Baccara Exklusiv Band 108

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DER VIEL ZU SCHÖNE TRAUM von GALITZ, CATHLEEN
Heiß knistert es zwischen der jungen Nanny Ella und ihrem Boss, dem vermögenden Hawk. Seine Umarmungen sind ein Traum - der in Gefahr gerät, als eine arrogante Rivalin auftaucht: High-Sociecty-Lady Frannie. Sie will Ella, das "Dienstmädchen", aus Hawks Herzen verbannen …

WIE EIN SINNLICHER TRAUM von BETTS, HEIDI
Was für eine Nacht! Verschlafen greift Ethan neben sich, um Gwen zärtlich an sich zu ziehen. Gestern hat er sie zum ersten Mal geliebt, jetzt will er mehr. Aber er greift ins Leere - und ist hellwach! Er hat nicht mal ihre Adresse! Wie soll er sie jemals wiederfinden?

FEUERPROBE DES SCHICKSALS von CROSBY, SUSAN
Ein kalter Hauch weht Cassie an, als sie Heath Ravens düsteres Haus betritt. Dabei ist der attraktive Architekt einfach unwiderstehlich sexy, wenn er - was selten genug geschieht - lächelt, findet sie. Was ist geschehen, dass er eine Mauer um seine Seele gebaut hat?


  • Erscheinungstag 06.09.2013
  • Bandnummer 0108
  • ISBN / Artikelnummer 9783954467549
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cathleen Galitz, Heidi Betts, Susan Crosby

BACCARA EXKLUSIV BAND 108

CATHLEEN GALITZ

Der viel zu schöne Traum

Ella im Glück? Als sie zwei ausgebüxte Kinder zurückbringt, macht ihr deren verwitweter Vater, der reiche Unternehmer Hawk, einen Vorschlag: Sie wird die Nanny der beiden! Und als ihr attraktiver Boss sie heiß küsst, ist es um Ella restlos geschehen. Bis unerwartet seine ebenso schöne wie intrigante Schwägerin auftaucht: Sie will Hawk für sich. Da stört Ella nur …

HEIDI BETTS

Wie ein sinnlicher Traum

Ich bin viel zu lange brav gewesen! Die Bibliothekarin Gwen beschließt, ihr Leben zu ändern. Sie will Abenteuer, Flirts und vor allem … Sex! Aufregend gestylt geht sie in eine elegante Bar und landet noch in derselben Nacht im Bett eines Traummannes. Aber bevor er erwacht, flieht sie voller Angst. Was, wenn er sie als heimliches Aschenputtel durchschaut?

SUSAN CROSBY

Feuerprobe des Schicksals

Zuerst versucht Cassie, die Beziehung zu dem Architekten Heath Raven rein professionell zu halten. Aber je länger sie mit ihm und seinem Sohn in seiner Villa wohnt, desto stärker fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Und dann kommt der Tag, an dem sie ihm sacht übers Haar streicht – und er sie leidenschaftlich küsst. Eine Affäre beginnt … gegen die Zeit.

1. KAPITEL

„Sie sind mir vielleicht ein schöner Vater!“

Mit müden Augen sah Hawk vom Computer auf. Vor ihm stand eine wildfremde Frau, die offenbar den Verstand verloren hatte. Dennoch galt sein erster Blick ihrer ausgesprochen weiblichen und sehr sexy Figur. Der zweite fiel auf ihre Haare, die von einem leuchtenden Kastanienrot waren und die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Ein paar widerspenstige Strähnen hatten sich aber daraus gelöst. An einem ihrer wohlgeformten Beine hatte sie eine Laufmasche. Für Hawks Geschmack als Geschäftsmann und Arbeitgeber war dieser Rock etwas zu kurz. Persönlich fand er ihn jedoch durchaus reizvoll.

Als er sah, dass sie nach seiner gründlichen Musterung so wütend dreinblickte, dass ihre Augen nur so blitzten, war er froh, dass sie offenbar nicht bewaffnet war.

Ihm war niemals in den Sinn gekommen, dass er mitten in der Einsamkeit Wyomings einen Bodyguard benötigen könnte.

Der anklagende Satz, den die Frau ihm entgegengeschleudert hatte, klang ihm noch in den Ohren. In gewisser Weise hatte er sich diesen Vorwurf nach dem Tod seiner Frau schon oft genug selbst gemacht. Sie hatte ihn als alleinerziehenden Vater zurückgelassen, der keine Ahnung gehabt hatte, was für eine Herausforderung diese Rolle für ihn sein würde. Er war überrascht gewesen, wie viel schwieriger es war, zwei kleine Kinder zu beaufsichtigen, als die Verantwortung für eine Firma zu tragen, deren Angestellte sich ohnehin überschlugen, ihm alles recht zu machen.

Deshalb fiel es ihm jetzt auch nicht schwer, zu erraten, wer diese Person in sein Haus gelassen hatte. Die Schuldigen standen rechts und links neben ihr – der fünfjährige Billy und seine vierjährige Schwester Sarah.

Selbst an einem der seltenen Tage, an dem alles glattlief, wäre Hawk verärgert gewesen über die Unterbrechung und eine derartige Anschuldigung. Und heute war wahrlich kein solcher Tag. Sein Tag hatte damit angefangen, dass das Frühstück angebrannt war. Dann hatte er lange mit Sarah die Notwendigkeit des Haarekämmens debattieren müssen. Später hatte er sich den Zeh an einem herumliegenden Spielzeuglaster gestoßen und dabei Orangensaft auf einen wichtigen Vertrag gekippt.

Nun versuchte er seit geraumer Zeit, einen wichtigen Handel abzuschließen. Noch ein einziger Stromausfall, schwor sich Hawk, und mein nagelneuer Computer fliegt aus dem Fenster. Und er selbst würde mit Kind und Kegel zurück nach New York fliegen.

„Entschuldigen Sie bitte“, entgegnete er kühl. „Aber was sagten Sie?“

„Um Verzeihung bitten sollten Sie allerdings“, erwiderte die Verrückte und wedelte mit dem abgebrochenen Absatz ihres Schuhs vor seinem Gesicht herum. Sie schien nicht im Mindesten beeindruckt von seinem formellen Auftreten. „Ich würde Sie gern dem Jugendamt melden!“

„Ach, würden Sie das?“, murmelte Hawk in gespieltem Erstaunen, als zweifle er an ihrer Zurechnungsfähigkeit.

Sie hingegen schien ihn für etwas begriffsstutzig zu halten, denn sie wählte ihre nächsten Worte mit Bedacht und sprach jetzt sehr langsam.

„Ich bin Ella McBride, Ihre Nachbarin. Auch auf die Gefahr hin, Sie zu beleidigen, möchte ich wiederholen, dass ich doch wirklich wissen will, was für ein Vater seine Kinder ohne Aufsicht durch die Gegend wandern lässt, ohne sich darum zu kümmern, was ihnen alles zustoßen könnte. Wissen Sie, wie gefährlich das ist? Muss ich es aufzählen? Bären? Schlangen? Sittenstrolche!“

Verwirrt richtete Hawk seine Aufmerksamkeit auf seine Kinder, die sich rasch hinter dem Rücken ihrer Beschützerin versteckten. Langsam dämmerte ihm, was geschehen war. Ein kalter Schrecken durchzuckte ihn. Was hätte alles passieren können! Und er hatte die ganze Zeit geglaubt, Billy und Sarah wären im Kinderzimmer und guckten Zeichentrickfilme!

„Soll das etwa heißen, dass ihr ohne Erlaubnis das Haus verlassen habt?“, fragte er mit leiser Stimme, aber lautes Gebrüll hätte kaum mehr effektvoll sein können.

Die Kinder zuckten zusammen. Selbst Ella erbebte innerlich.

Noch nie hatte eine Stimme eine solche Wirkung auf sie gehabt. Sie beobachtete, wie Hawk mit den Fingern durch sein dunkles Haar fuhr, das an den Schläfen leicht silbergrau schimmerte. Ein distinguierter Mann, dachte sie und strich sich nun ebenfalls eine Strähne aus dem Gesicht. Sofort bereute sie diese etwas kokette Geste. Was kümmerte sie ausgerechnet jetzt ihr Aussehen? Sie war schließlich hierhergekommen, um diesem Mann gehörig die Meinung zu sagen!

Da machte es nicht den geringsten Unterschied, dass er nicht wie der Schurke aussah, den sie sich vorgestellt hatte. Er hatte weder die blutunterlaufenen Augen eines Trinkers noch den gehetzten Blick von jemandem, der ein schweres Vergehen begangen hatte. Im Gegenteil, er war sogar ziemlich attraktiv. Dass ihr Letzteres überhaupt auffiel, machte Ella noch wütender. Denn diese sehr subjektive Beobachtung durfte keine Rolle spielen angesichts dessen, was offenkundig eine Tatsache war: Dieser Mann kümmerte sich mehr um seinen Computer als um seine Kinder.

Dabei musste er eine Menge Geld haben. Auf der Suche nach den Eltern der beiden Ausreißer hatte sie nicht nur das Grundstück zu sehen bekommen, sondern auch einige der luxuriös ausgestatteten Räume dieses Hauses. Er konnte sich doch bestimmt ohne Weiteres ein Kindermädchen leisten.

„Kommt mal bitte her, ihr beiden“, sagte Hawk und stand auf, „und erzählt mir, was los ist.“

Es ärgerte ihn, dass Billy und Sarah, indem sie sich so albern versteckten, den Eindruck erweckten, er habe nicht nur seine Fürsorgepflicht vernachlässigt, sondern sei auch noch gewalttätig.

Schüchtern traten die zwei hinter dem Rücken ihrer Beschützerin hervor und ihrem Vater gegenüber. Ella legte jedem Kind eine Hand auf die Schulter, um es zu beruhigen. Sie glaubte zwar nicht, dass er die Kleinen schlagen würde, dazu wirkte er zu besorgt, aber sie war früher schon für geringere Vergehen verprügelt worden und wollte die beiden instinktiv schützen.

„Vielleicht sollte ich mit ihrer Mutter sprechen“, schlug sie vor.

„Das wäre sicher vorzuziehen“, erwiderte Hawk, „aber da die leider verstorben ist, müssen Sie mit mir vorliebnehmen.“

Ella war bestürzt. Ihr Ärger legte sich ein wenig. „Das tut mir leid. Wie lange …?“

„Noch kein ganzes Jahr.“

Sie bedauerte, gefragt zu haben. Es ging sie nichts an. Außerdem konnte sie da ohnehin nichts anderes tun, als die Kinder fest in die Arme zu nehmen. Sie wusste, wie es war, wenn man in frühen Jahren die Mutter verlor.

Wie gern hätte sie ihnen geholfen. Aber dazu fehlte ihr die Zeit. Sie sah auf die Uhr. An jedem anderen Tag hätte sie es vermutlich sogar genossen, einen abenteuerlichen Ausflug durchs Gebüsch und Unterholz gemacht zu haben, die ihren kleinen Garten von dem riesigen Nachbargrundstück trennten, um ihren neuen, reichen Nachbarn kennenzulernen. Ausgerechnet heute aber musste sie zu einem Bewerbungsgespräch – sicher nicht für den grandiosesten Job, aber sie brauchte ihn trotzdem dringend. Die Absagen, die sich auf ihrem Schreibtisch stapelten, hielten ihr deutlich vor Augen, dass etwas geschehen musste.

