Baccara Exklusiv Band 185

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DER KUSS DES CHEFS von PAULA ROE
Der Kuss mit ihrem Boss war heiß, aber ein Fehler! Emily kündigt - obwohl sie sich nach mehr sehnt. Erst als Zac Prescott sie nach Sydney einlädt und alles tut, damit sie bei ihm bleibt, kommen ihr Zweifel. Sieht der attraktive Millionär doch mehr in ihr als nur eine fähige Sekretärin?

WER EINMAL DEN FALSCHEN PRINZEN KÜSST… von SANDRA HYATT
In der Presse wird Rafe Marconi der Playboy-Prinz genannt. Für Alexia ist er der Froschprinz, der sie früher geärgert hat. Doch wenn sie sich an die warmen Schauer erinnert, die ihr beim Tanz mit ihm über den Rücken gerieselt sind, verspürt sie eine gefährliche Sehnsucht …

WENN DER BOSS VON LIEBE TRÄUMT…von DAY LECLAIRE
Lucius Devlin gerät in Bedrängnis, als er plötzlich Vormund eines Waisenkindes wird. Wo auf die Schnelle eine Frau hernehmen, die ihn unterstützen kann? Ein Computerprogramm zeigt ihm die perfekte Kandidatin: Angie, seine Assistentin! Er ahnt nicht, dass sie schon lange für ihn schwärmt …


  • Erscheinungstag 20.09.2019
  • Bandnummer 185
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725792
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Paula Roe, Sandra Hyatt, Day Leclaire

BACCARA EXKLUSIV BAND 185

1. KAPITEL

„Wie bitte? Sag das noch mal!“

Emily Reynolds hielt den Hörer ein Stück vom Ohr weg und klemmte ihn sich dann unters Kinn. „Der Boss und ich haben uns geküsst.“

„Augenblick mal! Damit wir uns recht verstehen“, sagte A. J., Emilys große Schwester, am anderen Ende der Leitung. „Wir reden doch von Zac Prescott?“

„Natürlich.“

„Von dem Zac Prescott?“, hakte A. J. nach. „Dem die Frauen reihenweise zu Füßen liegen?“

„Genau von dem.“

„Und ausgerechnet meine patente Schwester, die für Überraschungen nichts übrig hat und ihm sein Büro organisiert, gehört jetzt auch zu seinen Fans?“

„Du brauchst gar nicht so darauf herumzureiten. Ich weiß, wie dumm ich mich verhalten habe.“ Emily saß im Bademantel auf dem Sofa und fragte sich, ob sie sich die Ereignisse der letzten Woche nur eingebildet hatte. Aber allein das Prickeln, das sie beim bloßen Gedanken an den Kuss verspürte, sprach Bände.

„Dumm finde ich das gar nicht. Im Gegenteil, du kannst dich glücklich schätzen! War es schön?“

„Wie kommst du nur darauf? Bis jetzt haben wir so gut zusammengearbeitet, und nun das. Genau wie damals …“

„Na los, erzähl schon“, bat A. J. ihre Schwester.

Seufzend rückte Emily das Handtuch zurecht, das sie um ihr frisch gewaschenes Haar geschlungen hatte. „Also, letzte Woche hatte ich frei. Am Donnerstag hat er mich ziemlich angetrunken aus dem Büro angerufen und gebeten, dass ich ihn nach Hause fahre. Das habe ich auch getan. Und als ich ihn dann zur Haustür begleitet habe, sind wir gestolpert … Irgendwie ist es da passiert.“

„Ach, gestolpert seid ihr … Die uralte Ausrede!“

Dass Zac etwas getrunken hatte, entschuldigte keineswegs ihr Verhalten. Hatte sie sich etwa schon lange danach gesehnt? „Danach bin ich sofort nach Hause und hab das Wochenende über nachgedacht …“

„Und?“

„Und dann habe ich gekündigt. Heute Morgen. Per E-Mail.“

„O Emmy! Wieso das denn? Nur wegen eines Kusses?“

„Du weißt schon warum. Noch mal möchte ich mir keine Verfehlung vorwerfen lassen.“

„Dein damaliger Chef hat hemmungslos gelogen, aber Zac Prescott macht so etwas bestimmt nicht.“

Emily seufzte. Damals als Berufsanfängerin hatte sie fest geglaubt, dass es auf Begabung und Engagement ankam, nicht auf blonde Haare und kurze Röcke. Als Angestellte einer Zeitarbeitsfirma hatte sie sich immer seriös gekleidet und ihr Bestes gegeben – in der Hoffnung, irgendwann eine feste Stelle zu bekommen.

Vor vier Jahren war dieser Wunsch in Erfüllung gegangen, als eine der größten Buchhaltungsfirmen in Perth sie eingestellt hatte. Aber schon sechs Monate später, bei der Weihnachtsfeier, war es zum Knall gekommen. Zum ersten Mal hatte sie ein Top und einen Minirock getragen … und prompt hatte einer der Manager sie auf dem Balkon belästigt. Bei dem Gedanken daran schauderte Emily noch immer. Sie war erst zweiundzwanzig gewesen und hatte sich unendlich gedemütigt gefühlt.

Dann war ein Onkel gestorben, den sie nicht einmal gekannt hatte, und hatte ihr zu ihrer Überraschung sein Apartment in Gold Coast an der australischen Ostküste hinterlassen. Also war Emily ans andere Ende des Landes gezogen, um ein neues Leben zu beginnen. Mit dem festen Vorsatz, sich dieses Mal nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen.

Aus diesem Grund hatte sie das Haar stets streng zu einem Knoten gebunden, Hosenanzüge in gedeckten Farben und bequeme flache Schuhe getragen. Der konsequent geschäftsmäßige Look hatte sich auch sofort bewährt, als sie vor zwei Jahren die Stelle als Zac Prescotts Sekretärin bekommen hatte.

„Vielleicht ist es gar nicht so schlimm …“, meinte A. J.

„Doch“, widersprach Emily. „Mit Männern bin ich fertig.“

„Wie bitte? Okay, in der Schulzeit haben sich ein paar Jungs als Nieten erwiesen, der Fiesling von Manager wollte dir sein Fehlverhalten anlasten, und dein Exmann war auch nicht gerade der große Wurf. Und das soll alles gewesen sein?“

Sie lachten beide.

„Jedenfalls bin ich es leid, dass jemand mit meinen Gefühlen spielt“, erklärte Emily. „Vielleicht hat die Unverbindlichkeit zwischen Mann und Frau doch ihre Vorteile?“

„Was sind denn das für Töne? Normalerweise ist das doch mein Part. Du dagegen mit deinen hohen moralischen Maßstäben wolltest doch immer auf den Richtigen warten.“

„Stimmt. Aber du siehst ja, wohin mich das gebracht hat. Oh, es klopft.“

„Komisch, dabei habe ich den Stripper erst für sieben bestellt“, scherzte A. J.

„Sehr witzig. Ich muss jetzt Schluss machen. Dann bis halb neun bei Jupiters.“

„Ja, bis dann, Emmy. Einen schönen sechsundzwanzigsten Geburtstag noch.“

Emily legte auf und rief Richtung Tür: „Ich komme!“ Vermutlich beschwerte sich der Postbote wieder mal, weil sie noch immer keinen Briefkasten angebracht hatte.

Männer sind gar nicht das Problem, dachte sie auf dem Weg zur Tür, ich bin es.

