Wunschkind der Liebe

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Die hübsche Krankenschwester Lara möchte so gerne ein Baby! Von ihm, dem einzigartigen Dr. Derek Cross. Doch der alleinerziehende Vater gibt ihr zu verstehen: Eine neue Liebe kommt für ihn nicht infrage. Deshalb sucht Lara einen anderen – und spürt Dereks Eifersucht...


  • Erscheinungstag 28.12.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787219
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Sie sind wirklich ein Naturtalent, Lara.“

Lara Mancini nahm das sechs Wochen alte Mädchen auf den Arm und lächelte. „Ich hatte viel Übung. Als ich das letzte Mal nachgezählt habe, hatte ich zehn Nichten und Neffen.“

Neben ihr hielten die strahlenden Eltern je einen Säugling auf dem Arm.

In den drei Jahren, in denen Lara jetzt im Manhattan Multiples, einem Center für Mehrlingsgeburten, arbeitete, hatte sie viele Babys gehalten, aber nie hatte sie das Interesse an ihnen verloren.

„Sie sollten selbst Mutter werden, Lara“, sagte die Frau freundlich.

„Irgendwann bestimmt. Aber nun zu Ihnen. Ihr nächster Termin ist in sechs Monaten. Es sei denn, Sie möchten vorher zu Dr. Cross“, erwiderte Lara, während sie den Säugling wieder in seinen Kindersitz setzte.

„Nein, ich fühle ich mich großartig.“

„Komm schon“, drängte der Mann. „Lara hat noch andere Patienten.“

„Diese drei sind mir besonders lieb“, versicherte Lara und sah ihnen lächelnd nach. Der Daddy trug zwei Babyschalen, seine Frau trug die dritte sowie eine große blaue Windeltasche.

Lara schaute auf die Uhr.

Da sie versprochen hatte, sich für eine kurze Pause mit ihren Kolleginnen zu treffen, eilte sie zu ihrem Spind im Pausenraum und wechselte den blauen Overall, den sie im Dienst trug, gegen ein grünes Top mit V-Ausschnitt sowie einen knöchellangen Rock aus geblümter Seide. Dann zog sie den Perlmutt-Clip aus dem Knoten und schüttelte ihr Haar aus, bevor sie die Umhängetasche aus dem Schrank nahm und zum Fahrstuhl ging.

Auf dem Weg nach unten ergänzte sie ihre Aufmachung mit goldenen Ohrringen sowie einer Halskette. Sie dachte darüber nach, was das junge Elternpaar gerade gesagt hatte. Immer häufiger hörte sie, dass sie im Umgang mit Babys eine echte Naturbegabung war. Ein mulmiges Gefühl stieg in ihr auf. Sie war keine Mutter und würde vielleicht nie eine werden.

Als die Fahrstuhltür aufglitt, wehrte Lara sich gegen ihre Niedergeschlagenheit. In der Eingangshalle sah sie, wie Eloise Vale, die Direktorin, in ihrem Büro verschwand. Eine andere Schwester, Carrie Williamson, wartete neben Josie Tates Schreibtisch.

Josie, die Empfangssekretärin, war eine hübsche, kleine Brünette. Ihr freundliches Lächeln war das Erste, was die Leute sahen, wenn sie Manhattan Multiples betraten.

„Tut mir leid, dass ich spät dran bin“, entschuldigte Lara sich bei ihren Kolleginnen.

„Kein Problem.“ Carrie, eine große, schlanke Brünette, ging zum Eingang. „Ich habe Josie gerade von meiner letzten Katastrophe erzählt“, sagte sie, während sie den Freundinnen die Glastür öffnete. „Ich suche einen Prinzen unter Fröschen.“

Lara dagegen wusste, wo einer zu finden war. Dr. Derek Cross – attraktiv, reich, charmant, aber das behielt sie für sich. Nie hatte er auch nur das geringste Interesse an ihr gezeigt, doch seit dem Tag, an dem sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, schlug ihr Herz schneller, sobald sie in seiner Nähe war. Das ging allerdings nur sie etwas an. Sie liebte ihren Job und wollte ihn behalten.

