Verboten sexy wie Dr. Morales

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Sexy wie die Sünde und verboten charmant! Alle Krankenschwestern sind verrückt nach Dr. Juan Morales. Nur Cate weigert sich, diesem Macho aus der Hand zu fressen - für sie nimmt er das Leben viel zu leicht. Warum klopft ihr Herz dann bei jedem seiner Blicke viel zu schnell?


  • Erscheinungstag 20.02.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751505680
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Tut mir leid, Juan. Ich wollte dich nicht wecken.“ Verlegen spielte Cate Nicholls mit einer Strähne ihres langen braunen Haars. Beim Klang seiner Stimme am Telefon – tief, mit starkem Akzent und ganz offensichtlich schlaftrunken – bekam sie eine leichte Gänsehaut.

„Kein Problem. Bist du es, Cate?“

„Ja.“

Cate errötete. Juan hatte also sofort ihre Stimme erkannt. Obwohl er erst ein paar Mal in der Notaufnahme des Melbourne Bayside Hospitals ausgeholfen hatte, war das Knistern zwischen ihnen offensichtlich. Cate hatte jeden anderen möglichen Arzt kontaktiert, bevor sie sich schließlich doch dazu durchgerungen hatte, Juan anzurufen. Harry, der leitende Oberarzt, hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie sehr schnell und sehr dringend Verstärkung brauchten. Und Juan war der perfekte Springer: ein hochqualifizierter Facharzt für Anästhesie aus Argentinien, der gerade für ein oder zwei Jahre durch die Welt tingelte und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt. Gleichzeitig war er nicht nur unverschämt sexy, sondern auch noch ausgesprochen beliebt.

„Es ist mir wirklich sehr unangenehm, dich zu stören, Juan. Hast du letzte Nacht gearbeitet?“

„Nein.“

„Oh!“ Cate sah auf ihre Uhr – es war kurz nach zwei Uhr am Nachmittag. Wieso um alles in der Welt lag er um diese Zeit noch im Bett? Im gleichen Augenblick hörte Cate eine Frauenstimme und wand sich vor Verlegenheit, als sie hörte, wie Juan leise erklärte, dass er zwei Löffel Zucker in seinen Kaffee nahm.

Sekunden später wandte er sich wieder an Cate.

„Also, was kann ich für dich tun?“ Seine Stimme klang so verführerisch sanft wie immer, wenn er mit ihr sprach.

„Sheldon hat sich krankgemeldet, und wir haben niemanden gefunden, der kurzfristig für ihn einspringen kann.“

„Weiß Harry, dass du mich angerufen hast?“

Cate lachte. Harrys Laune verbesserte sich in der Regel nicht, wenn Juan in der Nähe war. Er war immer noch beleidigt, weil Juan den Drei-Monats-Vertrag, den Harry ihm angeboten hatte, schlichtweg abgelehnt hatte.

„Harry weiß nicht nur Bescheid, er hat sogar vorgeschlagen, dass ich dich frage.“

„Okay. Wann soll ich da sein?“

„So schnell wie möglich.“ Besorgt warf Cate einen Blick in das überfüllte Wartezimmer der Notaufnahme. „Hier ist wirklich viel los …“ Sie hielt kurz inne, denn Harry rief etwas. „Augenblick, Juan“, bat sie.

„Harry? Was hast du gesagt?“

„Sag Juan, dass wir ihn wirklich dringend brauchen. Trotzdem darf er gern noch einen Zwischenstopp beim Frisör einlegen, wenn er mag!“

Harry machte keinen Hehl daraus, dass er Juans etwas verwegenes Erscheinungsbild unmöglich fand. Den Oberarzt machte es einfach verrückt, wie Juan zur Arbeit erschien: mit wilder schwarzer Haarmähne, extrem relaxed gekleidet und ständig unrasiert.

Cate lächelte, als sie sich wieder dem Telefonhörer zuwandte. „Ich nehme an, du hast ihn gehört?“

„Allerdings“, erwiderte Juan trocken. „Sag Harry, dass ich ihn auch sehr gern habe.“ Cate hörte, wie Juan herzhaft gähnte und sich dabei streckte. Streng verbot sie sich die Vorstellung eines nackten Juans, der sich in seinem Bett rekelte.

