Verrückt nach deiner Zärtlichkeit

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Wie im Paradies fühlt sich Caris auf Navarro Island. Tropen, Meer - und Alex Navarro, der ihren Puls beschleunigt und ihre Lust weckt! Die junge Rechtsanwältin ahnt nicht: Alex ist zwar ein Traummann - aber bei den Verhandlungen über die Insel sagt er nicht die Wahrheit.


  • Erscheinungstag 08.03.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733788162
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Dies war kein Tag, um sich das Rauchen abzugewöhnen! Caris Johnson seufzte entnervt. Es gab zwar Leute, die behaupteten, sie würden für eine Zigarette jemanden umbringen. Dieses Denken war ihr fremd.

Bis jetzt.

Nervös umklammerte sie die Lehne ihres Flugzeugsitzes, als die Maschine plötzlich sank. Ihr war übel. Wie sollte sie das alles ohne eine einzige Zigarette aushalten? Sie warf einen Blick auf ihren Reisebegleiter.

Harrison J. Peters III. schlief friedlich, ein kleines Lächeln auf dem verhärmten, alternden Gesicht. Die Turbulenzen des Fluges und Caris’ Panik entgingen ihm also völlig.

Das war auch gut so. Es wäre nicht klug gewesen, gegenüber dem Mann Schwäche zu zeigen, der womöglich über ihre berufliche Zukunft entschied.

Die kleine Maschine schlingerte bedrohlich.

Caris fragte sich, warum sie unbedingt hatte mitfliegen wollen. Nie wieder würde sie ein Flugzeug besteigen, wenn sie erst Partnerin bei Harrison, Harrison, Joffrey und Peters, einer der besten Anwaltskanzleien in Washington, D. C., geworden war!

Die Kanzlei, die sich neuerdings auch in der Immobilienbranche betätigte, wollte bei Navarro Investments einsteigen, um ein neues Feriendorf an einem der Strände der Insel Navarro zu bauen. Caris war zuversichtlich gewesen, dass das die Chance sein konnte, um als erste Frau die Partnerin in der exklusiven Kanzlei zu werden. Schließlich war dies das Thema ihrer Examensarbeit an der Yale University gewesen: Erwerb und Errichtung von Feriendörfern am Meer.

Caris war in den acht Jahren seit ihrem Examen an keinem Strand mehr gewesen, auch hatte sie sich keineswegs mit den komplizierten juristischen Fragen, die mit dem Bau einer neuen Ferienanlage zusammenhingen, beschäftigt. Doch davon ließ sie sich nicht schrecken. Sie hatte sich stets mit Begeisterung in neue Aufgaben gestürzt.

Die Kanzlei bot ihr dazu immer wieder die Möglichkeit. Und gerade deshalb fühlte sie sich dort so wohl.

Caris’ Begeisterung für die Reise war erheblich getrübt worden, als sich herausstellte, dass Harrison J. Peters mit ihr fliegen würde. Er verabscheute Leute, die rauchten. Wenn er geahnt hätte, dass Caris eine ziemlich starke Raucherin war …

Niemand in der Kanzlei wusste davon. Jedenfalls niemand von Bedeutung. Seit Jahren rauchte sie auf der Damentoilette und überdeckte den Geruch mit Mundspray und Chanel No. 5.

Die Sekretärinnen wussten natürlich alle Bescheid, behielten ihr Geheimnis jedoch für sich, um es sich nicht mit ihr zu verderben.

Aber es würde unmöglich sein, ihr Laster auf einer zweiwöchigen Reise auf eine abgelegene Insel vor der texanischen Küste zu verbergen, besonders vor Harrison.

Sie hatte geglaubt, es sei leicht, das Rauchen zugunsten ihrer Karriere aufzugeben. Aber jetzt, sechs Stunden nach ihrer letzten Zigarette, bezweifelte Caris, es zu schaffen.

Ihr dröhnte der Kopf, und ihr Kiefer schmerzte vom vielen Kaugummikauen. Hätte sie sich doch nur eines dieser Nikotinpflaster besorgt!