Wieder sah sie auf die Uhr, die unerbittlich tickte, sosehr sie auch wünschte, die Zeit würde stillstehen. Falls ihr Wagen ansprang, konnte sie in zwanzig Minuten in der Stadt sein. Das ließ ihr kaum noch Zeit, sich zu sammeln und ihre Haare zu kämmen, um sich für einen weiteren aussichtslosen Kellnerinnenjob vorzustellen.

Die beiden Kinder waren genauso überraschend vor ihrer Tür aufgetaucht wie die Kätzchen vor ein paar Wochen. Und es war ein Fehler gewesen, sie zu Keksen und Milch hereinzubitten, genauso wie es falsch gewesen war, die Kätzchen bei sich zu beherbergen. Aber sie hatte einfach ein Herz für verlassene, hilflose Wesen.

Ella hatte sich gesagt, dass sie für diese Kinder nicht verantwortlich sei, aber das hatte ihr wenig geholfen. Sie hatten sie so treuherzig angesehen und ihre Gesichter waren so schokoladenverschmiert gewesen, dass sie die zwei einfach nicht hatte fortschicken können.

„Wir haben bei unseren Großeltern gewohnt“, erklärte Billy.

„Aber nur, bis ich den Umzug hierher unter Dach und Fach hatte“, warf Hawk ein. Diese Frau sollte nicht auch noch annehmen, dass er seine Kinder bei seinen Eltern ablud. „Ich dachte, eine Ortsveränderung würde uns allen guttun“, fuhr er fort. „Leider ist es schwieriger, als ich annahm, Geschäfte per Computer abzuwickeln. Stromausfälle sind hier an der Tagesordnung. So allmählich kommen mir doch Zweifel, das muss ich gestehen.“

Er wirkte so niedergeschlagen, dass Ella ihn jetzt am liebsten in ihren Trost mit einbezogen hätte. Der Gedanke ließ ihr das Blut ins Gesicht schießen – sie kannte den Mann doch überhaupt nicht!

„Und zu allem Überfluss“, sagte Hawk, dem es offenbar guttat, seine Gedanken mit einem anderen Erwachsenen teilen zu können, „ist das Kindermädchen, das ich angestellt hatte, vor zwei Tagen mit einem Fernfahrer durchgebrannt und hat mich sitzen lassen.“

Das ist eine ziemlich glaubhafte Erklärung, dachte Ella. Dabei hatte sie Hawk noch vor wenigen Minuten der Jugendbehörde melden wollen.

„Ich hatte die Kinder vor einer Stunde vor den Fernseher gesetzt und gehofft, dass ich wenigstens diese eine Arbeit erledigen könnte. Ich hätte nicht geglaubt, dass sie weglaufen, was natürlich keine Entschuldigung ist.“ Er machte sich schwere Vorwürfe.

Er hockte sich vor die Kinder und sah sie an. Und dann tat er etwas, das Ella ehrlich überraschte. Er nahm die beiden in den Arm und sagte: „Was auch immer ihr euch dabei gedacht habt, macht so etwas nie, nie wieder. Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn euch etwas passiert.“

Während sie ihn betrachtete, fragte sie sich, wie ihr Leben wohl hätte aussehen können, wenn ihr Vater sich nur halb so viel Sorgen um sie gemacht hätte wie dieser Vater um seine beiden Sprösslinge.

Hawk sah zu ihr, und sein Ton wurde wieder sachlich. „Es tut mir leid, wenn ich Sie mit meinen Problemen behelligt habe, Miss McBride.“

„Bitte nennen Sie mich Ella.“ Um den Kindern zu zeigen, dass sie sie nicht im Stich ließ, fuhr sie fort: „Wo wir doch Nachbarn sind, können wir gern mal etwas zusammen unternehmen, damit euer Daddy in Ruhe arbeiten kann. Aber fragt ihn bitte vorher und lasst euch zu mir rüberbringen.“

Sie sah erneut auf die Uhr und merkte, dass sie viel zu spät dran war. Es bestand so gut wie keine Chance mehr, pünktlich zu ihrem Bewerbungsgespräch zu kommen.

„Es tut mir leid, wenn Sie meinetwegen Unannehmlichkeiten hatten“, versicherte Hawk. „Ich bin Ihnen etwas schuldig. Meine Kinder sind mein Ein und Alles.“ Hawk hasste es, in anderer Leute Schuld zu stehen, und hoffte, die Sache jetzt ein für alle Mal regeln zu können, bevor Ella McBride entdeckte, wie wohlhabend er war. Er hatte in seinem Leben bereits mehr Goldgräber getroffen, als er zählen konnte, und glaubte nicht, dass ihm jemand einfach so einen Gefallen tat, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.

„Ich würde Ihnen gern eine Entschädigung zukommen lassen“, erklärte er und griff nach seiner Brieftasche.

Ella war überrascht und verletzt. „Auf keinen Fall“, entgegnete sie kühl. „Aber wenn ich vielleicht mal telefonieren dürfte? Ich muss ein Bewerbungsgespräch verschieben, das ich jetzt gerade verpasse.“

Wieder fühlte sie Hawks Blick auf sich ruhen. Sie musste ja auch furchtbar aussehen nach ihrer Tour durch die Hecke und das Gebüsch. Aber das war schließlich seine Schuld. Ihre besten Schuhe waren ruiniert, ihre Haare eine Katastrophe. Sie hätte sich in diesem Moment eher für eine Safari bewerben können als für den Posten einer Kellnerin.

Ihr Selbstwertgefühl war schon klein genug, auch ohne dass dieser gut aussehende Mann sie abschätzig ansah.

Ellas Vater war gleich nach ihrer Geburt verschwunden. Ihre Mutter starb, als Ella zehn war. Sie war ins Waisenhaus gekommen. Zu alt, als dass jemand sie hätte adoptieren wollen, hatte sie, immer, wenn ein Paar sich statt ihrer für ein Baby oder ein hübscheres Mädchen mit blonden Haaren und blauen Augen entschieden hatte, ihren roten Haaren und den Sommersprossen die Schuld gegeben. Schließlich hatte sie sich auf andere Qualitäten konzentriert, auf Fleiß, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Fantasie, die ihr vielleicht irgendwann einmal zu Anerkennung verhelfen würden.

Hawk blickte sie nachdenklich an. Dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, und auf sie zutretend sagte er: „Ich habe eine bessere Idee.“

Erschrocken wich Ella zurück und stieß prompt gegen die Lehne eines Sessels.

Hawk hielt sie am Arm fest, damit sie nicht fiel. Bei der Berührung stockte ihr der Atem. Ihre Lippen formten ein O. Sekundenlang blickte sie gebannt in Hawks Augen. Sie waren grau mit winzigen goldenen Sprenkeln um die Iris, und wildes Begehren flackerte in ihnen auf.

Ella fühlte sich wie elektrisiert. Sie wusste nicht, was in sie gefahren war. Noch nie hatte ein Mann so schnell eine so intensive Wirkung auf sie gehabt.

„Alles in Ordnung?“, fragte er, und ein wissendes Lächeln spielte um seine Mundwinkel.

Hatte sie tatsächlich weiche Knie bekommen? Ella versuchte, sich wieder zu fangen. Sie mochte nicht hübsch sein, aber sie war immer stolz auf ihre Haltung gewesen – und auf ihren Scharfsinn. Beides drohte ihr im Augenblick zu entgleiten. Sie beeilte sich, Hawk und sich selbst zu beruhigen. „Mir geht es gut, alles in Ordnung.“

Erst jetzt ließ er ihren Arm los, und es war, als zöge man zwei Magneten auseinander. Rasch trat Ella hinter den Stuhl, über den sie eben fast gefallen war.

Hawk unterdrückte ein Lächeln. Sie nahm doch wohl nicht an, dass er sie durch sein Zimmer verfolgen würde wie ein alter Lüstling in einer verstaubten Komödie. Solche Spielchen waren nicht seine Art. Wenn er ehrlich war, hatten seine Probleme jegliche Gefühle sexueller Natur in letzter Zeit ohnehin so gut wie erstickt. Außerdem war Ella McBride ja fast noch ein Kind – und sicher auch noch Jungfrau, ihrer Reaktion auf seine Berührung nach zu urteilen.

„Es gibt keinen Grund, so verschreckt zu gucken“, sagte er. „Ich habe nicht vor, über Sie herzufallen. Ich möchte Ihnen nur einen Job anbieten.“

Ella sah ihn misstrauisch an. „Was für einen Job?“

„Nichts, wofür Sie sich als französisches Zimmermädchen verkleiden müssen, wenn es das ist, was Sie befürchten“, erklärte er lächelnd.

Die Fingernägel tief in das Polster des Sessels gekrallt, an dem sie sich festhielt, bemühte sie sich um ein würdevolles Erscheinungsbild. Ganz eindeutig hielt dieser Mann sie für ein naives junges Ding. Was sie natürlich auch war. Außerdem, was sollte ein reicher, attraktiver Mann wie er von einem hässlichen kleinen Entlein wie ihr wollen? Sicherlich nichts von dem, was ihr in dem Moment, da er sie berührt hatte, in den Sinn gekommen war. Aber sie hatte ja schon immer eine blühende Fantasie gehabt.

„Ich fühle mich nicht nur daran schuld, dass Sie Ihr Vorstellungsgespräch verpasst haben“, erklärte Hawk, „sondern ich glaube, ich kann Sie wirklich brauchen. Meine Kinder haben Sie immerhin schon für sich eingenommen.“

„Sie meinen, ich soll als Kindermädchen für Sie arbeiten?“ Warum nur schien sie auf alle Menschen einen so mütterlichen Eindruck zu machen? Sie fühlte sich noch viel zu jung, um auf eine solche Rolle festgelegt zu werden. Das Leben allein konnte so aufregend und schön sein. So schnell wollte sie ihre Freiheit eigentlich nicht wieder aufgeben.

Billy begann, auf- und abzuhüpfen. „Du wirst unsere neue Mom!“

Sarah, auch wenn sie nicht genau wusste, was vor sich ging, stimmte mit ein. „Mom, Mom, Mom!“

„Nein!“, riefen Ella und Hawk einstimmig.

„Ein Kindermädchen ist keine neue Mutter“, erklärte Hawk. Er sah, dass Ella errötete, und versuchte, die etwas peinliche Situation zu überspielen. „Aber ich finde, ‚Kindermädchen‘ ist ein zu schwacher Ausdruck. Sagen wir einfach, Sie helfen einem verzweifelten Vater und seinen zwei Kindern.“

„Verzweifelt“ war noch untertrieben. Im letzten Jahr hatte er am eigenen Leib zu spüren bekommen, dass Kindererziehung Knochenarbeit war. Trotzdem war es eine dankbare Aufgabe und erfüllender als Management. Ihm war aufgefallen, wie viel Distanz sein Job zwischen ihn und seine Familie gebracht hatte. Anfangs hatte er sich seinen Kindern gegenüber wie ein Fremder gefühlt. Erst in letzter Zeit hatten die beiden begonnen, Zutrauen zu ihm zu fassen. Ihnen Gutenachtgeschichten vorzulesen und ihre kleinen Arme um seinen Hals zu spüren, gab ihm allen Ansporn, um mit jeglichen Problemen fertigzuwerden. Und wenn er zu Hause arbeitete, konnte er die neu gewonnene Verbindung zu seinen Kindern aufrechterhalten. Was er brauchte, war jemand, der ihm half, damit er überhaupt zum Arbeiten kam und seine Geschäfte nicht vernachlässigte.

