötig gewesen …“

Als sie wieder allein war, lehnte sich Maggie erschöpft gegen die Tür und atmete einige Male kräftig durch. Dann schüttelte sie den Kopf über ihre albernen Fantasien und packte sämtliche Einkäufe nach kurzem Zögern in Calebs Ankleideraum.

Um neun Uhr abends war Maggie mit den Nerven am Ende. Beim kleinsten Geräusch hielt sie den Atem an. Zwischendurch telefonierte sie mit ihrer Mutter, um sie, so vage wie möglich, über ihre neue Situation zu unterrichten. Zu ihrer Erleichterung nahm Camilla die Neuigkeit, dass ihre Tochter einen vorübergehenden Job als Caleb Camerons „Assistentin“ angenommen hatte, sehr gelassen, ja fast desinteressiert auf. Und da eine gute Freundin jeden Tag bei ihrer Mutter vorbeischauen und Maggie benachrichtigen wollte, sollte irgendein Problem auftauchen, konnte sie sich zum ersten Mal nach langer Zeit ein wenig entspannen.

Das Schrillen des Telefons riss sie aus ihren düsteren Gedanken. Zögernd nahm sie den Hörer ab.

„Maggie …?“ Peinlich berührt stellte sie fest, dass allein seine Stimme ihr Herz bis zum Hals schlagen ließ.

„Caleb, ich hatte schon Angst, man hätte dich ins Krankenhaus eingeliefert“, flüchtete sie sich in Ironie. Doch das unerwartet warme, amüsierte Auflachen am anderen Ende der Leitung brachte Maggie völlig aus dem Konzept.

„Darauf wette ich! Ich wollte längst bei dir sein, muss aber noch auf einen wichtigen Anruf aus Los Angeles warten. Durch die Zeitverschiebung werde ich kaum vor Mitternacht zu Hause sein. Am besten, du gehst schon zu Bett.“

Automatisch dachte Maggie daran, wie spät er gestern Abend aus dem Büro gekommen war und verspürte einen Anflug von Sorge, den sie aber gleich wieder energisch unterdrückte.

„Okay, dann fange ich schon mal mit dem Essen an.“ In dem Moment, als die Worte heraus waren, hätte Maggie sie am liebsten sofort zurückgenommen. Jetzt dachte Caleb womöglich, sie mache sich tatsächlich Gedanken um sein Wohlbefinden oder warte gar noch auf ihn!

„Sag nicht, du hast uns ein romantisches Dinner für zwei gekocht!“, erwiderte er auch prompt.

„Damit kann ich leider nicht dienen“, gab sie hastig zurück. „Ich gehöre zu den Frauen, die sogar noch das Teewasser anbrennen lassen“, behauptete sie dreist und beschloss im gleichen Moment, keinen Krümel von dem leichten Auflauf übrig zu lassen, der tatsächlich im Ofen warm stand.

„Hast du dich denn bereits ein wenig eingelebt?“, wollte er wissen, ohne auf ihr trotziges Statement einzugehen.

„Hmm … ja.“

„Gut. Ich werde versuchen leise zu sein, damit ich dich nicht wecke … oder willst du auf mich warten?“

Maggie schützte ein Gähnen vor, während sich ihr Magen vor Panik zusammenzog. „So gern ich das tun würde, aber ich bin schrecklich müde, nach der ganzen Aufregung … also sage ich schon mal Gute Nacht.“ Als sie auflegen wollte, hörte sie ihren Namen und nahm den Hörer wieder ans Ohr.

„Eines noch, Maggie …“, raunte Caleb mit seidenweicher Stimme. „Solltest du nicht in meinem Bett liegen, wenn ich zurückkomme, dann aber ganz bestimmt morgen früh, wenn du aufwachst.“ Danach war die Leitung tot.

Dass Caleb seine Drohung im Zweifelsfall wahr machte, das stand für Maggie felsenfest. Sollte sie sich seiner Anweisung widersetzen, würde er sie in sein eigenes Bett hinübertragen …

Das leichte Kribbeln im Bauch tapfer ignorierend, holte Maggie also ihr altes gemütliches Nachthemd aus dem Gästezimmer und ging hinüber ins Ankleidezimmer, wo sie ihre neuen Sachen untergebracht hatte.

Sorgfältig, aber mit bebenden Fingern sortierte sie kostbare Spitzenunterwäsche und Negligés in ein freies Fach ein. Nie hätte sie sich etwas derart Kostbares und Aufreizendes selbst ausgesucht, doch die elegante Verkäuferin, die sie beraten hatte, war so wenig einverstanden mit ihrer Wahl gewesen, dass sie sich schließlich ihrem fachmännischen Urteil fügte.

Immerhin sollte alles zusammenpassen.