Sie warf Harrison J. Peters III. einen verstohlenen Blick zu. Er schlief noch immer.

Wenn sie sich beeilte, konnte sie sich vielleicht auf der Toilette aus Toilettenpapier und Tabakkrümeln aus ihrer Handtasche eine Zigarette drehen.

Doch da setzte der Pilot bereits zur Landung an.

Fast alle der vierzehn Passagiere befolgten die Aufforderung, sich anzuschnallen.

Harrison wachte auf und reckte und streckte sich.

Caris lächelte, tapfer bemüht, ihre Entzugserscheinungen zu überspielen.

„Sind wir da?“, wollte Harrison wissen.

„Noch nicht.“ Sie schaute aus dem Fenster und überlegte, ob es auf dem Flugplatz wohl Rauchmelder auf den Toiletten gab. In den Siebzigerjahren waren vor der Küste Bohrtürme errichtet worden. Sie waren zehn Jahre später wieder aufgegeben worden, aber immerhin war der Flugplatz geblieben.

„Nichts als Wasser da unten.“ Harrison bemühte sich, ihr über die Schulter zu sehen, und Caris rückte zur Seite. Sie wusste, dass er nicht gern daran erinnert wurde, dass er klein war.

Caris selbst war eins zweiundsiebzig, also nicht allzu groß im Zeitalter der Models mit Gardemaß. Bis auf Mr Joffrey hatten die Anwälte der Kanzlei die gleiche Größe. Wenn Caris hochhackige Pumps tragen würde, hätte sie sie überragt.

Folglich verzichtete sie auf Pumps mit hohen Absätzen.

„Wir müssten gleich da sein. Ich glaube, ich sehe schon Land“, bemerkte Harrison.

„Der Flug von Galveston dauert knapp eine Stunde. Wenn das Feriendorf erst einmal gebaut ist, können wir Charterflüge von Houston aus einrichten und diese unbequemen kleinen Flieger umgehen.“

Harrison nickte wohlwollend. „Das ist meine Caris. Immer auf dem Laufenden mit ihren Recherchen.“

Caris lächelte gequält.

„Haben Sie die Information über Alex Navarro dabei?“

„Natürlich.“

„Gut. Wir werden sie brauchen.“ Harrison schüttelte den Kopf. „Ich verstehe immer noch nicht, warum Navarro es so eilig hat. Wer verhandelt schon über den Ankauf von Land, ohne das Land gesehen zu haben? Ich hoffe, Sie sind der Herausforderung gewachsen.“

„Sie können sich auf mich verlassen, Harrison.“

Caris wurde von Aufregung gepackt, als sie an das bevorstehende Tauziehen um juristische Fragen dachte. In Gedanken ging sie die ihr zur Verfügung stehenden Informationen durch.

Alexander Navarro. Er war vor Kurzem aus einem hochkarätigen Maklerbüro an der Wall Street als Finanzexperte ausgeschieden, um nach Navarro Island zurückzukehren. Caris bezweifelte, dass Alex aus Trauer um seinen kürzlich verstorbenen Vater so abrupt sein Leben geändert hatte. Es hieß, die beiden hätten seit Jahren kaum miteinander gesprochen. Wahrscheinlicher war, dass die Präsidentschaft von Navarro Investments Alex gelockt hatte.

Obwohl auch Alex’ Bruder, Michael und deren Schwester Kate gleiche Anteile am Familienunternehmen hielten, so besaß doch Alex die ganze Macht. Caris bezweifelte, dass sie die anderen Navarros überhaupt zu sehen bekommen würde. Michael studierte Wirtschaftswissenschaften an der Harvard-Universität, und Kate war mit einem der reichsten Männer in Houston verheiratet. Und die beiden schienen ebenfalls nicht um ihren Vater zu trauern.

Alex Navarro war also derjenige, der entschied, wer als Investor für die Ferienanlage infrage kam. Und ob Caris Sozius in der Kanzlei wurde.

