Baccara Collection Band 445

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KALTE SCHULTER, HEISSER FLIRT von JENNIFER LABRECQUE
Delphi reist nach Alaska, um nach einer schweren Enttäuschung zur Ruhe zu kommen. Nur wie, wenn sie schon auf dem Flug den gefährlich attraktiven Lars Reinhardt trifft? Als er sie mit erregenden Zärtlichkeiten überrascht, kann sie gegen jede Vernunft nicht widerstehen. Einmal ist keinmal, sagt sie sich – und weil Lars bald wieder abreist, riskiert sie nichts! Oder?

EIN SEXY COWBOY FÜR ASHLEY von DAIRE ST. DENIS
Fast hätte Colton das ehemalige Mauerblümchen Ashley nicht erkannt, drückt sie ihm doch beim Highschool-Jubiläum einen verführerischen Kuss auf die Lippen. Und dann flüstert sie ihm auch noch zu: „Tu so, als wärst du mein Freund, nur für heute Abend.“ Den Gefallen tut Colton ihr gern – aber bloß, wenn sie nicht aufhört, ihn zu küssen! Mit ungeahnten Folgen …

GIB DEM GLÜCK EINE LETZTE CHANCE! von ANDREA LAURENCE
Die Ehe von Mason und Scarlet ist an ihrem unerfüllten Kinderwunsch zerbrochen. Doch als er jetzt zusammen mit seiner Noch-Ehefrau für das Baby seines kranken Bruders sorgen muss, prickelt es mit jedem Tag erregender zwischen ihnen. Nach einer heißen Liebesnacht zweifelt Mason trotzdem: Will Scarlet wirklich ihn zurückhaben? Oder geht es ihr nur um das Baby?


  • Erscheinungstag 17.05.2022
  • Bandnummer 445
  • ISBN / Artikelnummer 9783751508292
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jennifer LaBrecque, Daire St. Denis, Andrea LaurenceAndrea Laurence

BACCARA COLLECTION BAND 445

JENNIFER LABRECQUE

Kalte Schulter, heißer Flirt

Delphi reist nach Alaska, um nach einer schweren Enttäu-schung zur Ruhe zu kommen. Nur wie, wenn sie schon auf dem Flug den gefährlich attraktiven Lars Reinhardt trifft? Als er sie mit erregenden Zärtlichkeiten überrascht, kann sie gegen jede Vernunft nicht widerstehen. Einmal ist keinmal, sagt sie sich – und weil Lars bald wieder abreist, riskiert sie nichts! Oder?

DAIRE ST. DENIS

Ein sexy Cowboy für Ashley

Fast hätte Colton das ehemalige Mauerblümchen Ashley nicht erkannt, drückt sie ihm doch beim Highschool-Jubiläum einen verführerischen Kuss auf die Lippen. Und dann flüstert sie ihm auch noch zu: „Tu so, als wärst du mein Freund, nur für heute Abend.“ Den Gefallen tut Colton ihr gern – aber bloß, wenn sie nicht aufhört, ihn zu küssen! Mit ungeahnten Folgen …

ANDREA LAURENCEANDREA LAURENCE

Gib dem Glück eine letzte Chance!

Die Ehe von Mason und Scarlet ist an ihrem unerfüllten Kinderwunsch zerbrochen. Doch als er jetzt zusammen mit seiner Noch-Ehefrau für das Baby seines kranken Bruders sorgen muss, prickelt es mit jedem Tag erregender zwischen ihnen. Nach einer heißen Liebesnacht zweifelt Mason trotz-dem: Will Scarlet wirklich ihn zurückhaben? Oder geht es ihr nur um das Baby?

1. KAPITEL

Delphi Reynolds warf sich ihre Handtasche über die Schulter und ging den Flur der jetzt stillen Arztpraxis hinunter. Sie wollte nach Hause, ihren Kasack ausziehen und die Füße hochlegen. Es war ein hektischer Tag gewesen.

In diesem Moment trat Dr. DeWitt Zellers durch die offene Tür seines Büros, ein freundliches Lächeln im Gesicht. Delphi war begeistert gewesen, als sie direkt nach der Krankenpflegeschule eine Stelle bei Dr. Zellers senior bekommen hatte. Er galt als einer der besten Chirurgen im Süden. Als er vor einem Jahr in den Ruhestand gegangen war, hatte sein Sohn DeWitt die Praxis übernommen. DeWitt Zellers war charmant, bezahlte seine Angestellten gut und genoss wie sein Vater ein hohes Ansehen. Im vergangenen Jahr hatten Delphi und er oft auch privat miteinander geplaudert.

Er hatte sich mit ihr über das Hochzeitstagsgeschenk für seine Frau beraten und Delphi zum dritten Geburtstag seiner Tochter eingeladen. Ebenso hatte er ihr Ratschläge in Bezug auf Verabredungen und Männer gegeben. Delphi mochte ihn und vertraute ihm. DeWitt war so etwas wie der große Bruder, den sie nie gehabt hatte.

„Hast du noch eine Minute, bevor du gehst?“, fragte er.

„Sicher.“

„Komm rein.“ Er winkte sie in sein Büro und schloss die Tür hinter ihr. Alle anderen waren bereits gegangen. „Ich wollte etwas mit dir besprechen.“

Er ging um den Schreibtisch herum und ließ sich in seinen Ledersessel sinken.

Vor ein paar Monaten hatte er sich auf ihren Vorschlag für das Hochzeitstagsgeschenk für Macy eingelassen. Seine dunkelhaarige Frau war klein, leicht übergewichtig und nicht gerade das, was man eine klassische Schönheit nannte. Dass der gut aussehende Arzt so sehr in seine doch eher unscheinbare Frau verliebt war, brachte eine romantische Saite in Delphi zum Klingen. Sie mochte Macy, doch ihr Lebensstil unterschied sich sehr. Macy war der Schickeriatyp, Delphi dagegen ein Workaholic. Aber Macy hatte das Schmuckstück gefallen, das Delphi vorgeschlagen hatte, also gab es vielleicht doch ein paar Gemeinsamkeiten.

DeWitts Büro war sehr funktional ausgestattet. Seine Diplome, Zulassungen und Auszeichnungen füllten beinah die gesamte Wand über seiner Kredenz. Darauf standen neben seinen medizinischen Fachbüchern wunderschön gerahmte Fotos. Eins von ihm bei der Entgegennahme seines Diploms, flankiert von seiner Mutter und einer strahlenden Macy, dann noch eins von ihm, Macy und ihrer Tochter Chesney am Strand, ein lächelndes Trio umgeben von Dünen und Sand.

Das Büro spiegelte seinen beruflichen Erfolg und seinen ausgeprägten Familiensinn wider. Ein Blick auf diese Wand sagte alles – Dr. DeWitt Zellers war ein toller Typ.

Delphi stand hinter einem der Besucherstühle. Es war ein unglaublich anstrengender Tag gewesen, und sie wollte nur noch nach Hause und entspannen. DeWitt jedoch schien es nicht eilig zu haben. Er saß da, die Fingerspitzen vor dem Mund zusammengelegt. Die typische Geste für ihn, wenn er etwas Wichtiges herausgefunden oder eine Entscheidung getroffen hatte. Sie konnte es nicht genau benennen, aber irgendwie schien er in letzter Zeit verändert. Vielleicht war er nur gestresst. Sie hatte ihn nicht darauf angesprochen, denn früher oder später würde er es ihr vermutlich erklären. Jetzt jedoch bemerkte sie eine seltsame Stimmung bei ihm.

Er stand auf und stellte sich hinter sie, so dicht, dass sie seinen Atem im Nacken spüren konnte. Unbehaglich lachend machte Delphi einen Schritt nach rechts, da der Stuhl ihr den Weg nach vorn versperrte. Sie drehte sich um und lachte erneut. Überrascht und ein wenig nervös. „Was ist los?“

„Delphi, das macht mich noch wahnsinnig. Wir können nicht länger dagegen ankämpfen.“

Sie war völlig verwirrt. Was machte ihn wahnsinnig? „Ich verstehe nicht …?“

Er näherte sich ihr wieder. Sein Atem roch nach den Hotdogs, die Barb in der Mittagspause aus dem Laden an der Ecke geholt hatte, und nach Pfefferminzbonbons. Keine gute Kombination. „Du musst dich nicht zieren. Ich weiß, was du für mich empfindest, und ich empfinde dasselbe für dich.“ Er griff nach ihr, und sie wich ihm aus.

Verdammter Mist. Er führte sich … verrückt auf. „DeWitt … Dr. Zellers …“ Die förmliche Anrede schien im Moment passender zu sein. „Wir sind Freunde …“

„Wir wissen beide, dass es viel mehr ist als …“

Was? „Nein, das ist es nicht.“

„Baby, es gibt keinen Grund, es weiter zu verbergen. Gott, ich werde verrückt, wenn ich nur an dich denke. Ich will dich.“

„Aber Macy … Chesney …“

Er nahm Delphis Hand. „Ich kann sie nicht verlassen. Ihr Vater hat zu viel Einfluss. Meine Karriere könnte er vermutlich nicht ruinieren, aber sicher einigen Schaden anrichten.“ Delphi versuchte, seine Hand abzuschütteln, doch er hielt sie fest. Panik ergriff sie. „Außerdem würde Macy mir alles wegnehmen und mich für die nächsten fünfzehn Jahre auf Unterhaltszahlungen verklagen. Aber das heißt nicht, dass wir nicht zusammen sein können.“ Der vielsagende Glanz in seinen Augen war ebenso beunruhigend wie seine Worte. „Ich habe eine tolle Eigentumswohnung zwischen der Praxis und meinem Haus gefunden. Du wärst die Eigentümerin, aber ich würde die Raten übernehmen …“

Endlich fand sie ihre Stimme wieder. „Ich soll deine Geliebte sein?“

„Ich weiß, es ist nicht dasselbe wie eine Ehe, aber es wäre nur für ein paar Jahre. Bis ich fester etabliert bin und Chesney etwas älter ist.“

Dachte er, sie wäre wütend, weil er sie nicht heiraten wollte? „Du hast bereits eine Frau.“

„Ja, aber dafür finden wir eine Lösung.“

„Du verstehst nicht, worum es geht.“

„Ich weiß, die Wohnung ist nicht so groß wie die, in der Macy und ich leben. Aber sie ist viel größer und schöner als die, in der du jetzt …“

„Wirklich?“

Er reichte ihr eine Hochglanzbroschüre. „Ich denke, sie wird dir gefallen. Bewacht. Super Lage. Tolle Investition.“

Wie betäubt nahm sie die Broschüre und schaute hinein, während er davon schwärmte, wie sie gemeinsam Möbel kauften. Es war definitiv schöner als dort, wo sie jetzt lebte.

„DeWitt, ich …“

„Ich weiß.“ Bevor sie ihn stoppen konnte, hatte er sie schon an sich gezogen und küsste sie wild, wobei er die Zunge in ihren Mund schob.

