Baccara Exklusiv Band 125

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COWBOY MIT HERZ von WOODS, SHERRYL
Hardy Jones ist geschockt! Was macht die hochschwangere Patricia nachts allein auf der Straße? Als ihr Baby in seinem Truck zur Welt kommt, erkennt Hardy, dass er sich zu ihr hingezogen fühlt. Darf er träumen? Schließlich scheint Patricia vergeben - an den Vater des Kindes!

ZEIG MIR, WAS LIEBE IST von GERARD, CINDY
Gemeinsam aufgewachsen, hat Carrie schon immer sehr an Ryan Evans gehangen. Doch aus frühkindlicher Schwärmerei wurde mehr: Liebe! Dumm nur, dass der attraktive Rancher Carries leidenschaftliche Gefühle nicht erwidert. Kann sie Ryan dazu bringen, sie als Frau zu sehen?

NOCH IMMER VERRÜCKT NACH DIR von FERRARELLA, MARIE
Verflucht! Schriftsteller Jackson Cain hat sich so auf das Wiedersehen mit Mallory gefreut - da eröffnet sie ihm, dass sie einen anderen hat! Doch Jackson spürt sofort: Mit dem Neuen stimmt etwas nicht! Seine Chance, Mallory zurückgewinnen? Jackson beginnt zu hoffen …


  • Erscheinungstag 13.02.2015
  • Bandnummer 0125
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721787
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sherryl Wood, Cindy Gerard, Marie Ferrarella

BACCARA EXKLUSIV BAND 125

SHERRYL WOOD

Cowboy mit Herz

Wow! Was für ein Mann! Als Hardy Jones sie nachts in seinem Truck von ihrer kleinen Tochter entbindet, ist es sofort um Patricia geschehen. Aber kann sie ihren Gefühlen trauen? Schließlich hat sie den attraktiven Cowboy unter extremen Bedingungen kennengelernt – und von Männern hat sie sowieso genug! Dennoch lässt Hardy ihr Herz höher schlagen …

CINDY GERARD

Zeig mir, was Liebe ist

„Finger weg von diesem Mann!“ Ryan ist verwirrt. Warum stört es ihn derart, dass Carrie mit einem anderen flirtet? Immerhin kennt Ryan die junge Frau schon von Kindesbeinen an. Ist er etwa eifersüchtig und empfindet mehr als nur Freundschaft für sie? Offensichtlich – denn nach einem leidenschaftlichen Kuss schwört Ryan sich: Meine Süße bekommt keiner!

MARIE FERRARELLA

Noch immer verrückt nach dir

Was bildet dieser Typ sich ein? Mallory ist wütend – und zutiefst verwirrt! Monate nachdem ihr Freund Jackson sie sitzen gelassen hat, steht er plötzlich bei ihr im Büro. Zutiefst gekränkt erklärt sie dem gut aussehenden Schriftsteller, längst einen neuen Partner zu haben. Aber Jackson lässt nicht locker. Meint er es dieses Mal wirklich ernst mit Mallory?

1. KAPITEL

Laurie Jensons schmelzende Stimme erfüllte den rauchgeschwängerten Raum, als sie ihren neuesten Hit zum Besten gab. Die Silvesterfeier für die Angestellten der „White Pine Ranch“, die traditionell im „End of the Road Saloon“ in Garden City, Texas, stattfand, war voll im Gang.

Mit leiser Befremdung registrierte Hardy Jones den schmachtenden Ausdruck auf dem Gesicht von Lauries Mann Harlan Patrick. In letzter Zeit schienen alle Männer seines Bekanntenkreises der Liebe, und was noch befremdlicher war, der Ehe verfallen zu sein. Erst sein Boss Harlan Patrick und dann auch noch sein bester Kumpel Slade Sutton.

Nicht etwa, dass Hardy etwas gegen Liebesaffären hatte, ganz im Gegenteil. Er liebte Frauen, liebte ihren zarten, weiblichen Duft. Nach einem langen Arbeitstag inmitten einer Viehherde brauchte es lediglich die blumige Note eines Damenparfüms, um seine Hormone verrückt spielen zu lassen. Der Anblick einer glänzenden Flut seidig langer Haare genügte, um höchst erotische Fantasien in seinem Kopf heraufzubeschwören. Darüber hinaus genoss er das Gefühl, einen warmen, weichen und anschmiegsamen Frauenkörper in den Armen zu halten.

Heute Abend war die Versuchung besonders groß. In der Bar wimmelte es nur so von hübschen Frauen, was insofern fatal war, da Hardy allein hier und fest entschlossen war, es auch zu bleiben. Knapp die Hälfte der Namen der anwesenden Damenwelt war in seinem unschätzbar wertvollen schwarzen Notizbuch zu finden, dessen abgewetzte Ecken von häufigem Gebrauch kündeten. Worauf Hardy auch gerade Lust hatte, er fand immer die passende Begleiterin.

Das Büchlein enthielt Telefonnummern von heißblütigen, sinnlichen Damen, deren Küsse sein Blut in Wallung brachte, von modernen, sportlichen Frauen, von hoch talentierten Köchinnen und von Frauen, die ihn einfach nur zum Lachen brachten. Hardy hatte mit weitaus weniger von ihnen geschlafen, als allgemein angenommen, doch vermutlich mit mehr, als klug war.

Mit den meisten war er nur ein oder zwei Mal ausgegangen, mit vielleicht einer Handvoll hatte die Affäre länger gedauert und spätestens dann geendet, wenn die Blicke der Damen allzu begehrlich auf den funkelnden Verlobungsringen in den Auslagen der Juweliergeschäfte ruhten.

Gerade heute, am Silvesterabend, empfand Hardy es als höchst irritierend, so vielen Versuchungen ausgesetzt zu sein. Denn er vertrat einen ehernen Grundsatz, von dem er auf gar keinen Fall abweichen wollte: Am Valentinstag und an Silvester war Damenbegleitung tabu. Zu groß war die Gefahr, an diesen gefühlsträchtigen Feiertagen in den Hafen der Ehe gelockt zu werden.

Und dazu fühlte Hardy sich mit seinen neunundzwanzig Jahren noch nicht bereit. Er hing an seiner Ungebundenheit und wollte sie sich noch eine Weile bewahren. Was gar nicht so einfach war, wenn man auf der „White Pine Ranch“ lebte, dem Zuhause einer Familie passionierter Ehestifter. Doch Hardy hatte gute Gründe für seine Einstellung. Gründe, die tief in der Vergangenheit wurzelten und niemanden etwas angingen, Gründe, die er meist erfolgreich verdrängte. Hardy lebte in der Gegenwart, nicht in der Vergangenheit und schon gar nicht in der Zukunft.

Er nahm einen kräftigen Schluck von seinem Bier, versuchte sich zu entspannen und sich auf die ausgelassene Partystimmung einzulassen. Doch angesichts der Tatsache, dass er, abgesehen vom zahnlosen Koch Sweeney, der einzige Junggeselle war, der sich nicht auf der Tanzfläche vergnügte, war das gar nicht so einfach.

„Hey, Hardy, welche Vorsätze hast du fürs neue Jahr gefasst?“, brüllte ihm sein Kumpel Slade vom anderen Ende der Bar entgegen, den Arm besitzergreifend um die Taille einer zierlichen Brünetten geschlungen. „Steuerst du nicht hart auf die Dreißig zu? Da wird’s doch allmählich Zeit, einer deiner vielen Verehrerinnen das Jawort zu geben!“

Diese Art Scherz fand Hardy gar nicht lustig. „Keine Chance, Sutton. Nur weil du am Haken der hübschesten Frau von Texas hängst, bedeutet das noch lange nicht, dass andere genauso willig in die Falle tappen.“

Die frisch verheiratete Val Sutton betrachtete Hardy mit gespielter Empörung. „Und was genau hast du gegen die Ehe?“

Hardy gab vor, angestrengt nachzudenken. „Mal sehen, ob ich das so schnell auf einen Nenner bringen kann.“

„Glaub mir, alter Junge, auch für dich schlägt bald die Stunde der Wahrheit“, prophezeite Slade.

„Keine Chance“, bekräftigte Hardy.

„Mit einer Frau an deiner Seite würdest du an einem Silvesterabend nicht jämmerlich allein in einer Bar herumhocken“, verfolgte Slade das Thema ungerührt weiter.

Für jemanden, der es nicht gerade eilig gehabt hatte, sich seine Gefühle für Val einzugestehen, nahm er den Mund ganz schön voll, fand Hardy. „Ich wette, du hast all die schönen Frauen vermisst, die sich heute Abend hier tummeln“, gab er zurück. „Val hat dir wohl Scheuklappen verpasst, hm?“

„Hüte deine Zunge, Cowboy“, fiel Val warnend ein. „Ich bin zwar nicht besonders groß, doch mein rechter Haken ist nicht von schlechten Eltern.“

Hardy bedachte sie mit einem gutmütigen Grinsen. Sie war eine beherzte kleine Person und ein Vollweib. Er erinnerte sich noch gut daran, was sie alles angestellt hatte, um Slades Aufmerksamkeit zu erregen. „Oh, hätte ich dich doch bloß zuerst entdeckt“, erklärte er mit einem theatralischen Seufzer, der nur zum Teil gespielt war. Keine Frage, Val war eine tolle Frau, das musste sogar er zugeben. „Ein Date mit mir, und du hättest dein Herz nie und nimmer an einen abgehalfterten Cowboy wie Slade verschwendet“, spottete er.

Val musterte ihn von Kopf bis Fuß und unterzog anschließend ihren Mann derselben Prüfung. Sie zuckte bedauernd die Schultern. „Sorry, Hardy. Mit Slade kannst du es nicht aufnehmen. Er ist der Richtige für mich, das wusste ich gleich von Anfang an.“

„Das ist uns nicht entgangen“, räumte Hardy ein. „Hat aber verflixt lange gedauert, bis er es kapiert hat. Muss wohl ziemlich langsam sein, der Bursche.“

„Heute ist Silvester, da will ich dir’s mal nicht übel nehmen, Kumpel“, versetzte Slade. „Aber im neuen Jahr setze ich alles daran, dich unter die Haube zu bringen, das schwöre ich dir. Und sollte Harlan Adams Wind davon kriegen, dass du endlich die Waffen streckst, wird er höchstpersönlich ein nettes Frauchen für dich finden. Der Mann weist eine beachtliche Erfolgsquote auf. Jetzt, da sein Sohn Cody und sein Enkel Harlan Patrick die Ranch leiten, verfügt der alte Adams über jede Menge Zeit, sich seinem liebsten Hobby, dem Ehestiften, zu widmen.“

Hardy erschauderte merklich. „Ich nehme alles zurück“, beeilte er sich zu erklären. „Haltet euch bloß aus meinem Liebesleben heraus – du und Harlan.“ Ein prüfender Blick auf seine Armbanduhr bedeutete ihm, dass es knapp eine Stunde vor Mitternacht war – dann würde das Millennium eingeläutet. Ein emotionales Minenfeld, das Hardy zu umschiffen gedachte. „Ich mache mich jetzt besser auf den Weg nach Hause“, verkündete er.

