Baccara Collection Band 414

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HEISSE KÜSSE FÜR DEN COWBOY von MAISEY YATES
Faith will ihre Karriere als Architektin vorantreiben. Doch ihr neuer Auftraggeber, Selfmade-Millionär Levi Tucker, weckt in ihr ein nie gekanntes Verlangen. Sie tauscht heiße Küsse mit dem Cowboy. Heiß und gefährlich - denn Levi hat eine dunkle Vergangenheit …

DIESMAL WILL ICH DICH FÜR IMMER von YVONNE LINDSAY
Nach Jahren der Trennung wagt Valentin einen Neuanfang mit seiner Ex-Frau Imogene. Nie hat er aufgehört, sie zu lieben und zu begehren. Aber wie soll er Imogene erklären, wer die Frau ist, die plötzlich in ihrem Haus auftaucht und Valentin für sich beansprucht?

PRICKELNDES VERLANGEN NACH DIR von ELLE WRIGHT
Love ist Ärztin mit Leib und Seele. Außerdem glaubt sie an die große Liebe. Ihren Jugendfreund Drake Jackson in einer Kapelle in Las Vegas zu heiraten, gehörte nicht zu ihrem Lebensplan. Doch woher kommt auf einmal dieses prickelnde Verlangen, das sie in seiner Gegenwart spürt?


  • Erscheinungstag 03.01.2020
  • Bandnummer 414
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726591
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Maisey Yates, Yvonne Lindsay, Elle Wright

BACCARA COLLECTION BAND 414

MAISEY YATES

Heiße Küsse für den Cowboy

Levi Tucker ist ein Bad Boy. Nachdem er fünf Jahre unschuldig im Gefängnis saß, will er nur eines: sein Leben in Freiheit in vollen Zügen genießen. Keine Gefühle und keine Bindungen, das hat er sich geschworen. Die süße Architektin Faith lässt ihn seinen Vorsatz für kurze Zeit vergessen. Doch Faith wünscht sich mehr als nur ein flüchtiges Abenteuer …

YVONNE LINDSAY

Diesmal will ich dich für immer

Nach dem Scheitern ihrer ersten Ehe wendet Imogene sich an eine exklusive Partneragentur. Diesmal will sie eine Liebe für immer. Doch der Mann, der angeblich der richtige für sie ist, ist ihr Ex Valentin! Zutiefst hat er sie damals verletzt. Imogene kann nicht leugnen, dass sie immer noch starke Gefühle für ihn hegt. Aber kann sie ihm wirklich vertrauen?

ELLE WRIGHT

Prickelndes Verlangen nach dir

Plötzlich verheiratet! Die Beziehung zu seiner Jugendfreundin Love war rein platonisch – bis Herzchirurg und Womanizer Drake Jackson nach einer durchzechten Nacht in Las Vegas neben Love aufwacht. Er will die Ehe umgehend annullieren lassen. Doch plötzlich wird ihm klar, dass Love heißer und begehrenswerter ist als jede andere Frau, die er kennt …

PROLOG

Levi Tucker

Justizvollzugsanstalt Oregon

265 State St., Salem, OR 97310

Sehr geehrte Ms. Grayson,

aufgrund gewisser Umstände endet meine Gefängnisstrafe früher als eigentlich vorgesehen. Ich habe Ihre Karriere aufmerksam verfolgt und würde Sie gern engagieren, damit Sie das Haus entwerfen, das ich gern bauen möchte.

Freundliche Grüße

Levi Tucker

Sehr geehrter Mr. Tucker,

wie erfreulich, dass Sie schon so bald aus dem Gefängnis entlassen werden. Das muss für Sie eine große Erleichterung sein. Wie Sie ja bereits wissen, sind Häuser von mir im Moment sehr gefragt. Daher fürchte ich, dass ich so kurzfristig keinen neuen Auftrag annehmen kann.

Freundliche Grüße

Faith Grayson

Sehr geehrte Ms. Grayson,

wie hoch Ihr übliches Honorar auch sein mag, ich kann es verdoppeln.

Freundliche Grüße

Levi Tucker

Sehr geehrter Mr. Tucker,

um ganz offen zu sein, ich habe Ihren Namen bei Google eingegeben. Meine Brüder wären ganz sicher nicht erbaut, wenn ich Ihren Auftrag annehmen würde.

Freundliche Grüße

Faith Grayson

Sehr geehrte Ms. Grayson,

versuchen Sie es noch einmal bei Google. Sie werden herausfinden, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis ich von der Anklage entlastet und freigesprochen werde. Und was Ihr Bruder nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Das gilt für alle Ihre Brüder. Ich verdreifache Ihr Honorar.

Freundliche Grüße

Levi Tucker

Sehr geehrter Mr. Tucker,

falls Sie mich persönlich sprechen möchten, benutzen Sie bitte meine persönliche Geschäftsnummer, die ich Ihnen in der Fußzeile dieser Seite nenne. Ich gehe davon aus, nach Ihrer Freilassung von Ihnen zu hören.

Freundliche Grüße

Faith Grayson

1. KAPITEL

Levi Tucker war kein Mörder.

Diese Tatsache wurde nun endlich auch an offizieller Stelle anerkannt.

Er war sich nicht sicher gewesen, welches Gefühl ihn bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis beherrschen würde. Vielleicht Erleichterung. Er hatte sich vorgestellt, dass die meisten Menschen in seiner Lage wohl so empfinden würden. Aber als sich das Tor der Strafvollzugsanstalt hinter ihm schloss, hatte er etwas ganz anderes gefühlt.

Ein übermächtiger Zorn hatte von ihm Besitz ergriffen und hätte ihn in Erstaunen versetzt, wenn es nicht so unvermeidlich gewesen wäre.

Schließlich hatte er selbst am besten gewusst, dass er kein Mörder war.

Alles, was der Staatsanwalt in die Waagschale hatte werfen können, war ein bloßer Verdacht gewesen. Es gab ja noch nicht einmal eine Leiche.

Vor allem deswegen, weil Alicia nicht tot war.

In vielerlei Hinsicht war dies nicht nur eine Verletzung, sondern auch noch eine Beleidigung. Die Scheidung von der Frau, die es so hatte aussehen lassen, als ob er sie ermordet hätte, stand noch aus. Sie waren immer noch miteinander verheiratet. Natürlich hatte er so schnell wie möglich die Scheidung eingereicht. Er war dabei, sein Leben wieder in Ordnung zu bringen.

Alicia würde vermutlich in die Scheidung einwilligen.

Allerdings konnte er das nicht mit Sicherheit wissen.

Es hatte eine Zeit gegeben, in der Levi dachte, er würde seine Frau kennen. Schließlich hatte er sie geheiratet. Doch während er sich dessen bewusst war, dass zwischen ihnen längst nicht alles perfekt war, hatte seine Frau sich in einer warmen Sommernacht davongemacht und ihn mit den Konsequenzen allein gelassen. Damit hätte er nie gerechnet.

Auch wenn sie vielleicht nicht beabsichtigt hatte, dass er wegen Mordes verurteilt würde, so hätte sie doch zu jedem Zeitpunkt nach ihrem Verschwinden wieder auftauchen können.

Als er verhört wurde. Als er verhaftet wurde.

Doch das hatte sie nicht getan.

Und damit gab sie ihm Anlass zu glauben, seine Blamage, seine entsetzliche Demütigung wären ihr Ziel gewesen.

Levi fragte sich immer wieder, ob ihre ganze Ehe von Anfang an ein falsches Spiel gewesen war.

Die Frau, die ihn trotz des Rufs seiner Familie in Copper Ridge geliebt hatte. Die vor Gott und der Welt geschworen hatte, bei ihm zu bleiben in guten wie in schlechten Zeiten. Ungeachtet der Tatsache, ob er es zu etwas bringen würde oder nicht. Er hatte es zu etwas gebracht. Und er hatte Alicia geschworen, ihr auf dem höchsten Hügel von Copper Ridge ein Haus zu bauen, damit sie auf die Leute herabblicken könnte, die zuvor auf sie herabgeblickt hatten.

Aber später hatte es ihm gefallen, dass seine Arbeit ihn oft weit weg führte von der Stadt, in der er aufgewachsen war. Alicia hatte währenddessen Geschmack am glamourösen Leben gefunden. Levi hingegen mochte das einfache Leben. Er wollte nur seine eigene Ranch. Und seine eigenen Pferde.

Alicia wollte mehr.

Offenbar war sie am Ende darauf gekommen, dass sie das alles auch ohne ihn haben konnte.

Es war das Geld gewesen, das sie ins Verderben gestürzt hatte. Jahrelang hatte sie immer wieder Geld auf ihr eigenes Konto eingezahlt, ohne dass er es bemerkt hatte. Doch als ihr Konto leer war, hatte sie versucht, an das Geld auf seinen Konten zu kommen. Und dabei war sie erwischt worden.

Sie hatte sich mit seinem schwer verdienten Geld ein schönes Leben gemacht.

Fünf Jahre lang.

Fünf höllische Jahre, die er hinter Gittern verbracht hatte. Als Frauenmörder. Als Mörder der eigenen Ehefrau.

Aber er hatte überlebt. So wie er alles überlebt hatte, was zuvor geschehen war.

Geld stellte oft einen gewissen Schutz dar.

Jedenfalls war das bei ihm vermutlich der Fall gewesen.

Wahrscheinlich hätte er nicht seine Gefängniszelle verlassen, sich seinen Stetson schnappen und zu seinem Leben zurückkehren können, wenn er nicht das Geld gehabt hätte, ein Team von guten Anwälten zu bezahlen. Anwälte, die dafür gesorgt hatten, dass sein Fall so schnell wie möglich wieder aufgenommen und neu verhandelt wurde. Er hatte gedacht, dass das einfacher sein würde. Besonders angesichts der Tatsache, dass seine Frau quicklebendig aufgefunden wurde.

