Zu reich zum Verlieben?

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

"Willkommen unter den Lebenden", hört Philippa, als sie erwacht und ihrem Lebensretter in die Augen sieht: Flying Doctor Riley Chase - der sie total verwirrt. Gibt er ihr doch das Gefühl, einfach nur eine begehrenswerte Frau zu sein und nicht die reiche Promi-Erbin ...


  • Erscheinungstag 20.02.2019
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745851
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Die Nacht schien sich endlos lang dahinzuziehen. Dr. Riley Chase hatte das Kreuzworträtsel fast komplett gelöst und trank nun schon die dritte Tasse Kaffee, während er an seinem Schreibtisch saß. Er hatte Bereitschaftsdienst bei Flight-Aid, der Flugrettung von New South Wales North Coast, was ziemlich langweilig sein konnte, wenn sich nichts ereignete.

Riley checkte nochmals seine E-Mails, die auch sein Kollege Harry, der Pilot, bekam. Ah, zwei neue Nachrichten. Die erste kündigte die Ankunft seiner Tochter an, die andere war ein Notruf: Eine junge Frau war zu weit ins Meer hinausgeschwommen und nicht mehr zurückgekehrt. Das hieß, sie mussten sich beeilen.

Riley sprang von seinem Stuhl auf und stieß dabei die Kaffee­tasse um.

Millionärstochter begeht Selbstmord!

Pippa konnte die Schlagzeilen der englischen Klatschpresse schon vor sich sehen, während sie im Meer trieb und um ihr Leben kämpfte. Seit Stunden war sie bereits im Wasser, keine Hilfe in Sicht. Vor Kälte konnte Pippa kaum noch ihre Füße spüren, und die Angst, dass sie irgendetwas von unten packen könnte, schnürte ihr die Kehle zu.

Phillippa Penelope Fotheringham, Alleinerbin der Fotheringham-Fast-Food-Kette, begeht Selbstmord, nachdem ihr Verlobter sie verlassen hat!

Wieder taten sich die hässlichen Zeilen vor ihrem inneren Auge auf, und Pippa trat weiter Wasser. Nein, sie durfte nicht aufgeben, diese Genugtuung gönnte sie Roger nicht!

„Bist du sicher, dass sie sich das Leben nehmen wollte?“, fragte Riley zweifelnd, während er vom Helikopter auf die aufgewühlte See hinunterblickte. „Vielleicht ist sie nur zu weit hinausgeschwommen und hat es dann nicht mehr zurückgeschafft.“

„Ihr Verlobter hat sie kurz vor der geplanten Hochzeit mit einer anderen betrogen. Ist das nicht Grund genug für eine Kurzschlussreaktion?“

Harry Toomey flog in parallelen Linien am Riff entlang. Mit in der Maschine saß die Rettungssanitäterin Cordelia, die Dritte im Team. Die See war jedoch so aufgewühlt, dass selbst im hellen Scheinwerferlicht des Helikopters ein Mensch kaum auszumachen wäre.

„Weißt du, wie sie heißt?“, fragte Riley weiter.

„Phillippa Penelope Fotheringham.“

„Wow, was für ein Name. Und wie lange wird sie schon vermisst?“

„Seit mindestens fünf Stunden.“

„Fünf Stunden!“

„Sie war gestern Abend auf ’ner Beachparty“, erklärte Harry. „Und als die Party dann vorüber war, haben die Jungs von der Aufsicht ein Bündel Kleidungsstücke am Strand gefunden, sogar mit Geldbörse drin und Zugangskarte fürs Hotel. Wir wissen nicht genau, wann sie ins Wasser gegangen ist. Ob schon in der Dämmerung oder erst ’ne Weile später.“

Riley runzelte die Stirn. „Wenn sie wirklich schon seit fünf Stunden im Wasser ist, dann sieht es schlecht aus.“

Darauf sagte Harry nichts mehr, denn die Crew kannte solche Fälle nur zu gut. Immer wieder kam es vor, dass Menschen von den steilen Klippen stürzten oder viel zu weit aufs offene Meer hinausschwammen und es dann nicht mehr zurück zum Strand schafften. Am Schlimmsten war es für Riley und sein Team, wenn sie nur noch den toten Körper des Vermissten bergen konnten.

