Von Liebe sagte er kein Wort

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Eigentlich sollte es die schönste Zeit ihres Lebens sein, aber irgendwie kann Jane die Flitterwochen in Guys Villa in der Toskana nicht richtig genießen. Jede Nacht erlebt sie in seinen Armen heiße Leidenschaft, aber von Liebe spricht er nie. War die Heirat, wie alle prophezeiten, doch ein Fehler?


  • Erscheinungstag 11.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758967
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Jane stand auf dem oberen Treppenabsatz der breiten, geschwungenen Treppe und blinzelte geblendet ins Licht. Die quadratische Eingangshalle zu ihren Füßen war in gleißend helles Licht getaucht. Sie legte die Hand auf das hölzerne Treppengeländer und seufzte bedauernd.

Offensichtlich war die Mühe umsonst gewesen. Sie hatten den ganzen Morgen damit zugebracht, die neuen starken Glühbirnen, die ihre Mutter extra bestellt hatte, auszuwechseln. Hoffentlich sah es besser aus, wenn sie erst einmal unten war.

Ihre Mutter erschien am Fuß der Treppe. Die Absätze ihrer hochhackigen Schuhe klickten leise beim Gehen. „Bist du fertig, mein Liebling?“ Sie lächelte zu ihrer Tochter hoch.

„Ja, ich komme nach unten“, antwortete Jane betont fröhlich.

„Was meinst du?“, fragte ihre Mutter unsicher. „Ist es jetzt besser so?“

Jane fingerte etwas ratlos an dem kleinen Saphirstecker in ihrem Ohr herum. „Nun … von hier oben lässt sich das schlecht beurteilen …“

„Auf jeden Fall ist es jetzt doch heller, nicht wahr?“

„Oh ja, Mom“, antwortete Jane tröstend. Sie fasste wieder etwas verloren an ihren Ohrring. „Es ist bestimmt viel … heller!“

Sie ging die flachen, mit bordeauxrotem Teppich ausgelegten Treppenstufen hinunter, ohne die Augen von dem Bild abzuwenden, das sich ihr bot. Das grelle Licht spiegelte sich grausam im Steinfußboden der Eingangshalle wider. Sie hoffte, dass es etwas freundlicher aussehen würde, wenn sie erst einmal unten war, doch leider war es nicht so. Dabei hatte ihre Mutter sich so sehr gewünscht, dass alles anheimelnder und lichter wirken möge.

„Es war vorher so düster …“, sagte ihre Mutter und blickte mit einem hilflosen Achselzucken um sich.

„Das war es“, bestätigte Jane ernsthaft.

Ihre Blicke trafen sich, und sie starrten sich einen Moment lang an. Hellblaue Augen blickten in dunkelbraune Augen, dann brachen Mutter und Tochter in helles Lachen aus.

„Nun ja …“ Wendy Garston zuckte nochmals die Achseln. „Es war einen Versuch wert. Außerdem macht es nichts, es wird sich sowieso niemand im Haus umschauen. Sie werden alle nur Augen für dich haben. Du siehst einfach umwerfend aus.“

Jane freute sich über das Kompliment ihrer Mutter und drehte sich übermütig einmal um sich selbst. Ihr mitternachtsblaues Seidenkleid lag bis zu ihrer schmalen Taille eng an, und beim Drehen bauschte sich der mit Silberfäden durchzogene Rock zu luftiger Fülle.

„Meinst du nicht, dass Daddy etwas sagen wird?“ Sie schielte besorgt zu ihrem Ausschnitt hinunter.