Insgeheim wunderte sich Caris, warum Navarro Investments überhaupt einen Teilhaber suchte. Naturstrände wurden in den Vereinigten Staaten nicht jeden Tag erschlossen. Da einige versunkene spanische Galeonen auf dem Meeresgrund vor der Insel lagen, betrieben bereits drei Unternehmen in Galveston profitable Tauchfahrten nach Navarro Island.

Wenn Navarro nun sein eigenes Feriendorf auf der Insel baute und somit die zweistündige Überfahrt von Galveston überflüssig würde, wären ihm die Tauchfans als Kunden sicher. Sie würden sich das Privileg einiges kosten lassen, in den nahezu unberührten Gewässern zu tauchen und auf einer abgelegenen Insel zu wohnen. Und das alles knapp eine Flugstunde von Houston entfernt. Wozu also brauchte er einen Partner?

Navarros Angebot deutete auf ein Unternehmen, das in Geldnot war. Doch Navarro Investments stand seit fast zehn Jahren auf der Liste der finanzstärksten fünfhundert Firmen. Während des Ölbooms in den Siebzigern hatten sie ein Vermögen verdient. Und Alex Navarro hatte ein sechsstelliges Gehalt aufgegeben, um hierherzukommen. Falls die Navarros in finanziellen Schwierigkeiten waren, würde Caris es wissen.

Alex Navarro hatte sein Studium an der Harvard University mit Auszeichnung abgeschlossen. Caris selbst war Yale-Absolventin. Sie waren einander also ebenbürtig.

Sie lächelte. Der Mann hatte keine Chance. Nicht, wenn ihre Karriere womöglich von diesem einen Vertrag abhing. Sie würde das Beste für ihre Kanzlei herausholen.

Harrison stand auf, um in den Waschraum zu gehen.

Auf der anderen Seite des Mittelgangs kicherte eine Frau. Caris wünschte, sie hätte nicht hinübergesehen. Denn die blonde junge Frau saß auf dem Schoß eines Mannes. Sie streichelte seine Brust, und er hatte die Hände in ihrer Bluse.

Caris schaute zum Fenster hinaus, dann wieder zu dem Pärchen hinüber. Wenn sie verliebt wäre, würde sie sich in der Öffentlichkeit nie so aufführen.

Ihr wurde eng ums Herz.

Wenn sie verliebt wäre …

Bei ihrem Arbeitstempo würde das nicht passieren. Sie hatte nicht einmal Zeit, sich zu verabreden. Ihr Leben lang war sie damit beschäftigt gewesen zu studieren, zu arbeiten, voranzukommen.

Aber wollte sie das nicht so? Natürlich. Warum also zweifelte sie an sich selbst?

Es musste an den fehlenden Zigaretten liegen.

Um sich abzulenken, nahm Caris einen Zettel mit Telefonnotizen aus der Tasche ihrer Kostümjacke. Um die meisten Anrufe konnte sich Linda, ihre Sekretärin, kümmern. Bis auf einen. Matthew Clark.

Beim Gedanken an ihren sozial engagierten Studienfreund musste sie erneut lächeln. Seit einem Jahr hatte er sie nicht mehr angerufen, und Caris ahnte, was er wollte. Sicher hatte wieder einer seiner Mitarbeiter die Anwaltspraxis zugunsten einer besser bezahlten Position verlassen, und er hoffte, sie könne ihm helfen, die Stelle neu zu besetzen.

Wann endlich würde Matthew es kapieren? Geld regierte die Welt, nicht das soziale Gewissen.

Sie würde ihn anrufen, sobald sie zurück war.

Das Flugzeug ging steil nach unten, und Caris rang nach Luft. Die Frau auf der anderen Seite des Mittelgangs kicherte nervös und schlang ihrem Mann die Arme um den Hals.

Caris wünschte, sie hätte auch jemanden zum Festhalten.

Die Maschine flog erneut eine Steilkurve. Ja, in diesem Moment hätte sie jemanden für eine Zigarette umbringen können.

Alexander Navarro beobachtete, wie das kleine Flugzeug sich der Insel näherte und dann sanft auf der Landebahn des Flugplatzes von Navarro aufsetzte.

