Verführ mich, Riley

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Anonyme Anrufe versetzen Summer in Angst. Als dann ihr Wohnmobil angezündet wird, gerät sie in Panik. Dankbar nimmt sie das Angebot ihres Anwalts Riley an, erst mal bei ihm einzuziehen. Schwierig für Riley, denn er begehrt Summer, will aber ihre Notlage keinesfalls ausnutzen …


  • Erscheinungstag 16.06.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757601
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Es wäre Summer Robey nicht in den Sinn gekommen, dass ihr jemals eine Gefängnisstrafe drohen könnte.

Gefängnis. Allein das Wort aus dem Mund des strengen Richters war eine Strafe. Unmöglich, dachte sie. Sie hatte Kinder. Und Tiere, die sie versorgen musste. Sie konnte doch nicht ins Gefängnis gehen.

Summer, befahl sie sich selbst, reiß dich zusammen. Niemand wird ins Gefängnis gesteckt, weil er jemandem Geld schuldet. Die Zeiten sind längst vorbei.

Außerdem würde ihre Familie alles tun, um ihr zu helfen. Es war die Ungerechtigkeit, die ihr so zu schaffen machte. Und die Demütigung. Oh Gott, diese Demütigung.

Summer saß in dem überheizten Gerichtssaal und hörte die tadelnde Stimme des Richters. Wie Peitschenhiebe prasselten die Worte auf sie nieder. Ihre Wangen brannten vor Scham. Ausgeschimpft zu werden wie ein Kind, vor all diesen Leuten … vor diesen Fremden, dem Protokollführer und den Justizbeamten, den Zuschauern und Anwälten.

Vor allem vor diesem Anwalt. Dem gegnerischen, ihrem Feind, dem hoch bezahlten Trumpf des Krankenhauses. Wie war noch sein Name?

Riley … Grogan – genau. Ein merkwürdiger Name für einen Mann, der so höflich war, so elegant, so gepflegt – und so schrecklich herzlos! Für einen Mann, der die sanfte Stimme eines Aristokraten aus den Südstaaten hatte und kalte blaue Augen. Ein Name für einen Straßenkämpfer. Oh, wie sehr wünschte sie sich, sie hätte jemanden an ihrer Seite, der so skrupellos für sie kämpfte!

Sie hätte sich einen Anwalt nehmen sollen, egal, was er kostete. Charly, Anwältin der Familie – im Augenblick jedoch in den Flitterwochen – und beste Freundin ihrer Schwester Mirabella, hatte ihr das gesagt, aber jetzt war es zu spät.

„Zuerst einmal nimmst du dir einen Anwalt und meldest Konkurs an“, hatte Charly ihr über das Handy von Tahiti aus geraten. Aber Summer war vor dem Gedanken zurückgeschreckt. Es wäre schon schlimm genug gewesen, sich von Mirabella und ihrem Mann Jimmy Joe das Geld geben zu lassen, damit sie einen Anwalt engagieren konnte. Noch schrecklicher war der Gedanke, dass sie ihre familiären Probleme einem Fremden anvertrauen sollte. Aber Konkurs anmelden? Niemals. Summer Robey war im Moment mittellos, trotzdem hatte sie ihren Stolz.

Und was brachte ihr der Stolz ein? Den demütigendsten Tag ihres Lebens.

Wie hatte dies geschehen können? Warum sollte sie die Krankenhausrechnungen für ihren Exmann bezahlen, nachdem er sie und die Kinder verlassen hatte? Ohne einen Pfennig hatte sie dagestanden, mit den Forderungen der Bank im Nacken, weil Hal eine Hypothek auf ihr Haus aufgenommen hatte.

Aber unglaublicherweise spielte all das keine Rolle. Unerheblich hatte der Richter es genannt. Sie konnte ihre Behauptungen nicht einmal beweisen. Wie hätte sie auch ahnen können, dass Hal zu einer solchen Tat fähig wäre. Er schien sich in den letzten Monaten gebessert zu haben. Sie hatte sogar zu hoffen gewagt … Dumm. Dumm. Sie hätte es wissen müssen.

Aber es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass man ihr nicht glauben könnte. Hal Robey war ein Spieler und ein notorischer Lügner. Summer dagegen eine verantwortungsvolle Mutter und eine angesehene Tierärztin. Sprach das nicht für sich?