Geld war kein Thema für ihn, und dass Ella Nein sagen könnte, kam Hawk gar nicht in den Sinn.

Ella winkte lediglich ab. „Das ist ein großzügiges Angebot, aber ich glaube nicht, dass es das Richtige für mich ist.“

„Bitte“, sagte Sarah mit hoffnungsvollem Blick.

Ella seufzte. Sie kannte das Gefühl, das sich in ihr ausbreitete. Es hieß Pflichtbewusstsein, und sie hatte viel zu viel davon.

Die Bedürfnisse anderer immer über ihre eigenen zu stellen war für sie selbstverständlich geworden. Sie war nie adoptiert worden, aber nach einiger Zeit in Familien geschickt worden, die einen Babysitter und Hilfe im Haus brauchten. Ihre Freunde hatten sie „Schwester Mac“ genannt und damit ihre Fürsorge für die Kinder anderer Leute verspottet – und sie an den Schmerz erinnert, den jede neue Trennung in ihr ausgelöst hatte.

Mit den Jahren hatte sie erkannt, dass es nicht gut für sie war, die eigenen Bedürfnisse immer hintenanzustellen.

„Bitte!“, sagte Billy jetzt, und es zog ihr das Herz zusammen.

„Darf ich vielleicht wissen, für welche Gehaltsklasse Sie sich heute vorstellen wollten?“, fragte Hawk.

Ihr Gesichtsausdruck zeigte Hawk, dass er besser nicht gefragt hätte. Aber Ella nannte eine Summe, in die sie eventuelle Trinkgelder mit einbezog. Sie mochte nicht die hübscheste Kellnerin sein, die George Abrams jemals eingestellt hätte, aber sie hatte eine Art, mit Gästen umzugehen, ein ehrliches Interesse an ihnen und natürlichen Charme, der ein Lächeln auf die Gesichter der Kunden zauberte, was ihr alles zusammen immer ganz passable Trinkgelder eingebracht hatte.

Hawk blinzelte nicht einmal, als Ella die Summe nannte. „Ich würde das Doppelte zahlen – und obendrein freie Unterkunft und Verpflegung. Wann können Sie einziehen?“

„Einziehen? Hier bei Ihnen?“, rief Ella entsetzt. „Ich kenne ja noch nicht einmal Ihren Namen!“

„William Fawkson Hawk III“, sagte Hawk nicht ohne Ironie und reichte ihr lächelnd die Hand. „Aber nennen Sie mich Hawk.“

Ella wich zurück wie vor einer giftigen Schlange. Sie würde keinen weiteren Körperkontakt zu diesem Mann riskieren.

„Wenn Sie auch noch passabel kochen können, bekommen Sie das Dreifache. Die Kinder werden gern bezeugen, dass ich es sogar schaffe, ein Peanutbutter-Sandwich zu vermasseln, und so langsam haben sie Fertignudelgerichte aus der Tüte satt.“

„Ich kann kochen, und ich habe gute Referenzen“, stellte Ella ein wenig missmutig klar. Sie wurde da in etwas hineingezogen, das außer Kontrolle zu geraten schien. Ihr schwirrte der Kopf. War das alles ein Traum?

Sie sah sich im Raum um und wusste, dass sie es nicht mit einem Verrückten zu tun hatte. Dieser Mann war ein erfolgreicher Geschäftsmann, sehr souverän und professionell. War ihm klar, dass er ihr so viel Geld anbot, dass sie in einem Jahr genug zusammenhaben würde, um sich ganz auf ihr Studium zu konzentrieren? Damit schien die Möglichkeit, zum College zu gehen, endlich in greifbare Nähe zu rücken. Denn wenn sie weiterhin immer nur einen Kurs zurzeit belegte, könnte sie wahrscheinlich die Rente einreichen, nachdem sie ihren Abschluss hatte.

Deshalb wusste sie auch nicht, warum sie jetzt nicht mit Freuden auf das Angebot einging.

Sie hatte nichts gegen ehrliche, harte Arbeit. Die war sie seit jeher gewohnt. Und die beiden Kleinen waren ungemein liebenswert, und außerdem wären sie das perfekte Publikum für ihre Geschichten. Denn so ganz konnte Ella sich noch nicht von ihrem Traum verabschieden, eines Tages ein Bilderbuch für Kinder zu veröffentlichen, auch wenn sie es schon lange und erfolglos versuchte.

Vielleicht war es das: Sie fühlte sich zu sehr als Künstlerin, um ihre Freiheit und Unabhängigkeit aufzugeben.

Vielleicht hatte sie auch schon so viele kleine Nasen geputzt und klebrige Hände gewaschen, dass es für ein Leben lang reichte.

Oder vielleicht lag es daran, dass der Blick dieses Mannes nicht weniger Eindruck auf sie machte als sein Händedruck. Immerhin, sagte sie sich, hat die kurze Berührung mich fast dahinschmelzen lassen wie in einem kitschigen Film.

„Wann können Sie anfangen? Brauchen Sie Hilfe beim Umzug?“, drängte Hawk.

Bei seinem etwas schiefen Lächeln – sein Sohn Billy hatte das auch – zeigte sich ein Grübchen in seinem Kinn.

„Ich kann helfen!“, bot Billy an und klopfte sich auf die Brust.

Nur eine Frau aus Stein hätte diesen Attacken männlichen Charmes widerstehen können.

Ella seufzte und kapitulierte – und bereute die Entscheidung, noch während sie sie traf. „Der Umzug ist nicht das Problem“, sagte sie. „Ich habe nicht viel. Aber wir müssen ein paar Grundregeln festlegen.“ Das klang gar nicht mehr jungmädchenhaft, sondern richtig professionell.

Hawk versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. Wenn Ella McBride jetzt anfing, Sicherheitsvorkehrungen für den Erhalt ihrer Unschuld zu treffen, würde er nicht ernst bleiben können.

Aber Ellas Anliegen war ein ganz anderes und hatte nichts mit ihrer Jungfräulichkeit zu tun.

„Ich werde Ihr Angebot annehmen, wenn ich erstens jeden Mittwochabend freinehmen kann, um einen Abendkurs am College zu besuchen, und wenn Sie zweitens nicht versuchen, meine Autorität zu untergraben. Ich möchte freie Hand im Umgang mit den Kindern. Und ich muss Sie warnen“, fügte sie hinzu und sah ihn ernst an, als wollte sie ihm ein lange verschwiegenes Verbrechen gestehen, „meine Methoden sind unkonventionell.“

„Bei der Haarfarbe hätte ich auch nichts anderes erwartet“, sagte Hawk und brach in lautes Lachen aus, während Ella dunkel­rot wurde.

2. KAPITEL

Ella war immer noch wütend über Hawks letzte Bemerkung, als sie am nächsten Tag ihren Koffer zuklappte. Der alte gelbe Koffer hatte schon eine Menge mitgemacht, und man sah es ihm an. Aber er war eines der letzten Andenken an ihre Mutter, und sie hielt ihn in Ehren.

Als Ella ihr spärliches Gepäck auf die Veranda stellte, war sie froh, dass sie als Kindermädchen keine umfangreiche Garderobe brauchen würde. Jeans, ein paar T-Shirts, ihr roter Lieblingspulli und Tennisschuhe mussten reichen.

So, wie die kleine Hütte ihr eineinhalb Jahre lang gereicht hatte. Sie bestand nur aus einem einzigen, großen Raum, in dem ihr Bett, ein Tisch, ein paar Stühle und ein uralter, aber funktionierender Ofen standen, der sowohl zum Heizen als auch zum Kochen diente. Neben dem großen Fenster stand eine Staffelei und darauf ein unvollendetes Bild. Die Wände waren bedeckt mit Bildern von bunten Landschaften, Märchenschlössern und Fabelwesen, von denen einige bei genauem Hinsehen tatsächlich Turnschuhe anhatten.

Ella kannte eine Menge Menschen, die angesichts ihrer schlichten Behausung sicherlich die Nase gerümpft hätten. Sie hatte nicht einmal fließend Wasser und keinen Strom. Aber irgendwelche spießbürgerlichen Auffassungen tat sie damit ab, dass sie die Hütte lachend ihr „Studio“ nannte. Sie sah sich als eine der vielen Künstlerinnen, die notwendigerweise Verzicht üben mussten, um ihren unkonventionellen, freien Lebensstil aufrechterhalten zu können. Auch wenn es Momente gab, in denen sie sich Dinge wie etwa ein Telefon wünschte – zum Beispiel gestern, als die beiden kleinen Racker auf ihrer Türschwelle aufgetaucht waren und ein Anruf ihr den Marsch zum Nachbargrundstück erspart hätte. Wie viel einfacher ihr Leben jetzt doch wäre, wenn sie diesem Mann nie in die Augen gesehen hätte – denn nie würde sie dieses Grau auf die Leinwand bringen können.

Zufrieden mit ihrer eigenen Gesellschaft, hatte Ella ihre Tage am Fuß der Wind River Mountains genossen. Wie viele glückliche Stunden hatte sie im Schaukelstuhl auf der Veranda verbracht, den Lerchen gelauscht und die Welt so gemalt, wie sie sie haben wollte. Ihr neuer Boss mochte ein echtes Schloss haben, aber es fiel Ella doch schwer, ihr Zuhause zu verlassen. Nach Jahren als Dienstbotin und Kindermädchen war sie froh gewesen, sich einmal nur um sich selbst kümmern zu müssen.

Und wie oft hatte sie ihr Herz einer Familie geschenkt, nur um es dann vor die Füße geworfen zu bekommen, wenn ihre Dienstzeit um war! Vielleicht sollte sie gar nicht erst allzu innige Gefühle für Billy und Sarah entwickeln. Ihr Herr Vater würde ohnehin nach seinem ersten Winter hier die Flucht ergreifen vor dem rauen Klima, der Einsamkeit und dem schlichten kulturellen Angebot. Die Einrichtung seines Hauses ließ vermuten, dass er Partys und Empfänge lieber mochte als Rodeos und das Landleben.

Aber was soll’s, sagte sich Ella. Bei der Aussicht auf ein astronomisches Gehalt schob sie alle Vorbehalte gegen ihren schicken neuen Boss zur Seite. Im Geiste spielte Ella eine Unterhaltung mit ihrer Freundin Phoebe durch, die das Wort „heiß“ auf jeden reizvollen Vertreter des männlichen Geschlechts anwandte.