Seit zwei Jahren verwaltete sie Zac Prescotts Terminkalender, machte jede Menge Überstunden und sparte eisern, sodass sie nun in der Lage war, ein eigenes Geschäft zu eröffnen. In der freien Woche hatte sie ihren Chef schonend auf den geplanten Weggang vorbereiten wollen …

Das Klopfen wurde lauter.

„Einen Moment, George!“, rief sie und riss die Tür auf. „Mach doch nicht solchen …“

„Was soll das?“ Auf der Veranda stand Zac Prescott und hielt ein zusammengeknülltes Blatt Papier in der Hand. Und er war ziemlich verärgert.

Vorsichtshalber trat Emily einen Schritt zurück. Bisher hatte sie ihn nur ein einziges Mal wütend erlebt – vor einem halben Jahr, als sein Vater angerufen hatte.

„Ich habe gekündigt“, antwortete Emily ruhig.

Zac kniff die Augen zusammen. „Aber warum denn?“

Emilys Herz begann schneller zu schlagen, denn Zac Prescott sah in der dunkelgrauen Hose und dem weißen Hemd einfach umwerfend aus.

Vor allem faszinierte sie sein ausdrucksstarkes Gesicht mit den graugrünen Augen und dem markanten Kinn.

Emily blinzelte. „Weil ich nun mal gekündigt habe.“

„Das kannst du nicht.“

Da er einen Schritt nach vorn machte, blieb Emily keine Wahl, als ihn hereinzulassen. Als er dann mitten in ihrem Wohnzimmer stand, kam ihr das Apartment plötzlich bedeutend kleiner vor … Sein verführerischer Duft weckte in ihr die süßesten Erinnerungen. Plötzlich konnte sie nur noch an den Kuss denken …

Als er sie eingehend musterte, wie sie ungeschminkt und mit feuchten Haaren vor ihm stand, verschränkte sie unwillkürlich die Arme vor der Brust.

Ich habe ja fast nichts an! schoss es ihr durch den Kopf. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass Zac all ihre Geheimnisse kannte, während sie nicht das Geringste von ihm wusste. Sie zog den Gürtel des Bademantels fester.

Welch ein Unterschied zu Donnerstagabend, als Zac ihre Beschützerinstinkte geweckt hatte …

„Du kannst nicht kündigen“, wiederholte er und runzelte die Stirn.

„Und warum nicht?“

„Weil ich … mit deiner Vertretung nicht klarkomme. Amber oder so …“

„Ebony, aus der Marketingabteilung. Sie ist freundlicherweise für mich eingesprungen.“

„Aber sie bringt das gesamte Ablagesystem durcheinander.“

„Ich verstehe …“ Emily sah, wie er sich den Nacken rieb. Nach zwei Jahren enger Zusammenarbeit wusste sie, dass eine Kopfschmerzattacke drohte.

Sie fühlte mit ihm, ob sie wollte oder nicht.

„Die letzte Woche war die Hölle. Ich brauche dich dringend wieder.“

Was sagte er da? Emily schmolz förmlich dahin. „Du brauchst mich?“, wiederholte sie.

Er nickte kurz. „Aus irgendeinem Grund will mir Victor Prescott seine Firma übergeben.“

„Dein Vater? VP Tech?“

„Genau.“

Wow! Normalerweise sprach Zac nicht über seine Vergangenheit oder seine Familie. Emily war es immer so vorgekommen, als hätte er sein Geschäft – eines der führenden Bauunternehmen der Stadt – quasi über Nacht aus dem Boden gestampft.

Zwar wusste sie, dass sein Vater einen milliardenschweren Softwarekonzern leitete, aber das war auch schon alles. An Büroklatsch beteiligte sie sich grundsätzlich nicht.

„Deswegen warst du …“ Sie verstummte taktvoll.

„… am Donnerstag betrunken. Richtig. Gut dass es niemand mitbekommen hat.“

Sie wusste, dass er im Büro normalerweise nichts trank. Also hatte er sie nur angerufen, weil er sich auf ihre Diskretion verlassen konnte.

„Zac … Zwei Jahre lang war ich für dich eine Sekretärin, wie sie sich ein Chef nur wünschen kann. Ich habe dein Berufs- und Privatleben organisiert, deine Kunden beschwichtigt, kurzfristig Meetings einberufen, Geschäftsreisen gebucht und Termine vereinbart. Ich habe abends und sogar an den Wochenenden Überstunden gemacht …“

„Ich hatte ja keine Ahnung, dass dich die Arbeit so nervt“, unterbrach er sie.

„Tut sie auch nicht. Ich finde nur, dass es Zeit für eine Veränderung ist.“

„Wenn du mir bei der Sache mit VP Tech hilfst, reicht das nicht als Veränderung?“

„Na ja … Ich habe gekündigt und gehe. Lassen wir es dabei. Okay?“

„Dann möchte ich aber wissen, wer die beste Assistentin abgeworben hat, die ich je hatte. Noch dazu ausgerechnet jetzt, wo ich dich am nötigsten brauche.“

Plötzlich wurde Emily von heißen Fantasien überwältigt, von denen der Kuss noch die harmloseste war. Wie es sich wohl anfühlt, von ihm überall am Körper gestreichelt zu werden, fragte sie sich. Wenn er mich doch auf Donnerstagabend ansprechen würde!

Aber Zac schaute sie nur an und schwieg.

In dem Moment begriff sie, dass er sich nicht erinnerte. Wie hatte sie das nur glauben können …

Während sie das Wochenende immer wieder an den Kuss hatte denken müssen, wusste Zac offenbar von gar nichts. Sicher, wenn er VP Tech übernehmen sollte, hatte er jetzt andere Sorgen …

„Du schweigst?“

„Ich kann ja die neue Sekretärin einarbeiten.“

„Ich will keine neue.“

Als er sich wieder den Nacken rieb, beobachtete Emily fasziniert das Spiel seiner Oberarmmuskeln unter dem Stoff des Hemdes.

„Natürlich bekommst du eine Gehaltserhöhung.“

„Ich verstehe nicht, wieso du mit einem Mal …“ Sie brach ab.

„Eine Softwarefirma leiten sollst, wolltest du doch sagen? Oder möchtest du wissen, was aus meinem Stiefbruder wurde, der bisher als unumstrittener Nachfolger gegolten hat?“ Er lächelte sein unwiderstehliches Lächeln. „Na, hab ich dein Interesse geweckt?“

„Nein“, log sie.

„Sicher nicht? Schade …“

„Du weißt, dass ich nicht neugierig bin.“

„Na klar.“ Nachdenklich betrachtete er sie. „Sieh es als eine Beförderung an. Egal was man dir woanders geboten hat, ich zahle dir das Doppelte.“

„Um Geld geht es mir nicht.“ Um etwas Abstand zu bekommen, trat sie ans Fenster. „Zac, du bist ein Workaholic“, sagte sie über die Schulter hinweg. „An sich ist das ja nichts Schlechtes, nur … muss ich dabei notgedrungen mitmachen. Aber ich habe Ziele, ich möchte Betriebswirtschaft studieren und danach ein Geschäft eröffnen.“

„Und was für eins?“

„Eine Beratungsagentur. Du weißt schon: Zeitmanagement, selbstbewusstes Auftreten, Lebensplanung …“ Da Zac schwieg, fügte sie hinzu: „Mach dir keine falschen Hoffnungen. Ich habe mich angemeldet und auch schon bezahlt. In zwei Wochen höre ich bei dir auf.“

Immer hatte sie großen Wert darauf gelegt, ihrem Chef eine vorbildliche Sekretärin zu sein, mit seriösem Auftreten und über jeden Büroklatsch erhaben. Und vermutlich dachte ihr Chef über sie genau wie die anderen etwa dreißig Angestellten. Für ihn war sie einfach nur eine Frau von durchschnittlicher Größe und Figur, introvertiert und unauffällig … Jedenfalls nicht der Typ, mit dem ein Zac Prescott ausging. Nichts Besonderes eben … Darum hatte er auch den Kuss vom Donnerstag schlichtweg vergessen. Und ebenso würde er sie vergessen …

Obwohl sie sich ein gutes Image gegeben hatte, litt sie nun genau darunter. Und es war auch das erste Mal, dass sie sich seinen Wünschen widersetzte. Während sie seine glatt rasierte Haut betrachtete, entging Emily nicht, dass er die Zähne aufeinanderpresste.

