Überraschung!

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Noch Jungfrau - mit 28 Jahren! Das will die hübsche Ella unbedingt ändern. Sie trinkt sich Mut an und schlüpft im Dunkeln zu ihrem platonischen Freund Cliff unter die Bettdecke. Es wird eine supersexy Nacht. Doch am Morgen stellt sie entsetzt fest, dass sie sich einem Fremden lustvoll hingegeben hat ...


  • Erscheinungstag 02.12.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754334
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Lieber Gott, lass mich nicht als Jungfrau sterben! dachte Ella Papadakis, als das Flugzeug auf der Rollbahn ins Schlingern geriet und ein Triebwerk Feuer fing.

Bremsen kreischten. Die Passagiere schrien vor Angst auf.

Ella wurde durch den abrupten Bremsvorgang nach vorn geschleudert, und der Sicherheitsgurt straffte sich über ihrem Schoß. In ihrer Panik griff sie nach der Hand ihrer Sitznachbarin.

Da hatte sie sich nun achtundzwanzig Jahre lang ihre Unschuld erhalten, um dann bei einem Flugzeugunglück umzukommen.

Die Gebäude des JFK Flughafens rasten an ihr vorbei. Am Ende der Startbahn kam die Maschine endlich zum Stehen. Das Feuer erlosch, und aus dem Triebwerk stieg dunkler Rauch.

Die Frauen weinten und schrien durcheinander.

Ella war vor Schreck wie gelähmt.

„Meine Damen und Herren. Hier spricht der Kapitän.“ Seine Stimme war wesentlich ruhiger als die der Passagiere. „Wir mussten den Start abbrechen, weil wir ein kleines technisches Problem hatten. Ich versichere Ihnen, dass absolut keine Gefahr besteht. In wenigen Minuten werden Sie mit den Bussen zurück zum Terminal gebracht. Bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen …“

Ella putzte sich mit zitternden Händen die Brille. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen.

Alles in allem dauerte es dann doch zwei volle Stunden, bis die Fluggäste in einer anderen Maschine saßen. Als Entschädigung für die Verspätung und die ausgestandenen Todesängste gab es auf dem nächsten Flug alle Getränke auf Kosten der Fluggesellschaft. Lieber betrunkene als unzufriedene Passagiere, dachte Ella und wählte gleich zweimal Wodka Tonic.

Beinahe wäre sie heute umgekommen. Sie nahm einen großen Schluck und überlegte, was sie aus ihrem Leben gemacht hatte: Sie war achtundzwanzig, hatte keinen Mann, keine Kinder und war noch unerfahren. Warum eigentlich? Für was oder wen hatte sie sich aufbewahrt?

Ella hatte gerade ein turbulentes Wochenende bei ihrer jüngeren Schwester Tasha verbracht, die sich verlobt hatte und demnächst zum zweiten Mal heiraten wollte. Fortwährend hatten ihre Eltern und Verwandten Ella nach ihren Heiratsplänen gefragt.

Sie hatte keinen festen Freund, denn sie war erst kürzlich nach Los Angeles versetzt worden, wo sie als Kreditmanagerin für eine New Yorker Kaufhauskette arbeitete. Bisher fand sie ihre Arbeit recht langweilig. Außerdem hatte sie erst wenige Kontakte geknüpft.

Ihre biologische Uhr tickte in beängstigender Geschwindigkeit. Es wurde höchste Zeit für sie, ihr ereignisloses Leben zu ändern. Dabei war sich Ella nicht einmal sicher, ob sie wirklich Freude am Sex haben würde. Wahrscheinlich ist es genauso wie bei Kontaktlinsen, dachte sie: Unbequem, unhygienisch und den ganzen Aufwand nicht wert.

Sie trank ihr Glas aus und läutete nach der Stewardess, um noch einmal dasselbe zu bestellen.