Und während Maggie an die umwerfenden Kleider und Accessoires dachte, zu denen die attraktive junge Frau ihr geraten hatte, umspielte ein provokantes Lächeln ihre Mundwinkel. Nicht dass sie sich selbst je so etwas ausgesucht hätte, aber sie passten sicherlich zu ihrer Rolle als Calebs Geliebte. Und wenn Maggie ganz ehrlich war, erfüllte es sie sogar mit Genugtuung, dass er für seine perfide Erpressung wenigstens ordentlich zur Kasse gebeten wurde.

Dass ihr die Entscheidung auch äußerst leichtgefallen war, weil ihr der Gedanke gefiel, ihm in dieser exquisiten Garderobe entgegenzutreten, gestand sie sich natürlich nicht ein.

Später, als Maggie zusammengerollt in der äußersten Ecke von Calebs mondänem Polsterbett lag und vorgab, tief und fest zu schlafen, erinnerte sie sich noch einmal an ihr abendliches Telefongespräch. Im Nachhinein kam es ihr viel zu … selbstverständlich und entspannt vor. Und das war gefährlich, weil es sie an die zauberhaften Tage in London erinnerte, als sie Calebs andere Seite zu sehen bekommen hatte. Unruhig drehte Maggie sich um und stützte sich auf einen Ellbogen.

Wenn Caleb plante, seinen natürlichen, fast jungenhaften Charme erneut einzusetzen, wäre sie verloren!

Seufzend ließ sie sich zurückfallen und starrte an die Decke.

Wenn sie ehrlich war, war sie ihm ohnehin schon ausgeliefert …

Und mit diesem Gedanken forderten die letzten aufregenden Tage und schlaflosen Nächte ihren Tribut, und Maggie glitt in einen tiefen traumlosen Schlaf hinüber.

Caleb wachte früh auf. Als er sich der Wärme eines anderen Körpers neben sich bewusst wurde, drehte er sich langsam zur Seite und schaute Maggie an, die sich im Schlaf wie ein kleines Kind zusammengerollt und instinktiv seine Nähe gesucht hatte.

Zerzauste rote Locken umrahmten ihr herzförmiges Gesicht, dunkle lange Wimpern berührten fast ihre Wangen, die vom Schlaf leicht gerötet waren.

Als er mitten in der Nacht nach Hause gekommen war, hatte er ihre Konturen nur vage unter der Decke auf der anderen Seite des Bettes ausmachen können und war viel zu erschöpft gewesen, um sich näher dafür zu interessieren. Doch da sie jetzt beide in der Bettmitte lagen, mussten sie sich wohl selbst im Schlaf zueinander hingezogen gefühlt haben.

Endlich hatte er Muße, die Frau an seiner Seite ausgiebig zu betrachten. Maggie wirkte viel jünger und entspannter als sonst. Geradezu unschuldig und … sehr verletzlich. Calebs Gesicht verfinsterte sich. Auf keinen Fall wollte er erneut auf ihr trügerisch elfenhaftes Aussehen hereinfallen! Sein Blick wanderte langsam zu den cremig weißen Schultern, die das zarte Trägerhemd aus elfenbeinfarbener Seide ebenso freiließ wie den gewölbten Ansatz ihrer Brüste, die sich mit jedem Atemzug senkten und hoben.

Er spürte, wie sein Körper auf diesen Anblick reagierte, und bewegte sich unbehaglich hin und her. Auch Maggie rührte sich plötzlich, als habe er sie mit seiner Unruhe angesteckt. Sofort lag er wieder still.

Als Reaktion formte Maggie mit den Lippen ein bezauberndes O und ließ einen enttäuschten Laut hören. Oder hatte er sich das nur eingebildet?

Am liebsten hätte sich Caleb spontan vorgebeugt und ihr einen sanften Kuss auf ihren verführerischen Mund gedrückt. Er wollte sie wach sehen, mit einem schläfrigen Lächeln auf den Lippen und ausgestreckten Armen, um ihn an sich zu ziehen und sich willig seinen Liebkosungen hinzugeben. Aber das waren nur Fantasien, und deshalb tat er es nicht.

Denn in der Realität würde Maggie zwar auch die Augen aufschlagen, wenn er sie küsste, aber ihr Blick wäre voller Misstrauen oder sogar Missbilligung, und das wollte er sich lieber ersparen.

Natürlich wollte er sie … aber dann sollte sie wach sein. Jede Reaktion wollte er in ihren smaragdgrünen Augen lesen, wenn sie voller Begierde funkelten oder sich vor Leidenschaft verdunkelten, dann, wenn er sie das erste Mal nahm …

Genau in dieser Sekunde rückte Maggie noch ein Stückchen an ihn heran, und schob ihren Arm über seine nackte Brust. Auf der bronzebraunen Haut wirkte ihre schmale Hand so verletzlich und hilflos wie ein kleiner Vogel, der aus dem Nest gefallen war.

Caleb biss die Zähne zusammen, um der quälenden Versuchung nicht nachzugeben, zog sich behutsam zurück, stand auf und ging leise ins Bad, um eine kalte Dusche zu nehmen. Hinter ihm rührte sich Maggie im warmen Bett, schlief aber dann seelenruhig weiter.