„Woher willst du wissen, ob sie überhaupt noch draußen ist?“, wandte Riley ein. „Vielleicht ist sie ja mit irgendeinem Typen ins Hotel gegangen und amüsiert sich jetzt gerade.“

Harry schüttelte den Kopf. „Kann ich mir nicht vorstellen. Sie ist einunddreißig, auf der Party waren sonst nur Teenager. Und sie hat die Hochzeitssuite im Sun-Spa-Resort gebucht, wo sie mit ihrem Liebsten Flitterwochen machen wollte. Der Cop, der sich dort nach ihr erkundigt hat, hat ihren Reisepass im Safe gefunden. Sogar die Telefonnummer ihrer Eltern war dabei, die er dann gleich angerufen hat. Sie ist Engländerin, und es sieht ganz danach aus, als hätte ihr Herzblatt sie kurz vor der Hochzeit sitzen lassen. Darum ist sie wohl allein hierhergekommen.“

Harry zuckte die Schultern. „Du weißt schon, Liebeskummer, Jetlag, vielleicht noch jede Menge Alkohol, und schon ist es passiert.“

„Der Kerl ist es nicht wert, dass sie sich für ihn umbringt“, brummte Riley und blickte weiter angestrengt nach unten. „Komm schon, Sweetheart, wo bist du?“ Selbst wenn die junge Frau tot sein sollte, wollte Riley sie unbedingt finden, denn für Angehörige war es schrecklich, über das Schicksal eines Vermissten im Ungewissen zu bleiben.

„Was war das eigentlich für eine seltsame Mail, die vor dem Notruf reinkam?“, fragte Harry unvermittelt.

Eine unbequeme Frage, die Riley gerne umgangen hätte. Natürlich hatte Harry diese E-Mail auch gesehen, da sie an das ganze Flight-Aid-Team gegangen war.

„Nun sag schon, wer um alles in der Welt ist Lucy?“, hakte Harry nach, als Riley nicht reagierte. „Sie schreibt, sie kommt am Freitag.“

Na, du weißt es aber ganz genau! dachte Riley grimmig. Gleichzeitig war ihm klar, dass es keinen Sinn hatte, Harry etwas vorzumachen. „Sie ist meine Tochter“, sagte er, und die Worte klangen selbst in seinen Ohren fremd. Er kannte Lucy nicht, hatte sie noch nie gesehen.

„Im Ernst?“ Harry flog eine Wende und leitete die nächste Schleife ein. Dann grinste er breit. „Unser Dr. Lonely hat ’ne Tochter – ist ja nicht zu fassen. Wie alt ist sie denn?“

„Achtzehn.“

„Achtzehn!“ Harry und Cordelia sahen Riley völlig entgeistert an. „Und du bist wie alt – achtunddreißig? Mann, da hast du aber lange dichtgehalten.“

Dichthalten kann man es wohl nicht gerade nennen, dachte Riley düster. Bis vor Kurzem hatte er ja selbst nichts von Lucys Existenz gewusst. Vor drei Monaten hatte sie ihn zum ersten Mal per E-Mail über seine Job-Adresse kontaktiert, die sie wohl über die Flight-Aid-Webseite herausgefunden hatte.

Sind Sie der Riley Chase, der vor neunzehn Jahren mit meiner Mutter Marguerite zusammen gewesen ist?

Als er das gelesen hatte, war es Riley abwechselnd heiß und kalt geworden. Deshalb also hatte Marguerite damals mit ihm Schluss gemacht. Weil sie schwanger von ihm gewesen war und es ihm nicht hatte sagen wollen. Riley hatte Lucy sofort geantwortet und danach noch mehrmals versucht, Kontakt mit ihr aufzunehmen, doch sie hatte sich nicht mehr gemeldet. Bis vor einer Stunde.

Komme am Freitagnachmittag in Sydney an. Kann ich ein paar Tage bei dir bleiben?

Riley verdrängte die Gedanken, denn er musste sich jetzt voll auf seinen Einsatz konzentrieren. Der Helikopter kreiste über dem Wasser, und Riley und die sechzigjährige Cordelia, die gerade unter einer starken Erkältung litt, hielten angestrengt nach der Vermissten Ausschau.

Aber da unten war nichts außer dunkle Wellenberge.

Da war ein Licht, dort drüben bei den Klippen!