„Ach, wahrscheinlich ja. Aber mach dir keine Gedanken. Er sollte eigentlich sehr froh sein, dass du so ein schönes Dekolleté hast, um die Gäste abzulenken.“

Jane zog ein Gesicht. „Es sind doch alle schon hundert Mal hier gewesen. Wer wird sich da schon für die Glühbirnen oder für mein Dekolleté interessieren!“

„Nicht alle waren schon einmal hier“, murmelte ihre Mutter abwesend. „Dieser Kerl, mit dem dein Vater und ich letzte Woche im Country Club gegessen haben, kommt auch. Und ich habe das Gefühl, dass dein Vater ihn gerne beeindrucken würde. Wir sollten ihn in der Nähe deines Ausschnittes platzieren und abwarten, ob das wirkt.“

Jane lächelte schelmisch. „Wie gut, dass ich mein Haar heute hochgesteckt habe. Dann ist die Sicht frei.“ Sie strich sich über das glänzende schwarze Haar, das zu einem stilvollen Knoten geschlungen war.

Kurz darauf saßen sie in dem hell erleuchteten Wohnzimmer und nippten an ihrem Sherry, als es zum ersten Mal klingelte. Seufzend wechselten sie einen Blick, standen auf und strichen sich die Kleider glatt. Sie wussten beide, dass es ein tödlich langweiliger Abend werden würde. Janes Mutter verabscheute es, Partys zu geben, doch sie fühlte sich den alten Freunden ihrer verstorbenen Eltern sehr verpflichtet und gab die Gesellschaften fast nur ihnen zu gefallen. Wendy Garston selbst hätte es jederzeit vorgezogen, den Abend ruhig vor dem Kaminfeuer beim Blättern in einem guten Pflanzenkatalog zu verbringen.

Jane mit ihren einundzwanzig Jahren hingegen freute sich normalerweise auf Partys – solange es nicht die ihrer Eltern waren.

Ihr Vater trat eilig ein, und sie ging zu ihm, um seinen Arm zu nehmen.

„Langfords sind angekommen.“ Er schien verstimmt. „Sie sind wieder zu früh, wie immer. Eines der Mädchen von der Agentur kümmert sich um sie, aber sie werden bestimmt gleich hereinkommen …“ Sein Blick fiel auf Janes Ausschnitt. „Findest du das nicht ein bisschen zu …?“

„Daddy! Was hältst du von der Beleuchtung?“ Sie unterbrach ihn und zwinkerte ihrer Mutter schelmisch zu.

„Beleuchtung?“ Er war offensichtlich verwirrt. „Wo?“

Er blinzelte immer noch aus verwirrten grauen Augen ins Licht, als die ältlichen Langfords eintraten, zehn Minuten später gefolgt von den dicklichen MacMillans, von Sir Richard mit seiner steinalten Mutter und von Colonel Fish. Gegen neun Uhr war der Raum voller Leute, aber die grelle Wirkung des Lichts hatte dadurch nicht nachgelassen. In der gleißenden Helligkeit sahen die Leute krank aus, nur Jane mit ihrer honiggoldenen Haut und ihrem pechschwarzen Haar sah aus, als bade sie in Sonnenschein.

Gegen zehn Uhr hatte Jane sich bereits zwei Mal am kalten Büfett bedient und wartete nun ungeduldig darauf, dass die Windbeutel aufs Büfett gestellt würden, die sie vorhin schon in der Küche entdeckt hatte. Genau wie ihre Mutter war sie eine gute und pflichtbewusste Gastgeberin, aber dennoch war der Abend genauso langweilig geworden, wie sie es befürchtet hatten. Sie lehnte sich mit den nackten Schultern an die Wand und schloss einen Moment die Augen. Als sie eine warme, trockene Hand auf ihrem Arm fühlte, nahm sie an, dass es ihr Vater sei.

Sie machte sich nicht einmal die Mühe, die Augen zu öffnen. „Hallo“, sagte sie warm. „Ich ruhe mich nur einen kleinen Moment aus …“

„Gut“, antwortete eine tiefe männliche Stimme. „Ich dachte schon, Sie fühlen sich nicht wohl.“

„Oh!“ Jane lächelte, sodass die Grübchen auf ihren Wangen zu sehen waren. Dies war mit Sicherheit nicht die Stimme ihres Vaters. Dann schlug sie ihre großen, mandelförmigen Augen auf.