4. KAPITEL

Als sie dann schließlich erwachte, wusste Maggie zunächst nicht, wo sie war.

Sie war herrlich ausgeruht und erfrischt, streckte sich genüsslich unter den kühlen Leinenlaken und lächelte selig. Doch als sie das seltsam fremde Gefühl von zarter Seide und Spitze auf ihrer Haut spürte, verschwand das Lächeln abrupt.

Plötzlich erinnerte sie sich sehr wohl daran, wo sie war.

Sie setzte sich auf und schaute um sich. Seltsamerweise befand sie sich nicht da, wo sie sich gestern Abend hingelegt hatte – auf der anderen Seite des Bettes. Und eine Delle dicht neben ihr im Kopfkissen machte ihr klar, dass Caleb irgendwann zu ihr gekommen sein musste. Und doch war sie allein im Bett.

So, wie sie lag, hätte sie praktisch über ihn hinwegrollen müssen … oder hatte er sie etwa auf sich gezogen? Schlagartig war Maggie hellwach.

Sie erinnerte sich an gar nichts. Wie hatte sie nur so tief und gut schlafen können mit Caleb an ihrer Seite? Selbst wenn sie völlig entspannt war, hatte sie einen sehr leichten Schlaf und wurde bei der geringsten Störung wach. Und dann in ihrer ersten Nacht, an einem völlig fremden Ort und mit dem beunruhigendsten Mann an ihrer Seite, der ihr je über den Weg gelaufen war, schlummerte sie sanft wie ein kleines Baby.

Die Tür ging auf, und auf der Schwelle stand Caleb – frisch rasiert und tadellos gekleidet. Maggie sank in die Kissen zurück und zog die Decke bis zum Kinn.

„Guten Morgen“, wünschte er lächelnd und stellte eine Tasse Kaffee auf dem Nachttisch ab. „Na, du hast vielleicht einen unruhigen Schlaf“, neckte er Maggie. „Da sollte man denken, das Bett sei nun wirklich groß genug, und trotzdem lagst du heute Morgen förmlich auf mir.“

Das war zu viel nach ihren eigenen Fantasien, die sie eben noch beunruhigt und verstört hatten. Doch auf keinen Fall wollte sie ihn ihre Verlegenheit sehen lassen und suchte nach einer flapsigen Antwort. „Vielleicht war das Ganze ja doch ein großer Fehler, und du hast dich in deinen Gefühlen geirrt, wenn ich mich tatsächlich die ganze Nacht lang in deinem Bett herumwälzen kann und am Morgen immer noch mein Nachthemd anhabe …“

Caleb setzte sich auf die Bettkante, beugte sich über sie und zog ganz langsam die Decke bis zu ihrer schmalen Taille hinunter. Die dünne Seide mit dem zarten Spitzeneinsatz betonte ihre weiblichen Kurven mehr, als dass sie etwas verbarg.

Unter seinem trägen Blick richteten sich zu Maggies Entsetzen ihre Brustspitzen auf wie zwei Rosenknospen, die sich der Sonne entgegenstreckten. Als Caleb sie fast nachlässig mit dem Handrücken streifte, stockte Maggie der Atem, und sie wurde von einer Welle der Lust überschwemmt, die ihr ein leises Stöhnen entlockte.

Vorsichtig legte er einen Finger unter ihr Kinn und betrachtete aufmerksam ihre glänzenden Augen und die geröteten Wangen.

„Ein Fehler? Ich glaube nicht, Honey …“

Maggie fühlte sich bis ins Innerste erschüttert. Mit wenig mehr als einem Blick hatte Caleb ihr bewiesen, dass er sie in der letzten Nacht hätte haben können. Wieder und immer wieder. Er wusste es, und sie wusste es.

Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob er sich vom Bett und schaute unbewegt auf Maggie hinab. „Gegen elf werde ich zurück sein. Dann brechen wir nach Monte Carlo auf. Also halte dich bereit.“

Damit war er verschwunden.

Maggie schloss gepeinigt die Augen. Sie durfte nicht schwach werden. Sie musste diese zwei Monate überstehen. Immerhin tat sie es für ihre Mutter …

Zur vereinbarten Zeit saß Maggie reisefertig neben ihrer gepackten Tasche und schaute auf die Uhr. Eben hatte sie ihre Mutter angerufen und ihr eröffnet, dass sie Caleb als seine „Assistentin“ auf einer kurzen Geschäftsreise begleiten würde. In den neuen Kleidern fühlte sie sich allerdings eher wie eine Schauspielerin, die sich für ein Theaterstück kostümiert hatte, das heute zur Erstaufführung kommen sollte.

Und im Grunde traf das ziemlich genau die Situation, in der sie sich befand.

Autor

Chantelle Shaw
Chantelle Shaw ist in London aufgewachsen. Mit 20 Jahren heiratete sie ihre Jugendliebe. Mit der Geburt des ersten Kindes widmete sie sich ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter, ein Vollzeitjob, da die Familie bald auf sechs Kinder und verschiedene Haustiere anwuchs.

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