„Ich kann kaum glauben, wie heiß es ist“, bemerkte Josie stöhnend.

„Ich auch nicht“, stimmte Lara ihr zu, als sie an einer roten Ampel warteten. Seit zwei Tagen sorgte eine sommerliche Hitzewelle in New York für unerträgliche Temperaturen.

„Tolles Outfit, Lara“, bemerkte Carrie.

Josie nickte bewundernd.

„Danke. Ich dachte mir, der blaue Overall passt nicht so gut.“ Für das schicke Restaurant, das ganz in der Nähe am Madison Square lag, hatten Carrie und sie sich umgezogen.

Es war die Woche, in der sie sich mal wieder etwas gönnen wollten. Anstatt zum Imbiss an der Ecke schlenderten die drei Frauen zu einem teuren Restaurant mit getäfelten Wänden, Kristallgläsern, Damastdecken und aufwendigen Blumenarrangements. Angeregtes Stimmengewirr und das Klappern von silbernen Bestecken erfüllten den Raum.

Selbst nachdem man sie an ihren Tisch geführt hatte, erzählte Carrie aufgebracht von ihrem Date vor zwei Tagen. „Er hat mir einen Hotdog gekauft. Das war seine Vorstellung von einem tollen Date. Danach haben wir ein Taxi zum Theater genommen. Und weil er nicht mehr genug Geld hatte, musste ich es bezahlen.“

Lara nippte an ihrem Wasser und hörte mit einem Ohr zu, als Josie die Freundin zu trösten versuchte.

Josie spießte einen Shrimp auf. „Lara, bist du krank? Du bist heute so still.“

„Ich bin in Schwierigkeiten“, erwiderte Lara und blickte stirnrunzelnd auf ihren Salat.

Ihre Kolleginnen erstarrten.

„Du bist schwanger?“, fragte Carrie mit vollem Mund.

„Ich bin nicht schwanger“, erwiderte Lara. „Und genau das ist mein Problem. Mir läuft die Zeit weg.“

„Um schwanger zu werden, meinst du?“, fragte Josie.

Lara nickte. „Früher habe ich geglaubt, ich hätte reichlich Zeit, mir einen Mann zu suchen und eine Familie zu gründen. Aber jetzt bin ich achtunddreißig und sollte schwanger werden, bevor es zu spät ist.“

Carrie schüttelte den Kopf. „Ach, das schaffst du schon noch.“

Lara fragte sich, ob die beiden sie wirklich verstanden. Carrie vielleicht. Sie war zweiunddreißig und geschieden. Josie dagegen behauptete immer, dass sie keine Kinder wollte, aber sie war erst fünfundzwanzig und konnte ihre Freiheit noch ein paar Jahre genießen.

„Jeder Mann würde dich wollen“, meinte Carrie.

Lara lachte. „Nein, bestimmt nicht. Männer in meinem Alter wollen ein junges Ding mit Oberschenkeln aus Stahl.“

„Du hast Oberschenkel aus Stahl.“

Fast hätte Lara geschnaubt. „Eher aus Götterspeise. Na ja, sagen wir, aus fester Götterspeise.“

„Ich habe dich im Bikini gesehen“, warf Josie ein. „Die meisten Frauen träumen von einer Figur wie deiner, Lara. Du bist hübsch genug, um ein Filmstar zu sein.“

„Sie war ein Filmstar“, erinnerte Carrie.

Lara hatte lange versucht, ihr Geld in einem Beruf zu verdienen, den sie über alles liebte – als Schauspielerin. Aber irgendwann hatte sie sich mit der bitteren Wahrheit abgefunden. Obwohl sie in einem Broadway-Musical und sogar in ein paar Filmen mitgespielt hatte, bezweifelte sie, dass sie den Durchbruch schaffen würde.