Dann dachte sie an den einzigen interessanten Mann, den sie in Los Angeles kennen gelernt hatte. Cliff Swain war blond, blauäugig und kam aus der Kleinstadt Reilly’s Gulch in Montana, wo er als stellvertretender Sheriff gearbeitet hatte. Dort gehörte ihm mit seinem Zwillingsbruder eine Ranch, auf der sie Rinder züchteten. Sobald er seinen einjährigen Fortbildungskurs abgeschlossen hatte, wollte er endlich wieder aufs Land zurückkehren. Er war kein Großstadtmensch.

Ella hatte inzwischen den dritten Drink geleert.

Cliff war ein sympathischer Mann. Humorvoll, intelligent und fürsorglich. Vor zwei Jahren war seine Frau bei einem Verkehrsunfall umgekommen, und nun kümmerte er sich rührend um seinen Sohn. Er wäre ein Mann zum Verlieben, wenn die Chemie stimmen würde, dachte Ella. Wenn … Aber das war bei ihnen nicht der Fall.

Ella nahm einen weiteren Schluck und warf einen kurzen Blick auf den Comedy-Film, der im Flugzeug gezeigt wurde. Ihre Sitznachbarin starrte mit unbewegter Miene auf das Geschehen. Man ändert wohl seine Vorlieben, wenn man gerade dem Tod entronnen ist, überlegte Ella. Manche Dinge findet man nicht mehr witzig, andere werden auf einmal wichtiger.

Vielleicht wird Cliff irgendwann einmal mit mir schlafen, damit ich endlich weiß, was ich in meinem Leben versäumt habe, überlegte sie. Den kleinen Gefallen würde er mir sicher tun. Vor einiger Zeit hatte sie das Thema lachend angeschnitten, und Cliff schien nicht abgeneigt zu sein. In den letzten Jahren hatte er wie ein Mönch gelebt und sich nur um die Erziehung seines Sohnes gekümmert.

Das Flugzeug setzte zur Landung an. Ella merkte plötzlich, dass sie reichlich getrunken hatte. Das war sonst gar nicht ihre Angewohnheit, aber nach den ausgestandenen Todesängsten heute Nachmittag …

Nach der geglückten Landung atmeten alle Fluggäste erleichtert auf. Und Ella war noch immer Jungfrau. Und Heiratspläne hatte sie auch nicht. Aber ab heute würde sie ihr Leben von Grund auf umkrempeln.

Ihre Knie zitterten, als sie die Gangway verließ und zur Gepäckausgabe ging. Hastig nahm sie ihren Koffer an sich und überlegte dabei, wo Tasha wohl ihre Flitterwochen im nächsten Monat verbringen würde. Flitterwochen – das musste wie im siebten Himmel sein.

Tasha arbeitete als Model. Leider war die Schönheit in der Familie Papadakis sehr ungleichmäßig verteilt worden. Das fand zumindest Ella. Tasha hatte eine vollkommen Figur, ein makelloses Gesicht und silberblondes Haar. Ella dagegen hatte aschblondes Haar und konnte ihr Gewicht nur durch disziplinierte Essgewohnheiten halten. Zudem war sie auch noch kurzsichtig und musste eine dicke Brille tragen, die ihr ein eulenhaftes Aussehen verlieh.

Nicht dass Ella eifersüchtig auf ihre Schwester war – weder auf ihre Schönheit noch auf den hochkarätigen Diamantring, den sie von ihrem zukünftigen Mann Nick Mercouri zur Verlobung bekommen hatte. Aber unfair war es schon, dass die jüngere Schwester schon zum zweiten Mal heiraten wollte und Ella noch nicht einmal mit einem Mann geschlafen hatte.

Der Taxifahrer hatte keine Mühe, Cliffs Haus zu finden. Cliff wohnte nur ein paar Häuserblocks von Ella entfernt. Einmal pro Monat verbrachte sein Sohn ein langes Wochenende bei der Großmutter mütterlicherseits. Cliff würde heute also allein sein.

