Wiedersehen in Marbella

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Tas ist entsetzt! Bei ihrer Rückkehr ins romantische Marbella begegnet sie dem neuen Liebhaber ihrer Stiefmutter: Und das ist niemand anderes als Judeo Corderro, ihre große Jugendliebe! Muss sie den feurigen Spanier nun endgültig vergessen oder darf sie um ihr Glück kämpfen?


  • Erscheinungstag 07.06.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745080
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Grimmig stapfte Judeo durch den Innenhof von La Quinta, ohne dabei auf die tropische Pflanzenwelt oder den sanft sprudelnden Springbrunnen zu achten. Er war ein überlegt handelnder Mann, dem es vor allem um eines ging: Gerechtigkeit.

Einen Monat lang hatte er nichts anderes getan, als sich Sorgen zu machen und an seines Vaters Bettstelle zu essen und zu schlafen. Zunächst im Krankenhaus in Marbella und jetzt hier auf dem Anwesen in einem weiten Tal der Sierra Nevada.

Alle seine Gefühle waren von dem Vater eingenommen, der sich so selbstlos um ihn gekümmert hatte, seitdem vor über zwölf Jahren seine Mutter gestorben war. Damals war er gerade einmal vierzehn Jahre alt gewesen. Er war fürchterlich wütend auf David Laker gewesen, auf den Mann, der den Sturz seines Vaters verursacht hatte. Und da war es natürlich ein Schock, als er sich eingestehen musste, dass Lakers Tochter Tas sich einen Platz in seinem Herzen erobert hatte. Doch auch dahinter hatte nur ihr Vater gesteckt.

„Tas“, stieß er ihren Namen hervor, und dabei war der Schmerz beinahe körperlich zu spüren. Er kniff die Augen zusammen, um das Bild von ihr zu vertreiben. Sie war schlank, hatte eine samtweiche Haut und dunkle Augen, aus denen sie ihm Blicke zugeworfen hatte, die ihm höchst erotische Stunden versprachen. So wie er es nie zuvor erlebt hatte.

Dabei aber hatte sie es nicht ehrlich gemeint. Sie war eine Marionette ihres Vaters. Ohne jeden Anstand. Er sollte eigentlich froh sein, nichts mehr mit ihr zu tun zu haben, auch wenn sich sein Körper mit jeder Faser nach ihr sehnte. Sie war eine sehr anziehende Frau, und Judeo hatte schon seit langer Zeit allein gelebt.

Er schämte sich seiner eigenen Schwäche und stapfte eilig weiter. Vor dem Eingang, der zu Mateos Zimmern führte, blieb er stehen, bereitete sich einen Augenblick lang vor, klopfte dann energisch und trat ein. Immer wenn er seinen Vater sah, zog sich ihm das Herz zusammen.

Früher war Mateo ein lebensfroher Mann gewesen, der seine Freunde stets mit guter Laune unterhalten hatte. Doch das war nun vorbei. Unter der Bettdecke zeichnete sich kaum noch der blasse, magere Körper ab.

Judeo schluckte schwer. Tiefes Mitleid überkam ihn. Diesem Mann war Unrecht zugefügt worden, und dafür mussten Laker und seine Tochter zur Rechenschaft gezogen werden. Hastig machte er einen Schritt vorwärts, doch auf einmal wurde ihm bewusst, dass seine eigene Stärke ein Leiden für seinen Vater sein musste. Zärtlich lächelte er ihm zu. Was nur war aus dem einst so kräftigen Mann geworden! Und das alles wegen dieses Lakers.

Der Ärger hatte vor einigen Monaten begonnen, als Laker bestritten hatte, dass Judeos Vater der bedeutendste Anteilseigner an Lakers Privatklinik war. Mateo hatte einen Betrug befürchtet und eine Finanzuntersuchung gefordert. Das Ergebnis war völlig unerwartet. Mateo besaß keinerlei Anteile mehr, und schlimmer noch, Laker stellte ihn als einen betrügerischen Kerl dar.