„Hey, es ist doch noch nicht mal Mitternacht“, protestierte Slade. „Hast du Angst, in einen Kürbis verzaubert zu werden, wenn du zu spät nach Hause kommst?“

„Wer weiß, vielleicht habe ich noch ein heißes Date“, erwiderte Hardy vage. Er wünschte, es wäre so. Doch andererseits würde er heute Nacht endlich mal genügend Schlaf bekommen, das war doch etwas wert.

Dachte er zumindest.

Trish Delacourt war auf der Flucht.

Wäre es nach ihrem Plan gegangen, dann würde sie den heutigen Silvesterabend gemütlich in der kleinen, heimeligen Frühstückspension verbringen, in der sie sich bereits angemeldet hatte. Trishs Vater, dem in sämtlichen Luxushotels der Welt Suiten zur Verfügung standen, würde nie auf die Idee kommen, sie in einer Pension zu suchen.

Und dass Bryce Delacourt nach ihr suchte, daran bestand kein Zweifel. Er war eine zu besitzergreifende, kontrollsüchtige Persönlichkeit, um es nicht zu tun. Vermutlich hatte er bereits ein halbes Dutzend der besten Privatdetektive auf ihre Fährte gesetzt.

Zu ihrem Glück war sie ziemlich einfallsreich und ihr Vater ein ausgesprochener Workaholic. Es war Trish gelungen, sich aus Houston davonzustehlen, während ihr Vater auf einer Geschäftsreise war, die er zwischen Weihnachten und Silvester gequetscht hatte. Zunächst kam es in erster Linie auf einen ausreichenden Vorsprung an. Ein paar Tage würden vermutlich schon ausreichen, solange Trish nicht zu lange an einem Ort verweilte und die großen Städte mied, in denen ihr Vater wahrscheinlich zuerst nach ihr suchen lassen würde.

Im Alter von fünfundzwanzig war Trish es endgültig leid, ständig gehätschelt und bevormundet zu werden. In dieser Hinsicht hatten ihr Vater, ein schwerreicher Öl-Tycoon, und ihre vier halsstarrigen Brüder den Bogen überspannt. Und die herablassende Einstellung Bryce Delacourts zu ihrer Arbeit hatte Trish einfach nicht mehr ertragen können. Er tat stets so, als sei ihr Buchhandel – ein Geschäft, in dem sie voll und ganz aufging – nichts weiter als der Zeitvertreib eines verwöhnten, reichen Mädchens. Eine Beschäftigung, die ihr die Langeweile vertrieb, bis sie einem angemessenen Bewerber um ihre Hand das Jawort gab.

Natürlich hatte er diesen Bewerber höchstpersönlich für sie ausgesucht und den Mann förmlich dazu gedrängt, ihr einen Antrag zu machen. Nur nichts dem Zufall überlassen! Eine Zeit lang war es Jack sogar gelungen, Trish einzuwickeln. Sein gutes Aussehen, sein Charme und die süßen Grübchen, wenn er lächelte, hatten sie geblendet. Fast wäre der Plan ihres Vaters aufgegangen.

Doch gerade noch rechtzeitig hatte Trish die Wahrheit erkannt – sie hatte Jack als das gesehen, was er wirklich war: ein Opportunist ohne eigenen Willen und ein Schürzenjäger. Der Inbegriff all dessen, was sie verabscheute. Sollte sie sich noch einmal verlieben – was sie ernsthaft bezweifelte –, musste der Mann ein ganz anderes Kaliber sein. Für den Moment war sie erst einmal zufrieden, Jacks habgierigen Klauen entronnen zu sein.

Trish hatte ihre Flucht geplant wie ein Gefängnisinsasse seinen Ausbruch. Und bis jetzt war auch alles reibungslos verlaufen. Sie spürte, wie die Anspannung der vergangenen zwei Monate langsam von ihr abfiel. Endlich hatte sie ihr Leben wieder selbst in der Hand – zumindest glaubte sie das bis vor wenigen Minuten.

Fatalerweise war sie ein paar Mal falsch abgebogen, und auch das Wetter hatte sich gegen sie verschworen. Während Trish sich noch über ihre wiedergewonnene Freiheit freute, war ihr Wagen auf einer eisglatten Stelle ins Schleudern geraten und am Straßenrand in einer hohen Schneeverwehung abrupt zum Stehen gekommen. Und das alles auf einem gottverlassenen Highway in West-Texas. Ihrer Berechnung nach war sie noch meilenweit von ihrem Ziel entfernt. Das Fantasiebild der gemütlichen kleinen Pension mit dem wohlig prasselnden Kaminfeuer verblasste mit einem Schlag, während das neue Jahr sich mit Riesenschritten näherte.

Inzwischen wirbelten auch noch Unmengen dicker weißer Schneeflocken vom Himmel; es war wie ein undurchdringlicher milchiger Vorhang. Die Temperatur im Inneren des Wagens sank beängstigend schnell, Trishs Hände und Füße fühlten sich bereits eiskalt an.

Und zu allem Überfluss hatten jetzt auch noch die Wehen eingesetzt. Offensichtlich schlug das Baby nach ihr: ein Querkopf, der nichts richtig machte.

Nach einer weiteren unmissverständlichen Krampfattacke rieb Trish beruhigend über ihren geschwollenen Bauch. „Hör mal, du Würmchen, kannst du nicht einfach noch ein bisschen weiterschlafen? Du möchtest bestimmt nicht in einem Blizzard zur Welt kommen. Außerdem bist du erst in zwei Wochen fällig“, fügte sie vorwurfsvoll hinzu.

Das Baby schien völlig unbeeindruckt, und Trishs Körper krampfte sich erneut schmerzhaft zusammen. Diese Wehe trieb ihr die Tränen in die Augen und ließ sie laut aufstöhnen. In einem Anflug von wütendem Trotz rief Trish aus: „Ich werde dieses Kind nicht ganz allein am Straßenrand bekommen!“ Drohend funkelte sie ihren Bauch an. „Verstanden?“

Die Antwort war unmissverständlich: eine weitere Wehe. Offensichtlich hatte das Baby noch eine Eigenschaft seiner Mutter geerbt: Ihm war mit vernünftigen Argumenten nicht beizukommen.

Resigniert fischte Trish ihr Handy aus der Tasche und tippte die Nummer des Polizeinotrufs ein. Doch umsonst. Das Telefon war tot. In der Eile ihres Aufbruchs hatte sie vergessen, den Akku aufzuladen.

„Dumm, dumm, dumm“, schimpfte sie vor sich hin und feuerte das nutzlose Handy auf den Boden. Wie konnte eine Frau, die sich gegen den Widerstand ihres Vaters ein erfolgreiches Kleinunternehmen aufgebaut hatte, nur so blöd sein?

„Und was jetzt?“, fragte sie laut, ohne tatsächlich eine Antwort zu erwarten. Sie war mit ihrem Latein am Ende, und ein Retter in der Not war nicht in Sicht.

Ein Blick aus dem Fenster brachte sie auch nicht weiter: So weit das Auge reichte, war kein Gebäude in Sicht. Kein einsames Haus, keine Tankstelle. Das letzte Straßenschild hatte auf einen Ort namens Los Piños in fünfzehn Meilen Entfernung hingewiesen. Selbst unter optimalen Bedingungen zu weit, um zu laufen.

Doch der Name Los Piños kam Trish irgendwie bekannt vor. Lebte dort nicht ein Geschäftspartner ihres Vaters? Jordan Adams war Besitzer einer Ölfirma. Seit Jahren waren er und Trishs Vater Konkurrenten, aber auch gute Bekannte. Der einzige Ehrenmann, den er kannte, behauptete Bryce Delacourt immer.

Trish bezweifelte nicht, dass Jordan und seine Frau ihr helfen würden, wenn sie bloß einen Weg wüsste, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen. Andererseits lag die Vermutung nahe, dass Jordan, Ehrenmann, der er war, Trishs Vater sofort über ihren Aufenthaltsort informieren würde. Doch in ihrer misslichen Lage war Trish schon fast bereit, dieses Risiko einzugehen.

„Warum muss das ausgerechnet hier passieren?“, stieß Trish frustriert hervor und wandte den Blick himmelwärts. „Warum jetzt?“

Wie zur Antwort leuchteten im Rückspiegel plötzlich zwei Scheinwerfer in der tiefen Schwärze der Nacht auf. In welcher Entfernung, ließ sich bei diesen Sichtverhältnissen schwer sagen. Trish musste handeln, und zwar rasch. Zweifel, ob es klug war, in dieser Einöde die Aufmerksamkeit eines Fremden auf sich zu lenken, konnte sie sich nicht leisten. Sie brauchte Hilfe und musste diese Chance nutzen. Das Leben ihres Babys stand auf dem Spiel. Sie hatte dem Kind, das sie trug, bereits eine ganze Reihe Opfer gebracht. Dieses könnte das Bedeutsamste von allen werden.

In verzweifelter Hast hieb sie auf den Knopf der Warnblickanlage und hievte sich anschließend schwerfällig aus dem Wagen, um den Fahrer des herannahenden Fahrzeugs auf sich aufmerksam zu machen. Ihre Füße gerieten auf der eisglatten Fahrbahn ins Schlittern, und sie konnte sich gerade noch rechtzeitig an der Autotür festklammern, um einen Sturz zu verhindern. Ganz vorsichtig jetzt, ermahnte sie sich, während sie sich mit winzigen Schritten zur Straßenmitte vorwagte und heftig mit beiden Armen ruderte. Sie konnte nur hoffen, dass der Fahrer zumindest mit dem Anflug eines barmherzigen Samariters gesegnet war.

Im letztmöglichen Moment kam der nagelneue Pick-up zum Stehen. Der Fahrer sprang laut fluchend aus dem Wagen. Mit wenigen Schritten stand er direkt vor ihr. Natürlich rutschte er nicht aus, er schien nicht einmal zu bemerken, dass unter der frischen Schneedecke eine spiegelglatte Eisfläche lauerte. Seine Behändigkeit beeindruckte Trish, seine Wortwahl hingegen eher nicht.

Stirnrunzelnd funkelte der Mann Trish böse an, und er sah aus, als wollte er sie jeden Moment packen und schütteln. „Verflucht, Lady, haben Sie völlig den Verstand verloren? Ich hätte Sie umbringen können!“

Trish blickte ihm in die Augen, in denen sich Verärgerung und, wie sie hoffte, eine Spur von Besorgnis widerspiegelte. Sie öffnete den Mund, um ihm ihre missliche Lage zu erklären, als eine erneute Wehe ihr den Atem raubte. Der unerwartete Schmerz ließ sie taumeln und zu Boden sinken, direkt zu Füßen des buchstäblich umwerfendsten Mannes, der ihr je begegnet war. Die Unwürdigkeit der Situation entlockte Trish einen leisen, frustrierten Seufzer. Ihr einziger Trost war, dass dieser Typ vermutlich daran gewöhnt war, dass die Frauen ihm zu Füßen fielen.

2. KAPITEL

„Was, zum Teufel …?“

Hardy bückte sich alarmiert zu der Frau, die sich unter Schmerzen am Boden krümmte. Hatte er sie womöglich doch mit dem Wagen erfasst? Oder zog sie nur eine Show ab, um Geld von seiner Haftpflichtversicherung zu kassieren?

