Verrückt vor Verlangen

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Dr. Holly Scott-Leigh weiß genau, was sie will: eine steile Karriere und ansonsten ihre Ruhe. Ein Playboy wie der Business-Tycoon Noah Moore gehört bestimmt nicht zu ihrem Plan. Von arroganten Kerlen wie ihm hat sie genug. Aber das Knistern zwischen ihnen ist so heiß, seine Blicke, mit denen er sie förmlich auszieht, fühlen sich so gut an - im winterlich-weihnachtlich glänzenden Paris, mit Blick auf den Eiffelturm, ist Holly nah dran, all ihre Prinzipien zu vergessen …


  • Erscheinungstag 03.10.2019
  • Bandnummer 25
  • ISBN / Artikelnummer 9783745751109
  • Seitenanzahl 180
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Gestern Nacht habe ich wieder von ihr geträumt. Wie sie an jenem letzten Morgen ausgesehen hat. Das Gesicht fleckig und voller Tränen, all die Entschuldigungen und Lügen, die in ihrem Blick lagen. Wie sie mich angefleht hat, ihr zu verzeihen.

Aber wie hätte ich das tun können?

Sie hat mich verlassen. So wie alle anderen es auch getan haben.

Der Traum von meiner Pflegemutter Julianne war so real, dass ich sie hätte berühren und umarmen können. Ich hätte sie anlächeln können. Durch die Zeit hinweg hätte ich ändern können, wie es damals abgelaufen ist. Wie ich sie angeschrien und weggestoßen habe, als sie versucht hat, mich an sich zu ziehen.

In meinem Traum habe ich sie nicht verflucht.

In meinem Traum habe ich mich nicht geweigert, zu ihr zu kommen.

Aber es war alles nur ein Traum. Wenn auch ein sehr eindringlicher. Er war stark genug, um mich aus meinem unruhigen Schlaf zu reißen, aber was nützte das alles? Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern.

Die Vergangenheit ist ein Teil von mir. Ich kann ihr nicht entkommen.

1. KAPITEL

Die Art, wie er mich ansieht, kann man nur als abfällig bezeichnen. Der Schwung seiner Lippen wirkt ein bisschen gelangweilt. Auf diese Lippen habe ich schon viel zu oft geblickt, seit Noah Moore vor fünf Minuten das gut besuchte Café betreten hat, das bei meiner Praxis gleich um die Ecke liegt.

Natürlich habe ich schon von ihm gehört. Wer kennt ihn nicht? Er hat es aus eigener Kraft zum Milliardär geschafft. Ihm gehört die Hälfte des Tech-Imperiums, das die Welt, wie wir sie kennen, völlig auf den Kopf gestellt hat. Innerhalb des letzten Jahrzehnts ist er von Erfolg zu Erfolg geeilt, aber in den Medien ist er ständig aus den falschen Gründen präsent. Zusammen mit seinem Geschäftspartner ist er für seinen rücksichtslosen Geschäftssinn und das Leben auf der Überholspur bekannt. Für Luxus, Glamour, Reichtum und Erfolg, für wilde Partys am Mittelmeer, besonders für die alljährliche Party im Anschluss an die Filmfestspiele in Cannes, bei der alle Celebritys dabei sein wollen. Das große Geld haben Noah und sein Partner mit ihren elektronischen Geräten gemacht, aber sie sind der Inbegriff der coolen Bad Boys in Hollywood.

Ja, es stimmt. Noah Moore ist der Prototyp des Bad Boys. Wie als letzten Beweis dafür taucht er hier zu unserem Meeting in Lederjacke und schwarzer Jeans auf. Die dunklen Haare sind ein bisschen länger, als sie sein sollten. Sein symmetrisches Gesicht ist kantig, er ist unrasiert, und seine Brauen sind dicht, die dunklen Wimpern noch dichter. Ein leichter Dunst von Alkohol umgibt seinen sehr heißen und sehr faszinierenden Körper. Mich fasziniert dieser Körper jedenfalls unglaublich. Über eins neunzig, überall Muskeln, riesig und von Kopf bis Fuß gebräunt – so stelle ich es mir zumindest vor. Es fällt mir schwer, mich daran zu erinnern, dass ich aus beruflichen Gründen hier bin.

„Das hier ist keine Sitzung. Ich brauche keinen Seelenklempner. Ich will … Ich will nur reden.“

Was für eine seltsame Feststellung! Und dann bezeichnet er mich auch noch als Seelenklempner. Trotzdem habe ich mich auf das Treffen eingelassen, obwohl ich genug Patienten auf meiner Warteliste habe. Offenbar hat bei mir letztlich die Neugier gesiegt.

Als achtundzwanzigjährige geschiedene Frau habe ich im Lauf der Zeit akzeptiert, dass ich eine Schwäche für Bad Boys habe. Besonders einer davon hat mich zutiefst verletzt. Bad Boys sind für mich wie Treibsand, in dem ich unweigerlich versinke.

Je länger Noah Moore mich mit diesem abfälligen Lächeln ansieht, desto schneller rast mein Puls. Das Herz hämmert mir in der Brust, und ich bin mir peinlich genau jedes Details bewusst, wie Noah mir dort gegenübersitzt. Die Beine hat er weit gespreizt, mit einem Arm lehnt er sich auf die Rückenlehne der Bank und stützt den Kopf. Die andere Hand liegt locker auf seinem Schenkel, so dicht an seinem Schwanz, dass ich mich nicht traue, auch nur in die Nähe davon zu sehen.