Aber wie der Richter mit kalter Stimme hervorgehoben hatte, gab es in diesem Fall bereits eine gerichtliche Entscheidung. Sie war vom kalifornischen Gericht verurteilt worden, die Krankenhausrechnungen zu bezahlen. Ein Urteil, das sie ignoriert hatte. Das hatte ihr diesen Prozess hier eingebrockt.

Summer ließ niedergeschlagen die Schultern hängen. Als sie durch die großen, hohen Fenstern des Gerichtssaals den grauen, wolkenverhangenen Himmel sah, dachte sie an den blauen Januarhimmel in Kalifornien, an ihr Zuhause. Noch immer würden Rosen vor ihrem Haus blühen.

Und sie dachte an den gemieteten Wohnwagen, in dem sie zur Zeit mit den Kindern und Tieren lebte – ein hässlich braunes Gefährt, abgestellt auf einem staubigen Fleckchen Land mit einer einzigen Eiche, die Schatten spendete, eine Meile von ihrer jetzigen Arbeitsstelle entfernt. Ihre eigene Praxis – ja, das war wahrscheinlich das, was sie am meisten vermisste. Und das alles hatte sie Hal zu verdanken, diesem charmanten Halunken, den sie direkt nach dem Studium geheiratet hatte.

Dabei hatte sie immer noch viel Verständnis für ihn aufgebracht. Sie wusste, dass Spielsucht eine Krankheit war, genau wie Alkoholismus oder jede andere Sucht. Sie wusste, dass ihr Mann Hilfe benötigte, mehr als sie ihm geben konnte, und dass er mehr als einmal versucht hatte, sich von dieser Sucht zu befreien.

Aber jetzt … jetzt bist du einfach zu weit gegangen, Hal, dachte sie. Ja, ich bin wütend, verdammt. Wütend, dass du uns unser Zuhause genommen hast.

Es führte kein Weg daran vorbei, sie musste sich Geld leihen, um zahlen zu können. Ihre Schwestern würden ihr helfen. Bella und Evie. Und Mom und Dad natürlich auch, wenn sie sie darum bat. Hoffentlich würde es nicht so weit kommen. Die Rente ihrer Eltern reichte gerade dafür, den beiden ein angenehmes Leben zu sichern.

Langsam erhob Summer sich, zog den Riemen ihrer Tasche über die Schulter und nahm ihren Mantel über den Arm. Dann holte sie tief Luft und ging den kurzen Weg zwischen den Zuschauerreihen hindurch zu der großen Doppeltür.

Riley stellte sich der Frau in den Weg, die gerade den Gerichtssaal verlassen wollte. Sie war fast so groß wie er selbst, hatte ein schmales Gesicht mit fein geschnittenen Gesichtszügen und Augen, die die Farbe von Saphiren hatten. Ihr Blick drückte Verachtung, Bitterkeit und Schmerz aus.

Sorgfältig wählte er seine Worte. „Mrs. Robey, ich würde Ihnen gern einen Rat geben. Wenn Sie das nächste Mal vor Gericht stehen, dann tun Sie sich selbst einen Gefallen und engagieren Sie einen guten Anwalt.“

Sie gab einen Laut von sich, der fast wie ein Lachen klang. Und ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln. Sicherlich gegen ihren Willen. „Ich werde daran denken“, erwiderte sie und ließ ihn einfach stehen.

Summer saß hinter dem Lenkrad und schaute durch die Windschutzscheibe, ohne den grauen Januarhimmel wirklich wahrzunehmen, während sie darauf wartete, dass es in dem Wagen endlich warm wurde. Etwas Besseres als diese alte Schrottkiste hatte sie sich nicht leisten können, nachdem sie alles verkauft hatte, um Hals Rechnungen bezahlen zu können – ein Versuch, ihren guten Ruf zu retten, aber anscheinend vergeblich. Sie hasste den Wagen. Für sie war er lediglich ein Transportmittel. Niemals würde sie ihn als ihr Auto betrachten.

Ich dachte, seine Augen seien kalt wie Eis, aber sie sind es nicht. Überhaupt nicht.

Der Gedanke kam aus dem Nichts. Vielleicht hatte sie es sich nur eingebildet, oder hatte sie doch Mitgefühl in dem Blick des kaltherzigen Anwalts gesehen?