Sie könnte sogar eine potenzielle Selbstmörderin sein. Schließlich war sie ihm ja direkt vor den Wagen gelaufen. Und das in diesem Schneesturm und auf spiegelglatter Fahrbahn!

Wie auch immer, im Moment hielt sie ihren Bauch umklammert und stöhnte vor Schmerz. Kein gutes Zeichen. „Miss, sind Sie okay?“, fragte er besorgt und strich ihr eine seidige blonde Haarsträhne aus dem tränenüberströmten Gesicht. „Na los, Darling, sagen Sie doch etwas!“, fügte er hilflos hinzu.

Endlich öffnete sie die Augen und starrte ihn aus großen blauen Augen an, in denen sich unmissverständlich ihre Qualen widerspiegelten.

„Alles okay?“, wiederholte er seine Frage, während er sie auf der Suche nach blutigen Schrammen oder eindeutig gebrochenen Knochen einer raschen Musterung unterzog.

„Nein, verdammt, ich bin nicht okay!“, fuhr sie ihn an.

Jetzt erst registrierte er ihren enormen Bauchumfang. Warum war ihm das nicht gleich aufgefallen? Hatten ihr engelsgleiches Gesicht und die Tränen auf ihren von der Kälte geröteten Wangen ihn tatsächlich derart abgelenkt? Kopfschüttelnd gestand er sich ein, dass er wieder einmal drauf und dran gewesen war, beim Anblick eines hübschen weiblichen Wesens den Verstand auszuschalten. Und seinen Verstand würde er jetzt mehr denn je brauchen. Eine offensichtlich hochschwangere Frau war auf seine Hilfe angewiesen.

„Sie bekommen ein Kind“, stellte er überflüssigerweise fest.

„Gut beobachtet, Einstein“, versetzte sie.

„Hier?“, fragte er, nun doch ziemlich verunsichert. Sie lag doch nicht etwa in den Wehen! Nein, bestimmt war sie nur ausgerutscht und hatte sich bei dem Sturz wehgetan. Dies war weder die Zeit noch der Ort, um ein Kind zur Welt zu bringen, und er, Hardy, war ganz gewiss nicht die richtige Person, um Hebamme zu spielen.

„Ich ziehe das nächste Krankenhaus vor. Doch irgendjemand wird mich hinbringen müssen.“ Sie sah ihm in die Augen. „Wie es scheint, haben Sie das große Los gezogen, Cowboy.“

Gütiger Himmel, es stand tatsächlich so schlimm wie befürchtet. Nun, die Frau schien auch nicht gerade begeistert über die Umstände. Es war unverkennbar, dass sie hinter ihrer flapsigen Art nur ihre Angst zu verbergen suchte. Das konnte er bestens nachempfinden. Auch in seinem Innern schrillten inzwischen sämtliche Alarmglocken.

„Hey, Sie, nun tun Sie doch was!“, fuhr sie ihn unsanft an. „Sie sind doch nicht etwa betrunken?“

„Nein, ich bin stocknüchtern“, versicherte er in einem Anflug von Bedauern. Hätte er sich doch bloß ein zweites Bier gegönnt und wäre in der warmen, kuscheligen Bar geblieben, weit weg von dieser Frau und ihren Problemen!

„Ich möchte Sie wirklich nicht drängen, aber ich glaube, wir sollten uns schleunigst auf den Weg machen“, erklärte die Frau atemlos. „Es sei denn, Sie leihen mir Ihren Truck und lassen mich allein fahren.“

„Niemand fährt meinen Wagen.“

„Wie kommt es, dass mich das nicht überrascht? Also, satteln wir die Hühner, Cowboy, es wird höchste Zeit!“ In einer trotzigen Geste wischte sie sich die Tränen von den Wangen.

Hardy hatte vollstes Verständnis für ihre Ungeduld. Er wusste ja selbst nicht, was in ihn gefahren war. Normalerweise meisterte er Krisensituationen kühl und beherrscht. „Wo ist Ihr Mann?“ Wieder eine überflüssige Frage. Wo auch immer der Kerl steckte, im Augenblick war er wohl kaum von Nutzen.

„Ich habe … keinen Mann“, keuchte sie mit schmerzverzerrter Miene. Sie streckte die Hand aus und umklammerte Hilfe suchend Hardys Finger.

Allmählich wurde Hardy bewusst, dass er nur eine Alternative hatte: Er konnte umdrehen und die Frau so schnell wie möglich ins Krankenhaus nach Garden City fahren, oder er entband sie hier an Ort und Stelle von ihrem Baby.

Nun, im Laufe der Jahre hatte Hardy auf diesem Gebiet einige Erfahrung gesammelt, allerdings nur bei Kühen und Pferden. Rudimentäre Kenntnisse in der Geburtshilfe waren also vorhanden, doch die Intimität der Situation erschreckte ihn. Besonders in Anbetracht des vorwurfsvollen Blickes der Frau, die ihn, Hardy, für ihre missliche Lage verantwortlich zu machen schien.

Die tausend Fragen, die sich ihm im Zusammenhang mit eben dieser Lage aufdrängten, mussten wohl warten. Er bückte sich und griff der Frau unter die Arme, um sie vorsichtig auf die Füße zu ziehen. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät, flehte er im Stillen. „Keine Panik“, brachte er wenig überzeugend hervor, empfand er doch genug Panik für sie beide. „Ich bringe Sie jetzt ins Krankenhaus.“

„Wie weit ist es?“

„Nicht weit“, beruhigte er sie. Verdammt zu weit, fluchte er stumm. Die Wehen kamen in beängstigend rascher Abfolge, kein gutes Zeichen, wie er wusste.

„Nicht pressen“, ermahnte Hardy die Frau, während er es ihr auf dem Beifahrersitz seines Trucks so bequem wie nur irgend möglich machte. „Was auch immer passiert, bloß nicht pressen!“

„Sie haben gut reden“, stöhnte sie, während sie die Hände so fest um den Türrahmen krampfte, dass die Knöchel weiß hervortraten.

Hardy beugte sich über sie und sah ihr in die Augen. „Sweetheart, Sie werden Ihr Kind nicht in meinem Truck zur Welt bringen.“ Es klang halb beruhigend, halb wie ein Befehl.

In diesem Moment stieß die Frau einen spitzen Schrei aus. „Oh, Gott, das Baby kommt! So tun Sie doch etwas!“ Tränen strömten ihr über die Wangen, während ihre Augen vor Entsetzen weit aufgerissen waren.

Hardy atmete tief ein, und die eiskalte Nachtluft brannte in seinen Lungen. Die Entscheidung war gefallen. Ob es ihm nun passte oder nicht, er würde der jungen Frau bei der Geburt ihres Kindes beistehen müssen. In einer tröstenden Geste streichelte er sanft über ihre Wange, die sich seidenweich unter seinen schwieligen Fingern anfühlte. Sogleich verbat er sich jegliche Empfindungen in diese Richtung. Hatte diese Frau ihm nicht schon genug Ärger eingebrockt? Er brauchte sich nicht auch noch in sie zu verlieben! Er würde das jetzt auf dem schnellsten Weg hinter sich bringen, sie anschließend im Krankenhaus abliefern und aus ihrem Leben verschwinden.

Sie sah aus ihren großen, unglaublich blauen Augen flehentlich zu ihm auf und hauchte: „Bitte helfen Sie mir …“

Ihre Verzweiflung machte ihm endlich Beine. „Schsch, es wird alles gut, das verspreche ich Ihnen. Ich breite nur rasch ein paar Decken aus, damit Sie es bequem haben, dann kann’s losgehen.“

Sie streckte sich so gut es ging in der Enge des Trucks aus. „Haben Sie eine Ahnung, was zu tun ist?“, fragte sie hoffnungsvoll.

„Genug.“ Kälber, Fohlen, Babys. Keine große Sache, redete er sich gut zu. Jetzt konzentriere dich und hilf der Natur auf die Sprünge.

Dann ging alles so schnell, dass es Hardy fast den Atem nahm. Ehe ihm bewusst wurde, was geschehen war, hielt er auch schon ein kleines Mädchen in den Armen. Es brüllte aus Leibeskräften und war der schönste Anblick, den er je gesehen hatte. Winzige Fingerchen und Zehen, je zehn Stück an der Zahl und perfekt. Ein Flaum nussbraunen Haares bedeckte das Köpfchen. Und die Augen strahlten so blau wie die ihrer Mutter.

Eine Flut ungeahnter Gefühle brach über ihn herein: ungläubiges Staunen über die Wunder der Natur und eine tiefe Zufriedenheit.

Hardy sah der jungen Mutter in die ängstlich geweiteten Augen. „Sie haben eine Tochter“, erklärte er feierlich.

„Ist alles okay mit ihr?“ Sie versuchte sich aufzusetzen. „Sie ist doch nicht etwa zu klein, oder? Sie ist ein bisschen zu früh dran, nicht viel, aber es wäre trotzdem besser für sie gewesen, sich noch etwas zu gedulden.“

„Das können Sie laut sagen“, versetzte Hardy.

„Ich will sie sehen.“

„Gleich. Ich mache sie nur ein bisschen sauber. Also, ich bin zwar kein Experte auf dem Gebiet, aber auf mich wirkt sie kerngesund.“ Hardy zog sein Flanellhemd aus und wickelte das Baby behutsam darin ein. Ein Blick auf seine Armbanduhr zeigte ihm, dass es auf den Schlag genau Mitternacht war. Die Kleine hatte es offensichtlich eilig gehabt, das Millennium zu begrüßen.

Schmunzelnd platzierte er das Baby in den Armen seiner Mutter. „Frohes neues Jahr, Darling.“

Eines wusste Hardy – diesen Silvesterabend würde er nie in seinem Leben vergessen.

„Oh mein Gott, sie ist so wunderschön“, hauchte die junge Frau ehrfürchtig beim Anblick ihrer kleinen Tochter. Beifallheischend richtete sie den Blick auf Hardy. „Ist das nicht das schönste Baby, das Sie je gesehen haben?“

„Ein richtiger Hingucker“, bestätigte er eifrig. „Wie wär’s, wenn wir uns jetzt auf den Weg ins Krankenhaus machten?“ Er bedachte Trish mit einem besorgten Blick. „Tut mir leid, aber ich fürchte, dazu müssen Sie sich hinsetzen und das Baby im Arm halten. Glauben Sie, dass Sie das schaffen?“

Sie nickte, und mit Hardys Hilfe hievte sie sich in eine zumindest halb sitzende Position und barg das Kind in ihrer Armbeuge.

Nachdem Hardy sichergestellt hatte, dass die beiden es so bequem wie möglich hatten, wendete er den Wagen und machte sich auf den Weg nach Garden City. Obwohl die schlechten Wetterverhältnisse seine ganze Aufmerksamkeit forderten, warf er doch hin und wieder einen raschen Seitenblick auf seine Passagiere. Nach einer Weile stellte er fest, dass Mutter und Kind vor Erschöpfung eingeschlafen waren.