Das Lächeln verging ihr, als ihr Blick über die gestärkte Hemdbrust nach oben wanderte und sie in verengte blaugraue Augen blickte, die aus ziemlicher Höhe auf sie herabblickten.

Der Mund des Mannes hatte eine sinnliche Form, sein dunkelbraunes Haar war sehr kurz geschnitten und seine Haut olivfarben. Er hatte sehr dunkle Augenbrauen und ein kantiges Kinn. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts. Trotzdem hatte Jane das unerklärliche Gefühl, dass er sie insgeheim abschätzig betrachtete.

„Guten Abend“, sagte sie und lächelte höflich, um ihre guten Manieren zu beweisen. „Es geht mir gut, ich war nur ein bisschen müde. Danke für die Sorge.“

Die Hand des Mannes lag noch immer auf ihrem Oberarm, und sie musste sich zurückhalten, nicht betont hinzublicken, um ihm zu bedeuten, dass seine Hand dort eigentlich nichts mehr zu suchen hatte.

„Guten Abend“, entgegnete er mit dunkler Stimme. „Jetzt, mit geöffneten Augen, sehen Sie auch wirklich nicht krank aus.“

„Nicht so wie …“ Sie unterbrach sich mitten im Satz. Fast hätte sie ironisch gesagt: … nicht so wie alle anderen heute Abend … aber dieser Mann mit seiner glatten, gebräunten Haut sah ebenfalls nicht im Mindesten blass aus. Das Licht brachte eher den klaren Schwung seiner Brauen über der geraden Nase und die hohen Wangenknochen stärker hervor und betonte seine kantigen Gesichtszüge. Er sieht extrem gut aus, dachte sie insgeheim.

„Sie finden Gesellschaften also ermüdend“, stellte er fest.

„Nun … nicht alle Gesellschaften. Aber diese war harte Arbeit, muss ich sagen.“

„Das Essen hat die Mühe gelohnt, es ist wirklich gut.“

„Oh, das meinte ich gar nicht. Um ehrlich zu sein, das Essen ist geliefert worden.“ Dies war der einzige Luxus, den sich ihre Mutter gönnte.

„Was meinten Sie denn?“

„Ach, wissen Sie, als Tochter des Hauses muss ich die Leute miteinander bekannt machen, mich mit jedem unterhalten und so weiter.“

„Und das nennen Sie harte Arbeit?“

Jane wollte antworten, doch er ließ ihr gar nicht erst eine Chance, zu Wort zu kommen.

„Geben Sie sich nicht die Mühe, es mir erklären zu wollen“, sagte er trocken. „Ich habe richtig zu arbeiten angefangen, als ich gerade acht Jahre alt war. Ich fürchte, Sie und ich haben recht unterschiedliche Vorstellungen davon, was harte Arbeit ist.“

Jane lächelte gezwungen. Sie fühlte sich auf ihren Platz verwiesen. Eine steife Pause entstand. „Nun, um auf meine Art Arbeit zurückzukommen, stelle ich mich Ihnen vor“, sagte sie schließlich harsch. „Ich bin …“

„Jane Garston, ich weiß“, stellte er fest. „Ich bin Guy Rexford. Ich habe letzte Woche mit Ihren Eltern gegessen.“

„Mmh, ich erinnere mich, dass sie so etwas erwähnt haben.“ Dies war also der Mann, den sie hatte beeindrucken sollen …

Unbewusst schlug sie die Augen nieder und blickte zu ihrem Dekolleté hinunter. Das Licht ließ einen tiefen Schatten zwischen ihren festen, gerundeten Brüsten erscheinen. Sie wünschte mittlerweile, sie und ihre Mutter hätten nicht diese lächerlichen Späße darüber gemacht. Die Idee, Guy Rexford mit ihrem Dekolleté zu verwirren, gefiel ihr gar nicht. Er war viel zu jung, jedenfalls verglichen mit den anderen Gästen. Wenn sie auch nur geahnt hätte, dass die Gesellschaft nicht nur aus respektablen alten Kerlen bestehen würde, hätte sie dieses gewagte Kleid auf keinen Fall angezogen. Sie zog die Schultern unmerklich ein wenig ein und bemühte sich, nicht zu tief durchzuatmen.