„Ich verstehe nicht, wie du das alles aufgeben konntest“, meinte Carrie.

„So großartig war es gar nicht. Wo trittst du diese Woche auf, Josie?“

„Im Goodfellows.“ Abends zog Josie durch Literaturcafés und rauchige Bars und trug ihre Gedichte vor. „Kommst du? Es ist nicht weit von da, wo du wohnst.“

„Ich werde es versuchen.“

„Ich auch“, sagte Carrie zwischen zwei Bissen ihres Hühnersalats.

Sie blieben länger, als sie eigentlich Zeit hatten, und eilten dann zum Center zurück. Vor dem Eingang verabschiedete Lara sich von ihren Kolleginnen und behauptete, dass sie etwas zu erledigen hatte. In Wirklichkeit hatte sie bis zum ersten Nachmittagstermin noch Zeit und wollte allein sein, um in Ruhe nachzudenken.

Sie schlenderte in den Central Park und suchte sich eine Bank. In zwei Jahren würde sie vierzig sein. Sie hatte keine Zeit mehr. Sie musste so schnell wie möglich schwanger werden.

„Es ist Mittag, Mancini. Warum sitzen Sie hier allein herum?“

Die Männerstimme ließ sie zusammenzucken. Rasch hob sie den Kopf, und obwohl die Sonne sie blendete, wusste sie, wer vor ihr stand. Das lässige Lächeln, das seine Mundwinkel umspielte, war unverkennbar.

„Hallo.“ Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Das war nicht einfach, denn Derek Cross ging ihr unter die Haut. „Der Park ist gut zum Nachdenken.“ Er ist dein Chef, Chef, Chef, wiederholte Lara stumm.

Er kniff die tief liegenden, braunen Augen zusammen. Sein Blick war manchmal kühl und nicht zu entschlüsseln, manchmal aber auch voller Wärme. So wie jetzt. „Ist alles in Ordnung?“

Sein dunkelbraunes Haar wehte in der Brise. Sie fand den Anblick ungeheuer sexy, denn es sah aus, als hätten die Finger einer Frau es zerzaust. „Ja, es geht mir gut.“ Die Welt dreht sich, und ich werde immer älter. Aber alles, woran ich denken kann, ist, wie attraktiv er in dem schwarzen Polohemd über den breiten Schultern und dem flachen Bauch wirkt. Die engen Jeans betonten den perfekt geformten Po und die langen, muskulösen Beine, und Lara musste sich zwingen, ruhig zu bleiben. „Haben Sie schon gegessen?“

Er legte den Kopf schief, und seine Miene wurde fragend.

Innerlich stöhnte sie auf. Glaubte er etwa, dass sie ihn zum Essen einladen wollte? „Ich meine …“ Oh, verdammt. Warum benahm sie sich wie ein Teenager? „Ich bin schon fertig. Mit dem Essen, meine ich.“ Halt den Mund, Lara. Bestimmt wird dies das letzte Mal sein, dass er mit dir über etwas anderes als eine Patientin spricht, dachte sie verzweifelt. „Mit Josie und Carrie. Kennen Sie die beiden?“

Er lächelte belustigt. „Natürlich kenne ich sie.“

„Ich …“ Sie zögerte und atmete unauffällig tief durch. Sie durfte keinesfalls erröten.

„Brauchen Sie etwas?“

Oh, was für eine Frage!

„Kann ich etwas für Sie tun? Wenn ja, sagen Sie es mir“, fuhr Derek freundlich fort, während er sein Fahrrad gegen die Bank lehnte.

Lara schüttelte den Kopf. „Sind Sie mit Ihrem Sohn hier?“, fragte sie und rang sich ein Lächeln ab. Von ihm würde eine Frau wunderschöne Babys bekommen. Seine Söhne würden seine lange, gerade Nase und das markante Gesicht haben.