Hardy hingegen fühlte sich so wach, als hätte er soeben eine Koffeinspritze erhalten. Weihnachtslieder vor sich hinsummend, überschlug er in Gedanken, wie lange die Fahrt zum Krankenhaus dauern würde. Die Wetterverhältnisse waren inzwischen so katastrophal, dass er nur Schritttempo fahren konnte, und es war fast eins, als die ersten Lichter von Garden City am Horizont auftauchten. Eine weitere Viertelstunde später bog Hardy in die Straße zur Klinik ab.

Während der ganzen Fahrt hatten die beiden Damen keinen Mucks von sich gegeben. Plötzlich kam ihm der beunruhigende Gedanke, dass es ihnen womöglich nicht gut ging. Vielleicht hatte er etwas verkehrt gemacht. Oh Gott, womöglich verblutete die junge Mutter gerade in diesem Augenblick auf dem Beifahrersitz seines Wagens! Warum war er nicht schneller gefahren?

Die Zufahrtswege zum Krankenhaus waren geräumt und gestreut. Trotzdem geriet der schwere Truck ins Schlingern, als Hardy ihn hinter einem Ambulanzfahrzeug zum Halten brachte. Hardy riss die Tür auf und sprang aus dem Wagen. Wie ein Besessener stürmte er in die Notaufnahme und rief laut um Hilfe.

Eine Krankenschwester schoss aus einer Untersuchungskabine hervor, gefolgt von einer wohlbekannten Gestalt. Lizzy Adams-Robbins, Gott sei Dank! Harlan Adams Tochter und, was weitaus wichtiger war, voll ausgebildete Ärztin.

„Was ist denn los, Hardy?“, wollte sie alarmiert wissen. „Gab es einen Unfall? Du warst doch auf der Party, oder? Wurde jemand verletzt?“

„Draußen“, brachte er hervor. „In meinem Truck. Eine Frau und ein Baby.“ Für einen Mann, der normalerweise nicht um Worte verlegen war, fiel es ihm bemerkenswert schwer, sich zu artikulieren.

„Ist das Baby krank?“ Lizzy war bereits an der Tür.

„Ein Neugeborenes.“ Nach kurzem Zögern verkündete er: „Ich habe die Frau entbunden.“

„Wie …“ Lizzy war offensichtlich sprachlos.

„Hilf ihnen bitte. Überzeug dich davon, ob sie okay sind. Brauchst du nicht eine Trage oder zumindest einen Rollstuhl?“

„Kommt schon.“ Die Schwester eilte mit einem Rollstuhl herbei. Draußen in Hardys Truck wurde die junge Mutter gerade wach, offensichtlich geweckt vom Weinen ihrer Tochter. Hardy half Lizzy, die beiden in den Rollstuhl zu verfrachten.

Er blieb allein zurück, plötzlich völlig erschöpft. Tief atmete er die schneidend kalte Nachtluft ein. Es war vorbei. Mutter und Kind wurden jetzt professionell versorgt. Sein Job war erledigt, er konnte getrost nach Hause fahren.

Doch aus irgendeinem Grund, den er nicht näher definieren konnte, brachte er es nicht über sich, schon zu verschwinden. Stattdessen fuhr er seinen Truck auf den Parkplatz und ging wieder ins Krankenhaus. Im Wartebereich zog er sich ein Sodawasser aus dem Getränkeautomaten und setzte sich auf einen der harten orangefarbenen Plastikstühle.

Nachdem er eine Zeit lang so dagesessen hatte, stand er auf und fing an, nervös auf und ab zu gehen. Keine Spur von Lizzy oder der Krankenschwester. So verging schließlich über eine Stunde.

Hardy war schon kurz davor, ins Behandlungszimmer zu stürmen, als sich endlich die Schwester blicken ließ und verkündete: „Alles okay, Frau Doktor hat die beiden von Kopf bis Fuß durchgecheckt. Gute Arbeit, Dad“, fügte sie anerkennend hinzu.

Hardy erstarrte. „Ich bin nicht der Vater“, erklärte er rasch. „Ich kenne die Frau nicht einmal.“

Die Schwester schien ihm kein Wort zu glauben. Ihr halb amüsierter, halb kritischer Blick deutete an, dass sie ihn erkannt und als den Frauenschwarm Hardy Jones identifiziert hatte.

„Wirklich“, beharrte er. „Ich habe sie in ihrem Wagen am Straßenrand gefunden. Sie hatte einen Unfall. Ich habe sie noch nie zuvor gesehen.“

Ein breites Grinsen überzog ihr Gesicht. „Junger Mann, mich müssen Sie nicht überzeugen. Ich glaube Ihnen.“ Augenzwinkernd fügte sie hinzu: „Ich glaube allerdings auch an den Weihnachtsmann.“

Hardy seufzte frustriert. Das Gerücht von seiner unverhofften Vaterschaft würde in Kürze überall in der Gegend die Runde machen und seinen Ruf völlig ruinieren.

„Spaß beiseite, junger Mann, ich habe hier einige Formulare auszufüllen. Wenn Sie mir jetzt freundlicherweise den Namen der jungen Frau nennen möchten?“

„Ich kenne sie nicht, das habe ich Ihnen doch schon gesagt.“ Hardy war nahe daran, die Geduld zu verlieren. Da kam ihm eine Idee. Er zückte seine Brieftasche. „Wie viel?“

Die Schwester blinzelte verständnislos. „Wie bitte?“

„Wie viel kostet die Behandlung? Ich schreibe Ihnen einen Scheck aus.“

„Auswendig kann ich Ihnen das nicht sagen. Außerdem wollen wir sie bis morgen hierbehalten. An dem Baby müssen noch einige Routineuntersuchungen vorgenommen werden.“

„Dann unterschreibe ich jetzt für sie, und Sie schicken mir die Rechnung.“

„Sie sagten doch, Sie kennen Sie nicht.“

„Das stimmt auch, aber ich möchte nicht, dass Ihr kostbarer Papierkram durcheinander gerät. Schicken Sie mir einfach die Rechnung, okay?“

Die leuchtend roten Flecke auf den Wangen der Schwester signalisierten ihre Verärgerung, doch sie schob ihm wortlos einen Stapel Formulare hin. Hardy unterschrieb sie alle, während er sich fragte, ob er nun völlig verrückt geworden war. Wie kam er dazu, die Krankenhausrechnung für eine Frau zu bezahlen, die er überhaupt nicht kannte? Diese Aktion würde die Gerüchteküche erst noch so richtig anheizen.

Na wenn schon, dachte er resigniert. Wie hieß es noch? Keine gute Tat bleibt ungestraft? Das konnte man wohl laut sagen. Sein Ruf war restlos ruiniert, und sein Bankkonto wies jetzt eine erhebliche Lücke auf.

Doch dann dachte Hardy an das kleine Mädchen und seine Mutter, die tapfere junge Frau, die ihm wohl oder übel ihr Leben hatte anvertrauen müssen. Was war schon dabei, wenn sie ihn ein paar Dollar kosteten? Einige Wochen den Gürtel enger schnallen, mehr nicht.

Was ihm jedoch keiner nehmen konnte, war das Bewusstsein, aktiver Part in einem kleinen Wunder gewesen zu sein. Und das war mit Geld nicht zu bezahlen.

3. KAPITEL

Dr. Lizzy Adams-Robbins beugte sich mit einem warmherzigen Lächeln über ihre Patientin, die junge Mutter. „Wissen Sie schon, wie Sie Ihre kleine Tochter nennen wollen?“

Meine kleine Tochter, dachte Trish traumverloren. Sie konnte noch gar nicht glauben, dass dieses süße, wunderbar duftende winzige Wesen in ihren Armen wirklich ihre Tochter war. Um einen passenden Namen auszusuchen, hatte Trish während der stressigen vergangenen Monate keine Muße gehabt. Sie war viel zu beschäftigt gewesen, ihre Flucht zu planen und sich ihren Vater vom Hals zu halten, der sie natürlich fortlaufend bedrängte, den Vater ihres Babys zu heiraten.

Doch selbst jetzt in diesem Augenblick, mit seinem Kind in den Armen, wusste Trish mit absoluter Sicherheit, dass sie Jack Grainger nie heiraten würde, und wenn er der letzte Mann auf Erden wäre. An dem Tag, als sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, hatte sie eine weitere Erkenntnis gewonnen: In ihrer Verlobungszeit hatte Jack sie mit mindestens zwei Frauen betrogen.

Doch letztendlich war das für Trishs Entscheidung nicht ausschlaggebend gewesen. Sie hätte sich ohnehin von Jack getrennt, denn er langweilte sie zu Tode. Vermutlich war auch er von der Aussicht auf eine baldige Hochzeit nicht sonderlich begeistert gewesen. Doch in Anbetracht von Bryce Delacourts Vermögen und Machtposition hatte er sich natürlich den Wünschen seines zukünftigen Schwiegervaters gefügt.

Es war Trish gelungen, ihr Geschäft ganz im Geheimen an eine gute Bekannte zu verkaufen. Sie hatte ihre Möbel untergestellt und Houston buchstäblich bei Nacht und Nebel verlassen – immer westwärts, einem neuen Jahr und einem neuen Leben entgegen.

Nun, ihre Tochter hatte ihre Pläne ganz schön durchkreuzt, indem sie zu früh auf diese Welt gekommen war. Auch gut. Trish hatte nicht vor, sich davon entmutigen zu lassen. Sobald sie wieder einigermaßen bei Kräften war, würde sie ihren einmal eingeschlagenen Weg fortsetzen.

„Hey, wo sind Sie denn?“, rief Dr. Adams-Robbins Trish sanft in die Gegenwart zurück.

„Sorry, ich war in Gedanken ganz woanders. Worüber haben wir gerade geredet?“

„Wie Ihre Tochter heißen soll.“

„Ach ja, natürlich.“ Trish dachte an den Mann, der ihr geholfen hatte. Obwohl er nicht gerade begeistert gewesen war, sich in ihre Probleme mit hineinziehen zu lassen, hatte er ihr vorbildlich beigestanden. Womöglich hatten sie beide ihm sogar ihr Leben zu verdanken. „Wissen Sie zufällig den Namen des Mannes, der mich hier abgeliefert hat?“

„Sicher. Hardy Jones. Er arbeitet auf der Ranch meines Vaters.“

„Das lässt sich schlecht zu einem Mädchennamen abwandeln“, meinte Trish enttäuscht. „Muss ich mich gleich jetzt entscheiden?“

„Nein, natürlich nicht. Wir brauchen den Namen, wenn wir Sie entlassen, aber das hat noch Zeit. Denken Sie in Ruhe darüber nach. Und jetzt ruhen Sie sich tüchtig aus. Ich sehe später noch mal nach Ihnen.“

Trish kuschelte den Kopf in das weiche Kissen und schloss erschöpft die Augen. Ein Gefühl wohliger Müdigkeit durchströmte sie, während vor ihrem geistigen Auge plötzlich das Bild ihres Retters in der Not Gestalt annahm. „Hardy“, seufzte sie. Ein starker Mann mit sanften Händen. Nie würde sie die Behutsamkeit vergessen, mit der er ihr in den aufregendsten, zugleich beängstigendsten und wunderschönsten Momenten ihres Lebens beigestanden hatte.