Phoebe würde von Hawk begeistert sein. Ihre Freundin war schon in der siebten Klasse hinter den Jungen her gewesen und verrenkte sich immer noch den Hals nach jedem gut gebauten Mann. Sie hatte den Verdacht, dass Phoebe nur deshalb Kunst studierte, damit sie in Ruhe die männlichen Aktmodelle betrachten konnte. Phoebe war aber auch eine hoffnungslose Romantikerin und machte aus jedem harmlosen Flirt eine leidenschaftliche Liebesgeschichte, die dann nie stattfand.

Ella verstaute ihre Farben und Pinsel im Kofferraum ihres Pick-ups und machte sich daran, die Kätzchen einzusammeln. Die protestierten lautstark dagegen, in einen Karton verfrachtet zu werden. Sie schloss die Tür ab, auch wenn hier wohl kaum jemand einbrechen würde, und sagte still Auf Wiedersehen. Dann stellte sie den Karton mit den Kätzchen auf den Beifahrersitz, ließ den Motor an und fuhr ihrem neuen Leben entgegen.

Die Entfernung zwischen Hawks Anwesen und ihrer Hütte war nicht groß – vorausgesetzt, man ging querfeldein. Mit gutem Schuhwerk hätte Ella den Weg in einer Viertelstunde bewältigen können. Aber mit dem Wagen musste sie das Grundstück einmal umrunden, und es war ein großes Gelände. Sie kurbelte beide Fenster herunter, weil es im Wagen brütend heiß war. Dass der Wind ihr nun das Haar zerzauste, machte ihr nichts aus – heute war das egal.

Noch hatten die Wiesen und Weiden das letzte Grün des endenden Sommers. Bald würden die Blätter der Espen sich rot und golden verfärben. Ella war versucht, anzuhalten und das wunderschöne Morgenlicht zu genießen, das den Gipfel des Gannet in zarte Rosa- und Rotschattierungen tauchte. Dort, hoch oben, lag das ganze Jahr über Schnee. Wie immer sah Ella in den Schatten und Zacken des Berges Fabelwesen. War das dort nicht der Bart eines Satyrs?

Ein kleines schwarz-weißes Kätzchen, das sie Holstein getauft hatte, war dabei, aus dem Karton zu krabbeln. Ella nahm es, setzte es sich vorsichtig auf den Schoß und fuhr weiter.

„Jetzt, wo ich wieder eine geregelte Arbeitszeit habe, sollte ich nicht trödeln“, sagte sie laut zu sich selbst und bog in die lange Einfahrt zu Hawks Haus.

Nach insgesamt einer halben Stunde Fahrt stand sie dann vor der Haustür ihres neuen Arbeitgebers und klingelte – und klingelte erneut. Und ein drittes Mal. Schließlich verlor sie die Geduld und öffnete die Tür, die nicht abgeschlossen war.

Sie hatte sich auf keinen Fall im Tag oder der Zeit geirrt. Als sie eintrat, wurde ihr sofort klar, warum niemand sie gehört hatte. Der Fernseher lief in voller Lautstärke. Über den riesigen Bildschirm flackerte ein Zeichentrickfilm. Ella schüttelte den Kopf. Sie hielt Fernsehen für reine Zeitverschwendung.

Vorsichtig stieg sie über verstreutes Spielzeug, um das verlassene Gerät abzuschalten. Dann folgte sie einem anderen Geräusch, offenbar ein Computerspiel, und landete vorerst in Hawks Arbeitszimmer, wo er wieder vor dem Computer saß.

Als Erstes sah sie, dass ihr Boss einen Haarschnitt brauchte. Sein Haar begann sich im Nacken bereits zu locken. Er merkte nicht, dass sie ihn von der Tür aus betrachtete. Offenbar konnte nichts ihn von seiner derzeitigen Beschäftigung ablenken.

Phoebe wäre enttäuscht, dass ein so attraktiver, vornehm wirkender Mann in Wahrheit ein Computerfreak war. Aber sie, Ella, konnte nicht leugnen, was sie vor sich sah. Ebenso wenig wollte sie zugeben, dass ihr Herz bei seinem Anblick ein wenig schneller schlug.

Ella bewunderte die Gabe, sich voll und ganz in eine Aufgabe zu vertiefen. Bisher war ihr nie in den Sinn gekommen, dass irgendein Geldjob die gleiche Faszination auf jemanden ausüben könnte wie Kunst auf sie. Am besten störte sie ihn jetzt nicht, sondern suchte weiter nach Billy und Sarah.

Die Geräusche des Computerspiels führten sie schließlich ins Kinderzimmer. Die zwei saßen nebeneinander vor einem Bildschirm, die Hände an Joysticks, und murmelten vor sich hin.

„Ich glaube, ihr habt heute genug Zeit damit verbracht, die Welt zu retten“, sagte Ella und schaltete das Spiel einfach ab.

Sie hätte ihnen genauso gut die Luftzufuhr abdrehen können.

„Wir waren mittendrin!“, rief Billy weinerlich.

„Ja!“, bestärkte Sarah und stemmte ihre kleinen Fäuste in die Hüften.

Billy streckte die Hand nach dem Schalter aus. Aber der Bildschirm blieb schwarz. Ella schwang das Stromkabel hin und her und lächelte. Sie wollte den beiden lieber gleich zeigen, wer hier das Sagen hatte.

„Hey!“, riefen die zwei im Chor.

„Gewonnen“, gab sie zurück.

Sie war entschlossen, die Zeit der beiden vor dem Fernseher oder Computer stark zu begrenzen, und erklärte, sie brauche jetzt Hilfe beim Auspacken. Die Kinder maulten. Sarah drohte, es „ihrem Daddy zu sagen“, wenn sie den Stecker nicht sofort wieder hereinstecken würde.

„Nur zu“, meinte Ella unbeeindruckt. Sie würde sich von zwei Dreikäsehochs nicht manipulieren lassen. Natürlich wollte sie ihren ersten Tag auch nicht mit einem Streit beginnen, deshalb versuchte sie, die beiden abzulenken.

„Ich habe euch eine Überraschung mitgebracht.“

In den Kinderaugen flackerte plötzlich Interesse auf.

„Was denn?“, fragte Billy.

„Was zum Spielen?“, fragte Sarah.

„Nein, nichts zum Spielen“, antwortete Ella lachend und dachte an die Mengen von Spielzeug, das überall herumlag. Sie hockte sich vor Billy und Sarah. „Ich glaube, davon habt ihr schon mehr als genug. Mögt ihr Tiere?“

Die Kleinen nickten begeistert.

„Was haltet ihr von einem kleinen Haustier? Ihr müsst aber gut darauf aufpassen.“

„Ein Haustier?“, rief Sarah entzückt.

„Ja“, versicherte Ella. „Das heißt, natürlich nur, wenn ihr euch alt genug fühlt, um so eine Aufgabe zu übernehmen.“

Die beiden konnten ihre Neugier nicht mehr zügeln und sprangen auf und ab. Was für ein Tier hatte ihr neues Kindermädchen ihnen wohl mitgebracht? Billy sagte, er wolle keine Fische.

„Ich hatte mal welche, und die sind alle gestorben“, erklärte er.

Billy und Sarah nahmen Ella bei der Hand und zogen sie vom Boden hoch.

Sehr eifrig halfen sie, das Gepäck ins Haus zu tragen. Ella konnte kaum einen Blick in ihr Zimmer werfen, bevor Billy und Sarah sie wieder hinauszerrten und wissen wollten, was in dem Karton auf dem Beifahrersitz rumorte.

Ella wusste sehr wohl, dass sie erst Hawks Erlaubnis hätte einholen sollen, ehe sie die Kätzchen mitbrachte. Aber sie hatte sich gesagt, dass jedes Kind ein Haustier haben sollte. Und was hätte sie tun sollen, wenn er Nein gesagt hätte? Sie hätte die Kätzchen schließlich nicht bei irgendjemandem auf der Türschwelle abstellen können, so wie irgendjemand sie bei ihr abgeladen hatte. Nein, sie plante, Hawks Notlage auszunutzen – er brauchte sie, und sie würde die Katzen eben mitbringen.

Als sie nun sah, wie die Kinder mit ihren neuen Freunden spielten, war Ella froh über ihre Entscheidung. Eines hatte sie von klein auf gelernt: Es gab eine Art von Glück, die mit Geld nicht zu kaufen war, und genau dieses Glück sah sie jetzt in den leuchtenden Gesichtern von Billy und Sarah. Ihre Mutter hatte Ella gelehrt, ihre Fantasie zu gebrauchen und mit anderen Menschen freundlich umzugehen, was viel wichtiger war, als in Reichtum aufzuwachsen. Und ein herumtollendes Kätzchen schenkte mehr Freude als alle Videospiele der Welt.

Hawk war überrascht, als er auf die Uhr blickte. Er hatte heute bereits ungewöhnlich viel Arbeit erledigt, und das ganz ohne die üblichen Unterbrechungen. Er rückte mit seinem Stuhl vom Schreibtisch zurück und lauschte. Normalerweise hörte er seine Kinder spielen – oder streiten. Aber jetzt war nichts zu hören. Er bekam Angst. Irgendetwas stimmte nicht. Wo waren seine Kleinen? Was führten sie im Schilde? Das neue Kindermädchen hätte längst hier sein müssen.

Auf den ersten Blick war Ella McBride ihm ein wenig unbeständig erschienen. Aber ihr Auftreten und ihr fester Händedruck hatten bei ihm dann den Eindruck erweckt, dass sie ihr Wort hielt. Und ihre Referenzen waren alle tadellos. Er hatte sogar das Gefühl gehabt, mit dieser Frau als Kindermädchen einen seltenen Glücksfang gemacht zu haben. Wo steckte sie nur?

Hawk eilte ins Wohnzimmer und blieb wie angewurzelt stehen. Irgendetwas fehlte. Es dauerte eine Weile, ehe er merkte, dass nicht nur der Fernseher abgeschaltet war, sondern auch die schmutzige Wäsche und die verstreuten Spielsachen fort waren. Die Schlafzimmer der Kinder und das Kinderzimmer waren in ähnlich ordentlichem Zustand. Da Hawk nicht annahm, dass ein Kidnapper erst noch aufräumen würde, bevor er seine Kinder schnappte, musste es Ella gewesen sein. Die gute Fee war also eingetroffen und hatte bereits Gebrauch von ihrem Zauberstab gemacht.

Trotzdem war ihm die Stille, nach der er sich so oft gesehnt hatte, jetzt unheimlich. So wäre sein Leben ohne die Kinder: still und leer.

Hawk hatte das Bedürfnis, das Lachen seiner Kinder zu hören. Aber wo waren sie? Schließlich entdeckte er sie, als er aus dem Vorderfenster blickte. Billy und Sarah hielten Stöcke, an deren Enden sie bunte Tücher geknotet hatten, und liefen auf den alten Apfelbaum zu. Mehrere Kätzchen folgten ihnen auf dem Fuß. Eins hatte sogar ein Stofffähnchen an den Schwanz gebunden. Das Bild war fast genauso entzückend wie der Anblick des neuen Kindermädchens, das die Hüften zu einer improvisierten Musik wiegte, die alle drei auf Töpfen und Pfannen produzierten.

Hätte er doch nur einen Fotoapparat zur Hand, um dieses Bild festzuhalten! Wie der Rattenfänger von Hameln führte Ella die kleine bunte Gruppe an und breitete schließlich auf dem Rasen eine Decke für ein Picknick aus. Alle drei lachten übermütig.