„Joey und ich sind hier, um ein paar Bälle zu werfen.“

Sie wusste, dass er und sein Sohn fast jedes Wochenende herkamen, um Baseball zu spielen.

„Und um Hotdogs zu essen.“

Lara erhob sich. „Die mag ich auch sehr“, sagte sie.

„Wie ich gehört habe, sind Sie eine fantastische Köchin. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie Hotdogs überhaupt anrühren.“

Die Gelegenheit wäre ideal, ihn zum Abendessen bei ihr zu Hause einzuladen. Aber das war völlig unmöglich. Absolut ausgeschlossen. „Stimmt, ich koche gern. Sogar Hotdogs.“

„Jeder, der Hotdogs machen kann, steht bei meinem Sohn ganz weit oben. Gibt es heute etwas Besonderes?“, fragte er und zeigte auf ihre elegante Kleidung.

„Wir …“ Sie verstummte. Während ihrer kurzen Karriere als Schauspielerin hatte sie ein paar atemberaubende Männer geküsst, doch das änderte nichts. Bei Derek Cross bekam sie weiche Knie. „Wir haben heute schick gegessen. Das gönnen wir uns ein Mal im Monat.“

„Nett.“

Er warf seinem Sohn einen Blick zu und winkte ihn heran. „Erinnerst du dich an Ms Mancini, Joey?“

„Mein Name ist Lara.“ Sie war dem Jungen ein paar Mal begegnet, als Derek ihn mit ins Center gebracht hatte. Aber da war er jünger gewesen, und sie vermutete, dass er ihre Begegnungen vergessen hatte. Sie zeigte auf Joeys Handschuh. „Dein Dad hat mir erzählt, dass du Baseball liebst.“

Derek runzelte die Stirn. „Habe ich das?“

Seine Frage enttäuschte sie. Sie hatte sich so sehr gefreut, als er ihr am Tag zuvor erzählt hatte, dass sein Sohn seinen ersten Home Run geschafft hatte. „Ja, aber ganz nebenbei.“

„Ich erinnere mich an Sie“, bemerkte Joey. „Möchten Sie mitspielen?“

Derek berührte seine Schulter. „Joey, sie kann nicht …“

„Ich könnte, wenn ich mehr Zeit hätte. Ich liebe Baseball nämlich auch.“ Lara schaute auf die Uhr. „Magst du die Yankees?“

„Ja!“

„Ich auch. Ich versuche, kein Spiel zu verpassen.“

„Heute läuft eins im Fernsehen.“

„Ich weiß“, erwiderte Lara. „Leider kann ich es mir nicht ansehen. Ich muss zurück ins Center.“

„Ich hätte nicht gedacht, dass Sie Baseballfan sind“, meinte Derek. „Ist das Spiel Ihnen nicht zu ruhig?“

Fast hätte sie gelacht. „Zu ruhig?“ Sie wusste, dass seine Familie zur besten Gesellschaft der Ostküste gehörte. Wie mochte er sie finden? Flippig? Exzentrisch? Weil sie Schauspielerin gewesen war? Von einem Mann hatte sie erfahren, dass die Oberschicht auf Theaterleute herabsah. James Braden III hatte ihr klargemacht, dass Schminke und blaues Blut sich nicht vertrugen. „Ich habe Brüder. Das Wort ‚ruhig‘ gibt es bei den Mancinis nicht.“

Derek lächelte. „Ihre Brüder spielen Baseball?“

„Für einen von ihnen musste ich dauernd die Fängerin machen.“

„Sie kommen aus einer großen Familie?“

„Drei Brüder, zwei Schwestern“, antwortete sie und fühlte sich in Joeys Gegenwart ein wenig entspannter.

