Verführerischer Pakt mit dem stolzen Italiener

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Salvatore Luchesi bittet sie um eine Scheinehe, um eine aufdringliche Verehrerin zu entmutigen? Mit dem Geld dafür könnte Lana die Schulden begleichen, die ihr betrügerischer Ex ihr hinterlassen hat. Mutig schließt sie einen Deal mit dem italienischen Milliardär, und ein gefährliches Spiel beginnt. Denn einerseits ist Salvatore so ein umwerfender Traummann, dass sie sich bald insgeheim nach einer echten Ehe mit ihm sehnt. Andererseits hat sie sich geschworen, nie wieder ihrem Herzen zu trauen! Es hat sie schon einmal so bitter getäuscht …


  • Erscheinungstag 18.04.2023
  • Bandnummer 2593
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518475
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Vorsichtig löste sich Salvatore Luchesi aus der Umarmung der Frau, die ihn leidenschaftlich umklammert hielt.

„Gia … Nein …“, begann er sehr ruhig.

„Oh, Salva! Weißt du nicht, wie verrückt ich nach dir bin?“, schnurrte sie. Uneingeladen war sie in seiner Wohnung in Rom aufgetaucht und, weil sie sich schon lange kannten, einfach hineingestürmt. Dann hatte sie ihm einen Cocktail entlockt und sich ihm buchstäblich an den Hals geworfen.

Salvatore versuchte, einen Seufzer zu unterdrücken. Dio mio! Er wusste ganz genau, wie verrückt Giavanna Fabrizzi nach ihm war! Aber selbst wenn sie nicht die Tochter seines engsten Geschäftspartners gewesen wäre, entsprach sie überhaupt nicht seinem Geschmack – außerdem war sie vielleicht gerade mal zwanzig und damit viel zu jung. Er bevorzugte kühle und langbeinige Blondinen.

Denn die bildeten einen perfekten Gegenpol zu seinem Aussehen: groß für einen Italiener, aber mit der typischen oliv schimmernden Haut und dunklen Haaren und Augen. Außerdem, räumte er ohne Eitelkeit ein, war er mit Gesichtszügen gesegnet, die Frauen attraktiv fanden, und einem Körper, um den Männer ihn beneideten.

„Gia, cara“, sagte er und wich einen Schritt zurück. „Ich fühle mich geschmeichelt – welcher Mann würde das nicht? Aber du bist die Tochter von Roberto … ich wäre verrückt, wenn ich es wagen würde, dich zu verführen.“

Er sprach die Worte betont humorvoll aus. Gia konnte einem wirklich auf die Nerven gehen, aber sie war auch notorisch launisch – vielleicht, weil ihr Vater sie immerzu verwöhnte und ihr alles durchgehen ließ. Eine Szene wollte er um jeden Preis vermeiden.

Gias mandelförmige Augen weiteten sich. „Ich will keine Affäre mit dir, Salva!“, rief sie und spitzte sehnsüchtig die Lippen. „Ich will viel, viel mehr.“

Salvatore starrte sie an. Ein ungutes Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Und bei ihren nächsten Worten wusste er, warum.

„Und Papa will das auch! Er hat es mir selbst gesagt. Und er hat recht … absolut recht! Es wäre perfekt. Vollkommen perfekt!“ Sie seufzte tief und öffnete leicht den Mund. „Ich will dich heiraten“, flötete sie.

Das ungute Gefühl in seinem Bauch wurde hart wie Beton.

Lanas Füße taten höllisch weh in den mörderischen Plateauschuhen, während sie mit den anderen Models hinter dem Vorhang wartete, bis sie an der Reihe war. Dann stakste sie zu hämmernden Beats über den Laufsteg. Nach zehn Jahren im Modelbusiness hätte sie die Show mit geschlossenen Augen absolvieren können.