Der Junge, der er einmal gewesen war, hätte wohl kaum Gerechtigkeit erlangt.

Anders als der Mann, zu dem er geworden war.

Dieser Mann stand jetzt auf einem weitläufigen Grundstück, das er sein Eigen nannte, und wartete auf die Architektin. Sie würde ihm hoffentlich das Haus bauen, das er nach fünf Jahren hinter Gittern verdiente.

Dieses Haus würde keine Gitter haben. Es würde das Haus werden, das Alicia so sehr gewollt hatte. Um allen in ihrer Heimatstadt zu zeigen, dass er und Alicia es geschafft hatten. Dass aus ihnen etwas geworden war und sie die Situation überwunden hatten, in die sie hineingeboren wurden.

Das traf auf sie allerdings nicht zu.

Nein, dieses Haus würde keine Gitter haben. Nur Fenster.

Fenster, die einen Blick auf die Berge boten, in deren Schatten Copper Ridge lag. Copper Ridge, Oregon, wo sie aufgewachsen waren. Levi hatte dort stets für schlechte Nachrichten gesorgt. Genau wie seine ganze Familie.

Er hatte zu den Jungen gehört, vor denen Väter ihre Töchter warnten.

Ein fauler Apfel von einem verrotteten Stamm.

Seinem Gefühl nach hatte sich die öffentliche Meinung über ihn in den vergangenen Jahren nicht geändert.

Sein schlechter Ruf hatte sein Übriges getan, als er vor fünf Jahren vor Gericht gestellt und verurteilt wurde.

Sich wiederholende Muster. Ein krimineller Vater zog einen Sohn auf, der gleichfalls kriminell wurde. Sogar ein Mörder.

Der natürliche Lauf der Dinge für Männer wie ihn.

Alicia hatte das natürlich gewusst. Sie kannte ihn besser als sonst jemand auf dieser Welt.

Aber er hatte sie nicht gekannt. Überhaupt nicht, wie sich herausstellte.

Er landete im Gefängnis, so wie sie es vermutlich beabsichtigt hatte. Doch er hatte sich die Freiheit erkämpft. Und nun würde er hoffentlich bald aus seinem Haus auf dem Gipfel eines Hügels auf diejenigen herabsehen können, die dachten, das Gefängnis wäre seine Endstation.

Das beste Haus in der besten Gegend der Stadt. Das war sein Ziel.

Nun musste er nur noch auf Faith Graysons Ankunft warten. Mehr gab es nicht zu tun. Dem Vernehmen nach war sie derzeit die populärste Architektin für Traumvillen und andere Prachtbauten.

Die Häuser, die sie entwarf, waren weit mehr als Gebäude. Es waren Kunstwerke. Und Levi war fest entschlossen, eines dieser Kunstwerke zu besitzen.

Er war wie besessen von dem Gedanken, einen Ausgleich zu schaffen für das, was er verloren hatte. Er wollte so gut wie möglich leben, während es seiner Frau langsam dämmerte, dass sie mit leeren Händen dastand.

So wie es aussah, war es unmöglich, ihr nachzuweisen, dass sie ein Verbrechen begangen hatte. Möglicherweise hatte es ja gar nicht in ihrer Absicht gelegen, dass er verhaftet wurde. Und vielleicht hatte sie nicht erfahren, dass er verurteilt und inhaftiert wurde.

Sie jedenfalls behauptete jetzt, sie wäre einfach gegangen und hätte nie zurückgeblickt. Dass sie sich sein Geld unter den Nagel reißen wollte, war ihrer Aussage zufolge eine Notwendigkeit gewesen. Und ein Beweis dafür, dass sie nicht versucht hatte, sich zu verstecken.

Er glaubte ihr kein Wort. Deshalb hatte er ihr jede weitere finanzielle Zuwendung verweigert. Sie sah sich gezwungen, zu ihren Eltern zurückzukriechen und deren Hilfe zu erbitten.

Vielleicht war es die beste Rache, wenn er selbst ein prima Leben führte.

Levi Tucker trug sich in der festen Absicht, genau das zu tun.

Faith Grayson wusste durchaus, dass ihre Verabredung mit einem ehemaligen Häftling auf dem Gipfel eines einsamen Berges als Grund angesehen werden könnte, sie in eine psychiatrische Anstalt einzuweisen.

Allerdings hatte Levi Tucker nur deshalb im Gefängnis gesessen, weil er in seinem ersten Gerichtsverfahren unschuldig verurteilt wurde. Jedenfalls lautete so die offizielle Stellungnahme aus dem Büro des Bezirksstaatsanwaltes.

Seine Unschuld wurde nicht zuletzt dadurch bewiesen, dass seine Frau sich bester Gesundheit erfreute.

Er war also für den Mord an jemandem verurteilt worden, der gar nicht tot war. Auch wenn es zahlreiche Spekulationen darüber gab, warum seine Frau sich denn davongemacht hätte, wenn er nicht gefährlich und Furcht einflößend wäre, so blieb doch die Tatsache bestehen, dass er kein Mörder war.

So viel dazu.

Faith wusste genau, was ihre beiden Brüder, Isaiah und Joshua, zu diesem Treffen zu sagen hätten. Und zwar in ebenso zahlreichen wie blumigen Worten, mit denen sie das Unterfangen ihrer Schwester keinesfalls unterstützt hätten.

Doch Faith war von Anfang an von diesem Mann, der ein Vielfaches des üblichen Preises für eines ihrer Häuser zu zahlen bereit war, fasziniert gewesen. Vielleicht war auch ihr Ego ein wenig geschmeichelt wegen der ganzen Sache. Das konnte sie zumindest nicht ausschließen.

Schließlich war sie auch nur ein Mensch.

Ein Mensch, der sehr hart gearbeitet hatte, um an die Spitze der aufgehenden Sterne am Architekturhimmel zu gelangen und auch dort zu bleiben.

Sie hatte Bauwerke entworfen, die die Skyline ganzer Städte verändert hatten. Und sie hatte Wohnhäuser für die Reichen und Berühmten dieses Landes geplant.

Mit Levi Tucker lag der Fall etwas anders. Er war nicht berühmt, sondern berüchtigt.

Der Selfmade-Millionär, dessen Welt zusammenbrach, als seine Frau von fünf Jahren spurlos verschwand. Der Mann, der des Mordes verurteilt wurde, obwohl keine Leiche gefunden worden war.

Der Mann, der die letzten fünf Jahre im Gefängnis verbracht hatte. Und der es geschafft hatte herauszukommen.

Er wollte sie als Architektin. Sie musste zugeben, dass dieser Auftrag sie interessierte.

Denn sie hatte angefangen, sich zu langweilen.

Das kam ihr ziemlich undankbar vor. Ihr Talent für Architektur hatte sie in lächerlich jungen Jahren reich und berühmt gemacht. Natürlich hatten ihr ihre älteren Brüder mit ihrem Geschäftssinn dabei geholfen.

Joshua war ein wahrer Zauberer, wenn es um Öffentlichkeitsarbeit und Werbung ging. Isaiahs Genie lag im Bereich der Finanzen. Faith hingegen war diejenige mit der gewaltigen Vorstellungskraft und dem Sinn für Form und Farbe.

Sie sah vor ihrem geistigen Auge, wie Gebäude gleich Bäumen aus der Erde wuchsen. Sie arbeitete an Linien und Formen, bis sie eine Gestalt gefunden hatte, die sich in perfekter Harmonie in die sie umgebende Natur einfügte.

Das künstlerische Talent war ihr in die Wiege gelegt worden. Ihre Faszination für Gebäude hatte während einer Reise begonnen, die sie als Kind mit ihrer Familie unternahm. Sie waren von Copper Ridge nach Portland, Oregon, gefahren. Faith war hingerissen von der Schönheit der Landschaft, von der die Stadt umgeben war.

Doch der Stadtteil, in dem sie sich aufhielten, schien vor allem aus Betonblocks zu bestehen. Natürlich gab es auch ältere Stadtteile mit klassischer und stilvoller Architektur. Doch in anderen Teilen dominierten hohe graue Betonblöcke. Faith hatte fast körperlichen Schmerz verspürt, weil diese einfallslosen Gebäude den Ausblick auf die Berge jenseits der Stadt versperrten.

In ihrem Hotelzimmer hatte sie zu zeichnen begonnen. Sie versuchte, einen Weg zu finden, wie sich Form und Funktion von Gebäuden in die bereits existierende natürliche Schönheit der Landschaft einfügen ließen, ohne sie zu stören.

Das war zu einer Besessenheit geworden.

Es war nicht gerade leicht, besessen zu sein. Faith wirkte sehr nach innen gekehrt und lebte vor allem in ihren Gedanken, Träumen und Fantasien.

Das machte es schwierig, Beziehungen zu anderen Menschen herzustellen und zu pflegen.

Zum Glück hatte sie eine gute Freundin namens Mia gefunden, die volles Verständnis für Faith und deren besondere Eigenheiten aufbrachte.

Inzwischen war Mia ihre Schwägerin geworden. Sie hatte nämlich Faith’ ältesten Bruder geheiratet. Das hatte Faith nicht kommen sehen.

Devlin war mehr als zehn Jahre älter als Faith, und sie hatte keine Ahnung davon gehabt, welche Gefühle sich zwischen ihm und ihrer besten Freundin entwickelten.

Nichtsdestotrotz war sie glücklich und freute sich für sie.

Allerdings sorgte die Verbindung zwischen den beiden bisweilen dafür, dass sie sich einsam fühlte. Ihre Freundin teilte nun ihr Leben mit einem Ehemann, und zwar ausgerechnet mit Faith’ Bruder. Sie machte Erfahrungen, die Faith nicht besaß.

Auch Joshua und Isaiah hatten sich verliebt und geheiratet.

Joshua war mit einer Frau von den Traualtar getreten, die er während eines Rachefeldzuges gegen seinen Vater kennengelernt hatte. Sein Vater hatte zuvor versucht, ihn in eine Ehe zu zwingen, die er nicht wollte.