Nervös trommelte Alex mit den Fingern gegen das Dach des silberfarbenen Land Cruisers, den er für das heutige Treffen gemietet hatte. „Das sind sie.“ Alex wandte sich seinem jüngeren Bruder Michael zu.

Obwohl sie beide die gleiche dunkle Haarfarbe hatten und hochgewachsen und durchtrainiert waren, hatte Alex mehr als einmal gehört, dass Michael die blasse Kopie seines älteren Bruders genannt wurde. Falls auch Michael das zu Ohren gekommen war, erklärte das vielleicht, warum sie seit Jahren nicht gut miteinander auskamen.

„Hast du mich verstanden?“, fragte Alex in schärferem Ton als beabsichtigt.

„Ja.“ Michael stieg aus. „Was geht hier eigentlich vor, Alex?“

„Was meinst du?“

„Wo ist die Limousine geblieben?“

Alex zwang sich, gelassen zu bleiben. „Ich hab dir doch gesagt, dass sie in der Werkstatt ist.“

„So, so. Und der Chauffeur ist in Urlaub?“

„Ja.“

Michael legte den Kopf schief. „Warum sagst du mir nicht die Wahrheit, Alex?“

„Das tu ich doch.“

„Ja, natürlich.“ Michael klang nicht überzeugt.

Alex konnte es ihm nicht verdenken. Seine Ausreden waren mehr als dürftig. Aber Michael hatte durch seine überraschende Ankunft am Vorabend Alex’ ganze sorgfältige Planung über den Haufen geworfen. Wie hätte er seinem Bruder das fehlende Personal und die verschwundenen Wertgegenstände erklären sollen, ohne ihm die Wahrheit zu offenbaren – nämlich, dass Navarro Investments bankrott war? Sobald das Testament ihres Vaters gerichtlich eröffnet war, würde es alle Welt erfahren, und seine Verhandlungsgrundlage mit Harrison, Harrison, Joffrey und Peters wäre gleich null. Das wollte er vorerst vermeiden.

Alex wünschte, er könnte seinen Bruder einweihen. Aber er kannte Michael – dieser war viel zu sehr auf den eigenen Vorteil bedacht. So stand das außer Frage.

„Warum gibt John vor, dein Butler zu sein?“

Alex atmete tief durch. „Ich hab es dir doch gestern Abend schon erklärt, Michael. John gibt es nicht vor, ich hab ihn eingestellt.“

„Ja, richtig.“

Alex brach langsam der Schweiß aus. Wenn Michael bloß nicht aufgetaucht wäre. Warum war er hergekommen? Er steckte doch mitten in Abschlussprüfungen. „Wieso bist du eigentlich hier, Michael?“

Michael lachte auf. „Das klingt ja so, als wäre ich in meinem eigenen Elternhaus nicht willkommen.“

„Du warst seit Jahren nicht zu Hause.“

„Du auch nicht.“

„Brauchst du Geld?“

„Siehst du mich immer nur in Zusammenhang mit Geld? Als jemanden, der immer nur die Hand aufhält?“

Alex hob die Schultern. Das war nicht der rechte Zeitpunkt, um eine Grundsatzdiskussion mit seinem jüngeren Bruder zu führen.

„Vielleicht will ich dir einfach helfen.“

„Verzeih, wenn ich da skeptisch bin, Michael, aber …“

„Ich kann dich sehr wohl unterstützen, Alex. Ganz unerfahren in geschäftlichen Dingen bin ich nicht. Immerhin hab ich fast meinen Wirtschaftsabschluss.“

„Nicht, wenn du weiterhin einfach so von der Uni verschwindest.“

Michael wurde rot. Dann wechselte er das Thema. „Alex, wir könnten ein Riesengeschäft machen. Nakashimi ist bereit, eine Riesensumme für den Strand zu bezahlen. Wir sollten alles verkaufen und so schnell wie möglich von dieser Insel verschwinden.“

Alex spürte Bitterkeit in sich aufsteigen, wie immer, wenn er es mit seinem Bruder zu tun hatte. „Denkst du wirklich immer nur an Geld, Michael?“

„Geld regiert die Welt. Und das solltest du doch am besten wissen.“

Eine Zeit lang hatte Alex das auch geglaubt. Bis sich vor einem Monat alles für ihn geändert hatte. Bis sein Vater gestorben war und ein Geschäftsimperium hinterließ, eine anspruchsvolle und uneinige Familie und ein paar Geheimnisse.