Judeo war da gewesen, als sein Vater den Bericht bekommen hatte. Es war ein fürchterlicher Schlag gewesen. Diesen Augenblick würde Judeo sein Leben lang nicht vergessen. Und jetzt setzte er alles daran, um herauszufinden, welchen Betrug Laker eingefädelt hatte. Wie nur war es ihm gelungen, die Fahnder hinters Licht zu führen?

„Vater.“

Mateo machte eine schwache Handbewegung. Zu mehr reichte seine Kraft nicht. Judeo brach es beinahe das Herz. Sein Vater war wach und intelligent. Da musste der kranke Körper wie ein Gefängnis für ihn sein. Judeo legte ihm sanft eine Hand auf die Schultern. Einstmals waren sie breit und stark gewesen, doch jetzt schockierte es Judeo, wie kraftlos sie geworden waren.

„Ich werde alles tun, um diesen Laker zu überführen“, sagte er. „Das verspreche ich.“

Wieder machte sein Vater eine schwache Handbewegung. Er konnte nicht mehr sprechen, und Judeo versuchte, seinen Blick zu verstehen.

„Ich komme nachher wieder, bis dahin kümmert sich Carmen um dich.“

Judeo drückte seinem Vater einen leichten Kuss auf die Stirn und stand dann auf. Er nahm die Straße Richtung Marbella und kam wenig später in Puerto Banus an.

„Laker, wo ist er?“, herrschte er das Mädchen an, das die Tür aufmachte.

„Er ist nicht da“, gab sie ängstlich zurück.

Judeo glaubte ihr kein Wort. Er stürmte an ihr vorbei und riss die Türen auf, als ob ein Orkan durch das Haus wirbelte.

„Laker!“, rief er.

Und dann sah er sie. Tas stand oben auf der Treppe. Das Haar fiel ihr ungekämmt auf die Schultern, die Augen waren rot und geschwollen. Judeo blieb verwundert stehen. Es war gerade erst drei Monate her, dass sie sich das letzte Mal getroffen hatten, doch Tas war kaum wiederzuerkennen. Von der schlanken, wunderschönen Frau, die sein Herz erobert hatte, war nichts mehr zu sehen. Jetzt hingen ihr die Kleider am Leib herunter.

Tas wollte erst zurückweichen. Sie wusste, wie schrecklich sie aussah, doch das war seine Schuld. Seitdem er ihr eröffnet hatte, dass es aus war zwischen ihnen, hatte sie nichts anderes getan als essen und weinen. Und jetzt hasste sie sich selbst dafür, dass sie ihm erlaubt hatte, ihr Leben zu zerstören. Das Schlimmste aber war, dass sie ihn immer noch liebte!

Mit zittrigen Knien kam sie die Treppe hinunter, wobei sie sich am Geländer festhielt. Sie ging in das Wohnzimmer. Judeo folgte ihr. Als sie sich zu ihm umdrehte, bemerkte sie, dass seine dunklen Augen vor Abneigung blitzten.

„Lass mich in Ruhe“, presste sie hervor. „Sonst rufe ich die Polizei.“

„Wo ist er?“, fragte Judeo, ohne auf die Drohung zu achten.

„Er hat das Land verlassen.“

Judeo ballte die Fäuste. „Dieser Feigling. Er hat wohl geahnt, dass ich kommen würde.“

„Du hast dich nicht gerade beeilt. Schließlich ist die Untersuchung schon einen Monat her. Da hat er natürlich nicht abgewartet, bis du das hinterlistige Spiel weitertreibst.“

„Hinterlistiges Spiel? Weißt du eigentlich, in welchem Zustand mein Vater ist?“

„Nein, und das interessiert mich auch nicht.“ Sie konnte seine Anwesenheit kaum noch ertragen.