„Suchen Sie etwas?“, erkundigte sich Guy Rexford herausfordernd. Etwas an dieser gepflegten, dunklen Stimme verunsicherte sie. Er hatte seine Stimme genauso im Griff wie seine Gesichtszüge, und doch gab es feine Nuancen, die sie verunsicherten.

Jane blickte wie ertappt auf. Sie hatte nicht bemerkt, dass ihr prüfender Blick so offensichtlich gewesen war, und wurde vor Verlegenheit leicht rot.

„Oh, nichts von Bedeutung“, sagte sie lahm.

„Das glaube ich nicht“, widersprach er.

„Ich … mir ist vorhin eine Erdnuss hinuntergefallen …“, sagte sie hastig. Als sie bemerkte, dass sie die Dinge damit nur noch schlimmer gemacht hatte, wurde ihre Verlegenheit noch größer. „Es macht ja nichts, ich glaube, sie liegt irgendwo auf dem Fußboden.“

Wieder war da dieser undurchdringliche Blick. „Soll ich sie für Sie suchen?“

„Nein, danke“, murmelte sie hilflos.

Er nahm endlich, fast geringschätzig, seine Hand von ihrem Arm. „Sind Sie sicher, dass das nicht ‚ja, bitte‘ heißen soll?“

Jane biss sich auf die Lippe. „Ich meinte nicht …“ Sie ballte die Fäuste. Die Zweideutigkeit der Situation ging ihr auf die Nerven. „Natürlich nicht! Was für eine absurde Idee, nach einer Erdnuss zu suchen!“

„Nun, dann ist es ja gut“, antwortete er lakonisch.

„So?“, entgegnete sie heftig. „Ich glaube nicht, dass es gut so ist. Ich bin es nicht gewöhnt, dass Männer so mit mir reden, Mr. Rexford!“

„Wie denn?“, konterte er trocken. „Bieten die Herren Ihrer Bekanntschaft Ihnen normalerweise keine Hilfe an, Miss Garston?“

„Die Herren meiner Bekanntschaft …“ Sie suchte nach Worten. „Nun, sie sind eben Herren … Gentlemen, um genau zu sein.“

„Bin ich das nicht?“

„Das habe ich nicht gesagt“, antwortete sie vorsichtig. Es war schrecklich. Sie schien einen Streit angefangen zu haben – und wusste eigentlich gar nicht, worum es ging. „Tut mir leid“, seufzte sie und sah ihn Hilfe suchend an, um alles wieder in Ordnung zu bringen, doch sein Gesichtsausdruck war noch genauso undurchdringlich wie vorher. Sie hatte plötzlich den unbändigen Wunsch, hoch erhobenen Hauptes davonzurauschen.

Er kam ihr zuvor. „Es war nett, Sie kennengelernt zu haben, Jane Garston“, knurrte er und wandte sich zum Gehen, wobei ein Blick aus seinen blauen Augen noch einmal über ihre nackten Schultern schweifte und dann ungeniert auf ihrem Ausschnitt verweilte.

„Auf … Wiedersehen“, sagte sie.

Er ging schnell durch die Menge der Gäste. Zu ihrem Ärger konnte sie sich nicht zurückhalten, ihm nachzuschauen. Er war über einsneunzig groß und damit weitaus größer als die meisten Gäste. Es war nicht schwer, seinen Weg bis zur Tür zu verfolgen. Als er die schwere Eichentür öffnete, drehte er sich ein wenig zur Seite, und sie bemerkte erst jetzt unter seinem linken Wangenknochen ein kleines, dunkles Muttermal, das seinem Gesicht eine besondere Faszination verlieh.