2. KAPITEL

„Bitte, setzen Sie sich. Ich freue mich, Sie wieder zu sehen.“

Die Frau nahm schüchtern auf dem Sessel Platz, auf den Riley gedeutet hatte. Ihre Wangen waren leicht gerötet. „Ich bin überrascht, dass Sie sich an mich erinnern.“

„Natürlich erinnere ich mich an Sie.“ Riley Grogan vergaß nur selten einen Namen oder ein Gesicht. „Trotzdem bin ich natürlich ein wenig überrascht, Sie hier zu sehen.“ Er lehnte sich in seinem großen Schreibtischsessel zurück. „Was führt Sie zu mir, Mrs. Robey?“

Sie erwiderte nichts, sondern saß nur kerzengerade da, was, wie er wusste, in diesem großen, alten Sessel nicht einfach war. Krampfhaft hielt sie die Tasche auf ihrem Schoß fest, als hätte sie Angst, jemand könnte sie ihr entreißen. Ihm fiel auf, dass ihre Hände aussahen, als könnte sie damit jeden aufhalten, der es auch nur versuchte. Sie hatte Hände, die sanft und stark sein konnten, lang und feingliedrig, mit kurzen, unlackierten Nägeln.

Jetzt hob sie eine Hand und hielt sie vor den Mund, während sie sich diskret räusperte. Dann sagte sie: „Als wir uns das letzte Mal sahen, haben Sie mir einen Ratschlag gegeben.“

„Ja, Ma’am, das habe ich getan.“ Er brauchte nicht nachzufragen, nur zu gut erinnerte er sich an jenen Tag. Er war nicht gerade stolz auf seinen Sieg gewesen.

„Ja, nun …“ Sie sah aus wie jemand, der in etwas eklig Schmeckendes gebissen hatte, aber zu höflich war, es wieder auszuspucken. „Ich habe beschlossen, ihn anzunehmen.“

„Verstehe“, murmelte Riley. Er versuchte, seinen Tonfall und seinen Gesichtsausdruck neutral zu halten. „Ich nehme also an, dass Sie wieder einen Anwalt benötigen?“

Sie lächelte flüchtig. „Einen guten Anwalt. Das haben Sie doch gesagt, oder?“

Er musste lachen. „Ja, Ma’am, ich glaube, das habe ich gesagt. Sie brauchen also einen guten Anwalt.“ Er beugte sich ein wenig vor, um eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. „Nun, das klingt ernst. Was für ein Problem haben Sie, Mrs. Robey? Wissen Sie, wenn es irgendwie mit der anderen Sache zusammenhängt …“

„Nein. Glaube ich zumindest. Ich kenne mich mit diesen Dingen nicht so gut aus. Nur weil Sie irgendwann mal die gegnerische Partei vertreten haben, heißt das doch nicht, dass ich Sie nicht für einen anderen Fall engagieren kann, oder?“ Sie runzelte die Stirn ein wenig, und eine kleine Falte wurde zwischen den schönen, entschlossen blickenden Augen sichtbar.

„Warum erzählen Sie mir nicht von Ihrem Problem? Dann kann ich entscheiden, ob ich Ihnen helfen kann oder nicht.“

Sie holte tief Luft und nickte. Er lehnte sich wieder zurück und schenkte ihr seine volle Aufmerksamkeit – ein weiteres Talent von Riley Grogan. Er hörte jedes Wort, das sie sagte, verpasste keine Betonung oder Nuance, kein Zögern oder Stammeln. Gleichzeitig studierte er ihre Gestik und Mimik, jedes Zwinkern, Blinzeln und Beben. Er würde nichts vergessen.

Ihr Gesicht war eher interessant als hübsch zu nennen. Jedenfalls wenn man es mit den derzeitigen Schönheiten aus Film, Fernsehen und Modemagazinen verglich. Rileys eigener Geschmack war da etwas anders. Wenn man wollte, konnte man ihr Gesicht als zu schmal bezeichnen, die Wangenknochen als zu stark hervortretend, den Blick als zu scharf. Und der Mund … ah, ihr Mund faszinierte ihn, wenn auch nicht im erotischen Sinn. Die Lippen waren weder voll noch sinnlich, sondern schmal. Aber sie schienen nicht eine Sekunde still zu stehen. Mal drückten sie Freude aus, mal Wut. Mal Ironie, mal Abneigung.