Ella nahm den Schlüssel, den Cliff ihr vor einigen Monaten gegeben hatte, damit sie in seiner Abwesenheit die Blumen und die Fische versorgen konnte, und steckte ihn ins Schloss.

Dann trat sie ein, stellte ihren Koffer neben der Couch ab und atmete tief durch. Sie war entschlossen, heute ihre Unschuld zu verlieren, damit sie nicht irgendwann als Jungfrau starb. Hastig zog sie Bluse, BH, Schuhe, Hose und Slip aus und nahm ihre Brille ab.

Ihr Herz pochte. Jetzt nur nicht den Mut verlieren. Es gibt kein Zurück mehr!

Nackt und fröstelnd stand sie vor der Schlafzimmertür. Cliff würde ihr diesen Gefallen doch nicht abschlagen, oder? Schließlich hatte sie sich doch immer um seine Fische gekümmert.

Leise öffnete Ella die Schlafzimmertür, legte sich ins warme Bett und kuschelte sich an den schlafenden Mann. Dieser drehte sich zu ihr um. Sie gab ihm einen Kuss auf den Mund und rief: „Überraschung!“

Überraschung?

Das konnte man wohl sagen! Benommen fragte sich Bryant Swain, wo er war. Er hatte eine dreißigstündige Fahrt von seiner Ranch in Montana nach Los Angeles zu seinem Zwillingsbruder hinter sich. Nachdem er den Haustürschlüssel aus dem Versteck im Blumentopf genommen hatte, war er todmüde ins Bett gefallen. Er schaffte es gerade noch, sich auszuziehen.

Instinktiv legte Bryant einen Arm um die nackte Besucherin. Sein Bruder hatte nichts von einer Frau gesagt. Er hatte nur eine Überraschung angekündigt – und dass er selbst nicht zu Hause sein würde.

Und was für eine Überraschung!

„Du musst es nicht tun, wenn du nicht willst“, sagte er mit heiserer Stimme. Träumte er, oder gab es die Frau wirklich?

„Nimm mich. Bitte. Ich will nicht noch länger warten.“ Sie streichelte ihm über die Wange und küsste seinen Mund.

Auch Bryant hielt es nicht länger aus. Zumindest nicht sein Körper. Dennoch hatte er Skrupel. „Vielleicht ist das keine so gute Idee“, meinte er halbherzig. Seit langem hatte er nicht mehr mit einer Frau geschlafen, denn es gab nicht viele Frauen, die es auf einer Ranch in Montana aushielten. Vielleicht hatte Cliff seinem Bruder deshalb diese Überraschung beschert?

Oder hatte er sich alles nur eingebildet?

Nein, ganz gewiss nicht, denn jetzt spürte er, wie die Frau zielstrebig ihre Verführungskünste einsetzte und ihn an seinen empfindsamsten Stellen reizte.

„Bitte. Ich möchte mit dir schlafen“, flüsterte sie mit rauchiger Stimme.

Konnte Bryant eine so verzweifelte Bitte abschlagen? Konnte er nicht. Er musste der schönen Unbekannten einfach helfen. Und er tat es gern.

Die Frau war schlank – mit den richtigen Rundungen an den richtigen Stellen, und ihre Haut fühlte sich warm, weich und zart an. Bryant fürchtete nur, sie mit seinen schwieligen Händen zu verletzen. Sie duftete nach Wildblumen. Bei seiner Berührung richteten sich die Spitzen ihrer festen, kleinen Brüste auf.

Es musste doch ein Traum sein. Ein viel aufregenderer Traum, als er es sich in seinen kühnsten Fantasien hätte ausmalen können.

„Zeig mir, was ich tun soll“, flüsterte sie.

„Oh ja.“

Sie erwiderte seine Liebkosungen und Küsse voller Hingabe, und Bryant hatte das Gefühl, dass er ihr kaum noch etwas beibringen musste. Im Dämmerlicht erkannte er, dass sie naturblond war, dass sie volle Lippen hatte, die zum Küssen einluden, und eine kleine Stupsnase. Eine wahre Traumfrau.