Pippa trat keuchend Wasser und reckte sich, so hoch sie konnte, um über den nächsten Wellenkamm zu spähen. Ein Helikopter zog dort oben seine Kreise. Ob man nach ihr suchte? Und kam die Maschine näher oder entfernte sie sich eher?

„Halte durch!“, befahl Pippa sich selbst und trat mit den letzten Kräften Wasser, um nicht in der Tiefe zu versinken. Ihre Füße spürte sie schon gar nicht mehr, sie waren in der Kälte taub geworden. „Du musst es schaffen, du musst es einfach schaffen …“

„Wenn sie sich wirklich umbringen wollte, ist sie bestimmt längst tot und wahrscheinlich auch schon untergegangen“, meinte Harry frustriert, da weit und breit nichts von einer Frau zu sehen war.

„So schnell geben wir nicht auf, wir suchen weiter“, erwiderte Riley entschlossen. „Lass uns noch mal nachdenken, vielleicht kommen wir dann drauf, wo sie sein könnte. Wann genau hat sie im Hotel eingecheckt?“

„Etwa um halb acht.“

„Dann ist sie vielleicht um acht ans Meer, was bedeutet, dass …“

„Die Party hat erst um zehn Uhr angefangen“, fiel Harry ihm ins Wort. „Also kann sie erst nach zehn ins Wasser gegangen sein.“

„Und wenn sie gar nicht auf der Party war? Es war Sonntagabend, und der Strand war voller Leute. Da können leicht ein paar Kleidungsstücke rumliegen, ohne dass es jemand merkt. Nehmen wir mal an, sie ist schon um acht ins Wasser gegangen, dann muss sie jetzt viel weiter nördlich sein und kämpft vielleicht verzweifelt um ihr Leben.“

„Ihre Mutter glaubt, sie wollte sich das Leben nehmen. Aus Liebeskummer, sagt sie.“

Riley verzog das Gesicht. „Was weiß denn deine Mutter über dich?“

„Riley hat recht, wir sollten es versuchen“, warf Cordelia ein, die sich wegen ihrer starken Erkältung elend fühlte und bisher kaum ein Wort gesprochen hatte. „Wenn sie schon um acht ins Meer gegangen ist, kann sie sich unmöglich in diesem Areal befinden.“

„Also gut, ich funke Bernie an.“ Harry nahm Kontakt zu dem Kollegen auf und bat ihn, die erwartete Position zu errechnen. Gleich darauf kam das Ergebnis. „Einen halben Kilometer weiter nördlich und viel näher am Strand. Also, los!“

Pippa war unendlich müde und hatte keine Kraft mehr. Aber da war immer noch der Helikopter – jetzt kam er sogar näher, oder bildete sie sich das nur ein?

Wenn man tatsächlich nach ihr suchte, musste sie sich auf der Stelle irgendwie bemerkbar machen. Pippa mobilisierte ihre letzten Kräfte und reckte ihre Hand nach oben. Sie musste winken, damit man sie sehen konnte.

Du schaffst es! spornte sie sich selbst im Stillen an. Halt durch, nur noch ein paar Minuten …

„Da, ich hab etwas gesehen!“

Rileys Puls ging schneller, und er betete, dass er sich nicht geirrt hatte. Es war kaum möglich, in der Dunkelheit und bei dem starken Wellengang überhaupt etwas zu erkennen, trotzdem glaubte er, dass er die Vermisste entdeckt hatte.

„Bist du sicher?“, fragte Harry.

„Flieg zehn Meter zurück, dann fünf nach links und dann geh tiefer.“

Harry folgte Rileys Anweisungen und ließ den Scheinwerfer über die Wasseroberfläche gleiten. Endlich sahen sie sie – die Hand, die winkend aus dem Wasser ragte!

„Sie lebt!“, rief Riley aufgeregt. „Na, was sagt ihr jetzt? Scheint so, als hätte unsere Braut sich’s anders überlegt. Halt durch, Phillippa Penelope Fotheringham, wir kommen!“

Das Licht … der Lärm … der Helikopter kam tatsächlich näher …

Aber Pippa hatte keine Kraft mehr, sie konnte nicht mehr winken und auch nicht Wasser treten. Sie hörte jemanden ihren Namen rufen, brachte jedoch keinen Ton hervor. Sie war müde, so unendlich müde …

Da glitt jemand neben ihr ins Wasser, und sie spürte, wie zwei starke Arme sie umfassten. „Keine Angst, Phillippa“, sagte eine ruhige, tiefe Stimme. „Du hast es gleich geschafft.“

„Ich heiße … Pippa“, wisperte sie mit letzter Kraft, bevor ihr schwarz vor Augen wurde.