Sein Blick weicht nicht von meinem Gesicht. Dieser Mann wirkt wie ein Magnet. Er hat die Aufmerksamkeit fast aller Frauen in diesem Café, und das hat nichts damit zu tun, dass er berühmt ist. Es liegt ganz allein an ihm selbst.

Es kostet mich all meine Konzentration, seinen Blick zu erwidern. „Also, Mr. Moore.“ Ich sehe den Anflug eines Lächelns, als ich ihn so förmlich anrede. Ich kann nicht anders. Ich muss alles in meiner Macht Stehende tun, um diesen Mann auf Abstand zu halten. „Nachdem wir das geklärt haben, verraten Sie mir doch bitte, wieso wir hier sind.“

„Wieso wir hier sind?“

Noah Moore ist Australier, und obwohl sein Akzent nach all den Jahren, die er hier in Großbritannien gelebt hat, nicht mehr so stark ist, klingt es immer noch ein bisschen nach Lässigkeit und Sonnenschein. Mir wird sofort wärmer.

„Ist das nicht offensichtlich?“ Er zieht die Brauen hoch und wartet auf meine Antwort.

Auf einmal sind unsere Rollen vertauscht. Er verengt die Augen, die so grün sind wie das Mittelmeer.

„Normalerweise füllen meine Patienten vorher einen Fragebogen aus“, erkläre ich. „Sie haben mir das Formular nicht zugemailt.“ Unverwandt erwidert er meinen Blick, und ich kann mich nicht gegen meine eigene Neugier wehren. „Sie haben ihn nicht ausgefüllt?“

„Ich bin kein Patient.“

Ich merke, dass ich die Lippen unwillig verziehe, und sofort unterdrücke ich jedes Anzeichen von Emotionen. Beim Treffen mit zukünftigen Patienten gebe ich mich möglichst teilnahmslos, denn bei diesen Treffen geht es nicht um mich oder meine Gefühle, sondern nur um mein Gegenüber. „Verstehe.“ Ich nicke langsam. „Weshalb haben Sie mich dann kontaktiert?“

Er presst die Lippen aufeinander. „Um zu reden. Um herauszufinden, worum es überhaupt geht. Das habe ich bereits am Telefon erklärt.“

„Richtig.“ Ich unterdrücke jede sarkastische Antwort, die mir auf der Zunge liegt. „Trotzdem würde ich gern ein paar Details festhalten. Einverstanden?“

„Wenn’s sein muss …“ Er fährt sich mit den Fingern durchs Haar und sieht kurz auf seine Uhr. Es ist keine modische, teure Uhr, wie ich es erwartet hätte. Es ist eine Smart-Watch. Nennt man die überhaupt so? Jedenfalls ist es eines dieser Modelle, die gleichzeitig auch die Schritte zähen, die E-Mails weiterleiten und zu Hause das Licht einschalten.

Ich hole mein Handy hervor und öffne die abgesicherte App, die ich für meine vertraulichen Patienteninformationen nutze. „Hier, bitte schön.“ Ich reiche es ihm, aber er macht keine Anzeichen, es entgegenzunehmen.

„Füllen Sie es selbst aus.“ Er zuckt mit den Schultern.

Mittlerweile ist er so unhöflich, dass es zum Himmel stinkt.

Allerdings mache ich das alles auch nicht erst seit gestern. Ich weiß, dass ich gut in meinem Job bin. Das ist keine Angeberei. Als Beweis habe ich viele Auszeichnungen des britischen Psychologenbunds, ich habe unzählige Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht, und auf meiner armlangen Warteliste stehen zahllose Menschen, die einen Termin bei mir bekommen wollen. Als Honorar könnte ich verlangen, was immer ich will. Das tue ich jedoch nur selten, denn am meisten von allem liebe ich es, den Menschen zu helfen. Für mich bedeutet Erfolg, das Leben meiner Patienten zu verändern. Genau deshalb mache ich meinen Job.

Und deswegen habe ich auch zugestimmt, mich mit Noah zu treffen, obwohl ich unglaublich viel zu tun habe. Er klang, als brauche er Hilfe, und ich will ihm helfen.

Patienten mit Trauma oder einer ernsten traumatischen Störung, wie zum Beispiel einer posttraumatischen Belastungsstörung, müssen sehr behutsam behandelt werden. Selbst Menschen wie Noah Moore, die wirken, als ob sie mit allem klarkommen, können schon bei der nächstbesten Stressbelastung die Flucht ergreifen. Dann brechen sie die Therapie ab, die für sie zu belastend wird.

Natürlich kann ich zu diesem Zeitpunkt nur vermuten, dass er unter einer traumatischen Störung leidet. Er lässt sich nicht viel anmerken, woran ich anknüpfen könnte. Abgesehen von den kleinen verräterischen Zeichen, die jemandem wie mir zeigen, dass er mit jeder Zelle in seinem Körper versucht, mich von sich zu stoßen. Das reicht so weit, dass er beharrlich behauptet, hier finde keine Sitzung statt und er sei kein Patient.

„Wenn Sie wollen“, sage ich verständnisvoll, und mein Lächeln drückt aus, dass wir beide genau wissen, dass er sich wie ein Arschloch aufführt.

Ganz unvermittelt sehe ich in Gedanken Ivy vor mir, und sofort wird mir von innen heraus warm. Ich mache oft Überstunden, und dann vermisse ich sie schrecklich. Auf meinem Schreibtisch steht ein Foto von ihr, denn es lässt mich nie die andere Hälfte meines Lebens vergessen – die Liebe zu meiner Tochter und das Bedürfnis, dafür zu sorgen, dass sie abgesichert ist.