Isaiah hatte sich in seine Sekretärin verliebt und sie zur Frau genommen.

Vielleicht hatte auch ihre Familie dazu beigetragen, dass sie heute auf diesen Berggipfel fuhr.

Ebenso wie die Unzufriedenheit mit ihrem Privatleben, die dafür sorgte, dass sie die Vorstellung von einer geschäftlichen Verbindung mit Levi Tucker als aufregend und interessant empfand.

Alles, was sie erreicht hatte, war mit der Billigung und Unterstützung anderer geschehen. Nur dieses eine Mal wollte sie einen Auftrag allein und zu ihren eigenen Bedingungen übernehmen und ausführen.

Sie sehnte sich danach, einmal nicht als Wunderkind angesehen zu werden. Das an sich war eigentlich völlig lächerlich, denn mit ihren fünfundzwanzig Jahren war sie längst kein Kind mehr. Zu gern wäre sie als das wahrgenommen worden, was sie war. Als jemand, der einfach gut in seinem Job war. Außerdem wäre es schön, einmal ihren älteren Brüdern zu entfliehen, die sich mehr wie Babysitter als Geschwister benahmen.

Faith stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus und lenkte den Wagen durch die letzte Serpentine vor dem Gipfel. Ein weitläufiges Plateau kam in Sicht. Aber es war weder das Plateau noch die atemberaubende Umgebung, die ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen.

Es war vielmehr der Mann, der dort stand. Er hatte die Hände in den Taschen seiner verschlissenen Jeans vergraben und abgetragene Cowboystiefel an den Füßen. Er trug trotz der morgendlichen Kühle keine Jacke über seinem schwarzen T-Shirt. Den ebenfalls schwarzen Stetson hatte er tief in die Stirn gezogen.

Beide Arme waren nahezu vollständig tätowiert. Aus der Entfernung konnte Faith nicht mehr als dunkle Linien auf seiner Haut erkennen.

Aber auf eine merkwürdige Weise erinnerten diese Linien sie an die Entwürfe von Bauplänen. Die Tätowierungen schienen seine Muskeln zu betonen.

Sie brachte den Wagen zum Halten und blieb noch einen Moment sitzen, vollkommen in den Anblick des Mannes vertieft.

Natürlich hatte sie im Internet über ihn recherchiert. Sie hatte gewusst, wie er aussah. Aber die Fotos auf ihrem Bildschirm hatten ihr nichts über seine Ausstrahlung gesagt.

Als sie schließlich aus dem Wagen stieg, wurde sie fast überwältigt von der Art, wie er den leeren Raum ausfüllte.

Er war groß und breitschultrig und besaß eine ungeheure Präsenz, die Faith fast wie eine Berührung spürte.

Als der Blick aus seinen eisblauen Augen sie traf, hielt sie den Atem an. Ihr wurde plötzlich heiß.

Weil in diesen blauen Augen etwas loderte.

Ein gewaltiger Zorn.

Nicht ihretwegen. Er sah ihr mit freundlicher Miene entgegen.

Aber unter dieser Oberfläche brodelte es. Sie konnte das fast wie eine Berührung spüren.

„Miss Grayson“, sagte er, und seine Stimme überschwemmte sie mit der gleichen Hitze wie sein Blick. „Schön, Sie kennenzulernen.“

Er streckte ihr die rechte Hand entgegen, und sie schloss eilig die Lücke zwischen ihnen. Sie musste sich gewaltsam daran hindern zurückzuweichen, denn sie wusste, dass ihr auch bei seinem Händedruck heiß werden würde.

Und so war es dann auch.

„Mr. Tucker“, erwiderte sie, bemüht um einen sachlichen Tonfall.

„Das ist also das Grundstück“, erklärte er. „Ich hoffe, Sie halten es nicht für ungeeignet.“

„Keineswegs“, entgegnete sie mit einem Blinzeln und blickte sich um. Das Grundstück schien mehr als geeignet für den Bau eines Wohnhauses. Es war geradezu inspirierend. „An was haben Sie gedacht? Ich finde es immer am besten, mit den Erwartungen des Kunden zu beginnen.“

Faith gab sich redlich Mühe, sich auf die geschäftliche Seite dieses Treffens zu konzentrieren und die Ausstrahlung des Mannes vor ihr zu ignorieren.

Der Mann spielte keine Rolle.

Nur das Haus war wichtig.

„Ich möchte, dass das Haus all das ist, was ein Gefängnis nicht ist“, sagte er entschieden.

Sie konnte sich diesen Mann, der ihr so wild und ungezähmt vorkam wie die sie umgebenden Wälder und Berge, unmöglich in einer Gefängniszelle vorstellen. Isoliert. Abgeschnitten.

In der Dunkelheit.

Urplötzlich verspürte sie den dringenden Wunsch, die Antwort auf diese Dunkelheit zu sein. Dafür zu sorgen, dass die Wände, die sie für ihn entwerfen würde, ihm nicht vorkamen wie Wände.

„Fenster“, sagte sie. Das schien ihr der einfachste Weg. Es lag auf der Hand. Ein Gefühl der Offenheit und der Freiheit. Ihr Verstand arbeitete bereits an dem Entwurf eines Hauses mit vielen großen Fenstern und möglichst ohne Türen.

„Keine Innentüren?“, fragte sie.

„Ich lebe allein. Es gibt keinen Grund für Türen.“

„Und Sie haben nicht vor, in nächster Zeit mit jemandem zusammenzuleben?“

„Weder in nächster Zeit noch sonst irgendwann“, antwortete er. „Es wird Sie vermutlich nicht überraschen, dass die Vorstellung einer Ehe jeglichen Reiz für mich verloren hat.“

„Fenster. Licht.“ Sie wandte sich nach Osten. „Die Sonne geht hier bestimmt sehr früh auf. Wir versuchen, das Sonnenlicht einzufangen, wenn Sie morgens aufwachen.“ Sie drehte sich in die entgegengesetzte Richtung. „Und dann sorgen wir dafür, dass Sie auch den Sonnenuntergang sehen können. Küche und Wohnzimmer. Vielleicht ein Arbeitszimmer.“

Es juckte ihr in den Fingern, diese Ideen festzuhalten. Sie zog ein Skizzenbuch aus ihrer großen Handtasche, machte sich Notizen und zeichnete die ersten Umrisse. Als sie ein Prickeln auf dem Gesicht verspürte, hielt sie inne und blickte auf.

Er beobachtete sie.

Faith räusperte sich. „Darf ich Sie fragen, was Sie veranlasst hat, mit mir in Kontakt zu treten? Welches meiner Häuser hat den Ausschlag gegeben?“

„Eigentlich alle Ihre Häuser. Im Gefängnis hatte ich nichts außer Zeit. Ich habe alles darangesetzt, wenigstens einen Teil meines Vermögens zu verwalten. Aber es blieb noch reichlich Zeit, um zu lesen. Ein Artikel über Sie hat meine Aufmerksamkeit erregt. Die Gebäude, die dort abgebildet waren, faszinierten mich. Ein Haus zu besitzen, das Sie entworfen haben, wurde zu einem meiner wichtigsten Ziele.“

Seine Worte trafen sie bis ins Mark. Sie spürte Schweißperlen auf der Stirn. Sie trug keinen Mantel und sollte eigentlich nicht schwitzen.

„Ein Haus von mir?“

Er nickte. „Ihre Handschrift ist unverkennbar. Häuser von Ihnen sind sehr begehrt.“

Sie fühlte, wie sie errötete, und konnte sich den Grund dafür nicht erklären. Sie litt wirklich nicht an falscher Bescheidenheit. Die letzten Jahre waren außergewöhnlich gewesen. Sie hatte ihren Erfolg umarmt und sich nicht dafür entschuldigt. Nie hatte sie den Kopf gesenkt, sich das Haar hinter die Ohren gestrichen und verlegen dreingeschaut. Wie sie es jetzt gerade tat.

„Ich nehme an, Sie haben recht.“

„Sie wissen ganz genau, dass ich recht habe.“

„Ja“, erwiderte sie und räusperte sich. „Das weiß ich.“

„Was immer die Presse verlautbaren mag, was immer die Strafverfolgungsbehörden auch glauben, meine Frau hat versucht, mein Leben zu zerstören. Ich lasse nicht zu, dass sie gewinnt. Ich bin kein Phönix aus der Asche. Ich bin nur ein sehr zorniger Mann, der ein Feuer entfachen und es brennen sehen will. Ich werde ihr und der Welt zeigen, dass ich nicht zerstört werden kann. Ich schleiche nicht im Schatten herum. Ich werde mein Leben wieder aufbauen. Bis alles, was ich getan und erreicht habe, mehr zählt als das, was sie mir angetan hat. Ich will nicht zulassen, dass man sich nur um ihretwillen an mich erinnert. Ich bin mir sicher, dass Sie das verstehen können.“

Das konnte sie. Das konnte sie wirklich.

Sie war nicht wütend auf jemanden. Und sie hatte auch kein Recht, es zu sein. Aber sie wusste genau, wie es sich anfühlte, wenn man ausbrechen und etwas Eigenes erreichen wollte. War sie nicht deshalb hierhergefahren?

Natürlich hatte auch er Erfolg gehabt und viel erreicht. Sie stellte sich vor, ihre ganze Arbeit würde auf einmal nichts mehr zählen. So wie es bei ihm gewesen war. Das konnte man einfach nicht akzeptieren.