„Hardy, kann ich mal kurz mit Ihnen reden?“ Cody Adams steckte den Kopf aus der Bürotür und winkte einladend.

Hardy folgte der Aufforderung und gesellte sich zu seinem Boss in das vollgestopfte Büro. Da Cody im vergangenen Jahr alle praktischen Tätigkeiten an seinen Sohn Harlan Patrick abgetreten hatte, fragte Hardy sich, worum es wohl gehen mochte. Cody kümmerte sich ausschließlich um die geschäftliche Seite des Ranchbetriebes, womit Hardys Arbeit nichts zu tun hatte.

„Meinen Glückwunsch! Ich habe von deiner nächtlichen Heldentat gehört. Gute Arbeit, wenn man Lizzy Glauben schenken kann.“

„Kein Grund, die Sache an die große Glocke zu hängen“, versetzte Hardy unwirsch. „Ich habe nur getan, was getan werden musste.“

„Nun, die junge Mutter sieht das ein bisschen anders. Sie ist dir überaus dankbar. Lizzy hat vorhin angerufen und lässt dir ausrichten, dass die Dame dich gerne sehen möchte. Wenn du willst, nimm heute Vormittag frei und fahr hinüber ins Krankenhaus.“

Allein die Vorstellung, die Frau wieder zu sehen, rief bei Hardy Panik hervor. Zu heftig waren seine Gefühle während der Geburt gewesen. Gefühle, die seine Junggeselleninstinkte als ernsthaft bedrohlich einstuften. „Ich kann den Männern nicht zumuten, meine Arbeit mitzumachen“, versuchte er sich herauszureden. „Wir sind ohnehin knapp dran, da viele noch Urlaub haben.“

„Dann springe ich für dich ein“, erbot sich Cody. „Das schaffe ich schon noch. Fahr du ruhig ins Krankenhaus. Die Lady möchte dir gern persönlich für deine Hilfe danken. Und bei der Gelegenheit kannst du ja auch noch mal einen Blick auf das Baby werfen. Würde ich selbst gern tun“, räumte Cody ein. „Habe ich dir je die Geschichte erzählt, wie mein Bruder Luke Jessie bei der Geburt ihres Babys geholfen hat, als sie mitten in der Nacht während eines Schneesturms vor seiner Türschwelle auftauchte?“

Allerdings hatte Hardy die Geschichte gehört, und zwar ungefähr tausend Mal. Eine typische Adams-Legende. Und er wusste auch, wie die Geschichte ausging: mit einer Traumhochzeit. Und genau solche Implikationen wollte Hardy vermeiden. Deshalb war er sorgfältig darauf bedacht, nicht eine Minute länger mit der jungen Mutter zu verbringen als unbedingt nötig. „Ich kenne die Story“, erwiderte er steif.

Cody lachte amüsiert auf. „Abschreckend genug für einen eingefleischten Junggesellen wie dich, was? Fahr trotzdem ins Krankenhaus, und lass dir ruhig Zeit. Nach der kurzen Nacht bist du hier heute sowieso kaum zu gebrauchen. Du verdienst eine Pause nach dem, was du durchgemacht hast.“

Nein, was ich brauche, ist eine gründliche Untersuchung meines Verstandes, sagte sich Hardy, als er sich in seinen Truck schwang. Er spielte mit dem Schicksal, das spürte er in sämtlichen Knochen.

Im Krankenhaus angekommen, beschloss Hardy, zuerst die Säuglingsstation aufzusuchen. Von dem kleinen Mädchen ging weitaus weniger Gefahr aus als von seiner hübschen jungen Mutter.

So dachte Hardy zumindest.

Als er hinter der Glasscheibe stand und das kleine Menschenwesen bewunderte, dem er auf die Welt geholfen hatte, trat Lizzy Adams hinter ihn. „Sind Sie hier, um Trish zu besuchen? Sie erwartet Sie schon sehnsüchtig. So dankbar Sie Ihnen für Ihre Hilfe letzte Nacht ist, dass Sie die Krankenhausrechnung für sie übernommen haben, findet sie wohl nicht so toll.“

„Daran ist doch bloß dieser Barrakuda von Krankenschwester schuld“, gab er zurück. „Hätte die nicht so ein Theater um den Papierkram veranstaltet, wäre ich doch nie auf die Idee gekommen …“

„Wie auch immer, Sie beide werden das schon klären.“

„Vielleicht warte ich besser noch ein Weilchen, bis ich zu ihr gehe. Ich möchte sie keinesfalls aufregen.“

Lizzy bedachte ihn mit einem amüsierten Lächeln. „Möchten Sie gern mal das Baby halten?“

Er war ernsthaft versucht, doch die Vorsicht gewann die Oberhand. „Lieber nicht.“

„Sie fürchten sich doch nicht etwa vor einem winzig kleinen Baby?“

Er runzelte die Stirn. „Natürlich nicht.“

„Dann kommen Sie, los.“ Lizzy öffnete die Glastür und schob den überrumpelten Hardy hindurch. Bevor ihm bewusst wurde, was geschah, fand er sich in einem Schaukelstuhl wieder, das Baby in den Armen.

„Sie ist wunderschön, nicht wahr?“

Hardy nickte stumm und strich dem Baby mit dem Daumen über die seidenweiche Wange. Da eine Ehe für ihn nicht infrage kam, hatte er sich auch nie mit dem Gedanken beschäftigt, Vater zu werden. Jetzt wurde ihm bewusst, dass ihm womöglich eine ganz fundamentale Erfahrung verloren gehen würde.

„Da ist ja auch schon die junge Mutter“, erklärte Lizzy munter und deutete mit dem Kopf auf die Glaswand, hinter der Trish die Szene beobachtete.

Hardy blickte widerstrebend auf. Die junge Frau war tatsächlich so hübsch, wie er sie in Erinnerung hatte. Ihr Anblick erschütterte ihn bis ins Mark. Am liebsten wäre er aufgesprungen und weggelaufen, doch daran hinderte ihn unter anderem Lizzys beinahe eisenharter Griff, mit dem sie seine Schulter umklammerte.

Lizzy machte die beiden offiziell miteinander bekannt – zum Austausch der Namen waren sie in der Nacht zuvor nicht gekommen –, bedachte sie mit einem strahlenden Lächeln und verabschiedete sich.

Hardy stand auf und deutete mit einer höflichen Geste auf den Schaukelstuhl. „Bitte setzen Sie sich.“

Trish gehorchte, und kaum hatte sie Platz genommen, da drückte Hardy ihr auch schon das Baby in die Arme. Einen Moment lang vertiefte sie sich versonnen in den Anblick ihrer kleinen Tochter, dann sah sie seufzend auf. „Ich kann es immer noch gar nicht glauben. Danke für Ihre Hilfe.“

„Sie brauchen mir nicht zu danken.“

„Sie haben das wie ein richtiger Profi gemanagt. Gehört das zu Ihren Hobbys, Frauen am Straßenrand von ihren Babys zu entbinden?“, fragte sie mit einem leichten Lächeln.

„Um Himmels willen, nein. Das war das erste und hoffentlich auch das letzte Mal. Ich bin heilfroh, dass alles so glattgelaufen ist. Übrigens, was hatten Sie eigentlich da draußen mitten in einem Schneesturm verloren?“

„Ich bin von zu Hause fort“, versetzte sie grimmig. „Das ist eine lange Geschichte.“

Und eine, die sie eindeutig nicht zum Besten geben wollte. Hardy fragte sich, was eine Frau von schätzungsweise Mitte zwanzig dazu trieb, von zu Hause wegzugehen. Hatte sie ihren Mann verlassen, von dem sie behauptete, dass er gar nicht existierte? In dem Fall sollte er, Hardy, lieber die Finger von ihr lassen. „Das heißt, Sie stammen nicht aus der Gegend?“

„Ja. Ich bin nur auf der Durchreise.“

Zu seinem eigenen Erstaunen enttäuschte ihn diese Antwort. Er ertappte sich sogar bei dem Gedanken, wie nett es wäre, wenn Trish hierbleiben würde. Dann könnte er hin und wieder vorbeischauen, um das kleine Mädchen aufwachsen zu sehen. Solche Gedanken bedeuteten Alarmstufe Rot für den eingefleischten Junggesellen. Barscher als beabsichtigt sagte er: „Ich muss jetzt los.“

Trish streckte die Hand nach ihm aus, und er hielt inne. „Oh nein, bitte bleiben Sie. Ich muss etwas mit Ihnen besprechen.“

„Es geht um die Rechnung“, vermutete er. „Machen Sie sich darum keine Gedanken. Ich wollte die Krankenschwester bloß vor dem drohenden Schlaganfall bewahren. Sie wissen doch, welch ein Aufwand heutzutage um den Papierkram veranstaltet wird.“

„Oh nein, darum geht es nicht“, wehrte sie ab. „Ich habe die Sache inzwischen geklärt. Die Rechnung wird mir zugestellt. Nein, ich wollte etwas weitaus Wichtigeres mit Ihnen besprechen.“

Hardy horchte alarmiert auf. „Ach ja?“

„Meine Tochter braucht einen Namen. Vielleicht können Sie mir helfen, einen passenden auszusuchen. Einen, der Ihnen etwas bedeutet.“ Ihre Blicke trafen sich. „Den Namen Ihrer Mutter zum Beispiel.“

Der Gedanke an seine Mutter ließ Hardy erstarren. Sie hatte ihn vor so langer Zeit im Stich gelassen, dass er sich nicht einmal mehr daran erinnerte, wie sie aussah. „Nie im Leben“, versetzte er düster.

Seine heftige Reaktion wunderte Trish, doch sie bohrte nicht weiter nach. „Na gut, dann einen anderen Namen. Vielleicht den ihrer Schwester oder eines Mädchens, in das Sie mal schwer verliebt waren.“

Hardy dachte an seine ältere Schwester, die zusammen mit seiner Mutter gegangen war. Keine von beiden hatte je zurückgeblickt. Und er musste bis ans Ende seiner Tage mit dem Wissen leben, dass seine Mutter seine Schwester genug geliebt hatte, um sie mitzunehmen. Ihn jedoch nicht.

Er schüttelte bedauernd den Kopf. „Tut mir leid, mir fällt kein Name ein.“

„Aber es wird doch irgendeinen Mädchennamen geben, der Ihnen gefällt. Oder meinetwegen auch einen Jungennamen, der sich abwandeln lässt.“

Die Beharrlichkeit, mit der sie ihn in eine sehr private Angelegenheit hineinzuziehen versuchte, weckte in ihm reinen Widerstand. Den Namen für ein Neugeborenes auszusuchen, war Sache von Mutter und Vater. Doch einen Ehemann gab es ja wohl nicht, wenn es stimmte, was Trish ihm letzte Nacht gesagt hatte. Trotzdem wollte Hardy nichts mit der Sache zu tun haben.

„Mir fällt kein Name ein“, sagte er mit fester Stimme, in der Hoffnung, das Thema sei damit beendet.