Als Bryant in sie eindrang, wunderte er sich über den leichten Widerstand. Sie schrie kurz auf, doch dann schlang sie die Beine um Bryant, und er nahm sie voller Leidenschaft, bis sie beide außer Atem zum Höhepunkt kamen.

Versonnen lächelte Ella am nächsten Morgen, als sie an die traumhafte Liebesnacht dachte, die sie in Cliffs Bett verbracht hatte. Warum hatte sie nur so lange damit gewartet?

Der Mann war ein zärtlicher und ausdauernder Liebhaber gewesen. Er hatte sie sehr, sehr glücklich gemacht. Ella seufzte und schmiegte sich eng an ihn. Er war kräftiger und muskulöser, als sie Cliff in Erinnerung hatte. Aufreizend liebkoste er ihre Brüste.

Sie stöhnte und schlug langsam die Augen auf, doch ohne Brille nahm sie die ungewohnte Umgebung nur verschwommen wahr. Neben dem Bett lag ein Cowboyhut. Merkwürdig. So etwas passte nicht zu Cliff. Und dann sah sie die abgewetzten Reitstiefel. Cliffs Stiefel waren immer blank geputzt. Was ging hier vor? Ella schluckte und betrachtete seine Hand. Ein stellvertretender Sheriff hatte normalerweise doch keine schwieligen Hände.

Sie taumelte aus dem Bett und griff nach der Bettdecke, die sie als Schutz vor ihren nackten Körper hielt. Der Mann war ebenfalls nackt. Und erregt. Das konnte sie auch ohne Brille erkennen.

„Wer in aller Welt sind Sie überhaupt?“, schrie sie entsetzt.

„Was geht hier eigentlich vor, Blondie?“, fragte der Mann zurück und stützte sich auf den Ellbogen.

Blondie? Meinte er wirklich Ella mit ihrem aschblonden Haar? Sie fühlte sich trotz allem geschmeichelt. Blondie – das klang wie ein Kosename.

Ella kniff die Augen zusammen. Jetzt sah sie wenigstens etwas klarer. Der Fremde hatte hellere und längere Haare als Cliff, aber die Ähnlichkeit war verblüffend. „Was haben Sie mit Cliff gemacht?“

„Er ist für ein paar Tage weggefahren.“

„Weggefahren“, wiederholte Ella mit tonloser Stimme. Sie hatte gestern Abend zu viel Alkohol getrunken. Entschieden zu viel. „Cliff hat mir gar nichts davon gesagt.“

„Ihm wurde ganz kurzfristig ein Spezialtraining angeboten. Er sagte mir, wo der Haustürschlüssel liegt.“ Der Mann schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Jetzt bemerkte Ella, dass er größer war als Cliff. Aber wie hätte sie das im Bett feststellen können? „Ich bin Bryant Swain, Cliffs Zwillingsbruder.“

„Zwillingsbruder.“ Ella hatte auf einmal ein flaues Gefühl im Magen und musste sich setzen.

„Ich komme aus Montana.“ Splitternackt stand er vor ihr, ein Bild von einem Mann. Er neigte lächelnd den Kopf und erkundigte sich neugierig: „Hast du auch einen Namen, Blondie?“

„Nein!“ Himmel, nein! Schon schlimm genug, dass sie mit diesem Mann geschlafen hatte, dass sie durch ihn ihre Unschuld verloren hatte. Aber ihren Namen würde sie Cliffs Zwillingsbruder nicht preisgeben.

„Also, wegen letzter Nacht“, begann er.

„Ich will nicht über die letzte Nacht sprechen!“

„Aber du erinnerst dich, was geschehen ist?“

„Natürlich.“ An jedes Detail. So viel hatte Ella nicht getrunken, obwohl ihr jetzt speiübel war. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und wankte ins Bad.