Jane blieb noch ein paar Momente an die Wand gelehnt stehen und wartete, dass sich ihre Haut wieder abkühlte. Dann rief sie Colonel Fish, der gerade vorbeihumpelte, einen Gruß zu und ließ sich von ihm den Rest des Abends langweilen.

Nachdem die letzten Gäste gegangen waren, setzten sich Wendy und Sidney Garston in ihre Sessel vor dem Kaminfeuer und streiften die Schuhe ab. Beide sahen sehr müde aus. Jane holte sich ihren Kakao, den sie jeden Abend vorm Zubettgehen trank.

„Eigentlich ist der Abend doch ganz gut verlaufen“, bemerkte sie in die entspannte Stille und setzte sich zu ihren Eltern.

Ihr Vater verzog das Gesicht. „Aber dass dieser Rexford auftauchen musste …“

„Wolltest du nicht, dass er kommt?“

Ihr Vater strich sich müde durchs blonde Haar. „Nein, eigentlich nicht, Liebes. Ich hatte gehofft, dass er das Interesse an mir verloren hätte. Siehst du, ich habe das hässliche Gefühl, dass er vorhat, Garston’s zu übernehmen. Vor einigen Wochen hat er versucht, einige meiner Top-Entwicklungsingenieure abzuwerben, und als wir mit Molly und Leonhard ausgegangen sind, hat er sich so aufgedrängt, dass er auch eingeladen wurde. Er hat mir den ganzen Abend nur Fragen über die Firma gestellt – obwohl ich wirklich nicht weiß, warum, er kennt sich ja bereits genauso gut aus wie ich.“

„Aber das heißt doch nicht, dass er die Firma übernehmen kann, Daddy? Unsere Familie hält immerhin die Aktienmehrheit. Ich dachte, dadurch wären wir sicher?“

Sidney Garston zuckte die Achseln. „Das stimmt. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber dennoch nicht völlig ausgeschlossen, dass man uns übernehmen kann.“

Ihre Mutter seufzte. „Wenn Tante Florrie nur nicht all diese Aktien dem Katzenheim vererbt hätte. Sie war eben leider ein bisschen verrückt.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Wir hätten versuchen sollen, diese Aktien aufzukaufen, Sidney.“

Ihr Vater senkte niedergeschlagen den Kopf. „Ich habe all unser Kapital wieder in die Firma investiert, meine Liebe. Deswegen haben wir auch diese schwere Rezession bis jetzt so gut überstanden. Wenn ich unser Geld nicht dazu verwendet hätte, den Betrieb zu computerisieren, wären wir nicht mehr konkurrenzfähig gewesen. Ich hatte keine andere Wahl.“

„Aber warum würde Guy Rexford Garston’s kaufen wollen, Daddy?“ Jane war ernsthaft besorgt. Sie hatte ihren Vater niemals so bedrückt gesehen. Es tat ihr weh, dass sein üblicherweise fröhlicher Gesichtsausdruck einen bekümmerten und sorgenvollen Zug bekommen hatte.

„Guy Rexford tut in der Geschäftswelt genau das, was ihm passt“, antwortete ihr Vater. „,Rexford Holdings‘ hat noch viel größere Firmen als Garston’s übernommen. Ich glaube, er ist hinter meinem Forschungs- und Entwicklungsteam her, und was Rexford will, das bekommt er auch. Das sagen jedenfalls alle.“

„Oh“, Jane blickte ihren Vater mitfühlend an. Nach dem, was sie von Guy Rexford gesehen hatte, konnte sie das sehr wohl glauben. „Könnte er dich denn so einfach hinauswerfen, nach all dem, was du für die Firma getan hast? Daddy, die Firma ist schon seit Generationen in der Familie. Diese fürchterliche Fabrik ist dein Leben!“

Ihr Vater lachte unwillkürlich auf. „Jane, Liebes, es ist nicht ganz so schlimm. Er würde mich nicht zum Alteisen schicken, er würde mir nur die Hände ein bisschen binden. Mach dir keine Sorgen, ich werde auch weiterhin die meiste Zeit in dieser fürchterlichen Fabrik zubringen, wie du sie so charmant nennst. Und wenn er mich zwingen sollte zu gehen, würde er mich dabei zum reichen Mann machen.“

„Aber du würdest es hassen, einfach nur als reicher Mann zu Hause herumzusitzen“, rief Jane aus.