Eine Spur von Eifersucht regte sich in Hawk. So glücklich hatte er Billy und Sarah seit sehr langer Zeit – lange vor der Beerdigung ihrer Mutter – nicht mehr gesehen. Wie war es Ella nur gelungen, so schnell mit ein paar Sandwiches und Marshmallows die Gunst seiner Kinder zu gewinnen? Er hatte die beiden nie so zum Lachen bringen können.

Und warum hatte ihn keiner gefragt, ob er mit von der Partie sein wolle?

Sicher, er war Ella dankbar dafür, dass sie gut mit Kindern umgehen konnte und dass sie es geschafft hatte, im Handumdrehen das Chaos im Haus zu beseitigen. Aber auf einer anderen, rein instinktiven Ebene war ihm unwohl beim Anblick der beiden strahlenden kleinen Gesichter. Er betrachtete Ella eingehender. In ihren Jeans, einem hellgelben Pulli und mit wallenden roten Locken, die ihr offen über die Schultern fielen, wirkte sie viel weniger lächerlich als bei ihrem gestrigen Auftritt. Sie verkörperte schlicht und einfach den Traum jeden Mannes.

Die Gefühle, die sich jetzt in ihm regten, als Ella sich auf die Decke fallen ließ, beunruhigten ihn. Himmel, sie war doch fast noch ein Teenager! Auf jeden Fall war sie viel zu jung und naiv, als dass ein reifer Mann – ein Vater obendrein! – ihr hinterherjagte. Er benahm sich ja so, als wäre ihm das Herz nicht bereits in der grausamsten Weise gebrochen worden.

Hoffentlich war es kein Fehler gewesen, sie hierherzuholen. Denn das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, waren irgendwelche Komplikationen in seinem Liebesleben. Seine Leidenschaft war zusammen mit seiner Frau gestorben und begraben, und er wollte sie nicht wiederbeleben. Und schon gar nicht mit einer blutjungen Angestellten.

Eine Katzentoilette stand ganz oben auf Ellas Einkaufsliste für den Ausflug nach Lander, der nächsten kleinen Stadt. Sie hatte die erste Nacht in Hawks Haus überstanden, und auch wenn ihr neuer Arbeitgeber nicht sehr angetan gewesen war von ihren maunzenden Mitbringseln, so hatte er ihr doch nicht mit der sofortigen Kündigung gedroht. Damit hätte er ohnehin seine Sprösslinge gegen sich aufgebracht, die sich von ihren Haustieren auf keinen Fall mehr trennen wollten.

Die beiden Kätzchen Holstein und Sly blieben Ella treu, aber Chin und Chilla hatten sofort begriffen, wo es jetzt die meisten Streicheleinheiten und Leckerbissen zu holen gab – bei Billy und Sarah. Sie rekelten sich in den Armen ihres neuen Herrchens und Frauchens und waren glücklich, dass ihr Leben in Armut ein Ende hatte. Für sie würde es keine Essensreste mehr geben! Der kleine weiße Faucher, der am wenigsten zutraulich war, hatte sich unerklärlicherweise an die Fersen desjenigen geheftet, der als Einziger nichts mit den Tieren zu tun haben wollte und versuchte, ihnen aus dem Weg zu gehen – Hawk.

„Das gibt sich, wenn sie älter werden“, sagte Ella unbekümmert, während sie Hawks Scheckbuch in die Gesäßtasche ihrer abgeschnittenen Jeans steckte. Leider hatte die zarte helle Haut ihrer langen Beine auch nach Stunden in der Sonne keine Bräune angenommen, hatte glücklicherweise aber auch keinen Sonnenbrand abbekommen. „Trauen Sie mir denn auch mit diesen Blankoschecks?“

Hawk versuchte, die Frage von der geschäftlichen Warte aus zu betrachten. Wenn Ella mit seinem Geld davonlief oder sich eine Menge persönlicher Luxusgegenstände dafür kaufte, wäre es nicht das erste Mal, dass man ihn übervorteilte. Woran lag es nur, dass er dieser Frau mit den leuchtend grünen Augen so völlig vertraute?

„Wenn ich Ihnen meine Kinder anvertraue, warum nicht auch mein Geld? Das ist im Vergleich dazu doch völlig unbedeutend.“

Ella war von dieser Offenheit und von seiner Weisheit überrascht und mochte keine weiteren Witze über die Blankoschecks machen. Hatte sie ihn so falsch eingeschätzt? Sie hatte geglaubt, dass er in seiner Verzweiflung jede Frau, die gerade vorbeigekommen wäre, als Kindermädchen eingestellt hätte. Doch vielleicht besaß er ja genauso viel Menschenkenntnis wie Geschäftssinn, und vielleicht waren beide sogar miteinander verbunden. Bisher war ihr nie in den Sinn gekommen, dass ein Unternehmer noch etwas anderes wichtig finden könnte als den Profit seines Unternehmens.

„Kaufen Sie, was Sie möchten“, sagte Hawk und übersah geflissentlich Ellas überraschten Gesichtsausdruck. Sie sah reizend aus mit ihren roten Locken, die sie heute mit einem grünen Band zurückgebunden hatte. „Es gibt keinen Grund, auf jeden Cent zu schauen. Und zum Essen nehmen Sie das, was am schnellsten geht. Wir sind keine schwierigen Esser. Machen Sie es sich so einfach, wie es geht.“

Noch nie hatte sie derart freie Hand mit fremdem Geld bekommen. Ob es ihr trotzdem gelingen würde, nicht die ganze Zeit besorgt an die Rechnung zu denken?

„Und nehmen Sie ruhig mein Auto“, fügte Hawk hinzu und gab ihr die Schlüssel.

Ella zögerte. Sie hatte den großen, ausländischen Wagen vor der Tür gesehen und war sich nicht sicher, ob sie die Verantwortung für einen solchen Luxusschlitten übernehmen wollte. Aber dann fiel ihr ein, dass Hawk vermutlich nur nicht wollte, dass seine Kinder in ihrem alten Pick-up fuhren, und sie verkniff sich jeden Protest.

Aber Hawk, der ihr Zögern bemerkte und es richtig deutete, sagte: „Keine Sorge, ich bin gut versichert.“

Ella lächelte dankbar. Der rote Sportwagen war schnittig und modern und trotzdem groß genug für vier Personen.

Wenig später hatte sie Billy und Sarah in ihren Kindersitzen festgeschnallt und ließ den Motor an. Er schnurrte, wie es Faucher eines Tages vielleicht auch tun würde. Ella war es nicht gewohnt, so tief zu sitzen, aber alles in allem konnte sie sich gut vorstellen, sich an derartigen Luxus zu gewöhnen.

Hawk stand neben dem Wagen und erklärte ihr geduldig die vielen Knöpfe und Schalter des Armaturenbretts. Während die Kinder ihrem Vater zum Abschied Kusshände zuwarfen, ließ Ella die Fenster herunter und versuchte, hinter dem Steuer des Fünfzigtausenddollarwagens selbstsicher zu wirken.

Hawk fand, dass Ella hinter dem Steuer wie ein hellwaches junges amerikanisches Mädchen wirkte. Es machte sie noch charmanter, dass sie so gut wie kein Make-up trug. Aber vor allem war sie, was Aussehen und Verhalten betraf, gleichermaßen natürlich und munter. Ihre Lebhaftigkeit wirkte ansteckend. Er konnte kaum noch glauben, dass er nicht von Anfang an von ihr begeistert gewesen war. Wenn er jetzt an ihre Wut und ihre flammend roten, wirren Haare dachte, musste er lächeln.

Ella fand es schön, als sie nun sah, wie herzlich Hawk sich von seinen Kindern verabschiedete. Sie war als Kind in genug Pflegefamilien gewesen, um zu wissen, wie selten und kostbar solch ehrliche Zuneigung war.

Trotzdem nahm sie nur missbilligend zur Kenntnis, dass Hawk jedem seiner Sprösslinge zwanzig Dollar in die Hand drückte, damit sie sich etwas „Schönes“ kaufen konnten. Ella war dafür, Kindern frühzeitig den Wert des Geldes beizubringen und es nicht als Ersatz für persönliche Zuwendung zu benutzen. Die vierzig Dollar mochten für Hawk ein Witz sein, aber es war mehr Bargeld, als sie im Moment in der Tasche hatte! Allerdings hatte Hawk ihr einen Vorschuss in Form eines Schecks gegeben, den sie so rasch wie möglich auf der Bank einlösen wollte.

Sie dachte daran, nachher kurz bei Phoebe vorbeizufahren, um ihr von der märchenhaften Wendung zu erzählen, die ihr Leben genommen hatte. Alles, was ihr fehlte, waren gläserne Schuhe und ein Ballkleid. Bei dem Gedanken musste Ella über sich selbst lächeln.

Während Hawk sich nun nacheinander zu Billy und Sarah hineinbeugte, um ihnen noch einen Abschiedskuss auf den Scheitel zu drücken, ertappte Ella sich bei dem Gedanken, dass er gern auch ihr einen Kuss geben könnte …

Als er dann tatsächlich an ihr Fenster trat, machte ihre Gesichtsfarbe der ihrer Haare echte Konkurrenz, und Hawk schlug vor, sie sollte sich in der Stadt etwas Sonnencreme besorgen.

Hawk sah dem Auto noch lange nach, während es in einer Staubwolke langsam immer kleiner wurde. Ella schien es zu schaffen, für Billy und Sarah sogar den Weg zum Supermarkt in ein Abenteuer zu verwandeln. Doch seltsamerweise empfand er nicht die Erleichterung, die es ihm sonst bereitet hatte, wenn die Kinder einmal für ein paar Stunden aus dem Haus waren. Er fühlte sich ausgeschlossen.

Im Haus war es himmlisch ruhig. Nichts hielt ihn davon ab, bis zum Nachmittag einen Riesenstapel Arbeit zu bewältigen. Nichts außer der wehmütigen Erinnerung daran, dass er früher sehr viel mehr Freude am Leben gehabt hatte als jetzt.

3. KAPITEL

Ella stellte sehr schnell fest, dass Einkaufen mit ausreichend Geld in der Tasche sehr viel mehr Spaß machte als ihre übliche Jagd nach Sonderangeboten. Sie füllte den Einkaufswagen mit Dingen, die ihr als purer Luxus erschienen. Für sich selbst kaufte sie eine winzige Flasche Parfum und eine Flasche Schaumbad. Aber sie nahm sich vor, diese Dinge von ihrem eigenen Geld zu bezahlen. Ihr Boss sollte sich nicht in ihr geirrt haben – sie war vertrauenswürdig! Der Rest ihres Vorschusses würde für Rechnungen und ihr Sparbuch für das College draufgehen.

Ihre erste Nacht in diesem Haus war ihr wie der Aufenthalt in einem Fünfsternehotel erschienen. Sie hatte sich in eine weiche Decke kuscheln können, statt mit ihrem klumpigen alten Federbett zu kämpfen. Die Heizung würde sie in kalten Winternächten wohlig warm halten. Und sie hatte ihr eigenes Badezimmer mit einer großen Badewanne – daher das Schaumbad, ein Kauf, den viele Menschen sicherlich für selbstverständlich hielten. Doch sie konnte es noch nicht so ganz über sich bringen, eine der wirklich guten, aber eben auch teuren Marken zu wählen.