„In Ordnung. Ich dusche noch schnell und komme dann zu euch.“

„Vielen Dank, Juan!“ Erleichtert legte Cate auf und trug Juans Namen in den Dienstplan ein. Harry sah ihr dabei über die Schulter und schüttelte den Kopf.

„Ich kann mir keinen unpassenderen Namen für Juan vorstellen“; bemerkte er trocken. „Dr. Morales. Das ist wirklich der blanke Hohn.“

Cate lachte. Juan hatte wirklich einen zweifelhaften Ruf. Allein sein Name auf dem Dienstplan würde vermutlich dafür sorgen, dass die Hälfte der Kolleginnen schnell noch ihr Make-up und ihre Frisur in Ordnung brachte.

Cate widerstand diesem Impuls natürlich.

Während sie ihre Hände wusch, warf sie einen prüfenden Blick in den Spiegel. Gut, ihr schulterlanges Haar konnte durchaus auch eine Haarbürste gebrauchen. Und ihre haselnussbraunen Augen würden mit etwas Mascara vermutlich verführerischer wirken, doch sie weigerte sich, diesen Aufwand für Juan zu betreiben.

Sie würde auf keinen Fall mit dem Feuer spielen.

Da sie mit drei sehr ungestümen Brüdern aufgewachsen war, brachte Cate so schnell nichts aus der Ruhe. Doch Juan schaffte es immer wieder. Entweder war sie schockiert über seine halsbrecherischen sportlichen Aktivitäten, oder entsetzt über die nicht enden wollende Reihe von Frauen, die mit ihm ins Bett ging. Doch was Cate am meisten verstörte, war ihr eigener innerer Kampf, seinem verführerischen Charme nicht nachzugeben.

Bei ihrer ersten Begegnung hatten sie heftig miteinander geflirtet, doch Cate hatte sofort einen Rückzieher gemacht. Ihr war schnell klar gewesen, dass sie mit seiner unverbindlichen Einstellung zu Sex nicht zurechtkommen würde.

Damals war Cate gerade aus ihrem Urlaub zurückgekehrt, frisch getrennt von ihrem Freund, mit dem sie zwei Jahre lang zusammen gewesen war. Juans Anblick hatte gereicht, um ihr den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Noch nie zuvor hatte sie so heftig auf einen Mann reagiert, und törichterweise hatte sie sich eingeredet, der sexy Aushilfsarzt wäre genau der Richtige für einen harmlosen kleinen Flirt zur Ablenkung.

Als er sie damals auf einen Drink eingeladen hatte, war Cate sofort klar gewesen, wie der Abend enden würde. Sein Blick hatte keinen Zweifel an seinen Absichten gelassen.

Ihr wurde immer noch heiß, wenn sie an diesen Moment dachte – der Blick seiner grauen Augen hatte sie sekundenlang gefangen gehalten und die Versuchung, einfach Ja zu sagen, ein einziges Mal unvernünftig zu sein und ihrem Verlangen nachzugeben, war überwältigend gewesen.

Doch Cate hatte gerade noch rechtzeitig die Notbremse gezogen und abgelehnt. Bei den wenigen Zusammentreffen, die seitdem stattgefunden hatten, war sie sorgfältig auf Abstand und Professionalität bedacht gewesen, und hatte die spürbare Anziehungskraft zwischen ihnen konsequent ignoriert.

„Juan ist ein ziemlich guter Arzt“, erinnerte Cate den Oberarzt sanft, denn auch wenn Juan ein Schwerenöter war, stand seine herausragende Kompetenz außer Frage.

„Ja, aber er verschwendet sein Talent“, entgegnete Harry seufzend. „Vielleicht bin ich einfach nur eifersüchtig auf ihn.“

„Du bist der beste Notfallmediziner, den ich kenne, Harry“, widersprach Cate und meinte es vollkommen ernst. Harry war nicht nur ein großartiger Notarzt, sondern auch ein renommierter Handchirurg.

