Zu lang allein?

– oder –

 

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Laurie und Rob haben sich alles so schön vorgestellt: Die ersten Monate ihrer Ehe genießen sie es, zusammen in Robs Firma zu arbeiten, gemeinsam Feierabend zu machen, um danach die süße Zeit ihrer jungen Liebe auszukosten. Als dann die Sehnsucht, ein Baby zu haben, in ihnen erwacht, gibt Laurie ihren Job auf, um sich auf ihre Aufgabe als Mutter vorzubereiten. Doch die Monate vergehen - Laurie wird nicht schwanger! Gleichzeitig nimmt Robs berufliches Engagement solche Dimensionen an, dass sie sich kaum noch sehen. Verzweifelt glaubt Laurie, vor den Scherben ihrer Ehe zu stehen, und flüchtet in ein kleines Cottage in Schottland. Das Ende ihrer großen Liebe?


  • Erscheinungstag 11.09.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733727550
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Bestürzt nahm Laurie die stechenden Schmerzen wahr, die ihr erneut Misserfolg verrieten.

Nicht schon wieder, dachte sie verzweifelt. Sie konnten nicht schon wieder versagt haben. Sie konnte doch nicht schon wieder versagt haben.

Eine Stunde später lag sie mit angezogenen Beinen auf dem Sofa, den Hund neben sich, und wartete auf das Klingeln des Telefons. Rob würde sie nach ihrem Befinden fragen. Und damit natürlich das meinen.

O ja, sie würde damit fertig werden. Monat für Monat stellte sie sich tapfer seiner Enttäuschung – und den immer gleichen Argumenten. Er hatte einen Test gemacht, der bewies, dass mit ihm alles in Ordnung war. Warum ließ sie sich nicht untersuchen? Zumindest würden sie dann wissen, woran sie waren. Heutzutage gab es so viele Möglichkeiten. Warum sollten sie es nicht versuchen?

Weil sie keine Bestätigung haben wollte, dass es an ihr lag. Sie wollte die langwierige Prozedur einer künstlichen Befruchtung nicht auf sich nehmen. Immerhin war sie erst sechsundzwanzig, und so lange hatten sie es doch noch gar nicht versucht. Sie hatten noch genügend Zeit.

Oder etwa nicht?

Aber so konnte sie nicht weitermachen. Sie konnte nicht weiter jeden Monat mit angehaltenem Atem auf den nächsten Misserfolg warten. Es musste noch etwas anderes geben, was ihrem Leben einen Sinn gab. Etwas Produktives, weniger Deprimierendes, als herumzusitzen.

Laurie wischte sich wütend mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen, stand auf und ging im Arbeitszimmer auf und ab, dicht gefolgt von dem Hund. Sie würde einen Blick ins Internet werfen. Vielleicht fand sie dort einige Anregungen. Wenn nicht, würde sie sich am Computer zumindest die Zeit vertreiben können.

Sie entdeckte eine vielversprechende Adresse, doch die Website war langweilig und schlecht zusammengestellt, aber die Informationen waren brauchbar. Auch die weiteren waren ähnlich, doch dann stieß sie auf eine großartige Site, die leicht einzusehen, gut überschaubar und interessant war.

Plötzlich kam Laurie eine Idee, die schnell konkretere Formen annahm. Doch die Verwirklichung sollte ihr Geheimnis bleiben. Sie wollte es für sich behalten, damit Rob sie nicht auslachte. Laurie war nicht sicher, ob sie es schaffen würde. Aber schließlich war sie auch nicht schlechter als die anderen. Nur wie und wo sollte sie beginnen? Robs Computer konnte sie nicht benutzen, denn er würde es bemerken, wenn sie an seinem Schreibtisch arbeitete, und wissen wollen, was sie da tat.

Nein, sie brauchte einen eigenen PC und ein eigenes Arbeitszimmer im Haus. Wenn es nur einen Raum gäbe, den Rob nie betrat …

Plötzlich fiel ihr der Speicher ein.

1. KAPITEL

Bestürzt nahm Laurie die stechenden Schmerzen wahr, die ihr erneut Misserfolg verrieten. Nicht schon wieder, dachte sie verzweifelt. Sie konnten nicht schon wieder versagt haben. Sie konnte doch nicht schon wieder versagt haben.