„Das glaubst du doch selbst nicht.“

Natürlich machte sie sich Sorgen um Mateo. Sie hatte ihn immer gern gemocht. Dann aber hatte er versucht, das Ansehen ihres Vaters zu beschädigen, und das konnte sie ihm nicht verzeihen.

„Ich kann verstehen, wenn sich dein Vater schämt. Es war nicht richtig, öffentlich zu behaupten, der wichtigste Anteilseigner an der Klinik zu sein, wo es doch nicht stimmte.“

„Da täuschst du dich aber gewaltig!“

Tas seufzte. Sie gingen beide davon aus, dass ihre Väter recht hatten in dieser Angelegenheit. Dabei musste Judeo doch einsehen, dass Mateo Corderro falsche Anschuldigungen erhoben hatte. Das hatte die Prüfung eindeutig belegt. Warum bestand Judeo weiterhin darauf, die Wahrheit zu leugnen?

Ihm war deutlich anzusehen, wie sehr ihm diese Halsstarrigkeit zu schaffen machte. Die Wangenknochen standen hervor, so mager war er geworden. Dunkle Schatten hatten sich um die Augen gelegt, und zu den Mundwinkeln liefen scharfe Falten hinunter. Bestimmt hatte er schon seit einiger Zeit keinen richtigen Schlaf mehr gefunden.

Tas warf ihm einen raschen Seitenblick zu. Sie musste sich eingestehen, dass sie ihn immer noch liebte. Dabei hatte er das nur ausgenutzt. Er hatte sich doch nur an sie herangemacht, um genug Informationen über die Klinik ihres Vaters herauszubekommen, damit sein Vater diese Anschuldigungen erheben konnte. Warum gab Judeo das jetzt nicht zu?

„Judeo“, sagte sie leise. „Ich weiß, wie wichtig die Ehre deiner Familie für dich ist, und es ist ja richtig, dass du dich so sehr für deinen Vater einsetzt, doch …“

„David Laker hat gelogen und betrogen und damit das Leben meines Vaters ruiniert“, fuhr er unbeirrt fort. „Vielleicht ist es ihm gelungen, sich aus dem Staub zu machen, doch ich werde nicht aufgeben, bis ich euch beide überführt habe.“

„Wieso denn mich?“, fragte sie ungläubig. „Ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun!“

Judeo konnte sich nicht mehr zurückhalten.

„Dein Vater hat die ganze Sache eingefädelt, um meinen Vater dazu zu bringen, in die Klinik zu investieren. Dios! Dafür ist ihm nichts zu schade gewesen. Nicht einmal seine Tochter. Er hat dich doch zu mir ins Bett geschickt.“

„Was? Ins Bett geschickt?“

„Das weißt du genau. Du hast mir immer wieder von der Klinik erzählt. Und ich war so dumm und bin darauf hereingefallen. Ich habe die Sache meinem Vater schmackhaft gemacht, und so konntet ihr ihn ausnehmen.“

Tas schüttelte den Kopf. „Du irrst dich auf der ganzen Linie.“

„Mein Vater hat mir die Sache bestätigt, und das ist alles, was ich brauche. Er ist ein ehrenwerter Mann. Dein Vater aber ist ein mieser Betrüger.“

„Wie kannst du es nur wagen! Er wollte nur Gutes tun, als er sein Privatvermögen für die Klinik eingesetzt hat.“

„Ganz im Gegenteil. Er hatte selbst keinen Pfennig auf der Naht. Da hat er das Geld von anderen hinterzogen. Man sagt sogar, dass er nach Spanien gekommen sei, da er auf der Flucht war.“

„Ich lasse nicht zu, dass du meinen Vater so in den Dreck ziehst“, zischte Tas. „Und jetzt sieh zu, dass du rauskommst.“

Auf einmal hatte sie alle Kraft verlassen.