O ja, sie wusste, wie warm und weich sich seine Haut anfühlte. Und deutlich erinnerte sie sich an den Duft: frisch und mit einem Hauch von Orangenblüten …

Sie beeilte sich, das Tischchen abzuräumen, auf dem noch Geschirr stand – während ihr das Herz bis zum Hals schlug.

Zac folgte ihr in die Küche.

„Hör mir bitte zu. Wenn du so wild darauf bist zu gehen, kann ich dich nicht aufhalten. Aber wir haben doch erst Oktober. Bis zum Semesterbeginn sind es noch fast fünf Monate. Warum arbeitest du nicht noch so lange für mich? Dann kannst du mir wenigstens helfen, wenn ich Dads Firma übernehme.“

„Ich will nicht …“ Abrupt drehte Emily sich um.

Und da stand er vor ihr, groß, kräftig und braun gebrannt. Es fehlte nicht viel, und sie hätte sich ihm in die Arme geworfen. Vorsichtshalber trat sie einen Schritt zurück.

Offenbar hatte es Zac bemerkt, denn er hob fragend eine Augenbraue. „Bist du wütend, weil ich dich angerufen habe, obwohl du freihattest?“

Emily sah ihn ungläubig an. „Denkst du wirklich, ich schlage neue berufliche Wege ein, nur weil du mich gebeten hast, dich heimzufahren? Nein, ich habe das schon seit Monaten geplant. Übrigens hättest du dich wenigstens bedanken können.“

„Wenn es so ist … Danke fürs Nachhausebringen“, sagte er etwas steif.

„Gern geschehen.“

Einen Moment länger als nötig schaute er sie an. Dann wandte er sich ab. Nichts geschah, was auch nur im Entferntesten an Donnerstagabend anknüpfte.

Nicht die Spur von Erinnerung, schoss es ihr durch den Kopf.

„Normalerweise trinke ich nichts im Büro“, meinte er unvermittelt.

„Ich weiß.“

„Und ich weiß, dass du es weißt.“

Durch das kleine Küchenfenster schien hell und warm die Sonne. Aber das war nicht der Grund, dass Emily plötzlich heiß wurde. Sie betrachtete Zacs Mund, und plötzlich sah sie im Geiste wieder die Flasche Tequila auf seinem Schreibtisch – und das Funkeln in seinen Augen. All der Reiz des Verbotenen, den diese Begegnung ausgemacht hatte, war mit einem Mal wieder da.

„Ich muss mich anziehen“, stieß sie hervor – eine Ankündigung, die dazu führte, dass Zac sie erneut interessiert betrachtete. Emily spürte, wie ihr Atem unregelmäßig wurde. „Und du solltest jetzt besser gehen.“

„Bitte denk über mein Angebot nach. Die Vorteile liegen doch auf der Hand: Ich habe dich fünf Monate länger, und du bekommst eine deutliche Gehaltserhöhung.“

„Gut, ich denke darüber nach“, versprach sie und begleitete ihn hinaus.

Nein, sie würde nicht länger für ihn arbeiten. Nicht nach einem Kuss wie diesem.

Da sie sich seit ihrer Kindheit ein geordnetes Leben gewünscht hatte, war sie nun wirklich nicht scharf auf neuerliche Gefühlsverwirrungen.

Auf der Veranda blieb Zac nochmals stehen und fragte: „Wie ist eigentlich mein Auto zu mir nach Hause gekommen?“

Emily lächelte. „Wirklich ein toller Wagen …“

„Soll das heißen, du hast meinen Porsche gefahren?“

„Natürlich. Hat Spaß gemacht. Du warst ja zu betrunken.“

„Und dann hast du mich ohne Hilfe ins Haus gebracht?“, hakte er nach.

Emily nickte. Sie hatte ihn gestützt, seine Wärme gespürt und seinen Duft genossen. So hatte sie ihn langsam zur Tür bugsiert. Und dann …

Solche Dinge passierten eben. Er war gestolpert, wobei auch sie fast das Gleichgewicht verloren hatte. Im selben Moment hatten sie sich einander zugewandt – und geküsst. Und geküsst … als gäbe es kein Morgen. Bis Emily sich losgerissen und förmlich die Flucht vor sich selbst ergriffen hatte.

Seltsam, dachte sie, ausgerechnet ein so spontaner Moment hat Klarheit in meine Lebenspläne gebracht.

„Wenn ich mich entschieden habe, melde ich mich“, rief sie ihm zu.

Eine Entscheidung hatte sie bereits getroffen, und zwar nie wieder ihren Chef zu küssen. Am besten gar nicht mehr daran denken und den Vorfall schleunigst und ein für alle Mal vergessen …

Enttäuscht ging Zac die hölzerne Verandatreppe hinunter. Das Apartmenthaus lag auf einem grünen Hügel hoch über der Currumbin’s Duringan Street. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick auf den Fluss, der in der Morgensonne glitzerte. Eine traumhafte Aussicht, die dazu verlockte, nicht zur Arbeit zu gehen und sich stattdessen an den Strand zu legen …

Emily allerdings war gegen solche Versuchungen gefeit. Von einer Mitarbeiterin wie ihr träumte jeder Chef. Sie war tüchtig und intelligent und stets zur Stelle, wenn sie gebraucht wurde. Oft erkannte sie vor ihm, was er als Nächstes benötigte: wusste, wie er seinen Kaffee trank, und erinnerte ihn daran, etwas zu essen. Pünktlich war sie außerdem …

Und sie küsste traumhaft.

Jetzt musste er sich unbedingt etwas einfallen lassen, damit Emily weiterhin für ihn arbeitete.

Wenn sie sich nicht wohl in ihrer Haut fühlte, blinzelte sie hinter ihren Brillengläsern. Dann schloss sie einen Moment ihre tiefblauen Augen …

Zum ersten Mal war ihm das aufgefallen, als er sie einmal gefragt hatte, wie sie ihr Wochenende verbracht hatte. Seitdem hatte er belustigt jeden Montag die Probe aufs Exempel gemacht. Und als er sie nach einem erfolgreichen Geschäftsabschluss geneckt hatte, um die Spannung zu lösen, hatte sie ebenfalls geblinzelt.

Und nach dem Kuss.

Zac ging langsamer. Es war ein wunderschöner typisch australischer Frühlingstag, nur gegen seine Kopfschmerzen half er leider nicht.

