Verbotenes Verlangen nach dem Milliardär

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Leidenschaft auf den ersten Blick: Lichterloh brennt die schöne Alexis für Raoul Benoit. Aber sie muss von dem attraktiven Milliardär die Finger lassen, denn Raoul hat Alexis als Nanny für seine kleine Tochter eingestellt und ist ihr Boss. Jeden Tag ist sie in Raouls Nähe, teilt sein elegantes Anwesen in den Weinbergen, sieht ihn morgens sexy zerstrubbelt aus dem Schlafzimmer kommen - und verzweifelt fast! Denn heißer denn je glüht ihre Sehnsucht nach dem Mann, der sie völlig ignoriert und der nur eine zu lieben scheint: seine verstorbene Frau …


  • Erscheinungstag 15.12.2015
  • Bandnummer 1902
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721428
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Alexis beobachtete ihn von der Tür der Kellerei aus. Das Sonnenlicht des Spätnachmittags fiel schräg durch die Fenster am Ende des Raums und brachte die kleinen Staubflocken zum Leuchten, die in der Luft tanzten. Aber Alexis bemerkte die malerische Kulisse kaum. Sie konzentrierte sich ganz auf den Mann, der hier arbeitete und ihre Anwesenheit noch nicht bemerkt hatte.

Er hatte sich verändert – und wie. Er war dünner geworden, geradezu hager, und seine früher so gepflegte Erscheinung war selbst geschnittenen Haaren, einem ausgeblichenen T-Shirt und zerrissenen Jeans gewichen. Sein Gesicht war offensichtlich schon tagelang keinem Rasierer mehr begegnet. Aber so wirkte sich Trauer nun einmal aus: Sie ließ Alltägliches unwichtig erscheinen und machte gleichgültig.

Wie konnte sie einem Mann helfen, der kein Interesse mehr daran hatte, sich selbst zu helfen?

Die Verantwortung, die sie übernommen hatte, lastete schwer auf ihren Schultern. Obwohl sie sich sonst immer bereitwillig allen Herausforderungen stellte, ertappte sie sich bei dem Gedanken, dass sie sich vielleicht zu viel aufgebürdet hatte.

Doch Alexis straffte sich und schüttelte ihre Zweifel ab. Bree hatte sich in ihrer Not an sie gewandt und ihr einen Brief geschrieben. Als ob sie gewusst hätte, was passieren würde, hatte Bree sie gebeten, sich um ihren Mann zu kümmern, falls ihr etwas zustieß, und um das Kind, das sie bald zur Welt bringen würde.

Ihre beste Freundin war gestorben, bevor Alexis ihr das Versprechen hatte geben können. Aber sie wusste, dass sie nicht ablehnen durfte. Noch nicht einmal dann, wenn sie das Versprechen nur halten konnte, indem sie ihr Herz wieder in die Schusslinie des Mannes brachte, von dem sie sich magisch angezogen fühlte, seit sie ihm zum ersten Mal begegnet war.

Raoul unterbrach in diesem Moment seine Arbeit und schaute von dem Tisch voller Weingläser hoch, der vor ihm stand. Er ließ den Stift auf ein Klemmbrett mit handgeschriebenen Notizen fallen und sah sie direkt an. Kurz glaubte Alexis Überraschung in seinem Gesicht zu erkennen, außerdem eine Regung, die sie nicht in Worte fassen konnte. Dann zeigte er wieder eine Maske der Unnahbarkeit.

„Alexis“, sagte er und nickte knapp.

„Ich bin hergekommen, sobald ich davon erfahren habe. Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat …“ Ihr versagte die Stimme. Wie konnte sie ihm erklären, warum es fast ein Jahr gebraucht hatte, bis sie von der Geburt seiner Tochter und vom Tod seiner großen Liebe erfahren hatte?