2. KAPITEL

Als Pippa ihre Augen wieder öffnete, sah sie einen äußerst attraktiven Mann vor sich. Er stand am Fußende ihres Betts, hatte einen weißen Kittel an, ein Stethoskop baumelte um seinen Hals.

Eindeutig ein Arzt, und sie lag im Krankenhaus – was war passiert? In der nächsten Sekunde kehrte die Erinnerung zurück: das furchtbar kalte Wasser, die Dunkelheit, die Todesangst. Die starken Arme, die sie fest umschlossen, und die tiefe angenehme Stimme, die ihr versicherte, dass sie keine Angst zu haben brauchte …

„Guten Morgen“, sagte der Arzt und lächelte. „Ich bin Dr. Riley Chase. Willkommen unter den Lebenden.“

Pippa betrachtete ihn neugierig. Er war groß und sportlich schlank, hatte ein sonnengebräuntes Gesicht, ausdrucksvolle blaue Augen und dunkles Haar, das leicht zerzaust war und sich im Nacken etwas kringelte.

„Bei denen muss ich ja wohl sein, denn im Himmel gibt es keine Ärzte“, versuchte sie zu scherzen und war selbst überrascht, wie sicher ihre Stimme dabei klang.

„Oh, hier ist es beinahe wie im Himmel.“ Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihr. „Ihr Bett ist warm und weich wie eine Wolke, und in Ihrer Nähe gibt es Engel, die ein Auge auf Sie haben.“

Pippa sah sich um. Sie lag allein in einem Zweibettzimmer. Die Tür stand offen, sodass sie ins Schwesternzimmer direkt gegenüber blicken konnte.

„Dr. Chase, können Sie mal bitte kommen?“, rief von dort prompt eine Schwester.

„Wenn’s kein Notfall ist, dann später!“, rief er zurück, bevor er sich erneut an Pippa wandte. „So, jetzt aber mal im Ernst, Miss Fotheringham. Sie stehen wegen Suizidgefahr unter Aufsicht, deshalb müssen wir die Tür auflassen. Die Schwestern müssen jederzeit ein Auge auf Sie haben können. Aber Sie wollen sich doch nicht ernsthaft etwas antun, nicht wahr?“

Pippa wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Wie kam der Arzt darauf, dass sie sich das Leben nehmen wollte?

„Momentan herrscht hier leider Personalnotstand“, sprach Riley weiter. „Mrs Matchens, eine unserer älteren Patientinnen, hat heute Nacht einen Herzinfarkt erlitten und muss ins Krankenhaus nach Sydney. Bis zu ihrer Verlegung muss ständig eine Schwester bei ihr sein, gleichzeitig müssen wir auch noch auf Sie aufpassen.“

„So ein Unsinn, auf mich muss niemand aufpassen!“, widersprach nun Pippa vehement. Was dachte dieser Arzt sich eigentlich?

„Okay, dann versprechen Sie mir, dass ich mir keine Sorgen um Sie machen muss, einverstanden?“ Wieder lächelte er.

Pippa spürte, wie sie erschauerte. Der gute Doktor sah wirklich zum Anbeißen aus!

„Ich wollte mich nicht umbringen, wie kommen Sie auf diese absurde Idee?“, beharrte sie.