Vor Schock war sie einen Moment wie gelähmt, dann stieß sie ihn mit aller Kraft von sich. „Stopp!“

Ihre Hände zitterten. Ihr Arbeitgeber und Freund hatte sich in jemanden verwandelt, den sie nicht kannte … und auch nicht kennen wollte.

Als er wieder nach ihr greifen wollte, sauste sie um den zweiten Gästestuhl herum und stellte ihn zwischen sie. „Delphi? Was ist los?“

Er wirkte verletzt und verwirrt, als hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst.

„DeWitt, ich dachte, wir sind Freunde. Wie kommst du auf die Idee, dass ich mehr will?“

„Delphi, wir müssen dieses Spielchen nicht spielen. Du musst dich nicht zieren.“ Ungeduld schwang in seiner Stimme mit.

„Ich bin nur ehrlich. Wir sind Freunde, mehr nicht. Du bist verheiratet.“

„Das sagte ich doch, Baby, Macy ist kein Problem. Du wirst sehen.“

Er verstand es einfach nicht. „Das Einzige, was ich sehe, ist, dass du nicht der Mann bist, für den ich dich gehalten habe.“

Er zuckte mit den Schultern. „Was ist daran so schlimm?“ Selbstgefällig sah er sie an. „Alle einflussreichen Männer haben eine Geliebte. Das gehört einfach dazu, und Macy weiß, dass sie sich glücklich schätzen kann, mich zu haben.“

Er meinte es ernst. Delphi wurde ganz schlecht. Es war eine Sache, wenn er die Welt so sah, aber dass er glaubte, sie würde genauso denken …

Er und seine Idee waren widerwärtig.

Am liebsten hätte sie ihm entgegengeschleudert, dass sein Vorschlag das Ignoranteste und Widerwärtigste war, was sie je aus dem Mund eines Mannes gehört hatte. Aber er war immer noch ihr Arbeitgeber. Also wählte sie ihre Worte mit Bedacht. „DeWitt, ich bin nicht auf diese Weise an dir interessiert. Und selbst wenn ich es wäre, würde ich mich nie zwischen Macy und dich stellen und eure Ehe zerstören.“

„Verstehst du eigentlich, was ich dir anbiete?“

„Ja, allerdings, und ich hoffe, dass du verstehst, was ich von deinem Angebot halte.“ Sie bewegte sich auf die Tür zu, ihr Herz pochte laut.

„Schlaf eine Nacht darüber.“

„Das muss ich nicht.“ Sie öffnete die Tür.

„Du machst einen Fehler.“

Sie war so aufgeregt, dass sie die Drohung in seinen Worten ignorierte. „Der einzige Fehler, den ich begangen habe, ist, dich für ehrlich und aufrichtig zu halten. Macy tut mir leid. Sie hat einen Besseren als dich verdient.“

Sie schloss die Tür hinter sich und eilte aus der Praxis.

Als Delphi am nächsten Morgen durch den Mitarbeitereingang trat, schlug ihr der vertraute Geruch von Antiseptika entgegen. Sie war müde, denn sie hatte kaum geschlafen, hatte sich im Bett hin und her gewälzt und die Sache von allen Seiten betrachtet. Hatte sie DeWitt unbeabsichtigt falsche Hoffnungen gemacht? Hatte sie ihre gestrige Unterhaltung falsch gedeutet? Egal, es gab nur eine Möglichkeit: Sie würde ihre Kündigung unter Einhaltung der zweimonatigen Kündigungsfrist einreichen. In dieser Zeitspanne sollte sie leicht einen neuen Job finden, und die Praxis hätte Zeit genug, einen Ersatz für sie einzuarbeiten, ohne dass der Praxisablauf gestört wurde. Sie würde das, was zwischen ihnen beiden vorgefallen war, für sich behalten, auch wenn sie einen Moment lang überlegt hatte, Macy davon zu erzählen. Letztendlich hatte sie entschieden, dass es besser war, Stillschweigen zu bewahren.

Sie hatte ihre Handtasche noch nicht weggelegt, da steckte Debbie, die Rezeptionistin, den Kopf zur Tür herein. „Der Doc will dich in seinem Büro sehen. Sofort.“

Sie dachte zwar, sie hätte gestern Abend ihren Standpunkt deutlich klargemacht, aber okay. Dann würde sie ihre Kündigung eben mündlich ankündigen und morgen schriftlich nachreichen. Eine Freundschaft mit ihrem Chef kam nicht mehr in Frage, aber sie wollte auch nicht mit einem schlechten Gefühl gehen. Sie würde die Sache freundschaftlich beenden, und sie würden beide weitermachen, als hätte es den Kuss und den unmoralischen Vorschlag nie gegeben.

Delphi klopfte leise und öffnete dann die Tür. Sie stockte, ihre Gedanken rasten. Macy stand neben DeWitt, der hinter seinem Schreibtisch saß.

Langsam schloss sie die Tür. „Guten Morgen.“

„Setz dich, Delphi“, sagte DeWitt streng.

Sie hätte gern abgelehnt, aber ihre Beine zitterten so sehr, dass es besser war, Platz zu nehmen.

„Es fällt mir sehr schwer, aber du lässt mir keine Wahl“, sagte er wieder in diesem strengen Ton. „Hier sind deine Entlassungspapiere.“

„Du feuerst mich? Ich lasse dir keine Wahl …?“ Vergiss es, Macy zu schützen. „Du hast mich angemacht. Ich wollte heute Morgen ohnehin kündigen. Ich kann nicht mehr mit dir zusammenarbeiten.“

„Du hast gleich gesagt, dass sie versuchen wird, den Spieß umzudrehen“, stieß Macy hervor und legte die Hand auf DeWitts Schulter. Sofort ergriff er sie – ganz der hingebungsvolle, liebende Ehemann. „Deine Masche funktioniert nicht, Delphi. DeWitt hat mir gestern Abend alles erzählt. Du tust mir leid, uns beiden tust du leid, aber wir können dich einfach nicht damit durchkommen lassen.“

„Womit könnt ihr mich nicht durchkommen lassen?“

„Als er sich weigerte, mich für dich zu verlassen, hast du verlangt, dass er dir eine Wohnung kauft …“ Sie wedelte mit der Broschüre der Eigentumswohnung. „… Oder du würdest mit irgendwelchen Lügen zu mir kommen, damit wir uns trennen. Du bist krank, Delphi. Du brauchst Hilfe. Aber du hast dir das falsche Paar für deine Erpressung ausgesucht. Du entzweist unsere Familie nicht.“

Es war, als wäre Delphi mitten in einem Albtraum gefangen, aus dem sie nicht aufwachen konnte. Hatte sie sich da gerade verhört?

„Macy, ich kenne euch beide seit sieben Jahren. Glaubst du wirklich, so etwas würde ich tun?“

Für einen kurzen Moment sah sie die Freudlosigkeit in den Augen der anderen Frau. Wenn Delphi nicht die Böse war, dann musste es ihr Mann sein. Und wenn es ihr Mann war … „DeWitt würde mich nicht anlügen.“

Macy konnte das Grinsen nicht sehen, das die Lippen ihres Mannes umspielte. „Glaub, was du glauben willst“, gab Delphi zurück.

DeWitt nahm sein Telefon und drückte eine Taste. „Debbie, bitte rufen Sie die Security in mein Büro. Sie soll Miss Reynolds beim Einsammeln ihrer persönlichen Gegenstände beaufsichtigen und sie dann aus dem Gebäude begleiten.“

2. KAPITEL

Sechs Monate später …

„Warum kommst du nicht nach Good Riddance? Du warst noch nie hier. Außerdem suche ich verzweifelt eine Assistentin.“

Delphi lachte, was sie schon lange nicht mehr getan hatte. Ihre langjährige Collegefreundin, Dr. Skye Shanahan, stimmte am anderen Ende der Leitung in das Lachen ein. Delphi war in die Krankenpflege gegangen, während Skye Allgemeinmedizinerin geworden war. Delphi war ziemlich überrascht gewesen, als Skye vor zwei Jahren ihre florierende Praxis in Atlanta aufgegeben hatte, um in eine abgelegene Stadt in Alaska zu ziehen. Sie hatte einen Buschpiloten geheiratet und ihr Praxisschild in einem kleinen Ort namens Good Riddance aufgehängt. Jetzt wollte Skyes langjähriger Assistent ein Medizinstudium beginnen. „Ich bin wirklich verzweifelt. Und für dich wäre es in deiner jetzigen Situation eine tolle Möglichkeit.“

„Ich mag die Kälte nicht.“

Skye lachte erneut. „Ich weiß. Du hast immer davon geträumt, mal auf Jamaika zu leben.“

„Ja. Sonne und Sand, das ist meine Vorstellung vom Paradies.“

„Wir haben keine Sandstrände, aber sonnig ist es hier, und die Tage werden noch länger. Wenn du mir drei Monate aushelfen könntest, hätte ich Zeit, einen dauerhaften Ersatz zu finden. Es wird nicht gerade heiß sein, aber relativ warm und sehr lange hell. Ich verspreche, dass du keinen Schnee sehen wirst, während du hier bist.“

Ein stetiger Mairegen trommelte auf das Dach von Delphis Loft, als sie abwesend auf die Wolken über Atlantas Skyline schaute. „Die Person, die du für die Stelle vorgesehen hattest, hat in letzter Minute abgesagt?“ Vielleicht war Skyes Angebot genau das, was sie brauchte. Eine echte Veränderung.

„Leider, ja. Und Nelson geht in zwei Wochen, das steht fest. Überleg es dir. Ich brauche Hilfe und würde dich gern hierhaben, und du brauchst …“ Sie sprach nicht weiter. „Oder hast du schon was gefunden?“

Leider nein. Jede Bewerbung landete in einer Sackgasse, und ihre Ersparnisse waren auf einen dreistelligen Bereich zusammengeschrumpft. DeWitt Zellers war keine gute Referenz, und Macy Zellers hatte ihre Version der Wahrheit an alle Freundinnen weitergegeben.

Hinzu kam, dass die wenigen Ärzte in der Stadt, die vielleicht bereit wären, sie einzustellen, mehr als eine Krankenschwester suchten. In Atlanta standen ihre Chancen also schlecht.

„Nein, ich habe nichts gefunden.“ Sie lehnte die Stirn gegen die kühle Fensterscheibe. „Ich weiß, dass es viele Leute gibt, denen es schlechter geht als mir, aber das war unglaublich demoralisierend.“ Ganz zu schweigen vom finanziellen Desaster. Sie weigerte sich, ihre Altersvorsorge anzuzapfen.