Sie hatte den Kontakt zu seiner Frau, ihrer besten Freundin seit dem Kindergarten, abgebrochen. Es war zu schmerzlich für sie gewesen, ihr Glück mitanzusehen. Und sie hatte vergessen, Bree ihre neue E-Mail-Adresse und die Nummer ihres Arbeitshandys zu geben, weil sie es einfach nicht ertragen hatte, noch mehr über ihr perfektes Zusammenleben zu hören.

Weil sie Raoul selbst begehrt hatte …

Und weil sie es immer noch tat.

Alexis holte tief Luft und schluckte gegen einen Kloß im Hals an. „Ich war eine Weile auf Reisen, seit mein Geschäft …“ Sie brach ab, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. Offenbar war Raoul der Erfolg, den sie mit ihrem Modelabel hatte, völlig egal. „Brees Brief ist mir nachgeschickt worden. Er muss mir das ganze letzte Jahr über rund um die Welt gefolgt sein; ich habe ihn erst im Haus meines Vaters bekommen.“

„Brees Brief?“

„In dem sie mir von ihrer Schwangerschaft berichtet hat.“

Sollte sie ihm auch sagen, dass Bree sie gebeten hatte, sich um ihn und ihr damals noch ungeborenes Kind zu kümmern? Dass sie geahnt hatte, dass das Aortenaneurysma, das sie vor ihrer Familie geheim gehalten hatte, sie bei der Geburt das Leben kosten würde? Ein Blick in Raouls Gesicht verriet ihr, dass er nichts vom Brief seiner Frau gewusst hatte.

„Also bist du wieder da.“

Endlich. Das unausgesprochene Wort hing zwischen ihnen in der Luft, Anklage und Eingeständnis zugleich.

„Meine Mutter war krank und ist kurz vor Weihnachten gestorben. Ich bin ein paar Wochen vor ihrem Tod zurückgekommen.“

„Mein Beileid.“

Die Plattitüde kam ihm automatisch über die Lippen, aber Alexis spürte, dass Raoul sich sogar noch stärker als zuvor von ihr zurückzog. Er wollte nichts davon hören – nicht solange er selbst noch in seiner eigenen Trauer gefangen war.

„Ich habe Brees Brief erst letzte Woche erhalten und sofort ihre Mutter angerufen“, fuhr Alexis fort. „Ich bin hier, um dir mit Ruby zu helfen.“

„Ihre Großmutter kümmert sich um sie.“

„Ja, aber Catherine muss operiert werden, Raoul. Sie kann den OP-Termin für ihr künstliches Kniegelenk nicht noch weiter aufschieben, erst recht nicht, weil Ruby jetzt immer bewegungsfreudiger wird.“

„Ich habe Catherine gesagt, dass sie eine Nanny einstellen soll.“

„Und soweit ich weiß, hast du jede Bewerbung, die sie dir vorgelegt hat, abgelehnt und dich geweigert, mit den Bewerberinnen zu sprechen.“

Er zuckte die Schultern. „Sie waren nicht gut genug.“

Alexis wurde langsam wütend. Catherine war außer sich vor Sorge gewesen. Sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Die Arthrose in ihrem Knie verursachte ihr ständige Schmerzen und erschwerte es ihr mit jedem Tag mehr, sich um ein Kleinkind zu kümmern.

Brees Mutter musste so schnell wie möglich operiert werden, aber das hieß, dass Ruby unbedingt eine neue Betreuerin brauchte. Indem Raoul sich jedoch weigerte, die Bewerbungen auch nur zur Kenntnis zu nehmen, ignorierte er seine Verantwortung seiner Tochter, ihrer Großmutter und seiner verstorbenen Frau gegenüber.

