Zwischen Sehnsucht und Versuchung

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Sie darf ihrer Sehnsucht nach Coles Küssen nicht nachgeben - vor langer Zeit hat Rachel die Chance auf ein Leben mit ihm verspielt. Und jetzt ist sie entschlossen, einen anderen zu heiraten! Wenn ihr nur endlich Coles Lippen auf ihrer Haut aus dem Sinn gehen würden …


  • Erscheinungstag 29.07.2019
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747473
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Steamboat Springs, Colorado, leuchtete hell und glitzernd in vorweihnachtlicher Pracht. Mit großen roten Schleifen geschmückte Kränze und Mistelzweige hingen an Türen und Fenstern, Laternenpfähle und Schaufenster waren mit Lichterketten geschmückt, und überall waren Weihnachtslieder zu hören. Wo immer Cole Foster auch hinsah, schienen die Menschen – Einwohner und Touristen gleichermaßen – vor Vorfreude zu strahlen.

Manche hatten es eilig, entweder weil sie an das schnelle Tempo einer Großstadt gewöhnt waren oder nach einem langen, mit Shopping oder Skifahren verbrachten Tag rasch in ein Restaurant oder in ihr Hotel wollten. Andere wiederum schlenderten gemächlich die Bürgersteige entlang und genossen die Atmosphäre der festlich geschmückten Stadt.

Die Einheimischen bewegten sich irgendwo dazwischen. Sie hetzten nicht, sie trödelten nicht, aber man sah ihnen eine gewisse Zielstrebigkeit an. Sie wollten offensichtlich nach Hause.

Normalerweise wollte Cole das um diese Zeit auch, vor allem nach einem trubeligen Tag im Sportgeschäft seiner Familie. Heute jedoch nicht.

Er blieb einen Moment stehen, schob die Hände in seine Jackentaschen und atmete die kalte frische Dezemberluft tief ein. Dicke Schneeflocken fielen träge vom Himmel und verstärkten die vorweihnachtliche Stimmung. Es war ein schöner Abend.

Doch das nahm ihm weder die Last von den Schultern, noch beruhigte es seine Nerven. Verdammt, dieses Jahr hatte er mehr mit dem miesepetrigen Grinch gemeinsam als mit dem guten alten Weihnachtsmann, und das war ganz allein seine Schuld.

Er hatte zu lange gewartet, seine Gefühle zu offenbaren, und obwohl es Gründe dafür gegeben hatte, es langsam angehen zu lassen – verdammt gute Gründe –, hatte er es wohl übertrieben. Denn jetzt sah es ganz so aus, als habe Rachel Merriday sich in einen anderen verliebt.

Daher hatte Cole das „fröhliche“ aus seinem Weihnachten gestrichen.

Das Timing war aber auch schlecht! Er hatte sich schon seit Monaten auf Rachels Besuch gefreut, darauf, endlich das Tabu-Thema anzusprechen und somit das, was zwischen ihnen vorgefallen war, hinter sich zu lassen. Und vielleicht dort anzuknüpfen, wo sie vor seinem alles verändernden Unfall aufgehört hatten.

Vor vier Jahren – war es wirklich schon so lange her? – hatte er noch eine vielversprechende Zukunft vor sich. Damals war er ein erfolgreicher Skirennläufer, und seine langjährige Freundschaft mit Rachel hatte sich endlich zu etwas Tiefergehendem entwickelt. Doch ein einziger Sturz hatte nicht nur seine Karriere beendet, sondern auch Rachel in die Flucht geschlagen.

Eigentlich hätte ihn das nicht überraschen dürfen. Immer wenn es kompliziert wurde, ergriff Rachel instinktiv die Flucht. Hatte er das nicht im Laufe der Jahre wieder und wieder mit angesehen? Oh ja, das hatte er! Allerdings war er nie davon betroffen gewesen. Es hatte ihm echt einen ordentlichen Schlag versetzt, als es dann auch ihm passierte.