Habe ich das wirklich mal für glamourös und aufregend gehalten? dachte sie mit einem innerlichen Seufzen, als sie sich am Ende des Laufstegs, eine Hand in die Hüfte gestemmt, gekonnt drehte und ihre Pose für genau die richtige Zeit hielt, bevor sie sich wieder in Bewegung setzte. Ja, vor Jahren hatte sie das geglaubt, aber jetzt, mit siebenundzwanzig, wollte sie endlich damit aufhören.

Nur leisten konnte sie sich das nicht.

Müdigkeit stieg in ihr auf. Während dieser hektischen Modewoche hatte sie ein Fotoshooting nach dem anderen und zahlreiche Shows gehabt, aber es war noch nicht vorbei. Zum Schluss stand noch eine After-Party für VIPs an, zu der alle Models erscheinen mussten.

Etwa eine halbe Stunde später mischte Lana sich unter die Gäste und fragte sich sofort, wann sie sich wieder aus dem Staub machen könnte, da ihr Terminkalender auch für den nächsten Tag rappelvoll war. Sie nahm sich ein Glas Mineralwasser und musterte uninteressiert die Models, Stylisten, Redakteure und die ganze glitzernde Entourage der Haute Couture, die sich um den Designer und seine Assistenten scharten.

Männer warfen sehnsüchtige Blicke in ihre Richtung, die sie allesamt ignorierte. Sie presste die Lippen zusammen. Einmal war sie darauf hereingefallen und hatte den größten Fehler ihres Lebens gegangen.

Wie habe ich nur so dumm sein und Malcolm in mein Leben lassen können?

Ein durch und durch schlechter Mensch. Aber damals hatte sie es nicht gesehen. Sie hatte nur jemanden – irgendjemanden – an ihrer Seite gewollt, damit sie sich nicht mehr so allein fühlte.

Traurigkeit blitzte in ihren Augen auf. Unwillkürlich musste sie wieder an diesen Albtraum vor vier Jahren denken, als ihre Eltern bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren. Sich auf Malcolm stützen zu können, hatte ihr geholfen, es zu ertragen. Erst im Nachhinein war ihr klar geworden, dass ihr Wunsch nach einem Partner sie gleichzeitig blind für Malcolms Charakter gemacht hatte. Sie hatte sich eingebildet, dass er sich für sie interessierte … dabei ging es ihm nur darum, ein Model als Freundin präsentieren zu können. Ihre Attraktivität sollte auf ihn abfärben, damit er gut aussah, während er sich als aufstrebender Schauspieler hocharbeitete.

Dann hatte sich herausgestellt, dass ihm noch etwas anderes wichtig war. Nämlich das Appartement, das sie in Notting Hill gekauft hatte – bezahlt von ihren Ersparnissen und dem Erbe ihrer Eltern. Malcolm hatte sich sehr für ihre Wohnung interessiert …

Lana schüttelte den Kopf. Sie war hier, um sich unter die Gäste zu mischen, nicht um über Malcolms Hinterhältigkeit nachzudenken. Resigniert nippte sie an ihrem Wasserglas und setzte sich in Bewegung.

Salvatore nahm ein Glas Champagner von einem der vorbeigehenden Kellner entgegen, trank einen kleinen Schluck und blickte sich gleichgültig auf der Party um, die bereits in vollem Gange war. Als Investor des Modehauses war er selbstverständlich zu der Show in London eingeladen worden, aber seine Gedanken wanderten zurück nach Rom. Und zu dem Problem, dem er dort gegenüberstand.

Giavanna – oder vielmehr ihr Vater. Denn Roberto sah die Dinge tatsächlich ganz im Sinne seiner verwöhnten Tochter.

„Es wäre eine ideale Verbindung“, hatte er überschwänglich verkündet. „Eine schönere Braut kannst du dir nicht wünschen. Und ich wäre mehr als glücklich, sie dir anzuvertrauen. Dann wäre sie sicher vor Spitzbuben.“ Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Oder hast du irgendetwas dagegen, meine Tochter zu heiraten?“, fragte er mit erkennbarer Schärfe in der Stimme.

Salvatore war es gelungen, eine neutrale Miene aufzusetzen.