„Ich habe mit Ihrer Mutter telefoniert, sie ist außer sich vor Sorge. Sie hat gesagt, sie würde so schnell wie möglich kommen, und zwar in Begleitung eines gewissen Rogers. Es sei denn, ich rufe sie noch einmal an und versichere ihr, dass das nicht nötig sei. Was meinen Sie?“

Pippa hob die Brauen. „Meine Mutter kommt hierher, noch dazu mit Roger?“

„Ja, zumindest hat sie das gesagt. Sie macht sich sicher große Sorgen.“

„Pah, das kann ich mir kaum vorstellen!“ Pippa verschränkte ärgerlich die Arme. „Überhaupt – wie kann sie glauben, dass ich Roger sehen will, nach allem, was passiert ist?“

Riley zuckte die Achseln. „Klingt ganz schön kompliziert. Ich an Ihrer Stelle würde …“ Wieder rief die Krankenschwester, und er blickte auf die Uhr. „Okay, lassen wir Roger und Mum mal kurz beiseite und kümmern uns stattdessen lieber um Sie. Haben Sie Schmerzen?“

„Nein.“

„Wirklich nicht?“

Pippa biss sich auf die Lippe. Er hatte recht, es hatte keinen Sinn, ihm etwas vorzumachen. „Ja, meine Brust tut ein bisschen weh beim Atmen.“

„Das kommt daher, dass Sie noch etwas Wasser in der Lunge haben, aber das sollte kein Problem sein. Wir haben Ihnen ein Antibiotikum verabreicht. Wenn Sie sich noch eine Weile schonen, wird bald alles wieder ganz in Ordnung sein.“

„Und ich hab … ein paar blaue Flecken.“

„Die stammen von den Gurten, die ich Ihnen anlegen musste, um Sie aus dem Wasser zu ziehen.“

Pippa machte große Augen. „Dann sind Sie derjenige, der mich gerettet hat?“

„Ja, der bin ich.“ Riley nahm ihre Hand und fühlte Pippas Puls. „Und wie steht es mit den Füßen?“

„Gut, obwohl ich sie im Wasser kaum noch spüren konnte.“

„Kein Wunder, Sie waren ziemlich unterkühlt.“

Er zog die Bettdecke ein Stück weit hoch, um ihre Zehen zu begutachten. Sie waren pinkfarben lackiert, mit silbrigem Glimmer. Eine ihrer Brautjungfern hatte ihr diesen Nagellack geschenkt. Allerdings nicht diejenige, die Pippa mit Roger im Bett erwischt hatte …

„Wackeln Sie mal mit den Zehen“, forderte Riley sie auf.

Pippa tat wie geheißen und war erleichtert, dass sie ihre Zehen wieder ganz normal bewegen konnte. Gestern Nacht hatte sie schon Angst gehabt, sie wären vor Kälte abgestorben.

„Wunderbar.“ Riley lächelte. „Jetzt würde ich Sie gerne abhören.“

Beim Versuch, sich aufzurichten, hatte Pippa plötzlich das Gefühl, als wäre sie schwer wie Blei. Dr. Chase schien es zu merken, denn er stand sofort auf und schob ihr das Kissen zurecht, damit sie besser sitzen konnte.

Pippas Puls beschleunigte sich, als er ihr so nahe kam. Dr. Chase war unglaublich attraktiv, und er roch noch dazu so angenehm, dass sie wünschte, dieser Moment der Nähe würde sich noch ein bisschen ausdehnen.

Wie alt mochte er sein – vielleicht Mitte dreißig? Außerdem fragte sie sich, was man zu einem Mann sagte, der einem das Leben gerettet hatte.

„Dr. Chase, ich … möchte mich bei Ihnen bedanken“, begann sie schließlich zögerlich, doch er reagierte nicht darauf.

„Husten, bitte.“

Sie hustete.

„Noch einmal.“

Sie hustete erneut.

„Danke, ich bin sehr zufrieden.“

„Ich meine, ich möchte mich dafür bedanken, dass Sie mir das Leben gerettet haben“, beharrte Pippa, weil ihr das sehr wichtig war.

Er setzte sich wieder und lächelte so charmant, dass die Schmetterlinge in ihrem Bauch ins Trudeln gerieten. „Gern geschehen.“

„Müssen Sie nicht langsam gehen?“, fragte Pippa schließlich. Vorhin hatte er doch etwas von Personalnotstand erwähnt. „Bestimmt werden Sie noch woanders gebraucht.“

„Ich werde immer irgendwo gebraucht, ich bin Dr. Unabkömmlich“, schmunzelte er.