„Ich gehe schon“, erklärte er. „Aber glaube nicht, dass du mich so einfach loswirst.“

„Irgendwann wirst du einsehen müssen, dass dein Vater im Unrecht ist“, gab Tas zurück. „Die Fahnder haben nicht die geringste Spur einer Überweisung gefunden.“

„Weil er das Geld an eine Holding überwiesen hat …“

„Die es nicht gibt“, unterbrach sie ihn. „Man erzählt sich, dass dein Vater viel Geld bei anderen Geschäften verloren hat. Deswegen hat er die Geschichte mit der Klinik erfunden. In Wirklichkeit aber hat er keinen Penny investiert.“

„Das einzige Mal, dass mein Vater Geld verloren hat, war durch deinen Vater.“ Judeo zog die Augen zusammen. „Und das werde ich beweisen. Vielleicht wird es lange dauern, aber ich werde nicht aufgeben, das verspreche ich dir!“

1. KAPITEL

Sechs Jahre später

Vorsichtig bahnte Tas sich einen Weg durch das Durcheinander. Sie seufzte, als sie sich umschaute. Vor ihr stand der Küchentisch, der für das Frühstück gedeckt war. Doch wie sah das nur aus! Die Blumenvase war zerbrochen, auf der Tischdecke breitete sich ein Fleck aus. Als wenn hier ein Tornado durchgefegt wäre, dachte sie. Dabei war sie es doch selbst ge­wesen.

In letzter Zeit brachte sie einfach nichts mehr zusammen. Es war ihr auch egal, dass das Telefon klingelte. Dabei konnte sie sich ganz normal benehmen, wenn ihre Gefühlswelt in Ordnung war. Das aber war seit einiger Zeit ganz und gar nicht mehr der Fall. Und dafür gab es gute Gründe.

Vor drei Monaten war ihr Vater gestorben, und sie machte sich daran, ihre Wohnung in Madrid zu verlassen. Das aber hieß auch, den Job als Krankenschwester aufzugeben und ihre Freunde zu verlieren. Tas würde bei ihrer Stiefmutter in Marbella leben. Und dann war dazu auch noch die letzte Neuigkeit gekommen, die man ihr am Telefon erzählt hatte.

„Stell dir mal vor, Tas, ich habe einen Liebhaber!“

Genau das war der Augenblick gewesen, als Tas die Blumenvase zerbrochen hatte. Sie hatte noch versucht, sie auf­zufangen, doch dabei war sie gestolpert und irgendwie auf dem Sofa gelandet. Ihre Stiefmutter aber hatte das offensichtlich nicht mitbekommen und fuhr ungeniert fort: „Er ist einfach wunderbar. Mit viel Ausstrahlung und unglaublich sexy …“

Tas stöhnte auf. Sie klemmte den Hörer zwischen Kinn und Schulter und versuchte, sich aufzusetzen.

„Nicht so schnell“, platzte sie heraus, als sie wieder zu Atem gekommen war. „Hast du gesagt, dass du einen Liebhaber hast, Belinda?“

„Genau das. Man lebt nur einmal und sollte das Leben genießen.“

„Wie du meinst.“

„Darling, er ist ein wundervoller Mann.“

Tas verzog das Gesicht. Das klang ganz wie Kritik an ihrem eigenen Vater, und von Belinda wunderte sie das überhaupt nicht. Takt war nicht ihre Stärke. Dabei musste es ihr auch schwergefallen sein, als Tas’ Vater so plötzlich gealtert war. Aber einen Liebhaber nehmen! Tas fragte sich, wie sie sich dazu verhalten sollte. Das alles schien ein wenig schnell zu gehen. Sollte man nach drei Jahren Ehe nicht länger Trauer tragen?