Ohne den Blick von dem gelandeten Flugzeug zu wenden, lehnte sich Alex gegen den Wagen. Tatsächlich war er schon seit zwei Jahren mit seinem Leben unzufrieden. Er hatte eine tiefe Sehnsucht verspürt, die er nicht näher hätte beschreiben können. Durch den Tod seines Vaters hatte er die Chance bekommen, noch einmal von vorn anzufangen. Er hatte sie ergriffen, ohne lange zu überlegen, und seine Karriere an den Nagel gehängt.

Doch sein Leben war noch immer leer. Alex wusste nicht recht, was ihm fehlte, aber er wollte mehr.

Was auch immer das war, er hatte es nicht in Harvard gefunden, nicht an der Wall Street und auch nicht auf Navarro Island, wo er geboren war. Langsam fragte er sich, ob er es je finden würde.

„Wie groß ist die Chance, deine Meinung zu ändern?“, wollte Michael wissen.

„Etwa so groß wie die, deine Meinung zu ändern.“

Michaels Mund wurde schmal. „Lass das Alex. Ich habe keine Lust zu debattieren.“

„Denkst du nie an deine Zukunft? Es gibt mehr im Leben als Partys und Frauen. Und warum sagst du mir nicht endlich, was du wirklich hier willst?“

Michael fluchte. „Du bist vielleicht für das Familienunternehmen zuständig, Alex, aber nicht für mich.“

„Du wirst nicht ewig vierundzwanzig bleiben. Eines Tages wirst du erwachsen werden und Verantwortung übernehmen müssen.“

„Aber heute noch nicht. Du führst die Familiengeschäfte so gut, dass es mich gar nicht zu geben bräuchte. Und wenn ich dir einen Vorschlag mache, dann lehnst du ihn ab.“

Alex runzelte die Stirn. „Welchen Vorschlag?“

„Zum Projekt Strand.“

„Damit wären wir wieder beim Thema. Michael, die Anwälte sind eben gelandet. Wenn wir uns einigen, werde ich mit ihnen abschließen.“

„Ich bin nicht gegen einen Abschluss, Alex. Ich halte diesen hier nur für den Falschen. Ich begreife einfach nicht, dass du Leute, die du noch gar nicht kennst, zu Partnern machen willst, während Nakashimi Corporation hundertmal mehr für das ganze Land geboten hat.“

„Woher weißt du von diesem Angebot?“

Michael tat verlegen. „Du musst es wohl erwähnt haben.“

Wahrscheinlicher war, dass er nach seiner Ankunft am Vorabend in Alex’ Büro nach der gewünschten Information gesucht hatte. „Nakashimi plant, das Städtchen dem Erdboden gleichzumachen und die meisten hier lebenden Inselbewohner zu vertreiben. Ich dagegen versuche, das Feriendorf zu bauen, damit die Einwohner auf der Insel bleiben können.“

„Warum kümmert dich das so sehr?“ Michaels Beherrschtheit schlug in Ärger um. „Du hast über zehn Jahre nicht mehr hier gelebt. Und wenn die Situation umgekehrt wäre, würden sich die Inselbewohner einen Pfifferling um dich scheren.“

Auch wenn Alex ein Jahrzehnt in New York verbracht hatte, war er der Insel immer verbunden geblieben. „Worauf willst du hinaus?“

„Wenn es meine Firma wäre, würde ich alles veräußern, mir ein riesiges Haus in Hollywood kaufen und ein Luxusleben führen, bis ich tot umfiele oder mir das Geld ausginge.“

Alex wusste, dass Michael es vollkommen ernst meinte.