Abgesehen davon, dass sie eine verwöhnte Prinzessin und fast fünfzehn Jahre jünger ist als ich?

„Jeder Mann würde es für ein Privileg halten, meine Gia heiraten zu dürfen!“ Wieder waren Robertos Augen schmal geworden. „Außerdem würde eine Heirat unsere geschäftliche Partnerschaft noch intensivieren.“

Salvatores Gesicht war noch ausdrucksloser geworden. Also das steckte hinter dieser absurden Idee! Nun, seine Antwort würde unnachgiebig und schonungslos ausfallen. Und danach wäre es für Roberto und ihn an der Zeit, die unternehmerischen Verbindungen zu beenden, die noch sein eigener Vater mit dem anderen Mann geknüpft hatte.

Aber das konnte nicht sofort geschehen. Es gab laufende Geschäfte, die Salvatore entweder erst abschließen oder aus denen er sich möglichst ohne Verlust und Komplikationen zurückziehen musste. Er wollte keinen Krieg mit Roberto, nur weil er sich weigerte, dessen Tochter zu ehelichen. Irgendwie musste er ihn davon überzeugen, dass eine Heirat keine gute Idee war.

Der erste Schritt bestand darin, sich rar zu machen. Nur deshalb besuchte er diese Modenshow in London.

Salvatore sah sich um und nippte in Gedanken versunken an seinem Champagner. Gerade als er das Glas senkte, teilte sich die Menschenmenge vor ihm, und in sein Blickfeld trat eine Person, die ihn erstarren ließ.

Por Dio! Was für ein fantastischer Anblick! Goldenes hochgestecktes Haar, eine unbeschreibliche Figur in einem hautengen scharlachroten Abendkleid, das den schlanken Körper und die langen Beine der Frau betonte. Er konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Der Raum war voll von auffälligen Frauen, die sich bis zum Anschlag aufgetakelt hatten. Aber diese eine strahlte etwas aus.

Sein Blick verharrte auf ihr.

Bellissima … assolutamente bellissma …

Diese Worte beschrieben sie perfekt. Wunderschöne Gesichtszüge, hohe Wangenknochen, große Augen … und ein Mund, der zum Küssen wie geschaffen schien.

Er spürte, wie seine Hormone in Wallung gerieten und machte einen Schritt auf sie zu.

Die Blondine wandte den Kopf und sah ihn.

Und er erstarrte vollständig.

Abrupt hielt Lana inne. Ein Mann näherte sich ihr. Die anderen Gäste traten zur Seite, um ihn vorbeizulassen. Sie wusste, warum. Sie wusste auch, weshalb ihr Puls sich plötzlich beschleunigte … und warum sie überhaupt den Kopf in seine Richtung gedreht hatte, um ihn anzusehen.

Groß, größer als sie, ein Smoking, der seine Schultern betonte, dunkle Haare, mit einer Ausstrahlung, die …

… mir den Atem raubt.

Züge wie gemeißelt, volle Lippen, perfekt gebogene Brauen über nachtschwarzen Augen. Er hatte etwas an sich, das Reichtum und Macht ausstrahlte.

Ein Mann des Geldes. Einer jener unsichtbaren Hintermänner, die für all das hier bezahlt haben und die Gewinne kassieren, die wir für sie machen.

Aber ihr blieb keine Zeit zum Nachdenken. Oder zum Analysieren. Oder zum Überlegen.

Plötzlich, wie aus dem Nichts, stand er vor ihr. Und auf einmal gab es nur noch ihn und sie in diesem eigentlich überfüllten Raum.

Salvatore konnte den Blick nicht von der Unbekannten abwenden. Aus der Nähe wirkte sie noch spektakulärer. Das leuchtende Grün ihrer Augen erinnerte ihn an Smaragde. Und während seine Hormone weiter Achterbahn fuhren, erkannte er, dass ihre Augen sich merklich geweitet hatten.