Doch Harry hatte nicht Juans medizinisches Talent gemeint.

„Ich glaube, ich beneide ihn ein bisschen um seine Freiheit, Cate. Die Sorglosigkeit, mit der er sein Leben führt. Juan ist es völlig egal, was andere von ihm halten. Er macht, was er will. Es würde mir auch großartig gefallen, nur eine oder zwei Schichten pro Woche zu arbeiten und die restliche Zeit auszuspannen.“ Harry grinste wehmütig. „Na ja, Juan hat schließlich auch keine vierjährigen Zwillinge, um die er sich kümmern muss. Genau genommen hat Juan niemanden, um den er sich Sorgen machen muss.“

„Ist es immer noch so schlimm bei dir?“, fragte Cate mitfühlend. Sie mochte Harry sehr und war entsetzt gewesen, als seine Frau Jill im Jahr zuvor nach einem Autounfall eingeliefert worden war. Zwei Wochen später war sie gestorben – und Harry war über Nacht allein für seine Zwillinge zuständig gewesen.

„Die Nanny hat heute gekündigt. Wir müssen also schon wieder eine Neue suchen.“

Mitfühlend sah Cate ihn an, doch Harry hatte sich schon umgedreht und war auf dem Weg ins nächste Behandlungszimmer.

„Oh!“, rief Kelly erfreut, als sie Juans Namen auf dem Dienstplan sah. „Damit wäre mein Nachmittag ja gerettet! Vielleicht können wir Juan sogar überreden, heute Abend mit in die Bar zu kommen.“ Sie blinzelte Cate verschwörerisch zu.

„Bestimmt kommt er gern mit“, pflichtete Cate ihr bei. „Ich kann allerdings nicht.“

„Ach, komm schon, Cate!“, protestierte Kelly. „Du hast es versprochen. Es ist Freitagabend, und du solltest nicht allein zu Hause sitzen und Paul nachtrauern …“

„Das mache ich nicht! Als ich für heute Abend zugesagt habe, war mir nicht klar, dass ich morgen früh arbeiten muss“, log Cate.

„Aber du wolltest heute fahren.“ Vorwurfsvoll sah Kelly sie an.

Ja, das stimmte. Aber zu dem Zeitpunkt hatte sie noch nicht gewusst, dass Juan an diesem Tag die Spätschicht übernehmen würde. Es war mehr als wahrscheinlich, dass er nach Dienstschluss nur zu gern mit den Krankenschwestern mitkommen würde. Und dass es eine lange Nacht werden würde …

Juan arbeitete, um zu leben. Nicht umgekehrt. Das war zumindest seine Begründung dafür gewesen, Harrys Jobangebot auszuschlagen. Außerdem fand er es spannender, in verschiedenen Kliniken zu arbeiten, als sich auf eine festzulegen. Cate war überrascht gewesen, dass Harry ihm die Stelle überhaupt angeboten hatte.

Nun ja, als Arzt war er wirklich außergewöhnlich.

Und nicht nur als Arzt.

Entschlossen verbannte Cate diesen Gedanken aus ihrem Kopf und folgte Kelly, die angefangen hatte, einen Behandlungsraum wieder herzurichten.

Juan war eine Komplikation, die Cate wirklich nicht gebrauchen konnte!

„Wo ist denn Christine?“, fragte Cate, während sie eine der mobilen Krankenliegen frisch bezog.

„Rate mal“, erwiderte Kelly. „Sie versteckt sich in ihrem Büro. Wie immer. Versprich mir, dass du nicht so wirst, wenn du den Job hast.“

Cate hatte sich auf die Stelle der leitenden Stationsschwester beworben, und es war ziemlich sicher, dass sie den Job bekommen würde. Lillian, die Pflegedienstleiterin, hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie die Favoritin unter den Bewerbern war.

Cate war fest entschlossen, eine bessere Vorgesetzte zu sein als Christine, die sich nicht nur vor der Arbeit drückte, sondern auch einen ziemlich willkürlichen Führungsstil hatte.