Mit Freuden kaufte Ella den Kindern ihre Lieblingsfrühstücksflocken und entschied sich außerdem für einen frischen Blumenstrauß, den sie in die Küche auf den Tisch stellen wollte. Das würde ein tolles Stillleben werden, wenn sie den Strauß mit Ölfarbe auf die Leinwand bannte.

Genau wie sie befürchtet hatte, verschwendeten die Kinder ihr Geld für nutzloses Plastikspielzeug, das vermutlich nicht einmal den Heimweg heil überstehen würde. Ihr Vorschlag, das Geld für etwas Besonderes aufzuheben oder ein paar Mal- und Bastelsachen für Regentage zu kaufen, stieß auf all die Verachtung, derer vier- und fünfjährige Kinder fähig waren. Am Ende gab Ella nach und sagte sich, dass es ja weder ihr Geld noch ihre Kinder seien. Streng ermahnte sie sich, keine zu enge Bindung zu den Kindern aufzubauen. Bittere Erfahrungen sollten sie vorsichtig gemacht haben.

Sie freute sich allerdings, als Sarah und Billy beim Hinausgehen eine Runde auf dem alten automatischen Schaukelpferd reiten wollten, das schon so lange vor dem Laden stand, wie sie denken konnte. Für nur einen Penny bekam man hier den besten Ritt der ganzen Stadt.

Nachdem die Einkäufe im Kofferraum verstaut waren, steuerte Ella den Wagen zu Phoebes Apartment. Ihre Freundin war gebührend beeindruckt. Sie konnte kaum glauben, dass Hawk kein alternder Witwer sein sollte, der verzweifelt seiner vergangenen Jugend hinterherjagte, und bestand darauf, dass Ella ihr ihren neuen Boss vorstellte. Sollte William Fawkson Hawk III für Ellas künstlerischen Geschmack zu sehr Wirtschaftsboss sein, würde sie ihn mit Handkuss nehmen!

Mit laut aufgedrehter Musik und bei offenen Fenstern fuhren alle vier in dem Luxusschlitten über die Hauptstraße von Lander zu der altmodischen Eisdiele. Ella parkte das Auto in gebührender Distanz zu anderen Wagen, damit es auf keinen Fall einen Kratzer abbekam. Sie setzten sich unter die gelbe Markise vor der Eisdiele und genossen die verschlafene Atmosphäre des Städtchens, an dem die letzten dreißig Jahre offenbar spurlos vorübergegangen waren.

Nur Phoebe gähnte demonstrativ. „Hier ist doch wirklich der Hund begraben.“

Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie Lander den Rücken kehren würde, sobald sie ihren Kurs am College abgeschlossen hatte. Es zog sie in die Großstadt, und einmal mehr versuchte sie, Ella zum Mitkommen zu überreden. Die Chancen, dass ihr künstlerisches Talent hier in Lander entdeckt werden würde, waren ungefähr so wahrscheinlich wie ein Hauptgewinn im Lotto.

Ella ließ ihr Erdbeereis auf der Zunge zergehen und weigerte sich, trübseligen Gedanken nachzuhängen oder unzufrieden zu sein. Sie war ein Landkind und suchte nicht nach Ruhm und Erfolg in der großen Stadt. Ihr Herz war hier zu Hause. Diese kleine Stadt war ihr groß genug für sie.

Sie wischte den Kindern die Schokoladeneis-Schnurrbärte ab und entschloss sich, den Rückweg anzutreten. Sarah und Billy protestierten nicht. Sie hatten einen herrlichen, erschöpfenden Tag hinter sich.

Ella verabschiedete sich von Phoebe, sie würden sich am Mittwochabend in ihrem Kunstkurs wiedersehen. Im Auto stellte Ella ruhige Musik an und hoffte, dass die Kinder nicht zu aufgedreht waren, nach all der Aufregung und dem vielen Zucker, den sie in Form von Eis und Bonbons verdrückt hatten. Doch tatsächlich schlummerten beide schon bald in ihren Sitzen. Während der Fahrt blickte Ella immer wieder kurz in den Rückspiegel und sah sie an.

Billy hatte das dichte, dunkle Haar seines Vaters geerbt. Aber war Hawk jemals so unbekümmert und verspielt gewesen? Nein, vermutlich hatte er schon als kleiner Junge Ernst und Zielstrebigkeit an den Tag gelegt und am liebsten Monopoly gespielt.

Sarah hatte die blonden Locken ihrer Mutter. Ella hatte Fotos auf dem Kaminsims gesehen, die offenbar die verstorbene Mrs William Hawk zeigten – eine atemberaubend schöne, blond gelockte Lady. Sie sah aus wie ein Filmstar.

Vermutlich waren die Bilder nur blasse Abbilder der wirklichen Mrs William Hawk, die von ihrer Familie sicherlich schmerzlich vermisst wurde. Wie schlicht und langweilig musste dagegen sie ihnen erscheinen. Es war völlig aussichtslos, auch nur daran zu denken, Hawk könnte jemals etwas anderes in ihr sehen als eine kleine Angestellte, auch wenn Phoebe ihr das Leben immer wieder als Märchen ausmalte.

Ella blinzelte in den Sonnenuntergang. Bei der nächsten Einkaufstour würde sie sich eine schicke Sonnenbrille leisten.

Hawk hatte einen ungestörten Tag verbracht, aber überrascht festgestellt, dass er sich nur schwer konzentrieren konnte. Nach ein oder zwei Stunden durchgängiger Arbeit hatte er sogar den Fernseher eingeschaltet, nur um ein Geräusch im Hintergrund zu haben, auch wenn es ein schwacher Ersatz für das Kichern und Schwatzen seiner Kinder gewesen war. Wie hatte er sich früher nur so nach Stille sehnen können? Immer wieder hatte er heute vom Computer aufgeschaut und gelauscht. Er hatte den Schreibtisch absichtlich gegen die Wand gestellt gehabt, um so wenig Ablenkung wie möglich zu haben. Aber nach einem unbefriedigenden Mittagessen, das aus Chips und Cola bestanden hatte, hatte er den Tisch ans Fenster gerückt, damit er den Hof überblicken konnte.

Vor seinem inneren Auge hatte er dann immer wieder Ella in ihren abgeschnittenen Jeans gesehen, und das Bild hatte ihn gehörig durcheinandergebracht. Er hatte sich über sich selbst geärgert und hoffte, dass sie sich von ihrem ersten Gehalt etwas passendere Kleidung kaufte.

Schließlich hatte er sich so sehr gelangweilt, dass er in seiner Verzweiflung sogar die Gesellschaft Fauchers gesucht hatte, was ihm lediglich einen Kratzer auf der Hand eintrug. Aber er fühlte sich diesem kleinen Kater irgendwie verbunden. Genau wie er wollte Faucher geliebt werden, hatte aber Angst, jemanden an sich heranzulassen. Ein Verhalten, das er gut nachvollziehen konnte.

Es dämmerte schon, als der mit Staub bedeckte Sportwagen endlich auf den Hof rollte. Ella hatte Abendessen vom Mexikaner mitgebracht, und Hawk nahm die fröhlichen Gesichter seiner Kinder leicht irritiert zur Kenntnis. Er bestand darauf, die Mehrzahl der Tüten und Taschen selbst ins Haus zu tragen. Während Ella das Essen in der Mikrowelle erhitzte, erzählten die Kinder ihrem Vater aufgeregt von den Erlebnissen des Tages.

Auf Hawk wirkten sie eher so, als würden sie aus einem Vergnügungspark heimkommen und nicht vom Einkaufen. Sonst waren die beiden selten so enthusiastisch, wenn sie ihm etwas berichteten, und er war froh, ihnen zuzuhören. Er war das Gefühl, dass sie ihm noch nicht voll vertrauten, immer noch nicht losgeworden. Seit dem Tod ihrer Mutter fühlte er sich wie ein Fremder, der versuchte, ihren Platz in Billys und Sarahs Leben einzunehmen, was ihm einfach nicht gelingen wollte.

Er bereute, dass sein Leben vor Laurens Tod so sehr auf seine Arbeit konzentriert gewesen war. Es war aber genauso Laurens Entscheidung gewesen wie seine. Jetzt fiel es ihm schwer, die beiden Stränge seines Lebens – Arbeit und Familie – zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen.

Lauren war keine warmherzige Frau gewesen, aber sie hatte die Kinder auf ihre Weise geliebt. Sie hatten von allem immer nur das Beste bekommen – von Designerkleidung bis zu erstklassigen Vorschulen. Ihrer Meinung nach war es Hawks hauptsächliche Aufgabe, die Familie mit dem nötigen Einkommen zu versorgen. Diese Einstellung hatte ihm stets schwer zu schaffen gemacht.

Lauren kam aus einer Familie verarmten Adels, in der Kinder hauptsächlich zu Statussymbolen geformt wurden. Doch das, man musste es ihr lassen, hatte sie gut hinbekommen. Sie hatte sichergestellt, dass Billy und Sarah stets so beschäftigt waren, dass sie ihren Eltern möglichst gar nicht zur Last fielen. Vor ihrem Tod war sie entschlossen gewesen, die beiden in einem der besten Internate des Landes anzumelden.

Dass Hawk jetzt ein Kindermädchen angeheuert hatte, das mit den Kindern nicht nur spielte, sondern auch noch zuließ, dass sie sich schmutzig machten, hätte die elegante Lauren entsetzt. Genauso wie Ellas Auftreten und Kleidung es getan hätten. Hawk konnte sich ein Lächeln nicht verbeißen. Seine Eltern würden Ella anhimmeln, gerade weil sie das genaue Gegenteil seiner verstorbenen Frau war. Billy und Sarah hatten in der kurzen Zeit, die sie bei ihren Großeltern verbracht hatten, viel von ihrem kindlichen Verhalten zurückerlangt. Lauren war der Meinung gewesen, dass man Kinder sehen, aber nicht hören sollte. Seine Eltern hatten entschieden andere Vorstellungen von einer schönen Kindheit.

Es war ein verlockender Gedanke gewesen, die Kinder auf Dauer bei ihren Großeltern zu lassen, aber Hawk wollte sie nicht überfordern. Sie waren nicht mehr die Jüngsten, und außerdem wollte er an Billys und Sarahs Leben teilhaben. Aber seit er mit ihnen in sein heimatliches Wyoming zurückgekehrt war, wurde er das Gefühl nicht los, dass sie überall lieber wären als hier – vorausgesetzt, er war nicht dabei.

Früher war er einer jener Väter gewesen, die nur ab und zu einmal anwesend waren und ihren Kindern statt Zeit teures Spielzeug schenkten. Das hatte die Beziehung zu seinen Kindern nicht gerade intensiviert. Außerdem hatte seine viele Abwesenheit auch seine Ehe belastet. Es gab so vieles, das er inzwischen bereute.

„Wer will Sagaland spielen?“, fragte Ella und trug eine Schale mit Popcorn ins Wohnzimmer.