Er hob sein Champagnerglas. „Sagen Sie es nicht …“, begann er schmeichelnd und humorvoll zugleich. „Sie sind ein Model.“

Eine Sekunde reagierte sie nicht. „Sagen Sie es nicht“, wiederholte sie dann. „Sie sind ein Mann des Geldes.“

Auch seine Geste übernahm sie und prostete ihm mit ihrem Glas zu.

Salvatore lachte – kurz, aber herzlich. „Nun, zu den Paradiesvögeln hier gehöre ich sicher nicht … weder männlich noch weiblich.“

Er spürte, wie sie sich entspannte. Ein neuer Gedanke formte sich in seinem Kopf. Er konnte eine Ablenkung von seinen Problemen mit Roberto und seiner verwöhnten Tochter gut gebrauchen. Und diese fantastische Frau hier könnte ihn sehr, sehr leicht eine ganze Menge vergessen lassen …

„Was meinen Sie“, sagte er und sah sie interessiert an, „wie wird diese Kollektion auf dem Markt ankommen?“

Sie verzog ein wenig das Gesicht. „Hinter der Bühne wird gemunkelt, dass zwei der anwesenden Redakteure von Modezeitungen sie mögen … der aus New York ist nicht ganz so begeistert. Aber der Chinese lächelt, was allen gefallen wird, denn der Markt dort ist riesig“, erwiderte sie spitz. „Sie brauchen mich nicht, um Ihnen das zu sagen.“

„Nein, aber es ist gut zu hören, dass der Herr aus China lächelt“, sagte Salvatore.

Es war schön, einfach mit ihr zu plaudern. Doch seine Ablenkung war nur von kurzer Dauern, denn jemand stürzte auf ihn zu. Einer seiner Landsleute.

„Signor Luchesi! Mi dispiace! Ich habe Sie nicht gesehen …“

Gestenreich umarmte der Italiener ihn und lud ihn ein, dem exklusiven Kreis um den berühmten Designer der Show beizutreten. Ungeduldig wollte Salvatore ihn abwimmeln, um sich wieder der atemberaubenden Blondine zuzuwenden, aber sie entfernte sich bereits. Anscheinend akzeptierte sie, dass er von jemandem in Anspruch genommen wurde, der viel wichtiger war als sie selbst.

Halb resigniert zuckte er mit den Schultern. Dann würde er sich eben später mit ihr treffen. Er hatte nicht vor, sie sich durch die Finger gehen zu lassen.

Doch als er zwanzig Minuten später, als es ihm endlich gelungen war, sich aus dem erlauchten Kreis um den Modeschöpfer zu lösen, seinen Blick durch den überfüllten Raum schweifen ließ, war sie nirgends zu entdecken.

Unterdessen stand Lana auf dem Londoner Bürgersteig an einer Bushaltestelle. Neben der Erleichterung, der Party entkommen zu sein, verspürte sie nur ein kleines Bedauern … falls man das Gefühl überhaupt so nennen konnte.

Dieser Mann, der zu mir gekommen ist und mit mir geflirtet hat …

Normalerweise ging sie bei solchen Veranstaltungen nie auf Flirts ein. Aber irgendetwas war dieses Mal anders gewesen.

Warum?

Sie starrte hinaus in die feuchte kühle Nacht, während der unaufhörliche Verkehr auf der belebten Straße an ihr vorbeizog. Allmählich formte sich in ihrem Kopf eine Antwort, die sie nicht ignorieren konnte.

Weil ich in meinem ganzen Leben noch nie einen atemberaubenderen Mann gesehen habe!

Nichts im Vergleich zu Malcolms blondem Beachboy-Look – darauf stand sie definitiv nicht mehr! Nein, dieser Mann besaß eine ganz andere Anziehungskraft. Dunkel und beeindruckend …

Unvermittelt durchlief sie ein Schauer, wie sie ihn schon während ihres kurzen Gesprächs empfunden hatte, als sie einander in die Augen geschaut hatten.

Zu kurz.