Er wusste bis heute nicht, warum Rachel nicht an seiner Seite geblieben war, als seine Welt zusammenbrach. Natürlich hatte sie ihn angerufen, ihm Care-Pakete und aufmunternde Briefe geschickt, ihn während seines ganzen langen Jahres in der Reha allerdings nicht ein einziges Mal besucht.

Erst letztes Weihnachten war sie wieder nach Steamboat Springs zurückgekehrt, und irgendwie war es Cole und ihr gelungen, ihre Freundschaft zu kitten. Es hielt es jedoch für verfrüht, ihren einzigen Kuss und ein paar am Abend vor dem Unfall gefallene Worte anzusprechen, weshalb er ein klärendes Gespräch um ein Jahr verschoben hatte.

Auf dieses Weihnachten.

Dummerweise hatte Rachel ihn vor einer guten Woche angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie nicht allein nach Steamboat Springs kommen würde. Nein, sie würde einen Mann mitbringen. Einen Mann, der vielleicht „der Richtige“ war.

Und einfach so hatten sich Coles schöne Pläne in Luft aufgelöst.

Er atmete ein zweites Mal tief durch und ging weiter zum Beanery-Coffeeshop. Unterwegs begrüßte er ein paar Passanten, blieb jedoch nicht stehen. Vor dem Café angekommen, warf er einen Blick durch das Fenster und hielt nach einer bestimmten Frau mit langem blonden Haar und blauen Augen Ausschau.

Nein. Rachel war noch nicht da.

Als Cole die Tür öffnete, schlugen ihm behagliche Wärme und der Duft frisch gebrühten Kaffees und frischer Zimtbrötchen – der Spezialität des Hauses – entgegen. Außerdem Stimmengewirr, vermischt mit noch mehr nerviger Weihnachtsmusik. Was würde er nicht dafür geben, Mick Jagger „Satisfaction“ oder „Start Me Up“ aus den Lautsprecherboxen plärren zu hören statt eine weitere Version von „Jingle Bells“.

Ein paar Stammgäste begrüßten ihn, als er sich an der Theke anstellte. Er grüßte freundlich zurück, begann aber kein Gespräch. Rachel würde gleich kommen, und Cole konnte jede Minute gebrauchen, um sich emotional für ihr Wiedersehen zu rüsten.

In der Schlange vorm Tresen ging es nur langsam voran, da Lola, die Eigentümerin der Beanery, mit jedem Kunden erzählte, als sei er ihr bester Freund. Abgesehen von ihren leckeren Zimtbrötchen, dem Kaffee und der Wärme, war die Beanery auch dank Lolas Herzlichkeit immer gut besucht, sogar in den wenigen Monaten, in denen es in der Stadt nicht von Touristen wimmelte.

Normalerweise unterhielt Cole sich auch immer gern mit ihr, aber heute wollte er sich einfach nur mit seinem Kaffee an einen freien Tisch zurückziehen. Vorzugsweise einen, von dem aus er die Lincoln Avenue perfekt im Blick hatte, damit er Rachel und „den Richtigen“ – auch unter dem Namen Andrew Redgrave bekannt – sehen konnte, bevor sie ihn entdeckten.

Körpersprache verriet nämlich eine Menge über eine Beziehung. Cole hoffte auf einen großen Abstand zwischen den beiden, was auf keine gemeinsame Zukunft schließen lassen würde.

Bei der Vorstellung, dass die beiden womöglich heirateten, wurde Cole schlecht. Er hatte einfach zu lange gewartet, und jetzt … jetzt könnte er Rachel verlieren, bevor er, nein, bevor sie beide je eine echte Chance gehabt hatten.