Sie sieht haargenau aus wie ich als Kind. Auch meinem erwachsenen Ich ist sie sehr ähnlich. Unser Haar hat dasselbe helle Blond, das fast weiß wirkt. Allerdings hat sie es sich auf eigenen Wunsch zu einem kurzen Bob schneiden lassen, während mir mein langes Haar bis halb über den Rücken hinabreicht. Meistens flechte ich es mir zu einem Zopf, den ich mir über eine Schulter nach vorn ziehe.

Wir haben beide eisblaue Augen, und Ivy lächelt auch genau wie ich. Sie hat die lange, schmale Nase ihres Vaters, während ich eine leicht nach oben deutende Stupsnase habe. Als ich klein war, hat mein Dad sie immer als Sprungschanze bezeichnet.

„Alter?“, frage ich mit den Fingern dicht über dem Formular auf dem Display.

„Sechsunddreißig.“

Wenigstens antwortet er. Ich hatte schon damit gerechnet, dass er Ausflüchte macht.

„Bisherige Behandlungen?“

Sein Blick wird eindringlicher, und ich weiß genau, dass er mir am liebsten noch mal sagen will, dass dies hier keine Behandlung ist. „Keine.“

„Verstehe.“ Ich tippe ‚keine‘ ein und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn. Ich erstarre. Ohne jede Scham mustert er mich und nutzt die Tatsache aus, dass ich durch das Ausfüllen des Formulars abgelenkt bin. Sein Blick streift an mir entlang, als sei ich ein Gemälde, das in einer Ausstellung an der Wand hängt.

Meine Haut fängt an zu prickeln, und ich bekomme überall eine Gänsehaut.

Noah Moore ist gefährlich.

Er besitzt all das, wovor ich mich in Acht nehmen muss. Er ist grob und arrogant, rabiat und ungezähmt. Trotzdem starre ich ihn einen Moment lang an. Unsere Blicke sind wie gefesselt. Ein verbotenes Verlangen rast mir durch den Körper. Zum ersten Mal seit fünf Jahren wird mir beim Anflug dieser unwiderstehlichen Lust warm. Niemals hätte ich gedacht, dass ich nach Aaron noch einmal so etwas empfinde. Jetzt spüre ich es, das lässt sich nicht leugnen.

„Kann ich euch was zu trinken bringen?“

Die Kellnerin steht an unserem Tisch, und unwillkürlich schalte ich mein Handy diskret aus, damit sie nichts von den Infos auf dem Display lesen kann.

„Einen Piccolo Latte“, bestelle ich.

„Für mich nichts.“ Noah schüttelt den Kopf und runzelt die Stirn. Hatte er nicht selbst vorgeschlagen, dass wir uns hier treffen? Und jetzt hat er beschlossen, nicht mal einen Kaffee zu trinken?

„Wieso sind Sie hier, Mr. Moore?“

„Stellen Sie mir diese Frage? Oder steht das so in dem Formular?“

Mein Lächeln ist leicht verspannt. „Sowohl als auch. Es erspart uns beiden Zeit, wenn wir gleich auf den Punkt kommen.“

Lässig schnalzt er mit der Zunge. „Aber wo bleibt da denn der Spaß, Holly?“

Aus seinem Mund klingt mein Name so sexy wie kein anderes Wort auf der Welt. „Empfinden Sie das hier als Spaß, Noah?“, erwidere ich und spreche dabei seinen Namen leicht heiser aus. Ich sehe sofort, dass ich mein Ziel erreicht habe.

Seine Augen weiten sich, die Pupillen sind dunkel und vergrößert, und in seinem Blick erkenne ich, dass er ins Nachdenken kommt.

„Nein.“ Der kurze Moment ist vorbei. Noah ist wieder abweisend und mürrisch.

„Sie wollten gar nichts trinken?“, frage ich nach, als die Kellnerin mir den Kaffee serviert.

„Ich glaube, hier bekomme ich nicht, was ich gern trinken würde.“

Ich vermute, dass er auf Alkohol anspielt. „Trinken Sie jeden Tag?“

„Manchmal tagsüber.“ Er hebt seine breiten Schultern an. „Manchmal nachts.“

„Wollten Sie sich deswegen mit mir treffen?“, hake ich nach. „Denken Sie, Sie haben ein Alkoholproblem?“

Sein Lachen klingt scharf. „Wenn ich jetzt Ja sage, können wir dieses Theater dann beenden und wieder nach Hause gehen?“

„Niemand zwingt Sie, hier zu sein. Schließlich ist es doch nur eine ‚Unterhaltung‘, richtig?“

Er sieht mich an und kann die innere Unruhe kaum verbergen. Ich wüsste wirklich gern den Grund dafür.

„Hauptsächlich arbeiten Sie mit Veteranen“, fährt er fort. Bei der Erkenntnis, dass er über mich recherchiert hat, empfinde ich ein seltsames Ziehen im Magen.

Wieso diese seltsame Reaktion? Dass ein Mensch sich erkundigt, bevor er einen Termin macht, ist nicht ungewöhnlich. Unter den Psychotherapeuten gibt es unzählig viele Spezialisten und die unterschiedlichsten Formen der Behandlung. Wenn Noah Moore jetzt hier ist, muss er wissen, dass ich seine beste Chance auf Hilfe bin.