Lana seufzte tief. Es spielte keine Rolle, wie sehr er sie fasziniert hatte. Er war weggegangen, und das war’s. Außerdem machte es keinen Sinn, mehr von ihm zu wollen – nicht bei dem Chaos, das momentan in ihrem Leben herrschte.

Müde bewegte sie die schmerzenden Zehen, die glücklicherweise jetzt in flachen Schuhen steckten. Sie war froh, wieder in ihre bequemen Kleider schlüpfen zu können. Die Haare hatte sie zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden und sich abgeschminkt. In der Hoffnung, einen herannahenden Bus zu entdecken, schaute sie die Straße hinunter.

Nichts zu sehen.

Stattdessen glitt eine lange silbergraue und extrem teuer aussehende Limousine in die Haltebucht. Gelenkt wurde sie von einem Chauffeur mit Schirmmütze. Die hintere Beifahrertür öffnete sich auf ihrer Seite, und ein Mann im Smoking lehnte sich halb zu ihr hinaus.

„So“, sagte der attraktive Italiener. „Da sind Sie ja.“

In seiner tiefen akzentuierten Stimme schwang unüberhörbar Genugtuung mit.

Ein seltsames Gefühl stieg in Salvatore auf. Es hatte ihn geärgert, dass er das blonde Model auf der Party nicht wiedergefunden hatte.

Und jetzt stand sie da.

Er hatte sie sofort erkannt – obwohl sie die Haare nun zu einem Zopf zusammengefasst hatte und einen Trenchcoat trug. Tatsächlich übte sie dieselbe Wirkung wie vorhin auf ihn aus, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Und er wollte unbedingt mehr davon. Mehr von ihr.

Also löste er seinen Sicherheitsgurt und stieg aus dem Wagen. „Warum sind Sie von der Party verschwunden?“, fragte er.

Er musterte sie eingehend. Ja, auch ohne ausgefallene Kleider, perfekte Frisur und Make-up war sie genauso umwerfend, wie er es sich vorgestellt hatte. Und seine männliche Reaktion auf sie fiel ebenso stark aus.

Die Unbekannte zuckte leicht mit den Schultern. „Ich habe mich früh weggeschlichen“, sagte sie.

Salvatore lächelte. „Gut“, meinte er. „Essen Sie mit mir zu Abend?“

Überraschung huschte über ihr Gesicht … gefolgt von etwas anderem. Etwas, das er als Mann auf einer sehr instinktiven Ebene wahrnahm. Und es steigerte seine Freude.

Sie schüttelte den Kopf. „Mir reicht es für heute. Ich fahre nach Hause. Außerdem bringen mich meine Füße um.“

Hörte er da Bedauern in ihrer Stimme? Er war sich nicht sicher.

Vorsichtig legte er eine Hand auf ihren Unterarm. „Dann fahre ich Sie.“ Demonstrativ schaute er die Straße hinunter. „Kein Bus in Sicht, und Sie frieren. Außerdem fängt es gleich an zu regnen.“

Eine Sekunde spürte er, wie sie sich versteifte. Dann kam der Himmel ihm zu Hilfe und ließ ein paar Tropfen auf die Erde fallen. Die schöne Unbekannte ließ sich zu seinem Wagen führen.

„Wohin soll mein Fahrer Sie bringen?“

Sie nannte eine Adresse – eine ruhige Straße in Notting Hill. Nickend startete der Chauffeur den Motor und steuerte den Wagen in Richtung Bayswater Road, anstatt den Weg zur Park Lane und Salvatores Hotel zu nehmen.

„Hoffentlich ist es kein zu großer Umweg für Sie …“ Ihre Stimme klang halb entschuldigend und halb nicht.

„Ganz und gar nicht“, versicherte er sanft.

Lächelnd schaute er sie an. Ihr Gesicht schimmerte im Licht der Straßenlaternen und der sporadisch vorbeifahrenden Fahrzeuge. Wieder überlief ihn ein Schauer, der ihm sehr gefiel.