Doch da kannte er Trish schlecht. „Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als sie Hardy zu nennen.“

Wollte sie ihn auf dem Arm nehmen? Ihrer entschlossenen Miene nach zu urteilen, nein. „Sie scherzen wohl“, meinte er abwehrend. „Das ist kein Name für ein kleines Mädchen. Nicht mal für einen Mann, wenn man’s genau nimmt. Hardy leitet sich von Hardwick ab, ein gebräuchlicher Name aus der Familie meines Vaters. Reines Pech, dass es auch mich getroffen hat. Ein gewöhnlicher Name wie Jake oder Josh oder John wäre mir weitaus lieber gewesen.“

„Und wie wurden die Mädchen in Ihrer Familie üblicherweise genannt?“

Beim Gedanken an seine Cousinen musste er lächeln. Jede einzelne war nach einer Blume benannt, wovon sie nicht besonders begeistert waren. „Rose, Lily, Iris“, zählte er auf, während er amüsiert Trishs entsetzte Miene registrierte. Zur Abschreckung fuhr er fort: „Ich glaube, es gab sogar eine Periwinkle. Immergrün … Wäre das nicht ein schöner Name für Ihre Kleine? Es gibt eine Menge drolliger Anekdoten um die gute alte Peri. Sie war ihrer Zeit weit voraus, eine richtige Feministin.“

„Sie machen Witze, oder?“

Er hob beide Hände. „Nie im Leben, ich schwöre. Einer meiner Vorfahren hatte es mit dem Gärtnern. Daher der Hang zu blumigen Namen. Und von den nachfolgenden Generationen hat es keiner gewagt, mit der Tradition zu brechen.“ Er sah Trish in die unglaublich blauen Augen, in denen silbrige Fünkchen sprühten. „Okay, vergessen wir Peri. Warum geben sie ihr nicht Ihren Namen? Trish hört sich doch hübsch an.“

„Eine Abkürzung für Patricia“, meinte sie spöttisch. „Kein schlechter Name, aber zu gewöhnlich. Mir schwebt eher etwas Außergewöhnliches vor.“

„Ein außergewöhnlicher Name reizt andere gern zu Spötteleien“, gab er zu bedenken. Plötzlich fiel ihm etwas ein, und er hielt inne. Er dachte an die einzige Frau in seinem Leben, die er für ihre Güte und Charakterfestigkeit geliebt hatte. Seine Großmutter Laura. Bei ihrem Tod war er erst zehn Jahre alt gewesen, doch er würde nie die Wärme vergessen, die ihre Besuche in sein einsames Dasein gebracht hatten.

„Da gibt es doch einen Namen“, bemerkte er verhalten. Tief im Innern widerstrebte es ihm immer noch, sich in diese Angelegenheit hineinziehen zu lassen.

„Schießen Sie los.“

„Laura. Wahrscheinlich ein bisschen zu altmodisch. Meine Großmutter hieß so.“

„Und Sie haben sie sehr geliebt?“ Trishs Stimme klang forschend.

„Ja, aber das ist schon lange her.“

„Laura“, wiederholte sie sanft. „Das gefällt mir.“

Und Hardy gefiel die Art, wie sie den Namen aussprach. Ihm gefiel Trishs melodische Stimme. Er mochte überhaupt alles an dieser Frau ein bisschen zu sehr. Sie und ihr Baby waren wie geschaffen, sich ins Herz eines Mannes zu stehlen. Allein die Vorstellung veranlasste Hardy, einen Schritt in Richtung Ausgang zu machen.

„Sie wollen schon gehen?“, fragte Trish enttäuscht.

„Die Arbeit ruft“, erklärte er, ohne sich noch einmal umzudrehen. „Ich wollte eigentlich schon längst weg sein.“

„Ich sehe Sie doch sicher noch mal?“

„Ich glaube kaum. Sie sind schließlich nur auf der Durchreise.“ Hardy zögerte und wandte sich wider besseres Wissen doch noch einmal zu Trish um. Den Anblick, wie sie da mit ihrem Baby im Arm im Schaukelstuhl saß, gebadet in die goldenen Strahlen der Sonne, die durchs Fenster hereinfielen, würde er so rasch nicht vergessen, das wusste er.

„Freut mich, dass Sie alles so gut überstanden haben“, brachte er mit rauer Stimme hervor. „Ich wünsche Ihnen alles Gute, wohin das Schicksal Sie auch führt.“

4. KAPITEL

Trish wusste nicht recht, was sie von Hardy halten sollte. Er war so anders als die Männer, die sie in ihrem bisherigen Leben kennengelernt hatte. Einerseits empfand sie ihn als brüsk und abweisend, dann wieder war er sanft und rücksichtsvoll, ja fast ein wenig schüchtern. Und dazu noch umwerfend gut aussehend. Eine wahrhaft explosive Mischung.

Besser, sie verbannte ihn so schnell wie möglich aus ihren Gedanken. Sie würde ihn ohnehin nicht wiedersehen, daran hatte er beim Abschied keinen Zweifel gelassen. Und wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, die ihr zu Ohren gekommen waren, ähnelte er Jack zu sehr. Sie brauchte weiß Gott nicht so einen Mann in ihrem Leben.

Plötzlich öffnete sich die Tür, und Lizzy kam hereingeschossen. Es schien fast so, als hätte sie im Flur auf der Lauer gelegen. „Na, was halten Sie von Hardy?“, wollte sie nach Trishs Geschmack ein wenig zu beiläufig wissen. Lizzys wachsamer Blick signalisierte ihr starkes Interesse an Trishs Antwort. Hatte sie es in Lizzy womöglich mit einer passionierten Ehestifterin zu tun?

„Oh, er ist süß, wirkt aber auch ziemlich nervös. Ist wohl einer von der schüchternen Sorte, was?“ Mal sehen, ob die Gerüchte stimmten, die sie über ihn gehört hatte!

Lizzy reagierte erstaunt. „Hardy und schüchtern? So würde ihn hier wohl keine einzige Frau beschreiben.“

Diese Antwort bestätigte Trishs schlimmsten Befürchtungen. „Wie würden Sie ihn denn charakterisieren, Frau Doktor?“, fragte Trish harmlos, doch im Innern auf der Hut.

„Vergessen wir das ‚Doktor‘, ja? Nennen Sie mich einfach Lizzy. Also, Hardy ist zweifellos ein Typ, auf den Frauen fliegen. Er ist sexy, gut aussehend und charmant. Und er schafft es mühelos, bei den Damen – ob jung, ob alt – den Blutdruck in bedenkliche Höhen schießen zu lassen“, fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu.

Also genau der Typ Mann, den Trish unter allen Umständen meiden wollte. Aber irgendetwas passte nicht ins Bild. Natürlich war Trish sein umwerfender Sexappeal nicht entgangen, aber seine Sanftheit und seine Unsicherheit hatten sie viel stärker beeindruckt. Darüber hinaus ärgerte es sie fast ein bisschen, dass er heute nicht versucht hatte, mit ihr zu flirten. „Das ist mir gar nicht aufgefallen.“

Lizzy zog sich einen zweiten Schaukelstuhl heran, offensichtlich in Laune für einen vertraulichen Schwatz. „Das wundert mich. Flirten ist Hardy so selbstverständlich wie Atmen. Er hat Ihnen also nicht mal zugezwinkert?“

„Nein.“

„Hm. Faszinierend. Keine versteckten Andeutungen, keine Süßholzraspelei?“

„Ich fürchte, nein. Aber schließlich habe ich gerade erst ein Kind geboren. Das lädt nicht gerade zum Flirten ein. Was soll er sagen? Sie sehen großartig aus für eine Frau, die soeben ein Baby in meinem Truck bekommen hat?“

„Sie kennen Hardy nicht … Er mag Frauen, nein, er liebt sie. Große, kleine, alte junge.“

Trish bedachte Lizzy mit einem aufmerksamen Blick. „Warum erzählen Sie mir das alles?“

„Ach, nur so. Für den Fall, dass Sie interessiert sind.“

„Ist Ihnen nie in den Sinn gekommen, dass ich verheiratet sein könnte?“

„Davon steht nichts in den Papieren, das habe ich überprüft“, räumte Lizzy ein.

Trish starrte sie ungläubig an. „Das ist nicht Ihr Ernst!“

„Doch.“ Lizzy rückte unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her. „Immerhin haben Sie und Hardy zusammen ein Baby bekommen …“

„Wir haben kein Kind zusammen“, verbesserte Trish sie energisch. „Er hat lediglich bei der Geburt geholfen.“

„Na ja, das muss doch ein unglaublich intensives Erlebnis gewesen sein, ein Erlebnis, das zusammenschweißt …“

„Schluss damit! Ich suche keinen Mann, damit das klar ist. Und Hardy ist nicht an mich interessiert. Seinen legendären Charme hat er an mir jedenfalls nicht verschwendet.“

„Das macht es ja gerade so interessant! Ein Mann wie er benimmt sich plötzlich schüchtern und zurückhaltend, das ist doch sehr bezeichnend!“ Lizzy schien sich immer mehr für das Thema zu erwärmen.

„Sie haben wohl zu wenig geschlafen. Sie halluzinieren.“

„Warten wir’s ab“, versetzte Lizzy bedeutungsvoll.

„Oh nein. Sobald ich wieder auf den Beinen bin, fahre ich weiter. Höchstwahrscheinlich sehe ich Hardy Jones nie wieder.“

Doch da täuschte sie sich.

Keine Stunde später statteten Kelly und Jordan Adams Trish einen Besuch ab. Sie kamen mit der herzlichen Einladung, vorerst bei ihnen zu bleiben.

„Wir haben jede Menge Platz, und Sie müssen sich erholen. Eine Geburt ist schließlich keine Kleinigkeit. Sie brauchen Hilfe, zumindest am Anfang“, argumentierte Kelly. „Keine falsche Bescheidenheit. Ein Nein akzeptiere ich nicht.“

„Das ist das Mindeste, was wir für Bryce’ Tochter tun können“, fügte Jordan hinzu. „Ihr Vater …“

„Lassen Sie bitte meinen Vater aus dem Spiel“, fiel Trish ihm ins Wort. „Er darf nicht wissen, dass ich hier bin. Wenn Sie mir nicht versprechen, das zu akzeptieren, kann ich Ihre Einladung leider nicht annehmen. Sollten Sie sich verpflichtet fühlen, ihn zu informieren, nehme ich meine Baby und reise ab.“

Kelly schoss ihrem Mann einen warnenden Blick zu und drückte beschwichtigend Trishs Hand. „Sie haben sicher Ihre Gründe, obwohl ich hoffe, dass Sie es sich noch einmal überlegen. Er macht sich bestimmt große Sorgen. Aber vorerst wollen wir Sie gern bei uns haben, nicht wahr, Jordan?“

Es bereitete ihm deutliches Unbehagen, ein solches Versprechen abzulegen, aber schließlich nickte er. „Es ist allein Ihre Entscheidung.“

„Übrigens, woher wussten Sie überhaupt, dass ich hier bin?“, wollte Trish wissen.