Dann aber warf sie sich selbst vor, fürchterlich altmodisch zu sein. Und wie sollte sie Belinda vorhalten, dass sie das Leben genießen wollte? Sie selbst hatte das nur ein Mal versucht, doch es war ein fürchterlicher Fehler gewesen. Niemals hätte sie auf Judeo Corderro hereinfallen dürfen. Ihr Vater hatte sie oft davor gewarnt, zu viel Vertrauen in andere Menschen zu setzen. Sie aber hatte sich Hals über Kopf verliebt, um dann feststellen zu müssen, was für ein fieser Bursche Judeo war.

Lange hatte Tas unter dieser Geschichte gelitten. Dann aber hatte sie beschlossen, das Anwesen in Marbella ihrem Vater und seiner neuen Frau zu überlassen, um nach Madrid überzusiedeln. Dort hatte sie eine Stelle als Krankenschwester bekommen. Dickköpfig wie sie war, hatte sie auf ihrer Unabhängigkeit bestanden. Das aber bedeutete, mit einem schmalen Gehalt auskommen zu müssen, während ihr Vater in einem Penthouse in Puerto Banus, einem der schicksten Viertel von Marbella, lebte.

Dort gab es natürlich viele Menschen, die von diesem Reichtum profitieren wollten. Belinda hatte die Hälfte des Vermögens von Tas’ Vater geerbt, während Tas die andere Hälfte bekommen hatte. Damit war Belinda zu einer begehrten Frau geworden. Dazu kam noch, dass die hochmoderne Privatklinik, in der sich der internationale Jetset pflegen ließ, zu einer angesehenen gesellschaftlichen Stellung beitrug.

„Wie lange kennst du diesen Mann denn schon?“

„Sechs Wochen“, gab Belinda zurück. „Ich war einsam und habe beschlossen, wieder ein wenig auszugehen. Da habe ich ihn getroffen. Auf einer traumhaften Jacht.“

„Und er hatte natürlich nur Augen für dich.“

„Ja … genau.“

Tas hatte ein schlechtes Gewissen.

„Ich hätte dich öfter besuchen sollen“, entschuldigte sie sich.

„Du musstest dich doch um deine Patienten kümmern.“

„Vielleicht hätte ich die Stelle hier gleich nach Vaters Tod aufgeben sollen, um ganz bei dir zu leben.“

Belinda hörte gar nicht richtig zu. Tas wurde auf einmal deutlich, dass sie nur noch an den neuen Liebhaber dachte. In den letzten Wochen hatte Belinda trotz ihrer natürlichen Lebendigkeit müde geklungen, jetzt aber strahlte ihre Stimme wieder Lebensfreude aus.

„Ich hätte niemals geglaubt, dass ich noch einmal jemanden finden würde. In meinem Alter …“

„Dein Alter“, rief Tas aus. „Du bist zweiunddreißig, nicht neunzig.“

„Aber das Aussehen! Ich bekomme schon Falten …“

„Du siehst wunderbar aus. Und ich bin acht Jahre jünger als du und habe auch schon Falten.“

Dabei aber dachte sie wieder daran, dass Belinda sich wohl nur auf diese Affäre eingelassen hatte, da sie einsam und allein war.

„Du solltest nichts übereilen.“

„Das soll wohl ein Witz sein! Er ist so dynamisch, das zieht dir den Teppich unter den Füßen weg. Alle hier sind sehr beeindruckt von ihm. Dazu sieht er blendend aus und geht fürchterlich gern einkaufen mit mir.“

Tas bekam einen Schrecken. Das klang ja ganz nach einem Gigolo. Unwillkürlich musste sie sich fragen, ob er wohl einen Schnauzbart trug. Wie in einem Film aus den dreißiger Jahren. Belinda war sehr anfällig für falsche Komplimente, und in Marbella wimmelte es nur so von gut aussehenden jungen Männern, die es auf wohlhabende Frauen abgesehen hatten. Tas überlegte rasch, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Um Zeit zu gewinnen, sagte sie: „So, einkaufen mag er gern.“

„Ja. Weißt du, er ist sehr spanisch. Ein wenig Macho, sehr stark und männlich.“

Das klang ganz so, als würde Belinda eine Checkliste durchgehen. Tas musste lächeln. Offenbar hatte ihre Stiefmutter ihren Realitätssinn nicht verloren. Sollte sie sich doch amüsieren. Sicherlich tat es ihr gut, sich auf einen Mann verlassen zu können. Das gab Sicherheit.