„Werden Sie Ihre Meinung zu einem Abendessen ändern?“, fragte er. „In Notting Hill gibt es einige ausgezeichnete Restaurants.“

Wieder schüttelte sie den Kopf, was ihn überraschte. Normalerweise lehnten Frauen seine Einladungen zum Essen nicht ab. Anerkennend musterte er sie. Seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte, hatte ihre Wirkung auf ihn nicht nachgelassen. Bewundernd ließ er seinen Blick über ihren Körper wandern.

„Danke, aber ich muss wirklich nach Hause.“

Noch immer klang ihre Stimme gefasst, aber ganz so gleichgültig, wie sie sich gab, schien sie nicht mehr zu sein.

Insgeheim jedoch war er froh, dass sie ihn zurückwies. Vielleicht war es besser, nichts zu überstürzen. Als er nach ihr gesucht und angeboten hatte, sie nach Hause zu fahren, war er einer spontanen Eingebung gefolgt, was für ihn absolut unüblich war. Unüblich in dem Sinne, dass er seine Handlungen eigentlich immer gut durchdachte. Seine Affären waren stets wohlüberlegt und von bewusst begrenzter Dauer. Außerdem wählte er die Frauen, mit denen er anbandelte, sehr sorgfältig aus.

Warum also war er bei dieser umwerfenden Blondine einem Impuls gefolgt? Die Frage wirbelte in seinem Kopf, doch er wischte sie beiseite.

„Wie wäre es, wenn ich Sie an einem anderen Abend zum Essen einlade?“, schlug er vor. Dafür war er sogar gerne bereit, seinen Aufenthalt in London zu verlängern.

Einen Moment schien sie zu zögern. Dann schüttelte sie den Kopf. Diesmal war er sicher, Bedauern über ihr Gesicht huschen zu sehen.

„Ich kann mir im Augenblick keine weiteren Komplikationen in meinem Leben leisten“, erwiderte sie.

„Weitere?“, konzentrierte er sich auf das Schlüsselwort. Sie antwortete nicht sofort, was einen äußerst unwillkommenen Gedanken heraufbeschwor. „Sind Sie in festen Händen?“

Falls ja, würde er die Sache sofort abblasen. Aber sie schüttelte erneut den Kopf – und zwar dieses Mal sehr entschieden.

„Nein … Zum Glück! Nicht mehr!“, rief sie.

„Ein gebrochenes Herz?“

Wenn ja, bedeutete auch das für ihn ein klares Nein. Bei seinen Frauengeschichten legte er Wert darauf, die Dinge einfach zu halten – auf Gefühle konnte er getrost verzichten.

„Ein desolater Kontostand!“, kam die Antwort. Wut blitzte in ihrem Gesicht auf. „Das habe ich meinem Ex-Freund zu verdanken! Und es hat zur Folge, dass ich im Moment ununterbrochen arbeiten muss.“ Ganz offen schaute sie ihn an. „Ich habe einfach keine Zeit für … nun ja, für ein Abendessen. Oder …“ Jetzt schaute sie an ihm vorbei. „Oder etwas anderes.“

„Das tut mir leid zu hören“, entgegnete er mitfühlend.

Und es stimmte. In diesem kleinen privaten Raum auf der Rückbank seines Wagens übte sie weiterhin ihre verwirrende Wirkung auf ihn aus. Alles an ihr faszinierte ihn – von der Perfektion ihres Profils bis zum Goldton ihrer Haare.

„Mir auch“, sagte sie leise.

„Was hat Ihr Ex getan?“, erkundigte er sich.

„Er hat eine Hypothek von vierhunderttausend Pfund auf meine Wohnung aufgenommen“, stieß sie hervor. „Dann ist er abgehauen und hat die Rückzahlung mir überlassen.“

Salvatore zog die Augenbrauen hoch. Für eine Frau ohne seinen finanziellen Hintergrund war das eine beachtliche Summe.