Die Krankenhausleitung hatte bereits signalisiert, dass sie etwas mehr Ordnung und Struktur in der Notaufnahme wünschte. Und darauf hingewiesen, dass die Schwestern nicht dazu da waren, um auf Harrys Kinder aufzupassen.

Wenn Cate den Job bekam, würde sie eine Menge neuer Aufgaben bewältigen müssen.

„Ist dieser Behandlungsraum frei?“ Abby, eine Kollegin, streckte ihren Kopf durch die Tür und sah Cate fragend an. „Ich habe hier einen Patienten, der dringend einen Arzt braucht.“

„Bring ihn herein“, erwiderte Cate. „Kelly, würdest du die anderen Behandlungsräume herrichten?“

Kelly nickte und verschwand im nächsten Zimmer, während Cate dem erschreckend mageren Patienten von seinem Rollstuhl auf die Behandlungsliege half, wobei die offensichtlich sehr besorgte Ehefrau sie nicht aus den Augen ließ.

„Das ist Reece Anderson“, stellte Abby den Patienten vor. „Er ist vierunddreißig und hat gerade eine Chemotherapie hinter sich. Wegen eines Melanoms am linken Oberschenkel. Seit heute Morgen leidet er an immer schlimmer werdender Übelkeit und Bauchschmerzen.“

„Mir hat er erst heute Mittag von seinen Schmerzen erzählt“, fügte die Ehefrau vorwurfsvoll hinzu. „Ich nahm an, die Übelkeit sei eine Folge der Chemotherapie.“

„In Ordnung. Ich werde Ihnen jetzt beim Umziehen helfen, Reece, und dann einige Werte überprüfen. Es wird gleich ein Arzt nach Ihnen sehen.“

Der Patient fühlte sich offensichtlich sehr unwohl, und Cate vermutete, dass er dehydriert war. Außerdem war nicht zu übersehen, dass das Verhältnis zwischen ihm und seiner Ehefrau äußerst gespannt war.

„Wegen der Hitze war die letzte Runde der Chemotherapie kaum auszuhalten“, erklärte die Frau. „Leider haben wir zu Hause keine Klimaanlage.“ Sie sah noch viel angespannter aus als ihr Mann. „Ich bin übrigens Amanda.“

„Hallo Amanda. Ja, ich kann mir vorstellen, dass die hohen Temperaturen ein Problem sind.“ Cate bemerkte, dass Reeces Lippen aufgesprungen waren. „Am besten legen wir gleich einen Zugang.“

Schon seit mehreren Wochen war es in Melbourne ungewöhnlich heiß. Immer wieder wurden dehydrierte Menschen eingeliefert, sodass in der Notaufnahme besonders viel zu tun war.

„Warum fährst du nicht nach Hause?“, fragte Reece seine Frau unwirsch. „Bestimmt muss ich länger hierbleiben.“

„Ich habe es dir doch schon ein paar Mal erklärt: Ich werde nicht eher heimfahren, als bis ich weiß, was mit dir los ist.“ Amandas Antwort klang genauso gereizt wie Reeces Frage.

„Du musst die Kinder von der Schule abholen.“

„Ich werde Stella anrufen und sie bitten, die beiden mitzunehmen …“

„Fahr einfach selbst!“, schnauzte Reece.

Cate bemerkte, dass Amanda kurz davor war, in Tränen auszubrechen.

„Ja, vielleicht sollte ich einfach gehen“, stimmte Amanda gekränkt zu, und Cate hatte den dringenden Verdacht, dass die beiden diesen Streit nicht zum ersten Mal ausfochten.

Fluchtartig verließ Amanda den Behandlungsraum, und Reece sank erschöpft auf das Kopfkissen. „Ich kann es nicht fassen, dass ich schon wieder im Krankenhaus bin“, stöhnte er. „Amanda sollte sich um die Kinder kümmern und nicht um mich.“

Cate kommentierte das nicht, sondern tauschte sich kurz mit Harry aus, der gerade nebenan einen Notfall versorgte. Er versprach, sich zu beeilen. Da er aber noch eine Weile unabkömmlich sein würde, bat er Cate, ihrem Patienten schon Blut abzunehmen und eine Infusion anzulegen. Obwohl sie Mitleid mit Reece hatte und sich gut vorstellen konnte, wie groß seine Angst sein musste, tat Amanda ihr noch viel mehr leid, denn die junge Frau stand schluchzend auf dem Gang.