Raoul musterte sie prüfend. Was um alles in der Welt geht nur in seinem Kopf vor, fragte sich Alexis. „Was ist mit mir?“, sagte sie laut. „Bin ich gut genug?“

„Nein“, antwortete er mit Nachdruck. „Absolut nicht.“

Die unverblümte Ablehnung kränkte sie. „Warum? Du weißt, dass ich qualifiziert bin. Ich habe Erfahrung damit, mich um Kleinkinder zu kümmern.“

„Du bist doch jetzt Schneiderin, oder? Das ist wohl kaum das, was das Kind braucht.“

Was Beleidigungen betrifft, ist er ja wirklich gut in Form, dachte Alexis. Schneiderin? Sie fertigte zwar einige ihrer Designerstücke noch selbst an, hatte die Produktion aber inzwischen überwiegend ausgelagert.

Ihre Eltern waren zuerst dagegen gewesen, als sie mit ihrem künstlerischen Talent Karriere machen wollte. Nach ihrem Schulabschluss hatte sie darum eine Ausbildung als Nanny absolviert und ein ganzes Jahr lang intensive fachliche Schulungen und Praktika durchlaufen. Aber als vor drei Jahren ihr letzter Arbeitsvertrag als Nanny ausgelaufen war, hatte sie erkannt, dass es Zeit wurde, ihren Traum zu verwirklichen. Heute wurde ihr Modelabel in edlen Boutiquen im ganzen Land und in trendigen Läden überall auf der Welt verkauft. Aber das war Raoul offensichtlich gleichgültig.

„Ich lasse mich im Geschäft vertreten“, sagte sie und dankte im Stillen ihrer Halbschwester Tamsyn, die in die Bresche gesprungen war. „Catherine hat mich schon engagiert, Raoul.“

„Dann feuere ich dich hiermit wieder.“

Alexis seufzte. Brees Mutter hatte prophezeit, dass er schwierig sein würde. Sie hatte nicht übertrieben. „Findest du nicht, dass sich lieber jemand um Ruby kümmern sollte, der ihre Familie kennt, und nicht eine völlig Fremde?“

„Das ist mir nicht wichtig.“

Seine Worte trafen sie ins Mark, aber sie wusste, dass er log: In Wirklichkeit war es ihm viel zu wichtig.

„Catherine ist schon dabei, Rubys Sachen zu packen und sie herzubringen. Sie meint, dass es besser ist, wenn sie sich gleich hier eingewöhnt, als wenn ich sie erst morgen früh hole.“

Raoul wurde sichtlich blass. „Verdammt, ich habe Nein gesagt! Nein zu dir als ihrer Nanny und eindeutig Nein dazu, dass auch nur eine von euch hier wohnt.“

„Catherines Operation ist für morgen Nachmittag angesetzt. Ruby kann nicht länger bei ihr bleiben. Sie muss nach Hause, hierher, zu dir.“

Raoul fuhr sich mit zitternden Fingern durchs Haar – es war kürzer, als sie es bei ihm je gesehen hatte. Er ließ die Hand wieder sinken, und sie sah, wie er sich sammelte, indem er die Fäuste ballte, als würde seine Beherrschung am seidenen Faden hängen.

„Halt sie einfach nur von mir fern“, zischte er.

Alexis blinzelte schockiert. Catherine hatte schon gesagt, dass sich Raoul kaum um seine neun Monate alte Tochter kümmerte, wenn man davon absah, dass er finanziell für sie aufkam. Trotz der Vorwarnung konnte Alexis es einfach nicht fassen.

Ruby war als Wunschkind zweier wunderbarer Menschen geboren worden, die einander geliebt hatten und denen die ganze Welt offen gestanden hatte, als sie vor knapp zweieinhalb Jahren geheiratet hatten. Alexis war selbst auf der Hochzeit gewesen. Sie hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sehr Bree und Raoul einander vergöttert hatten. Sie hatte sich geschämt, wie eifersüchtig sie darauf gewesen war.

Dass Raoul Ruby nun völlig ignorierte, war einfach nur traurig. Gab er ihr die Schuld am Tod ihrer Mutter? Oder konnte er es einfach nicht ertragen, daran erinnert zu werden, dass er seine große Liebe verloren hatte?