Eine Stunde später lag sie mit angezogenen Beinen auf dem Sofa, den Hund neben sich, und wartete auf das Klingeln des Telefons. Rob würde sie nach ihrem Befinden fragen.

Und damit natürlich das meinen. Sie konnte es ihm nicht schon wieder sagen, nicht schon wieder das bekannte Ritual ertragen. Geht es dir gut? Soll ich nach Hause kommen? Ich führe dich heute Abend zum Essen aus.

Wozu? Um einen weiteren verschwendeten Monat zu feiern?

Sie stieß ein freudloses Lachen aus, als wie auf ein Stichwort das Telefon läutete. Sie meldete sich nach dem zweiten Klingeln und versuchte beschwingt zu klingen.

„Wie geht es dir?“, fragte Rob sofort. Schon schwanger?

„Gut. Wie geht es dir?“, erwiderte sie und ignorierte die unausgesprochene Frage. „Wie läuft es in New York?“

„Es ist kalt hier und ermüdend. Ich sitze noch ein oder zwei Wochen hier fest. Es gibt Probleme. Wirst du ohne mich zurechtkommen?“

Beinahe hätte sie laut losgelacht. „Ich denke schon“, erklärte sie trocken. Immerhin hatte sie genug Übung darin. In letzter Zeit war er kaum zu Hause gewesen.

„Wenn du möchtest, komme ich übers Wochenende nach Hause.“

„Mach dir keine Mühe. Bring es hinter dich, und komm, sobald du kannst.“ Laurie versuchte, nicht allzu abweisend zu klingen. „Ich werde schon zurechtkommen. Der Hund leistet mir ja Gesellschaft.“

Ein Mann mit einem weniger stark ausgeprägten Selbstwertgefühl wäre beleidigt, dachte sie, aber Rob lachte nur leise. „Ich rufe dich morgen wieder an. Pass auf dich auf.“

Pass auf dich auf, falls du schwanger sein solltest.

Nun, sie war es nicht – wieder nicht.

Seufzend ging sie hinauf in den Speicher. Die Arbeit rief. Laurie war überlastet, denn sie hatte inzwischen zu viele Aufträge und zu wenig Zeit. Im vergangenen Jahr hatte sich ihre heimliche Tätigkeit als Webdesignerin aus dem Nichts zu einem erstaunlichen Erfolg entwickelt. Laurie arbeitete in der Zeit, in der Rob nicht zu Hause war. Wenn sie es schaffte, zog sie sich, bevor er nach Hause kam, noch schnell etwas Schickes an und machte ein wenig Unordnung in der Küche, damit er glaubte, sie hätte den ganzen Nachmittag gekocht. Es war verblüffend, wie viele Dinge sie mittlerweile in weniger als einer halben Stunde erledigen konnte.

Für sich selbst blieb ihr keine Freizeit mehr. Ihre Freunde hatten sich zurückgezogen, da sie sie ständig mit Entschuldigungen abgespeist hatte, aber das war ihr nur recht. Sie brauchte ihre gesamte Zeit für die Herausforderung, die sie sich selbst gestellt hatte. Die andere Aufgabe, bei der sie immer noch versagte, gestaltete sich weitaus schwieriger, weil sie keine Kontrolle darüber hatte. Ebenso wenig wie Rob, der zum ersten Mal in seinem Leben feststellen musste, dass man mit Geld nicht alles kaufen konnte.

Nun, auf gewisse Weise konnte man das schon. Man konnte sich teure Tests in Privatkliniken leisten, künstliche Befruchtung und unzählige andere Behandlungsmethoden – mit dem immer gleichen Ergebnis.

Und vielleicht war das auch gut so, jetzt, da sie so viel zu tun hatte. Laurie konnte sich nicht so recht vorstellen, wie sie sich jetzt um ein Baby kümmern sollte. Eigentlich war sie sich gar nicht sicher, ob sie wirklich ein Kind wollte. Laurie ließ die Finger auf die Computertastatur sinken und legte dann verblüfft die Hände in den Schoß.

Sie wollte kein Baby? Meine Güte, was für eine Erkenntnis!