„Delphi, es macht mich echt wütend, dass er dir das antun konnte. So ein Arsch.“

„Man sagt zwar, nichts ist so schlimm wie der Zorn einer verschmähten Frau. Aber Männer können mit einem Nein auch nicht gut umgehen.“

„DeWitt darf damit nicht durchkommen.“

„Leider sieht es aber so aus, als hätte er das bereits geschafft.“

„Also, warum kommst du nicht hierher und kehrst Atlanta für eine Weile den Rücken zu? Und wenn du wieder gehst, bekommst du eine glühende Empfehlung von deiner letzten Arbeitgeberin. Außerdem zahle ich gut. Und du bekommst freie Unterkunft.“ Skye nannte einen Betrag, der wesentlich höher war als das, was Delphi bisher verdient hatte.

Sie dachte nach. Alaska stand zwar nicht auf der Liste der Orte, die sie jemals besuchen wollte, aber für drei Monate von hier wegzukommen, war vielleicht das Beste, was sie tun konnte. „Ein Tapetenwechsel, ein Neuanfang …“

„Genau.“

Delphi hatte gar nicht bemerkt, dass sie laut gesprochen hatte, bis Skye antwortete. „Wie schnell kannst du hier sein? Nächste Woche Freitag ist Nelsons letzter Tag.“

Delphi überlegte kurz. Jetzt war Dienstagabend. „Ich könnte Donnerstagabend oder Freitagmorgen abreisen.“

„Ja, ja, ja! Du bist ein Geschenk des Himmels. Ich kann es kaum erwarten, dich zu sehen. Vielen, vielen Dank, Delphi. Ich werde Merrilee – sie ist die Bürgermeisterin und betreibt den kleinen Flugplatz – Bescheid geben. Sie wird deine Flugreservierung vornehmen. Soll sie dir die Daten mailen?“

„Klar, gern.“

„Großartig. Ich rufe sie an. Sie wird sich direkt mit dir in Verbindung setzen.“

Sie verabschiedeten sich und legten auf.

Während sie und Skye sich unterhalten hatten, war die Nacht hereingebrochen, und sie sah ihr Spiegelbild in dem dunklen, regennassen Fenster.

Die Frau, die ihr entgegenblickte, wirkte immer noch vertrauensvoll und ziemlich unschuldig. Aber sie war nicht mehr diese Frau.

Ein anderer Ort, eine Veränderung …

Sie marschierte hinüber zum Küchenschrank und holte eine Schere aus der Schublade.

Im Badezimmer stellte sie sich vor den Spiegel und griff nach einem Büschel Haar. Schnipp. Und noch mal schnipp. Immer wieder, bis sie kurzes Stoppelhaar hatte.

Lars Reinhardt schulterte seinen Seesack und bahnte sich seinen Weg durch den Flughafen von Anchorage. Er hatte genug von Flugzeugen, denn er war schon fast zwei Tage unterwegs, um von Riad, Saudi-Arabien, nach Good Riddance, Alaska, zu kommen. Dies war jetzt die letzte Etappe – eine Propellermaschine in die kleine Stadt in Zentralalaska, wo sein Onkel, sein Cousin und sein fünf Minuten älterer Zwillingsbruder Liam lebten.

Liam war offensichtlich verrückt geworden. Das war die einzig vernünftige Erklärung für seinen Plan zu heiraten … noch einmal.

Lars hatte Natalie, Liams erste Frau, gemocht, und war sicher, dass auch Tansy nett war. Trotzdem begriff er diese ganze Heiratssache einfach nicht. Hatte Liam denn gar nichts gelernt? Wie zum Beispiel: Begeh nicht zweimal denselben Fehler. Lars hatte nur einmal unter gebrochenem Herzen leiden müssen, um zu lernen, und da war er noch nicht einmal verheiratet gewesen.

Er begriff schnell, und nachdem er das erste Mal sitzen gelassen worden war, wusste er, dass ihm das nicht noch einmal passieren würde. Von dem Tag an hatte er darauf geachtet, dass ihm keine Frau zu wichtig wurde. Und wenn es mal so aussah, als könnte eine Beziehung ernster werden, machte er schnell einen Rückzieher.

Er hoffte, dass die Dinge für seinen Bruder gut liefen. Ja, das hoffte er wirklich. Dennoch fragte er sich, ob Liam wieder so schnell heiraten würde, wenn er nicht bei den Marines entlassen worden wäre. Sie hatten gemailt, und Lars hatte ein gutes Gespür dafür, wo seinem Bruder der Kopf stand … oder wo nicht. Liam war völlig ratlos gewesen, was er mit sich und seinem Leben anfangen sollte. Zwar konnte Lars die Gedanken seines Bruders nicht lesen, war ihm aber so nah, wir nur Zwillinge es sein konnten. Er hatte gewusst, wie leer sein Bruder sich gefühlt hatte. Wollte Liam nur heiraten, um seinem Leben wieder einen Sinn zu geben? Er hoffte inständig, dass es nicht so war.

Eine Brünette, die ein Schild mit der Aufschrift Reinhardt hochhielt, fiel ihm auf.

„Ich bin Lars Reinhardt“, sagte er, als er auf sie zuging.

„Juliette Sorenson.“ Sie tauschten einen kurzen Händedruck. „Ich bin Ihre Pilotin.“

Eigentlich hatte er einen Mann erwartet, auch wenn er nicht wusste, warum, denn im Grunde war es ihm egal, wer das Flugzeug flog. Aber irgendwie dachte er, Buschpiloten wären Männer. „Okay, Juliette Sorenson, bringen wir’s hinter uns. Ich brauche eine heiße Mahlzeit und ein heißes Bad, wobei mir die Reihenfolge egal ist.“

Sie lachte. „In etwa einer Stunde sollten Sie beides bekommen. Ist das Ihr ganzes Gepäck?“ Sie nickte in Richtung des Seesacks, den er über die Schulter geworfen hatte.

„Ja, Ma’am. Ich reise mit leichtem Gepäck.“

Sie lächelte und drehte sich um. Lars folgte ihr durch den Flughafen von Anchorage. Gemeinsam traten sie auf das Rollfeld hinaus und gingen zu dem kleinen Flugzeug. Die Luft war frisch und kühl, obwohl Mai war – aber zumindest schien die Sonne. Er glaubte nicht, dass ihm die andauernde Dunkelheit im Winter gefallen würde, die im Spätherbst begann und erst zu Beginn des Frühjahrs endete.

Juliette öffnete die Tür zum Flieger und bedeutete ihm mit einem Kopfnicken, einzusteigen. Nach zwei Schritten ins Flugzeug erstarrte er. Eine Frau mit kurzem blonden Haar saß angeschnallt auf einem der Sitze. Er hatte nicht damit gerechnet, einen weiteren Passagier an Bord der Maschine anzutreffen, aber es war mehr als das. Wegen einer Frau blieb er normalerweise nicht stehen – nun, eigentlich nie.

Und es war auch nicht so, dass sie die schönste Frau war, die er je gesehen hatte, trotzdem hatte sie etwas an sich, das ihn innehalten ließ. Sie blickte in seine Richtung, dann schaute sie ganz bewusst wieder aus dem Fenster. Ganz offensichtlich ignorierte sie ihn.

Die Pilotin drängte sich an ihm vorbei und sagte: „Setzen Sie sich irgendwo hin. Ich sichere noch Ihr Gepäck, dann geht’s los.“

Geistesabwesend reichte er ihr seinen Seesack, immer noch wie erstarrt wegen der Frau, die im Flieger saß.

Vom Gepäckraum im hinteren Teil des Flugzeugs aus machte Juliette sie miteinander bekannt. „Delphi, das ist Sergeant Lars Reinhardt. Sergeant Reinhardt, Delphi Reynolds.“

„Hi“, sagte Lars.

Sie nickte kurz und wandte sich dann wieder ab, ohne etwas zu sagen. Da er Herausforderungen noch nie aus dem Weg gegangen und es vor allem nicht gewöhnt war, ignoriert zu werden, ließ er sich auf den Sitz direkt neben Delphi Reynolds plumpsen.

Er spürte, wie sie sich verkrampfte.

Die Müdigkeit, die er eben noch verspürt hatte, verschwand urplötzlich. Ihre abweisende Körpersprache wirkte auf ihn wie das rote Tuch, das vor einem Stier geschwenkt wurde.

Er könnte sie ignorieren, so wie sie ihn ignorierte. Aber das widerstrebte ihm. Vermutlich aus demselben Grund, der ihn dazu trieb, in der Zerstörungseinheit der US-Marines zu arbeiten. Es war der Reiz der Gefahr, der Herausforderung. Sie zu ignorieren, wäre, wie nicht explodierte Kampfmittel zu missachten – und das würde nicht geschehen. Außerdem wollte er mehr über sie wissen – mehr, als er eine heiße Mahlzeit und ein heißes Bad wollte … und das sollte etwas heißen.

Delphi wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Da der Typ nicht geistig minderbemittelt zu sein schien, versuchte er offensichtlich ganz bewusst, ihr ein Gespräch aufzudrängen, indem er sich direkt neben sie setzte. Er sah gut aus, und sie war sicher, dass er es nicht gewöhnt war, ignoriert zu werden. Ihre abweisende Haltung war nicht persönlich gemeint, was er natürlich nicht wissen konnte.

Sie fühlte sich innerlich immer noch leer und war wie gelähmt, ein Zustand, der ganz nützlich gewesen war. So hatte sie alle Vorbereitungen für die Abreise treffen und ihren Eltern erklären können, warum sie für drei Monate nach Alaska gehen würde. Hinzu kam, dass sie mit Tabletten gegen Reisekrankheit vollgestopft war, und so wollte sie wirklich für sich sein.

„Also, was führt Sie nach Good Riddance?“

Sie antwortete, ohne ihn dabei anzusehen. „Die Arbeit.“

Er wartete eine Sekunde, dann fragte er: „Die da wäre?“

„Ich bin Krankenschwester.“

Juliette sicherte die Tür, und Delphi entging nicht, dass die Pilotin offenbar verwundert war, dass Lars Reinhardt sich direkt neben sie gesetzt hatte, obwohl noch drei weitere Sitze frei waren. „Okay, wenn alle angeschnallt sind, geht’s los.“

„Wann bekommen wir die Erdnüsse und das Getränk unserer Wahl?“, fragte Lars.

Die Pilotin lachte. „Falsche Fluggesellschaft.“

Gegen ihren Willen lächelte Delphi, während sie unverwandt aus dem Fenster starrte. Der Spruch war irgendwie lustig, gestand sie sich widerstrebend ein. Nur dass sie nichts lustig finden wollte. Verdammt, sie hatte sich vorgenommen, miesepetrig zu sein. Nun, nicht direkt miesepetrig, aber unnahbar … ja, das war eine gute Wortwahl. Sie wollte nicht mit einem Fremden lachen oder Informationen austauschen.