Alexis zwang sich, zur Antwort auf seine Forderung zu nicken. Dann wandte sie sich ab, um den ungepflasterten Weg von der Kellerei zum Haus hinaufzugehen, einem riesigen Anwesen mit zahllosen Zimmern, das sich über die ganze Hügelkuppe erstreckte. Catherine hatte ihr schon einen Schlüssel gegeben und sie mit Lebensmitteln und dem, was das Baby brauchte, ausgestattet. Sie musste nur noch alles wegräumen, bevor Catherine mit Ruby ankam.

Ein heftiger Schmerz durchzuckte Alexis, als sie an das Engelsgesicht des Babys dachte. Ruby war ein glückliches und gesundes Kind und hatte eine enge Bindung zu Brees Mutter entwickelt. Man sah ihr nicht an, dass sie in ihrem kurzen Leben schon so viel Schlimmes erlebt hatte.

Ruby war etwas zu früh zur Welt gekommen. Die Kleine hatte sich nach der Geburt auch noch eine Infektion eingefangen, die ersten paar Wochen ihres Lebens in einem Inkubator verbracht und nach der Mutter geschrien, die sie nie kennenlernen würde.

Catherine hatte Alexis in ihre Theorie eingeweiht, dass Rubys häufiges Weinen in Verbindung mit seiner eigenen Trauer zu viel für Raoul gewesen war. Er hatte sich seiner neugeborenen Tochter verweigert und es seiner Schwiegermutter überlassen, sich um sie zu kümmern.

Ruby ins Haus ihres Vaters zu bringen und einer anderen Bezugsperson anzuvertrauen war schon eine Herausforderung. Aber Raoul dazu zu bringen, sich mit seiner Tochter zu beschäftigen, würde noch viel schwerer werden.

Doch Alexis war überzeugt, dass die beiden einander brauchten. Sie konnte zwar sonst nichts mehr für Bree tun, aber sie würde dafür sorgen, dass Raoul Verantwortung für das Kind übernahm, das seine Frau ihm geboren hatte.

Alexis war hier. Raoul hatte gewusst, dass sie eines Tages kommen würde, und sich die ganze Zeit über davor gefürchtet. Sie zu sehen hatte die Seifenblase der Isolation platzen lassen, in der er so lange gelebt hatte.

Plötzlich fühlte sich Raoul verletzlich und ausgeliefert. Er war es nicht gewohnt, dieses Anwesen mit irgendjemandem außer Bree zu teilen.

Oder mit der Erinnerung an sie.

Vor zwei Jahren war es ihm nur natürlich erschienen, nach seiner Hochzeit mit Bree zu seinen Wurzeln zurückzukehren – nach Akaroa auf der Banks Peninsula, einer Halbinsel auf der Südinsel Neuseelands. Er hatte seinem Vater das kleine, aber feine Weingut abgekauft, sodass seine Eltern endlich ihren lebenslangen Traum in die Tat umsetzen konnten: eine Weltreise durch die Weinbaugebiete von Europa und Südamerika.

Für ihn war es damals ein angenehmer neuer Karriereschritt gewesen, ein schöner und aufregender Tempowechsel. Raoul war bei Jackson Importers in Auckland als Nate Hunter-Jacksons rechte Hand so weit aufgestiegen, wie er nur konnte, und obwohl er die Herausforderung genossen hatte, in dem Weinhandelsnetzwerk zu arbeiten, hatte sein Herz immer der Quelle des Weins gehört.

Als sie sich nach der Hochzeit an das Leben hier gewöhnt hatten, war Raoul ganz in der Arbeit aufgegangen, während Bree den Bau des neuen Hauses geleitet und sich noch kurz vor Rubys herbeigesehnter Geburt um die letzten Details gekümmert hatte.

Anfangs hatte er sich ganz auf die Kunst des Mischens seiner exklusiven Weine konzentriert. Alles war für ihn ein Abenteuer gewesen, fast ein Spiel. Seine Arbeit hatte in ihm die gleichen großen Hoffnungen für die Zukunft geweckt wie seine Ehe.