Als sie jetzt gründlich darüber nachdachte, stellte sie fest, dass es stimmte. Sie wollte kein Kind – auf jeden Fall nicht jetzt, vielleicht nie. Zumindest noch nicht. Nicht auf diese Weise, mit diesem ganzen Theater. Temperatur messen, Rob im Büro anrufen und ihn bitten, nach Hause zu kommen – einmal war er sogar extra aus Paris gekommen, um sie zu lieben. Zu lieben? Ha, das war ein Witz!

Sie hatten sich seit ewigen Zeiten nicht wirklich geliebt. Bereits seit über einem Jahr nicht mehr. Es musste immer der richtige Zeitpunkt sein, die richtige Stellung, damit die Chance auf eine Empfängnis wuchs.

Das ertrug sie nicht mehr. Und dann dämmerte ihr plötzlich noch etwas. Sie wollte kein Kind von Rob. Laurie wollte nicht an ihn gebunden sein, jetzt, da in ihrer Ehe die Gewohnheit Einzug gehalten hatte und die anfängliche Euphorie verdrängt zu haben schien.

Wann war der Zauber verflogen? In diesem Jahr? Im letzten?

Offensichtlich als sie nicht sofort schwanger geworden war. Eine gewisse Kälte schien sich eingeschlichen zu haben, verursacht durch gegenseitige Enttäuschungen, ein Gefühl des Versagens und vielleicht auch durch Erkennen der Realität. Ihre Träume waren verflogen. Was also sollte sie jetzt noch zusammenhalten?

Laurie musste darüber nachdenken. Sie brauchte einen abgeschiedenen Ort und Zeit, um sich über ihre Beziehung und ihre Zukunft klar zu werden – wenn es für sie beide überhaupt noch eine gab. Und hier konnte sie das nicht tun.

Sie löschte alles, was sie in den letzten Minuten in den Computer eingegeben hatte, suchte eine geeignete Website und klickte Schottland an. Laurie liebte Schottland bereits seit ihrer Kindheit. Sie entdeckte zwei Immobilienmakler und entschied sich für den in Inverness. Das lag noch weiter weg als Edinburgh. Rasch notierte sie die Telefonnummer auf einem Zettel und wählte sie dann mit zittrigen Fingern.

„Ich möchte so schnell wie möglich nach Schottland ziehen“, erklärte sie der Frau, die sich wenig später am Apparat meldete. „Ich suche nur ein kleines Häuschen für mich und meinen Hund, wenn möglich mit einem Arbeitszimmer. Es sollte sehr abgeschieden und so günstig wie möglich sein, aber über Heizung, fließendes Wasser und einen Telefonanschluss verfügen.“

„Möchten Sie etwas kaufen oder mieten?“, erkundigte sich die Frau. „Wir haben gerade ein Haus angeboten bekommen, das für sie ideal wäre, aber die Besitzer möchten es nur für einige Monate vermieten, bis sie sich entschieden haben, was sie damit machen wollen.“

„Ist es möbliert oder unmöbliert?“, fragte Laurie und dachte plötzlich an all die Sachen, die sie möglicherweise kaufen müsste, um ein neues Heim einzurichten.

„Möbliert“, antwortete die Maklerin. „Es ist alles vorhanden, und es ist sehr hübsch. Das Haus hat zwei Schlafzimmer, von denen Sie im Augenblick allerdings nur eines benutzen könnten, da in dem anderen persönliche Gegenstände gelagert sind. Über der Garage befindet sich jedoch ein Raum, der als Büro dienen könnte. Falls die Besitzer das Haus doch verkaufen wollen, wird es nicht sehr teuer sein – so weit oben im Norden.“

„Wie weit nördlich liegt es denn?“, fragte Laurie neugierig.

„Ungefähr eine Stunde von hier. In der Nähe des Ortes, wo Madonna geheiratet hat. Bei Tain, am Dornock Firth. Der Ausblick auf das Meer und die Berge in der Ferne ist wunderbar, sofern Sie die Abgeschiedenheit nicht stört.“

Genau danach sehnte sie sich. „Ich nehme es“, erklärte sie rasch. „Wann kann ich einziehen?“

„Sie wissen doch noch gar nichts über die Einzelheiten!“, gab die Frau zu bedenken, aber Laurie hatte bereits genug gehört.