Wie viele Hinweise sollte er dieser Frau noch geben? Offenbar weigerte sie sich hartnäckig, dem Vorfall vom Donnerstag irgendeine eine Bedeutung beizumessen …

Dabei hatte ihn dieser Kuss in mehr als einer Hinsicht tief berührt …

Einen Moment lang hatte er die Probleme mit VP Tech völlig vergessen. Stattdessen war ihm das Blut wer weiß wohin geschossen, und er hatte sich nichts sehnlicher gewünscht, als Emily in seinem Bett zu lieben …

Sie war nicht nur ein Traum von einer Sekretärin. Durch sie war ihm auch aufgefallen, dass er in letzter Zeit zu viel arbeitete und kaum noch ein Privatleben hatte.

Zum ersten Mal seit Monaten empfand er intensives Begehren – ein heftiges und unausweichliches Gefühl, gegen das er nicht das Geringste tun konnte.

Er blickte zum gegenüberliegenden Ufer. Einige der exklusiven Wohnhäuser dort hatte er in seiner Anfangszeit nach modernen Gesichtspunkten umgebaut. Mit gewissem Stolz betrachtete er die klaren ruhigen Linien, denen er schon damals den Vorzug gegeben hatte. Die ursprünglich einfachen Häuser hatte er gekauft, nach seinen Plänen neu gestaltet und mit Gewinn weiterverkauft.

Auch jetzt als erfolgreicher Bauunternehmer plante und zeichnete er häufig nach wie vor selbst. Inzwischen konnte er es sich allerdings leisten, seine Kunden selbst auszusuchen.

Seine Tage waren straff organisiert. Er liebte seine Arbeit, liebte es, mit schönen Frauen auszugehen … und überhaupt liebte er das Leben. Er hatte inneren Frieden gefunden – nach Jahren voller Anspannung und belastender Gefühle und einer schwierigen Zeit des Umbruchs.

Umso leben zu können, hatte er jahrelang wie ein Besessener gearbeitet. Wenn er seinem Vater etwas verdankte, so war es die Erkenntnis, dass wirklich erstrebenswerte Dinge nicht einfach so vom Himmel fielen.

Und das galt erst recht für die Zuneigung einer Frau …

Er würde Emily überreden, wieder ins Büro zu kommen. Und dann würde er herausfinden, ob seine Erinnerung ihn nicht trog. War es bloßes Wunschdenken, oder hatte sie tatsächlich voller Hingabe seinen Kuss erwidert?

Er drehte sich um und betrachtete die Tür zu ihrem Apartment und das Wohnzimmerfenster mit der geschlossenen Jalousie.

Ausgerechnet an dem Tag, an dem sich alles geändert hatte, war er Emily zum ersten Mal nähergekommen. Seit Monaten sehnte er sich danach, die Geheimnisse zu lüften, die diese Frau umgaben.

Am Donnerstagabend war sie ohne ihre Brille zu ihm ins Büro gekommen, in Jeans und T-Shirt. Sprachlos hatte er sie angestarrt. Warum versteckt sie ihre wunderschönen Proportionen immer unter diesen gerade geschnittenen Anzügen? hatte er sich gefragt.

Jetzt schloss er die Augen und stellte sich vor, wie beim Nachhausebringen ihre vollen Brüste gegen ihn gedrückt worden waren. Unbeschreiblich, wie leidenschaftlich sie ihn geküsst hatte, auch wenn der Moment hätte viel länger dauern können …

Plötzlich sah er auf dem schmalen Fußweg einen großen kräftigen Mann näher kommen. Er trug einen billig glänzenden Anzug und wirkte wie ein Rausschmeißer, unberechenbar und aggressionsbereit. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er Zac und ging grußlos an ihm vorbei.

Bei Zac schrillten sofort alle Alarmglocken, er kannte diesen Typus. In der Baubranche kam es leider vereinzelt noch immer vor, dass unseriöse sogenannte Unternehmer ihre Mitbewerber mit kriminellen Mitteln einzuschüchtern versuchten.

Zu allem Überfluss steuerte der Mann auch noch auf die Verandatreppe zu Emilys Apartment zu.

Schnell verbarg sich Zac und hörte im nächsten Moment, wie die Tür geöffnet wurde. Er spähte nach oben und sah erleichtert, dass Emily das Sicherheitsgitter zugelassen hatte.

„Sind Sie Mrs. Catalano?“, erkundigte sich der Mann.

„Miss Reynolds.“

Einen Moment fragte sich Zac, ob Emily schon einmal verheiratet gewesen war. Er wusste ja so wenig über sie – was gewiss nicht an ihm lag. Immer wieder hatte er einfühlsam versucht, mehr über sie zu erfahren.

„Aber Sie sind Jimmy Catalanos Frau, stimmt’s? Die Tochter von Charlene und Pete. Und die jüngere Schwester von Angelina.“

„Worum geht es?“, wollte sie schließlich wissen.

„Jimmy schuldet meinem Boss Geld.“

„Und wer ist Ihr Boss?“

„Hm. Nennen wir ihn … Joe.“

Emily antwortete in demselben festen Tonfall, mit dem sie auch schwierige Kunden beruhigte. „Tut mir leid, Jimmy ist vor einem halben Jahr gestorben.“

Zac stutzte. Diese Frau verbarg mehr vor ihm als nur ihre wunderbare Figur …

„Ja, schon gehört. Mein Beileid“, meinte der Mann höhnisch. „Zum Glück ist Joe ein verständnisvoller Geschäftsmann und hat Sie bisher in Ruhe gelassen. Aber jetzt will er sein Geld.“

„Welches Geld denn überhaupt?“

Zac streckte sich und bekam mit, dass Emily versuchte, die Tür zu schließen. Aber der Mann schlug mit der Faust laut gegen das Sicherheitsgitter.

Außer sich vor Wut, wäre Zac fast nach oben gerannt, aber im letzten Moment hielt er sich zurück und wartete erst einmal ab.

„Sie haben für Jimmy gebürgt, also sind seine Schulden Ihre Schulden. So einfach ist das.“ Allmählich wurde der Eintreiber hörbar ungemütlich. „Ich gebe Ihnen vierzehn Tage, um zu zahlen.“

„Dann sehen wir uns vor Gericht wieder“, erklärte Emily ruhig.

Der Mann lachte hämisch und einschüchternd auf. „Hör mal, Blondie. Wenn du mit einem Mann wie Jimmy verheiratet warst, weißt du doch, wie der Hase läuft: keine Polizei, keine Anwälte. Mein Boss will sich die Gerichtskosten sparen. Hast du das verstanden? Ich schiebe dir meine Karte unter der Tür durch. Ruf an, wenn du das Geld hast.“ Und mit einschmeichelnder Stimme fügte er hinzu: „Deine Schwester ist eine schöne Frau. Dreißig, oder? Und gerade hat sie sich ein neues Auto gekauft …“

„Lassen Sie meine Familie aus dem Spiel!“

Zac entging nicht die Angst in Emilys Stimme, und er ballte wütend die Fäuste.

„Außerdem, eine Frau wie du kann die Schuld jederzeit auf andere Art abbezahlen. Melde dich bei mir.“

Zum Glück gelang es Emily in diesem Moment, die Tür zuzuschlagen und zu verriegeln. Zac nahm das leise Klicken des Schlosses wahr.

Als er den Mann dann mit einem selbstzufriedenen Grinsen die Treppe herunterkommen sah, straffte Zac die Schultern und stellte sich ihm in den Weg. „Hallo, ich müsste Sie mal kurz sprechen.“

2. KAPITEL

Als Emily am Donnerstagmorgen das Bürogebäude betrat, war sie noch immer bedrückt.