Bree zu verlieren hatte ihn völlig aus dem Gleichgewicht gebracht, und seine Arbeit war vom Zeitvertreib zur Besessenheit geworden.

Das Leben war voller Wechselfälle, die er nicht vorhersehen konnte, aber seine Arbeit konnte er kontrollieren. Es ging um feste Mengenangaben, um Weine, die in Edelstahltanks aus den Trauben von seinen Reben hergestellt wurden, gesammelt von seinen Weinbergen, die sich bis zum Hafen erstreckten.

Er liebte seine Weinberge und ihre Lage. Die Arbeit war verlässlich, eine Stütze. Und wenn er für den Tag fertig war und ins Haus zurückkehrte, konnte er in seinen Erinnerungen und in seiner Trauer versinken.

Alexis’ Ankunft änderte alles. Sie war so lebendig und im Hier und Jetzt verwurzelt, dass sie es ihm unmöglich machte, sich weiter an die Vergangenheit zu klammern. Schon ihr kurzes Gespräch war genug gewesen, um ihn wachzurütteln und verlegen werden zu lassen, weil er sich plötzlich an sein heruntergekommenes Äußeres erinnert hatte, das er sonst gern vergaß.

Er hatte auch sie wahrgenommen, auf eine Art, für die er sich schämte. Er war nicht der Ehemann gewesen, den Bree verdient hatte, zumindest nicht ganz. Er hatte schon damals ihre beste Freundin begehrt – auch wenn er es sich nicht hatte anmerken lassen. War es schon Untreue, wenn man nur an eine andere Person dachte?

Er hatte Bree geliebt, daran hatte er nie gezweifelt. Er hatte sie vergöttert, geradezu angebetet. Aber tief in ihm hatten seine niedersten und urtümlichsten Instinkte Alexis Fabrini begehrt, auch wenn er das Gefühl unterdrückt hatte.

Er war erleichtert gewesen, als Alexis sich dem Modedesign verschrieben hatte und nach Übersee gegangen war. Einige von Alexis’ Designerstücken hingen noch in Brees Schrank. Bree hatte sich so für sie gefreut, auch wenn sie gekränkt und verwirrt gewesen war, als Alexis den Kontakt zu ihr abgebrochen hatte.

Mit Alexis zusammenzuleben würde die Hölle sein. Er lachte freudlos auf. Das war nichts Neues für ihn. Sein Leben war ohnehin schon die Hölle, jeder Tag eine Qual, die ihm in Erinnerung rief, dass er an der Aufgabe gescheitert war, für die Sicherheit seiner Frau zu sorgen und ihre Bedürfnisse wichtiger zu nehmen als seine eigenen.

Er hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er sich eine große Familie wünschte. Und weil er darauf so versessen gewesen war, hatte Bree geglaubt, ihm etwas verheimlichen zu müssen.

Wahrscheinlich hatte sie nicht gewollt, dass er seinen Traum aufgab. Aber hätte er sich zwischen Bree und einer Familie entscheiden müssen, wäre die Wahl immer auf Bree gefallen. Dennoch hatte sie ihm das Aneurysma verschwiegen, bis es zu spät gewesen war. Sie hatte für das Leben des Babys ihr eigenes Leben geopfert.

Ruby. Er konnte nicht einmal an sie denken, ohne sich an sein Versagen zu erinnern. Nach Brees Tod war er in seiner Trauer förmlich ertrunken. Er hatte Rubys klägliches Weinen nicht ertragen können – und die Gewissheit, dass er auch sie verlieren würde. Sie war bei ihrer Geburt so krank gewesen …

Deshalb war er zu dem Schluss gekommen, dass es besser war, Abstand zu halten und sich vor dem Schmerz zu schützen, der unweigerlich folgen würde, wenn er sich an sie gewöhnte – und sie verlor.