Bryant zog sich unterdessen an. Bekümmert fragte er sich, was da gerade passiert war, oder vielmehr in der vergangenen Nacht. Eine Verwechslung?

Er wusste nicht viel über das Liebesleben seines Bruders. Seit dem Tod seiner Frau hatte Cliff enthaltsam gelebt. Aber wer weiß – vielleicht hatte ihn das Stadtleben verändert.

Und dann die Frau im Bad, die Bryant zunächst für eine Einbildung gehalten hatte.

„Alles in Ordnung?“, fragte er durch die geschlossene Tür.

„Alles in bester Ordnung“, kam es gedämpft zurück. Aber das war gelogen.

„Ich mache uns einen Kaffee“, sagte er.

Dann ging er in die Küche und raufte sich die Haare. Sein schlechtes Gewissen regte sich. Hatte er ihre Wehrlosigkeit ausgenutzt? War sie betrunken gewesen und wusste nicht, was sie tat? Aber hatte sie nicht die Initiative ergriffen? Trotzdem – er hatte es auch gewollt.

Bryant stellte die Kaffeemaschine an. Hatte ihm Cliff nicht eine Überraschung angekündigt? Wollte er seinen Bruder damit überraschen, dass er eine neue Freundin hatte?

Bryant stieß einen leisen Fluch aus. Niemals würde er bewusst mit der Freundin seines Bruders flirten. Das galt umgekehrt auch für Cliff. Schon in der High School hatten die beiden Brüder ein feierliches Abkommen getroffen und sich immer daran gehalten. Bis gestern Nacht.

Bis gestern Nacht?

Cliffs Freundin hätte ihren Irrtum doch bemerken müssen. Auch wenn Bryant und Cliff Zwillingsbrüder waren, so gab es doch Unterschiede zwischen ihnen. Selbst bei Nacht. Es sei denn, die Frau wäre nicht bei Sinnen gewesen.

Frauen taten manchmal die merkwürdigsten Dinge. Das wusste Bryant aus Erfahrung. Seine Exfrau hatte ihn mehr oder weniger zur Ehe gezwungen, weil sie angeblich von ihm schwanger war. Die Ehe war nicht gerade im Himmel geschlossen worden, aber Bryant gab sich alle Mühe und freute sich auf das Kind, auch als sich herausstellte, dass Diane das Kind eines anderen Mannes erwartete. Dieser Mann änderte jedoch plötzlich seine Gefühle und wollte, dass Diane mit dem Baby zu ihm zurückkehrte. Was hätte Bryant dagegen tun sollen? Sein Anwalt hatte ihm dringend von einer Klage abgeraten.

Danach hatte Bryant sich verbittert zurückgezogen. Um Frauen machte er einen großen Bogen, denn aus irgendeinem unerklärlichen Grund bildete er sich ein, nicht gut genug für eine Familie zu sein.

Und Blondie? Hat sie auch eine turbulente Lebensgeschichte hinter sich? überlegte er. Bloß nicht noch einmal so eine unglückliche Verbindung eingehen.

„Hallo!“, rief sie aus dem Bad.

„Ja?“

„Könntest du mir bitte meine Sachen bringen? Sie liegen im Wohnzimmer.“

Bryant entdeckte auch ihren Koffer im Wohnzimmer. Sie will also länger bleiben, schloss er daraus. Bei Cliff.

„Ich hole sie dir.“

„Und bitte auch meine Brille.“

Bryant hob ihren hautfarbenen Slip vom Boden auf und schloss die Augen. Er hatte eine wunderschöne Liebesnacht verbracht. Kein Grund für ein schlechtes Gewissen – es sei denn, die Frau war mit seinem Bruder liiert. Er unterdrückte einen Fluch, nahm Ellas übrige Kleidungsstücke und ihre Brille und klopfte an die Badezimmertür.

Ella öffnet die Tür nur einen Spalt. Bryant sah nicht mehr als eine zarte, sorgfältig manikürte Hand ohne Ehering, die ihm die Kleidung abnahm.