„Scheint ja ein Traum von einem Mann zu sein“, sagte sie. „Was macht er denn so?“

„Er gibt sein ganzes Geld für mich aus, Darling. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie spendabel er ist. Und dazu ist er mucho energisch.“ Das war das neueste Modewort im Jetset. Belinda redete so, um zu dieser Gruppe zu gehören, auch wenn Tas genau wusste, dass sie im privaten Bereich eher zurückhaltend und sogar schüchtern war.

„Belinda, bitte sei ehrlich zu mir.“

„Aber das bin ich doch!“

„Warum dann …?“

„Was sollen diese Fragen, Tas. Ich bin müde. Das liegt an den vielen Partys, auf denen ich in letzter Zeit war.“ Belinda gähnte. „Das ist ein Mann! Also, Tas, ich muss sagen, da …“

„Schon gut“, unterbrach Tas sie eilig, da sie keine weiteren Details hören wollte. „Ich habe heute Nachtdienst.“

„Ich auch“, lachte Belinda.

Tas fühlte sich unangenehm berührt. Dabei ging es sie doch nichts an, wie Belinda ihre Nächte verbrachte. Schließlich hatte sie ein Recht darauf, sich mit einem Mann zu amüsieren, wenn sie Lust dazu hatte.

„Ich habe hier noch zwei Tage zu tun“, fuhr sie fort. „Dann nehme ich den Flieger und komme nach Marbella. Schickst du den Wagen zum Flughafen?“

„Natürlich. Es wäre nicht schicklich, hier in einem Mietwagen anzukommen. Und ich brauche das Auto nicht. Ich habe einen wunderbaren Chauffeur.“

„Klingt wirklich nach dem perfekten Mann“, bemerkte Tas, doch machte sie sich erneut Sorgen.

Belinda schwieg einen Augenblick, dann erklärte sie ernsthaft: „Ja, vielleicht habe ich wirklich Glück.“

„Da bin ich ganz sicher.“

„Nun, wie dem auch sei. Ich lasse die Schlüssel am Empfang, weil ich wahrscheinlich nicht da bin, wenn du ankommst.“

„Oh!“ Selbst die egozentrischste Person hätte bemerkt, dass Tas ganz und gar nicht zufrieden war. „Ich dachte, du wärst da. Schließlich ist es auch für mich der Anfang eines neuen ­Lebens.“

„Ich weiß, Schatz. Aber wir können das ja später feiern. ­Judeo hat mir eine unvergessliche Dinnerparty auf seiner Jacht versprochen.“

Der Name hallte wie eine Explosion. Judeo! Tas blieb beinahe das Herz stehen. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Knie auf einmal aus Pudding waren. Rasch ließ sie sich aufs Sofa gleiten, sonst wäre sie wohl der Länge nach hingefallen.

„Judeo?“, fragte sie ungläubig. Sie versuchte, ihre Stimme ruhig zu halten, und sagte: „Das klingt gar nicht wie ein spanischer Name.“

Nein, das durfte nicht Judeo sein, nicht ihr Judeo. Er würde doch nicht etwas mit Belinda anfangen. Sie kniff die Lippen zusammen, damit ihre Stiefmutter nicht bemerkte, wie sie zitterte. Ihr Herz raste wie verrückt, dann aber sagte sie sich entschieden, dass es sicher mehr als nur einen Judeo auf der Welt gab. Tas stöhnte auf. Der Hörer glitt ihr aus der Hand und fiel auf die hölzerne Armlehne. Rasch hob sie ihn auf, doch Belinda war so mit sich selbst beschäftigt, dass sie gar nichts bemerkt hatte.