Raoul kehrte an den Tisch zurück, zu den Weinen, die er probiert hatte, um ihre Eignung für seinen Lieblingsschritt der Weinproduktion einzuschätzen: den Verschnitt. Er zwang sich, seine Notizen noch einmal in Augenschein zu nehmen, und griff nach einem neuen Glas Wein.

Sauer. Er schnitt eine Grimasse, nahm einen Schluck Wasser und spülte sich den Mund aus, bevor er das nächste Glas probierte. Wieder sauer. Angewidert ließ er sich auf seinen Stuhl fallen. Er wusste, dass der Geschmack des Weins wenig mit seinen Fähigkeiten als Winzer und sehr viel mit seinem augenblicklichen Zustand zu tun hatte.

Ob er es zugeben wollte oder nicht, sein Arbeitstag war vorbei. Und nun? Sollte er etwa hinauf ins Haus gehen und mit Alexis in alten Zeiten schwelgen?

Bei dem Gedanken wurde ihm flau im Magen. Trotzdem zwang er sich, aufzustehen, seine Notizen ordentlich für morgen abzuheften und alle Gläser abzuspülen, bevor er den Weg zum Haus einschlug.

Alexis war in der Küche, als er hereinkam. Er hörte, wie sie hin und her ging, Schränke öffnete und schloss und dabei schief vor sich hin summte. Es klang einen Moment lang so vertraut und normal, dass er sich gestattete, zu träumen, Bree wäre dort in der Küche.

Aber sobald Alexis’ mit ihrer kurvigen Figur in der Tür erschien, löste sich die Illusion in Luft auf.

„Jetzt verstehe ich, warum Catherine mir all das Essen mitgegeben hat“, sagte sie. „Du hast kaum etwas in der Speisekammer, und im Kühlschrank herrscht gähnende Leere. Wovon hast du bloß in letzter Zeit gelebt?“

Er wusste, dass sie ein freundliches Gespräch in Gang bringen wollte, doch er sperrte sich gegen den Versuch. „Ich komme schon zurecht. Ich habe dich nicht gebeten, herzukommen und meinen Lebenswandel zu kritisieren.“

„Nein“, sagte sie und verzog bedauernd die sinnlichen Lippen, die für lange hungrige Küsse wie geschaffen waren.

Er unterdrückte den Gedanken brutal. Das wollte er sich nicht ausmalen. Nie und nimmer.

„Apropos …“, fuhr Alexis scheinbar unbekümmert fort, „… ich habe zwar Rubys Zimmer problemlos gefunden, aber ich weiß nicht, wo ich schlafen soll. Ich bin in eines der Gästezimmer gegangen, aber es hat ausgesehen, als wären deine Sachen dort.“

Er hatte es nicht über sich gebracht, ins Schlafzimmer zurückzukehren, das von so vielen Erinnerungen an Bree erfüllt war. „Nimm das Zimmer gleich neben dem Kinderzimmer.“

„Ist das denn nicht euer Schlafzimmer?“

„Ich benutze es nicht. Ich habe dort nur noch etwas Kleidung hängen und kann sie gern für dich wegräumen.“

„Okay, brauchst du Hilfe dabei?“ Alexis trat einen Schritt näher. „Vielleicht könnte ich …“

„Hör mal zu. Ich will dich nicht im Haus haben, und ich brauche ganz bestimmt keine Hilfe. Catherine hat beschlossen, dass du dich um Ruby kümmern sollst, aber das ist deine einzige Aufgabe hier. Einigen wir uns darauf, einander aus dem Weg zu gehen, dann passiert auch nichts.“ Die letzten Worte stieß er hervor, als würde sein Leben davon abhängen.

„Raoul!“

„Nicht“, sagte er und hob eine Hand. „Du bist jetzt hier, und ich kann wohl nichts dagegen unternehmen. Aber eines sage ich dir: Ich will dein Mitleid nicht, Alexis. Von Mitleid habe ich genug!“

„Das sehe ich“, sagte sie trocken, aber er bemerkte, dass sich ein Schatten über ihre schokoladenbraunen Augen legte. Er wusste, dass er sie verletzt hatte.