„Wie heißt es?“, erkundigte sie sich.

„Little Gluich.“ Die Frau am anderen Ende der Leitung buchstabierte den Namen, und Laurie schrieb ihn neben die Telefonnummer der Agentur auf den Zettel und befestigte ihn über ihrem Schreibtisch an der Wand.

„Können Sie mir die Details faxen?“, bat sie und vereinbarte dann, dass sie den Schlüssel in zwei Tagen abholen würde.

Jetzt musste sie nur noch dorthin fahren …

Im Haus war niemand. Seltsamerweise wusste Rob das bereits in dem Moment, in dem er den Fuß über die Schwelle setzte. Natürlich, der Hund war nicht da. Wahrscheinlich ging sie mit ihm spazieren. Aber Anfang Februar um halb fünf? Es würde bald dunkel sein. Da war es auf den Straßen nicht mehr sicher. Möglicherweise war sie zu den Feldern gegangen, aber es war nass. Auf der Heimfahrt hatte es stark geregnet.

Sie musste verrückt geworden sein. Es sei denn, sie hatte festgestellt, dass sie immer noch nicht schwanger war. Manchmal veranlasste sie das, verrückte Dinge zu tun. Nicht schon wieder, dachte er betrübt. Arme Laurie.

Er stellte den Kessel mit Wasser auf den Herd. Wenn sie nach Hause kam, würde sie sicher Tee wollen. Tee und Mitgefühl. Sie zu trösten lag ihm nicht – irgendwie schien er nie den richtigen Ton zu finden. Er würde jetzt erst einmal den Anzug ausziehen und in etwas Bequemeres schlüpfen. Tag für Tag hatte er nun einen Anzug getragen. Seit Wochen. Oder bereits seit Jahren?

Das Schlafzimmer war ordentlich aufgeräumt. Anscheinend war er sehr lange weg gewesen. Oder war heute Mrs. Prewetts Tag? Er wusste nicht mehr, wann in der Woche die Putzfrau zu ihnen kam. Eigentlich konnte er sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie sie aussah.

Erschöpft fuhr er sich durchs Haar und ließ sich auf die Bettkante sinken, um sich die Schuhe auszuziehen. Wo war Laurie? Mittlerweile wurde es draußen dunkel. Sie würde doch wohl nicht immer noch mit dem Hund spazieren gehen? Das war gefährlich.

Er stand auf, ging zum Fenster und spähte hinaus, konnte jedoch nichts entdecken. Hatte sie möglicherweise im Gartenhaus Schutz gesucht? Unwahrscheinlich. Sicher wäre sie rasch zum Haus zurückgelaufen, wenn der Regen sie überrascht hätte.

Vielleicht war sie hier, hatte ihn aber nicht gehört. In der Garage? Nein, er hatte seinen Wagen geparkt und mit der Fernbedienung nicht nur die Tür geöffnet, sondern auch die Innenbeleuchtung aktiviert. Er hätte Laurie gesehen, und, warum um alles in der Welt, sollte sie dort im Dunkeln herumschleichen? Außerdem hätte der Hund, wäre er hier, längst gebellt.

Möglicherweise war sie mit ihm beim Tierarzt oder besuchte eine Freundin. Vielleicht hatte sie sich einsam gefühlt und noch nicht mit ihm gerechnet. Immerhin hatte er seine Rückkehr nicht angekündigt. Nein. Ihr Wagen stand in der Garage. Sie ging nur zu Fuß, wenn sie den Hund spazieren führte.

Wo war sie also?

Er zog sich rasch um und ging grübelnd nach unten. Sie hätte ihm wenigstens eine Nachricht hinterlassen können. Obwohl sie ihn nicht erwartet hatte? „Du machst dich lächerlich“, murmelte er, enttäuscht, dass sie nicht hier war, um ihn zu begrüßen.

Dann siegte sein gesunder Menschenverstand über seine Selbstironie, und er wählte ihre Handynummer. Als er nur den Anrufbeantworter hörte, verwandelte sich seine Verärgerung in Besorgnis. Er hinterließ eine Nachricht und versuchte, seiner Stimme einen unbekümmerten Klang zu geben.