„Jeder hier nennt ihn nur Judeo, sein vollständiger Name ist Judeo Amador Corderro.“

Es herrschte gespannte Stille, dann fragte Belinda: „Klingt das nicht wie Musik in deinen Ohren?“

Mehr wie ein schriller Schrei, dachte Tas. Jetzt wurde nur zu klar, dass ihre Stiefmutter in eine Falle getappt war. Sie musste ihr so schnell es ging die Augen öffnen, damit sie verstand, dass Judeo ein hinterhältiger Bursche war. Schon wollte sie mit der Wahrheit herausplatzen, doch dann schloss sie den Mund wieder. Denn da war noch ein ganz anderes Gefühl: Eifersucht! Am liebsten hätte sie Belinda befohlen, die Finger von diesem Mann zu lassen. Sie sollte nicht mit ihm tanzen, einkaufen gehen, Dinnerpartys auf Traumjachten feiern. Sie sollte nicht, ach nein, nichts, nicht das …

Plötzlich sah sie Judeo wieder vor sich. Seinen geschmeidigen Körper. Und Belinda, die sich in seinen Armen verlor. Tas schloss die Augen, doch ließ sich das Bild einfach nicht vertreiben. Judeo war ein fantastischer Liebhaber, das hatte sie selbst erfahren. Sie hatten wunderbare Nächte verbracht, und Tas sehnte sich danach, sich Judeo hinzugeben. Das erste Mal seit sechs Jahren hatte sie wieder Lust auf einen Mann.

Es schien eine Ewigkeit her zu sein, doch Tas erinnerte sich mit jeder Faser ihrer Haut an die Zärtlichkeiten dieses Mannes. Und dabei verabscheute sie ihn wie die Pest. Und doch ließ die Lust ihr heiße Schauer über den Körper laufen. Es war einfach unglaublich. Das körperliche Verlangen schien stärker zu sein als all die Erniedrigungen, die sie erfahren hatte. Ihre Brust bebte, und das Herz klopfte ihr wie wild. Tas setzte sich steif auf, als könnte sie so diese Sehnsucht verscheuchen.

Zornig blitzten ihre Augen auf. Judeo hatte einen Großteil ihres Lebens gestohlen. Seitdem sie ein kleines Mädchen gewesen war, hatte sie immer von einem Mann wie ihm geträumt. Und als sie Judeo das erste Mal getroffen hatte, hatte sie wirklich daran geglaubt, ein ganzes Leben lang mit ihm glücklich zu sein. Dann aber war es zur Katastrophe gekommen.

Seitdem hatten zahlreiche Männer versucht, einen Platz in ihrem Herzen zu erobern, doch keiner von ihnen hatte dem Vergleich mit Judeo standgehalten. Niemals hatte sie die gleiche Leidenschaft erfahren wie mit ihm. Die Männer hatten sie kalt und unberührt gelassen, und immer wieder hatte Tas Judeo verflucht, da er ihr ein unbeschwertes Liebesleben unmöglich machte.

Belinda erzählte weiterhin von dem tollen Mann, während Tas in Gedanken versunken war. Sie sah ihn vor sich, seinen schlanken, starken Körper, die breiten Schultern. Und der bezaubernde Blick aus den dunklen Augen. Niemals hatte sie ihm widerstehen können. Sein Mund, den Tas immer wieder küssen wollte. War er nicht körperlich der perfekte Mann? Aber das änderte nichts daran, dass er ein Schwindler war, der ihr alle Illusionen geraubt hatte.

Er besaß diese unnachahmliche Fähigkeit, jeder Frau das Gefühl zu geben, sie sei unendlich begehrenswert. Schnell erkannte er, was eine Frau mochte und was nicht, und schon hatte er sich angepasst. Manchmal verschenkte er Rosen, dann schlug er lange, einsame Spaziergänge am Meer vor, ein anderes Mal war es ein tiefer Blick in die Augen … Und damit verdrehte er jeder Frau den Kopf.