Die Flugzeugmotoren dröhnten, und die Hündin, die vorn im Flugzeug gelegen hatte, kam in den hinteren Teil getrottet. Aufmerksam betrachtete sie sie mit einer Mischung aus Neugier und etwas, das Delphi als Mitleid interpretierte. Es war verrückt, aber es kam ihr vor, als spürte die Hündin ihre Stimmung und Emotionen.

„Wenn Baby Sie stört“, rief Juliette, während sie einen Instrumentencheck durchführte, „kann ich sie zurückrufen.“

„Schon okay“, rief Delphi zurück. Der Soldat jedoch … das war eine andere Geschichte. Vielleicht könnte Juliette ihn nach vorn rufen.

„Sie ist süß, nicht wahr?“, sagte er freundlich. „Haben Sie einen Hund?“

Sie wollte sich nicht von diesem Fremden verzaubern lassen – egal, wie nett und attraktiv er auch sein mochte. „Nein.“

„Sind Sie immer so gesprächig?“

Verdammt, sie wollte weder lachen noch sich verzaubern lassen. Sie hatte beschlossen, dass es das Beste war, sich nur um ihren eigenen Kram zu kümmern. Schließlich hätte sie bestimmt noch ihren alten Job, wenn sie klug genug gewesen wäre, nicht zu freundlich mit DeWitt zu plaudern. „Nein.“

Okay, Zeit, die Taktik zu ändern. Ihre einsilbigen Antworten brachten ihn offensichtlich nicht zum Schweigen.

Sie wandte sich ihm zu. Seine Augen hatten einen ungewöhnlichen Braunton – dunkel und gleichzeitig durchscheinend, wie Buntglas in der Sonne. „Okay, Sergeant, ich habe keine Ahnung, warum Sie sich direkt neben mich gesetzt haben, aber da Sie meine Aufmerksamkeit zu fordern scheinen, bitte, hier haben Sie sie. Also, schießen Sie los. Beeindrucken Sie mich mit Ihrer Lebensgeschichte.“

Er hielt einen Moment inne, dann lachte er. „Meine Lebensgeschichte ist nicht so interessant. Ich bin nur neugierig, warum Sie so ungesellig sind.“

„Ich bin nicht ungesellig. Ich will lediglich in Ruhe gelassen werden. Das ist doch nicht so schwierig, oder? Moment, für Sie offensichtlich schon. Sie halten wohl nichts von Höflichkeitsregeln.“

„Ich verstehe nicht, was Sie meinen.“

„Sie sitzen praktisch auf meinem Schoß, obwohl Sie einen von drei anderen freien Sitzen hätten wählen können. Weil ich ein anständiger Mensch bin, sage ich Ihnen, dass ich unter Reisekrankheit leide. Ich habe ein Medikament dagegen genommen, aber da ich noch nie in einem so kleinen Flugzeug gereist bin, kann ich nicht dafür garantieren, dass ich mein Mittagessen bei mir behalte.“

In dem Moment sagte Juliette: „Wir haben die Freigabe zum Start. Sie müssen jetzt Ihre Headsets aufsetzen.“ Sie warf einen fragenden Blick in Delphis Richtung. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sind Sie bereit?“

Delphi hob die kleine Kotztüte auf, die Juliette ihr zuvor gegeben hatte. „Bereit.“

„Eine Sekunde bitte noch“, meldete Lars sich zu Wort, setzte sich auf die andere Seite des Gangs, schnallte sich wieder an und gab Juliette ein Daumen-hoch-Zeichen. „Danke“, sagte er zu Delphi.

„Ich danke Ihnen.“ Sie drehte sich wieder zum Fenster und schloss die Augen. Es war besser, wenn sie nicht auf die vorbeirauschende Landschaft schaute.

Eine gefühlte Ewigkeit später – in Wirklichkeit waren es nur ein paar Minuten – löste Delphi ihren Klammergriff um die Lehne. Zum Glück gab es Medikamente gegen Reiseübelkeit.

„Alles okay?“, fragte Juliette wieder. Ihre Stimme kam jetzt durch das Headset. Irgendwie seltsam.

„Ja, danke. Wenn ich erst mal in der Luft bin, ist es normalerweise okay. Starts und Landungen setzen mir zu.“

Mitfühlend sah Baby sie an. Delphi kannte sich mit Hunden nicht aus, aber dieser hier sah aus wie eine kleine Version dessen, was sie für einen Schlittenhund hielt.

„Ist das ein Malamute?“, fragte Lars und riss sie damit aus ihren Gedanken. Sie waren alle auf dieselbe Frequenz eingestellt, deshalb klang seine Stimme direkt in ihr Ohr.

„Ein Husky“, antwortete Juliette. „Sie ist meine Co-Pilotin. Sie fliegt mit mir, seit ich sie habe.“

Delphi könnte schwören, dass der Hund an dieser Stelle lächelte.

„So“, sagte Juliette, „da Sie jetzt hier sind, können wir endlich Hochzeit feiern.“

Delphi sollte sich zwar eigentlich um ihren eigenen Kram kümmern, aber sie musste zugeben, dass ihre Neugier geweckt war. Dieser Mann flog den ganzen Weg nach Alaska, um zu heiraten? Sie wusste nicht, warum sie das überraschte, abgesehen davon, dass sie vorhin gedacht hatte, er würde mit ihr flirten. Offensichtlich hatte sie sein Verhalten falsch interpretiert.

„Tansy ist unglaublich geduldig gewesen. Mein Urlaub ist einige Male verschoben worden“, erklärte er. Es war wirklich dumm, dass sie einen kleinen Stich verspürte, als sie ihn über seine Hochzeit mit dieser Tansy reden hörte. Er war nur ein weiterer Mann, der mit ihr flirten wollte, während seine Frau in den Startlöchern stand. Sie alle machten sie krank.

„Tatsächlich war die Hochzeitsplanung ein Albtraum. Aber jetzt bin ich hier. Und diese Fesselanlege-Zeremonie findet morgen statt. Ich bin irgendwie überrascht, dass sie nicht beschlossen hat, direkt hier, nach der Landung, zu heiraten.“

Fesselanlege-Zeremonie? Sie hatte eine Menge Mitleid mit der unbekannten Tansy, wenn er so über die Hochzeit dachte.

„Mein Bruder will seit fast einem Jahr heiraten“, erklärte er Delphi.

Ein unerklärliches Gefühl der Erleichterung durchströmte sie. Ah, okay, die Klotz-am-Bein-Bemerkung war nicht ganz so beleidigend, und die zukünftige Braut war keine bemitleidenswerte Frau mehr, zumindest nicht nach Delphis aktuellem Kenntnisstand.

„Wir sind Zwillinge, und ich bin der Trauzeuge“, fuhr er mit einem Lächeln fort, das ein Kribbeln durch Delphis Körper sandte. „Seine Verlobte glaubt vermutlich erst, wenn sie mich aus dem Flugzeug steigen sieht, daran, dass die Hochzeit tatsächlich stattfindet.“

„Sie weiß, dass Sie an Bord sind“, sagte Juliette und ersparte Delphi damit eine Antwort. Er kam also zur Hochzeit seines Bruders. Schön.

Delphi sah aus dem Fenster. Obwohl es Mitte Mai war, lag noch Schnee auf den Bergen. Die Aussicht in dieser Höhe war fantastisch. Dennoch, sie war nicht wegen der Landschaft gekommen. Sie sehnte sich nach etwas Einsamkeit, um ihr Leben in den Griff und einen Job zu bekommen. Als Merrilee Swenson sie wegen der Reisevorbereitungen kontaktiert hatte, hatte Delphi den Slogan der Stadt auf der Korrespondenz bemerkt – Good Riddance, die Stadt, in der man alle Sorgen hinter sich lassen kann. Das hörte sich sehr gut an.

„Gestern habe ich Ihre Mutter hergebracht“, sagte Juliette, sichtlich interessiert an den Details der Hochzeit.

„Sie tun mir leid“, erwiderte Lars, und wenn Delphi nicht so entschlossen gewesen wäre, sich nicht mit dem Soldaten zu befassen, dann hätte sie vermutlich gelächelt. Früher hätte sie sogar gelacht. So aber schaute sie einfach weiter aus dem Fenster.

„Was halten Sie davon, mich zu der Hochzeit zu begleiten?“

Jetzt baggerte der Mann schon die Pilotin an, wohl wissend, dass Delphi mithörte. Oh, Mann.

„He, Blondie, ich rede mit Ihnen.“

Delphi war so verdattert, dass sie den Kopf drehte. Blondie? Was, zum …? „Reden Sie mit mir?“

Ein Lachanfall, den Juliette schnell mit einem künstlichen Husten zu überspielen versuchte, schallte durch das Headset.

„Natürlich spreche ich mit Ihnen. Sie sind die einzige Blondine an Bord, und ich habe Ihren Namen vergessen. Also, was sagen Sie? Begleiten Sie mich? Es ist eine großartige Gelegenheit, alle in der Stadt kennenzulernen, und außerdem sind Sie die einzige Frau, die ich je getroffen habe, die bissig genug ist, um mit meiner Mutter fertigzuwerden. Sie erschreckt die meisten Frauen zu Tode. Zum Teufel, sie erschreckt mich zu Tode.“ Er beäugte sie neugierig. „Aber ich glaube, Sie könnten es mit Janie aufnehmen. Also, was meinen Sie?“

Für einen Moment war sie sprachlos. Ihr Verstand jedoch arbeitete auf Hochtouren. Sie war bissig genug, um mit seiner Mutter fertigzuwerden? Auf keinen Fall würde sie ihn begleiten, egal wohin.

Sie blickte zu ihm hinüber. Wenn sie nicht so genervt von ihm wäre – und wenn die Umstände anders wären –, hätte sie sein forsches Auftreten vielleicht charmant gefunden. Aber es wäre ein großer Fehler, diesem Mann auch nur den Hauch einer Chance zu geben. Also sagte sie lediglich: „Nein, danke.“

Juliette erlitt einen weiteren „Hustenanfall“.

Delphi drehte den Kopf wieder zum Fenster. Hoffentlich ging dieser endlose Flug bald zu Ende. Und Nein zu sagen, war viel einfacher, wenn sie nicht in seine braunen, teuflisch funkelnden Augen blickte. Es schien fast unmöglich, in der Gesellschaft eines so unverschämten Mannes Trübsal zu blasen, geschweige denn, sich darin zu suhlen.

Er war einfach zu viel.

Sie wäre fast explodiert. Lars musste zugeben, dass Delphi Reynolds – natürlich erinnerte er sich an ihren Namen – die letzte Etappe seiner scheinbar endlosen Reise unglaublich belebte. Sie Blondie zu nennen, war ein Geniestreich gewesen.

Mit der Einladung zu der Hochzeit war es ihm jedoch ernst gewesen. Er hatte sich ausgerechnet, dass die Chancen fifty-fifty standen. Entweder würde sie akzeptieren, um ihn auf die Probe zu stellen, oder sie würde ihm sagen, er solle die Klappe halten. Ihr „Nein, danke“ war die verkürzte Version von Du-kannst-mich-mal.