„Das wusste ich gar nicht.“

Woher auch? Sie arbeitete für ihn, mehr nicht. Er hatte keinen Grund, mehr über sie in Erfahrung zu bringen. Trotzdem wusste er, wie gern sie kochte. Woher? Hatte er sich vielleicht nach ihr erkundigt? „Vielleicht können wir ein anderes Mal spielen“, sagte sie, um den Jungen zu trösten. „Wenn es deinem Vater recht ist.“

Joey strahlte. Offenbar nahm er ihre Worte ernst. „Geht das, Dad?“

Mit sanftem Griff umschloss Derek die Schulter seines Sohnes. „Wir werden sehen.“

Eine nette, unverbindliche Antwort, dachte Lara.

„Daddy, können wir jetzt gehen?“

„Ich habe ihm versprochen, dass wir uns das Spiel zusammen ansehen, bis ich losmuss“, erklärte Derek.

In den drei Jahren, die sie jetzt für ihn arbeitete, hatte Lara ihn noch nie so entspannt erlebt. Das hatte nichts mit der lässigen Kleidung zu tun, sondern damit, wie er seinen Sohn ansah. Kein schmaler Mund, kein verärgerter Blick. Er wirkte ganz ruhig.

Joey machte einen Schritt und blieb dann noch mal stehen. „Bis dann, Lara.“

„Bis bald, Joey.“ Sie wartete, bis der Junge außer Hörweite war. „Er ist wirklich liebenswert, Derek.“

„Finde ich auch. Das war nett von Ihnen“, erwiderte Derek. „Ich bin Ihnen einen Gefallen schuldig.“

Lächelnd wandte sie sich ab. Ehrlich, wie sie war, gestand sie sich ein, dass ihre Gefühle denen eines verliebten Teenagers glichen. Für eine achtunddreißigjährige Frau klang das sehr unreif, aber was er in ihr auslöste, war nicht zu ignorieren.

„Lara?“

Überrascht sah sie über die Schulter.

Sein Blick verschmolz mit ihrem. „Sie sehen großartig aus.“

Atme, Lara, atme! „Danke.“ Ihr Verstand sagte ihr, dass Derek Cross vermutlich viel zu unflexibel für eine Frau wie sie war. Fünf Geschwister hatten sie zu einer äußerst lockeren und anpassungsfähigen Person gemacht. Derek dagegen war ein sehr beherrschter Mensch. Außerdem stammte er aus ganz anderen Kreisen. Aber die Tatsache, dass sie außer der Liebe zu Kindern nichts gemeinsam hatten, war egal. Der Mann erregte sie ganz einfach.

Derek schaute ihr nach, als sie davonging, und fluchte leise. Lara hatte ihm nicht erzählt, was los war. Er hatte sie auf der Bank sitzen gesehen, allein und den Kopf gesenkt. Er hatte sie noch nie allein gesehen. Denn sonst zog sie ihre Mitmenschen geradezu an. Bei der Arbeit sprach sie dauernd mit jemandem, ob mit Kollegen oder den Angehörigen einer Patientin.

„Sie ist hübsch.“

Derek ergriff die kleine Hand seines Sohns und packte den Lenker des Fahrrads. „Ja.“

Mehr als eine Krankenschwester hatte sich darüber beklagt, dass er immer kühl, distanziert und unnahbar war. Lara war die erste Schwester, die es länger bei ihm aushielt. Also wäre es idiotisch, ihre gute Arbeitsbeziehung zu ruinieren.

„Sie mag dich. Das habe ich genau gesehen.“

Derek schmunzelte. „Woran?“, fragte er.

„Sie hat dich oft angelächelt. Sehr oft sogar. Rylyn mochte Adam und hat ihn dauernd angelächelt.“

„Wer ist Rylyn?“

„Meine Freundin. Die mit der roten Brotdose.“

„Oh, okay.“ Rylyn war ein sommersprossiger Rotschopf in Joeys Vorschulklasse.

„Wenn sie einen mögen, lächeln sie viel.“

Derek grinste verlegen. Gab sein fünfjähriger Sohn ihm tatsächlich Ratschläge?