Doch was tat sie da nur! Tas hatte mit ihm gebrochen, endgültig. Sie durfte sich jetzt nicht von ihrem Weg abbringen lassen.

„Dann sind wir in eine Luxusboutique gegangen, und er hat mir ein wunderbares Kleid gekauft.“

Tas konnte es einfach nicht glauben. Sie wusste doch genau, dass er Shopping nicht ausstehen konnte. Nein, das klang ganz und gar nicht so, als sei Judeo wirklich verliebt. Bestimmt hatte er andere Hintergedanken. Plötzlich lief Tas ein eiskalter Schauer über den Rücken. Hatte Judeo nicht versprochen, niemals aufzugeben? Hatte er sich deswegen an Belinda he­rangemacht?

„Du solltest sehr vorsichtig sein“, warnte sie ihre Stiefmutter, während diese immer noch von dem wunderbaren Kleid schwärmte.

„Wir passen schon auf“, gab Belinda zurück, da sie Tas’ Bemerkung völlig falsch verstanden hatte. Diese spürte einen schmerzhaften Stich. Das war pure Eifersucht.

„Belinda!“

„Sei mir nicht böse, Liebes. Ich bin einfach verliebt. Niemals zuvor habe ich so etwas erlebt. Es ist einfach wunderbar. Ich bin ja so glücklich.“

Tas erschauerte. Liebe! Das war ja noch schlimmer, als sie befürchtet hatte. Irgendwie gelang es ihr, Zorn und Schrecken zu unterdrücken, um nicht einfach mit der Wahrheit herauszuplatzen. Belinda hatte mehr Vorsicht verdient. Sie war sehr sensibel und leicht zu verletzen. Ach, wie schrecklich war das nur. Judeo würde es sicher große Freude bereiten, der Witwe von David Laker das Leben schwer zu machen. Sollte sie ihr alles sagen? Doch wäre das nicht zu grausam so am Telefon?

„Aber … du kennst ihn doch noch gar nicht richtig“, sagte Tas.

Sie dagegen kannte ihn nur zu gut. All die Lügen, die sich hinter dem anziehenden Lächeln verbargen. Das heiße Verlangen, wenn sie sich geliebt hatten. Wieder war die Erinnerung da. Und wieder schmerzte es unendlich.

„Er hat die gleichen Vorlieben wie ich“, erklärte Belinda bestimmt. „Und er hat mir seine goldene Kreditkarte gegeben. Das zeigt doch, dass ihm einzig daran gelegen ist, mich glücklich zu machen.“

„Die goldene Kreditkarte!“, rief Tas bewundernd aus. Doch dann nahm sie sich schnell zurück. Was um alles in der Welt tat sie da nur? Es wurde ihr klar, dass es nicht einfach sein würde, Belinda von Judeo und seiner Kreditkarte zu trennen. Gleichzeitig aber fragte sie sich, wie Judeo zu solchem Reichtum gekommen war. Hatte auch er betrogen? Es wäre ein Drama, wenn ihre Stiefmutter in Kontakt mit der Unterwelt von Marbella käme. Dabei wurde es immer unerträglicher, Belinda zuzuhören, wie sie von Judeo schwärmte. Schließlich hatte Tas genug.

„Belinda“, sagte sie entschlossen. „Ich muss jetzt zur Arbeit. Wir sehen uns dann ja in Marbella.“

Autor

Sara Wood
Sara Wood wurde in England geboren. An ihre Kindheit hat sie wundervolle Erinnerungen. Ihre Eltern waren zwar arm, gaben ihr jedoch das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Ihr Vater kannte seine Eltern nicht, deshalb war er so glücklich über seine eigene Familie. Die Geburtstagsfeiern, die er gestaltete, waren sensationell: Er...
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