Erstaunt stellte er fest, dass ihm bei dem Anblick dieser Lippen doch erotische Gedanken kamen, dass sein Herz plötzlich schneller klopfte. Energisch schüttelte er den Kopf.

Summer verstummte und sah ihn verwirrt an. „Entschuldigen Sie, habe ich etwas…“

„Nein, ich muss mich entschuldigen. Mir ging gerade ein Gedanke durch den Kopf. Nichts Wichtiges. Fahren Sie bitte fort.“

„Nun, einiges kennen Sie bereits. Die Geschichte mit Hal, meinem Exmann, der mich ausgenommen hat wie eine Weihnachtsgans und dann verschwunden ist. Die Scheidung. Mein Umzug nach Georgia. Wegen …“ sie hüstelte und errötete leicht, „… der anderen Geschichte.“

Er dachte daran, wie sie damals vor Demütigung schamrot geworden war. Unbehaglich rutschte er auf seinem Stuhl hin und her. „So weit ich mich erinnere, sagten Sie, er sei Spieler.“

Fasziniert beobachtete er, wie sie die Lippen zu einem flüchtigen Lächeln verzog. Kurz darauf überschattete Traurigkeit ihre Züge. „Hal war … ist … ein zwanghafter Spieler, Mr. Grogan. Das ist eine Krankheit, wissen Sie, wie Alkoholismus oder Drogensucht. Mit einem Spieler zusammenzuleben ist genauso, wie mit einem Heroinabhängigen zu leben. Man darf diesen Menschen nicht vertrauen oder sich auf sie verlassen. Das einzig Zuverlässige ist ihre Unzuverlässigkeit. Man lernt mit Lügen und Ungewissheit zu leben, heftigen Gefühlsausbrüchen, unerklärter Abwesenheit, Angst und Sorge. Man lernt mit dem Gefühl zu leben, dass der Mensch, den man liebt, einen belügt und betrügt, wenn er die Möglichkeit bekommt. So ein Mensch würde selbst seine Mutter und seine Kinder verkaufen, um an Geld zu kommen.“ Ihr Blick wurde ruhelos.

„Und doch sind Sie bei ihm geblieben“, sagte Riley sanft. „Wie lange?“

„Zehn Jahre. Er war … ist … der Vater meiner Kinder.“ Noch immer sah sie ihn nicht an. „Und auch wenn er ein lausiger Ehemann war, zu den Kindern war er immer gut. Da er ständig seinen Job verlor, war er häufiger zu Hause bei den Kindern als ich. Sie haben ihn vergöttert. Und tun es immer noch. Er hat versucht, sich helfen zu lassen. Er hat sich den Anonymen Spielern angeschlossen, und eine Zeit lang hatte ich das Gefühl, es würde besser werden. Deshalb kam alles so unerwartet …“ Sie verzog den Mund. „Nein, ich hätte es wissen müssen. Das habe ich doch gerade gesagt, oder? Dass ein Spieler unzuverlässig ist. Ich hätte es kommen sehen müssen.“

Nachdenklich legte Riley einen Zeigefinger an die Lippen. „Sie sprechen von Ihrem Mann …“

„Ex“, korrigierte sie ihn mit einem verbitterten Lächeln. „Bitte.“

Er nickte. „Sie sprechen von ihrem Exmann immer in der Vergangenheit. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie immer noch nichts von ihm gehört haben?“

„Nein, nichts. Seit mehr als einem Jahr.“

„Vermutlich waren Sie schon bei der Polizei?“

„Ja, und die meint, seine Sucht habe ihn in die Hände von gefährlichen Leuten gebracht und dass er verschwunden sei, um sein Leben zu retten. Dass er wahrscheinlich auf irgendeiner tropischen Insel von dem lebt, was er den Kindern und mir gestohlen hat.“

„Nun, ich muss mich dieser Meinung leider anschließen“, sagte Riley. Verstohlen warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Fünfzehn Minuten bis zu seinem nächsten Termin. „Haben Sie einen Grund anzunehmen, dass es anders ist?“

Sie schüttelte den Kopf. „Oh, ich bin sicher, dass genau das passiert ist. Es ergibt Sinn. Ich denke, man braucht eine Menge Geld, um spurlos zu verschwinden. Und das hat er getan … er hat mir alles genommen.“ Sie senkte den Blick.