Allerdings ist er mit seiner Recherche anscheinend immer noch nicht ganz fertig. Diese Unterhaltung ist Teil davon. Er will wissen, worauf er sich einlässt, wenn er sich dazu entschließt, sich in mein Behandlungsprotokoll zu fügen.

Ich denke an all die Auszeichnungen an den Wänden in meiner Praxis. Es sind nur kleine schimmernde Statuen, aber mir bedeuten sie viel mehr. Ich kann mich an all meine Patienten erinnern. Ich sehe noch den Schmerz in ihrem Blick, der verrät, dass ein Trauma ihre Seelen bedrückt. Diese Auszeichnungen sind die Anerkennung dafür, dass ich einigen von ihnen helfen konnte.

„Ich arbeite mit Menschen, die mich brauchen.“ Ich wende mich wieder Noah zu. „Mit Menschen, die meine Hilfe brauchen.“

„Und Sie denken, ich sei einer davon?“ Alles in ihm sträubt sich dagegen.

„Sie haben mich angerufen.“

Er presst die Lippen aufeinander. „Das ist verfickte Zeitverschwendung.“

Es braucht mehr als Fluchen, damit ich rot werde, obwohl Noah Moore sehr faszinierend flucht, indem er die Laute in die Länge zieht.

Ich reagiere nicht so, wie ich es mir wünsche. Fairerweise muss ich mir eingestehen, dass es schon sehr lange her ist, seit ich überhaupt etwas für einen Mann empfunden habe. Auf einmal reagiert alles in mir auf diesen Mann mir gegenüber. Jede meiner Zellen scheint zu vibrieren. „Es steht Ihnen frei zu gehen.“

Sein Zorn richtet sich gegen mich. Seine tief verwurzelte Ablehnung. Ganz ähnlich hat er eben reagiert, als ich ihm gesagt habe, niemand würde ihn zwingen, hier bei mir zu sein. Auch da hat er diese wütende Ablehnung ausgestrahlt.

Darüber denke ich näher nach, während ich von meinem Kaffee trinke. Über den Becher hinweg erwidere ich seinen Blick, und mein Puls geht noch ein bisschen schneller. Sein Blick geht zu meinen Brüsten, und sofort fängt es in mir zu kribbeln an. Meine Nippel richten sich auf. Der Stoff des BHs spannt darüber. Mein Magen zieht sich zusammen. Unter dem Tisch presse ich die Knie aneinander.

Diese Art von männlichem Interesse bin ich gewohnt. Schon mein ganzes Leben lang habe ich gelernt, damit umzugehen. Ich bin eher klein und schlank, und meine Brüste passen von den Proportionen nicht zu meinem zierlichen Körper. Als ich zwölf war, schienen sie mir fast über Nacht gewachsen zu sein.

Das ist einer der Gründe, wieso ich mich so anziehe wie jetzt. Schlichte Farben, dunkel, dezent und etwas weiter geschnitten. Mein hochgeschlossenes Kleid reicht mir bis zu den Knien und den Handgelenken. Ich schäme mich nicht für meinen Körper, aber ich bin froh, dass ich meinen Spitznamen von der Uni los bin. Als „Sexy Doc“ hätte ich mir meinen beruflichen Ruf nicht aufbauen können.

„Jetzt bin ich hier.“ Er zuckt mit den Schultern, als sei es ihm egal, aber ich weiß, dass das nicht stimmt. Das weiß ich, weil es mein Job ist, die Menschen zu durchschauen. Darin bin ich gut, und im Moment bin ich mir sehr sicher, weil mein sechster Sinn gerade wild Alarm schlägt. „Was soll’s. Dann zeigen Sie mal, was Sie drauf haben. Schießen Sie los mit Ihren Zaubertricks.“

Ich kämpfe den Drang nieder, ihm zu sagen, dass es bei der therapeutischen Behandlung von Traumata keine Zaubertricks gibt. Es ist harte Arbeit, dauert viele Stunden, und sowohl Patient als auch Therapeut müssen sich vollkommen darauf einlassen. Ich bin bereit, die Energie dafür aufzubringen, aber ist er es auch?

Mir kommt wieder der Verdacht, dass er sich dazu gezwungen sieht, mich zu treffen. Oder eher verpflichtet. Als müsse er sich mit mir treffen. Als sei es gar nicht sein Wunsch, geheilt zu werden.

Normalerweise würde ich den üblichen Zugang zu ihm suchen, um die Antworten aus ihm herauszuholen, aber Noah Moore wird auf die üblichen therapeutischen Maßnahmen nicht reagieren. Deshalb hat er auch darauf bestanden, sich mit mir hier im Café zu treffen und nicht in meiner Praxis. Ich verschränke die Finger, lehne mich leicht zur Seite und stütze die Ellbogen auf den Tisch. „Ich habe den Eindruck, dass Sie gegen Ihren Willen hier sind.“

„Ja“, stößt er laut atmend aus. „Haben Sie den Kerl nicht bemerkt, der mir die Knarre an den Kopf gehalten hat, als ich ins Café gekommen bin?“ Abfällig lacht er auf.