„Solange ich Präsident von Navarro Investments bin, treffe ich die Entscheidungen.“ Alex mäßigte seinen Ton. „Bei diesem Abschluss geht es um mehr als du ahnst, Michael.“ Sehr viel mehr, aber das konnte er seinem Bruder noch nicht sagen.

Alex beobachtete, wie das kleine Flugzeug zum Hangar rollte. „Es geht nicht nur um Geld, Michael. Sondern um eine Lebensform. Die Insel stirbt langsam aus. Dass die Leute in Scharen wegziehen, ist, ohne Hilfsmaßnahmen nicht zu ändern. Durch diese Fusion wollen wir den Inselbewohnern eine Zukunft bieten, nicht ihre Heimat ausverkaufen.“

Michael ballte unbewusst die Hände zu Fäusten. „Weißt du was, Alex? Ich glaube, es macht dir Riesenspaß, den Boss zu spielen und alle nach deiner Pfeife tanzen zu lassen. Also, ich tanze nicht. Und lass dir gesagt sein, dass du auch von deinem hohen Ross herunterfallen kannst.“

„Ist das eine Drohung?“

Michael lachte auf. „Wegen Geld würde ich mich nie mit dir schlagen, Alex. Das weißt du. Wenn es um eine Frau ginge, wäre das etwas anderes.“

Alex sah zum Flugzeug hinüber, um die Habgier im Blick seines Bruders nicht mehr sehen zu müssen.

„Da kommen sie.“ Gleich würde er die Männer treffen, die die Zukunft von Navarro Island verändern würden.

„Au!“ Caris machte einen kleinen Satz nach vorn, weil sie Harrisons Aktenkoffer in den Rücken bekommen hatte.

Harrison entschuldigte sich, blieb ihr in dem Gedränge aber hart auf den Fersen.

Von der offenen Tür her schlug Caris schwülwarme Luft entgegen. Für den Flug hatte sie sich geschäftsmäßig angezogen – Kostüm, weiße Leinenbluse und flache Lederpumps –, doch sie fühlte sich ganz zerknautscht.

An der Tür blieb sie stehen, überwältigt vom gleißenden Sonnenlicht und der Hitze.

Harrison drängte an ihr vorbei die Gangway hinunter.

Caris schickte ein Stoßgebet zum azurblauen Himmel, dass die Reise erfolgreich werden möge.

Und dass sie eine Zigarette bekäme.

Alex bemerkte die Frau sofort, als sie an der Flugzeugtür erschien. Eine klassische Schönheit war sie nicht, aber er fragte sich, ob sie ihre Attraktivität absichtlich verbarg. Das blonde Haar trug sie zu einem strengen Nackenknoten zurückgenommen, aus dem sich jedoch ein paar Strähnchen gelöst hatten.

Das schlichte graue Kostüm war geradezu geschaffen dafür, ihre weibliche Ausstrahlung zu verstecken. Der Rock endete an den Knien, und sie trug ziemlich flache Pumps. Ihre Bluse war hochgeschlossen, aber irgendetwas an ihr ließ Alex vermuten, dass sie seidene Dessous trug.

Sie war blass und hielt das Gesicht für einen Moment mit geschlossenen Augen der Sonne entgegen.

Caris fühlte sich übermüdet und unangenehm warm in ihrer Jacke. Als sie bemerkte, dass Harrison über das Rollfeld auf zwei hochgewachsene Männer zuging, eilte sie die Gangway hinunter.

Sie spürte, wie sich ihr Nackenknoten löste. Ihre Wangen glühten, und sie ärgerte sich über diesen fliegenden Auftritt. Mit einer Hand hielt sie ihren Knoten fest, mit der anderen ihre schwarze Aktentasche.

Heftig atmend blieb sie neben Harrison stehen. Als sie hochsah, schaute sie geradewegs in die dunklen Augen eines Mannes, der sie durchdringend musterte. Ihr war ohnehin schwindlig, und jetzt fühlte sie sich völlig verwirrt.

Harrison fasste sie am Arm und stellte sie vor.