„Kommen Sie!“ Fürsorglich nahm Cate sie am Arm und führte sie in ein Besprechungszimmer, damit sie einen Augenblick für sich sein konnten. „Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich große Sorgen machen, aber bitte rechnen Sie nicht gleich mit dem Schlimmsten.“

„Mit den medizinischen Problemen komme ich schon zurecht“, sagte Amanda schniefend. „Daran habe ich mich in den letzten Monaten gewöhnt. Es ist Reece, der mich fertigmacht – seine Launen, seine Wut. Und ständig sagt er mir, ich solle verschwinden und ihn in Ruhe lassen.“

„Das muss schrecklich sein“, antwortete Cate mitfühlend.

„Es ist unerträglich.“ Mutlos schüttelte Amanda den Kopf. „Manchmal glaube ich schon selbst, dass er mich wirklich nicht bei sich haben will.“

„Das bezweifle ich“, widersprach Cate.

„Ja, ich eigentlich auch.“ Amanda sank auf einen Stuhl. „Wissen Sie, selbst wenn er es ernst meint, denke ich nicht daran, ihn im Stich zu lassen. Und es ist mir egal, was er dazu sagt.“ Entschlossen putzte sie sich die Nase, wischte die Tränen vom Gesicht und stand auf, um wieder zu ihrem Mann zu gehen.

Gerade als Cate darüber nachdachte, wie lange es wohl noch dauern mochte, bis Harry Zeit für Reece hatte, kam Juan herein.

Er war wirklich der attraktivste Mann, dem Cate jemals begegnet war. Groß, muskulös und mit einer Ausstrahlung, die ihresgleichen suchte. Heute trug er schwarze Jeans mit einem breiten Gürtel, ein grau-schwarzes, ungebügeltes Shirt und schwarze Boots. Sein schwarzes Haar war so lang, dass er es auch in einem Pferdeschwanz hätte tragen können, doch es hing ihm – noch feucht vom Duschen – offen über die Schultern.

Als sie ihn sah, war Cates erster Impuls nicht die Erleichterung darüber, dass endlich Verstärkung da war und sich nun ein Arzt um Reece kümmern würde. Nein, wie jedes Mal, wenn sie Juan sah, stellte sie sich die Frage, wie es ihr gelungen war, dieser Versuchung auf zwei Beinen zu widerstehen. Denn es ging nicht nur um seinen umwerfenden Sex-Appeal. Viel wichtiger war Cate, dass dieser Mann sie zum Lächeln brachte. Wenn Juan da war, wirkte die ganze Welt ein bisschen heller und bunter.

„Du hast es ja in Blitzgeschwindigkeit geschafft“, empfing sie ihn lächelnd und atmete den Duft seines frisch gewaschenen Haars ein.

„Ich hatte eine Mitfahrgelegenheit.“

Ach ja. Cate erinnerte sich, dass sie bei ihrem Anruf eine Frau im Hintergrund gehört hatte. Juan selbst hatte kein Auto, denn er war nie lange genug an einem Ort, um eines anzuschaffen und anzumelden. Normalerweise benutzte er öffentliche Verkehrsmittel. Oder – noch häufiger – er joggte die zehn Kilometer von seiner Wohnung zur Klinik und verwöhnte die Kolleginnen mit seinem verschwitzten, erhitzten Anblick, bevor er sich unter die Dusche stellte.

„Wo soll ich anfangen?“ Juan stürzte sich immer gleich in die Arbeit.

„Behandlungsraum vier“, antwortete Cate und erklärte ihm auf dem Weg kurz Reeces Fall.

