Verführung am Fluss

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Kochen kann Savannah nicht. Das merkt Ryder schnell, nachdem er sie als neue Köchin auf der Ranch engagiert hat. Aber irgendwie kommt sie ihm bekannt vor, und ihre weiblichen Reize sind Versuchung pur …


  • Erscheinungstag 10.04.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733773991
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Wieder mal typisch.“ Savannah quetschte ihre Jeans in den Koffer. „Da glaubt man, endlich den Richtigen gefunden zu haben, und dann wird er einem von einer anderen Frau weggeschnappt.“ Schwungvoll warf sie einige Pullover aufs Bett.

Jenny lehnte am Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Soviel ich weiß, hat er noch keine Heiratsanzeigen verschickt.“

Savannah setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. „Er hätte mir von Anfang an sagen müssen, dass es da eine andere Frau in seinem Leben gibt.“

„Jetzt sei mal ehrlich, Savannah. So toll fandest du ihn in Wirklichkeit doch gar nicht. Wieso bist du eigentlich immer noch so wütend?“

Savannah wurde rot. „Weil ich wie immer als die Dumme dastehe.“

„Im Grunde hat er doch überhaupt nicht zu dir gepasst. Du solltest heilfroh sein, dass du es hinter dir hast.“

„Vielleicht hast du recht.“

Jenny nickte aufmunternd und zog Savannah auf die Füße. „Also, Schluss jetzt mit dem Gejammer. Das alles liegt mehr als einen Monat zurück.“ Sie schob ihre Freundin mit sanfter Gewalt zu dem weißen Sofa in der Ecke. Beide ließen sich in die weichen Kissen fallen.

„Mal ganz ehrlich, Jenny. Warst du je so richtig verliebt? Du weißt schon, mit Herzklopfen und Kribbeln im Magen und weichen Knien und allem Drum und Dran?“

Jenny ließ in gespielter Wehmut den Blick in die Ferne schweifen. „Nein.“

„Noch nie?“

„Leidenschaft und Lust kenne ich natürlich. Aber das, worauf du anspielst … nein.“

„Vielleicht bin ich ja tatsächlich heillos romantisch, aber es wird höchste Zeit, dass mir mein Traummann bald über den Weg läuft. Ich bin schließlich fast dreißig.“ Sie schnaubte verächtlich.

Jenny klopfte besänftigend auf Savannahs Knie und kuschelte sich tiefer in ihr Kissen. „Die ganze Angelegenheit hatte auch ihr Gutes“, meinte sie mit optimistischer Stimme. „Du wirst nun nach Montana gehen, um auf den Pfaden deiner Jugendliebe zu wandeln, wenn ich alles richtig verstanden habe.“

Savannahs Blick schweifte nachdenklich über das mit Kleidungsstücken übersäte Bett. Sie fragte sich, ob ihre Entscheidung vernünftig gewesen war … oder nur eine weitere ihrer impulsiven Verrücktheiten.

„Sehr siegessicher siehst du nicht gerade aus“, sagte Jenny provozierend. „Wir kennen uns jetzt seit sieben Jahren. Und worüber reden wir letztendlich jedes Mal, wenn wieder eine deiner Affären in die Brüche gegangen ist? Na los. Sag schon“, forderte Jenny sie auf.

„Über Ryder. Ryder Malone.“ Es genügte, seinen Namen auszusprechen, um ihr Herz einen kleinen Sprung machen zu lassen. Seltsam. Vor zwölf Jahren hatte er Detroit verlassen, und noch immer besaß er solche Macht über sie. „Aber … wir waren nur Freunde, weiter nichts.“ Sie seufzte leise. „Wahrscheinlich erinnert er sich gar nicht mehr an mich.“

„Natürlich tut er das“, widersprach Jenny. „Du hast doch nur Angst, dass du ihm gleichgültig sein könntest.“

„Was soll das jetzt? Willst du mir mein letztes bisschen Mut nehmen?“

„Quatsch! Ich bin schließlich deine Freundin, oder etwa nicht?“ Eindringlich sah sie ihr in die Augen.