Selbstsüchtiger Bastard. Wütend nahm Riley einen Kugelschreiber zur Hand und spielte damit herum, während er darauf wartete, dass sie fortfuhr. Als sie schwieg, lächelte er und sagte sanft: „Mrs. Robey, es tut mir leid, was geschehen ist, aber Sie haben mir immer noch nicht gesagt, warum Sie einen guten Anwalt benötigen.“

„Darauf komme ich noch zu sprechen.“ Das erste Mal bei diesem Gespräch nahm ihre Stimme einen harten Tonfall an.

Riley wurde langsam ungeduldig.

„Also, ich wurde geschieden und bin hierher gezogen – besser gesagt nach Georgia, um in der Nähe meiner Schwester und ihrer Familie zu sein“, sagte sie schließlich. „Ich wollte alles vergessen und neu anfangen. Um der Kinder willen und auch um meinetwillen. Und wir haben es ganz gut geschafft … trotz einiger weniger Rückschläge.“ Sie schloss kurz die Augen. Einen Moment später fuhr sie fort: „Und dann, vor etwa drei Monaten, ging es mit diesen Anrufen los.“

„Anrufe?“ Riley runzelte die Stirn. „Sie meinen von Ihrem Mann?“

„Nein. Nein, ich weiß nicht, wer es war. Ein Mann. Verschiedene Männer eigentlich. Zuerst haben sie spät am Abend angerufen, wenn die Kinder schon schliefen. Sie behaupteten, Freunde von Hal zu sein und dass sie ihn unbedingt finden müssten. Aber da war etwas … ich weiß nicht, irgendetwas, das mir Angst machte. Ich habe gesagt, dass ich nicht weiß, wo Hal ist, aber die Anrufe hörten nicht auf. Im Gegenteil, sie kamen häufiger und wurden bedrohlicher.“

„Bedrohlich? Inwiefern?“

„Ach, nur so vage Andeutungen, wissen Sie. Dinge wie: Sagen Sie uns, wo Ihr Mann ist, oder Sie werden es bedauern. Zuerst habe ich es nicht so ernst genommen, aber dann … Eines Tages rief jemand an, als die Kinder noch nicht schliefen. David, mein Neunjähriger, ging ans Telefon. Ich weiß nicht genau, was der Mann gesagt hat – David wollte es mir nicht verraten – aber er hat seitdem Angst. An dem Abend wollte er nicht ins Bett gehen. Er wollte uns bewachen. Seit sein Vater nicht mehr bei uns ist, glaubt er, den Mann im Haus spielen zu müssen. Als er endlich einschlief, hatte er Albträume.“ Wütend rutschte sie auf ihrem Stuhl herum. „Da hat es mir gereicht, und ich bin zur Polizei gegangen.“

Riley nickte. Das hatte er gerade fragen wollen. „Genau richtig. Und?“

„Man hat mir geraten, die Telefonnummer zu ändern. Also habe ich es getan. Die Anrufe hörten auf – etwa eine Woche lang. Als sie wieder losgingen, waren sie noch scheußlicher als zuvor. Sie …“ Ihre Stimme begann zu zittern. „Sie sagten, sie würden meinen Kindern etwas antun, wenn ich nicht Hals Versteck verrate.“

Riley löste den Blick von dem Mund der Frau und konzentrierte sich stattdessen auf ihre Augen, in denen sich ihre Angst spiegelte. „Mrs. Robey, ich weiß nicht, ob Sie wirklich einen Anwalt benötigen, aber auf jeden Fall müssen Sie mit der Polizei sprechen.“

„Oh, ja.“ Sie nickte rasch und verärgert. „Das habe ich bereits getan. Sie meinen, sie könnten nicht viel für mich tun, und haben mir vorgeschlagen, eine Geheimnummer zu beantragen. Oh, sie haben mir sogar geraten, einen Sicherheitsdienst zu beauftragen, falls mich das beruhigt. Als ob ich mir das erlauben könnte.“ Ihre Stimme war vor Aufregung eine Oktave gestiegen. „Ich habe fast das Gefühl, dass die meinen, ich hätte gelogen.“