„Und du hast sie auch oft angelächelt.“

„Wir arbeiten zusammen, Joey. Lara ist meine Krankenschwester.“

„Könnte sie nicht deine Freundin sein?“

„Das glaube ich nicht.“ Nein, das konnte sie nicht, und er wusste es. Lara Mancini stand für alles, was er ablehnte: Versprechen, Bindung, Liebe, Ehe und Kinder. Derek festigte seinen Griff um Joeys Hand. Sein Sohn hatte leider all das durchgemacht, was Derek ihm hatte ersparen wollen. Nie wieder würde er einem Kind so etwas antun.

„Daddy, du tust es schon wieder.“

„Was?“

„Du hörst nicht zu.“ Der Junge runzelte die Stirn. „In der Schule wird man an die Tafel geschrieben, wenn man das tut.“

Derek schlug sich gegen den Kopf. „Ich? Ich habe das getan? Schon wieder?“

Als Joey lachte, ging Derek in die Hocke. „Na los, an Bord mit dir.“

Joey legte einen Arm um Dereks Hals und packte mit der anderen Hand das Polohemd an der Schulter. „Könnte sie es nicht doch sein?“, fragte er, während sein Vater ihn huckepack nahm.

Derek blieb stehen, nahm die Wasserflasche aus der Halterung hinter dem Fahrradsattel, und sie nahmen jeder einen Schluck.

„Joey, worauf willst du eigentlich hinaus?“

„Du musst sie mögen, um ein Baby zu machen, richtig?“

Derek verschluckte sich und hustete. „Was? Wer hat denn was von Babys gesagt?“ Er würde sich ernsthaft mit seiner Exfrau Rose unterhalten, sollte Joey diesen Unsinn von ihr haben.

„Rylyn hat gesagt, dass ich ein großer Bruder werden muss. Jeder in meiner Klasse bekommt ein Baby.“

„So?“

„Ja. Sogar die Schildkröte. Die legt Eier. Und Mrs Wheeler hat ein großes Ei in ihrem Bauch.“

Mrs Wheeler war eine Vorschullehrerin im siebten Monat. „Sie hat kein Ei im Bauch, sondern ein Baby.“

„Ein Baby ist in einem Ei.“

„Lass uns nach Hause gehen. Dorothy backt heute deine Lieblingskekse“, sagte Derek. Dorothy Donaldson war ihre Haushälterin, Kinderfrau und gute Freundin. „Sie wartet auf deine Hilfe.“

Joey beugte sich zu Dereks Ohr vor. „Schokoladenkekse?“, flüsterte er.

„Das sind doch deine Lieblingskekse, oder?“

„Stimmt.“ Der Junge klammerte sich fester an ihn. „Ich mag Lara.“

Ich auch, dachte Derek. Sie war gut für seinen Kreislauf, vor allem wenn sie so aussah wie eben. Elegant. Sexy.

2. KAPITEL

Obwohl Lara verärgert war, wirkten die milden Blautöne im Empfangsbereich von Manhattan Multiples beruhigend auf sie.

Josie saß hinter ihrem Schreibtisch und winkte Lara zu sich. „Ich wollte es dir nicht erzählen, wenn Carrie dabei ist“, flüsterte sie. „Schließlich bin ich keine Klatschtante.“ Sie hob den Kopf, als eine Frau mittleren Alters vorbeikam.

„Hallo“, sagten Lara und Josie gleichzeitig.

„Eine neue Ärztin. Geburtshelferin, genau wie Dr. Cross“, erklärte Josie, bevor sie Allison Baker zulächelte, die gerade nach hinten eilte. „Sie ist verliebt“, wisperte Josie.

„Wer? Die neue Ärztin?“

„Nein. Allison.“

„Hat sie es dir erzählt?“

„Man sieht es ihr an.“ Josie nickte. „Sie hat im letzten Monat jemanden kennengelernt. Genau das brauchst du auch.“

„Was brauche ich?“, fragte Lara.