„Na, was soll es heute sein, Cole? Schwarzer Kaffee und ein Zimtbrötchen, so wie immer?“, riss Lolas muntere Stimme ihn aus seinen Gedanken. „Oder hast du ausnahmsweise mal Lust auf etwas Ausgefalleneres? Vielleicht einen Peppermint-Mocha oder eine Eggnog-Latte?“

„Kaffee muss nach Kaffee schmecken, nicht nach Pfefferminz oder Eierpunsch“, erwiderte Cole und betrachtete grinsend die von Lolas Ohrläppchen baumelnden Schneemänner, ihre übergroße Weihnachtsmann-Mütze und die blinkende bunte Lichterkette um ihren Hals. Lola war zweifellos ein Original. „Nein, nur einen Kaffee bitte. Ich habe heute spät Mittagspause gemacht.“

Lola griff nach einem der leuchtend orangefarbenen Becher der Beanery und sah ihn überrascht an. „Du hast bisher noch nie ein Zimtbrötchen abgelehnt, späte Mittagspause hin oder her. Alles in Ordnung mit dir?“

„Ja, ich habe nur keinen Hunger. Du weißt ja, wie hektisch es um diese Jahreszeit im Laden ist.“

Lola musterte ihn neugierig, nickte jedoch nur und schenkte ihm einen Kaffee ein.

Cole fiel es schwer, sich mit weiteren Erklärungen zurückzuhalten. Lola war nämlich eine der besten Freundinnen seiner Mutter. Sobald sie Verdacht schöpfte, würde sie sofort Margaret Foster anrufen, und dann hätte er seine Mutter, seinen Vater, seine Brüder und seine Schwester auf dem Hals, die ihn so lange nerven würden, bis er ihnen sagte, was mit ihm los war. Und dann würden sie sein Problem zu lösen versuchen, ob Cole ihre Hilfe nun wollte oder nicht.

„Hier, bitte.“ Lola schob ihm seinen Kaffee hin – und ein Zimtbrötchen in einer Tüte. „Für später, wenn du wieder Hunger hast. Geht aufs Haus.“

„Danke.“ Cole wusste, dass es zwecklos war zu widersprechen. Er reichte ihr das Geld für den Kaffee. „Das heb ich mir fürs Frühstück auf.“

„Deine Mom war vorhin übrigens auch hier“, sagte Lola, während sie kassierte. „Sie hat mehrere Dutzend Brötchen für Heiligabend bestellt. Eure Familie kommt über die Feiertage zu Besuch, wie ich gehört habe?“

„Ja. Die ganze Oregon-Seite, mitsamt Anhang und Kindern.“ Alle drei Foster-Cousins gründeten gerade Familien und waren laut seiner Mutter total glücklich. Schön für sie. „Nochmals danke, Lola.“

Nachdem Cole sein Wechselgeld in die Dose mit dem Trinkgeld gesteckt hatte, setzte er sich an einen Tisch – endlich. Noch etwa zehn Minuten, bis er Rachel wiedersah … und Andrew natürlich. Cole durfte Andrew nicht vergessen, sosehr er das auch wollte.

Rachel hatte ihm kurz nach ihrer Landung mittags eine Nachricht geschickt. Sie und Andrew mussten also seit etwa sechs Stunden in Steamboat Springs sein. Rachels Eltern waren zurzeit nicht in der Stadt, was bedeutete, dass sie und „der Richtige“ das Ferienhaus von Rachels Familie ganz für sich hatten. Vielleicht hatten sie den Nachmittag eng aneinandergekuschelt vor dem Kamin verbracht und … Cole rieb sich die Schläfen und versuchte seine Fantasien zu verdrängen.

Er trank einen Schluck Kaffee, blendete das nervige Weihnachtsgedudel aus und sah aus dem Fenster. Der Schnee fiel inzwischen so dicht, dass die Straßen und Bürgersteige von einer weißen Schicht bedeckt waren.

So melancholisch, wie er drauf war, musste er bei dem Anblick natürlich an seine erste Begegnung mit Rachel denken. Er war damals elf Jahre alt, sie zehn. Er, seine beiden älteren Brüder Reid und Dylan sowie ein paar andere Kinder veranstalteten gerade auf dem Schulhof eine Schneeballschlacht, als ihn ein riesiger Schneeball am Hinterkopf traf und ihn bäuchlings in den Schnee beförderte.