Der Mann lächelte sie an, ihr noch immer in die Augen schauend, und streckte ihr die Hand entgegen.

Caris blieb nichts anderes übrig, als den sich auflösenden Haarknoten loszulassen. Ihre Haarspange fiel zu Boden, und der auffrischende Wind verfing sich sofort in ihrem langen blonden Haar.

Die Augen des Mannes wurden noch dunkler. Sie spürte eine ungewohnte Hitze in sich aufsteigen und errötete.

Ihr Gegenüber verbeugte sich leicht und ergriff ihre Hand. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Ms Johnson.“

„Wer sind Sie?“

„Ich bin Alex Navarro.“

Caris wusste beim besten Willen nicht, was sie sagen sollte.

„Und ich bin Michael Navarro.“ Michael nahm ihre Hand und deutete einen Handkuss an.

Seine Gegenwart überraschte Caris, und seine Geste amüsierte sie. Immerhin, mit Michael Navarro würde sie problemlos fertig werden. Es war sein Bruder, der sie so verunsicherte – und faszinierte.

Er hob ihre Haarspange auf und reichte sie ihr lächelnd.

„Ich glaube, die gehört Ihnen.“

„Danke.“

Dann wandte er sich an Harrison. „Wenn Sie mir Ihre Gepäckscheine geben, lasse ich Ihre Koffer holen.“

Er deutete hinter sie, und zu ihrem Erstaunen stand da ein Mann, der das Gepäck abholen wollte. Sie schien ihre Umgebung nur unvollkommen wahrzunehmen. Sie straffte die Schultern. Das würde nicht noch einmal passieren.

Weil der Wind ihr das Haar ins Gesicht wehte, wollte Caris es erneut zu einem Knoten schlingen.

„Tun Sie das nicht“, raunte Alex ihr zu.

„Bitte?“

Er ließ eine ihrer Locken durch die Finger gleiten. „Es sieht so viel hübscher aus.“

„Ich bin nicht hier, um hübsch auszusehen“, erwiderte sie kühl und wich zurück. „Ich bin als Anwältin hier.“

Alex lachte leise.

Hastig schickte Caris sich an, ihr Haar festzustecken.

Typisch Mann, dachte sie aufgebracht. Sie hatte hart für ihr Juraexamen gearbeitet, um auf der Karriereleiter voranzukommen. Und alles, was Alex Navarro bei ihrer ersten Begegnung einfiel, war, dass ihr Haar – offen getragen – hübsch aussah. Wie arrogant! Wie ärgerlich!

Wie nett.

Sie mühte sich redlich, ihre Freude über sein Kompliment einfach zu ignorieren.

Er fand sie also hübsch.

Nachdrücklich schloss sie ihre Haarspange und zügelte damit nicht nur ihr Haar, sondern symbolisch auch ihre Gefühle. Die nüchterne Anwältin hatte gewonnen.

2. KAPITEL

„Wollen wir los?“

Alex zeigte auf den silberfarbenen Land Cruiser, der auf dem Weg direkt neben der Landebahn parkte.

Er hatte Caris’ verzweifelten Blick zum Gebäude des Flugplatzes bemerkt und vermutet, dass ihr von dem ungemütlichen Flug über den Golf von Mexiko übel war.

„Alles in Ordnung mit Ihnen?“, erkundigte er sich leise.

„Alles bestens. Könnte nicht besser sein.“ Sie wandte sich abrupt zum Gehen. „Bringen wir es hinter uns.“

Alex folgte ihr zum Wagen hinüber und genoss den Anblick, den sie bot.

Sie hatte eine wunderbar feminine Figur. Er konnte sie sich sehr gut in Spitzenwäsche vorstellen. Aber warum verbarg sie ihre weiblichen Reize so beharrlich?

Alex lächelte. Er würde schon noch dahinterkommen.

„Vielleicht sollte Ms Johnson vorn sitzen“, wandte er sich an Harrison, der sich anschickte, die vordere Wagentür zu öffnen.

Harrison warf Caris einen entrüsteten Blick zu, und Alex hätte beinah gelacht.