„Polizisten klingen immer so“, winkte Riley ungeduldig ab. „Ich glaube, das lernen sie in ihrer Ausbildung. Aber wollen Sie wirklich sagen …“

„Einen Moment“, unterbrach sie ihn. „Da ist noch mehr.“ Sie sprach schnell, und ihre Augen funkelten, aber offensichtlich mehr aus Wut als aus Angst. „Ich bin also von der Polizeistation zurückgefahren. Ich musste mich noch mit meinem Chef auf einer Farm treffen, um die Tiere dort zu untersuchen. Die Farm liegt etwa zehn Meilen von der Polizeistation entfernt, eine sehr kurvenreiche Strecke. Plötzlich fiel mir ein Wagen auf, der mich verfolgte. Eine braune Limousine. Natürlich fürchtete ich nach all diesen Telefonanrufen das Schlimmste. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass ich schreckliche Angst hatte. Ich habe also Gas gegeben. Was hätte ich anderes tun sollen? Ich war in einer gottverlassenen Gegend! Also bin ich gefahren wie eine Geisteskranke – mein alter Wagen ist nicht der schnellste, aber ich habe alles aus ihm herausgeholt – doch diese Limousine blieb hinter mir. Es war der reinste Horror, und ich habe vor Angst gezittert wie Espenlaub. Schließlich kam ich auf der Farm an. Mein Chef war schon dort. Mit quietschenden Reifen habe ich neben seinem Wohnmobil angehalten. Bevor ich jedoch irgendetwas tun konnte, hielt die Limousine direkt neben mir, ein Mann sprang hinaus, riss meine Autotür auf und brüllte: ‚Mrs. Robey, ich muss Sie bitten, mit uns zu kommen.‘“

Riley war schockiert. Sein Herz schlug schneller, und er spürte, wie das Adrenalin durch seine Adern schoss – großes Einfühlungsvermögen war – leider – eine weitere Qualität von Riley, die er jedoch zu verbergen versuchte. „Sie meinen, man hat Sie verhaftet?“

Summer schüttelte fast fröhlich den Kopf. Ihre Lippen waren leicht geöffnet. „Das waren keine Polizisten.“

„Wer …?“

„Sie werden es nie erraten…“

„FBI, Ma’am, Special-Agent Jake Redfield.“

FBI? Summer hätte fast gelacht. Atemlos stammelte sie: „Darf ich bitte Ihren Ausweis sehen?“

„Natürlich.“ Der Mann zog seinen Ausweis aus der Innentasche seiner Jacke und setzte sich neben Summer auf den Rücksitz. Er klopfte dem Fahrer auf die Schulter, und der Wagen setzte sich langsam in Bewegung.

Summer betrachtete aufmerksam das Foto auf dem Ausweis. Mehrere Male blickte sie auf, um es mit dem Mann neben sich zu vergleichen. Er sieht nicht schlecht aus, dachte sie, als sie ihm den Ausweis zurückgab. Ein etwas schwermütig wirkendes Gesicht, dunkelbraune Haare, die anscheinend nicht so wollten wie er … irgendwie gar nicht so, wie sie sich einen FBI-Agenten vorgestellt hatte.

„Ist es wegen der Telefonanrufe?“ Ihre Stimme zitterte.

Agent Redfield schien es nicht für notwendig zu halten, die Frage zu beantworten. Er sah aus dem Fenster, während er seinen Ausweis wieder in die Tasche steckte. „Wir möchten Ihnen nur ein paar Fragen stellen, Mrs. Robey. Es geht um Ihren Mann.“

„Ich habe keinen Mann“, fuhr Summer ihn wütend an. „Und wenn Sie mit mir über meinen Exmann sprechen möchten, warum haben Sie dann nicht einfach angerufen? Sie können sich gar nicht vorstellen, was für eine Angst Sie mir eingejagt haben. Es grenzt fast an ein Wunder, dass ich keinen Unfall gebaut habe.“

Der FBI-Mann sah sie mit traurigen Augen an. „Tut mir leid. Es ist nur so, dass niemand wissen soll, dass wir mit Ihnen gesprochen haben. Zu Ihrer und unserer Sicherheit. Wir wollten sicher sein, dass Sie nicht verfolgt werden.“