Als er sich wieder aufgerichtet hatte, starrten ihn seine Brüder entsetzt an. Sofort formte er einen Schneeball, drehte sich um und sah … sie. Ein Mädchen mit rosigen Wangen, großen himmelblauen Augen und feinen, kurzen blonden Haaren.

Ihren schicken Stiefeln, ihrem Mantel und dem teuren Wagen hinter ihr nach zu urteilen, war sie ein Kind reicher Eltern. Stirnrunzelnd ließ Cole die Hand mit dem Schneeball sinken. Seine Familie lebte von den Touristen, und die Eltern dieses Mädchens zu verärgern, war daher keine gute Idee. Um die Kinder reicher Urlauber machte man seiner Erfahrung nach besser einen großen Bogen.

Es wurmte ihn jedoch, sich nicht revanchieren zu können. Von einem Mädchen besiegt worden zu sein, war ziemlich uncool. Reid und Dylan würden ihn später gnadenlos hänseln, und seine Schwester Haley würde ihm einen langen Vortrag halten, dass Mädchen Jungs sowieso in jeder Hinsicht überlegen waren. Ätzend!

Trotzdem blieb er vernünftig und tat so, als würden ihn das dämliche Mädchen und ihr Schneeball überhaupt nicht interessieren. Bis er ihr triumphierendes Lächeln sah und ihr wütend den Rücken zukehrte.

Nur wenige Sekunden später küsste er schon wieder den Schnee. Diesmal brachen seine Brüder in schallendes Gelächter aus, was Cole endgültig den Rest gab. Er sprang auf und warf seinen Schneeball nach ihr. Sie taumelte zurück, als er sie am Kinn traf, wahrte jedoch das Gleichgewicht. Zu seiner Überraschung stampfte sie weder empört mit einem Fuß auf, noch bekam sie einen Heulanfall.

Stattdessen lächelte sie noch provozierender. Fast in Zeitlupe zog sie einen weiteren Schneeball hinter dem Rücken hervor, warf ihn jedoch nicht nach Cole, sondern zielte auf seinen Bruder Dylan.

Das war der Beginn ihrer Freundschaft.

In den darauffolgenden Jahren hatte Rachel mit ihren Eltern die Weihnachtstage und gelegentlich auch die Sommerferien in Steamboat Springs verbracht. Coles und Rachels Freundschaft war im Laufe der Zeit immer enger geworden. Als Jugendliche waren sie auch über Rachels Besuche hinaus in Kontakt geblieben, und während ihrer Studienzeit und danach hatten sie sich sogar häufiger getroffen.

Allerdings immer als Freunde.

Bis zu ihrem Kuss, seinem Unfall und dem ganzen schrecklichen Chaos. Coles Magen krampfte sich schmerzlich zusammen bei der Erinnerung. Aber: Was passiert war, war passiert. Sich über Dinge zu grämen, die nicht mehr rückgängig zu machen waren, brachte ihn jetzt auch nicht weiter.

Aus einer plötzlichen Vorahnung heraus sah er wieder aus dem Fenster und … ja, da war sie. Arm in Arm mit einem Mann überquerte sie die hell erleuchtete Straße.

Für den Bruchteil einer Sekunde war Coles Kopf beim Anblick ihrer schlanken Gestalt und ihrer langen Beine wie leergefegt. Mit ihrem wehenden blonden Haar sah sie in den wirbelnden Flocken aus wie eine Schneeprinzessin.

Sein Herz setzte einen Schlag aus. Himmel, war sie schön! Ihm wurde bewusst, wie schrecklich er sie vermisst hatte. Mehr als gedacht.