„Darling, ich bin zu Hause und frage mich, wo du steckst. Ruf mich an.“

Als er auflegte, fühlte er sich ein wenig verwirrt und verloren. Sie war immer hier, wenn er nach Hause kam. Ohne sie wirkte das Haus tot und leer. Möglicherweise war sie mit einer Freundin in deren Auto unterwegs und trank dann noch Tee bei ihr. Und vielleicht waren sie außer Reichweite des Telefons.

In Hertfordshire?

Wieder sah er zum Fenster in die undurchdringliche Dunkelheit der Regennacht hinaus. Was war, wenn sie verletzt war und irgendwo lag? Panik stieg in ihm auf. Er zog rasch einen Mantel über, schlüpfte in seine Gummistiefel und ging in den Garten. Während er über das nasse Gras stapfte, rief er ihren Namen und suchte den Rasen mit der Taschenlampe ab. Der Garten umfasste etwa zehn Morgen, war dicht mit Wildpflanzen bewachsen und an einigen Stellen sumpfig. Es gab so viele Stellen, wo sie liegen könnte, ohne dass er sie entdecken würde.

Das Waldgebiet? Oder der See?

Er unterdrückte seine Panik und befahl sich, nicht überzureagieren. Immer wieder rief er den Hund – ohne Erfolg. Nach einer Stunde gab er auf und ging ins Haus zurück. Gerade als er die Polizei informieren wollte, fand er die Notiz.

Sie war mit einem Magneten an der Kühlschranktür befestigt.

„Ich bin für eine Weile weggefahren, weil ich nachdenken muss. Mach Dir keine Sorgen, es geht mir gut. Ich rufe Dich an. Laurie. PS: Ich habe den Hund bei mir.“

Rob starrte verblüfft auf das Blatt Papier. Weggefahren? Um nachzudenken? Worüber, um alles in der Welt? Das Baby, dachte er dann traurig. Das Baby, das sie anscheinend nie bekommen würden. O Laurie. Plötzlich war ihm die Kehle wie zugeschnürt, und er schluckte heftig. Wohin war sie gegangen? Was hatte sie vor? Sie sollte jetzt nicht allein sein … Das Telefon klingelte, und er nahm rasch den Hörer ab. „Hallo?“, meldete er sich schroff.

„Rob, ich bin’s. Ich habe gerade deine Nachricht gehört. Ich wusste nicht, dass du schon zu Hause bist.“

Er fuhr sich durchs nasse Haar. „Wo steckst du?“, fragte er erleichtert, aber auch zornig. „Ich habe mich zu Tode geängstigt. Gerade eben habe ich deine Nachricht gefunden. Warum hast du nicht den Wagen genommen? Und was bedeutet es, dass du nachdenken musst?“

„Ich habe ein anderes Auto.“

„Was?“ Er setzte sich abrupt. „Was soll das heißen? Der Wagen ist fast neu!“, sagte er erstaunt.

„Ich weiß, aber der hier gehört mir.“

Mir? Irgendetwas an das Wort ließ ihn plötzlich alarmiert sein, und er blickte misstrauisch auf das Telefon. „Der andere gehört dir auch.“

„Das ist aber nicht das Gleiche. Ich möchte nicht darüber sprechen. Es geht mir gut, und ich werde mich wieder melden.“ Es folgte ein leises Klicken, und dann ertönte das Freizeichen.

„Laurie? Laurie, verdammt, tu mir das nicht an!“, schrie er und knallte den Hörer auf die Gabel, wütend über seine Machtlosigkeit.

Wo war sie? Was machte sie?

Nachdenken.

Was, zum Teufel, meinte sie damit? Er rief sie wieder an und überschüttete sie mit Nachrichten – vergeblich. Ihr hartnäckiges Schweigen trieb ihn zur Weißglut.

Den ganzen Abend ging er auf und ab, briet sich schließlich Speck und Eier und schaltete dann den Fernseher ein und zappte, doch keine der Sendungen interessierte ihn. Schließlich duschte er heiß und wollte dann ins Bett gehen. Er war noch hellwach, also ging er ins Arbeitszimmer und sah die unerledigten Unterlagen durch.