„Sie scheinen sich dagegen zu sträuben, meine Hilfe anzunehmen“, erwidere ich ruhig. „Es ist Ihnen wichtig, mich darauf hinzuweisen, dass dies hier keine Sitzung ist und dass wir uns nur unterhalten. Sie haben sich geweigert, zu mir in die Praxis zu kommen. Anscheinend fühlen Sie sich auf neutralem Boden wie diesem Café sicherer. Und trotzdem bleiben Sie, obwohl ich Ihnen angeboten habe zu gehen.“

Nachdem ich ihn offen damit konfrontiert habe, wirkt er jetzt misstrauisch. Gut so. Es ist entscheidend, dass ich ihn aus dem Gleichgewicht bringe. „Glauben Sie, irgendjemand könne mich dazu bringen, etwas zu tun, das ich nicht will?“

Guter Einwand. Selbst ohne seine Milliarden wirkt Noah Moore wie ein Mann, der sich durch nichts und niemanden einschüchtern lässt. Er ist die perfekte Kombination aus Muskeln, Verstand und Aussehen.

„Sagen Sie’s mir.“

Er stößt ein Seufzen aus. „Ich habe Sie doch kontaktiert, oder?“

„Wer sagt mir, dass Ihnen dabei nicht jemand die Knarre an den Kopf gehalten hat?“ Ich zwinge mich zu einem Lächeln. „In übertragenem Sinne.“

Einen Moment zu lange erwidert er meinen Blick. Dann streckt er die Hand vor und umfasst eines der Wassergläser, die die Kellnerin uns hingestellt hat. Während er trinkt, warte ich ab und kämpfe die Ungeduld nieder, die sich in mir ausbreitet.

So große Abwehr bin ich nicht gewohnt. Ein bisschen ist nicht ungewöhnlich, das ist Teil des Jobs. Aber normalerweise spüre ich dann auch, dass meinen Patienten das leidtut. Sie wissen, dass meine Zeit wertvoll ist. Das schafft eine Art von Druck, mit mir zusammenzuarbeiten, zumindest bis zu einem gewissen Grad.

„In gewisser Weise.“

Dieses Eingeständnis kommt unerwartet, und ich kann meine Überraschung nicht ganz unterdrücken. Ich spüre, dass ich die rot geschminkten Lippen zu einem kleinen O forme. So schnell wie möglich gebe ich mich wieder ungerührt, aber seine Miene zeigt mir, dass er es bemerkt hat. Dass er meine Überraschung versteht.

„Schön.“ Schön, dass wir einen Schritt vorankommen. „Die Erfahrung zeigt, dass eine Therapie die besten Ergebnisse bringt, wenn mein Patient sich willig in meine Hände begibt.“

Ich schwöre, ich wollte damit nichts andeuten, aber bei dem prüfenden Ausdruck, der sich auf seinen Zügen ausbreitet, erkenne ich, dass er nicht genau weiß, ob ich es zweideutig gemeint habe. Er sucht nach einer sinnlichen Bedeutung, die ich lieber tief in meinem Gehirn hätte vergraben sollen.

Zu meinem Glück geht er auf diesen kleinen Patzer nicht weiter ein, doch er beugt sich beim Sprechen vor, und ich nehme seinen Duft wahr. Es riecht nach Wald und Bergen, nach Mann und Kraft. „Heißt das, Sie können mir nicht helfen?“

Der Anflug von Enttäuschung tief in mir kommt für mich selbst überraschend. Hatte ich gehofft, er würde auch zweideutig antworten? Mir sagen, wie liebend gern er sich in meine Hände begeben würde?

Er sieht mich an und wartet auf eine Antwort. War ich jemals zuvor in meinem Job schon sprachlos? Ich kann mich nicht erinnern. Ich betrachte sein Gesicht, das so gut aussieht, und ich frage mich, was für Geheimnisse er verbirgt. Was mag in seinem Leben vorgefallen sein, das ihn dazu gebracht hat, mich anzurufen? Wie kommt es, dass er den Wunsch in mir weckt, alle Vorsicht zu vergessen, weil ich ihn will?

„Nein“, erwidere ich schließlich. „Ich denke, ich kann Ihnen helfen. Vorausgesetzt, Sie sind bereit, mein Patient zu werden.“

„Ich habe keine Zeit, Ihr Patient zu sein.“ Es klingt so abweisend, dass es mir kalt den Rücken hinunterläuft.

„Tja, leider braucht es Zeit“, erwidere ich entschlossen. „Es gibt keine schnelle Heilung für das, was Sie zu mir geführt hat.“

„Und das behaupten Sie so selbstsicher, obwohl Sie nicht den leisesten Schimmer haben, wieso ich dieses Treffen mit Ihnen vereinbart habe?“

„Genau.“ Verärgert erwidere ich seinen Blick. „Und wissen Sie, wieso, Noah?“ Oh Gott, ich könnte süchtig danach werden, seinen Namen auszusprechen. „Weil ich das hier tagtäglich tue. Jeden Tag begegnen mir Menschen, die ihre Probleme wie einen Mantel tragen, den nur ich sehen kann.“

Seine Augen verengen sich.

„Es zeigt sich in Ihren verspannten Schultern und in den Tiefen Ihres Blicks. Ich erkenne das.“ Ich lehne mich zurück, verschränke die Arme und spüre meinen eigenen hämmernden Herzschlag an den Unterarmen. „Ein Trauma lässt sich nicht mit einem Drink hinunterspülen. Es lässt sich auch nicht heilen, indem ich mit einem Zauberstab herumwedele. Der einzige Weg der Heilung besteht darin, es aufzuarbeiten. Das ist kein angenehmer Prozess, in dem Punkt will ich Sie nicht belügen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass Sie, wenn Sie sich Ihrem Problem nicht stellen, eines Tages daran zerbrechen. Ich frage mich, ob das nicht bereits passiert ist. Sind Sie deswegen hier?“

„Das ist alles Blödsinn.“

Ich kann nicht anders. Diese Frau ist heißer als die Hölle, aber aus ihrem hübschen Mund kommt nichts als Psycho-Scheiß, und dabei rollen sich mir die Fußnägel auf.