Wendy Garston lächelte ihrem Mann beschwichtigend zu. „Um fair zu bleiben, Sidney, du weißt ja gar nicht, ob er überhaupt etwas in dieser Hinsicht tun würde. Wir betreiben hier nur Spekulationen.“

„Damit habe ich mich bisher auch zu beruhigen versucht. Aber dass er heute Abend gekommen ist, so spät, wie es ihm passte, und nach fünf Minuten wieder verschwand, spricht doch für sich selbst.“

„Du meinst, sein Kommen heute Abend hatte etwas zu bedeuten?“ Jane hoffte, dass ihre Begegnung mit ihm die Lage ihres Vaters nicht noch schlimmer gemacht hatte. Sie setzte ihren Kakao ab und ging zu ihrem Vater, um ihn zu umarmen. „Mach dir nichts draus, Daddy. Selbst wenn er versuchen sollte, dein Leben zu ruinieren, werden Mummy und ich unsere ganze Zeit darauf verwenden, dir zu zeigen, wie gerne wir schrecklich reich sind. Stimmt’s, Mummy?“

Sie hatte das Richtige gesagt. Der Bann war gebrochen, und ihre Eltern lachten befreit auf. Sie saßen noch eine Weile entspannt zusammen, um sich über die Party auszutauschen, und die gedämpfte Stimmung verflog.

Jane hatte es gründlich satt, Glühbirnen aus- und einzudrehen. Sie verbrachte nun schon den zweiten Morgen auf einer Trittleiter. In der Eingangshalle war es so dunkel, dass sie die Haustür weit offen stehen lassen musste, damit sie sah, was sie tat. Ein kühler Wind strich herein.

„Suchen Sie immer noch die Erdnuss?“, ertönte eine ihr nur allzu bekannte Stimme.

Sie tauchte mit dem Kopf aus dem großen Kronleuchter auf und schüttelte sich die schulterlangen Haare aus dem Gesicht. Was um Himmels willen machte Guy Rexford denn hier? „Ich wechsle die Glühbirnen aus“, erklärte sie überflüssigerweise.

Eigentlich war sie im Vorteil, auf ihn hinabschauen zu können, aber natürlich verpuffte dieses Gefühl nach dem ersten Blick auf ihn sofort. Er lehnte völlig entspannt an der Tür, die Hände in den Taschen des Jacketts, die Beine lässig gekreuzt.

„Sie überraschen mich.“ Er sagte es so trocken, dass sie ihn im Verdacht hatte, es ironisch zu meinen. Misstrauisch blickte sie ihn an.

„Ist Ihnen nicht aufgefallen, wie hell es hier gestern Abend war? Das Licht war zu stark“, sagte sie lahm und fingerte leicht verlegen an der Glühbirne herum, die sie gerade ausgetauscht hatte.

„In der Tat.“

„Hm … Wenn Sie meinen Vater suchen – der ist nicht zu Hause. Er ist bei der Arbeit.“

„Ich will nicht zu Ihrem Vater.“

„Oh, Mutter ist hier irgendwo im Haus, ich glaube, in der Küche.“ Sie legte die Glühbirne zurück in den Karton, wischte sich die Hände an der Jeans ab und begann, die Trittleiter hinunterzuklettern.

Sie war kaum mehr als zwei Stufen hinuntergekommen, da war er auch schon neben ihr, hatte sie um die Taille gefasst und hob sie mit Schwung auf den Boden.

„Ich will auch nicht zu Ihrer Mutter“, sagte er, ohne die Hände von ihrer Taille zu lösen.

Sie machte nervös den Versuch, seine Hände beiseite zu schieben, doch er legte sie betont noch einmal auf ihre Hüften.