Am Montagabend war sie zwar mit A. J. ausgegangen, aber schon bald war ihr Gespräch viel zu ernst geworden. Ziemlich schnell hatten beide begriffen, dass Emily unter diesen Umständen gar nichts anderes übrig blieb, als weiterzuarbeiten. Gegen eine bloße Drohung, die sich zudem nicht beweisen ließ, konnte die Polizei nichts unternehmen. Eine Anzeige hätte diesen Joe nur verärgert und die Lage weiter verschärft.

Der Typ, den dieser Joe ihr geschickt hatte, hatte Emily nicht nur verunsichert. Vor allem war sie durch ihn an ihr früheres Leben erinnert worden – mit der Folge, dass sie die Nacht nicht hatte schlafen können.

Das abstoßende Angebot des Eintreibers, die Schulden auf andere Art zu begleichen, widerte Emily schrecklich an. Ein einziges Mal hatte Jimmy ihr einen ähnlichen Vorschlag gemacht – woraufhin sie ihn auf der Stelle verlassen hatte.

Eine andere Wahl, als alles zurückzuzahlen und ihre Pläne aufzuschieben, hatte sie nicht. Jimmy, dachte sie wütend, wenn du nicht schon tot wärst, ich könnte dich umbringen.

Ihr widerstrebte es zutiefst, ihr hart verdientes Geld irgendwelchen Kriminellen in den Rachen zu schieben. Aber mit Jimmy hatte sie leider einen notorischen Nichtstuer geheiratet, der sein sorgloses Leben mit allerlei Betrügereien finanziert hatte und immer in irgendwelche Machenschaften verstrickt gewesen war. Und Gläubiger wie diese verstanden nun mal keinen Spaß …

Nachdem sie sich vergangene Nacht nochmals alles überlegt hatte, hatte sie den Eintreiber angerufen, der sich Louie Mayer nannte, und um Aufschub gebeten. Mayer hatte sich vor Lachen fast verschluckt. „Aber klar doch, Blondie. Dein Glück, dass ich eine Schwäche habe für Frauen mit großen … Ich rede mit Joe. Ruf mich am Montag an.“

Dank Jimmy war ihr Kreditrahmen ziemlich ausgeschöpft. Ein Verkauf des Apartments kam nicht infrage, Stehlen oder Spielen ebenfalls nicht …

Seufzend stieg sie im 20. Stock aus und öffnete die Glastür, auf der in eleganten Goldbuchstaben Valhalla Property Development, Bauunternehmen stand.

Sie verstaute ihre Tasche im Schrank und schaltete den Computer ein. Dabei bekam sie mit, dass ihre Vertretung ein ziemliches Durcheinander auf dem Schreibtisch hinterlassen hatte.

„Ah, da bist du ja. Gut.“

Sie wandte sich um und erblickte Zac. Er sah in dem Hemd mit dem aufgestickten Firmennamen und der dunklen Stoffhose einfach umwerfend aus. Und in dem Moment passierte etwas Seltsames: Alle dunklen Gedanken fielen von Emily ab, ihr Herz schlug schneller und der Atem ging stoßweise. Sie spürte, wie sich ihre Brustspitzen unter der blauen Seidenbluse aufrichteten. Sosehr sie auch versuchte, sich zusammenzunehmen, es half nichts.

„Alles okay?“, fragte Zac.

Ja, wenn man vom dringenden Wunsch, den Chef auszuziehen, mal absieht, dachte Emily. „Ja. Alles bestens.“

„Dann fangen wir an“, sagte Zac, der offensichtlich nicht im Geringsten ahnte, was in ihr vorging. „Gehen wir in mein Büro.“

Sie schluckte und nahm ihren Notizblock.

Sobald sie saßen, musterte Zac sie aufmerksam von oben bis unten, wie er es mit allen Menschen tat. Unter seinem Blick fühlte man sich entweder nervös oder geschmeichelt.

Bisher hatte Emily das nichts ausgemacht. Aber jetzt war alles anders …

Sie spürte, wie sie unruhig wurde. Am liebsten hätte sie mit ihren Haaren gespielt oder ihren Kragen zurechtgezupft, aber sie zwang sich, sich nichts anmerken zu lassen. Einen Augenblick länger als nötig sah er sie an, und ihre Aufregung wuchs.

Sie musste sich eingestehen, dass sie ihre Gefühle nicht mehr im Griff hatte.

„Du trägst Kontaktlinsen.“

„Ja …“

„Aber nicht im Büro.“

Unnötigerweise blätterte sie ihren Block um. „Stimmt.“

„Und warum nicht?“

„Mir ist die Brille lieber.“ Nach einem tiefen Atemzug wechselte sie das Thema. „Also, was kann ich wegen VP Tech für dich tun?“

Zac lächelte. „Du siehst ohne Brille viel besser aus.“

„Danke. Du wirst sicher eine Pressemitteilung herausgeben wollen …“

„Hast du deine blauen Augen vom Vater oder von der Mutter geerbt?“

„Von meiner Mutter.“ Nervös von seinem Interesse rückte Emily ihre Brille zurecht. Ein Mann wie Zac hatte, was Frauen betraf, sicher die freie Auswahl. Kein Wunder, er besaß Souveränität und Freundlichkeit. Sein Verhalten wirkte vollkommen natürlich. Mit diesen Eigenschaften kam er bei Frauen außerordentlich gut an. Warum also flirtete er mit ihr?

Sicher lag es am Kuss vom Donnerstagabend. Beschämt senkte sie den Blick und schlug die Beine übereinander.

Als sie wieder aufschaute, bemerkte sie, dass Zac sie noch immer ansah. Er lächelte sanft, und einen Moment lang wünschte Emily nichts sehnlicher, als ihn zu küssen.

Sie räusperte sich. „Zurück zu VP Tech.“

„Ich übernehme die Firma meines Vaters nicht.“

„Wie bitte?“ Sie blinzelte. „Ich dachte …“

„Schließlich hab ich Valhalla. Das reicht. Außerdem … wir haben jahrelang nicht miteinander geredet. Irgendeinen Haken hat dieses Angebot, da bin ich mir sicher. Und von Software verstehe ich sowieso nicht viel.“

Sie blickte ihn fragend an.

„Ich weiß auch nicht, wie Victor auf diese Idee gekommen ist. Jedenfalls hat er mich mit der Androhung einer Pressemitteilung unter Druck gesetzt, ohne mir vorher irgendwas zu sagen.“ Zac schaute Emily an. „Wir fliegen heute noch nach Sydney und treffen meinen Vater und meinen Bruder. Dann konzentrieren wir uns voll auf das Projekt Point One. Am Sonntagmorgen sind wir wieder zurück.“

Obwohl Emily pflichtbewusst nickte, ließ die bevorstehende gemeinsame Zeit mit ihm sie insgeheim zögern. Zudem hatte sie im Moment leider andere Sorgen.

Sie musste ihre innere Ruhe wiederfinden. Was alles andere als einfach war, wenn sie ständig gegen den Wunsch ankämpfen musste, mit Zac das Bett zu teilen …

Entschlossen erhob sie sich. „Ich kümmere mich um alles.“

„Danke“, sagte Zac und wandte sich den Papieren auf seinem Schreibtisch zu.

Was habe ich denn erwartet? fragte sich Emily enttäuscht. Dass er vor Dankbarkeit vor mir auf die Knie fällt, nur weil ich wieder da bin?