Summer schnaubte verächtlich. „Ich bin verfolgt worden – von Ihnen.“

Ohne die kleinste Andeutung eines Lächelns sah Agent Redfield sie lange an. „Mrs. Robey“, begann er schließlich leise. „Wir wissen über die Anrufe Bescheid. Die Leute scheinen es ernst zu meinen. Sie wollen an Ihren Mann herankommen, um jeden Preis. Und wir auch. Es ist lebenswichtig, dass wir ihn zuerst finden. Verstehen Sie?“

„Natürlich verstehe ich“, erwiderte Summer beinahe kläglich. „Aber ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als ich diesen Leuten am Telefon gesagt habe. Hal ist nicht mehr mein Mann, und ich weiß nicht – ich wiederhole, nicht –, wo er ist! Wenn ich es wüsste, meinen Sie, ich säße dann so in der Klemme? Der Mann hat mir mein ganzes Hab und Gut gestohlen. Jetzt kann ich mich vor Schulden kaum retten. Mir steht das Wasser bis zum Hals, und es wird Jahre dauern, bis ich es schaffe, finanziell auf Null zu kommen. Wenn er diesen Leuten Geld schuldet …“

„Ich fürchte“, unterbrach Redfield, „… hier geht es nicht um Geld.“

„Wenn man Ihren Mann nicht wegen Geld sucht“, sagte Riley, „weshalb dann?“

Ungeduldig sah Summer ihn an. „Ich habe Agent Redfield danach gefragt. Er hat sich verhalten, als wollte ich irgendwelche Nukleargeheimnisse aus ihm herausholen. Aber aus den Fragen, die sie mir gestellt haben, und nach allem, was geschehen ist, war ich in der Lage, zwei und zwei zusammenzuzählen. Es scheint um ein illegales Spielersyndikat zu gehen.“

„Das würde das Interesse des FBI erklären.“

„Richtig. Ich glaube, dass das FBI und die Leute von dem Syndikat annehmen, Hal wisse irgendetwas über das Syndikat. Ich weiß nicht, was – vielleicht hat er eine Information, die dem Syndikat gefährlich werden könnte. Womöglich hat er versucht, das Syndikat zu erpressen.“ Sie lehnte sich zurück. Ihr Atem ging schnell und hörbar.

Riley sah sie einen Moment lang an und fragte sich, warum ihm diese fantastische Geschichte auch nur im Entferntesten glaubwürdig erschien. Es liegt an ihrem Gesicht, dachte er. Es strahlt etwas aus, Charakter. Aber es gab einige Dinge, die ihn beschäftigten. Er runzelte die Stirn. „Wie hat Ihr Mann an irgendwelche … Informationen kommen können? Warum sollte ein Spieler Zugang haben zu …“

„Hal ist zwar ein Spieler, aber er ist nicht dumm. Im Gegenteil, auf seinem Fachgebiet ist er brillant.“

„Und das ist?“

„Mathematik. Hal ist – oder war, als er noch einen Job hatte – Controller. Und er ist Computerspezialist. Als er arbeitslos war, saß er zu Hause die ganze Zeit am Computer und ist im Internet gesurft. Ich nehme an, so ist es ihm gelungen, an Finanzberichte – oder Ähnliches – des Syndikats zu kommen. Deshalb ist auch das FBI hinter ihm her.“

Riley setzte sich zurück. „Das erinnert mich an Al Capone.“

„Diesen Agenten Redfield kann man schon fast fanatisch nennen. Er ist so begierig, das Syndikat zu stürzen, dass er es mit allen Mitteln versuchen wird. Das ist es, was mir Angst macht. Ich glaube, der Mann schreckt vor nichts zurück, egal, wer dabei verletzt wird. Und deshalb glaube ich, dass ich einen guten Anwalt benötige.“ Sie hielt inne und sah Riley durchdringend an. „Ich bin für die Taten meines Mann schon einmal verantwortlich gemacht worden. Und ich habe nicht vor, das wieder zu riskieren.“

3. KAPITEL

„Das Problem ist, ich kann Sie nicht bezahlen.“ Sie saß auf dem Rand ihres Sessel und sah Riley fast trotzig an. Er spürte, dass es ihr peinlich war, dies zu sagen.

Sie schluckte und fuhr fort: „Ich habe kein Geld, mein Kredit ist erschöpft, und ich möchte nicht zu meiner Familie gehen und um Hilfe bitten.“

Autor

Kathleen Creighton
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