Beim Anblick des unkonventionell aussehenden Arztes zeigte sich zuerst Skepsis in Reeces Gesicht, doch in Sekundenschnelle hatte Juan das Eis gebrochen.

Er lehnte sich lässig an Reeces Behandlungsliege und erkundigte sich im Plauderton nach seiner Krankengeschichte und den aktuellen Beschwerden. „Darf ich mir kurz dein Stethoskop ausleihen?“, wandte sich Juan lächelnd an Cate.

„Dort in der Schublade müsste eines liegen“, informierte sie ihn.

„Das taugt leider nichts“, widersprach Juan. „Deins ist besser.“

„Ich weiß. Deshalb hast du es beim letzten Mal auch mit nach Hause genommen, nicht wahr?“

„Aber ich habe es wieder zurückgebracht“, verteidigte Juan sich, bevor er das billige Klinik-Stethoskop herausholte und anfing, den Brustkorb des Patienten abzuhören.

Während der Untersuchung fluchte er so ausgiebig auf Spanisch vor sich hin, dass selbst der missmutige Reece lachen musste.

„Dieses Ding ist völlig nutzlos“, entschuldigte Juan sich. „Ich hätte mein eigenes mitbringen sollen, aber es musste vorhin so schnell gehen, weil ich für einen Kollegen eingesprungen bin.“ Juan blinzelte Reece verschwörerisch zu. Als Cate ihm wortlos ihr eigenes Stethoskop reichte, konnte er sich ein triumphierendes Lächeln nicht verkneifen.

„Das ist viel besser!“, lobte er.

Während Juan seine Untersuchung fortsetzte, ging es Reece plötzlich wieder schlechter, und er fuhr Amanda barsch an, als sie an seiner Stelle auf eine Frage geantwortet hatte.

„In Ordnung“, sagte Juan lächelnd. „Ich werde Sie jetzt eingehender untersuchen.“ Er wandte sich an Amanda. „Würden Sie uns bitte einen Moment allein lassen?“

Als Juan vorsichtig Reeces Bauch abtastete, verzog sein Patient schmerzhaft das Gesicht.

„Reece …“ Tadelnd sah Juan ihn an. „Seit wann haben Sie diese Beschwerden?“

„Seit heute Morgen.“

„Reece?“ Der Zweifel in Juans Stimme war nicht zu überhören.

„Seit heute Nacht.“

Juan sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Na gut, es fing schon in der Nacht davor an.“

„Okay, ich muss Sie jetzt leider rektal untersuchen.“

Als Cate dem Patienten half, sich auf die Seite zu rollen, hatte Reece Mühe, seine Tränen zurückzuhalten.

„Es tut mir leid, Reece“, erklärte Juan mitfühlend. „Ich weiß, dass das jetzt sehr unangenehm ist. Aber ich verspreche, dass es ganz schnell geht.“

Er konnte einfach unglaublich gut mit Patienten umgehen. Cate hatte noch nie erlebt, dass er Floskeln wie „Es braucht Ihnen nicht peinlich zu sein!“ oder „Ich habe diese Untersuchung schon tausendmal durchgeführt!“ benutzt hatte. Stattdessen erledigte er auch jetzt schnell und effizient, was getan werden musste, und bedankte sich zum Schluss bei Reece für dessen Kooperation.

„Was glauben Sie, was mit mir los ist?“, erkundigte Reece sich müde.

Auch in diesem Punkt unterschied Juan sich von den meisten anderen Ärzten. Er war stets sehr offen zu seinen Patienten. „Wegen Ihrer Vorerkrankung ist es etwas kompliziert, aber ich vermute, dass Sie eine Blinddarmentzündung haben. Ich rufe gleich einen Kollegen aus der Chirurgie an.“

In der Notaufnahme war es immer noch unglaublich voll. Juan rief in der Chirurgie an und erklärte dem diensthabenden Kollegen Reeces Fall. Dann meldete er eine Ultraschall-Untersuchung an.

Als Juan sein Telefonat beendet hatte, hielt ihm Kelly schon das Stationstelefon entgegen. „Für dich. Eine Martina.“

Cate und Kelly sahen sich vielsagend an, als Juan sehr kurz angebunden einige Sätze auf Spanisch mit der Anruferin wechselte. Sekunden später legte er auf.