„In einem kleinen Ort wie diesem machen Neuigkeiten schnell die Runde“, erwiderte Kelly leichthin. „Daran gewöhnt man sich nur schwer, wenn man sein ganzes bisheriges Leben in der Stadt verbracht hat.“

„Besonders in dieser Familie verbreiten sich Neuigkeiten wie ein Lauffeuer“, fügte Jordan schmunzelnd hinzu. „Klatschen ist ihr Hobby. Mein Vater ist der Schlimmste, was das betrifft.“

„Dann sind Sie also mit Lizzy verwandt?“

„Sie ist meine Halbschwester“, erklärte Jordan. „Wir haben denselben naseweisen Vater. Er ist schon ganz wild darauf, Sie und das Baby zu sehen. Mit ein bisschen Glück gelingt es uns, ihn so lange zu bremsen, bis Sie bei uns sind, aber versprechen kann ich das nicht. Geduld gehört nicht zu seinen Tugenden.“

„Er ist auf der Suche nach einem neuen Projekt“, fügte Kelly warnend hinzu.

Trish brachte ein schiefes Lächeln zustande. „Ich habe schon von seinen Ambitionen als Ehestifter gehört. Diesen speziellen Zug hat Lizzy wohl von ihm geerbt.“

„Nun, über Lizzy kann ich nichts sagen, aber sein Talent kam schon mehrfach erfolgreich zum Einsatz.“ Kelly lächelte versonnen. „Nehmen Sie zum Beispiel uns.“

Jordan runzelte unwillig die Stirn. „Ich war es, der um dich geworben hat, Kelly. Mein Vater hatte nichts damit zu tun.“

Kelly tätschelte ihm beschwichtigend die Hand. „Aber natürlich, mein Lieber.“

Fasziniert und eine Spur wehmütig registrierte Trish, wie zugetan die beiden einander waren. Bei ihren eigenen Eltern war Trish das nie aufgefallen. Sie gingen weitaus reservierter miteinander um. Trish hatte immer angenommen, das sei normal bei Paaren, die so viele Jahre miteinander verheiratet waren. Doch jetzt wurde sie von Kelly und Jordan Adams eines Besseren belehrt.

Wenn ich mich doch bloß auch so verlieben könnte, dachte Trish sehnsüchtig. Stattdessen war sie auf einen Playboy ohne Rückgrat hereingefallen.

Das würde ihr nie wieder passieren. Selbst wenn sie noch länger als geplant hierblieb, nahm sie sich fest vor, Hardy Jones wie die Pest zu meiden. Vermutlich war es das Beste, ihren Aufenthalt nicht länger als unbedingt nötig auszudehnen. Sollten sich die Leute hier doch gegenseitig verkuppeln, wenn es ihnen Spaß machte, aber nicht mit ihr.

Doch bald würde das sowieso kein Thema mehr sein. Sie würde einen netten Ort finden, wo sie bleiben wollte, vielleicht in New Mexico oder Arizona oder auch Alaska. Oder auch Maine. Jeder Ort war ihr recht, wenn er sie nur weit genug von den Menschen wegführte, die sich einbildeten, zu wissen, was das Beste für sie war.

Wieder einmal war Hardy erstaunt, wie heftig man schwitzen konnte, wenn die Temperatur nur gerade mal eben über null Grad lag. Harlan Patrick und er waren den ganzen Tag mit den Pferden unterwegs gewesen, um sich zu vergewissern, dass die Rinder den Schneesturm gut überstanden und genug Futter hatten, denn die Weiden waren immer noch mit einer dichten weißen Schneedecke überzogen. Jetzt sehnte Hardy sich nur noch nach einem heißen Duschbad, einer anständigen Mahlzeit und einer ordentlichen Portion Schlaf.

Doch als er erschöpft die Schlafbaracke betrat, wurde er dort bereits vom alten Adams erwartet. „Hallo, mein Sohn, auf Sie habe ich schon gewartet.“

Das ließ nichts Gutes ahnen. In all den Jahren, die Hardy auf der „White Pine Ranch“ arbeitete, war es noch nie vorgekommen, dass der Alte höchstpersönlich ihn sprechen wollte. „Oh, worum geht’s denn?“

„Ich wollte Ihnen nur zu Ihrer Heldentat gratulieren. War sicher nicht leicht, was Sie da geleistet haben, aber Sie haben einen kühlen Kopf bewahrt und die Sache durchgezogen. Alle Hochachtung!“

„Danke, Sir. Aber das hätte doch jeder getan. Einen Helden macht das noch lange nicht aus mir“, wehrte Hardy ab.

„Die junge Mutter ist da bestimmt anderer Ansicht.“

„Sie ist einfach nur dankbar, das ist alles.“ Der alte Herr machte keine Anstalten, sich zurückzuziehen. Das Thema war also noch nicht erledigt. „Gibt’s noch etwas?“

„Nun, Sie könnten mir einen Gefallen tun, falls Sie Zeit haben.“

„Jetzt?“

„Nicht jetzt gleich, aber heute Abend. Wie gesagt, falls Sie Zeit haben.“

„Ehrlich gesagt wollte ich heute Abend nicht mehr in die Stadt fahren. Es war ein langer Tag.“

Der alte Herr strahlte. „Das trifft sich bestens. Vielleicht könnten Sie dann so nett sein und bei meinem Sohn vorbeischauen, um sich eines seiner Pferde anzusehen.“ Er zog eine bedauernde Miene. „Jordan ist zwar auf dieser Ranch aufgewachsen, doch sein Wissen über Pferde passt in einen Fingerhut. Und Kelly macht sich wirklich große Sorgen um eines der Fohlen.“

Hardy witterte eine Falle, hätte jedoch nicht sagen können, aus welcher Richtung Gefahr drohte. „Okay, ich dusche rasch und esse einen Happen, dann fahre ich mal rüber.“

„Vergessen Sie das Essen. Kelly ist eine hervorragende Köchin und wäre sicher tödlich beleidigt, wenn Sie nicht zum Dinner blieben.“

Dem war nichts mehr hinzuzufügen. Hardy wusste, wann er sich geschlagen geben musste. Auf der Ranch gab es bestimmt ein Dutzend Männer, die sich mit Pferden mindestens genauso gut auskannten wie er. Darüber hinaus war Kellys und Jordans Tochter Dani Tierärztin. Und dann noch die Einladung zum Dinner … Da war etwas im Busch. Aber was? Nun, das würde er ja jetzt bald herausfinden.

„Sagen Sie Kelly bitte, dass ich in ungefähr einer Dreiviertelstunde komme, ja, Mr Adams?“

„Aber gern, mein Sohn. Da wird sie sich freuen.“ Damit wandte er sich ab und verschwand nach draußen in die Kälte, ein fröhliches Lied vor sich hinpfeifend.

Als Hardy seinen Wagen vor der Adams-Ranch parkte, erwog er kurz, gleich zum Pferdestall zu gehen, verwarf den Gedanken dann aber sogleich wieder. Er klopfte an die schwere Holztür, und während er wartete, schien es ihm, als ob drinnen ein Baby schrie. Daher wehte also der Wind! „Dieser verdammte alte Halunke!“, stieß er verärgert hervor, gerade als die Haustür geöffnet wurde.

„Da sind Sie ja, Hardy!“, begrüßte Kelly ihn eine Spur zu aufgekratzt. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich bin, dass Sie gekommen sind. Treten Sie ein.“

Er rührte sich nicht von der Stelle. „Ich kann doch gleich in den Stall gehen und mir das Fohlen ansehen. Machen Sie sich bitte keine Umstände. Wie’s scheint, haben Sie genug um die Ohren.“

„Sie haben sie also gehört“, seufzte Kelly. „Laura ist ziemlich energisch, wenn es darum geht, uns wissen zu lassen, dass sie Hunger hat.“

„Laura“, wiederholte er. Er sah seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. „Das ist doch Trishs Baby.“

Hektische rote Flecke erschienen auf Kellys Wangen. Doch sie hatte sich gleich wieder im Griff. „Ja. Die beiden bleiben ein Weilchen bei uns“, erklärte sie beiläufig.

„Komisch, dass mir das keiner erzählt hat.“

„Tatsächlich? Ist doch kein Geheimnis“, behauptete Kelly mit Unschuldsmiene.

„Sagen Sie mir bitte eins.“

„Ja?“

„Gibt’s hier wirklich ein krankes Pferd?“

„Aber natürlich“, versetzte sie indigniert. „Ich verstehe gar nicht, was Sie meinen.“ Mit einem strahlenden Lächeln fügte sie hinzu: „Wie lange wollen Sie noch da draußen in der Kälte herumstehen? Kommen Sie doch endlich rein.“ Sie trat einen Schritt beiseite.

Obwohl er am liebsten sofort auf dem Absatz kehrtgemacht hätte, folgte er widerstrebend Kellys Aufforderung. Lauras verzweifelte Schreie rührten ihn, und plötzlich verspürte er das Bedürfnis, das kleine Wesen wiederzusehen, dem er vierundzwanzig Stunden zuvor auf die Welt geholfen hatte. „Okay, aber zum Dinner bleibe ich auf keinen Fall. Ich begrüße nur rasch Trish und das Baby, dann schaue ich mir das Fohlen an.“

„Wie Sie wollen“, räumte Kelly liebenswürdig ein. „Darf ich Ihnen wenigstens etwas zu trinken anbieten? Einen Kaffee vielleicht?“

„Ja, gern.“

Kelly nickte zufrieden. „Gehen Sie ruhig schon ins Wohnzimmer, und sagen Sie den beiden Hallo. Ich hole inzwischen den Kaffee.“ Sie schob ihn sanft, aber bestimmt in Richtung Wohnzimmer.

Hardy blieb in der Tür stehen und sah zu, wie Trish vergeblich versuchte, die Kleine zu beruhigen, die sich in einen regelrechten Schreikrampf hineingesteigert hatte. Trishs Haare waren zerzaust, ihre Haut wirkte blass.

„Herzchen, ich weiß wirklich nicht, was ich noch mit dir anstellen soll“, redete sie frustriert auf ihre kleine Tochter ein, während sie so aussah, als würde sie selbst gleich in Tränen ausbrechen. „Du hast deine Mahlzeit gehabt und saubere Windeln bekommen.“

„Darf ich es mal versuchen?“, meldete sich Hardy zu Wort, was bei dem schrillen Babygeschrei gar nicht so einfach war.

„Hardy!“ Trish fuhr überrascht herum. „Ich wusste ja gar nicht, dass Sie hier sind.“

„Dann haben wir etwas gemeinsam“, versetzte er trocken.

„Wie?“

„Schon gut.“ Er streckte die Arme aus. „Geben Sie sie mir.“

Trish zögerte nur einen Moment, dann legte sie ihm das Baby in die Arme. „Keine Ahnung, was ihr fehlt.“

Hardy hielt die inzwischen krebsrot angelaufene Laura hoch und sah ihr in das verzerrte Gesichtchen. „Hey, Missy, was soll das Theater? Du machst deiner Mum das Leben schwer.“

Unvermittelt ebbten die Schreie ab.

„So ist es gut“, redete er besänftigend weiter. „Und jetzt versuchen wir mal, ganz damit aufzuhören, okay, meine Süße?“ Er legte sich das Baby vorsichtig an die Schulter und rieb ihm sanft den Rücken. Es folgte ein kleiner Rülpser, und Hardy grinste zufrieden.