„Wie könnte ich das je vergessen?“ Savannah sprang vom Sofa auf. „Aber wenn wir weiter so herumtrödeln, werde ich nie mit dem Packen fertig. Und wir müssen noch meine Haare schneiden und färben.“ Sie zog Jenny auf die Füße. „Los setz dich in Bewegung. Schließlich hattest du die Idee mit der Verkleidung.“

„Ich weiß einfach nicht, ob es richtig ist, dass du nach Montana gehst … und diesen Job annimmst … nur um Ryder wiederzusehen. Meine Güte, Savannah, die Wohnung wird schrecklich öde ohne dich sein.“

„Es ist doch nur für den Sommer, vielleicht sogar kürzer …“

„Nein“, unterbrach Jenny sie. „Du kommst nicht mehr zurück.“

Savannah hielt den Atem an. Es waren nicht die schlichten Worte, die sie erschreckten, sondern die Gewissheit, mit der Jenny sie ausgesprochen hatte. Vielleicht lag es an ihren indianischen Vorfahren, dass Jenny manchmal hellseherische Fähigkeiten zu haben schien. „Du könntest mit mir nach Joeville ziehen“, erwiderte sie, denn auch sie fürchtete die Trennung. Selbst wenn sich die Geschichte mit Ryder wider Erwarten wunschgemäß entwickelte, konnte sie es sich nicht vorstellen, Monate oder gar Jahre ohne ihre beste Freundin auszukommen.

Jenny schnaubte leise. „Ha! Ich und in Joeville? Mit all diesen Cowboys und Indianern? Dass ich nicht lache.“ Sie nahm ein in Leder gebundenes Buch mit Goldschrift vom Nachtkästchen und hielt es mit einem maliziösen Lächeln in die Luft, froh darüber, das Thema wechseln zu können. „Was haben wir denn da? Abschlussklasse 1985 …“

„Nein, bitte nicht!“

„Da ist es schon.“ Mit dem Finger fuhr Jenny das Inhaltsverzeichnis entlang. „Foto der Abschlussklasse – Seite siebenundzwanzig.“ Sie blätterte rasch zur entsprechenden Stelle. „Jetzt wird mir klar, warum ich das Foto nie sehen durfte!“

„Ziemlich schlimm, oder?“ Savannah trat näher, blickte Jenny über die Schulter und zog eine Grimasse, als sie ihr Bild von früher sah. Damals hatte sie eine Zahnspange tragen müssen, hatte mausbraune, schulterlange Haare gehabt und war mindestens fünfundzwanzig Kilo schwerer gewesen.

Jenny blickte abwechselnd vom Foto zu ihrer Freundin. „Zu schade, dass du keine Kontaktlinsen trägst, sonst könnten wir auch noch deine Augenfarbe ändern. Grün statt blau. Trotzdem wird er dich nicht erkennen, wenn wir mit unserer Arbeit fertig sind.“ Sie legte das Buch zur Seite, griff mit beiden Händen in Savannahs Haar und hielt es an den Seiten zurück. „Das ist es. Kürzer und dunkler, und du bist ein vollkommen anderer Typ.“

„Dann lass uns gleich damit anfangen, ehe ich noch verrückt werde.“ Die beiden Freundinnen machten sich lachend auf dem Weg zum Badezimmer.

Savannah zog ihren Pullover aus, nahm auf dem Toilettensitz Platz und ließ sich von Jenny ein Handtuch umlegen.

„Was meinst du, erst mal halblang oder gleich radikal?“, wollte Jenny wissen.

Savannah betrachtete Jennys pechschwarzes Haar, das kurz und fransig geschnitten war. Wenn sie mit einer solchen Frisur auch nur halb so gut wie ihre Freundin aussehen würde, wäre sie schon mehr als zufrieden. „Genau wie deine.“

„Wirklich?“ Jenny klapperte mit der Schere.

„Ja, und jetzt beeil dich.“ Savannah schloss die Augen und hielt krampfhaft das Handtuch fest.