„Einen attraktiven Fremden.“

Lara lächelte. „Wolltest du darüber mit mir reden?“

„Nein.“ Josie beugte sich vor. „Eloise hat eine E-Mail vom Bürgermeister bekommen. Sie war sehr aufgebracht.“

Lara vermutete, dass Josie es von Allison, Eloises persönlicher Assistentin, erfahren hatte.

„Niemand weiß, was er geschrieben hat, aber Eloise ist normalerweise so ruhig und freundlich“, fügte Josie hinzu.

Lara konnte nicht glauben, dass Bürgermeister Bill Harper ihrer Chefin das Leben schwer machte. Sie mochte ihn und hielt ihn für einen ehrlichen Menschen.

„Interessant, nicht wahr?“, fragte Josie.

„Könnte sein“, erwiderte Lara vorsichtig. „Lass uns später weiterreden.“

Doch dazu kam es nicht, denn es wurde ein hektischer Tag, und immer wieder hatte Lara Mühe, sich ein Lächeln abzuringen. Während die letzte Patientin sich anzog, nachdem Derek sie untersucht hatte, passte Lara auf deren Zwillinge auf.

„Sie entwickeln sich gleich“, sagte sie, als die Mutter ins Wartezimmer kam.

„Sie haben beide noch ein Pfund zugenommen. Und Devin ist zehn Millimeter größer als Ian.“

„Er ist der ältere der beiden, nicht wahr?“

„Er ist eine Minute und fünfundfünfzig Sekunden vor seinem Bruder zur Welt gekommen.“

Derek folgte seiner Patientin. „Und wird ihn vermutlich sein Leben lang daran erinnern.“

„Bestimmt“, bestätigte die Frau.

„Sie machen Urlaub, nicht wahr?“, fragte Lara sie, als Derek wieder im Sprechzimmer verschwand.

„Ja. Mit der ganzen Familie in Martha’s Vineyard. Dr. Cross hat mir erzählt, dass er als Kind dort den Sommer verbracht hat.“

„Sicher ist es dort sehr schön.“

Ein Ort für die Reichen, dachte Lara. Ihre Familie dagegen hatte immer im italienischen Viertel von New York gelebt. Sie begleitete die Patientin hinaus und verwies sie an einen Mann vom Sicherheitsdienst, der sie und die Zwillinge zu einem Taxi bringen würde. Während draußen Blitze über den Himmel zuckten und der erste Donner grollte, ging Lara hastig in den Pausenraum.

Sie eilte an ihren Spind und holte ihre Tasche sowie den Schirm heraus. Auf dem Korridor hörte sie, wie die Fahrstuhltür aufging, und rannte los. Ein paar Laborantinnen waren noch im Gebäude, und sie wollte bei einem Gewitter lieber mit ihnen zusammen als allein nach unten fahren.

Erst als sie die Kabine betrat, sah sie, dass es Derek war, der offenbar auf sie gewartet hatte.

Er lächelte. „Fahren wir zusammen?“

Atemlos und mit klopfendem Herzen presste Lara eine Hand an die Brust. „Gern.“ Sie wehrte sich gegen die plötzliche Nervosität.

Meistens half Reden, also tat sie genau das. Über die Patientinnen, das Essen in dem schicken Restaurant und das Wetter. „Ich mag Gewitter.“ Und seinen Sohn. „Er ist wirklich süß, Dr. Cross.“

„Lara, meinen Sie nicht, Sie könnten mich einfach Derek nennen, wenn wir nicht im Dienst sind?“

Oh. „Derek.“ Sie holte tief Luft. „War heute Vormittag nicht eine Ärztebesprechung? Haben Sie von der Fehde zwischen Eloise und dem Bürgermeister gehört? Glauben Sie, Manhattan Multiples wird schließen müssen?“ Vielleicht wusste er ja etwas Genaueres.