Die Kinder begannen sofort, den Tisch freizuräumen.

„Darf ich auch mitspielen?“, fragte Hawk.

Überrascht sahen Billy und Sarah ihn an.

„Natürlich“, sagte Ella in die Stille. „Aber ich muss Sie warnen, ich gewinne bei dem Spiel immer.“

Die Kinder protestierten lautstark und waren entschlossen, die Erwachsenen zu schlagen. Ella war froh, dass Hawk mitmachen wollte. Überraschend geduldig vertiefte er sich in das Kinderspiel. Sein Lächeln war so schön, warum zeigte er es nur so selten? Bei dem Anblick zog sich etwas in ihr zusammen, und rasch senkte sie den Kopf, als Hawk sie dabei ertappte, wie sie ihn anstarrte.

Sie bewunderte ihn dafür, dass er so hart an einer guten Beziehung zu seinen Kindern arbeitete. Ihre Mutter hatte ihr früher immer erzählt, dass ihr Vater ein Zauberer gewesen sei. Dabei war die schlichte Tatsache die gewesen, dass er bereits vor ihrer Geburt spurlos verschwunden war, weil ihm alles zu viel geworden war. Aber Hawk hatte den Mut, in schwierigen Zeiten nicht aufzugeben und zu seinen Kindern zu halten. Wahrscheinlich war er gar nicht distanziert und kühl, sondern vielmehr unsicher. Vielleicht kam er mit der Rolle, die das Schicksal ihm zugeteilt hatte, nur noch nicht zurecht.

Ob seine Frau ihn jemals derart in Familienunternehmungen einbezogen hatte? Ella empfand einen Anflug von Neid, als sie sich die ganze Familie, gemütlich vor dem Kaminfeuer versammelt, vorstellte. Sie versuchte den unangenehmen Gedanken, dass sie ein solches glückliches Familienleben vielleicht nie kennenlernen würde, beiseitezuschieben.

Im Spiel führte sie allerdings haushoch.

„Ich habe Sie ja gewarnt, dass ich immer Glück habe“, sagte sie scherzhaft zu Hawk.

„Wir sind diejenigen, die sich glücklich schätzen können“, erwiderte Hawk mit einem bedeutungsvollen Lächeln.

Erneut wurde Ella rot wie ein Teenager, antwortete aber offen: „Sie können glücklich sein, alle beieinander zu sein.“

Obwohl Ella versuchte, eines der Kinder gewinnen zu lassen, ging sie als Siegerin aus dem Spiel hervor. Sie schickte die Kinder zum Zähneputzen ins Bad und räumte mit Hawk die Spielutensilien zusammen. Dabei streifte seine Hand flüchtig ihre. Ella erschauerte so heftig, dass sie zurückschreckte.

„Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben“, sagte Hawk mit weicher, dunkler Stimme. Es war eine glatte Lüge, und er wusste das. „Ich beiße nicht.“

Nein, aber ich wünschte, Sie würden mich küssen, dachte Ella spontan. Sofort schalt sie sich dafür. Hawk fühlte sich nicht zu ihr hingezogen, und das sollte sie sich ein für alle Mal klarmachen.

Doch auch wenn sie wahrscheinlich besser den Mund hielt, konnte sie sich nicht daran hindern, nachzufragen: „Wieso denken Sie, ich hätte Angst vor Ihnen?“ Sie ballte die Faust um eine der Spielfiguren, die sie gerade vom Tisch genommen hatte.

Hawk reichte über den Tisch und strich Ella eine Locke aus der Stirn. „Weil Sie immer so große Augen bekommen, wenn ich in der Nähe bin. Und weil Sie so tun, als sei ich giftig, wenn Sie mich zufällig berühren.“

„Das ist doch lächerlich“, protestierte Ella, aber selbst in ihren Ohren klang das nicht ganz überzeugend.

„Ist es das?“ Hawk legte ihr einen Finger unters Kinn und hob es an, sodass sie ihn ansehen musste.

Wie schon einmal lief ihr bei seiner plötzlichen Nähe und seiner Berührung ein Schauer über die Haut, und fast hätte sie aufgestöhnt. „Natürlich ist es das“, erwiderte sie und versuchte, ihren rasenden Puls zu ignorieren – und den drängenden Wunsch, Hawk das Hemd aufzuknöpfen und über seine Brust zu streichen. „Warum sollte ich denn Angst vor Ihnen haben?“ Schließlich brauchte sie keinen Spiegel, um zu wissen, dass ein Mann wie Hawk sich nach einer so unscheinbaren Frau wie ihr nicht einmal umdrehen würde.

Hawk sah in Ellas grüne Augen, versank förmlich darin, und lächelte rätselhaft. „Weil Sie viel süßer sind, Miss McBride, als Sie glauben.“

Es gab keinen Zweifel. Er würde sie küssen. Ella zitterte vor Erwartung. Und in diesem Moment, angesichts des glühenden Begehrens in seinem Blick fühlte sie sich tatsächlich wie eine der wunderschönen Prinzessinnen der Märchen, die sie selbst schuf. Sie schloss die Augen und öffnete leicht die Lippen. Mit jeder Faser ihres Körpers sehnte sie sich nach seinem Kuss.

Fordernd presste er seine Lippen auf ihre, und sie zog sich nicht zurück, sondern erwiderte den Kuss – einen Kuss, der anders war als alle, die sie je bekommen hatte. Sie war voller Verlangen, als er mit der Zunge weiter vordrang und ihren Mund erkundete. Sie kämpfte nicht gegen die Leidenschaft an, die ihre Knie zittern ließ und ihr Herz zum Rasen brachte.

Die Hände auf ihren Rücken gelegt, zog Hawk sie näher an sich. Und sie legte die Arme um seinen Nacken, zu benommen, um ihn abzuwehren, und hielt sich fest wie eine Ertrinkende.

Ihre leidenschaftliche Reaktion ließ Hawk leise aufstöhnen. Er war genauso verrückt nach ihren Küssen wie sie nach seinen.

Ein Gefühl weiblicher Macht erfasste Ella, während sie bei seinen Küssen dahinschmolz. Sie spürte seinen festen, muskulösen Körper an ihrem und schmiegte sich an ihn. Offenbar fand Hawk neben der Arbeit noch genug Zeit, das kleine Fitnessstudio zu nutzen, das er sich neben dem Kinderzimmer eingerichtet hatte. Die Augen geschlossen, gab sie sich ganz dem Genuss hin, seinen warmen Mund und seine harten Muskeln zu spüren.

Ella öffnete die Augen erst wieder, als Hawk sich abrupt von ihr löste und einen Schritt zurücktrat.

4. KAPITEL

Als Ella an diesem Abend in ihrem Bad stand, um sich für die Nacht fertig zu machen, war es ihr immer noch nicht gelungen, die Erinnerung an Hawks Kuss auszulöschen. Dabei war es kindisch, anzunehmen, dass er aus einem edlen, selbstlosen Grund plötzlich aufgehört hatte, sie zu küssen. Sie brauchte nur ihr Spiegelbild zu betrachten: die roten Haare, ihre Sommersprossen. Was immer Phoebe über ihre herbe Schönheit sagte, sie, Ella, wusste einfach, dass sie ein hässliches Entlein war. Und so schnell würde sie sicher nicht zu einem wunderschönen Schwan werden.

Kein Wunder, dass Hawk sich so mühelos zurückgezogen hatte, bevor irgendetwas Ernsthaftes passiert wäre. Sie sollte froh darüber sein. Schließlich wollte sie ihren Job nicht für eine Affäre mit ihrem Boss aufs Spiel setzen. Das wäre nicht nur für sie, sondern auch für die Kinder eine Katastrophe. Gut, dass weder Billy noch Sarah Zeuge der Szene im Wohnzimmer gewesen waren. So sehr wie die Kinder ihre Mutter liebten und vermissten, hätten sie sich bestimmt verraten gefühlt. Schlimm genug, dass sie ihre übliche Vernunft für einen Moment vergessen hatte. Allerdings wäre es schon ganz nett, einmal nicht als tüchtiges und großherziges Kindermädchen, sondern als anziehende Frau und begehrenswertes Wesen behandelt zu werden.

Seufzend trocknete Ella sich das Gesicht mit einem großen weichen Handtuch ab und ging in ihr neues, gemütliches Bett.

Aber an Schlaf war nicht zu denken. Sie fühlte sich ein wenig wie die Prinzessin auf der Erbse – ihr Lieblingsmärchen –, nur dass es keine Erbse war, sondern der Gedanke an Hawk, der sie wach hielt und der viel effektiver war als eine kleine harte Erbse. Ella schüttelte Kissen und Bettdecke auf und legte sich wieder hin, doch sie kam einfach nicht zur Ruhe. Schließlich stand sie auf und nahm ihren Skizzenblock.

Ein paar Stunden später hatte sie ein ziemlich gelungenes Porträt von Hawk zu Papier gebracht. Aber eines wusste sie noch nicht: würde er das Ungeheuer oder der Prinz in dieser Geschichte sein?

Als der Wecker am nächsten Morgen klingelte, war Ella entschlossen, sich von dem gestrigen Erlebnis nichts anmerken zu lassen. Wenn Hawk das Geschehene so locker wegstecken konnte, als hätte es praktisch nicht stattgefunden, dann würde auch sie die Erinnerung daran unterdrücken. Es würde ihr schwerfallen, zumal allein der Gedanke an seinen leidenschaftlichen Kuss sie vor Aufregung zittern ließ, aber für den Rest ihrer Zeit in diesem Haus musste sie Hawk ihre Gleichgültigkeit zeigen.

Der Kuss war ein Fehler gewesen. Hawk hatte das bereits in dem Moment gewusst, in dem er der Versuchung nachgab. Eigentlich hatte er Ella nur freundschaftlich auf die Wange küssen wollen, als Dankeschön und Zeichen der Sympathie. Aber plötzlich und unerwartet war ein Verlangen in ihm erwacht, das er längst begraben geglaubt hatte. Er hatte schon so manche Frau geküsst, aber keine hatte ihn derart schnell alles andere um sich herum vergessen lassen. Wer hätte gedacht, dass diese rothaarige Mary Poppins, die er spontan engagiert hatte, solche Gefühle in ihm weckte. Und das mit der gleichen Leichtigkeit, mit der sie seine Kinder zum Lachen brachte.

An seine Kinder sollte er überhaupt als Erstes denken. Er durfte ihr Glück nicht einfach so aufs Spiel setzen, und Ella war das Beste, was ihnen seit Laurens Tod passiert war. Er war immer stolz gewesen auf seine Fähigkeit, wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen. Sie hatte ihn dahin gebracht, wo er jetzt war – an die Spitze seines lukrativen Unternehmens. Es gab keine Entschuldigung dafür, dass er dieses wundervolle Kindermädchen derart verschreckte, dass es vielleicht sein Haus verließ.

Eine Entschuldigung gab es nicht, aber magische grüne Augen, die in ihrer Tiefe das Geheimnis des Glücks zu bergen schienen.