„Es macht mir nichts aus, hinten zu sitzen“, beeilte Caris sich zu versichern.

Harrison schien zufrieden.

„Erlauben Sie.“ Mit charmantem Lächeln öffnete Michael für Caris die hintere Tür. Alex hätte sich nicht gewundert, wenn er sich auch noch verbeugt hätte.

„Da bin ich anderer Meinung“, murmelte er. „Es täte mir leid, wenn es Ms Johnson auf der Fahrt übel würde.“ Er legte ihr die Hand auf den Rücken.

„Die Straße entlang der Küste ist sehr kurvenreich, und Sie sahen schon ganz elend aus, als Sie aus dem Flugzeug stiegen. Mit der Reisekrankheit ist nicht zu spaßen.“

„Natürlich, natürlich.“ Harrison hielt Caris die Vordertür auf, ganz der Gentleman. „Ladys first.“

Caris blitzte ihn aus ihren grünen Augen ärgerlich an, und Alex musste sich ein Grinsen verkneifen. Ms Johnson schien sich nicht gern daran erinnern zu lassen, dass sie eine Frau war.

Nachdrücklich warf Alex die Wagentür zu.

In dem Moment, als er Harrison zur Vordertür hatte gehen sehen, hatte Alex dessen Absicht durchschaut. Harrison hatte anfangen wollen, über das Land zu verhandeln, während er, Alex, sich voll auf die schmalen, in schlechtem Zustand befindlichen Straßen konzentrieren musste.

Aber auf seiner Insel bestimmte er die Spielregeln.

Alex nahm hinter dem Lenkrad Platz und vermied es dabei, Caris anzusehen. Er spürte, wie angespannt sie war.

„Ich hätte ebenso gut hinten sitzen können“, zischte sie ihm zu. „Es hätte mir nichts ausgemacht.“

„Aber mir.“

Überrascht sah sie ihn an. Mit dieser Antwort hatte sie wohl nicht gerechnet.

Sie ist keine Schönheit, sagte er sich erneut. Wenigstens nicht im klassischen Sinn. Ihre Lippen waren zu voll, und in ihren Augen – die grün und nicht blau waren, wie er erwartet hatte – spiegelte sich ständig Misstrauen. Warum also fühlte er sich derart zu ihr hingezogen?

Er konnte einfach nicht den Blick von ihr wenden.

Sie erinnerte ihn sehr an seine früheren Kollegen in New York, die ganz in ihrer Karriere aufgingen. Er hatte sich immer gefragt, wann sie eigentlich das Leben genossen. Ob Caris Johnson sich je entspannte? Gab es einen Mann, der ihr den Rücken massierte, bis sie entspannt den Kopf an seine Brust zurücklehnte, ihm erlaubte, die Hand von ihren Schultern abwärts zu bewegen zu …

Ihre Blicke begegneten sich, und er fühlte sich ertappt.

„Entschuldigen Sie“, murmelte er.

„Es ist mir bewusst, Mr Navarro, dass es einigen Männern unangenehm ist, mit Frauen ebenbürtig zusammenzuarbeiten. Aber es wäre mir lieb, wenn Sie mich als Anwältin sehen und mit mir als solche verhandeln würden. Ich garantiere Ihnen, dass Sie mit meiner Arbeit keine Probleme haben werden.“

„Glauben Sie mir, Ms Johnson, ich zweifle nicht an Ihren beruflichen Fähigkeiten. Und bitte nennen Sie mich Alex.“

Sie nickte und strich sich einige Haarsträhnen hinter die Ohren. Als sein Blick an ihren klassischen Perlenohrringen hängen blieb, fragte er sich, wie sie wohl reagieren würde, wenn er ihre Ohrläppchen küsste.

Ein Klopfen am Fenster lenkte Alex ab. Es war Carlos, sein bester Freund aus der Grundschule, der sich bereit erklärt hatte, ihm zu helfen, die Anwälte aus Washington, D. C., für sich zu gewinnen.

„Ich lasse die Jungs jetzt die Koffer einladen.“

Autor

Lisa Arlt
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