Eine halbe Stunde später war sie erschöpft vom langen Sitzen. Sie blies sich eine Haarsträhne von der Nase. „Wann kann ich endlich gucken?“

Jenny nahm ihr das Handtuch von den Schultern. „Immer mit der Ruhe. Ich bin noch lange nicht fertig.“ Sie zog sich ein Paar Plastikhandschuhe an und schüttelte die Flasche mit dem Haarfärbemittel. „Solange die Farbe einwirkt, können wir weiter deine Koffer packen.“ Sie trug die Farbe mit schnellen Bewegungen auf, streifte die Handschuhe ab und fächelte sich etwas frische Luft ins Gesicht. Dann zog sie ihre Freundin hoch und schob sie aus dem Bad. „Die Klamotten, die du mitnehmen willst …“

„Was ist damit?“

„So etwas würde die alte Savannah tragen. Aber du …“

„Ich kann mir doch keine neue Garderobe zulegen.“

„Nein, aber du könntest ein paar von meinen Sachen mitnehmen.“

„Die sind mir eine Nummer zu klein.“

„Genau. Was würde Ryder am wenigsten an der alten Savannah erwarten?“

Savannah betrachtete die weiten Sweatshirts und Baumwollblusen, die auf dem Bett lagen. Sie liebte locker sitzende, bequeme Kleidung und fühlte sich immer etwas unwohl, wenn sie ihren üppigen Busen mehr als nötig zeigte, weil er ihrer Meinung nach nicht zu ihrem schlanken Körper passte. „Du meinst doch wohl nicht, dass ich …“

„Dass du enge T-Shirts und taillierte Blusen trägst? Doch. Vertrau mir, ich weiß schon, was richtig ist.“

Als Jenny den Raum verließ, um einige ihrer Kleidungsstücke zu holen, warf Savannah einen Blick in das Jahrbuch und blätterte zu Ryders Foto. Sofort begann ihr Herz wie wild zu klopfen.

War es richtig, dass sie ihr Äußeres so radikal veränderte? Sicher, er sollte sie auf keinen Fall erkennen, ehe die Zeit reif war … falls es je so weit kommen sollte. Zunächst wollte sie lediglich erfahren, was aus ihm geworden war, und ob er irgendetwas mit dem Phantombild gemein hatte, das sie in ihrem Herzen trug. Sie wünschte sich, dass er sie ganz neu kennenlernen würde, ohne jedes Gefühl der Verpflichtung einer alten Freundin gegenüber. Zwischen ihnen sollte es vollkommen ehrlich zugehen.

Ehrlich! Welche Heuchelei! Savannah hasste es, Ryder gegenüber unaufrichtig sein zu müssen, aber wie sollte sie sonst die Wahrheit erfahren?

Wieder betrachtete sie sein Foto. Da gab es noch etwas, das ihr Sorgen bereitete. Sie hatte über einen Detektiv erfahren, wo Ryder lebte, dass er unverheiratet war und dass auf seiner Ranch eine Stelle als Köchin zu besetzen war. Doch was, wenn er in einer festen Beziehung lebte?

Jenny stürmte strahlend mit einem Arm voller Kleidungsstücke zurück ins Zimmer.

Savannah erwiderte ihr Lächeln. „Okay, ich nehme ein paar von deinen Sachen mit. Aber ob ich sie auch tragen werde, weiß ich noch nicht.“

Mit vereinten Kräften arbeiteten sie, leerten Schubladen und Schränke und packten einen weiteren Koffer mit Unterwäsche, Nachthemden und Schuhen. Dabei redete Savannah ununterbrochen über die Woche, die vor ihr lag. „Jenny, glaubst du denn wirklich, dass ich das Kochen hinkriege? Ich bin immer Sekretärin gewesen und kann nichts anderes.“

„Darüber haben wir doch schon mindestens hundert Mal gesprochen. Du hast die Liste, wo ich dir Schritt für Schritt aufgeschrieben habe, wie die gängigsten Gerichte zubereitet werden. Und in dem Kochbuch stehen jede Menge Rezepte. Solltest du wirklich einmal nicht weiterwissen, kannst du mich doch jederzeit anrufen.“ Sie sah auf ihre Armbanduhr. „Höchste Zeit, die Farbe auszuspülen. Ab mit dir ins Bad.“

Als Savannah wenig später den Kopf hob, stand Jenny schon mit dem Haartrockner und einer Bürste bereit und lächelte aufmunternd.

„Okay“, seufzte Savannah und schloss die Augen. „Fang an zu zaubern.“

Jenny hantierte die nächste halbe Stunde schweigend mit Haarfestiger, Föhn und Make-up. Sie befahl ihrer Freundin, unbedingt die Augen geschlossen zu halten. Dann lief sie ins Nebenzimmer, um das passende Outfit zum neuen Haarschnitt zu holen.