Als dieser Andrew ihr etwas ins Ohr flüsterte, küsste sie ihn lachend auf die Wange. Rasende Eifersucht stieg in Cole auf. Es fiel ihm schwer, ruhig sitzen zu bleiben.

Er nahm den Mann etwas eingehender unter die Lupe.

Er war groß gewachsen, aber nicht so groß wie Cole. Was natürlich völlig bedeutungslos war, Cole aber trotzdem mit einer gewissen Genugtuung erfüllte. Er wirkte sehr weltmännisch und trug einen schwarzen Burberry-Mantel. Anscheinend war er nicht unvermögend. Aber Rachel stammte ebenfalls aus einer wohlhabenden Familie. Warum also nicht auch der Mann, den sie für „den Richtigen“ hielt?

Doch das war nicht das, was Cole störte. Ihm machte zu schaffen, wie glücklich die beiden aussahen. Hoffentlich war bei Andrew etwas faul … und er hatte irgendwelche Hintergedanken, was Rachel anging. Sie hatte schön öfter Freunde gehabt, die sich mehr für den Reichtum ihrer Familie und die Geschäftskontakte ihres Vaters interessierten als für sie.

Allerdings sagte ihm sein Bauchgefühl, dass das bei Andrew nicht der Fall war. Cole hatte ein untrügliches Gespür für alles, was Rachel schaden konnte.

Blieb ihm also nur noch die Hoffnung, dass Rachel bei Andrew genauso kneifen würde wie bei Cole und allen anderen Männern, aber das war irgendwie auch nicht die richtige Lösung. Cole wollte, dass sie glücklich war, und das würde nie passieren, solange sie vor allem weglief.

Vor dem Fenster blieb Andrew stehen, zog Rachel an sich und küsste sie. Bei dem Anblick fragte Cole sich wieder, womit die beiden wohl den Nachmittag verbracht hatten. Er musste schlucken. Eine gefühlte Ewigkeit später lösten sich die beiden voneinander, und Rachel zog Andrew lachend zur Tür.

Es kostete Cole fast übermenschliche Anstrengung, ein freundliches Lächeln aufzusetzen, als die beiden den Coffeeshop betraten. Als Rachel ihn sah, jauchzte sie erfreut auf und ließ Andrews Hand los – was Cole natürlich diebisch freute –, um sich auf ihn zu stürzen.

Er stand auf und breitete die Arme aus, um sie aufzufangen und an sich zu drücken. Ihr Duft, eine betörende Mischung aus Gewürzen, Obst und Winter, hüllte ihn ein, und ihm wurde wieder klar, dass sie in seine Arme gehörte.

Er spürte ihr weiches, vom Schnee feuchtes Haar an seiner Wange, als sie ihm ins Ohr flüsterte, wie glücklich sie sei, ihn wiederzusehen. „Es ist schon wieder viel zu lange her.“

„Ich freue mich auch“, antwortete er. „Und es ist immer zu lange.“

Sie löste sich aus seiner Umarmung und drehte sich zu Andrew um, um ihn Cole vorzustellen. Dabei leuchteten ihre hübschen blauen Augen auf eine Art auf, die Cole erst einmal gesehen hatte – in den Sekunden vor ihrem einzigen Kuss. Verdammt! Bis jetzt lief aber auch nichts wie erhofft.

Breit grinsend schüttelte er Andrew die Hand, der seinen Händedruck etwas fester erwiderte als nötig. So, als wolle er seine Männlichkeit unter Beweis stellen.

Es war vielleicht unreif von ihm, aber Cole nahm die Herausforderung an. Er festigte seinen Griff ebenfalls, wobei er nicht aufhörte zu grinsen. Er wusste genau, dass er diesen Zweikampf gewinnen würde. Und richtig – es dauerte nur fünfzehn, höchstens zwanzig Sekunden, bis Andrew nachgab und losließ.

Eins zu null beim Heimspiel.