„Hören Sie“, begann sie und klappte ihr Skizzenbuch zu. „Ich habe es ernst gemeint, als ich sagte, dass meine Brüder nicht glücklich sein würden, wenn ich diesen Auftrag übernehme.“

„Was haben denn Ihre Brüder damit zu tun?“

„Wenn Sie etwas über mich gelesen haben, wissen Sie, dass ich mit ihnen zusammenarbeite. Und Sie wissen auch, dass wir mit dem Bauunternehmen fusioniert haben, das einen Großteil unserer Bauvorhaben ausführt.“

„Ja, ich weiß. Aber Sie könnten einfach gehen und ohne sie weitermachen. Während sowohl Ihre Brüder als auch das Bauunternehmen auf Sie angewiesen sind.“

Er sprach die Worte aus, die sie schon so oft gedacht hatte, wenn Joshua und Isaiah ihr wieder einmal Vorschriften machten. Joshua besaß Charme, deshalb klang es bei ihm eher wie eine Bitte. Isaiah scherte sich nicht um seinen Tonfall. Es gab nur einen Menschen, mit dem er sanft und liebevoll umging. Das war seine Frau Poppy. Sie besaß sein Herz, auch wenn viele Leute glaubten, er hätte gar keins.

„Wie auch immer, ich wollte nur sagen, dass wir dieses Projekt geheim halten sollten. Zumindest bis die Planung fertig ist. Jonathan Bear wird die Ausführung übernehmen. Er ist der Beste.“

„Ich kenne Jonathan Bear“, sagte Levi.

Das überraschte sie. „Tatsächlich?“

„Ich bin zwei Jahre älter als er, aber wir sind im selben Viertel hier in der Stadt aufgewachsen. Sie wissen schon, im falschen Viertel.“

„Oh, das wusste ich nicht.“

Sie war sich vage dessen bewusst gewesen, dass Levi von hier stammte. Aber er bewegte sich in ganz anderen Kreisen als sie. Vermutlich wäre sie ihm unter anderen Umständen niemals begegnet.

Wenn er zwei Jahre älter war als Jonathan Bear, musste er über dreizehn Jahre älter sein als sie.

Sie kam sich plötzlich ziemlich klein und naiv vor.

Für ihn war sie doch noch ein Kind.

Aber schließlich war sie für die meisten Männer in ihrem Leben noch ein Kind. Warum also sollte es hier anders sein?

Dennoch störte es sie, ohne dass sie gewusst hätte, warum.

Sie hatte schon oft Häuser für ältere Männer entworfen. Am Anfang war es immer ein wenig mühsam, sie dazu zu bringen, sie ernst zu nehmen. Doch je mehr über sie geschrieben wurde, desto eher waren auch ältere Menschen bereit, sie für ihr Talent zu bewundern und sie für ihre Fähigkeiten zu schätzen.

Dennoch störte es sie, dass ihr Alter so eine große Rolle spielte. Aber sie konnte nun einmal nichts dagegen tun, dass sie aussah, als besuchte sie immer noch das College.

Sie versuchte natürlich, an ihrer äußeren Erscheinung zu arbeiten und möglichst erwachsen und überlegen zu wirken. Aber die meiste Zeit kam sie sich dabei vor, als wäre sie verkleidet.

„Ein geheimes Architekturprojekt?“, fragte er, und seine Mundwinkel zogen sich zu einem Schmunzeln nach oben.

Bis zu diesem Moment hätte sie nicht gedacht, dass er überhaupt lächeln konnte.

„So in der Art.“

„Ich würde zu gern wissen, warum Sie diesen Auftrag übernehmen wollen.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Es ist so, wie Sie sagen. Ich wäre ohne Isaiah und Joshua nicht da, wo ich bin. Sie sind beide brillant. Aber ich möchte auch mal eigene Entscheidungen treffen. Außerdem haben mich Ihre Worte inspiriert. Ein Haus, das das Gegenteil eines Gefängnisses ist. Und mir gefällt dieses Grundstück. Ich will Ihr Haus planen, ohne dass Isaiah mir ständig über die Schulter guckt.“

Levi lachte in sich hinein. „Also wäre er damit wohl nicht einverstanden?“

„Überhaupt nicht.“

„Ich bin unschuldig“, sagte er. Wieder zeichnete sich ein Lächeln auf seinen Lippen ab. „Oder vielleicht sollte ich besser sagen, ich bin nicht schuldig hinsichtlich des Verbrechens, dessen ich angeklagt wurde. Ob ich ein völlig unschuldiger Mensch bin, ist eine andere Geschichte. Aber ich habe meiner Frau nichts getan.“

„Ihrer Exfrau?“

„Beinahe. Die Scheidung sollte in ein paar Tagen rechtskräftig sein. Sie wird sich dem nicht in den Weg stellen. Vor allem weil sie nicht im Gefängnis enden will. Ich habe ihr deutlich vor Augen geführt, wie unangenehm eine solche Erfahrung ist. Sie hat kein Verlangen danach, es selbst auszuprobieren.“

„Aber natürlich. Sie sind ja noch mit ihr verheiratet. Das habe ich fast vergessen, weil jeder gedacht hat …“

„Dass sie tot wäre“, vollendete er den Satz für sie. „Und von toten Ehepartnern braucht man sich ja nicht scheiden zu lassen.“

Faith hob das Kinn. „Habe ich Grund dazu, mich vor Ihnen zu fürchten?“

Ein verschmitztes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Nun, ich würde sagen, das hängt davon ab.“

2. KAPITEL

Er sollte keine Spielchen mit ihr spielen. Das war nicht nett. Aber schließlich war er auch nicht nett. Er war es nie gewesen, nicht einmal vor seinem Ausflug ins Gefängnis. Die Zeit dort hatte ihm außerdem alles genommen, was einmal weich an ihm gewesen sein mochte. Er war hart geworden wie Obsidian. Schwarz und kalt.

Der Mann, der er davor gewesen war, hätte die hübsche kleine Frau vor ihm vielleicht nicht provoziert. Aber an diesen Mann konnte er sich kaum noch erinnern. Dieser Mann war ein Idiot gewesen. Er hatte Alicia geheiratet und sich eingeredet, er könnte glücklich werden. Dabei wusste er seit seiner Kindheit aus eigener Erfahrung, dass aus einer Ehe selten Glück erwuchs. Warum hatte er sich eingebildet, bei ihm wäre das anders?

„Wovon hängt es ab?“, fragte sie und sah ihn aus ihren großen braunen Augen an.

Er spürte ihren Blick wie eine Berührung, die über seinen gesamten Körper strich. Sie war so wunderhübsch.

Und so jung.

Ihr helles, herzförmiges Gesicht, die weichen, sinnlichen Lippen und die widerspenstige Mähne aus glänzenden braunen Locken. Ihm gefiel, was er sah. Ausnehmend gut sogar.

Das war vermutlich kein Wunder. Seit fünf Jahren hatte er keine Frau mehr berührt.

Diese hier war jedoch für ihn tabu. Sie erfüllte einen Zweck, aber der hatte nichts mit Sex zu tun.

Zur Hölle, nein.

Er war ein hartgesottener Mistkerl, kein Zweifel. Aber er war kein Verbrecher.

Er hatte nicht zu den Vergewaltigern und Mördern gehört, mit denen er all diese Jahre eingesperrt war. Nur der Gedanke, dass er nicht dorthin gehörte, hatte ihn die unmenschlichen Bedingungen seiner Haft ertragen lassen. Man hatte ihn beschimpft und beleidigt. Er war bedroht worden auf eine Weise, die jedem anderen den Schlaf geraubt hätte.

Aber er war keiner von ihnen gewesen. Diese Tatsache hatte ihn aufrecht gehalten.

Und sie hatte ihn daran gehindert, nach seiner Entlassung Alicia aufzuspüren und sich an ihr zu rächen.

Er war kein Mörder. Er war kein Monster.

Er würde nicht zulassen, dass Alicia eines aus ihm machte.

„Davon, wovor Sie sich fürchten“, antwortete er.

Sie presste die vollen Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Vielleicht hätte diese Reaktion seine Gedanken in eine andere Richtung lenken sollen. Doch er konnte nur daran denken, was wohl nötig wäre, um diesen Mund wieder weich und voll zu machen. Vielleicht ein Kuss.

Er war wirklich noch nicht bereit für Gesellschaft. Schon gar nicht für die Gesellschaft einer zarten, sehr anziehenden Frau.

Es war höchste Zeit, sich in eine Bar zu begeben, um eine Frau zu finden, die ihm ähnlicher war. Die härter war. Und älter.

Eine Frau, die seiner fünf Jahre lang angestauten sexuellen Energie etwas entgegenzusetzen hatte.

Die süße kleine Architektin entsprach dieser Frau nicht einmal annähernd.

Wenn ihre Brüder eine Ahnung von diesem Treffen hätten, würden sie garantiert die Mistforken herausholen, um ihn damit zu bedrohen. Wenn sie wüssten, woran er gerade gedacht hatte, wären es vermutlich die Schrotflinten.

Und er könnte es ihnen noch nicht einmal übel nehmen.

„Spinnen. Haben Sie vielleicht Spinnen in der Hosentasche?“

„Keine Spinnen“, versicherte er ihr.

„Dunkelheit.“

„Na ja, ich muss gestehen, dass ich ein wenig davon mit mir herumtrage.“

„Ich schätze, solange wir im Hellen bleiben, ist das in Ordnung für mich.“

Wieder war er versucht, mit ihr zu spielen. Er wusste nicht, ob sie absichtlich mit ihm flirtete. Sie hatte eine so offene und unschuldige Ausstrahlung, dass er das bezweifelte.

„Ich werde einen ersten Entwurf skizzieren“, erklärte sie. „Das sollte nicht schwer sein, da ich jetzt das Grundstück gesehen und Ihre Wünsche gehört habe. Ich schicke Ihnen den Entwurf, sobald er fertig ist.“

„Das hört sich gut an. Und wie geht es dann weiter?“

„Wir verabredeten ein weiteres Treffen.“

„Das nenne ich einen Plan“, sagte er und streckte die rechte Hand aus.

Er hätte sie nicht noch einmal berühren sollen. Als sich ihre schlanken Finger um seine Hand schlossen, spürte er diese Berührung bis unter die Gürtellinie.

Aber er hatte der Versuchung nicht widerstehen können.