Dabei sah er ständig Lauries ovales, blasses Gesicht vor sich, das von glänzendem Haar umrahmt wurde. Lauries Augen waren haselnussbraun, aber wenn sie zornig war, sprühten sie goldgrüne Funken, und wenn sie erregt war, nahmen sie einen sanften Grünton an. Und wenn er sie küsste, fühlten sich ihre Lippen ganz weich und nachgiebig an. Und danach lächelte sie sanft und liebevoll …

Er runzelte die Stirn. Schon eine Weile hatte sie ihn nicht mehr so angesehen. Die Spontaneität und das Erschauern schienen in ihrer Beziehung verloren gegangen zu sein.

In welche Beziehung? Anscheinend haben wir keine mehr, dachte er verbittert und warf den Bericht, den er gerade in der Hand hielt, ungelesen auf den Schreibtisch zurück. Verdammt, wo war sie?

Rob verließ das Arbeitszimmer und wanderte durchs Haus. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Schließlich kochte er sich Tee. In den letzten Tagen hatte er zu viel Alkohol und Kaffee getrunken und fühlte sich jetzt abgespannt und nervös.

Wenn er nur schlafen könnte, aber die Sache mit Laurie und der Jetlag machten es unmöglich. Vielleicht würde ein ausgiebiges, heißes Bad helfen. Er ging die Treppe hinauf, und als er die Lampe im Flur ausschaltete, bemerkte er den Lichtstrahl unter der Tür zum Speicher.

Jemand musste vergessen haben, das Licht auszumachen. Wahrscheinlich Laurie, die einen Koffer gesucht hatte. Er öffnete die Tür am Fuß der schmalen Treppe und tastete nach dem Schalter, doch der Lichtschein kam von weiter oben. Irgendetwas veranlasste ihn, ihm zu folgen.

Der Speicher hatte drei Räume, die alle, seit er sie zum letzten Mal gesehen hatte, mit Gerümpel übersät waren. Es handelte sich dabei um Dinge, die sie gekauft hatten und nicht mehr brauchten, und um alte Familienstücke, bei denen sie es nicht übers Herz gebracht hatten, sie wegzuwerfen. Er war schon seit Monaten nicht mehr hier oben gewesen, möglicherweise seit Jahren.

Aber irgendjemand hatte einen der Räume ausgeräumt, denn er war beinahe leer. Darin befanden sich nur noch ein Schreibtisch, ein Stuhl, ein Aktenschrank und ein Telefon und ein herunterbaumelndes Kabel mit einer nackten, schwach leuchtenden Glühbirne.

Er sah sich verblüfft um, ging zu dem Stuhl und ließ nachdenklich die Hand über die Lehne gleiten. Es war sein alter Bürostuhl. Seine Lehne war zu gerade, als dass man auf dem Stuhl lange sitzen konnte, trotzdem war der Stuhl ideal für die Arbeit am Computer. Verwirrt ließ er den Blick durch den Raum schweifen, setzte sich und zog die Schubladen des Schreibtischs auf, aber sie waren leer. Der Aktenschrank?

Er war ebenfalls leer. Rob sah in den Papierkorb, konnte aber nur eine zerrissene Briefmarke und ein altes Kuvert mit dem Stempel einer Firma in Schottland finden.

William Guthrie Estate Agents, Inverness

Wieso hatte Laurie Post von einer Immobilienagentur erhalten? Er durchsuchte noch einmal die Schubladen und rückte dann den Schreibtisch von der Wand. Nichts. Dann entdeckte er ein Blatt Papier hinter dem Aktenschrank und zog es hervor. Es war staubig und zerknittert und bedeckt mit handschriftlichen Notizen und Zahlenreihen. Es schienen Umsatzzahlen zu sein. Er blinzelte.

Arbeitete Laurie etwa als Maklerin? Das würde den Brief von der Immobilienfirma erklären. Nein, damit würde sie nicht so viel verdienen. Er warf noch einmal einen Blick hinter den Schreibtisch. In einer der Ecke klebte ein gelber Notizzettel. Er nahm ihn und setzte sich nachdenklich auf den Schreibtisch.