Die Fremde brach den Blickkontakt ab. „Entschuldigung. Ich weiß nicht, weshalb ich Ihnen das erzähle“, sagte sie mit fester Stimme. Sie schaute aus dem Fenster. Mittlerweile hatten sie Notting Hill Gate erreicht und fuhren die Kensington Park Road hinunter. „Oh, ich wohne in der nächsten Querstraße“, rief sie. „Auf der linken Seite.“

Der Chauffeur hielt vor einem hübschen Haus, zu dem eine gepflegte Terrasse gehörte. Salvatore warf einen Blick nach draußen. Kein Wunder, dass der Ex eine so hohe Hypothek hatte aufnehmen können – Immobilien in diesem Teil der Stadt waren nicht gerade preiswert.

Als hätte sie seine Gedanken gelesen, sah sie ihn unvermittelt an. „Jahrelanges Sparen plus eine Erbschaft“, erklärte sie. Schon wieder war die Wut in ihrer Stimme deutlich zu hören. „Und der Mistkerl hat sich mit der Hälfte davon aus dem Staub gemacht!“ Sie atmete hörbar durch. „Es tut mir leid“, wiederholte sie. „Meine Probleme gehen Sie nichts an.“

Hastig löste sie den Sicherheitsgurt. Der Fahrer war bereits ausgestiegen und öffnete gerade die Tür für sie.

Die Unbekannte sah Salvatore an. „Danke fürs Mitnehmen. Es tut mir leid wegen Ihre Einladung heute oder an einem anderen Abend, aber … na ja.“

Bildete er es sich ein oder verweilte ihr Blick ein wenig zu lange auf ihm? Lag Bedauern in ihren Augen? Doch bevor er eine Antwort fand, stieg sie anmutig aus dem Wagen.

Dann wandte sie sich noch einmal zu ihm um. „Gute Nacht“, wünschte sie. Und dieses Mal war er sich absolut sicher, Bedauern in ihrer Stimme zu hören.

Salvatore empfand ebenfalls Bedauern. Für sich.

Zum Abschied hob er eine Hand. Sollte er sie nach ihrem Namen fragen? Ihr seine Karte geben?

Doch sie überquerte bereits die Straße und lief leichtfüßig die Stufen zu der schwarz glänzenden Haustür hinauf. Eilig zog sie einen Schlüssel aus ihrer Tasche und verschwand im Inneren des Gebäudes.

Sie hatte sich nicht noch einmal zu ihm umgedreht.

Der Chauffeur saß wieder hinter dem Steuer, und Salvatore nannte ihm die Adresse seines Hotels. Er würde heute Abend in seiner Suite essen … allein.

Che peccato.

Wie schade!

2. KAPITEL

Salvatore weilte wieder in Rom, nachdem er seine Reise nach London durch einen Umweg über New York und Chicago verlängert hatte. Einerseits hatte es ihn gefreut, Englands Hauptstadt zu verlassen, andererseits war er nur widerwillig ins Flugzeug gestiegen – und der Grund dafür war die atemberaubende Blondine, die er vom ersten Augenblick an begehrt hatte, die jedoch leider keine Zeit für ihn erübrigen konnte.

Und er verstand sogar, warum das so war … sie musste rund um die Uhr arbeiten, um die enorme Schuldenlast zu stemmen, die auf ihren Schultern ruhte. Er runzelte die Stirn. Hatte sie ihm davon erzählt, weil sie glaubte, sie könne ihn dazu bringen, die Summe für sie zu übernehmen?

Dann wies er den Verdacht von sich. Wenn sie sich für sein Geld interessiert hätte, hätte sie seine Einladung zum Essen nicht ausgeschlagen … immerhin hätte sich daraus eine Affäre ergeben können.

Es freute ihn, dass er in dieser Hinsicht nicht schlecht von ihr denken musste. Trotzdem frustrierte es ihn, dass sie ihn zurückgewiesen hatte.

Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte. Froh über die Ablenkung, griff er nach dem Hörer.