Ich hasse diesen Mist. Das alles habe ich schon erlebt. Wenn Gabe mir nicht dieses Ultimatum gesetzt hätte, hätte ich mich nie darauf eingelassen, mich mit ihr zu treffen. Aber für Gabe würde ich so gut wie alles tun, auch ohne die Drohung, mich von der Firma auszuschließen, bis ich „all meinen Müll für mich geklärt habe“, wie er es nennt. Ich will zu keinem Seelenklempner, und ich habe keine Lust, mich mit Dr. Scott-Leigh zu treffen. Ich will mich mit niemandem treffen. Ich habe nur eine schlechte Phase, das ist alles. Doch als ich herkam, habe ich nicht damit gerechnet, dass diese Frau mir so nahekommt, wie sie es tut. Ich hätte nicht gedacht, dass ich sie so unglaublich faszinierend finde.

„Schade, dass Sie das so empfinden“, sagt sie leise, und ich frage mich, was sie empfinden würde, wenn ich ihr die Hand unter das Kleid schiebe und an ihren Beinen hinaufstreiche bis zwischen ihre heißen Schenkel.

Wieder trinke ich einen Schluck Wasser. Ich hätte mich lieber in einer Bar mit ihr treffen sollen anstatt in diesem gut besuchten Café mitten in London. Ich stelle das Glas weg und stütze die Ellbogen auf den Tisch. Es gefällt mir, wie ihre Pupillen sich weiten, wenn ich mich näher zu ihr beuge, bevor sie jede Reaktion schnell vor mir verbirgt und sie sich wieder ganz geschäftlich und professionell gibt.

Ob es einen Mr. Dr. Scott-Leigh gibt?

Kein Ehering, und ich wette, dass ihr Ehemann klug genug wäre, um darauf zu bestehen, dass sie ihn trägt. Mit einem solchen Körper hat sie sicher ständig einen Haufen wartender Kerle vor der Tür stehen. Verdammt, wenn sie mir gehören würde, würde ich sie ans Bett ketten. Jedenfalls, bis der Reiz des Neuen verflogen ist.

Beim Gedanken an diese verpasste Chance beiße ich mir auf die Zähne. Ja, ich hätte unbedingt ein Treffen am Abend in einer Bar vorschlagen sollen. Irgendwo, wo ich die Fantasien hätte ausleben können, die mir seit dem Moment kommen, als sie das Café betreten hat. Alles in mir drängt darauf, etwas zu unternehmen, damit sie nicht mehr so überlegen und professionell wirkt.

Ich stoße einen tiefen Seufzer aus und konzentriere mich wieder auf ihr Gesicht. Ganz objektiv betrachtet sind ihre Gesichtszüge schön. Große blaue Augen und eine Nase, die man nur als süß bezeichnen kann. Ihr Hals ist elegant, ihr Haar so hell wie das Sonnenlicht. Sie trägt es als Zopf. Wahrscheinlich versucht sie ständig, es zu bändigen. Aber dem widersprechen die kleinen roten Ohrringe, bei denen ich erst jetzt erkenne, dass es kleine Weihnachtspäckchen mit glitzernden grünen Schleifen sind.

Als Neunjähriger hätte ich sie als schick bezeichnet. Ihr gesamtes Outfit ist perfekt. Sie duftet, ist makellos, und um ihre Körperhaltung würde jede Ballerina sie beneiden.

Mittlerweile habe ich viele Frauen kennengelernt. Manche davon waren schick, manche nicht. Schicke Frauen werfen sich mir an den Hals, und dabei spielt es keine Rolle, ob sie die Dessous in der Edelboutique kaufen oder im Supermarkt. Sie alle reißen sich die Kleider begierig vom Leib, sobald ich ihnen nur den kleinsten Wink gebe.

Wenn sie vor Lust schreien, sind sie alle gleich.

Die Frau vor mir beobachtet mich geduldig und wartet darauf, dass ich etwas sage. Wahrscheinlich ist das eine Taktik, die sie sich im Therapieleitfaden für Anfänger angelesen hat. Es hat nicht die kleinste Wirkung auf mich.

Nach außen hin unbeteiligt erwidere ich ihren Blick. Meinen Mund verziehe ich auf die abfällige Art, für die ich bekannt bin.

„Also“, gibt sie den Wettstreit schließlich auf, indem sie als Erste etwas sagt. „Ich schätze, wir könnten auch übers Wetter reden.“

„Oder wir sprechen über Sie.“

„Über mich?“ Damit habe ich sie überrascht. Wieder. Sie macht den Mund auf, und das kleine O lenkt mich höllisch ab, so erotisch sieht es aus. „Ich stehe hier nicht zur Debatte. Sorry.“

Ihre ganze Art sagt mir, dass es absolut nichts gibt, wofür sie sich zu entschuldigen braucht.

„Dann soll ich Ihnen also mein Innerstes offenbaren, und von Ihnen bekomme ich gar nichts?“

Ihr Lächeln ist angespannt. Sie ist schwer genervt. Zum ersten Mal wird mir klar, dass es mir gefällt, sie zu nerven. Es wird bestimmt nicht das letzte Mal sein.