„Ach, bevor du gehst …“

Hoffnungsvoll drehte sie sich um.

„Wegen der Schulden brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen. Ich habe alles zurückgezahlt.“

Emily erstarrte und sah ihn entsetzt an. „Du hast, was?“

Zac lächelte. „Ich habe alles bezahlt. Jetzt kannst du …“

„Nicht dein Ernst, oder? Sag, dass das nicht wahr ist.“

Zac runzelte die Stirn. Offensichtlich hatte er eine solche Reaktion nicht erwartet. „Mein voller Ernst.“

„Was hast du dir dabei gedacht? Ich hatte doch schon …“ Aufgebracht strich sie sich durchs Haar und brachte dabei ihre Frisur in Unordnung. „Und ich bin wieder mal hinters Licht geführt worden.“

„Wie? Ich verstehe nicht …“

Mühsam unterdrückte sie ihre Wut. Erst Jimmy mit seinen Schulden, dann der Besuch dieses Typen und jetzt das! All das war ein bisschen viel, sogar für ihre ansonsten starke Selbstbeherrschung.

„Ich hatte doch schon entsprechend geplant und um Aufschub gebeten“, erwiderte sie. „Heute Nachmittag wollte ich das Geld von der Bank holen.“

Gleich würde ihr Herz zerspringen. Seit ihrem zehnten Lebensjahr hatte sie sich nicht mehr so … machtlos gefühlt. Mit ihren Eltern hatte es nur Probleme gegeben, mit Jimmy ebenfalls, und jetzt kam Zac und …

Überrascht betrachtete Zac seine seriös gekleidete Sekretärin. Der gerade Rücken und die gestrafften Schultern verrieten ihm, wie angespannt sie war. Den Notizblock hielt sie viel zu fest umklammert, denn die Fingerknöchel traten weiß hervor.

Schließlich sagte sie betont sachlich: „Das hättest du nicht tun sollen.“

„Ach, ist nicht der Rede wert.“

„Doch. Ich weiß, wie hoch Jimmys Schulden waren.“ Sie atmete tief durch. „Damit hast du mich ja sicher, bis ich dir alles zurückgezahlt habe.“

„Deswegen habe ich es nicht getan.“

„Nicht? Und warum dann?“

„Weil du in Schwierigkeiten warst und ich helfen konnte.“

„Und weil es dir ziemlich entgegenkommt, stimmt’s?“

„Emily, du täuschst dich. Wirklich …“

„Du dich auch, Zac!“

Als er Mayer am Montagmorgen aufgehalten hatte, hätte er diesen Fiesling am liebsten zusammengeschlagen. Auch jetzt noch verspürte er nicht übel Lust dazu. Stattdessen hatte er ihm abends in einem Nachtklub ein Bündel Geldscheine gegeben – für den größten Buchmacher in Gold Coast.

Am allerwenigsten hatte Zac damit gerechnet, dass es bei der Sache ein Problem mit Emilys Stolz geben könnte. Aber genau das war offensichtlich der Fall. Sie verstand seine Absichten völlig falsch und blickte ihn vorwurfsvoll an.

So viel zum Thema gute Taten … Aufgeregt, wie sie jetzt war, konnte er sie unmöglich bitten, mit ihm auszugehen. Welch verfahrene Situation!

Ohne sich seine Enttäuschung anmerken zu lassen, erklärte er geduldig: „Es ist doch sehr einfach. Mir geht es bestimmt nicht um Macht über dich. Du hattest das Geld nicht, aber ich. Und du wurdest bedroht, das lässt sich nicht leugnen. Findest du es nicht besser, mir Geld zu schulden als solchen kriminellen Elementen?“

Zac bemerkte, wie sie schluckte. „Ja …“, gab sie zögernd zu.

„Na also. Jedenfalls bedrohe ich nicht deine Familie.“

Entschlossen reckte sie das Kinn. „So bald wie möglich zahle ich dir alles zurück.“

„Das weiß ich“, sagte er und nickte ihr zu. „Schließlich bist du Emily Reynolds.“

„Wie meinst du das?“

Endlich hatte er es geschafft, ein bisschen hinter die Fassade zu blicken. Er spürte neue Hoffnung in sich aufkeimen und erwiderte lächelnd: „Na ja! Seit zwei Jahren kenne ich dich als kompetent und zuverlässig.“

Zac bemerkte, wie Emily bescheiden den Blick senkte. „Und darum befördere ich dich zur Projektleiterin von Point One.“

„Dem neuen exklusiven Apartmentkomplex in Sydney?“, fragte sie verwundert.

„Genau. Ein Großteil der Arbeit kann von hier aus gemacht werden. Du verdienst mehr und hast eine neue Herausforderung, so wie du es dir wünschst.“

„Aber …“

„Freust du dich nicht?“

„Schon. Aber normalerweise übernimmt doch Premier Events für uns das Projektmanagement.“

„Bisher. Aber ich will eine neue Abteilung gründen, und du bist die Richtige dafür. Red doch mal mit Jenna von der Finanzabteilung wegen des Budgets. Und stell schon mal eine Liste zusammen, wen du in deinem Team haben willst. Wenn wir erst in Sydney sind …“

In diesem Moment klingelte das Telefon.

Zac nahm ab, und sogleich verdüsterte sich sein Gesicht.

Der Anrufer konnte nur ein Familienangehöriger sein, daran hatte Emily keinen Zweifel. Als sie diskret das Büro verlassen wollte, hielt Zac sie zurück.

Als unfreiwillige Zuhörerin stand sie da, bis er auflegte.

Er sah sie an und sagte: „Es bleibt dabei. Wir schauen uns das Gebäude von Point One an und treffen uns mit unseren Verhandlungspartnern. Pack schon mal fürs Wochenende.“

Emily nickte und ging. Ein Wochenende mit Zac Prescott! Sie musste schlucken, um ihre Aufregung zu unterdrücken.

Wie sollte sie sich auf ihre neue Aufgabe konzentrieren, wenn ihr Herz wie verrückt schlug? Sie würde hart arbeiten müssen, aber darum ging es nicht. Die Aufregung, die ihr fast den Atem nahm, kam sicher nicht nur von der Beförderung.

Sie wollte sich nicht nach Zac sehnen – nach einem Mann, der mir nichts, dir nichts in ihr Leben eingegriffen und sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, vorher zu fragen. Noch dazu begehrte er sie nicht so, wie sie es sich wünschte.

Aber er hatte sie geküsst und mit ihr geflirtet …

Sie warf den Block auf ihren Schreibtisch. Mit dieser Ein­mischung war Zac eindeutig zu weit gegangen. Noch dazu wusste er jetzt peinliche Einzelheiten über sie. Nun verdrängte Wut ihre Sehnsucht nach ihm.

In ihrem instabilen Elternhaus hatte sie früh Verantwortung übernehmen müssen – bis sie mit zehn in eine Pflegefamilie gekommen war. Daher verließ sich Emily grundsätzlich nur auf sich. Einen Retter in der Not brauchte sie nicht.

Auch nicht, wenn er Zac Prescott hieß …

Als erfolgreicher Mann verzichtete Zac unterwegs auf keinerlei Annehmlichkeiten – das betraf den Flug, den Mietwagen und das Hotel. Normalerweise genoss Emily diese Geschäftsreisen wie Ausflüge in eine andere, luxuriöse Welt. Jetzt aber war das anders, oder besser gesagt, sie fühlte sich anders. Im Flugzeug dachte sie nur daran, dass er dicht neben ihr saß. Immer wenn er die Hand auf der schmalen Armlehne zwischen ihnen bewegte, zuckte sie zusammen. Sie beobachtete ihn unbemerkt, wie er sich mit der Hand durchs Haar fuhr, wenn er ein Schriftstück las.