Aber die Stimme, die aus der Leitung drang, war nicht die Art Ablenkung, die er gebrauchen konnte. Es war Roberto, der ihn drängte, ihn zum Mittagessen zu treffen. Vordergründig ging es darum, die Fortschritte der Unternehmen zu besprechen, in die sie gemeinsam investiert hatten. Doch als sie am Tisch saßen, dauerte es nicht lange, bis Roberto wieder zu seinem neuen Lieblingsthema wechselte und versuchte, seine Tochter unter die Haube zu bringen.

„Meine liebe Gia braucht einen älteren Mann … jemanden, der sie leitet und beschützt.“

„Aber dieser Mann, Roberto, kann nicht ich sein“, erwiderte Salvatore.

Ein mürrischer Ausdruck verfinsterte die Miene seines Gegenübers – Roberto setzte gerne seinen Willen durch. Wie der Vater, so die Tochter, dachte er unwillkürlich.

„Warum?“

Die Herausforderung in der Frage kam unverblümt. Angriffslustig.

Salvatores Frust und Verärgerung schlugen in Verzweiflung um. Er brauchte ein Argument, das Roberto endgültig aufhielt, ihm aber nicht so sehr in die Hände spielte, dass er übermäßig Schwierigkeiten machen würde, wenn Salvatore sich geschäftlich von ihm löste. Es musste etwas sein, was Roberto unmöglich anfechten konnte. Und da fiel ihm nur eins ein.

„Weil …“ Er bemühte sich um einen entschlossenen Tonfall. „Weil ich im Moment in einer Beziehung bin. Mit einer Frau“, fuhr er fort und lauschte seinen Worten mit derselben Ungläubigkeit, die er auf Robertos Gesicht sah, „die ich heiraten werde.“

Mit einem Mal waren die Worte in der Welt, völlig aus der Luft gegriffen, und konnten nicht zurückgenommen werden.

Salvatore hatte keine Ahnung, wo sie hergekommen waren. Ihn befiel das ungute Gefühl, dass er soeben alle Brücken hinter sich abgebrochen hatte. Was sollte er jetzt tun?

Müde stieg Lana in den Bus. Den ganzen Tag hatte sie ununterbrochen gearbeitet – drei Shootings. Und auch für morgen war sie ausgebucht. Am Tag danach stand zum Glück nur ein einziges Casting im Kalender. Sie runzelte die Stirn. Es sollte an einem sonderbaren Ort stattfinden, irgendwo in der Stadt. Weder der Auftraggeber noch die Kampagne oder andere Details waren erwähnt worden. Sie hatte nur zugestimmt, weil sie im Moment nie einen Auftrag ablehnte … ganz gleich, wie erschöpft und kraftlos sie sich auch fühlte.

Ich kann so nicht weitermachen! Ich verliere noch den Verstand, wenn ich versuche, die horrenden Zinsen weiter zu bezahlen.

Malcolm hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, nach günstigen Krediten zu suchen. Er hatte einfach in ihrem Namen eine Hypothek beantragt und dabei eine gefälschte E-Mail-Adresse verwendet. Dann hatte er auch noch dreist ihre Unterschrift auf dem Antrag gefälscht. Das Geld hatte er auf das gemeinsame Bankkonto einzahlen lassen, zu deren Eröffnung er sie überredet hatte. Anschließend hatte er die Summe auf sein eigenes Konto überwiesen und sich aus dem Staub gemacht.

Als sie nach einem Fotoshooting im Ausland nach Hause kam, waren er und all seine Sachen verschwunden. Stattdessen fand sie einen Brief von einer ihr völlig unbekannten Kreditanstalt vor, in dem stand, welche Summe sie schuldete und welcher Zinssatz für das riesige Darlehn angesetzt war. 

Autor

Julia James
Julia James lebt in England. Als Teenager las sie die Bücher von Mills & Boon und kam zum ersten Mal in Berührung mit Georgette Heyer und Daphne du Maurier. Seitdem ist sie ihnen verfallen.

Sie liebt die englische Countryside mit ihren Cottages und altehrwürdigen Schlössern aus den unterschiedlichsten historischen...
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