Was er sich wünschen sollte, war eine warmherzige Frau mit einem einladenden Lächeln, das seine innere Anspannung vertrieb. Er war die letzten Monate im Einsatz gewesen, und der nächste Auftrag beinhaltete mit Sicherheit wieder heiße Sonne und Wüstensand. Aber wie es seiner starrköpfigen Natur entsprach, hatte er einen Blick auf die Blondine mit dem Stoppelhaar, dem kühlen Auftreten und der abweisenden Haltung geworfen … und er hatte sie gewollt. Sie stellte eine Herausforderung dar.

Seine Mutter jedoch … Er wusste, dass bei der Hochzeit etwas schiefgehen würde. Da die Trauung schon morgen stattfinden sollte, bestand die geringe Chance, dass die Kacke erst richtig am Dampfen wäre, wenn sich die Frischvermählten in die Flitterwochen verabschiedeten. Seine Mutter musste immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, deshalb konnte er sich nicht vorstellen, dass sie einen ganzen Tag, an dem es sich nur um Liam und Tansy drehte, durchstehen würde.

Sie würde entweder ausflippen und wütend davonstampfen oder eine Ohnmacht vortäuschen. In Anbetracht der vielen Leute wettete er auf eine Ohnmacht.

Das gleichmäßige Dröhnen der Motoren war beruhigend. Blondie war wild entschlossen, aus dem Fenster zu starren. Der Hund döste vor sich hin – definitiv die richtige Idee. Er könnte genauso gut ein Nickerchen machen, bevor sie landeten.

Er schloss die Augen, lehnte den Kopf gegen das Fenster und ließ sich vom Wiegenlied des Motors einlullen.

Dank jahrelangen Trainings wachte er sofort auf, als die Pilotin sich erneut zu Wort meldete. „Wir werden in fünf Minuten landen.“

Sein fünfundvierzigminütiges Nickerchen war buchstäblich wie im Flug vergangen. Er richtete sich auf und blickte hinaus.

Die Landschaft rauschte vorbei. Er schaute über den Gang. Delphi Reynolds verharrte in ihrer Position, die Schultern steif, den Blick auf die Szenerie draußen gerichtet.

Er betrachtete ihren schlanken Nacken, ihre anmutigen Schultern. Wenn – wenn, nicht falls – er mit ihr allein wäre, würde er erst mit den Fingerspitzen darüberstreichen, dann mit den Lippen. Sie hatte etwas an sich, das ihn faszinierte. Er würde sie haben. Und da er nur eine Woche blieb, besser früher als später.

Innerhalb weniger Minuten waren sie auf dem Boden. „Tolle Landung“, lobte er Juliette.

„Danke.“ Nachdem das Flugzeug zum Stehen gekommen war, schnallten sie sich ab, standen auf und streckten die Beine. Obwohl Lars der Tür am nächsten war, hielt er sich zurück. „Ladies first.“

„Danke.“ Delphi quetschte sich an ihm vorbei. Sie roch gut. Ihr Arm und ihre Schulter streiften seine Brust, und ihre Hüfte stieß an seine. „Entschuldigung.“

Die Berührung wirkte wie ein Niedervolt-Elektroschocker.

„Morgen“, sagte er. „Elf Uhr. Bis dann.“

Sie warf ihm einen kühlen Blick über die Schulter zu. „Auf Wiedersehen, Sergeant. Auf Nimmerwiedersehen.“

„Falsch, Blondie …“ Sie drehte sich nicht um, blieb aber kurz stehen. „Es wird ein Wiedersehen geben.“

3. KAPITEL

Delphi wich einer Gruppe von Menschen aus, die auf das Flugzeug zustürmte und dem Mann hinter ihr zuwinkte. Sie würde ihn vergessen oder ihn, seine funkelnden braunen Augen und sein charmantes Geplapper zumindest ignorieren, ebenso wie das erregende Prickeln, das ihren Körper erfasst hatte, als sie ihn berührte. Jetzt, da sie der Enge des Flugzeugs entkommen waren, konnten sie beide ihrer Wege gehen.

Sie blickte sich um, als sie über die Landebahn zu dem Flughafenbüro ging, und nahm die Umgebung in sich auf. Die Luft schien hier frischer und sauberer als in Atlanta. Der Himmel war blauer, die Wolken wirkten weißer. Sie schlug sich auf den Arm. Und verdammt, die Moskitos waren größer – viel größer.

Sie betrat das Büro. Der Duft von Holz, Kaffee und Keksen begrüßte sie, noch bevor die Person am Schreibtisch es tat. Die Frau erhob sich, ein herzliches Lächeln erhellte ihr Gesicht und ließ ihre Augen aufleuchten. Halblanges blond-graues Haar, blaue Augen, Mitte bis Ende fünfzig, Jeans und ein Flanellhemd mit Spitzenbesatz. Sie musste Merrilee Swenson sein, die Gründerin und Bürgermeisterin der Stadt. Skye hatte Delphi alles über Merrilee erzählt.

Merrilee gab Delphi die Hand. „Willkommen in Good Riddance, Delphi. Ich bin Merrilee. Skye hat alle Hände voll zu tun, deshalb konnte sie nicht selbst kommen, um Sie abzuholen. Aber wir bringen Sie in die Praxis, sobald wir Sie untergebracht haben.“

Das Lächeln dieser freundlichen Frau nicht zu erwidern, war unmöglich. „Freut mich, Sie kennenzulernen.“

„Also, Honey, ich möchte Sie nicht beunruhigen, aber es gibt ein kleines Problem bei der Fertigstellung Ihrer Hütte.“ Am Telefon hatte Merrilee ihr gesagt, dass sie sie in einem kleinen Blockhaus in der Nähe der Praxis unterbringen würden. „Das passiert hier schon mal, und wir müssen uns einfach damit abfinden. Nächste Woche sollte alles fertig sein. Bis dahin logieren Sie in einem der Zimmer oben.“ Zu diesem Zeitpunkt war es Delphi egal, wo sie wohnte. Solange sie ein Bett hatte und die Tür zur Welt für eine Weile schließen konnte, war sie glücklich. „Gleich nebenan, durch die Tür da …“, sie deutete auf eine Tür an der rechten Wand, „… sind Gus’ Restaurant und die Bar. Wir bezahlen Ihre Mahlzeiten, bis Sie in der eigenen Wohnung sind. Wir wissen es wirklich zu schätzen, dass Sie gekommen sind, um uns zu helfen.“

Merrilee Swenson hielt inne, um Luft zu holen, und Delphi kicherte – sie kicherte wirklich. Zum ersten Mal seit Monaten. „Klingt alles super. Ich bin froh, hier zu sein.“ Sie hatte gar nicht gemerkt, wie bereit sie für eine Veränderung gewesen war.

In dem Moment ging die Hintertür auf, und die Gruppe, an der sie vorbeigekommen war, stürmte in den Raum, Lars im Schlepptau.

Merrilee strahlte ihn an. „Lars, es ist so schön, dich wiederzusehen.“ Sie umarmten sich.

Dann drehte die Bürgermeisterin sich zu Delphi um. „Okay. Ich stelle Sie mal den anderen vor.“

„Leute, das ist Delphi Reynolds. Sie hilft für ein paar Monate aus, bis wir einen Ersatz für Nelson gefunden haben. Und was diese bunte Gruppe betrifft …“ Sie wandte sich an Delphi. „Lars haben Sie natürlich schon kennengelernt.“

Delphi lächelte und nickte, wich aber dem Blickkontakt aus. „Und das ist Liam, sein Zwillingsbruder.“ Sie berührte die Schulter eines Mannes, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit Lars hatte, aber nicht ganz so groß und breitschultrig war. „Liam leitet ein Survival Camp nördlich von hier.“

„Ich bin der um fünf Minuten ältere Bruder“, sagte er mit einem Lächeln und einem festen Händedruck.

Delphi lachte. „Verstehe.“ Liam war nett, aber nicht so attraktiv – oder sexy – wie sein jüngerer Zwillingsbruder.

Merrilee deutete auf die Frau an Liams Seite. „Und das ist Tansy Wellington, die Braut. Tansy ist ein Liebesguru.“

Tansy war eine zierliche, kurvige Brünette mit fröhlichen Augen hinter einer schwarz umrandeten Brille.

„Liebesguru?“, fragte Delphi neugierig.

„Ich schreibe eine Kolumne, einen Blog, und mein erstes Buch ist gerade erschienen. Ein Beziehungsratgeber.“

So etwas hätte Delphi vor einem halben Jahr gebrauchen können. Liebe Tansy, mein Chef ist besessen von mir. Bitte gib mir einen Rat. Delphi behielt ihr Lächeln bei. „Wow, beeindruckend.“

„Ich weiß nicht, ob es das ist, aber es macht Spaß. Freut mich, dich kennenzulernen.“ Auch sie hatte einen festen Händedruck.

Nun deutete Merrilee auf eine Frau mit schulterlangem, leicht ergrautem Haar und Brille. Sie war noch kleiner als Tansy. „Das ist die Mutter des Bräutigams und meine Schwägerin, Janie Reinhardt.“

„Dr. Reinhardt, bitte. Ich bin Professorin für Soziologie.“ Sie schüttelte Delphis Hand, als wäre es eine lästige Pflicht. „Und ich bevorzuge Jane.“

„Entschuldige“, sagte Merrilee. „Ich bin nur so daran gewöhnt …“

„Ich weiß, mein Bruder benutzt immer diesen kindischen Namen.“

„Nett, Sie kennenzulernen“, sagte Delphi. Vielleicht hatte Lars gar nicht so unrecht in Bezug auf seine Mutter. Warmherzig war sie jedenfalls nicht.

„Und das ist Dirk Swenson, der Cousin der Jungs“, setzte Merrilee die Vorstellungsrunde fort. Delphi warf einen kurzen Blick auf Lars und schmunzelte darüber, dass Merrilee ihn als Jungen bezeichnete. Er grinste und zwinkerte ihr zu. Wirklich, dieser Mann … „Dirk ist Liams Stellvertreter im Camp.“

Lars und Liam waren beileibe nicht klein, aber Dirk war mindestens fünf Zentimeter größer und wog vermutlich fünfzehn Kilo mehr als Lars. „Freut mich, dich kennenzulernen.“

Dirk gab Delphi die Hand, achtete aber darauf, nicht zu fest zuzudrücken. Sie steckte ihn in die Schublade sanfter Riese.

„Freut mich auch“, erwiderte sie.

„Und zu guter Letzt ist da noch meine bessere Hälfte, Janies … ich meine, Janes Bruder und Onkel der Jungs, Bull Swenson.“

Bull hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit Jane und – in geringerem Maße – mit Dirk. Obwohl er einen Kopf kleiner war als die anderen Männer der Gruppe, strahlte er eine ungeheure Präsenz aus.