„Wenn Bill Harper uns die städtischen Zuschüsse streicht, könnte es dazu kommen.“

Lara legte die Stirn in Falten. „Einige Kolleginnen haben Angst um ihre Arbeitsplätze.“

„Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Sie sind eine ausgezeichnete Schwester und werden kein Problem haben, einen neuen Job zu finden.“

Er sah auf die Uhr. Offenbar hatte er es eilig. Das wunderte Lara nicht. Bestimmt wartete irgendwo eine Frau auf ihn.

„Dies wird ein schwieriger Abend für mich“, sagte er seufzend.

Aha. Ich will es nicht hören, dachte sie.

„Ich habe versprochen, Sloppy Joes zu machen.“

„Sie essen Sloppy Joe Sandwiches?“, fragte sie erstaunt. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass ein Butler ihm Brötchen mit Hamburger-Mixtur servierte.

Er lachte. „Ich putze mir auch die Zähne.“

Sie spürte, wie sie errötete.

„Tut mir leid.“ Er lächelte. „Ich konnte nicht widerstehen.“

„Ich bin nur erstaunt, dass Sie kochen.“ Der Mann kam aus einer reichen Familie und war mit Dienstboten aufgewachsen.

„Nur Sloppy Joes. Den Rest macht Dorothy. Die kennen Sie doch, oder? Sie haben mit ihr telefoniert.“

„Ja.“ Lara hatte ein paar Mal mit der Haushälterin gesprochen.

Als er sein Handy herausholte, wich sie zurück. Aber was er sagte, war einfach nicht zu überhören. „Dorothy, ich breche jetzt auf und … Was zum …“ Der Fahrstuhl ruckte kurz und blieb zwischen zwei Stockwerken stecken. Er griff nach Laras Handgelenk, um sie zu stützen. „Alles okay?“

Sollte das ein Scherz sein? Er berührte sie! Und sie konnte plötzlich an nichts anderes mehr denken.

„Dorothy, ich glaube, ich werde mich etwas verspäten.“ Er drückte mehrmals auf den Alarmknopf. Nichts geschah. „Verdammt. Nein, kein medizinischer Notfall“, sagte er knapp. „Nur ein kranker Fahrstuhl. Er steckt fest. Ich melde mich wieder.“

Er warf Lara einen Blick zu, und sie lächelte matt. Sie saß mit ihm im Fahrstuhl fest. Vielleicht würde es Stunden dauern. Über Nacht. Worüber sollte sie reden? Oder sollte sie lieber den Mund halten?

„Leiden Sie unter Platzangst?“

Nein, das war nicht das Problem. „Nein.“

„Furchtlos, was?“

Lara war nicht sicher, was er meinte.

„Sie fürchten sich nicht vor einem Gewitter. Sie geraten nicht in Panik, obwohl Sie im Fahrstuhl festsitzen. Eben furchtlos.“

„Ich versuche, nicht daran zu denken“, erwiderte sie. Wie einfach das klang, wie ruhig sie wirkte. Dabei war sie alles andere als das.

„Gut, dass Sie vorhin für Mrs Benson da waren. Sie war sehr aufgeregt, bis Sie kamen. Sie verstehen es, genau das Richtige zu den Patientinnen zu sagen“, lobte Derek.

„Danke.“

Er warf ihr einen mitfühlenden Blick zu. „Lara, brauchen Sie eine tröstende Schulter?“

„Wie kommen Sie darauf?“ Hatte er bemerkt, wie niedergeschlagen sie war?

Er sah sie lange und durchdringend an. „Sie haben heute gar nicht gesprudelt.“

„Gesprudelt?“ Er fand, dass sie sprudelte? Sie musste lachen.

„Ja, das tun Sie sonst immer. Sie sind der fröhlichste Mensch, dem ich je begegnet bin. Aber heute kam mir Ihr Lächeln ein wenig gezwungen vor.“

Sie setzte ein strahlendes Gesicht auf.

„Funktioniert nicht.“

Autor

Jennifer Mikels
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