In einem knallengen rostroten T-Shirt und nicht minder knapp sitzenden Shorts fand sich Savannah schließlich noch immer mit geschlossenen Augen vor dem Spiegel. Vorsichtig schlug sie die Augen auf.

„Ach du lieber Himmel! Wie sehe ich denn aus? Wie die letzte Schlampe.“

Jenny nickte zufrieden. „Savannah Elizabeth Smith … du siehst einfach umwerfend aus.“

Savannah atmete tief ein, stieß die Luft wieder aus und riskierte einen weiteren Blick über ihre Schulter. „Findest du mich nicht ein bisschen zu ordinär?“

„Schon, aber du willst doch nach Montana, oder?“, lachte Jenny. Dann trat sie einen Schritt zurück und betrachtete wohlgefällig ihr Werk. „Cowboys mögen das. Erinnerst du dich nicht mehr an diesen Song …?“

Savannah kicherte nervös und verdrehte die Augen.

„Entspann dich. Alles wird gut. Ryder Malone wird gar nicht wissen, wie ihm geschieht.“

Der Morgen dämmerte über den beiden schneebedeckten Zwillingsgipfeln im Osten, als Ryder Malone an seinem Lieblingsaussichtspunkt anhielt. Er schaltete den Motor aus, öffnete die Wagentür, stieg aus und atmete die reine Gebirgsluft ein. Es duftete nach Salbei.

Frühling in Montana … Zeit der Hoffnung und des Neubeginns. War er tatsächlich so verrückt zu glauben, dass in diesem Jahr irgendetwas geschehen könnte, das endlich die Leere aus seinem Herzen vertreiben würde?

Er trat an den Rand des Felsvorsprungs und blickte hinunter auf die Ländereien der Ranch. Sein Zuhause. Viel zu selten empfand er die Bedeutung dieses Wortes. Er hatte hier nur bis zu seiner College-Zeit gelebt. Dann hatte er in Detroit studiert. Es folgten einige kurze Stippvisiten während seines Studiums und anschließend acht lange Jahre auf einer Farm, die viele Hundert Meilen entfernt im Norden lag. Und nun war er vor wenigen Wochen wieder zurückgekehrt.

Ryder streckte sich, um die Müdigkeit abzuschütteln, die er einmal mehr einer schlaflosen Nacht auf Maddys unbequemer Bettcouch zu verdanken hatte. Seine Gedanken wanderten zu Maddy und dem kleinen Billy mit seinem sommersprossigen Gesicht und der Zahnlücke. Ryder verkrampfte sich, wenn er daran dachte, wie viel Kummer dem kleinen Kerl bevorstand …

Nein, daran wollte Ryder jetzt nicht denken. Er sah wieder hinunter auf die Ranch. Über dem Torbogen an der Zufahrt zum Haus stand in großen Lettern der Name Montana Malones. Er ließ seinen Blick über das lang gestreckte Haupthaus mit dem zweistöckigen Anbau wandern. Hier wohnten die Haushälterin Hannah, sein jüngerer Bruder Joshua und er selbst.

Auch für seinen älteren Bruder Shane stand hier ein Zimmer bereit, doch der schlief lieber zusammen mit dem Indianer Bucking Horse in einem zweiten Anbau hinter den Pferdeställen. Ihr Vater lebte im Haupthaus, räumlich getrennt von seinen drei Söhnen.

Rauch drang aus dem Kamin der Küche, und Ryder verspürte auf einmal Appetit. Die anderen saßen jetzt vermutlich schon am Tisch, und Hannah gluckte wie eine Mutterhenne um sie herum. Wenn er sich beeilte, würde er ein wunderbares üppiges Frühstück zu sich nehmen können. Doch irgendwie widerstrebte es ihm, jetzt zu hetzen. Die warme Frühlingssonne und die grandiose Aussicht waren zu verführerisch. Schon als kleiner Junge hatte er diesen Platz mit Blick auf die Zwillingsgipfel geliebt, die sich in dem See zu ihren Füßen spiegelten und so zwei große Ms darstellten. Zwei große Ms für die Montana Malones.