Lauren war der Meinung gewesen, dass man Glück mit Geld kaufen konnte. Doch sie war auf der Suche nach etwas gestorben, das er ihr mit seinem Geld niemals hätte kaufen können. Er fühlte sich deswegen wie ein Versager. Er hatte seine Frau nicht glücklich machen können. Vielleicht war Lauren nur deshalb zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Das Bild ihres schönen Körpers, kalt und reglos nach dem tödlichen Autounfall, tauchte immer wieder vor seinem inneren Auge auf.

Dass jetzt eine schöne junge Frau Gefühle der Leidenschaft in ihm weckte, machte seine Schuldgefühle nicht kleiner. Nein, er durfte nicht alles aufs Spiel setzen, was er sich erarbeitet hatte. Dazu war er zu vernünftig. Er hatte Kinder, er hatte ein Unternehmen zu führen, und seine Midlife-Crisis war hoffentlich noch in weiter Ferne. Er war jetzt vierunddreißig Jahre alt und hatte immer nur Mitleid gehabt mit jenen alternden Männern, die jüngeren Frauen nachjagten, um ihre Jugend wiederzuerlangen.

Nach derart nüchternen Überlegungen hätte Hawk froh sein müssen, Ella am nächsten Morgen in einem weiten langen Sweatshirt über den unvermeidlichen Jeans zu sehen. Stattdessen belustigte es ihn, dass sie ihre sexy Figur offenbar zu verstecken versuchte. Aber ihn legte sie damit nicht herein! Er wusste genau, was sich unter diesem sackartigen Oberteil verbarg.

„Guten Morgen“, sagte er gespielt munter, als sei nichts passiert.

„Guten Morgen“, sagte Ella im gleichen Tonfall. Sie wollte sich nicht anmerken lassen, dass bei seinem Anblick ihr Herz einen so gewaltigen Sprung machte, dass sie fast den Pfannenwender fallen ließ. Aber sie befürchtete, die Röte, die ihr ins Gesicht stieg, verriet sie wieder einmal.

„Brauchen Sie Hilfe?“, fragte Hawk.

„Nein!“, rief Ella wie aus der Pistole geschossen. „Es geht schon“, sagte sie dann. „Aber danke für das Angebot.“

Sie sah, dass er ein Lachen unterdrückte, und wandte sich der Besteckschublade am anderen Ende der Küche zu.

„Weißt du, ich fühle mich langsam wirklich wie ein Ungeheuer, wenn du so weitermachst“, sagte Hawk. Er trat näher auf sie zu und drängte sie damit buchstäblich in die Ecke.

Ein süßes Sehnen erfasste sie. Es knisterte förmlich zwischen ihnen vor erotischer Spannung. Außerdem war Hawk dazu übergegangen, sie zu duzen. Sprachlos blickte sie ihn an und sah, dass er bereits gründlich rasiert war. Immer tadellos und kontrolliert, obwohl er mitten auf dem Land wohnt, dachte Ella anerkennend. Sein Haar war noch ein wenig feucht vom Duschen, und sie sog seinen männlichen Duft ein, was unvermeidlicherweise Erinnerungen an gestern Abend in ihr weckte.

„Würde es dir helfen, wenn ich mich für gestern Abend entschuldige?“

Darauf war Ella nicht vorbereitet gewesen. Viel lieber wäre ihr eine Entschuldigung für seinen abrupten Rückzug gewesen, nachdem er sie derart angeheizt hatte. Sie war versucht, gnädig zu nicken und dann weiter im Pfannkuchenteig zu rühren, da es ihm offenbar so leicht fiel, den Kuss zu vergessen.

„Eine Dame schätzt es nicht, wenn man sich dafür entschuldigt, sie geküsst zu haben“, hörte sie sich ziemlich gereizt sagen und sah ihm dabei direkt ins Gesicht.

Ihre Offenheit überraschte Hawk, und er hob die Augenbrauen. Ella McBride war völlig unberechenbar. Er hatte erwartet, dass sie sein Friedensangebot erleichtert annehmen würde. Stattdessen kam nun diese unverblümte Zurechtweisung. Und die lustige, leicht gestelzte Art, in der sie sie vorbrachte, machte sie noch charmanter.

„Was sollen wir also tun?“, fragte er lächelnd. „Uns duellieren? Löffel oder Kuchengabeln? Bitte wähl du die Waffen.“

Das Letzte, was Ella in dieser Situation erwartet hatte, war sein Humor. Ihr Bild von ihm, ob Computerfreak oder Geschäftsmann, hatte keinen Raum für derartige Qualitäten gelassen. Doch sie war froh, dass er die Spannung zwischen ihnen senkte, und drohte ihm spielerisch mit dem Pfannenwender.

„Ich bin für Steakmesser“, antwortete sie und dachte spontan, wie passend es doch wäre, ihm ihr Herz auf einem silbernen Teller zu servieren. „Aber ich glaube, mit Rücksicht auf die Kinder sollten wir unnötiges Blutvergießen vermeiden.“

„Unbedingt“, sagte Hawk und schien angestrengt nachzudenken. „Vielleicht sollten wir uns auf einen Waffenstillstand einigen, und ich decke den Tisch.“

Ella nahm die Bedingung an und lachte. Als er nun um sie herumlangte, um in die Besteckschublade zu greifen, streifte er ihre Hüfte. Wieder lief ihr bei dem unvermittelten Körperkontakt ein Schauer über den Rücken, und sie wandte sich rasch ab, damit er nichts bemerkte. Die geringste Berührung regte übermäßig ihre Fantasie an … Seine Arme um ihren Körper … seine Hände auf ihren Brüsten … Ihre Körper, eng aneinandergepresst …

„Du riechst gut“, sagte Hawk und strich ihr eine Locke hinters Ohr. Er versuchte, die erotischen Bilder zu verjagen, die ihm dabei plötzlich in den Sinn kamen.

„Das ist der Ahornsirup“, murmelte Ella.

Lauren hatte stets nur Luxusparfums benutzt. „Poison“, was Gift bedeutet, war der Name des einen gewesen, was ihn immer etwas verunsichert hatte. Hätte Ella sich tatsächlich Ahornsirup hinter die Ohren getupft, hätte er ihn liebend gern abgeleckt. Sofort rief er sich für diesen kühnen Gedanken zur Ordnung. Was war mit seinem sonst auf die Firma und seine Kinder konzentrierten Geist geschehen? Er rief sich den Waffenstillstand ins Gedächtnis und löste die Hände von der Anrichte, sodass Ella sich wieder frei bewegen konnte.

„Was ist denn das für ein Gestank?“, fragte Billy, der in dem Moment in die Küche kam.

Der Frühstücksspeck, der unbeachtet auf dem Herd brutzelte, hatte sich praktisch in Kohle verwandelt. Ella griff erschrocken nach der Pfanne, aber Hawk hielt sie zurück, da sie drauf und dran war, sich zu verbrennen.

Ella beeilte sich, sich zu entschuldigen. „Es tut mir so leid. Was für eine Verschwendung! Bitte ziehen Sie es mir vom Lohn ab.“ Die gleichen Worte waren einmal einer Tracht Prügel in einer ihrer Pflegefamilien vorausgegangen.

„Seien Sie nicht albern“, sagte Hawk, der sich ihren ängstlichen Tonfall nicht erklären konnte, umfasste den Pfannengriff mit einem Topflappen, lief zum Mülleimer und leerte die Pfanne hinein. „Wir lassen es einfach eine Weile einweichen und denken nicht weiter daran. Außerdem ist es genauso meine Schuld wie Ihre. Ich stand Ihnen im Weg.“

Ella hatte in ihrer Kindheit oft für weit harmlosere Vergehen schwer büßen müssen und war Hawk dankbar für seine Großzügigkeit. In ihren Augen zeigte dieser Mann von Tag zu Tag mehr anziehende Facetten. Es war einfacher gewesen, sich ihn als herrschsüchtigen, kalten Mann vorzustellen, dem sein Beruf wichtiger war als die Familie. Aber es war ein warmherziger Vater, der seine Kinder zudeckte und ihnen eine Geschichte vorlas, bevor er ihnen süße Träume wünschte und das Licht ausknipste. Seine Liebe zu den Kindern rührte Ella tief.

Es war irrational, denn obwohl sie all das bereits gesehen hatte, hatte sie jetzt plötzlich einen Kloß in der Kehle, weil er sie für das verbrannte Frühstück nicht anschrie.

Sie wandte sich an Billy und fragte: „Möchtest du mir helfen, Pfannkuchen zu machen? Ich kann Figuren aus dem Teig machen. Was für ein Tier möchtest du?“

Billy überlegte nicht lange. „Ein Kätzchen“, antwortete er ohne Zweifel daran, dass Ella auch das gelingen würde.

„Gut, und jetzt lauf und frag Sarah, was sie möchte.“ Ella war eifrig bemüht, ihre Beflissenheit unter Beweis zu stellen und jede Erinnerung an das Missgeschick auszulöschen. Sie stellte die Lüftung über dem Herd an, damit der stinkende Rauch abziehen konnte.

„Und mich fragen Sie nicht, was ich will?“, meldete Hawk sich zu Wort.

Seine tiefe, etwas raue Stimme wärmte sie wie ein Rumgrog an einem kalten Wintertag. Oh, wenn er doch nur mehr von ihr wollte als ihre Dienste als Kindermädchen … Ihre Handflächen waren so feucht, dass sie gar nicht wagte, noch irgendein Küchengerät anzufassen, aus Furcht, dass es ihr aus den Händen glitte.

„Und was möchten Sie?“, fragte sie heiser zurück und klang ebenso zögernd wie erwartungsvoll.

„Einen Bären.“

Sie runzelte die Stirn.

„Können Sie das? Einen Pfannkuchen in Form eines Bären?“

Der Schalk blitzte in seinen Augen, und aufgebracht wischte sie sich die Hände an ihren Jeans ab. Wie konnte er es wagen, so mit ihr zu spielen! Sie war kein kleines Mädchen mehr, auch wenn sie lange nicht so gewandt war wie er.

Sie beschloss, ihn einfach wie einen umständlichen Gast im Restaurant zu behandeln. „Einen Teddy oder einen Grizzly?“ Es klang fast wie eine Frage aus einem Persönlichkeitstest in einem Frauenmagazin.

Autor

Susan Crosby
Susan Crosby fing mit dem Schreiben zeitgenössischer Liebesromane an, um sich selbst und ihre damals noch kleinen Kinder zu unterhalten. Als die Kinder alt genug für die Schule waren ging sie zurück ans College um ihren Bachelor in Englisch zu machen. Anschließend feilte sie an ihrer Karriere als Autorin, ein...
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Cathleen Galitz hat als Autorin schon viele Preise gewonnen und unterrichtet an einer kleinen Schule im ländlichen Wyoming Englisch. Ihr Ehemann und sie haben zwei Söhne, die ihre Eltern mit ihren vielen unterschiedlichen Aktivitäten ganz schön auf Trab und damit auch jung halten. Cathleen liest sehr gerne, geht oft Golf...

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Die Liebesaffäre der preisgekrönten Autorin Heidi Betts mit dem Romance-Genre begann schon in der Grundschule, als sie sich in Liebesromane anstatt in ihre Hausaufgaben vertiefte. Es dauerte nicht lange, bis sie den Entschluss fasste, eigene Romane zu schreiben.

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