Kurz schloss er die Augen und holte tief Atem, um sich zu sammeln. Er hatte nicht so ruppig sein wollen, aber darauf war er im Moment programmiert. Das Einsiedlerleben machte ihn nicht gerade zum gewandten Gesprächspartner, so viel stand fest.

Er hörte draußen ein Auto vorfahren. Das hieß wohl, dass seine Schwiegermutter kam – nach dem Quietschen und Glucksen zu urteilen, das auf das Öffnen der Autotür folgte, mit dem Baby. Das Blut gefror ihm in den Adern. Sein Brustkorb schnürte sich so zusammen, dass er kaum Luft bekam.

„Ich gehe jetzt duschen“, verkündete er und ging, bevor Alexis Catherine und Ruby ins Haus lassen konnte.

Er marschierte in sein Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu, bevor er ins Bad ging und sich dort einschloss. Hastig streifte er seine Kleidung ab und stieg schon in die Duschkabine, während er noch die Wasserhähne aufdrehte. Als das Wasser seine Haut traf, war es so eiskalt, dass es wehtat, aber das war nichts, aber auch gar nichts gegen den Schmerz, den die gähnende Leere in seinem Innern verursachte.

Er hatte lange dagegen angekämpft, das Baby hier unter seinem Dach zu haben. Für eine gewisse Zeit hatte er Erfolg gehabt. Das Kinderzimmer, das Bree so liebevoll eingerichtet hatte, war nie benutzt worden. Doch er hatte gewusst, dass er eines Tages einknicken und sich seinen Vaterpflichten stellen musste. Er hatte nur nie damit gerechnet, dass seine Abwehr ausgerechnet von der einen Frau auf der Welt überrannt werden würde, von der er gehofft hatte, sie nie wiederzusehen.

Obwohl er noch immer ein unstillbares Verlangen nach ihr empfand.

2. KAPITEL

Alexis hielt die kleine Ruby sanft an sich gedrückt. Sie genoss es, ihre Körperwärme zu spüren und ihren Babyduft einzuatmen. So weit, so gut, dachte sie, während Ruby und sie zusahen, wie Catherine wegfuhr. Es war Brees Mutter sichtlich schwergefallen, Ruby zurückzulassen, aber Alexis hatte ihr versichert, dass sie das Richtige tat. Catherine war schon nervös genug wegen der bevorstehenden Operation; sie durfte sich nicht auch noch Sorgen um Ruby machen.

Eine sanfte Brise wehte eine Strähne von Rubys zartem kastanienbraunen Haar gegen Alexis’ Wange. Es fühlte sich fast an, als würde jemand behutsam mit den Fingerspitzen über ihre Haut streichen. Unvermittelt spürte Alexis, wie eine schmerzliche Sehnsucht nach Bree sie durchzuckte. Ihr wurde klar, dass sie ihre Freundin nie wiedersehen würde. Sie würde nie mehr mit ihr Wein trinken, herumalbern oder in schönen Erinnerungen schwelgen …

Sie zog das Baby, das ihre Freundin nur auf einem Ultraschallbild gesehen hatte, enger an sich. Ruby protestierte lautstark.

„Entschuldige, meine Süße“, murmelte Alexis in Rubys weichen Haarflaum hinein.

Sie kämpfte mit den Tränen.

Ich werde auf deine Tochter aufpassen, Bree, das verspreche ich dir. Ich werde sie lieben und umsorgen und dich in ihrem Herzen für immer am Leben halten.

Als sie ins Haus zurückkehrte, bemerkte Alexis, dass Raoul nirgendwo zu sehen war. Aber vielleicht war das ja sogar gut?

Sie breitete Rubys Spieldecke aus, setzte das Baby auf den Boden und gab ihm einige der Spielsachen, die Catherine mitgebracht hatte. Dann setzte sie sich neben Ruby.