Doch Ryder war kein kleiner Junge mehr und auch nicht aus Sentimentalität zurückgekehrt, sondern weil Shane ihn dazu aufgefordert hatte. In seinem Brief stand, dass Joshua sich eine eigene Farm aufbauen wollte, und Shane würde die Arbeit auf der Malone Ranch nicht ohne Hilfe bewältigen können. Da Ryder eines Tages ein Drittel der Ranch erben würde, sei es nun an der Zeit für ihn, sich auch darum zu kümmern. Ryder konnte Shane nur zustimmen. Zwischen ihm und seinen Brüdern gab es ohnehin keine Unstimmigkeiten.

Er betrachtete die weite Ebene und entdeckte etliche Meilen entfernt eine winzige Staubwolke auf der Straße. Wer mochte wohl so früh an einem Montagmorgen zu ihnen unterwegs sein?

„Das ist die letzte Portion“, grummelte Hannah und stellte eine Platte mit Pfannkuchen auf den Tisch. „Ich habe schließlich auch noch etwas anderes zu tun als zu kochen.“ Sie griff nach einer Thermoskanne und schenkte Kaffee ein. „Wenn ich nicht bald eine Hilfe bekomme, liege ich irgendwann auf der Nase, und dann könnt ihr sehen, wie ihr zurechtkommt.“

„Schon gut, Hannah.“ Max wischte sich den Mund ab. „Ich habe dir doch gestern erzählt, dass sich heute eine junge Frau vorstellen wird.“ Er sah auf seine Armbanduhr. „Sie müsste eigentlich jeden Moment hier sein.“

„Eine junge Frau?“ Fragend zog Joshua die Augenbrauen hoch.

Lächelnd wandte sich Max seinem jüngsten Sohn zu. „Zumindest klang ihre Stimme am Telefon jung.“

„Für dich klingt doch jeder jung“, warf Shane ein.

„Da kommt ein Auto. Vielleicht ist sie das.“ Hannah stand am Fenster. „Ich sehe mal nach.“

Max erhob sich abrupt. „Nein. Das übernehme ich dieses Mal.“ Immerhin hatte Hannah schon sechs Bewerberinnen vergrault, und diese sollte nicht die Nummer sieben werden.

Er verließ das Esszimmer und schloss die Tür hinter sich, ohne auf die Einwände seiner Söhne zu achten. Dann ging er zur Vorderseite des Hauses.

Ein großer weißer Kombi hielt vor dem Haus. Max stieß einen tiefen Seufzer aus, als die Fahrerin die Wagentür öffnete und ausstieg. Gut, sie war jung und sehr hübsch. Aber im Grunde viel zu hübsch, wenn er an seine drei Söhne dachte. Er beobachtete, wie sie ziemlich erfolglos versuchte, den kurzen Jeansrock nach unten zu ziehen. Ihr pfirsichfarbener Pullover saß hauteng und überließ nichts der Fantasie. Hannah würde absolut nicht begeistert sein, doch wie lange würde sie es andererseits noch ohne Hilfe schaffen?

Mit großen Schritten ging Max der jungen Frau entgegen. Ein freundliches Lächeln erhellte ihr Gesicht, während sie auf ihn zukam. Freundlichkeit war in dieser einsamen Gegend schon mal viel wert. Er beschloss, ihr den Job anzubieten, sofern sie auch nur zwei halbwegs vernünftige Sätze hintereinander sprechen konnte.

Savannah zupfte noch einmal an Jennys schamlos kurzem Rock und ging dann entschlossen auf den Mann zu, der wohl Max Malone sein musste. Sie hatte gestern Abend mit ihm telefoniert. Als sie nur noch wenige Schritte voneinander entfernt waren, glaubte sie, Ryders dunkle Augen vor sich zu haben. Ihr Magen verkrampfte sich.

Der Mann streckte ihr die Hand hin. „Hallo. Ich bin Max Malone. Sie müssen Essie sein.“

Sie ergriff seine große, kräftige Hand und schüttelte sie. Zum Glück sah er ihr genau in die Augen und nicht tiefer. Sie verfluchte Jennys Idee mit der hautengen Kleidung. Was musste der Mann bloß von ihr denken?