„Falls Sie sich zu einer Therapie entschließen, bekommen Sie von mir dafür nach einer angemessenen Zeit Ihren Seelenfrieden“, erwidert sie leise.

Sie hat ja keine Ahnung, was für Dämonen mich verfolgen und welche Dunkelheit mich erfüllt. Ich bin ein Gespenst meiner eigenen Vergangenheit.

„Holly, das bezweifle ich. Das bezweifle ich stark.“

2. KAPITEL

Ihr Haar ist länger, als ich gedacht hätte. Und unendlich viel weicher. Aus dieser Nähe kann ich ihren Duft nach Vanille und Honig riechen.

Ich weiß, es ist nur ein Traum, aber zum ersten Mal seit einem Monat hat eine Frau es geschafft, sie aus meinen Gedanken zu vertreiben. Ich fühle mich wie befreit von dem Fluch meiner Vergangenheit. Ich klammere mich an diesen zerbrechlichen Traum und sträube mich dagegen, ihn aus meinem Kopf gleiten zu lassen.

„Ich liebe es, wenn du mich küsst“, flüstert Holly mir mit ihren perfekten roten Lippen zu. Ich greife nach ihr und ziehe sie an mich. An ihrem zierlichen Körper wirken meine Hände noch größer und kräftiger. An ihren Hüften spreize ich die Finger.

Willig fügt ihr Körper sich meinen Berührungen und meiner Kontrolle.

Sie gibt sich mir vollkommen hin und all dem, was ich ihr geben kann.

Ich reiße sie wild an meine Brust und genieße den leisen Seufzer, der meine Wange streift. Ihre Brüste fühlen sich noch viel besser an, als ich es mir ausgemalt habe. Sie sind fest und weich zugleich, groß und rund. Ich hebe eine Hand und streiche darüber. Mein Daumen streift ihren Nippel, verlangend und fordernd greife ich zu.

Sie sieht mich an. Aus ihrem Blick sprechen Unsicherheit und Verwirrung. Das hier ist neu und unbekannt für sie. Sie weiß nicht, wie sie reagieren soll.

Darüber braucht sie sich keine Sorgen zu machen.

Ich habe genug Erfahrung für uns beide.

Spielend leicht hebe ich sie hoch. Sie ist so zierlich, und ich bin stark. Ich schlinge mir ihre Schenkel um die Hüften. Ich bin mir nicht sicher, wie sehr ich sie will, aber, verdammt noch mal, ich brauche sie jetzt. Ihr Kleid scheint zu schweben, es bewegt sich an ihren Hüften und lässt mich sie berühren, wo immer ich will. Obwohl das hier mein Traum ist und ich jedes Detail darin kontrollieren können müsste, trägt sie Unterwäsche. Das ist eine Barriere, die ich nicht gebrauchen kann.

Sie legt die Hände um meinen Nacken und zieht meinen Kopf näher zu sich. Dann küsst sie mich. Mit der Zunge umspielt sie meine. Es ist wie ein Duell. Die Lust wird immer heißer, und sie schließt die Augen.

Aber ich will sie nicht küssen.

Küsse bedeuten Romantik und Verpflichtungen. Sex nicht. Sex ist Leidenschaft und Begierde. Ein wilder, körperlicher Akt, bei dem alles ein Ende hat, sobald es vorbei ist.

Ich löse den Mund von ihrem und trage sie durchs Zimmer. Ich habe keine Ahnung, wo wir uns befinden. So was Seltsames kommt nur in Träumen vor.

Ich drücke sie wieder gegen eine Wand. Ihr Körper wird von der Wand und meinen Hüften gestützt. Ich reiße ihr das Kleid vorn auf. Sie trägt keinen BH. Dafür schicke ich ein Dankgebet an den Gott der Träume. Ich presse den Mund an ihre Brust, lasse die Zunge über ihren Nippel streichen, bis sie vor Lust wimmert, und dann reize ich den anderen Nippel, diesmal mit den Zähnen. Sie drückt den Rücken durch, und ich spüre ihre Fingernägel, die sich mir in die Schultern krallen.

Ich bin jetzt nackt. In einem Traum kann Kleidung von einer Sekunde zur nächsten verschwinden. Mit zwei Fingern schiebe ich ihr den Slip zur Seite. Spöttisch und herausfordernd zugleich sehe ich ihr in die Augen, während ich meinen harten Schwanz zum Eingang zwischen ihren Schenkeln schiebe. Dicht davor verharre ich. Ich spüre die feuchte Glut, kurz bevor ich tief in sie eindringe.

Sie stöhnt auf. Der Laut kommt tief aus ihrer Kehle. Ich lache auf.

„Das ist erst der Anfang, Baby“, verspreche ich ihr.

Und weil mich die Dämonen jagen, die mich ständig strafen wollen, wache ich genau in diesem Moment auf. Mir steht der Schweiß auf der Stirn, und mein Schwanz ist felsenhart. Ich umfasse meine dicke Erektion und lasse die Hand daran auf und abgleiten.

Es macht keinen Spaß.

Nachdem ich im Traum Holly gefickt habe, brauche ich jetzt mehr als das hier.

Ich taste nach meinem Handy und sehe nach der Zeit. Es ist Mitternacht. Länger als vierzig Minuten habe ich nicht geschlafen. Verdammt.

Ich scrolle in meinem Kalender zurück zum Dienstag der letzten Woche, als ich mich mit Dr. Scott-Leigh in diesem Café getroffen habe.

Ihre Kontaktdaten stehen in der Terminspalte. Ich klicke auf ihre E-Mail-Adresse.