,William Guthrie’ stand darauf sowie eine Telefonnummer, und darunter waren die Worte ‚Little Gluich‘ gekritzelt.

Hatte sie etwa ein Haus in Inverness gekauft?

Wovon?

Er studierte noch einmal die Zahlen auf dem Blatt Papier und schüttelte langsam den Kopf. Möglicherweise von ihrem offensichtlich beträchtlichen Einkommen.

Rasch sah er auf seine Armbanduhr. Zehn Minuten nach zwölf. Noch beinahe neun Stunden, bis er bei dem Immobilienmakler anrufen und herausfinden konnte, was hier vor sich ging. Er würde improvisieren und den arglosen, etwas begriffsstutzigen Ehemann spielen müssen.

Oder er erschien persönlich dort. Wieder sah er auf die Uhr. Schlafen konnte er ohnehin nicht. Er nahm den kleinen gelben Zettel, das Kuvert und den Bogen mit den Berechnungen, schaltete das Licht aus und ging in sein Zimmer. Dort warf er den Koffer auf das Bett, um ihn neu zu packen. Er brauchte Waschzeug, vielleicht ein Handtuch und warme Kleidung. Nicht allzu viel. Er hatte nicht vor, lange zu bleiben.

Noch vor halb eins verließ er das Haus und fragte sich, ob er sich vielleicht auf einer völlig falschen Fährte befand, aber er konnte nicht herumsitzen und Däumchen drehen. Er musste Laurie sehen, und zwar so schnell wie möglich.

Innerhalb weniger Minuten befand er sich auf der verlassenen A1 in Richtung Norden. Um fünf Uhr hielt er an einer Raststätte, trank einen Kaffee und fuhr dann rasch weiter. Am Stadtrand von Edinburgh machte er kurz Halt, um zu frühstücken, und erreichte schließlich gegen ein Uhr Inverness. Er stoppte an einem Parkplatz, fragte jemand nach dem Weg zu der Immobilienagentur und ging dann langsam durch die Straßen, bis er sie gefunden hatte.

Als er das Büro betrat, erblickte er flüchtig sein Spiegelbild in einem Fenster. Er sah zerschlagen aus. Seine Augen waren gerötet, die Lippen hatte er zusammengepresst. Meine Güte, wenn er keine freundlichere Miene aufsetzte, würden sie ihn für einen Verbrecher halten! Er versuchte, sich zu entspannen, bevor er die Tür öffnete und eintrat.

Eine junge Frau an einem Schreibtisch sah auf und lächelte freundlich. „Guten Tag, Sir. Kann ich Ihnen helfen?“

Er ließ sich auf den gegenüberliegenden Stuhl sinken und schenkte ihr sein überzeugendstes jungenhaftes Lächeln. „Das hoffe ich. Ich bin den ganzen Weg von London hierher gefahren, um mich mit meiner Frau zu treffen, und jetzt kann ich die Wegbeschreibung nicht finden, die sie mir gegeben hat. Sie muss aus dem Auto gefallen sein, als ich gehalten habe, um zu frühstücken. Meine Frau hat vor kurzem eine Immobilie bei Ihnen erworben.“

Er fuhr sich durchs Haar und versuchte, den Anschein zu erwecken, als hätte sich alles gegen ihn verschworen, was ihm unter diesen Umständen nicht schwer fiel.

„Wie lautet der Name, Sir?“, fragte sie ihn, und sein Herzschlag beschleunigte sich.

„Ferguson. Sie ist erst vor kurzem umgezogen. Ich komme mir wie ein Idiot vor, weil ich die Adresse verloren habe. Sicher liegt es am Jetlag. Ich bin gerade erst aus New York zurückgekommen.“ Er lächelte reumütig. Vielleicht hatte die junge Frau ein wenig Mitleid mit ihm.

Sie schüttelte den Kopf. „Ferguson – das sagt mir nichts, Sir. Tut mir leid.“

Autor

Caroline Anderson
Caroline Anderson ist eine bekannte britische Autorin, die über 80 Romane bei Mills & Boon veröffentlicht hat. Ihre Vorliebe dabei sind Arztromane. Ihr Geburtsdatum ist unbekannt und sie lebte die meiste Zeit ihres Lebens in Suffolk, England.
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