„Hallo.“

Merrilee deutete auf die zwei älteren Männer, die an einem Tisch saßen und Schach spielten. „Das sind Dwight Simmons und Jefferson Monroe.“

Beide Männer nickten in ihre Richtung.

„Und jetzt bringe ich euch nach oben. Lars ist in Zimmer drei, und Delphi, Sie sind in Zimmer vier.“

„Danke“, antwortete Delphi automatisch, denn bei der Vorstellung, ihn im Zimmer neben sich zu haben, durchrieselte sie ein Schauer.

„Und natürlich bist du zur Hochzeit eingeladen“, sagte Tansy strahlend. „Die ganze Stadt wird da sein. Und da du jetzt ein Teil von Good Riddance bist, möchten wir natürlich, dass du auch kommst.“

„Absolut“, warf Merrilee ein. „Es ist eine großartige Möglichkeit für Sie, alle kennenzulernen. Sie werden sehr viel Spaß haben.“

Delphi wagte es nicht, Lars anzuschauen. Das musste sie auch gar nicht. Sie konnte sein Grinsen förmlich spüren. Es war eine Sache, ihm einen Korb zu geben, aber wie sagte man der Braut, dass man nicht zu ihrer Hochzeit erscheinen wollte?

Hektisch suchte sie nach einer Ausrede. Sie konnte ja schlecht vorgeben, etwas anderes vorzuhaben. Schließlich war sie die Neue und gerade erst angekommen.

Also entschied sie sich für die naheliegendste Entschuldigung und winkte lächelnd ab. „Ich habe nichts Passendes zum Anziehen und …“

„Keine Sorge!“, unterbrach Merrilee sie. „Da wird alles vertreten sein. Jeans, Kleider und alles dazwischen.“

Nun meldete sich Lars zu Wort. „Ich habe sie bereits eingeladen.“

Merrilee klatschte in die Hände. „Perfekt. Dann habt ihr beide eine Begleitung.“

Ich bringe sie um.

Es sah aus, als würde sie zu einer Hochzeit gehen – mit Lars Reinhardt –, es sei denn, sie bekäme Kopfschmerzen. Allein der Gedanke, in einem Zimmer neben seinem zu logieren, bereitete ihr Kopfschmerzen.

Und leider auch ein bisschen Nervenkitzel.

Lars stieg hinter Merrilee und Delphi die Treppe hinauf zu den Zimmern. Blondie hatte einen süßen, kleinen Hintern. Das war ihm schon aufgefallen, als sie vor ihm das Flugzeug verlassen hatte. Überhaupt fand er sie süß.

Und sie erinnerte ihn daran, dass er schon lange nicht mehr die Gesellschaft einer Frau genossen hatte. In dem Moment, als er sie gesehen hatte, hatte sie etwas in ihm ausgelöst und eine ungeheure Anziehungskraft auf ihn ausgeübt.

Sie hatte zur „Nichts anzuziehen“-Ausrede gegriffen, aber wenn sie wirklich nicht mit ihm hätte gehen wollen, dann hätte sie einen Freund daheim als Entschuldigung vorgebracht. Er kannte die Frauen gut genug, um zu wissen, dass sie nirgendwo mit einem Mann hingingen, wenn sie es nicht wollten.

Er trug Delphis Gepäck – ein Nein hatte er nicht akzeptiert – die Treppe hinauf und dann rechts einen kurzen Flur entlang.

„Bitte sehr, Lars.“ Merrilee öffnete eine Tür, und er trat ein. Sie senkte die Stimme. „Ich dachte, du schläfst besser, wenn du weißt, dass wir deine Mutter in der neuen Frühstückspension am anderen Ende der Stadt untergebracht haben. Außerdem kann Alyce das Geld gut gebrauchen.“

„Gute Entscheidung.“ Er nahm den Seesack von der Schulter und ließ ihn aufs Bett fallen.

Der Raum war noch genauso, wie er ihn aus der Zeit vor sechzehn Jahren – Moment, es waren eher siebzehn oder achtzehn – in Erinnerung hatte, als er im Sommer zu Besuch hier gewesen war. Altmodisch und gemütlich.

„Es ist immer noch schön hier.“

Merrilee lächelte. „Du bist ein Schatz.“ Sie ging eine Tür weiter, und er folgte mit dem Gepäck. „Und das ist Ihr Zimmer, Delphi. Ich hoffe, es gefällt Ihnen. Das Bad ist gegenüber.“

„Danke.“

Lars bemerkte eine Tür in der Wand. Sie war geschlossen, verriegelt und verband ihre Zimmer.

Perfekt.

Delphi tupfte ihr Gesicht trocken und frischte schnell ihr dezentes Make-up auf. Sie hatte ihre Reisekleidung gegen eine legere schwarze Hose und ein enges Oberteil getauscht. Vermutlich war sie ein wenig overdressed, aber sie wollte nicht in Jeans in der Praxis auftauchen, zumindest nicht beim ersten Mal.

Sehnsüchtig betrachtete sie die Badewanne mit Löwenfüßen. Die Wanne bettelte förmlich um ein langes Bad mit Badesalz und Seifenblasen, sie selbst an Lars’ Brust gelehnt, zwischen seinen Schenkeln sitzend, seine Küsse an ihrem Hals, seine Hände an ihren …

Nein, nein und nochmals nein. Er bedeutete nur Ärger. Sie hatte ihn im Flugzeug kennengelernt, er hatte ihre Koffer getragen … und schon träumte sie von einem erotischen Badeerlebnis mit ihm. Diese Art von Chemie hatte sie noch nie erlebt – die Hitze, die gespannte Erwartung, die sie in seiner Nähe verspürte.

Arbeit. Sie musste sich auf die Arbeit konzentrieren.

Schnell sammelte sie ihre Sachen zusammen und öffnete die Badezimmertür. Lars stand draußen, lässig an die Wand gelehnt, seinen Kulturbeutel unter den Arm geklemmt. Sie errötete, dabei konnte er nicht wissen, dass sie gerade an ein unanständiges Badeerlebnis mit ihm gedacht hatte.

„Oh“, sagte sie. „Das Bad gehört Ihnen.“

Sie trat in den schwach beleuchteten Durchgang und blieb stehen, als sie auf gleicher Höhe mit ihm war. Es gab keinen Grund, warum sie nicht einfach weiterging. Es war Platz genug. Ihr Zimmer war vier, vielleicht fünf Schritte entfernt. Ihr Verstand schrie: „Geh!“, aber ihr Körper befahl ihr: „Bleib!“

„Ich war mir nicht sicher, ob ich zuerst eine heiße Dusche oder eine heiße Mahlzeit haben will. Die Idee mit der Dusche hat sich durchgesetzt.“ Möchtest du mir den Rücken schrubben?

„Die Badewanne ist toll.“ Ich habe gerade an dich gedacht.

Sein Blick fiel auf ihre Lippen, und es war fast, als könnte sie spüren, wie er sie berührte, wie er die Konturen ihres Mundes nachzeichnete.

„Sie sehen gut aus“, sagte er. Seine tiefe Stimme war wie eine Liebkosung.

Mit den dunklen Bartstoppeln und den feinen Fältchen um seine Augen wirkte er sexy und gefährlich zugleich. Unwillkürlich hielt sie die Luft an und stand da wie festgewurzelt. Sie musste müder sein als gedacht, wenn ein Kompliment sie derart durcheinanderbrachte. „Danke.“

Er stieß sich von der Wand ab. Ihr Herz pochte laut, und sie krallte die Nägel in ihre Handflächen. Anspannung, Vorfreude, Verlangen lagen in der Luft und durchströmten sie. Sie schwankte leicht.

Lars hob die Hand und griff nach ihr. Es war eine bewusste, kontrollierte Bewegung, die zu dem Blick in seinen Augen passte, teils fragend, teils herausfordernd. Er hatte seine Absicht signalisiert. Jetzt war sie am Zug. Er gab ihr Zeit, vorzurücken, sich zurückzuziehen oder ihre Frau zu stehen. Sie entschied sich für Letzteres.

Mit laut pochendem Herzen wartete sie auf seine Berührung. Seine Nähe wärmte ihre Wange, federleicht strichen seine Finger über ihre Haut. Die Berührung, so sanft, so leicht, ließ sie innerlich dahinschmelzen. Er legte den Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht an, dann streiften seine Lippen ihre. Es war so aufreizend, so süß, so entflammend. Sie lehnte sich an ihn und erwiderte seinen zärtlichen Kuss.

Er legte ihr die Hand in den Nacken, vertiefte den Kuss, und sie seufzte, genoss seine Liebkosungen.

Abrupt zog er sich zurück und ließ die Hand sinken. Magie schien in der Luft zu liegen, selbst als sie sich nicht mehr berührten. In diesem Moment fühlte Delphi sich, als würde sie schweben.

„Macht mal hinne.“ Die Stimme eines Mannes drang von unten zu ihnen herauf, was Delphi in die Realität zurückkatapultierte.

Sie machte einen Schritt in Richtung ihres Zimmers, und Lars bewegte sich Richtung Bad.

„Ich sehe dich später.“

Sie wusste, wie er das meinte, aber es klang wie eine Warnung, dass das, was zwischen ihnen passiert war, noch nicht zu Ende war. Es würde wieder aufgegriffen … und weitergeführt werden.

„Nicht wenn ich es verhindern kann.“

Lars drehte sich zu ihr, ein gefährliches Lächeln umspielte seine Lippen. „Blondie, mach dir nichts vor. Ich werde dich definitiv später noch sehen. Wir sind noch nicht fertig.“

„Und was, wenn ich das nicht will?“

Er lachte. „Du wirst es wollen.“

Arroganter Kerl! „Das kann ich mir nicht vorstellen.“

Er lachte wieder, zwinkerte ihr zu und schloss die Badezimmertür.

Delphi marschierte in ihr Zimmer, hin- und hergerissen zwischen Verärgerung und Faszination. Sie schloss die Zimmertür und lehnte sich dagegen.

Sie hatte den Kuss nur erwidert, um ihre Neugier zu befriedigen. Mehr nicht. Ihre Neugier war jetzt befriedigt, aber war sie es auch? Sie wollte immer noch ihre Ruhe. Oder etwa nicht?

„Möchten Sie, dass Sie jemand in die Praxis begleitet?“, fragte Merrilee.