„Ich hatte deshalb doch mit Christine gesprochen. Hat sie euch nicht informiert?“

„Worüber?“

„Ich habe darum gebeten, dass künftig bestimmte private Anrufe nicht mehr für mich durchgestellt werden. Eigentlich sollte diese Anweisung an alle Schwestern und auch an die Kollegen in der Zentrale weitergegeben werden.“

„Was meinst du mit bestimmten Anrufen?“

„Anrufe von Martina.“

„Aber alle anderen – also deine Mutter oder die Frauen, mit denen du deine Freizeit verbringst …“ Cate versuchte, einen neutralen Ton zu wahren, denn es war an der Tagesordnung, dass Juans Freundinnen anriefen. „Alle anderen dürfen wir also durchstellen?“

„Höre ich da einen Vorwurf aus deinen Worten?“ Mit seinem üblichen charmanten Lächeln sah Juan sie an. „Am besten werden überhaupt keine privaten Telefonate mehr durchgestellt. Sag den Kolleginnen, dass sie behaupten sollen, nicht zu wissen, ob ich da bin. Sie können ja den Namen des Anrufers aufschreiben, dann rufe ich zurück. Ein bisschen mehr Diskretion ist doch nicht zu viel verlangt, oder?“

„Wir sind diskret, Juan! Aber es gibt einen Unterschied zwischen Diskretion und Unhöflichkeit.“ Sie holte tief Luft. „Na gut, ich werde mit allen sprechen.“

Juan beugte sich wieder über die Krankenakte und vermied es, Cate anzusehen. Wenn er ihr sein Verhalten erklärte, würde das die Dinge nur unnötig komplizieren.

Genau deshalb hatte er sich für sein Vagabundenleben entschieden. Er wollte niemandem etwas erklären müssen. Keine Geschichten aus der Vergangenheit, keine Regeln – er wollte einfach nur Spaß haben. Schade, dass Cate nicht genauso unbeschwert war. Sie hatte ihm recht deutlich klargemacht, dass unverbindlicher Spaß nicht sehr weit oben auf ihrer Wunschliste stand. Dabei hatte sie am Anfang durchaus mit ihm geflirtet.

Er würde einfach diese Schicht hinter sich bringen und dann nach Hause gehen.

Schon in etwas über zwei Wochen würde er das Land verlassen. Hätte Cate damals Ja gesagt, als er zu Beginn ihrer Bekanntschaft mit ihr ausgehen wollte, dann hätten sie ein paar tolle Monate miteinander verbringen können. Doch sie hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie kein flüchtiges Abenteuer mit ihm wollte.

Trotzdem war Juan sich sicher, dass er ihr nicht gleichgültig war.

Er spürte es deutlich, auch wenn Cate sich weigerte, es zuzugeben.

Doch er würde keinen neuen Versuch bei ihr unternehmen.

Cate war anders als die anderen Frauen, mit denen er sich traf. Ernsthafter und gleichzeitig rätselhaft. Sie machte ihn einfach verrückt.

„Gehst du heute Abend mit uns in die Bar, Juan?“, fragte Kelly.

„Nein, heute nicht“, erwiderte Juan und bemerkte, dass Cate erleichtert ausatmete.

Sie wollte ihn also nicht sehen. Resigniert ergänzte Juan seine Notizen. Cate konnte sich ruhig entspannen! Ihr Problem würde sich von selbst lösen.

Denn Juan würde bald nicht mehr da sein.

2. KAPITEL

„Wie sieht’s aus?“, erkundigte Juan sich, nachdem Reece vom Ultraschall zurück war. Die Chirurgen hatten ihn inzwischen untersucht, ihm Antibiotika verabreicht und ihm erklärt, dass sie ihn umgehend operieren würden.