„Die ersten beiden Tests haben Sie schon bestanden“, sagte er mit einem herzlichen Lächeln. „Sie haben zu uns gefunden und es geschafft, vor sechs Uhr hier zu sein.“ Er warf einen Blick über die Schulter zum Haus. „Stört es Sie, wenn wir uns hier draußen unterhalten? Der Morgen ist so schön, und ich stecke meistens den ganzen Tag in meiner Praxis.“

„In Ihrer Praxis?“

„Ich bin Arzt“, erklärte Max ihr.

Savannah zog ihr Empfehlungsschreiben aus der Tasche und überreichte es ihm, während sie gemeinsam zu einer Holzbank gingen, auf der sie nebeneinander Platz nahmen.

Sorgfältig las er den Brief. „S. E. Smith … das ist also die Erklärung für den Namen Essie?“

„Ja, genau“, erwiderte sie rasch. Niemals hatte sie sich Essie genannt, er musste es am Telefon falsch verstanden haben, als sie sich mit S. E. gemeldet hatte. Doch ihr konnte es nur recht sein.

„Wo leben Sie, Essie?“, fuhr Max fort.

„Tja, nun … ich bin neu in der Gegend. Ich habe ein Zimmer unten im Big Beak Motel, bis ich einen Job finde.“

„Im Big Beak? Das ist ziemlich weit von hier entfernt. Könnten Sie sich denn vorstellen, auch dort zu wohnen, wo Sie arbeiten … wenn Sie eine geeignete Stelle finden, meine ich?“

„Auf dem Weg hierher habe ich nicht besonders viele Apartmenthäuser gesehen“, lachte Savannah. „Ich würde ein solches Angebot sicherlich annehmen.“

Max schlug die Beine übereinander. „Nun, Essie, in Ihrem Empfehlungsschreiben heißt es, Sie könnten kochen, und wir brauchen dringend eine Köchin. Lassen Sie uns ins Haus gehen, und Sie sehen sich den Rest der Familie an, ehe Sie Ihre Entscheidung treffen. Darf ich Sie einladen, mit uns zu frühstücken?“

Savannah war wie vor den Kopf geschlagen. Sie hatte den Job. Genau, wie sie es sich gewünscht hatte. Nun würde sie hineingehen müssen und sich den „Rest der Familie“ ansehen. Würde Ryder sie erkennen? Auf einmal hatte sie schreckliche Angst.

„Vielen Dank, sehr gern. Ich hole nur noch meine Tasche.“ Sie lief zu ihrem Auto zurück. In diesem Moment kam ein Pick-up die Auffahrt heraufgeprescht. Es sah nicht so aus, als wolle der Fahrer bremsen. Gleich würde er ihren Wagen rammen.

Savannah stolperte zurück, wischte sich den Staub aus den Augen und hielt den Atem an. Bremsen quietschten auf, und wie durch ein Wunder kam der Pick-up wenige Zentimeter vor der Stoßstange ihres Wagens zum Stehen. Die Fahrertür schwang auf, und heraus sprang ein ziemlich verwahrlost aussehender Cowboy … den Stetson über der verspiegelten Sonnenbrille tief ins Gesicht gezogen. Mit aufreizendem Hüftschwung ging er auf Savannah zu.

„Nanu, wen haben wir denn da?“

„Eine neue Köchin hoffe ich … es sei denn, du hast sie schon jetzt vergrault, ehe sie überhaupt einen Fuß ins Haus gesetzt hat.“ Max war hinter Savannah aufgetaucht. „Darf ich dir Essie Smith vorstellen?“

Savannah verschränkte die Arme vor der Brust, zum einen, weil ihr das Auftreten des Cowboys nicht gefiel, zum anderen, weil sie das Gefühl hatte, dass er hinter seiner Sonnenbrille ungeniert auf ihren Busen starrte. Er nahm den Stetson vom Kopf und klopfte ihn gegen seine ausgebleichten Jeans. Mit der einen Hand fuhr er sich durch sein braunes zerzaustes Haar, mit der anderen nahm er die Sonnenbrille ab.

Als sie sein vertrautes Gesicht sah, sank ihr das Herz fast bis zu den weichen Knien.

„Tschuldigung, Ma’am“, sagte er und wandte sich an seinen Vater. „Ist noch etwas vom Frühstück übrig?“

Autor

Anne Eames
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