„Oh nein“, stöhnte Trish. „Das war alles? Sie musste aufstoßen?“

„Wie’s scheint, ja.“

Trish ließ sich auf einen Stuhl sinken und sah ihn unglücklich an. „Herrje, ich bin wirklich eine lausige Mutter!“

„Nur keine Panik“, erprobte Hardy seine neu entdeckten Beruhigungskünste nun an Lauras Mum. „Das ist doch eine ganz neue Erfahrung für Sie. Geben Sie sich Zeit, dann wird sich alles von selbst fügen. Wenn Sie in einem Monat immer noch so denken wie jetzt, sprechen wir uns wieder.“

„Was wollen Sie dann tun? Meine Rolle übernehmen?“

Er lachte amüsiert auf. „Man kann nie wissen. Womöglich hab ich den Dreh raus.“

„Sehen Sie sich Laura an.“ Trish klang regelrecht anklagend. „Sie schläft tief und fest. Kein Zweifel, dass Sie den Dreh raus haben. Kommen Sie, ich nehme sie Ihnen ab und lege sie hin.“

„Unterstehen Sie sich.“ Er bedachte Trish mit einem gewitzten Lächeln. „Ich hatte die ganze Arbeit und möchte meine Belohnung.“

„Sie möchten sie halten“, schloss Trish erstaunt.

„Warum nicht?“

„Keine Ahnung. Ich dachte bloß, Sie seien aus irgendeinem bestimmten Grund hier und möchten sich jetzt vielleicht darum kümmern.“

Hardy dachte an das kranke Pferd. Und an den Kaffee, den Kelly bis jetzt nicht gebracht hatte. Hardy hatte den deutlichen Verdacht, genau in dem Bereich im Einsatz zu sein, weshalb man ihn hierher gelockt hatte.

„Wie sind Sie eigentlich hier gelandet?“, wollte er wissen.

„Ich vermute, da hatte Lizzy ihre Finger im Spiel“, erklärte Trish vertraulich. „Sie hat bestimmt mit Kelly und Jordan geredet. Jordan und mein Vater sind nämlich Geschäftsfreunde. Kelly hat mich hierher eingeladen, obwohl es Jordan ganz offensichtlich widerstrebt, meinen Vater nicht benachrichtigen zu dürfen. Nun, es ist ja ohnehin nur für ein paar Tage.“

Hardy setzte sich mit dem Baby im Arm in einen Sessel. „Und was dann?“

„Dann fahre ich weiter.“

„Wohin?“

„Weiß ich noch nicht so genau.“

„Aber nach Hause zurück wollen Sie nicht?“

„Nein, auf keinen Fall.“

„Warum eigentlich nicht?“

„Würden Sie meinen Vater kennen, bräuchten Sie das nicht zu fragen. Er ist ein regelrechter Kontrollfreak. Und dann noch meine Mutter, die es nicht verwinden kann, dass ihre einzige Tochter eine ledige Mutter ist … nein danke, kein Bedarf.“

Hardy fiel eine Schlagzeile ein, die er heute Morgen in der Zeitung gelesen hatte. Irgendetwas über einen Ölmagnaten aus Dallas, der seine Tochter als vermisst gemeldet hatte. „Ihr Vater ist nicht zufällig Bryce Delacourt?“

„Ganz genau.“

Er pfiff leise durch die Zähne. „Oje.“

Sie war sofort alarmiert. „Was ist los?“

„Er lässt bereits im ganzen Land nach Ihnen suchen. Los Piños ist vielleicht nur ein winziges Kaff, aber die Geschichte vom Neujahrsbaby hat die Leute mächtig beeindruckt. So etwas spricht sich schnell herum. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Ihr Vater davon erfährt. Wollen Sie ihn nicht lieber anrufen, um ihn zu beruhigen? Dann pfeift er die Meute vielleicht zurück. Auch für Kelly und Jordan wäre es einfacher. Sie hätten dann nicht das Gefühl, Ihren Vater zu hintergehen.“

„Sie haben ja recht“, gestand Trish seufzend ein. „Trotzdem kann ich es ihm nicht sagen. Und Sie auch nicht. Bitte, das müssen Sie mir versprechen.“ Sie sah ihn eindringlich an.

„Hören Sie, Darling, es ist nicht meine Art, jemanden zu verpfeifen. Aber nicht jeder denkt so, besonders, wenn die Belohnung hoch genug ist.“

Trish war entsetzt. „Er hat eine Belohnung ausgesetzt? Als sei ich eine Kriminelle …“

„Er ist ein verzweifelter Vater“, hielt Hardy dagegen.

„Oh nein! Sie kennen ihn nicht. Hier geht es nicht um Verzweiflung, sondern darum, dass er die Kontrolle über mich verloren hat. Der mächtige Bryce Delacourt wurde ausgetrickst, und das verkraftet er nicht.“ Trish sprang auf und ging zum Telefon. Aufgebracht hämmerte sie eine Nummer ein. „Miriam, ich bin’s. Ist mein Vater da?“ Während sie wartete, tippte sie ungeduldig mit der Fußspitze auf den Boden, und ihre Augen blitzten vor unterdrückter Wut. Selbst aus der Entfernung konnte Hardy einen Mann eine ganze Salve Fragen ins Telefon brüllen hören. Endlich wurde es am anderen Ende der Leitung still.

„War das jetzt alles?“, wollte Trish mit ruhiger Stimme wissen. „Gut. Ich sage dir nur eins: Pfeif deine Detektive zurück. Und erklär der Presse, dass alles nur ein unglückliches Missverständnis war und es dir schrecklich leid tut, das ganze Land aufgescheucht zu haben.“

Sie lauschte in den Hörer und schüttelte den Kopf. „Nein, ich komme nicht nach Hause. Und nein, ich verrate dir auch nicht, wo ich bin. Es geht mir gut, deiner Enkeltochter übrigens auch, falls es dich interessiert. Wir kommen wunderbar allein zurecht. Falls du uns je wiedersehen möchtest, dann lass mich bitte erst einmal in Ruhe. Haben wir uns verstanden?“

Was auch immer Bryce Delacourt darauf erwiderte, es schien Trish zu besänftigen. Ihre Miene entspannte sich. „Ja, Daddy, ich hab dich auch sehr lieb“, sagte sie mit erstickter Stimme. „Wir bleiben in Kontakt, das verspreche ich dir.“

Als sie sich umwandte, entdeckte Hardy Tränen auf ihren Wangen. Er stand auf, legte die schlafende Laura in ihr Tragekörbchen und ging zu Trish. Mit einer zärtlichen Geste wischte er ihr die Tränen vom Gesicht. „Alles in Ordnung?“

Trish brachte ein verunglücktes Lächeln zustande. „Besser zumindest.“

„Sie können ja ganz schön wütend werden. Das muss ich mir merken“, meinte er augenzwinkernd.

Trish lachte. „Ach, das ist halb so wild. Manchmal ist Anbrüllen die einzige Möglichkeit, zu meinem Vater durchzudringen. Die Delacourts neigen zu Dickköpfigkeit, müssen Sie wissen.“

„Das ist mir auch schon aufgefallen.“

„Danke für die Warnung. So konnte ich ihn wenigstens davon abhalten, Los Piños in einen Affenzirkus zu verwandeln.“

„Glauben Sie ernsthaft, er gibt die Suche auf?“

„Falls er seine Enkeltochter je zu Gesicht bekommen will, wird ihm nichts anderes übrig bleiben. Er weiß, dass ich es ernst gemeint habe. Schließlich ist er nicht dumm. Er wird mit Zeit geben.“

„Wie lange?“

„Nicht allzu lange, das ist mir klar. Mir bleiben vielleicht zwei, drei Monate, einen Ort zu finden, wo ich bleiben möchte, um dort etwas anzufangen. Wenn mein Leben dann nicht bis ins letzte Detail funktioniert, wird er mir die Hölle heiß machen, um seinen Kopf durchzusetzen.“

„Was genau erwartet er denn von Ihnen?“

„Dass ich nach Hause komme und Lauras Vater heirate.“

Verwundert registrierte Hardy, mit welchem Abscheu auch ihn diese Vorstellung erfüllte. „Und das möchten Sie nicht?“

„Auf gar keinen Fall“, ereiferte sie sich. „Nie im Leben!“

Das Gefühl der Erleichterung, das ihn bei diesen Worten überfiel, zeigte Hardy, dass es höchste Zeit war, sich zu verabschieden. Er griff nach seiner Jacke. „Kommen Sie jetzt allein zurecht?“

„Klar doch.“

„Kopf hoch, Darling. Irgendetwas sagt mir, dass sich alles so entwickelt, wie Sie es sich vorstellen.“

„Schleppen Sie eine Kristallkugel mit sich herum?“, versetzte sie spöttisch.

„Nein, aber so, wie Sie für sich selbst eintreten, werden Sie es schaffen, da bin ich sicher.“

„Danke.“ Sie klang verunsichert.

„Ja, tatsächlich, das war als Kompliment gemeint, nur dass wir uns richtig verstehen.“ Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Und richten Sie Kelly bitte aus, dass es dem Pferd bestimmt schon wieder besser geht.“

Trish sah ihn verständnislos an. „Welchem Pferd?“

„Sagen Sie’s ihr einfach. Sie versteht dann schon.“

Damit wandte er sich zum Gehen, bevor die Sehnsucht zu bleiben so übermächtig wurde, dass er all seine guten Vorsätze über den Haufen warf.

5. KAPITEL

„Na, wie war’s gestern Abend beim Dinner?“, wollte Harlan Patrick am nächsten Morgen wissen.

„Hab mir aus dem Ort ein paar Burger geholt“, erwiderte Hardy einsilbig. Er hätte wetten mögen, dass diese Antwort seinem Boss gar nicht gefiel.

„Ich dachte, du warst bei Kelly zum Essen eingeladen“, hakte dieser dann auch prompt nach.

„Hab meine Pläne geändert.“

„Weshalb denn?“

„Das Ganze schien irgendwie ein Missverständnis zu sein. Dem Fohlen fehlte nichts, also bin ich gegangen. Ende der Durchsage.“ Hardy schwang sich in den Sattel und gab seinem Pferd die Sporen.

Doch so leicht ließ Harlan Patrick sich nicht abschütteln. Er trieb sein Pferd ebenfalls an, bis er auf gleicher Höhe mit Hardy war. „Und was ist mit …“ Der Wind verschluckte den Rest des Satzes.

Hardy warf ihm einen ironischen Seitenblick zu. „Ich verstehe nicht.“

„Du weißt ganz genau, was ich meine“, versetzte Harlan Patrick ungeduldig.

„So, tue ich das?“

Autor

Sherryl Woods

Über 110 Romane wurden seit 1982 von Sherryl Woods veröffentlicht. Ihre ersten Liebesromane kamen unter den Pseudonymen Alexandra Kirk und Suzanne Sherrill auf den Markt, erst seit 1985 schreibt sie unter ihrem richtigen Namen Sherryl Woods. Neben Liebesromanen gibt es auch zwei Krimiserien über die fiktiven Personen Molly DeWitt sowie...

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