„Das wissen Sie vermutlich besser als ich“, erwiderte Reece. „Ihr Kollege hat mir erklärt, dass eine Blinddarmentzündung bei jemandem mit meinem angeschlagenen Immunsystem nicht auf die leichte Schulter genommen werden dürfe.“

„Stimmt. Deshalb haben Sie auch sofort ein Antibiotikum bekommen. Sie müssen in den OP, bevor der Blinddarm platzt.“

„Ich hätte früher herkommen müssen“, murmelte Reece schuldbewusst. „Aber ich dachte, der Krebs wäre zurückgekommen.“

„Natürlich dachten Sie das! Trotzdem ist es nur eine Blinddarmentzündung“, beruhigte Juan seinen Patienten.

Cate füllte in der Zwischenzeit Reeces Krankenakte aus. Während der Ultraschall-Untersuchung war die Spannung zwischen Reese und seiner Frau fast unerträglich geworden. Immer wieder hatte er ihr gesagt, sie solle ihn in Ruhe lassen und endlich nach Hause gehen. Die unfreundlichen, gereizten Worte ihres Mannes hatten Amanda so getroffen, dass sie den Tränen nahe gewesen war. Cate hatte ihr schließlich vorgeschlagen, im Sprechzimmer zu warten.

„Reece, ich lege Ihnen jetzt noch einen Zugang und dann spreche ich mit Ihrer Frau“, erklärte Juan.

„Könnten Sie ihr nicht sagen, dass es völlig sinnlos ist, den ganzen Tag hier in der Klinik herumzusitzen?“

„Ich vermute, sie möchte nicht nach Hause fahren, während Sie im OP sind“, wandte Cate ein.

„Ich will sie aber nicht hier haben“, beharrte Reece. „Ich will keine Last für sie sein.“

„Dann seien Sie keine Last!“, sagte Cate genauso scharf, woraufhin Juan sie verblüfft ansah. Er hatte schon oft erlebt, dass Krankenschwestern kein Blatt vor den Mund nahmen. Doch Cates Worte gingen ihm durch und durch.

„Ihre Krankheit und der Behandlungsmarathon der letzten Monate müssen schlimm gewesen sein. Für Sie beide“, fuhr Cate fort. „Aber ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als jemanden zu lieben, der mir ununterbrochen sagt, dass er mich nicht bei sich haben will.“

„Aber bestimmt wäre Amanda viel glücklicher …“, wandte Reece ein, doch Cate unterbrach ihn sofort.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass Amanda sehr viel glücklicher wäre, wenn Sie ihre Liebe und Fürsorge annehmen würden! Und wenn Sie ihr erlauben würden, das hier zusammen mit Ihnen durchzustehen.“

Juan spürte, wie sein Puls raste und ihm das Blut in den Ohren rauschte. Wäre er doch nur rechtzeitig hinausgegangen, um dieser Diskussion zu entgehen. Doch nun war es zu spät und er wusste, dass er etwas sagen musste. Und zwar aus sehr persönlichen Gründen …

„Sie hat recht.“ Seine Stimme klang heiser und Juan musste sich räuspern, bevor er weitersprach. „Wissen Sie, Reece, wenn Ihre Frau es wirklich als Belastung empfinden würde, hier bei Ihnen zu sein, dann wäre sie schon vor langer Zeit gegangen.“

„Das können Sie doch gar nicht wissen.“

„Cate, würdest du bitte mit Amanda sprechen, sie auf den neuesten Stand bringen und sie dann herbringen?“

„Natürlich. Reece, ist es okay für Sie, wenn ich ihr sage, dass Sie wegen Ihrer Appendizitis gleich operiert werden?“

Reece nickte. Cates Worte hatten offenbar einen nachhaltigen Eindruck bei ihm hinterlassen, denn er sank erschöpft in seine Kissen zurück, als sie hinausging. Doch dann bemerkte er, dass Juan ihn sehr ernst ansah, und ihm wurde klar, dass die Unterhaltung noch nicht vorbei war.

„Gut“, wandte sich Juan an seinen Patienten. „Während wir zwei also einen Moment unter uns sind, werde ich Ihnen mal etwas sagen.“

Autor

Carol Marinelli
<p>Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands. Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur...
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