„Danke.“ Die Tür fiel ins Schloss.

Schöne Manieren. Benehmen sich alle Menschen in Los Angeles so? fragte er sich erstaunt. „Der Kaffee ist fertig.“

„Ich habe keine Zeit mehr. Trotzdem vielen Dank.“

„Kein Grund zur Eile.“ Bryant hatte viele Fragen an die schöne Unbekannte.

„Tut mir leid. Ich muss zur Arbeit.“

Von wegen. Sie hatte es eilig, von hier zu verschwinden. Das konnte nur Ärger bedeuten. Bryant und sein Bruder lebten über tausend Meilen voneinander entfernt, aber dennoch standen sie sich sehr nahe. Kinder, die auf einer Ranch aufwachsen, lernen schnell, dass man sich aufeinander verlassen können muss. Zwillinge haben ein noch engeres Verhältnis zueinander. Und keine Frau, und sei sie noch so aufregend, würde jemals zwischen ihnen stehen. Dafür würde Bryant schon sorgen. Immerhin war er zehn Minuten älter und weiser als Cliff.

Er ging in die Küche und schenkte sich einen Becher Kaffee ein – schwarz und stark.

Blondie kam aus dem Bad. Sie hatte sich inzwischen angezogen. Nackt hatte sie Bryant besser gefallen. Sie sah ziemlich blass aus.

„Geht es dir wieder gut?“

„Ich habe eine Kopfschmerztablette genommen.“

„Was die letzte Nacht betrifft …“, sagte Bryant leise.

„Das war ein Fehler.“

„So sehe ich es auch.“

Ella ging zu ihrem Koffer. „Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du die letzte Nacht aus deinem Gedächtnis streichen könntest.“

„Das fällt mir zwar schwer, aber ich werde mich bemühen, wenn ich dir damit einen Gefallen tue.“

„Danke.“ Ella atmete hörbar aus. „Es tut mir leid.“

Bryant zuckte mit den Schultern. Was sollte er jetzt machen? Am liebsten hätte er sie ins Schlafzimmer getragen und wieder und wieder geliebt. Aber dann schaltete sich sein Verstand ein. „Bist du mit dem Auto da?“

„Nein. Ich bin gestern mit dem Taxi gekommen.“

„Dann rufe ich dir jetzt eins.“ Er ging zum Telefon. „In zehn Minuten“, verkündete er wenig später.

Ella ließ sich schwer auf die Sofalehne sinken. „Ich habe so etwas noch nie getan.“

„Was? Zu viel getrunken oder mit einem Fremden geschlafen?“

Sie schüttelte den Kopf und fuhr sich durch die Haare. „Ich weiß selbst nicht, was in mich gefahren ist.“

„Es ist ja nichts weiter passiert.“

Sie sah Bryant scharf durch ihre Brille an. Kornblumenblaue Augen, stellte er fest. „Nein, es ist nichts weiter passiert.“ Sie klang resigniert.

„Du kannst beruhigt sein. Ich habe keine ansteckenden Krankheiten“, versicherte er ihr. Dann fiel ihm siedend heiß ein, dass sie keine Kondome benutzt hatten. „Du doch auch nicht, oder?“

„Mach dir keine Sorgen.“ Sie lächelte gequält.

Bryant drehte sich um und reichte Ella einen Becher Kaffee.

Dankbar nahm sie einen Schluck und hätte sich fast daran verschluckt. Sie hustete und hatte Tränen in den Augen. „Meine Güte! Willst du mich vergiften?“

„Entschuldigung. In Montana trinken wir den Kaffee so stark, damit wir die harten Wintermonate überstehen.“

Ella lachte, und ihre Augen blitzten für einen Moment vergnügt. Cliff kann sich glücklich schätzen, sie als Freundin zu haben, dachte Bryant.