Ihre Wangen röteten sich.

Verdammt, sie war tatsächlich rot geworden.

Frauen, die rot wurden, waren nichts für Männer wie ihn.

Dieser Gedanke erinnerte ihn daran, dass er kein Tier war. Kein Monster.

Zumindest hatte er noch genug Menschlichkeit in sich, um sich selbst unter Kontrolle zu halten.

„Dann bis bald.“

3. KAPITEL

Faith war während ihres gemeinsamen Abends mit ihrer Freundin Hayley nicht besonders gesprächig. Mia, ihre beste Freundin aus der Schulzeit, war nicht besonders gern ausgegangen. Das hatte Faith nie gestört.

Sie hatte ein Stipendium für ein Internat bekommen und sich so sehr darauf konzentriert, ihr künstlerisches Talent zu entwickeln, dass ihr kaum Zeit blieb, auszugehen oder Freundschaften zu schließen. Später auf dem College hatte es nicht viel anders ausgesehen.

Mia war ihr in dieser Hinsicht immer sehr ähnlich gewesen. Also hatte es niemanden gegeben, der sie ermutigt hätte, öfter auszugehen.

Nach Schule und Studium war es die Arbeit, die sie an einem Privatleben hinderte. Arbeit und noch mehr Arbeit. Und die unglaubliche Welle des Erfolgs, die ihre Karriere auf nahezu absurde Höhen trug, nachdem sie ihren Abschluss gemacht hatte.

Aber nachdem sie nach Copper Ridge gekommen war, hatte diese Entwicklung sich verstärkt und war gleichzeitig langsamer geworden. Das Leben in einer Kleinstadt mit seiner Gemächlichkeit, den sauberen Straßen und der naturbelassenen Landschaft ringsherum schien auf seltsame Art mehr Zeit zu schaffen.

Faith musste sich nicht mehr durch den dichten Verkehr von Seattle quälen. Und in Copper Ridge schienen die Menschen im Allgemeinen mehr Zeit zu haben. Das hatte sich sehr wohltuend auf ihr Leben ausgewirkt.

Außerdem hatte sie Freundschaft geschlossen mit Hayley Bear, vormals Thompson und jetzt Ehefrau von Jonathan. Als Faith und ihre Brüder ihr Büro nach Copper Ridge verlegt hatten, um näher bei den Eltern zu sein, beschloss Joshua, mit einem örtlichen Bauunternehmen eine Partnerschaft einzugehen. Auf der Suche nach einer geeigneten Firma lernten sie Jonathan kennen und konnten ihn als Partner gewinnen.

Faith und Hayley hatten sich für diesen Abend verabredet, um auszugehen und ein paar Drinks zu nehmen. Allerdings trank Hayley kaum Alkohol, und Faith begnügte sich meistens mit einem Glas. Aber das hieß noch lange nicht, dass sie keinen Spaß haben konnten.

Die Bar, in der sie sich befanden, gehörte Hayleys Bruder. Selbst wenn sie es versuchen würden, hätten sie nicht besser überwacht und beschützt werden können.

Faith stocherte mit ihrem Strohhalm in ihrem Glas herum und fischte eine Kirsche aus der mit Rum gemischten Cola. Während sie die Frucht zerkaute, ließ sie den Blick durch den Raum schweifen.

Alle Tische waren besetzt, und eine große Gruppe von angeheiterten Gästen stand bei Ferdinand, dem mechanischen Bullen, und beobachtete lachend und grölend, wie betrunkene und nüchterne Reiter von seinem Rücken auf die unter ihm liegenden Matten geworfen wurden.

Faith konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, an einer solchen Vergnügung teilzuhaben. Einen Ritt auf dem Bullen konnte man weder kontrollieren noch vorausberechnen. Und eine Landung auf der Matte vor feixendem Publikum?

Nein, vielen Dank.

„Du bist heute so still“, bemerkte Hayley.

„Bin ich das?“

„Ja. Es scheint, als hättest du etwas auf dem Herzen.“

Faith biss sich auf die Unterlippe. „Ich bin dabei, ein neues Projekt zu beginnen. Und am Anfang ist es immer besonders wichtig, dass alles in den richtigen Bahnen verläuft. Ich werde mit diesem Mann zusammenarbeiten, und er hat seine ganz eigenen Vorstellungen …“ Sie brach ab, weil sie nicht wusste, wie sie ihrer Freundin die Situation erklären sollte, ohne zu viel preiszugeben. „Wenn ich dir etwas anvertraue, wirst du es für dich behalten?“

Hayley sah sie aus ihren großen braunen Augen an. „Ja. Obwohl … ich habe keine Geheimnisse vor Jonathan. Niemals. Er ist mein Ehemann und …“

„Kann Jonathan ein Geheimnis für sich behalten?“, unterbrach Faith ihre Freundin.

„Jonathan hat keine Freunde im eigentlichen Sinn. Ich wüsste nicht, wem er es erzählen sollte. Ich glaube manchmal, ich bin der einzige Mensch, mit dem er wirklich spricht.“

„Er arbeitet mit meinen Brüdern zusammen“, wandte Faith ein.

„Ja, genau wie du.“

„Das stimmt nicht ganz. Sie reden viel mehr mit Jonathan als mit mir. Ich bin meistens einfach nur anwesend. Aber so lautet unsere Vereinbarung. Sie regeln alles Geschäftliche, ich bin für die Entwürfe zuständig.“

„Wie dem auch sein mag, wenn ich Jonathan bitte, nichts zu sagen, wird er es auch nicht tun. Er ist mir gegenüber völlig loyal“, erklärte Hayley nicht ohne Stolz.

Faith unterdrückte ein Seufzen. Manchmal war es nicht leicht, Freunde zu haben, die so glücklich verbandelt waren, weil sie selbst keine Ahnung von Beziehungen hatte.

Wenigstens war Hayley nicht mit einem von Faith’ Brüdern zusammen. Mia gehörte auf diese Weise zur Familie, was sehr nett war, es aber nicht gerade leichter machte, über Männer zu sprechen. Dabei hatten sie sich fest versprochen, so persönliche Momente wie den ersten Kuss oder das erste Mal miteinander zu teilen. Zwar hatte Faith sich sehr für ihre Freundin und ihren Bruder gefreut, aber sie war ebenso erpicht darauf, Details aus der Hochzeitsnacht zu erfahren, wie nackt vom Motorrad ihres Bruders durch die Stadt geschleift zu werden.

Mit anderen Worten, überhaupt nicht.

„Ich habe einen Auftrag übernommen, der Joshua und Isaiah dazu bringen würde, völlig auszuflippen …“

In diesem Moment öffnete sich die Tür der Bar, und Faith blieb der Mund offen stehen. Wenn man vom Teufel sprach. Da war er.

Hayley spähte ihr über die Schulter und gab sich nicht die geringste Mühe, diskret zu sein. „Wer ist das?“, fragte sie neugierig.

„Der Teufel“, antwortete Faith leise.

Hayley blinzelte. „Ich glaube, du fängst am besten mit dem Anfang an.“

„Das wollte ich gerade.“

Gebannt beobachteten sie, wie Levi zum Tresen schlenderte, sich dagegenlehnte und bei Hayleys älterem Bruder Ace seine Bestellung aufgab.

„Das ist Levi Tucker“, erklärte Faith.

Hayley runzelte die Stirn. „Woher kenne ich diesen Namen bloß?“

„Vielleicht aus den Nachrichten? Er ist nämlich berühmt. Ein berühmter Mörder sozusagen.“

„Ach du meine Güte“, entfuhr es Hayley, und sie schlug mit der Hand auf den Tisch. „Das ist also dieser Kerl! Der verurteilt wurde, weil er seine Frau umgebracht hat. Dabei war sie gar nicht tot.“

„Genau.“

„Und du arbeitest mit ihm?“, fragte Hayley atemlos.

„Ich entwerfe ein Haus für ihn. Und er ist ja kein Mörder. Ja, er war eine Weile im Gefängnis. Aber er war unschuldig. Seine Frau ist einfach verschwunden. Das war ganz gewiss nicht sein Fehler.“

Hayley warf ihr einen skeptischen Blick zu. „Wenn ich meinem Mann davonlaufen würde, hätte er mir bestimmt einen guten Grund dafür gegeben.“

„Wie auch immer, es ist nie bewiesen worden, dass er irgendetwas Verwerfliches getan hätte. Und meine Beziehung zu ihm ist eine rein geschäftliche. Ich habe keine Angst vor ihm.“

„Musst du denn Angst vor ihm haben?“

Faith ließ den Blick über die harten Linien seines Körpers und die Tätowierungen auf seinen Armen gleiten. Wieder hatte er seinen Cowboyhut tief in die Stirn gezogen, und von seinem Gesicht war nicht viel mehr als sein markantes Kinn zu sehen.

„Nein“, erwiderte sie schnell. „Warum sollte ich? Ich zeichne Baupläne für ihn. Das ist alles.“

Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie Levi den Blick durch den Raum schweifen ließ. Sofort verspürte sie das Bedürfnis, sich vor ihm zu verbergen. Ihr Herz hämmerte, als wäre sie einen Marathon gelaufen. Oder als ob sie Angst hätte.

Nein, das war dumm. Einfach unmöglich. Es gab keinen Grund, Angst vor ihm zu haben.

Er war nur ein Mann. Ein harter Mann mit Narben und dunkler Tinte auf der Haut. Aber das hieß nicht, dass er böse war.

Ihr Bruder Devlin war ebenfalls tätowiert, und zwar von Kopf bis Fuß. Tätowierungen machten einen Mann nicht gefährlich. Das wusste sie.

Aber sie wusste nicht, warum ihr Herz immer noch wie rasend hämmerte.

Und dann sah er sie.

Sie spürte, wie die Hitze in ihr hochstieg, als er die Hand hob, grüßend an die Hutkrempe tippte und den Kopf neigte.