Auf dem Flughafen schwang er sich ihre Reisetasche über die Schulter. Auch dass ihre Zimmer wie immer nebeneinanderlagen, erschien ihr plötzlich bedeutsam. Sie hatten im Park Hyatt Hotel gebucht, das an Sydneys berühmtem Hafenbecken Circular Quay lag.

Im Aufzug spürte Emily seine interessierten Blicke.

„Neuer Hosenanzug?“, fragte er.

Verblüfft sah sie ihn an. „Nein …“

„Oder neue Frisur?“

„Nein …“

Er überlegte. „Irgendwie siehst du heute anders aus.“

„Vielleicht weil ich meine rosarote Brille nicht aufhabe?“

Das hatte sie nicht als Scherz gemeint, aber jetzt freute sie sich, dass er lachte.

„Soll das heißen, du verzeihst mir, dass ich mich in dein Leben eingemischt und deine Schulden beglichen habe?“

„Nein, das nicht.“

„Obwohl ich dir das gefragte Point-One-Projekt übertragen habe?“

Sie kniff die Augen zusammen. „War das der Grund …?“

„Nein“, sagte er, und ihm war deutlich anzumerken, dass er nicht log. „Die zwei Dinge haben nichts miteinander zu tun. Jedenfalls brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen, dass dir oder deiner Schwester etwas angetan wird.“

Musste er jetzt mit diesem Thema anfangen? Sie presste die Lippen zusammen und schaute auf die Etagenanzeige.

Wenn ich nicht undankbar erscheinen will, schweige ich besser, dachte sie.

Als sie ausstiegen und Zac sie vorausgehen ließ, lächelte er. Vor ihren Zimmern blieben sie stehen, und Emily zog umständlich ihre Schlüsselkarte aus der Tasche.

„Also dann … in einer Stunde“, sagte er, als sie die Tür aufstieß.

Emily nickte. Sie wusste, dass er pünktlich bei ihr anklopfen würde, um mit der Arbeit anzufangen.

Allein in ihrer Suite, konnte sie die Spannung kaum noch ertragen. Mit einem tiefen Seufzer ließ sie sich auf das Sofa sinken.

Die Sehnsucht nach Zac wurde ihr so gegenwärtig, dass es fast schmerzte.

Was auch immer er sagt oder tut, dachte sie, empfinde ich überdeutlich, als würde es mich betreffen.

Schon leichte zufällige Berührungen von ihm ließen sie erschauern … Ich muss mich zusammennehmen! befahl sie sich.

Sie zog die Schuhe aus und nahm die Brille ab. Jetzt kam es darauf an, dass sie ihre Arbeit gut machte. Denn Zac traute ihr zu, das wichtige Point-One-Projekt aufzuziehen. Warum auch immer er Jimmys Schulden bezahlt hat, sagte sie sich, sein Unternehmen oder seinen Ruf will er sicher nicht aufs Spiel setzen. Schon darum muss ich mein Bestes geben.

Während sie durch eine große Glastür das Gebäude von VP Tech betraten, spürte Emily deutlich, dass sich Zacs Stimmung verändert hatte.

Schweigend gingen sie durch das Foyer, das in weißem Marmor gehalten und mit Sitzgruppen in hellem Leder ausgestattet war.

Zacs Körperhaltung verriet Emily, unter welcher Anspannung er stand, auch wenn seinem Gesichtsausdruck nichts anzumerken war. Er schaffte es sogar, die Empfangsdame und den Mann vom Sicherheitsdienst freundlich zu grüßen.

Dann ging er schneller, und sie musste sich beeilen, mit ihm Schritt zu halten. Ihr kamen die Worte ihrer Mutter in den Sinn: Mach schnell. Dann lauf weg. Und lass dich nicht dabei erwischen. Beinahe meinte sie, sie vor sich zu sehen, wie sie mit einem Glas Bourbon in der Hand angetrunken dastand …

Mit dem Lift fuhren sie in den 40. Stock. Emily fühlte so intensiv mit Zac, dass ihr Herz heftig zu schlagen begann. Sie strich ihr Jackett glatt und rückte die Brille zurecht.

Als sich die Türen in der Chefetage öffneten, wartete bereits Cal Prescott auf sie.

Er war größer und breitschultriger als sein Bruder, mit dunklen Haaren und einem ausdrucksstarken Gesicht. Zacs Züge dagegen wirkten edler, fast aristokratisch. Er war auch schlanker und sein Teint heller als der seines Bruders.

So verschieden die Stiefbrüder auch aussahen, beide strahlten Selbstvertrauen und Führungskompetenz aus.

„Hallo Cal“, sagte Zac und reichte dem Bruder die Hand.

Als Cal ihn spontan umarmte, entging Emily nicht, wie unbehaglich Zac sich dabei fühlte.

Er räusperte sich und stellte Emily vor. „Emily Reynolds, meine Sekretärin.“

Cal lächelte und gab ihr die Hand. „Freut mich sehr.“

Die Geschäftspartner, die die Höflichkeit besaßen, auch Emily persönlich zu begrüßen, ließen sich an den Fingern abzählen. Dass ausgerechnet Cal Prescott, der millionenschwere Erbe von VP Tech, ihr so viel Aufmerksamkeit schenkte, wunderte sie. Ein Blick zu Zac verriet ihr, dass es ihm nicht anders ging.

„Mich ebenfalls, Mr. Prescott“, erwiderte sie.

„Gehen wir ins Besprechungszimmer“, schlug Cal vor und legte Zac die Hand auf die Schulter. „Victor ist auch schon auf dem Weg.“

„Wir bleiben nicht.“

„Warum nicht?“, fragte Cal und ließ die Hand sinken.

„Wie du weißt, habe ich eine Firma zu leiten. Und ehrlich gesagt, finde ich es albern, eine Presseerklärung anzudrohen, nur damit ich hierherkomme. Was auch immer Victor sich ausgedacht hat, ich spiele nicht mit.“

„Damit hat Victor gedroht?“

„Ja. Die Nachricht hat er auf dem Anrufbeantworter hinterlassen.“

„Na, großartig. Irgendwie typisch für ihn. Gleich kannst du es ihm selbst sagen“, meinte Cal und stieß die Doppeltür zum Besprechungszimmer auf.

Als sich Zac gesetzt hatte, fragte Cal: „Wie ist es dir in der Zwischenzeit ergangen, Zac?“

Cal war damals der einzige Grund gewesen, warum Zac kurz gezögert hatte wegzugehen. Und als er im August Cals großartig aufgemachte, aber unpersönliche Einladung zur Hochzeit erhalten hatte, hatte Zac sofort Angst bekommen, die alten Wunden könnten wieder aufbrechen – nachdem er Jahre gebraucht hatte, um die Vergangenheit zu überwinden. Daher hatte er es vorgezogen, der Feier fernzubleiben.

„Danke. Mein Geschäft läuft gut“, antwortete er nach einer Weile. „Wegen der niedrigen Grundsteuern in Gold Coast wird dort richtig viel gebaut und investiert.“

„Ich habe gehört, dass du auch hier in Sydney ein Groß­projekt planst.“

„Ja, Wohnanlagen in Potts Point.“

Als Cal Emily anblickte, lächelte sie höflich und klappte ihren Notizblock auf.