Obwohl sie über Jeans und T-Shirt noch ein riesiges, fuchsiafarbenes Sweatshirt trug, fühlte sie das Gewicht seiner großen, kräftigen Hände direkt auf der Haut. Das Schlimmste war, dass das Gefühl schrecklich aufregend war. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und es fiel ihr plötzlich schwer, zu atmen. Dennoch, dies war der Mann, der das Lebenswerk ihres Vaters zerstören wollte. Es fehlte nicht viel, und sie ekelte sich vor sich selbst.

„Bitte nehmen Sie die Hände weg“, bat sie mit zittriger Stimme.

Als ob nichts geschehen wäre, ließ er die Arme fallen.

„Warum haben Sie das getan?“, fragte sie ärgerlich.

„Weil ich es tun wollte.“ Er begegnete ihrem wütenden Blick, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Oh“, sagte Jane. Sie war heillos verwirrt. In ihren kurzen Gesprächen bisher hatte sie nicht gerade eine gute Figur abgegeben. Zuerst hatte sie unbeabsichtigt die Aufmerksamkeit auf ihren Ausschnitt gelenkt, und er hatte die Situation so aussehen lassen, als ob sie ihn in ihr Bett einlade. Nun hatte sie die Gelegenheit klarzustellen, dass sie nicht diese Art Frau war, und ihr Kopf war völlig leer. Guy Rexford stand nur einfach vor ihr und wartete darauf, was sie zu sagen hatte, doch alles, was ihr einfiel, war, dass seine Augen im Tageslicht grauer wirkten.

Sie räusperte sich. „Das ist noch lange kein Grund … Hm …“ Sie seufzte ratlos.

„Aber Jane Garston, ich habe Sie doch nicht belästigt. Ich habe Ihnen nur von der Leiter geholfen.“

„Und anschließend Ihre Hände nochmals auf meine Hüften gelegt, obwohl ich sie schon weggeschoben hatte!“

Er zog eine seiner schwarzen Augenbrauen hoch. „Ich wollte nur feststellen, ob Sie es auch wirklich ernst meinten“, bemerkte er. „Nun weiß ich es und werde Sie nicht mehr anfassen, ohne dass Sie es auch wünschen.“ Seine Stimme hatte wieder diesen Unterton.

Sie blickte ihm fest in die Augen. „Dann merken Sie sich, dass dies gerade das letzte Mal war“, entgegnete sie entschieden. „Was kann ich für Sie tun, Mr. Rexford? Haben Sie vielleicht gestern Abend etwas hier vergessen?“

Er neigte den Kopf leicht zur Seite. „Ja, Sie!“

„Mich?“

Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich bin gekommen, um Ihnen den Hof zu machen, Jane Garston. Als Einstieg werde ich Sie zum Essen ausführen.“

Jane verspürte plötzlich wildes Herzklopfen. Wie ungewöhnlich, so etwas zu sagen! Aber es klang nicht im Mindesten seltsam aus seinem Mund.

Sie runzelte die Brauen. „Warum nennen Sie mich Jane Garston?“, fragte sie schließlich.

„Ist das nicht Ihr Name?“, erwiderte er herausfordernd. Dann ging er zu einer kleinen Tür zur Linken, öffnete sie und verschwand einen Moment. Sekunden später tauchte er mit einem orangefarbenen Anorak im Arm wieder auf.

„Fangen Sie!“ Er warf ihr den Anorak zu.

„Woher wussten Sie, dass dort die Garderobe ist?“, fragte Jane. „Und woher wussten Sie, dass dies meine Jacke ist?“

Er zuckte die Achseln und lächelte geheimnisvoll. „Laufen Sie zu Ihrer Mutter und sagen Sie ihr, dass Sie mit mir essen gehen. Sie werden in anderthalb Stunden zurück sein.“

„Ich habe doch noch gar nicht zugesagt, dass ich mitkomme“, protestierte sie verärgert.

Autor

Jenny Cartwright
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