Faith schluckte trocken, griff nach ihrem Glas und nahm einen großen Schluck, um ihre Kehle zu befeuchten. Sie hatte ganz vergessen, dass die Cola Rum enthielt, verschluckte sich und japste keuchend nach Atem.

„Also, das macht mir wirklich Sorgen“, sagte Hayley scharf.

„Was denn?“, fragte Faith und bemühte sich, den Blick von Levi loszureißen.

„Du benimmst dich nicht normal.“

„Ich bin nicht daran gewöhnt, Geheimnisse zu haben“, erwiderte Faith nervös.

„Dein Gesichtsausdruck hat nicht zufällig etwas damit zu tun, dass er ein unverschämt gut aussehender Mann ist?“

„Ist er das?“, fragte Faith mit gespieltem Erstaunen. „Das ist mir noch gar nicht aufgefallen.“

Das war es allerdings doch, aber sie hatte ihr Herzrasen und die sonstige Unruhe noch nicht damit in Verbindung gebracht.

Aber er spielte nicht in ihrer Liga. Zu alt. Und viel zu hart.

Levi befand sich am tiefen Ende des Pools, während sie nicht schwimmen konnte. So viel wusste sie immerhin.

Und außerdem war er ein Kunde. Selbst wenn sie eine rekordverdächtige Schwimmerin gewesen wäre, gab es keine Möglichkeit für sie beide.

Levi hatte sich inzwischen wieder umgedreht und stand mit dem Rücken zu ihnen.

Faith zwang sich, ihre Freundin anzusehen. „Wie geht es dir eigentlich?“, erkundigte sie sich, um das Thema zu wechseln.

Nachdem Hayley die Frage positiv beantwortet hatte, plauderten sie über andere Dinge. Faith gab sich alle Mühe, Levis Anwesenheit zu verdrängen.

Er jedenfalls schien völlig vergessen zu haben, dass sie da war.

Plötzlich nahm sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr und drehte sich um.

Levi stand immer noch am Tresen und unterhielt sich mit einer attraktiven Blondine. Er hatte sich leicht nach vorne gebeugt und trug ein laszives Lächeln im Gesicht. Die Blondine erwiderte dieses Lächeln. Sie trug ein kurzes Top, das ihren Bauchnabel und das glitzernde Piercing dort frei ließ.

Sie gehörte zu der Sorte von Frauen, mit der Faith niemals konkurrieren könnte. Es befremdete Faith, dass sie für einen kurzen Moment den Wunsch danach verspürte.

Offenbar war Levi Tucker in diese Bar gekommen, um eine Frau kennenzulernen. Da Faith diese Frau weder sein wollte noch konnte, war es nur naheliegend, dass die Blondine diesen Job übernahm.

Faith war das völlig egal.

In diesem Moment hob Levi den Kopf, und sein Blick aus den eisblauen Augen begegnete ihrem.

Faith wurde heiß und kalt zugleich.

Er legte die Hand kurz auf die Hüfte der Blondine, sagte etwas zu ihr und drehte sich um, um geradewegs auf Faith zuzugehen.

4. KAPITEL

Levi fragte sich, was, zur Hölle, er da gerade tat.

Er hatte sich mit Mindy unterhalten. Soweit er es beurteilen konnte, stand dem nichts im Wege, dass sie die Nacht mit ihm verbringen würde und damit seiner langen Trockenzeit ein Ende machte. Nachdem er beobachtet hatte, wie geschickt sich die Kleine auf dem mechanischen Bullen anstellte, war er zu dem Schluss gekommen, es bei ihr zu versuchen. Sie war genau die Sorte Frau, die einen harten Ritt verkraften konnte.

Das kurze Gespräch mit ihr hatte diese Annahme untermauert. Er war bereits drauf und dran gewesen, zur Sache zu kommen, als er einen Blick von Faith Grayson auffing. Und jetzt war er, ohne einen Grund dafür benennen zu können, auf dem Weg zu ihr.

Er redete sich ein, dass er es nur deshalb tat, weil er sie vorhin nur flüchtig begrüßt hatte.

„Das ist ja eine nette Überraschung, Sie hier zu treffen“, sagte er und ignorierte geflissentlich die neugierigen Blicke, die ihre Freundin ihm zuwarf.

Faith zuckte mit den Schultern. „Dies ist eine kleine Stadt.“

„Sie sind vermutlich daran gewöhnt, oder? Stammen Sie nicht aus Copper Ridge?“

„Ja“, antwortete sie und nickte. „Ich habe hier gewohnt, bis ich siebzehn war, danach nicht mehr.“

„Ich hole mir noch etwas zu trinken“, verkündete ihre Freundin, stand auf und ging zum Tresen.

„Geht sie, um eventuellen Eroberungsversuchen meinerseits nicht im Wege zu stehen?“, fragte er und glitt auf den freien Stuhl neben ihr. Dabei streifte er mit der Schulter ihre.

Faith wurde steif wie ein Brett und errötete. „Nein.“

Das erinnerte ihn daran, dass er wieder zum Tresen gehen sollte, um sich mit Mindy zu unterhalten.

Faith war jung. Sie wurde rot. Sie erstarrte wie ein verängstigtes Kaninchen, wenn er sie versehentlich berührte. Für so etwas fehlte ihm die Geduld. Er wollte keine Frau, der er erst zeigen musste, was zu tun war. Obwohl es vermutlich Spaß machen würde, sie nach allen Regeln der Kunst zu verführen.

Bei diesem Gedanken spürte er, wie eine heiße Welle der Erregung in ihm aufwallte.

Also schön, sie gefiel ihm, und er fühlte sich von ihr angezogen. Hatte sich aber gut unter Kontrolle. Welche Streiche sein Körper ihm auch spielen mochte, sein Verstand hatte das letzte Wort in dieser Sache.

„Sie ist so plötzlich verschwunden.“

„Das ist die Frau von Jonathan Bear“, erklärte sie in bedeutungsvollem Ton.

Nun, dieser Umstand war für ihre Unterhaltung nicht von Bedeutung. Interessant war er allerdings schon.

Mit erhobenen Augenbrauen musterte er die hübsche Brünette, die nun am Tresen stand und mit dem Barkeeper plauderte.

„Und das ist ihr Bruder“, fuhr Faith fort.

„Ich hätte Jonathan Bear nicht für einen Familienmenschen gehalten.“

„Das war er auch nicht. Bis er Hayley getroffen hat.“

„Ich war nicht mehr in dieser Bar, seit sie den Besitzer gewechselt hat. Zum letzten Mal, glaube ich, vor zwanzig Jahren.“

„Wie alt sind Sie denn?“

„Achtunddreißig. Ich hatte damals einen gefälschten Ausweis.“

Sie lachte. „Das hätte ich nicht erwartet.“

„Was? Dass ich achtunddreißig bin oder dass ich einen gefälschten Ausweis hatte?“

„Beides.“

Sie fuhr sich mit ihrer rosa Zungenspitze über die Lippen, die nun feucht und verlockend glänzten. Dann nippte sie an ihrem Glas. Er fragte sich, ob sie eine Ahnung hatte, was sie da eigentlich tat. Wie einladend sie sich verhielt.

Oder kam es ihm nur so vor, weil er so lange mit keiner Frau zusammen gewesen war? Jedenfalls hätte er sie in diesem Moment mit Haut und Haaren verschlingen mögen.

Er warf einen Blick zu Mindy, die ihn neugierig beobachtete. Sie wirkte weder wütend noch eifersüchtig. Es schien, als versuchte sie lediglich abzuschätzen, wie ihre Nacht wohl verlaufen würde.

Sie war genau die Frau, mit der er jetzt reden sollte.

Dennoch blieb er sitzen und machte keine Anstalten, zu ihr zu gehen.

„Werden Sie morgen früh einen Kater auskurieren, oder wollen Sie zu mir kommen, um unser Projekt zu besprechen?“

Faith warf ihm einen schrägen Blick zu. „Das Gleiche könnte ich Sie fragen.“

„Ich wette, ich habe in meinem Leben mehr Erfahrungen mit Alkohol gesammelt als Sie.“

„Ich bin fünfundzwanzig“, sagte sie, als ob das irgendetwas bedeuten würde.

„Dann besteht ja kein Anlass zur Sorge“, erwiderte er ironisch.

„Nun, ich darf immerhin seit vier Jahren Alkohol trinken.“

„Haben Sie tatsächlich damit bis zu Ihrem einundzwanzigsten Geburtstag gewartet?“, fragte er ungläubig.

Sie blinzelte. „Ja.“

„Die meisten Leute tun das nicht.“

„Das kann nicht stimmen.“

Er lachte leise. „Doch.“

„Ich bin mir sicher …“ Sie brach ab und runzelte die Stirn. „Ich wollte gerade sagen, dass meine Brüder bestimmt so lange damit gewartet haben. Aber irgendwie glaube ich das nicht.“

Sie wirkte auf komische Weise schockiert durch diese Vorstellung. Wer war dieses Mädchen? In Dutzenden von Zeitungsartikeln wurde sie als Genie gefeiert. Sie entwarf die außergewöhnlichsten Gebäude, die er je gesehen hatte. Und sie schien nicht die geringste Ahnung von Menschen zu haben.

Er wiederum hatte nicht die geringste Ahnung, warum es ihm so schwerfiel, sie zu verlassen. Das sollte es nicht sein.

„Wie wäre es, wenn wir uns nach dem Mittagessen treffen?“, fragte er, um die Sprache wieder auf sein Haus zu bringen.

„Das hört sich gut an.“

„Haben Sie meine derzeitige Adresse?“

„Schicken Sie mir eine Textnachricht.“

„Das mache ich.“

Er stand auf und kehrte zu der Frau zurück, die er als erste ins Auge gefasst hatte. Er trank noch ein Glas mit Mindy und plauderte mit ihr, während sie angelegentlich seinen Arm tätschelte und das Haar zurückwarf. Die Art, wie sie sich bewegte, ihr Flirten und ihre Körpersprache sagten ihm, dass sie mehr als bereit war für eine gemeinsame Nacht. Doch er musste sich eingestehen, dass er aus einem unerfindlichen Grund nicht mehr interessiert war. Er schaute über die Schulter zu dem Tisch, an dem Faith mit ihrer Freundin gesessen hatte. Die Stühle waren leer.