Vor dem Haus hupte das Taxi. Schade. Bryant hätte ihr gern noch so viele Fragen gestellt. Ella wollte ihren Koffer hinuntertragen, doch Bryant nahm ihn ihr ab. „Das mache ich schon. Wir Männer aus Montana sind eben zuvorkommend.“

Ella errötete vor Verlegenheit. „Es tut mir alles schrecklich leid.“

„Das Leben geht weiter.“

Schweigend gingen sie das Treppenhaus hinunter zum wartenden Taxi. „Tja, Blondie. Das war’s wohl. Du willst mir wohl immer noch nicht deinen Namen verraten, oder?“

„Lieber nicht.“

Er zuckte mit den Schultern. „Wie du willst.“ Wenn sie die Freundin seines Bruders war, würde er ihr wohl oder übel irgendwann wieder begegnen.

„Danke. Du bist sehr verständnisvoll.“ Ella zögerte einen Moment und reichte Bryant dann die Hand.

Sie ist leider zu zart gebaut für die harte Arbeit auf einer Ranch, dachte Bryant. Außerdem hat sie schon ein Verhältnis mit meinem Bruder. Unter anderen Umständen …

Das Taxi rollte davon. Ella hob die Hand zum Abschiedsgruß.

Bryant fluchte leise. Dass man doch immer auf seine Geschwister Rücksicht nehmen musste.

Ella lehnte sich im Taxi zurück und schloss entsetzt die Augen. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Was hatte sie sich eigentlich dabei gedacht? Sie würde Cliff nie mehr in die Augen sehen können.

Sicher hatte Bryant längst gemerkt, wen sie in Wirklichkeit verführen wollte. Wie peinlich. Wahrscheinlich würden sich die Brüder bei nächster Gelegenheit königlich über Ellas Dummheit amüsieren. Da war sie doch tatsächlich im falschen Bett gelandet – oder besser gesagt, im richtigen Bett, aber bei dem falschen Mann!

Und dann würde sie nie mehr etwas von Cliff oder Bryant hören. Sie hatte es auch nicht besser verdient.

Vergeblich unterdrückte sie ein Schluchzen. Sie würde vor allem Bryant vermissen, stellte sie zu ihrem Erstaunen fest. Er war nicht nur ein einfühlsamer Liebhaber, sondern auch ein wirklicher Gentleman. Heute Morgen hatte er alles versucht, um ihr über die Verlegenheit hinweg zu helfen.

Das Taxi hielt an, und Ella stieg erleichtert aus. Als sie in ihrer Wohnung im zweiten Stock angekommen war, ging sie zuerst ins Badezimmer, um sich eine weitere Kopfschmerztablette zu nehmen. Jetzt brauchte sie ein heißes Bad, und dann wollte sie die letzte Nacht schnellstens vergessen.

Bryant verbrachte den Nachmittag am Strand und genoss die warme Frühlingsluft in Südkalifornien. Hübsche Mädchen in knappen Bikinis aalten sich in der Sonne und versuchten seine Blicke auf sich zu ziehen, aber er dachte nur an Blondie. Leider würde es bei der einmaligen Begegnung bleiben müssen, schon aus Rücksicht auf seinen Bruder.

Für eine Frau, die sich versehentlich mit dem falschen Mann eingelassen hat, ist sie erstaunlich gelassen und bewundernswert in ihrer Haltung gewesen, dachte Bryant. Er hatte den Verdacht, dass sie doch nicht so erfahren war, wie sie vorgab. Unglaublich, wenn man bedachte, was für eine rauschende Liebesnacht sie miteinander verbracht hatten.

Es war Zeit zum Abendessen, als der fünfjährige Stevie ins Haus rannte.

„Onkel Bryant! Onkel Bryant!“ Freudestrahlend warf er sich seinem Onkel in die Arme. „Ich habe bei Grandma schwimmen gelernt.“

„Das ist ja großartig.“ Lachend drückte Bryant seinen Neffen an sich und dachte an den Autounfall, bei dem Cliffs Frau ums Leben gekommen war. Wenigstens hatte Cliff noch seinen Sohn. Bryant war ganz allein, obwohl er sich immer eine Familie gewünscht hatte.