„Schön, dich kennenzulernen, Kyle“, sagte Andrew, während er seine Finger dehnte. „Rachel sagt, du bist wie ein Bruder für sie.“

„Er ist mein Freund. Mein bester Freund“, warf Rachel ein. „Aber richtig, Cole ist mir sehr wichtig. Ist es nicht schön, dass ihr euch jetzt endlich kennenlernt?“

„Ja, super.“ Cole unterdrückte den kindischen Impuls, „dem Richtigen“ eine zu verpassen. Er setzte sich wieder an den Tisch. „Ich freue mich, dich kennenzulernen, Andy. Bis vor einer Woche habe ich allerdings noch nie von dir gehört, also wirst du sicher verstehen, dass ich so meine Bedenken habe … Da ich für Rachel ja wie ein Bruder bin, ist es quasi meine Pflicht, mich zu vergewissern, dass es ihr mit dir gut geht.“

Andrew musterte ihn grimmig. Er half Rachel aus ihrer Jacke und zog seinen Trenchcoat aus, bevor er selbst Platz nahm. „Verständlich“, sagte er eine Spur sarkastisch. „Ich kann’s kaum erwarten.“

Rachel sah verwirrt zwischen Cole und Andrew hin und her und forderte Cole mit einem Blick auf, die angespannte Atmosphäre aufzulockern, anstatt die Anspannung noch zu verstärken.

„Geht mir genauso.“ Cole hob seinen Kaffeebecher zu einem ironischen Toast und beschloss, Andrew noch eine Chance zu geben.

Rachel zuliebe.

Aber wenn „der Richtige“ ihn weiterhin so provozierte, würde es Krieg geben. In den paar Minuten seit Andrews Auftauchen hatte Cole nämlich eine Entscheidung getroffen. Er würde nicht mehr auf den richtigen Moment oder die richtigen Worte oder sonst irgendetwas warten, sondern die Initiative ergreifen!

Na, das ging ja gut los!

Rachel Merriday lehnte sich nervös in ihrem Stuhl zurück, während Cole und Andrew Kaffee holten. Hoffentlich würden die beiden sich bald besser verstehen. Sobald Andrew merkte, dass er keinen Grund hatte, eifersüchtig auf Cole zu sein, würde er sich bestimmt wieder entspannen. Und dann wäre auch Cole etwas netter zu ihm, davon war sie überzeugt.

Zumindest hoffte sie es.

Die beiden hatten immerhin eine Menge gemeinsam, auch wenn sie das bestimmt anders sahen. Äußerlich sahen sie sich zwar nicht besonders ähnlich, aber sie waren beide sehr attraktiv. Während Cole dunkelhaarig war und braune Augen hatte, hatte Andrew aschblondes Haar, graue Augen und eine eher helle Haut, ähnlich wie sie.

Beide waren groß und kräftig, wenn auch auf unterschiedliche Art. Cole hatte das kräftige muskulöse Aussehen eines Athleten. Andrew war ebenfalls sehnig, aber vor allem weil er regelmäßig ins Fitnessstudio ging und Diät machte. Aber sie waren beide sehr männlich und viril. Und verdammt sexy.

Keine Frau könnte das leugnen. Oder zumindest keine normale Frau.

Die wahre Ähnlichkeit lag jedoch unter der Oberfläche. Klar war Andrew etwas ernsthafter als Cole, aber auch er hatte ein gutes Herz und war genauso integer. Sie würden alles für die Menschen tun, die sie liebten. Diese Eigenschaft hatte Rachel als Erstes bei Andrew angesprochen.

Und zog sie immer noch an.

Aber wollte sie ihn deshalb gleich heiraten und eine Familie mit ihm gründen? Sie hatte keine Ahnung. Es fiel ihr schwer, eine Entscheidung zu treffen. Bei der Vorstellung, den Falschen zu heiraten, bekam sie nämlich Panik. Vor allem wenn sie dann noch an Kinder dachte.