Er hatte nicht bemerkt, wann Faith gegangen war. Offenbar hatte sie es nicht für nötig befunden, sich von ihm zu verabschieden.

„Weißt du was“, sagte er zu Mindy. „Ich muss morgen ziemlich früh raus.“

Sie runzelte die Stirn. „Warum bist du dann ausgegangen?“

„Das ist eine verdammt gute Frage.“ Er leerte sein Glas und beschloss, ein Taxi zu nehmen, denn er fühlte sich schon leicht beschwipst. „Ich mache es ein andermal wieder gut.“

„Ich habe noch keine Lust zu gehen. Du bist nicht der einzige Fisch im Meer. Ich wünsche dir viel Spaß mit dir selbst, Schätzchen.“

Wenn sie wüsste, dass auch der Spaß mit sich selbst im Gefängnis ein absoluter Luxus gewesen war, dachte er bei sich. In einer schmutzigen Zelle, die man mit einem oder sogar zwei Männern teilte.

Nein, vielen Dank.

Es war besser gewesen, diesen Teil von sich völlig zu ignorieren. Das hatte er auch getan, und zwar sehr gründlich. Es war ihm auch gelungen, sich vor der ganzen Gewalt im Gefängnis zu schützen, indem er sich selbst einen gewalttätigen und skrupellosen Ruf verschaffte.

Er war ein Mensch geworden, der absolut nichts fühlte. Nicht einmal Freude oder Begierde. Ein Mann, der gelernt hatte, um sich zu schlagen, bevor ein anderer es tun konnte.

Das wirklich Erstaunliche daran schien, wie leicht das alles gewesen war.

Wie schnell er dieses von seinem Vater geerbte Gen entdeckt hatte, das zweifellos schon immer in ihm schlummerte.

„Danke sehr“, erwiderte er mit einem breiten Grinsen.

„Musst du wirklich morgen früh raus?“, fragte Mindy. „Oder versuchst du noch, bei der kleinen Brünetten zu landen, mit der du vorhin gesprochen hast?“

„Es wird so kommen, wie ich es entscheide“, sagte er und tippte sich an die Hutkrempe. „Ich wünsche dir noch einen schönen Abend.“

Während er die Bar verließ, hallten seine eigenen Worte in ihm nach.

Es würde so kommen, wie er entschied.

Niemand hatte Kontrolle über sein Leben. Nicht mehr. Und niemals mehr.

Niemals mehr.

5. KAPITEL

Am nächsten Morgen versuchte Faith immer noch, Ordnung in ihre sich überschlagenden Gedanken und Gefühle zu bringen. Angefangen hatte es damit, dass Hayley ihn attraktiv genannt hatte. Und schließlich hatte sie gehen müssen, weil sie es nicht mit ansehen konnte, wie Levi mit dieser Blondine flirtete.

Als sie im Bett lag, war ihr klar geworden, dass ihr gemeinsamer Abend mit ihrer Freundin vor allem deshalb frühzeitig zu Ende war, weil sie nicht wissen wollte, ob Levi die Bar mit dieser hübschen blonden Frau verließ oder nicht.

Sie war sich ziemlich sicher, dass es dazu gekommen war. Warum auch nicht? Er war ein gesunder, erwachsener Mann. Einer von denen, die in ihrer Jugend einen falschen Ausweis besaßen, um sich in Bars herumzutreiben. Ein böser Junge also. Wegen einer spontanen Affäre mit einer Fremden würde er sich wohl kaum den Kopf zerbrechen.

Vermutlich war er deshalb in die Bar gekommen. Auf der Suche nach einer Frau für eine Nacht.

Ihr Magen fühlte sich an, als wäre er mit Säure gefüllt, während sie das Bürogebäude der GrayBear Construction betrat.

Dieses Unbehagen besserte sich nicht, als sie sah, dass Joshua bereits im Warteraum saß und einen Becher Kaffee schlürfte.

„Was machst du denn schon hier?“, fragte sie, schloss die Tür hinter sich und ging zur Kaffeemaschine.

„Guten Morgen“, erwiderte Joshua mit leichtem Vorwurf in der Stimme.

„Solltest du nicht zu Hause sein und mit deiner Frau und den Kindern frühstücken?“

„Eigentlich schon, aber Danielle hat heute Vormittag einen Termin beim Frauenarzt.“ Joshuas Frau war schwanger, und er war deswegen überglücklich.

Faith freute sich natürlich für sie. Zwei ihrer Schwägerinnen waren derzeit schwanger. Danielle noch nicht sehr lange, während Poppy demnächst entbinden würde. Mia und Devlin schienen fürs Erste mit sich selbst und ohne Nachwuchs zufrieden und glücklich.

Ihre Brüder waren also allesamt glücklich. Faith gönnte es ihnen von Herzen.

Und doch war es merkwürdig, als Letzte der Geschwister unverheiratet zu sein. Trotz ihres nur sporadisch stattfindenden Privatlebens hätte sie nie gedacht, dass sie übrig bleiben würde.

„Ich will dabei sein“, sagte Joshua in ihre Gedanken hinein. „Es wird nämlich die erste Ultraschalluntersuchung gemacht.“

„Ich verstehe. Also hast du heute früher mit der Arbeit angefangen.“

„Ich bin schon seit sechs Uhr hier.“

„Daraus kann dir niemand einen Vorwurf machen.“

„Und warum schaust du mich dann so finster an?“

Sie antwortete nicht, sondern las stattdessen eine gerade hereingekommene Textnachricht auf ihrem Handy. Sie war von Levi. Nur seine Adresse. Sonst nichts. Es war noch sehr früh am Tag. Wenn er eine lange Nacht gehabt hätte, würde er ihr dann jetzt schon eine Nachricht schreiben?

Aber vielleicht war er ja gar nicht schlafen gegangen.

„Hast du heute viel zu tun?“, erkundigte sich Joshua.

„Nicht besonders. Ich muss mir ein paar Ausführungspläne ansehen. Und einige Nachrichten verschicken. Und nachher habe ich eine Besprechung.“

Er runzelte die Stirn. „Von einer Besprechung heute weiß ich gar nichts.“

Großartig. Sie hätte doch wissen müssen, dass ihr Bruder erfahren wollte, um was für eine Besprechung es sich handelte.

„Es ist nichts Geschäftliches“, erwiderte sie ausweichend. „Es ist so etwas wie … eine Vorstellung meines Berufs in einer Schulklasse.“ Die Lüge fiel ihr schwer, und sie fühlte sich sofort schuldig.

„Mit mir hat keine Schule Kontakt aufgenommen. Dabei sollte doch alles über mich gehen. Ich bin verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit.“

„Ich komme mit der Arbeit für die Gemeinde wunderbar allein zurecht, Joshua. Das hier ist nicht Seattle. Nirgendwo lungern Reporter herum, die mir dumme Fragen stellen oder mich aufs Glatteis führen wollen. Es ist nur Copper Ridge.“

„Noch.“

Die Tür öffnete sich, und herein kam Isaiah, begleitet von seiner Frau Poppy, die in ihrem knielangen Umstandskleid von innen heraus zu strahlen schien. Die eine Hand lag auf ihrem deutlich vorgewölbten Babybauch, mit der anderen hielt sie die Hand ihres Mannes, die Finger ineinander verschränkt.

Wie immer ging Faith bei diesem Anblick das Herz auf. Isaiah war ein komplizierter Mensch. Schwer zu verstehen und manchmal kalt und gefühllos wirkend.

Aber wenn er Poppy ansah, konnte kein Zweifel daran bestehen, dass er sie von Herzen liebte.

Ebenso wenig gab es Zweifel daran, dass diese Liebe erwidert wurde.

„Guten Morgen“, sagte Isaiah.

„Wusstest du, dass Faith heute einen Termin in einer Schule hat?“, kam Joshua gleich zur Sache.

„Nein“, antwortete Isaiah und warf Faith einen missbilligenden Blick zu. „Du musst so etwas vorher mit uns besprechen.“

„Warum?“

„Das steht nicht in meinem Terminplan“, erklärte Poppy, während sie über das Display ihres Handys wischte.

„Fang bloß nicht so an wie meine Brüder“, sagte Faith zu ihrer Schwägerin.

„Aber die Terminplanung gehört zu meinen Aufgaben“, insistierte Poppy.

„Dieser Termin nicht“, gab Faith zurück. „Es wird ja wohl erlaubt sein, dass ich auch mal was allein entscheide. Ich bin schließlich erwachsen.“

„Du bist noch sehr jung“, sagte Joshua. „Und enorm erfolgreich. Alle wollen ein Stück davon abbekommen. Du kannst es dir nicht leisten, immerzu Stücke von dir selbst preiszugeben.“

Faith nippte an ihrem Kaffee. „Ich schaffe das schon, Joshua. Es ist nicht nötig, mich ständig auf diese Weise zu kontrollieren.“

„Diese Firma funktioniert auf eine ganz bestimmte Art und Weise …“

„Aber mein Leben nicht, Joshua“, unterbrach Faith ihren Bruder. „Ich muss dir nicht über alles und jedes Rechenschaft ablegen. Schon gar nicht, wenn es sich um mein Privatleben handelt.“

Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging den Flur entlang zu ihrem Büro. Unwillkürlich musste sie an den gestrigen Abend denken. Levi hatte nicht mit ihr gesprochen, als wäre sie ein kleines Kind. Er hatte fast mit ihr geflirtet. Ja, so war es gestern Abend gewesen. Wie ein Flirt.