Die Kleine wirkte jetzt still und zufrieden, aber Alexis wusste, dass sie Catherine als Neugeborenes einiges abverlangt hatte. Kein Wunder, wenn man bedachte, wie ihr Leben begonnen hatte. Alexis beobachtete, wie Ruby nach einem bunten Teddy griff und ihn an sich drückte, während sie sich gleichzeitig den Daumen in den Mund schob. Aus großen blauen Augen erwiderte sie ernst Alexis’ Blick.

Irgendwo im Haus knallte eine Tür zu. Ruby und Alexis zuckten beide zusammen.

Dann lachte Alexis leise. „Meine Güte“, sagte sie, drehte sich auf den Bauch und kitzelte das Baby an einem seiner niedlichen molligen Füßchen. „Das war aber laut!“

Sie wurde mit einem schüchternen Lächeln belohnt und spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog. Ruby hatte zwar die Haar- und Augenfarbe ihrer Mutter geerbt, aber die Mimik hatte sie von Raoul. „Du wirst einmal eine richtige Herzensbrecherin, was, junge Dame?“

Rubys Unterlippe begann zu zittern. Der Daumen rutschte ihr aus dem Mund, dann schrie sie laut, und ihre blauen Augen füllten sich mit Tränen. Sie starrte an Alexis vorbei.

„Oje, habe ich etwas Falsches gesagt?“ Alexis setzte sich auf, zog sich das Baby auf den Schoß und streichelte ihm den Rücken, um es zu beruhigen, aber es nützte nichts. Ein Kribbeln im Nacken verriet ihr, dass sie nicht mehr allein waren.

Sie wandte den Kopf und sah Raoul zur Salzsäule erstarrt hinter sich stehen. Sein sonnengebräuntes Gesicht war so blass, dass er krank wirkte.

„Was ist mit ihr los?“, fragte er so barsch, dass Ruby nur noch heftiger weinte.

„Geht es dir gut, Raoul?“ Alexis stand geschmeidig mit dem Baby auf dem Arm auf.

Sein Blick war starr auf Ruby gerichtet, die das Gesicht an Alexis’ Brust barg und weiter schrie.

„Ja“, sagte er knapp, aber seine Miene strafte seine Worte Lügen. „Warum weint sie?“

„Sie ist erschrocken, als du hereingekommen bist. Außerdem ist all das hier doch fremd für sie. Sie vermisst Catherine, und ich bin plötzlich da …“

Er nickte. „Kannst du sie bitte beruhigen?“

Alexis lächelte ihn bedauernd an. „Ich tue mein Bestes“, sagte sie und wiegte Ruby sanft. „Könntest du vielleicht etwas leiser sprechen?“

Er winkte ab. „Mir wäre es lieber, wenn du das Kind in seinem Zimmer behältst, solange ich im Haus bin.“

„Das ist doch nicht dein Ernst, oder?“, fragte Alexis ungläubig.

Er hob langsam den Blick von der schluchzenden Ruby und sah Alexis ins Gesicht. „Oh doch.“

Er wandte sich zum Gehen, aber das ließ sich Alexis nicht bieten. „Bleib sofort stehen“, verlangte sie. „Du führst dich auf, als wäre Ruby ein ungebetener Gast. Meine Güte, sie ist deine Tochter!“

Raoul drehte sich um. „Ich wollte nicht, dass sie herkommt, und sie stört mich. Als ihre Nanny bist du dafür zuständig, dich um sie zu kümmern – und zwar nur um sie, verstanden?“

Autor

Yvonne Lindsay

Die in Neuseeland geborene Schriftstellerin hat sich schon immer für das geschriebene Wort begeistert. Schon als Dreizehnjährige war sie eine echte Leseratte und blätterte zum ersten Mal fasziniert die Seiten eines Liebesromans um, den ihr eine ältere Nachbarin ausgeliehen hatte. Romantische Geschichten inspirierten Yvonne so sehr, dass sie bereits mit...

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