Sie wusste nur allzu gut, welche Auswirkungen eine lieblose Ehe auf Kinder haben konnte – bis ins Erwachsenenalter hinein. Rachel wollte nicht die gleichen Fehler machen wie ihre Eltern. Endlose Auseinandersetzungen hinter verschlossenen Türen führen, während nach außen hin alles heil und perfekt aussah. In der Öffentlichkeit lächeln, obwohl man am liebsten heulen, schreien oder … ja, weglaufen wollte. So weit einen die Beine trugen.

Trotzdem sehnte Rachel sich insgeheim nach Liebe und einem Leben mit dem richtigen Mann, so verrückt das auch war. Sie wollte eine Familie, verdammt! Sie wollte Besorgungen machen, Babys, die sich zu vorlauten Teenagern entwickelten, Kuchen für Schulfeste backen und Picknicks und Grillpartys, und das alles mit einem Mann, der sie von Herzen liebte.

Unwillkürlich wanderte ihr Blick zu Cole. Bei seinem Anblick machte ihr Herz einen Satz. Sie wusste genau, dass sie vor vier Jahren Mist gebaut hatte. Und dass ihr dadurch vielleicht etwas Wundervolles und womöglich sogar etwas, das ihr Leben von Grund auf verändert hätte, entgangen war.

Sie war heilfroh, dass sie sich im Großen und Ganzen wieder gut verstanden. Außerdem hatte sie inzwischen aus ihren Fehlern gelernt. Und genau deshalb wollte sie, trotz ihrer Zweifel, mit Andrew zusammenbleiben. Weil sie damals bei Cole die gleichen Ängste plagten wie jetzt bei Andrew. Das hatte also nichts zu sagen.

Sie seufzte. Es war zwecklos, verpassten Chancen hinterherzutrauern. Eine Freundschaft war schließlich auch nicht zu verachten, und ihre Freundschaft mit Cole hatte sich bewährt. Sie war stark und beständig. Verglichen damit hatte das kurze Aufflackern der Leidenschaft zwischen ihnen vor vier Jahren keine Bedeutung. Zumal Cole ihr bei ihrem Besuch vor einem Jahr nicht den geringsten Hinweis gegeben hatte, dass er mehr sein wollte als nur ihr Freund.

Und dann war Andrew in ihr Leben getreten und hatte sie mit seinem Charme und seiner Fürsorglichkeit erobert. Mit Eigenschaften, die sie an Cole erinnerten, und einigen anderen, die das nicht taten. Er begehrte sie. Er sprach von einer gemeinsamen Zukunft. Das war echt und solide. Aber würde es halten?

Vielleicht.

Und deshalb war sie hier. In der Hoffnung, sich hier, in ihrer Lieblingsstadt, so heftig in Andrew zu verlieben, dass sie ihre Ängste vergaß … und ihre Reue.

Sie musste sich einfach entspannen und aufhören, ständig über die Vergangenheit zu grübeln. Ihr Herz öffnen und sich fallen lassen. Das konnte doch nicht so schwer sein, oder?

Rachel richtete den Blick auf die beiden Männer und zeigte Richtung Toilette. Cole fing ihren Blick auf und nickte lächelnd, bevor er sich wieder zu Andrew umdrehte. Von dem kam keine Reaktion, vermutlich, weil er Cole konzentriert zuhörte. Vielleicht näherten sich die beiden einander ja doch ein bisschen an. Zumindest hoffte Rachel das. Falls nicht, konnten die nächsten Wochen nämlich ziemlich anstrengend werden.

Autor

Tracy Madison
<p>Die preisgekrönte Schriftstellerin Tracy Madison ist in Ohio zu Hause, und ihre Tage sind gut gefüllt mit Liebe, Lachen und zahlreichen Tassen Kaffee ... Die Nächte verbringt sie oft schreibend am Computer, um ihren Figuren Leben einzuhauchen und ihnen ihr wohlverdientes Happy End zu bescheren. Übrigens bekommt Tracy Madison sehr...
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