Bei diesem Gedanken verspürte sie eine angenehme Aufregung.

Aber das hatte er bestimmt nicht beabsichtigt. Eigentlich hatte er mit der hübschen Blondine geflirtet.

Sie schloss die Bürotür hinter sich und zog eine der Schubladen an ihrem Schreibtisch auf. Sie nahm den Spiegel zur Hand, den sie dort aufbewahrte, aber nicht oft benutzte. Nur um vor Besprechungen kurz ihr Aussehen zu überprüfen. Aber nicht, um sich zu vergewissern, ob sie attraktiv wirkte und nicht, als ob sie erst zwölf Jahre alt wäre.

Sie hob das Kinn und musterte ihr Spiegelbild. Es war absurd anzunehmen, Levi hätte mir ihr geflirtet. Das Problem war nicht, dass sie nicht attraktiv gewesen wäre. Sie wirkte nur eben … ein wenig unscheinbar.

Das hatte sie bisher nie gestört.

Sie sah weniger unscheinbar aus, wenn sie ein dezentes Make-up auflegte. Aber wenn sie das tat, dann mit dem Ziel, kompetent und vertrauenswürdig zu wirken. Und alt genug, um jemandem ein Haus zu entwerfen. Nicht um hübscher auszusehen.

Sie schürzte die Lippen, hauchte ihrem Spiegelbild einen Kuss zu und legte den Spiegel mit einem Seufzen in die Schublade zurück.

Ihre äußere Erscheinung kümmerte sie eigentlich nicht. Nur ihre Fähigkeiten und ihr professionelles Auftreten. Schließlich hatte sie nicht vor, ihren merkwürdigen Gefühlen für diesen Mann nachzugeben.

Auch wenn diese Gefühle nur allzu verständlich waren.

Als sie gestern mit Levi gesprochen hatte, fühlte sie sich wie eine erwachsene Frau. Aber ihre Brüder hatten dafür gesorgt, dass sie sich gleich nach ihrem Eintreffen hier wieder wie ein kleines Kind vorkam.

Sie dachte so intensiv über dieses Problem nach, dass es unversehens Zeit wurde, zu Levi aufzubrechen.

Aus ihrer Schreibtischschublade nahm sie ein Etui, das ihre Make-up-Utensilien enthielt. Sie fasste den schnellen Entschluss, heute einmal ein ganz anderes Aussehen zu versuchen. Nach einer kurzen Internetrecherche über möglichst glamouröses Erscheinen bei Tage schminkte sie sich sorgfältig und kämmte mit den Fingern durch ihre Locken, damit sie ein bisschen zerzaust aussahen.

Dann warf sie das Etui zurück in die Schublade und verließ ihr Büro. Draußen traf sie auf Isaiah, der einen überraschten Laut ausstieß.

„Was ist?“, fragte sie mit Unschuldsmiene.

„Du siehst anders aus.“

Sie winkte ab. „Ich wollte mal etwas Neues ausprobieren.“

„Fährst du jetzt zu dieser Schule?“

„Ja.“

„Welche Schule?“, hakte er nach.

Faith stieß einen Seufzer aus. „Warum willst du das wissen?“

Er blickte sie nur wortlos an.

„Du willst es wissen, weil es unbedingt in Poppys Terminplan stehen muss, oder?“, fuhr sie fort. „Denn wenn es nicht dort steht, fühlt es sich für dich unvollständig an.“

Sie hatte es schon lange aufgegeben, die Macken ihres Bruders verstehen zu wollen. Er hatte etliche Schrullen, keine Frage. Es war zwecklos, gegen sie anzukämpfen. Als seine Schwester zog sie ihn manchmal damit auf, anstatt ihm da herauszuhelfen. Das war nun einmal der Lauf der Welt.

Doch mit den Jahren wurde ihr bewusst, dass er weder unflexibel noch unausstehlich sein wollte. Er konnte einfach nichts dagegen tun.

„Ja“, antwortete er leise.

Wenn er überrascht war, dass sie den Grund seines Anliegens erkannt hatte, ließ er sich das nicht anmerken. Aber das würde auch nicht zu ihm passen.

„Die Copper Ridge Elementarschule“, sagte sie. Die Lüge kam ihr erstaunlich leicht über die Lippen. Sie fragte sich, was mit ihr los war.

Sie war eine Frau. Das war mit ihr los.

Eine Frau, die eine Entscheidung bezüglich ihrer Karriere getroffen hatte und verhindern wollte, dass ihre Brüder sich einmischten.

„Danke“, sagte Isaiah tonlos.

„Sind wir fertig? Kannst du es einfach in den Kalender eintragen, dich beruhigen und mich in Ruhe lassen?“

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er ungewohnt fürsorglich.

„Ja, alles bestens, ehrlich. Ich bin nur … Joshua hat recht. Ich habe in letzter Zeit sehr viel gearbeitet. Ich fürchte, daran lässt sich in nächster Zukunft nichts ändern. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich auch einmal die Initiative ergreife und meine Zeit mit Dingen fülle, die mir wichtig sind.“

Wieder log sie, indem sie behauptete, Schulkinder lägen ihr am Herzen. Sie verspürte ein vages Schuldgefühl. Allerdings fühlte sie sich nicht schuldig genug, um ihrem Bruder die Wahrheit zu sagen.

Isaiah ging ohne ein weiteres Wort davon, und Faith begab sich zum Parkplatz.

Sie gab Levis Adresse in das Navigationssystem ihres Wagens ein und folgte der Wegbeschreibung. Es war fast dieselbe Strecke wie das erste Mal, als sie ihm auf dem Gipfel des Berges begegnete. Sein gemietetes Haus lag offenbar auf der anderen Seite des Berges an einer schmalen Straße, die sich durch eine wilde, mit Bäumen bestandene Landschaft schlängelte.

Es handelte sich um ein altmodisches, schmales Naturdachhaus mit Fenstern, die auf das Tal hinabblickten. Faith gefiel das Haus, auch wenn sie es selbst nie so gebaut hätte. Aber sie wusste klassische wohnliche Häuser zu schätzen.

Obwohl ihre eigenen Entwürfe meistens zu Offenheit und Modernität tendierten, konnte sie das kleine gelbe Farmhaus, in dem sie aufgewachsen war, nicht vergessen. Sie mochte dieses alte Gemäuer ebenso wie die Tatsache, dass ihre Eltern allem finanziellen Erfolg zum Trotz immer noch dort wohnten.

Sie war so in Gedanken versunken, dass sie kaum bemerkte, wie angespannt sie war. Aber sobald sie den Wagen zum Halten gebracht und den Motor ausgestellt hatte, zog sich ihr Magen schmerzhaft zusammen.

Sie konnte kaum noch atmen.

Sie hatte Levi draußen gesehen, in freier Natur. Und in einer überfüllten Bar. Aber sie war noch nie in einem geschlossenen Raum allein mit ihm gewesen.

Aber das spielte keine Rolle. Überhaupt nicht.

Sie biss die Zähne zusammen, stieg aus dem Wagen und sammelte ihre Habseligkeiten zusammen. Die Handtasche, den Skizzenblock, das Handy. Bei jedem Schritt über die gekieste Zufahrt wiederholte sie im Stillen diese Worte.

Es spielt keine Rolle.

Es spielt keine Rolle.

Sie mochte ihm ja seltsame Gedanken und Gefühle entgegenbringen, aber das galt ganz bestimmt nicht umgekehrt. Sie konnte nur hoffen, dass die Blondine sich bereits wieder aus dem Staub gemacht hatte.

Warum fühlte sie sich nur so schlecht bei der Vorstellung, dieser Frau hier in Levis Haus zu begegnen? Faith konnte sich diese Frage nicht beantworten.

Sie kannte doch diesen Mann gar nicht. Und sie war noch nie in ihrem Leben eifersüchtig gewesen. Abgesehen von den winzig kleinen eifersüchtigen Stichen, die sie verspürte, wenn sie Zeugin des ehelichen Glücks ihrer Brüder wurde.

Aber diese Gefühle waren eher wie Neid. Das hier schien etwas anderes. Es fühlte sich an, als würde ein hässliches kleines Monster in ihrem Rücken sitzen, das kein Recht hatte, dort zu sein.

Sie hob die Schulter, wappnete sich, klopfte an die Tür und wartete.

Als die Tür endlich aufging, wurden ihr die Knie weich.

Da stand er.

Heute hatte er das schwarze T-Shirt mit einem weißen vertauscht. Die helle Farbe betonte das strahlende Blau seiner Augen. Der Blick aus diesen Augen verschlug ihr die Sprache und vertrieb alle Gedanken. Bis auf einen.

Dieser Mann sah unverschämt gut aus.

Sie selbst war unscheinbar. Er war der attraktivste Mann, dem sie je begegnet war.

Dabei war er keineswegs makellos. Sein Gesicht war von Narben bedeckt. Eine besonders große verlief längs über sein markantes Kinn, eine weitere verunzierte seine Oberlippe. Doch weder die Narben noch die scharfen, klaren Züge seines Gesichts änderten etwas an seiner Attraktivität. Im Gegenteil, er schien dadurch noch interessanter zu wirken.

„Kommen Sie herein“, lud er sie ein und trat einen Schritt beiseite.

Sie hatte gehofft, die Unterhaltung auf der Veranda würde etwas länger dauern, damit sie Zeit hätte, sich zu fassen. Aber leider gönnte er ihr keine Pause. Also nahm sie seine Einladung an und fand sich selbst in der dämmrigen Eingangshalle wieder.

„Es ist nicht besonders groß“, sagte er.

„Aber sehr gemütlich.“

„Darauf lege ich nicht besonders viel wert. Aber die Aussicht ist gut.“

Sie folgte ihm bis zu dem offenen Wohnbereich. Ein großes Fenster ließ Licht in den großzügig geschnittenen Raum. Die Möbel standen in der Mitte und ließen ringsherum viel Platz.

Autor

Elle Wright
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