„Danke, aber ich gehe lieber allein und in meinem eigenen Tempo, um ein Gefühl für die Stadt zu bekommen.“ Delphi hatte ihre Sachen aufs Bett fallen lassen und war nach unten gelaufen, als sie Wasser in die Wanne mit den Löwenfüßen laufen hörte. Sie würde später alles wegräumen. Sie wollte nicht daran denken, wie Lars sich im Zimmer nebenan auszog, wollte sich nicht ausmalen, dass er nackt war … Aber es waren genau die Gedanken, die ihr durch den Kopf schossen, als sie nach unten eilte. In ihrer Fantasie sah sie breite Schultern, einen muskulösen Oberkörper mit dunklen Haaren, die sich auf einem flachen Bauch nach unten hin verjüngten und eine beeindruckende Männlichkeit. Wenn sie etwas Distanz zwischen ihn und sich brachte, könnte sie das Bild vielleicht aus dem Kopf bekommen. Und auch den Kuss. Aber dazu brauchte sie ein paar Minuten allein in der frischen Luft. Sie wollte jetzt mit niemandem Small Talk machen müssen.

„Verstehe.“ Merrilee nickte. „Durch die Vordertür raus und dann nach links. Sie können sie nicht verfehlen.“

Delphi trat hinaus in die milde Luft, lief den Bürgersteig entlang und bemerkte, dass die meisten Autos, die an ihr vorbeifuhren, Trucks oder SUVs älteren Jahrgangs waren. Alle staubbedeckt.

Skye hatte die Stadt als einen Ort beschrieben, der einfache Bedürfnisse erfüllte. Es gab kein Starbucks. Keine Reinigung. Keine Autohäuser. Eine einzige Straße führte durch das Zentrum der Stadt, mit Geschäften auf beiden Seiten der ungepflasterten Fahrbahn. Ein Schild am Schaufenster auf der anderen Straßenseite fiel ihr ins Auge – Curl’s Taxidermie/Barbershop/Bestattung. Wow, das nannte man wohl „alles aus einer Hand“.

Sie kam an einem Laden vorbei, der sich als Videothek/Vorführraum/Internetcafé bezeichnete. Außerdem gab es noch ein Kurzwarengeschäft, eine Bank, einen Laden mit Schneemobilen und anderen Maschinen, in dem auch Kleinmotoren repariert wurden, einen Eisenwarenhandel und in der Ferne ein großes Blockhaus, das Gemeindezentrum.

Ein paar Minuten später erreichte sie schließlich die Praxis. Durch das große Fenster sah sie das überfüllte Wartezimmer. Wie, um alles in der Welt, konnten so viele Menschen an einem so kleinen Ort krank sein? Skye hatte ihr gesagt, dass sie manchmal nur drei Leute an einem Tag behandelte. Jetzt schien es, als wäre die halbe Stadtbevölkerung in der Praxis eingepfercht.

War eine Epidemie ausgebrochen? Sie öffnete die Tür und trat ein. Über ihr bimmelte eine Glocke.

Als hätte jemand eine Stummtaste gedrückt, wurde es sofort still im Raum. Alle Augen richteten sich auf Delphi. Ein Mann, der sein langes schwarzes Haar zu einem Zopf zurückgebunden hatte, trat vor. Das musste Nelson sein, der Mann, der sein Medizinstudium begann. Ein heiteres Lächeln umspielte seine Lippen und ließ seine Augen leuchten. „Hi, ich bin Nelson Sisnuket, und Sie müssen Delphi sein.“

„Das bin ich. Ich freue mich, Sie kennenzulernen.“

„Nicht annähernd so sehr, wie ich mich freue, Sie zu sehen. Es wurde langsam knapp.“

Ein Raunen ging durch den Raum, dann nahmen die Patienten ihre Gespräche wieder auf.

Delphi und Nelson gingen gemeinsam auf den Schreibtisch zu, der in der Nähe des kurzen Flurs stand. Es war die erste Praxis, die sie jemals betreten hatte, in der es keine Tür gab, die den Flur zu den Untersuchungsräumen und zum Büro des Arztes trennte.

„Bull baut nächste Woche eine Tür ein“, erklärte er.

„Oh, okay.“ Nelson konnte offensichtlich Gedanken lesen.

„Ich habe gesehen, wie Sie in den Flur geschaut haben“, sagte er lächelnd.

Delphi sah sich in dem überfüllten Wartezimmer um. „Ich nehme an, das ist nicht immer so.“

„Nein, das liegt daran, dass ich nur bis nächste Woche hier bin. Veränderungen, selbst gute, bringen die Leute durcheinander. Was halten Sie von einem kurzen Rundgang, bis Skye mit Norris fertig ist?“

„Gern.“

Zwei Untersuchungsräume, eine Abstellkammer, ein Bad und Skyes Büro waren im hinteren Teil untergebracht. Die Ausstattung war alt. Delphi hörte Skyes Stimme hinter der geschlossenen Tür des Untersuchungsraums.

„Möchten Sie hier warten, oder wollen Sie lieber wieder nach vorn? Ich muss weitermachen.“

„Ich komme wieder nach vorn, nachdem ich Skye gesehen habe, okay?“

„Okay.“

Sie setzte sich auf einen Holzstuhl und wartete. Es war schön, wieder in einer Arztpraxis zu sein, selbst wenn sie etwas altmodisch wirkte. Zurück in einer vertrauten Umgebung, schweiften ihre Gedanken ab.

Zu Lars. Seinem intensiven Blick, seinem Kuss, seiner Berührung. Der Gedanke daran, wie er nackt in diese Badewanne stieg, wie sie seinen Rücken wusch, wie er sie mitsamt den Kleidern zu sich hineinzog …

Sie versuchte, ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken, doch es gelang ihr nicht wirklich. Er war auf eine gefährliche Weise attraktiv und sexy. Die Art von Mann, die ihr Vater einen echten Kerl nennen würde.

Zum Glück betrat Skye in diesem Moment das Büro, was alle Fantasien über Lars vertrieb. Sie umarmten sich zur Begrüßung.

„Du siehst fantastisch aus!“, sagte Delphi und trat einen Schritt zurück, um ihre Freundin betrachten zu können. Good Riddance und die Ehe taten ihr offensichtlich gut.

„Danke. Es gefällt mir hier. Tatsächlich liebe ich es, hier zu leben. Ich bin glücklich mit dem, was ich tue, und mein Mann ist einfach wunderbar. Kein Grund zum Klagen also.“

Skye betrachtete Delphi. „Dein Haar sieht toll aus. Wann hast du’s abgeschnitten?“

„Als ich dein Angebot akzeptiert habe.“

„Es steht dir gut. Wie war deine Reise?“

„Lang, aber ereignislos.“ Nun, das stimmte nicht ganz. Schließlich hatte sie Lars getroffen. „Keine Probleme.“ Auch wenn er ein kleines Problem für ihren Seelenfrieden darstellte.

„Lass dich von den vielen Leuten im Wartezimmer nicht abschrecken. Alle sind hier, weil Nelson geht. Und ich mache jetzt besser weiter, sonst kommen wir heute nicht mehr raus. Hast du ein bisschen Zeit, um mit Nelson über organisatorische Dinge zu sprechen? Und wie wäre es mit Dinner heute Abend bei uns? Wir holen uns etwas bei Gus’ – das ist das Restaurant an der Landebahn. Wir könnten dort essen, aber die Menschen sind neugierig, und du bist sicherlich müde. Außerdem möchte ich dir gern unser Haus zeigen.“

„Klingt gut. Ich kann’s gar nicht erwarten, das Haus zu sehen.“

„Dalton und ich holen dich gegen Viertel vor sieben ab, wenn das okay ist.“

„Perfekt. Ich freue mich darauf, ihn kennenzulernen.“

„Ich bin froh, dass du da bist.“

Wieder schoss ihr Lars durch den Kopf. „Ich auch.“

Und merkwürdigerweise stimmte das.

4. KAPITEL

Dirk Swenson saß an der Bar im Gus’ und trank ein Bier. Er hatte es abgelehnt, mit Bull, Tansy, Liam und Aunt Janie mitzugehen – er wusste nicht einmal, wohin sie wollten. Aunt Janie nervte ihn, aber das ging den meisten so.

Ebenso gut könnte er seine Sorgen hier in einem Bier ertränken, obwohl es mehr als eins bräuchte, damit das gelang. Er hatte wirklich versucht, Liams Exfrau Natalie aus dem Kopf zu bekommen, aber es wollte ihm einfach nicht gelingen. Es war alles so verworren, und er wusste nicht, wie er das jemals wieder in Ordnung bringen sollte.

Er war im Nachbarhaus von Natalies Eltern aufgewachsen. Verdammt, er war in sie verliebt, solange er denken konnte. Aber er hatte sich nie getraut, es ihr zu sagen. Im Vergleich zu den anderen Jungs war er immer riesig gewesen, seine Noten hatten zu wünschen übrig gelassen, und in der Gegenwart von Mädchen war er schüchtern, besonders in Natalies. Zu erfahren, dass sie seinen Cousin Liam heiraten würde, war schrecklich für ihn gewesen. Jahrelang war er sauer auf Liam, vor allem als sie sich scheiden ließen.

Er und Liam hatten sich vertragen – nachdem er ihm ins Gesicht geschlagen hatte –, und jetzt war es okay. Liam hatte Natalie nicht schlecht behandelt und war auch nicht untreu gewesen. Sie hatten nur verschiedene Dinge gewollt.

Dirk arbeitete im Survival Camp als Liams Stellvertreter. Und zum ersten Mal in seinem Leben hatte er das Gefühl, seinen Platz gefunden zu haben, seine Bestimmung. Nur die Sache mit Natalie machte ihm noch zu schaffen.

Er kippte sein Bier hinunter und stand auf. Eins war ihm mittlerweile klar: Er musste in dieser Angelegenheit endlich tun, wozu er bisher nicht in der Lage gewesen war – darüber reden.

Durch die Verbindungstür ging er zum Büro des Flugplatzes. Merrilee blickte von ihrem Papierkram auf. „Hi, Dirk. Was kann ich für dich tun?“

„Ist Lars oben?“

„Klar. Zimmer drei.“ Sie griff nach einer Box, die auf der Ecke ihres Schreibtisches stand. „Sein Essen ist gerade gekommen. Könntest du es bitte mit nach oben nehmen?“

„Sicher.“

Dirk ging die Treppe hinauf und klopfte an die Tür von Zimmer drei. Nichts. Dann hörte er ein Pfeifen im Bad. Das war definitiv Lars.

Dirk öffnete die Schlafzimmertür, trat ein und schloss die Tür hinter sich. Er würde warten. Wenn er sich einmal zu etwas entschlossen hatte, dann zog er es auch durch.

Er stellte das Essen auf den Nachttisch und legte sich quer aufs Bett. Er war schon fast ins Reich der Träume abgedriftet, als die Tür aufging.

Lars, in Jeans und T-Shirt, blieb stehen. „Was, zum Teufel … Oh, hi, Dirk, fühl dich wie zu Hause.“

„Ich teste nur das Bett für dich.“ Grinsend richtete Dirk sich auf. „Es ist gemütlich.“

„Na, das sind ja gute Nachrichten.“ Lars schloss die Tür hinter sich und warf seine schmutzige Wäsche in die Ecke.