Jetzt lachte auch Pippa. „Müssen Sie denn ständig Menschen retten, Tag und Nacht?“

„Nein, ganz so schlimm ist es zum Glück nicht. Außerdem bin ich mit Ihnen noch nicht fertig.“ Wieder ernst, sah er sie prüfend an. „Möchten Sie mir nicht verraten, warum Mum und Roger glauben, Sie wollten sich das Leben nehmen?“

Sofort verpuffte Pippas gute Laune. „Ach, das ist doch absoluter Blödsinn! Ich wollte einfach schwimmen gehen und bin in eine Strömung geraten, die mich immer weiter rausgetrieben hat, das ist alles.“

Riley hob die dunklen Brauen. „Sie wollten schwimmen gehen, im Dunkeln und an einem unbewachten Strand?“

„Es war noch nicht ganz dunkel, als ich dort ankam. Ich bin einfach losgeschwommen. Plötzlich war ich so weit weg, dass ich es nicht mehr zurückgeschafft habe.“

„Sie müssen eine ziemlich gute Schwimmerin sein, wenn Sie sich acht Stunden über Wasser halten konnten.“

„War es denn so lange?“

„Ja. Wir hatten die Hoffnung, Sie zu finden, fast schon aufgegeben. Dass Sie trotzdem durchgehalten haben, zeugt von einem unglaublich starken Überlebenswillen.“

„Na bitte, das sag ich doch die ganze Zeit. Wenn ich hätte sterben wollen, hätte ich bestimmt nicht so gekämpft. Außerdem wollte ich Roger zeigen, dass ich mich nicht so leicht unterkriegen lasse!“

Eine Viertelstunde später ging Riley zur Intensivstation zurück, um nach der Patientin mit dem Herzinfarkt zu sehen. Er war sehr zufrieden, denn Phillippa Penelope Fotheringham – oder Pippa, wie sie sich selbst nannte – hatte ihm ihre ganze Geschichte erzählt.

Ihr Verlobter Roger war ihre Sandkastenliebe gewesen. Als Sohn von Daddys engstem Geschäftspartner gehörte er so gut wie zur Familie, und so war es für Pippas Eltern ein Selbstgänger, dass sie Roger einmal heiraten würde. Schon mit siebzehn hatte Pippa sich mit ihm verlobt, doch dann waren ihr Bedenken gekommen, und sie hatten die Verlobung wieder gelöst.

Einige Jahre lang waren beide eigene Wege gegangen, hatten jeweils andere Partner gehabt, aber Roger hatte Pippa während dieser Zeit immer zu verstehen gegeben, dass er sie immer noch heiraten wollte. Und auch Pippas Eltern hatten sie unablässig bedrängt. Da Pippa sich eine eigene Familie wünschte und glaubte, dass es mit dreißig Jahren langsam dafür Zeit wurde, hatte sie der Hochzeit schließlich zugestimmt.

Und dann der große Schock. Zwei Tage vor dem Trauungstermin hatte Pippa ihren Verlobten in flagranti mit einer ihrer Brautjungfern erwischt. Zutiefst enttäuscht und wutentbrannt war Pippa dann allein nach Australien geflogen und hatte die Luxussuite bezogen, in der sie mit Roger ihre Flitterwochen hatte verbringen wollen.

Nun sei sie aber froh, dass es so gekommen ist, hatte sie gemeint, denn dadurch habe sie begriffen, dass Roger einfach nicht der Richtige für sie war. Sie würde ihm nicht nachweinen, sondern sich darauf freuen, ein völlig neues Leben zu beginnen.

Riley war beeindruckt. Pippa hatte ihn davon überzeugt, dass sie sich nicht das Leben nehmen wollte. Stattdessen würde sie ihr Single-Dasein genießen, genau wie er.

Pass nur auf, damit ist es bald vorbei, meldete sich plötzlich eine innere Stimme, und seine gute Laute verflog schlagartig. Am Freitag würde Lucy kommen, seine Tochter. Wie zum Teufel sollte man mit einer Tochter umgehen, die man überhaupt nicht kannte? Und die in einer Welt zu Hause war, in der Geld und Macht regierten?

Autor

Marion Lennox
Marion wuchs in einer ländlichen Gemeinde in einer Gegend Australiens auf, wo es das ganze Jahr über keine Dürre gibt. Da es auf der abgelegenen Farm kaum Abwechslung gab, war es kein Wunder, dass sie sich die Zeit mit lesen und schreiben vertrieb. Statt ihren Wunschberuf Liebesromanautorin zu ergreifen, entschied...
Mehr erfahren