Holly, ich muss Sie wiedersehen. Morgen.

Noch einmal muss ich in meinem Kalender nachsehen. Schlaflose Nächte spielen dem Kurzzeitgedächtnis furchtbar übel mit.

Ich kann nur um vier Uhr nachmittags. NM

Ich lasse das Handy aufs Bett fallen und stehe auf. Schnell ziehe ich mich an, das heißt, so schnell es geht, denn mein Schwanz ragt immer noch wie eine Zeltstange vor. Dann kippe ich noch einen Wodka hinunter und rufe einen meiner Fahrer.

Insgesamt sind es vier, die sich beim Fahrdienst abwechseln. Im Moment hat Graeme die Schicht.

Von allen vieren kann er am schlechtesten verheimlichen, wie wenig er von meinem Lebenswandel hält. Das macht mir auf eine perverse Art Spaß.

„Wo geht’s hin, Sir?“, fragt er, ohne mir in die Augen zu sehen. Habe ich ihn geweckt? Pech. Schließlich ist es sein Job.

„Mon More.“ Das ist ein Club in Putney. Seit einem Monat spukt mir Julianne durch meine Träume, und jetzt übernimmt Holly diese Rolle. Die einzige Art, wie ich diesem Spuk entfliehen kann, ist eine laute Bar, wo der Alkohol in Strömen fließt.

Es ist nicht so, dass ich seit unserem Treffen an ihn gedacht habe. Jedenfalls nicht nur an ihn. Mich hat eine Menge beschäftigt. Zum Beispiel muss ich mir überlegen, wie ich für Ivy ein Maria-Kostüm hinbekomme. Es muss bis zu ihrer Weihnachtsaufführung fertig werden. Und wann finde ich die Zeit, ihr mit dem Lebkuchenhaus zu helfen, das sie unbedingt für ihre Großmutter machen will?

Nein, ich habe viel zu viel zu tun, um ständig an Noah Moore zu denken.

Nur nachts, wenn ich mich ins Bett lege und versuche, die Augen zu schließen. Dann sehe ich ständig sein Gesicht vor mir. Sein wunderschönes, außergewöhnliches, gequältes Gesicht mit Augen, aus denen seine Seelenqualen sprechen. Seine sexy Lippen und sein Körper, an den ich mich anschmiegen will. Ich will geborgen in seinen Armen liegen. Er weckt in mir den Wunsch, mich ihm vollkommen hinzugeben, um mich in seiner Nähe sicher zu fühlen.

Ich bin klug genug, um zu erkennen, wie absurd das ist, aber wenn ich es schon nicht in der Realität erleben kann, dann darf ich mich doch wenigstens mit der Fantasie begnügen, oder?

Diese Woche habe ich eigentlich einen vollen Terminkalender, aber als ich an diesem Morgen in die Praxis komme, scheint das Schicksal sich gegen mich verschworen zu haben, denn es schubst mir Noah Moore in den Weg.

Seine E-Mail wirkt auf meinen Verstand wie eine Bombe. Er schreibt überheblich und unhöflich. So vereinbart man keinen Termin mit mir. Ich weiß nicht mal genau, wie er an meine E-Mail-Adresse gekommen ist. Auf meinen Visitenkarten steht sie nicht, und normalerweise ermuntere ich meine Patienten auch nicht, direkt mit mir in Kontakt zu treten.

Zwischen Job und Privatleben muss ich eine strikte Grenze ziehen. So funktioniert es bei mir am besten.

Aber für Noah Moore scheinen andere Regeln zu gelten. Ich kann es selbst kaum fassen, dass ich lächeln muss, während ich in meinem Kalender nachsehe, wann ich Zeit habe. Was ist aus meiner klinisch-nüchternen Haltung geworden, die ich üblicherweise einnehme?

Mein Arbeitstag ist mit Terminen vollgepackt. Aber wenn ich den Termin für ein Uhr auf zwölf Uhr mittags vorziehe und auf das Lunch verzichte, könnte ich meinen Vier-Uhr-Termin vorverlegen und dadurch Zeit für Noah schaffen.

Ich schlucke all meine Zweifel hinunter.

Ich weiß selbst nicht, wieso, aber ich will ihm unbedingt antworten. Diesen fast verzweifelten Wunsch, ihn wiederzusehen, kann ich nicht ignorieren.

Schnell tippe ich eine Antwort.

Noah, für ein weiteres Treffen müssen Sie zu mir in die Praxis kommen. Vier Uhr nachmittags. Seien Sie pünktlich, direkt im Anschluss habe ich einen weiteren Termin. Dr. Scott-Leigh

Ich schicke es ab und bin froh, wie förmlich es klingt und dass aus keinem Wort herauszuhören ist, wie unfassbar sexy ich diesen Mann finde.

Stolz und zufrieden lese ich wie üblich die News, bevor ich mit der Arbeit beginne und Beatrice mit einem Kaffee und einem Bagel hereinkommt.

„Guten Morgen, Holly.“ Sie lächelt und geht wieder, ohne auf eine Antwort von mir zu warten.

Autor

Clare Connelly
Clare Connelly liebt Liebesromane – von Jane Austen bis  E L James. Nachdem sie lange erfolgreich Selfpublisherin war, ging 2017 ihr Traum in Erfüllung, als ihr erstes  Buch bei einem Verlag erschien. Seitdem ist sie nicht mehr zu stoppen. Clare liest und schreibt leidenschaftlich gerne, und lebt in einem kleinen...
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