„Ich habe dir dein Essen gebracht.“

„Noch bessere Nachrichten.“ Er nahm die Box vom Nachttisch. „Also, was gibt’s?“

Dirk beugte sich vor und stützte die Unterarme auf die Knie. „Ich würde gern kurz mit dir sprechen.“

„Klar doch. Was hast du auf dem Herzen?“

„Natalie.“ Es machte keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden.

„Natalie wer?“, fragte Lars mit vollem Mund.

„Kennen wir beide mehr als eine? Natalie Reinhardt.“

„Liams Exfrau?“ Dirk nickte. „Okay, was ist mit ihr?“

„Ich weiß nicht, was ich tun soll.“

Lars lauschte aufmerksam, als Dirk ihn aufklärte. „Also, wie komme ich über sie hinweg?“

„Du bist mit anderen Frauen ausgegangen, richtig?“

„Ja, mit ein paar.“

„Und das hat nicht funktioniert?“

„Wenn es funktioniert hätte, würde ich jetzt nicht hier sitzen und jammern.“

„Dann solltest du dir vielleicht überlegen, wie du sie bekommst, statt wie du über sie hinwegkommst. Mann, du hast sie noch nicht mal geküsst.“ Lars schüttelte den Kopf, als wäre Dirk ein hoffnungsloser Fall. „Vielleicht schläfst du mit ihr und stellst fest, dass sie dich nicht wirklich antörnt.“

„Pass auf, wie du über sie sprichst.“

„Immer mit der Ruhe, Dirk. Es ist überhaupt nichts Respektlo-ses an Sex. Ich mag Natalie, deshalb habe ich sie nie und würde sie auch nie respektlos behandeln.“

„Okay. Es ist nur, du weißt doch …“ Er verstummte.

Lars zuckte mit den Schultern. „Nein, weiß ich nicht. Ich habe noch nie so nach einer Frau geschmachtet.“

„Was ist mit Denise Palmer?“ Es war kein Geheimnis, dass Lars verrückt nach Denise gewesen und ziemlich fertig war, als sie sich von ihm getrennt hatte.

„Ich bin über sie hinweg und habe meine Lektion gelernt. Deshalb verstehe ich nicht wirklich, warum Liam Tansy heiraten muss.“ Er schüttelte den Kopf und zuckte erneut mit den Schultern. „Aber ich muss es ja nicht verstehen. Ich kann nur sagen, wenn du ohne sie unglücklich bist, dann überleg dir, wie du sie bekommen kannst. Lade sie hierher ein.“

„Und was, wenn sie Nein sagt?“

„Warum sollte sie?“

Bei Lars klang es so einfach. „Was, wenn sie kommt und mich nicht, du weißt schon, mag?“

„Dieses Risiko musst du schon eingehen. Und du weißt, es besteht die gleiche Chance, dass sie dich mag.“

„Aber ich bin nicht wie Liam. Ich bin groß und habe Ecken und Kanten. Und ich habe in meinem Leben nichts erreicht.“

„Du bist, was du bist, Dirk. Aber warum sagst du, du hättest nichts erreicht? Du verdienst deinen Lebensunterhalt und tust, was du tun willst. Daran ist nichts falsch. Und dass du nicht wie Liam bist … ist wahrscheinlich gut so, denn mit den beiden hat es ja nicht funktioniert.“

So hatte Dirk die Sache noch nie betrachtet und fühlte sich plötzlich so gut wie schon lange nicht mehr. Erleichtert stand er auf. Vielleicht hatte er doch eine Chance bei Natalie.

Lars war gerade damit fertig, seine Sachen wegzuräumen, als es an der Tür klopfte. Er öffnete sie und entdeckte Liam, der zwei Flaschen Bier in der Hand hielt.

„Danke“, sagte Lars und nahm eine der Flaschen, während er zur Seite trat, damit Liam eintreten konnte.

„Ich dachte, du könntest eins gebrauchen, bevor die Junggesellenparty losgeht.“

„Gute Idee.“ Er hob die Flasche in Liams Richtung. „Auf dich.“

Liam grinste und erwiderte die Geste. „Auf dich.“

Lars trank einen großen Schluck.

„Also, was hältst du von Tansy?“

„Ich mag sie. Sie hat Stil und ist couragiert.“ Lars grinste. „Sie bestimmt, wo’s langgeht.“

„Ja, das tut sie.“

Liam war glücklich. Lars hatte seinen Bruder noch nie so gesehen. Er konnte die Freude seines Bruders buchstäblich spüren.

„Dann ist ja alles gut“, sagte Lars. „Dein Geschäft scheint super zu laufen. Als ich mir deine Webseite angesehen habe, hätte ich mich am liebsten für eine Woche angemeldet.“

Liam lachte. „Du brauchst kein Überlebenstraining. Wie läuft’s bei dir?“

Lars informierte ihn über die beruflichen Dinge, die man nicht per E-Mail besprechen konnte. Aber es gab noch ein Thema, das ihn beschäftigte. Liams Entlassung bei den Marines. Jetzt war der richtige Zeitpunkt, darüber zu sprechen.

„Vermisst du es?“, fragte Lars. Es war nicht nötig, „es“ zu definieren.

Liam schüttelte den Kopf. „Am Anfang schon, aber mittlerweile … nein. Tatsächlich würde ich jetzt, nachdem einige Zeit vergangen ist, sagen, dass es das Beste war, was mir passieren konnte. Das Leben geht weiter. Ich leite das Survival Camp gern. Jede Gruppe stellt eine neue Herausforderung dar. Und Dirk macht einen verdammt guten Job als mein Stellvertreter. Und Tansy … sie ist einfach großartig.“ Er trank einen Schluck. „Du klingst, als wärst du immer noch glücklich bei der Truppe.“

Einen Moment lang war Lars enttäuscht. Das war es also? Offensichtlich, wenn sie schon wieder über ihn redeten. Und warum sollte er nicht mehr glücklich bei den Marines sein?

„Das bin ich. Ich habe mir nur Sorgen um dich gemacht.“

„Ich will nicht lügen.“ Liam schüttelte den Kopf. „Ich war wütend, als ich hierherkam. Bull hat mir über vieles hinweggeholfen und Tansy auch. Tansy hat die Idee mit dem Survival Camp gehabt. Sie wollte nicht, dass ich mich in Selbstmitleid suhle.“

„Das kann ich mir vorstellen.“ Das nächste Thema sprach Lars noch vorsichtiger an als das erste. Es war etwas, das von Mann zu Mann besprochen werden musste. „Da wir gerade von Tansy sprechen … Versteh mich nicht falsch, sie scheint eine tolle Frau zu sein. Aber Heirat? Ich meine, du hast es schon mal versucht, und es hat nicht wirklich funktioniert. Wenn du nicht mein Bruder wärst, würde ich meinen Mund halten, aber …“

„Wir hatten schon immer eine unterschiedliche Einstellung zur Ehe und zu Frauen. Du weißt schon, diese Sache mit dir und Denise. Du musst es hinter dir lassen.“

„Das habe ich schon lange. Aber ich werde denselben Fehler nicht noch einmal machen.“ Er wollte nicht darüber sprechen. Jetzt ging es um Liam. „Du machst einen glücklichen und zufriedenen Eindruck. Ich schätze, ich hatte nicht damit gerechnet, dich so vorzufinden.“

„Nein? Dachtest du, ich wäre kurz vor meiner Hochzeit unglücklich?“

Lars zuckte mit den Schultern.

„Was die Ehe betrifft“, fuhr Liam fort, „habe ich von Bull einen der besten Ratschläge überhaupt bekommen. Er sagte, wenn man eine gute Frau gefunden hat, sollte man sie festhalten.“

Ein Bild von Delphi schoss Lars durch den Kopf. Das Gespräch ging zu tief. Zeit, die Situation etwas aufzulockern. „Das tue ich, die ganze Nacht lang.“

„Okay.“ Liam lachte. „Ich werde mich einfach zurücklehnen und abwarten. Irgendwann ist es auch bei dir so weit.“

Und wieder dachte Lars an Delphi.

„Es ist wunderschön“, sagte Delphi zu Skye und Dalton, als sie sich in deren Haus umsah. Es hatte einen großzügigen Grundriss, helle Holzböden, hell gestrichene Wände und hätte langweilig sein können, war es aber nicht. Die verschiedenen Schattierungen der hellen Farben wirkten beruhigend. Gerahmte Drucke an der Wand sorgten für Farbtupfer. Delphi ging hinüber, um sie sich genauer anzusehen. „Die sind fantastisch.“

„Nur ein Hobby“, erklärte Dalton mit einem breiten Grinsen. Es hatte keine zwei Minuten gedauert, da wusste Delphi, dass Dalton und Skye das perfekte Paar waren. Good Riddance und Dalton waren für ihre Freundin das Beste, was ihr auf dieser Welt hatte passieren können.

„Wenn die Damen mich bitte entschuldigen würden. Ich habe draußen ein Projekt, das ich überprüfen muss. Ich lasse euch allein, damit ihr vor dem Abendessen noch ein wenig tratschen … ähm, ich meine, plaudern könnt.“ Er gab Skye einen sanften Kuss auf den Kopf und ging zur Hintertür. Diese zärtliche Geste erfüllte Delphi mit Sehnsucht. Sofort dachte sie an den Kuss, den sie und Lars geteilt hatten. Während Dalton jedoch irgendwie süß war, war Lars gefährlich sexy.

„Er ist ein netter Kerl“, sagte sie zu Skye, als sich die Tür hinter Dalton schloss.

Skye setzte Teewasser auf.

„Manchmal ist er eine echte Nervensäge, aber er ist wunderbar. Als ich ihn das erste Mal traf, habe ich ihn für den unausstehlichsten Mann auf dem Planeten gehalten.“

„Wieso das?“ Wieder musste sie an Lars denken.

„Grüner Tee?“

„Hört sich gut an.“

„Er war arrogant und frech und persönliche Grenzen … vergiss es.“

Ja, ja und ja. Skye lächelte.

„Und viel zu sexy.“

Noch mal ja. Skye könnte ebenso gut über Lars sprechen. Schnell verdrängte Delphi den Gedanken. „Ganz offensichtlich hast du deine Meinung geändert.“

Skye lachte. „Dalton kann sehr überzeugend sein.“

Das alles konnte Delphi durchaus nachvollziehen. „Wie kommt er mit deinen Eltern zurecht?“

Autor

Jennifer La Brecque
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Daire St. Denis
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Andrea Laurence
Bereits im Alter von zehn Jahren begann Andrea Laurence damit, Geschichten zu schreiben – damals noch in ihrem Kinderzimmer, wo sie an einer alten Schreibmaschine saß. Sie hat immer davon geträumt, ihre Romane eines Tages in der Hand halten zu können, und sie arbeitete jahrelang hart, bis sich ihr Traum...
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