Cliff schlenderte gemächlich ins Haus. „Na, du alter Schlawiner“, begrüßte er seinen Bruder lachend. „Wird ja auch höchste Zeit, dass du dich mal wieder blicken lässt.“

„Du weißt doch, dass ich keine Großstädte mag. Allein schon die lange Fahrt …“ Er wechselte das Thema. „Was ist denn nun mit der versprochenen Überraschung, Bruderherz?“

„Es gibt großartige Neuigkeiten.“

Wenn du damit die Frau in deinem Bett meinst, dann kenne ich die Überraschung schon, dachte Bryant.

„Sheriff Coleman hat mich in der letzten Woche angerufen. Er will sich im nächsten Jahr zurückziehen und möchte, dass ich sein Nachfolger werde.“

Sheriff? Das war alles? Bryant blieb vor Überraschung der Mund offen. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet.

„Hey, was ist denn mit dir? Ich dachte, du freust dich mit mir.“

„Aber ja. Wirklich. Ich gratuliere dir herzlich, und Reed County kann sich auch gratulieren. Da wird ein Mann wie du gebraucht. Es ist nur …“ Bryant fuhr sich verlegen mit den Fingern durchs Haar. Er musste erst verdauen, dass Blondie nicht zu der Überraschung seines Bruders gehörte. Sollte er darüber nun enttäuscht sein oder nicht? „Ich dachte, du hättest vielleicht eine neue Freundin.“

Cliff sah ihn erstaunt an. Er wirkte sogar ein wenig verletzt. „Wie kommst du denn darauf? In Los Angeles gibt es nur Großstadtpflanzen und Sonnenanbeterinnen. Wenn die einen richtigen Schneesturm bei uns erleben würden … Nein, die Frauen von hier passen nicht zu uns.“

Bryant musste seinem Bruder recht geben. Aber wer zum Teufel war dann die Frau, die sich letzte Nacht in Cliffs Bett gelegt hatte? Woher kam sie?

Das waren Fragen, auf die er keine Antwort bekommen würde. Denn er würde niemals zugeben, dass er mit der Freundin seines Bruders geschlafen hatte.

„Komm, Bruderherz. Lass uns irgendwo ein Bier trinken.“ Er legte den Arm um Cliffs Schultern. „Trinken wir auf den zukünftigen Sheriff von Reed County.“ Und auf die Frau, die mich noch lange in meinen Träumen verfolgen wird, setzte er in Gedanken hinzu.

2. KAPITEL

Sechs Wochen später …

Am Montagmorgen litt Ella unter einer Magenverstimmung. Waren die Erdbeeren verdorben gewesen, die sie am Wochenende gegessen hatte? Oder die Honigmelone von gestern überreif? Jedenfalls freute sie sich überhaupt nicht auf ihre Arbeit.

Ihre Kollegin Marcie Jackson öffnete die Sicherheitstür von innen, und Ella ging in ihr kleines Büro. Sie fühlte sich erbärmlich.

„Hallo, meine Liebe!“, rief Marcie und folgte ihr. Marcie war eine übergewichtige Frau mit einem freundlichen Lächeln, das auf den ersten Blick verschleierte, dass sie eine neugierige Klatschbase war – wenn auch nicht bösartig. „Ich habe am Wochenende einen Freund von dir gesehen.“

„Tatsächlich?“, fragte Ella uninteressiert zurück und sah dabei die Mitteilungen auf ihrem Schreibtisch durch.

Autor

Charlotte Maclay
Charlotte Maclay hatte immer Geschichten in ihrem Kopf. In der dritten Klasse erfanden sie und eine Freundin Bambi – Geschichten und führten sie als kleine Theaterstücke auf. Ihre Freundin spielte Bambi – sie war Thumper, der Hase aus dem Disney – Film. Eines Tages zog ihre Freundin weg, aber Charlotte...
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