„In welchem Hotel wohnt ihr?“

„Im Park Hyatt am Quay.“

„Nicht schlecht“, meinte Cal, und erkundigte sich dann: „Hast du am fünfzehnten März schon etwas vor?“

„Warum?“

„Weil ich da heirate. Es ist der zweite Anlauf …“, sagte er lächelnd.

„Wie das …?“, wunderte sich Zac.

„Hast du es nicht gelesen?“, fragte Cal. „Ava ist ohnmächtig geworden. Jetzt heiraten wir erst, wenn das Baby da ist. Es kommt im Januar.“

Zac zögerte mit einer Antwort, was Cal offenbar ärgerte, denn er runzelte die Stirn.

„Ich wünsche Ihnen und Ihrer künftigen Familie alles Gute“, schaltete sich Emily ein. Routiniert blätterte sie in ihrem Termin­kalender. „Zac, am Fünfzehnten ist eine Besprechung angesetzt …“ Sie sah ihn kurz an, und fügte dann, um alles offenzulassen, hinzu: „… aber es haben noch nicht alle Teilnehmer zugesagt.“

„Du gibst mir doch nicht zum zweiten Mal einen Korb, oder?“, fragte Cal.

Was ging hier vor? Nachdem Cal jahrelang nichts von sich hatte hören lassen, hatte er in den letzten Monaten zweimal angerufen. Und jetzt lud er ihn sogar zum neuen Hochzeitstermin ein.

In diesem Moment betrat Victor das Zimmer, und alle Aufmerksamkeit richtete sich auf ihn. „Mit einem guten Ruf, Souveränität und der richtigen Einstellung wird man überall respektiert“, hatte er immer gesagt. Zac schluckte.

Nur zu gut erinnerte er sich an eine Zeit, in der in all seinen Angelegenheiten, beruflichen wie privaten, Victor stets das letzte Wort gehabt hatte. Und welche Ironie, dass Zac viele seiner Ratschläge bis heute nicht vergessen hatte. Er hatte zwar zu sich gefunden, dennoch spürte er eine quälende Erwartung, die seinen Atem schneller gehen ließ. Doch so ruhig wie möglich sagte er: „Hallo Dad.“

„Hallo Zac.“ Victor beugte sich über den Tisch und reichte dem Sohn die Hand.

„Ich habe heute Nachmittag noch einen Termin“, erklärte Zac ohne Umschweife. „Also machen wir es kurz. Was willst du?“

„Du brauchst nur zu unterschreiben und bist der neue Geschäftsführer von VP Tech. In der ersten Zeit teilen wir uns die Leitungsposition.“ Und ohne sich um Zacs Stirnrunzeln zu kümmern, fuhr Victor fort: „Nach einem halben Jahr, wenn du mit den Produkten und Kunden vertraut bist, übernimmst du …“

„Moment mal“, unterbrach ihn Zac. Und mit einem Blick zu Cal fragte er: „Meinst du es tatsächlich so, wie du am Donnerstag angedeutet hast?“

Cal nickte kurz, und Zac sah wieder Victor an. „Du bist doch Geschäftsführer. Was hast du vor?“

„Es ist an der Zeit, dass ich kürzertrete.“

„Gehst du in Pension?“

„So etwas Ähnliches.“

„Victor …“, begann Cal, verstummte aber, als Victor ihn ansah. Irgendetwas ging zwischen den beiden vor. Schließlich seufzte Victor.

„Vor ein paar Monaten bin ich operiert worden. Mir geht es zwar gut, aber die Ärzte raten mir dringend, mich zu schonen.“

„Ich verstehe“, sagte Zac und blickte wieder zu Cal. „Und was ist mit dir?“

„Cal muss vor allem an seine Familie denken“, erwiderte Victor kühl. „Druck oder Stress kann er im Moment nicht brauchen.“

„Und mir macht das nichts aus, denkst du, oder?“

Cal wollte etwas sagen, aber Zac bedeutete ihm zu schweigen.

„Nach all den Jahren harter Arbeit verzichtest du auf den Chefposten?“, wollte er von seinem Bruder wissen.

„Wie Victor sagt, für mich hat meine Familie Vorrang“, entgegnete Cal.

„Glaubt ihr etwa, dass ich es gar nicht erwarten kann, für euch in die Bresche zu springen? Meint ihr, ich komme mit fliegenden Fahnen zurück?“, fragte Zac.

Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er die Unterstützung seines Vaters dringend gebraucht, war aber nur von ihm belogen und manipuliert worden. Bis er, nicht ohne Schuldgefühle, sein Leben begonnen hatte. Für ihn gab es kein Zurück …

Zac erhob sich. „Die Antwort ist Nein. Sucht euch einen anderen.“

„Zac!“ Victor sprang auf, um ihn aufzuhalten. „Denk wenigstens mal darüber nach. Das bist du mir schuldig.“

„Kein Wort mehr!“, stieß Zac hervor.

„Du bist und bleibst ein Prescott, ob es dir nun passt oder nicht“, sagte Cal ruhig. „Es steckt dir im Blut. Die Firma auch.“

Zac wandte sich um und hätte am liebsten ein Dutzend Einwände auf einmal vorgebracht, aber er hielt sich zurück. „Cal, es war dein Traum. Ich wollte es nie. Und ich lasse mich nicht in diese Position drängen.“

Damit verließ er den Raum. Und Emily folgte ihm.

Im Aufzug nach unten sah Emily Zac an, wie aufgewühlt er war. Sie wusste, dass er diese Begegnung so nicht gewollt hatte.

Während er einige Male tief durchatmete, bewunderte ihn Emily insgeheim für seine Gefasstheit. Er stand Konflikte durch, ohne sich aus dem Konzept bringen zu lassen. Zu seiner Strategie gehörte, die Dinge nicht zu nahe an sich heranzulassen und sich treu zu bleiben. Ein Wesenszug, der Emily gefiel und faszinierte.

Als sie dann auf der Berry Street in der Sonne standen, atmete er erleichtert auf.

„In einer Stunde ist die Besprechung wegen Point One“, sagte Emily gerade, als hinter ihnen eine Stimme ertönte.

„Zac, warte!“ Sie wandten sich um und sahen Cal durch die Glastür kommen.

„Ich muss mit dir reden. Dauert nur eine Minute.“

Diskret ging Emily schon zum Wagen.

„Ich habe mich doch klar ausgedrückt, oder?“, fragte Zac.

„Völlig. Und ich kann dir nicht böse sein deswegen. Wir kennen doch beide Victors Methoden. Was glaubst du, wie er sich in den letzten Monaten benommen hat …“

„Danke, dass du mich in dieses Geheimnis einweihst“, scherzte Zac.

„Lass das. Bei all seinen Fehlern, Victor hat eine schwere Zeit hinter sich. Er …“

„Ich will es gar nicht wissen“, unterbrach ihn Zac. „Ich habe all das hinter mir gelassen.“

„Ja, allerdings.“

Überrascht sah Zac den Bruder an. „Wie meinst du das?“

„Du bist zweimal gegangen. Beim ersten Mal, als du in Schweden studiert hast, habe ich es ja verstanden. Aber dann nach deinem Abschluss, als du wieder hier in Australien warst, hast du dich nicht einmal gemeldet. Kein Anruf, keine E-Mails, nichts … Was meinst du, wie ich mich da gefühlt habe?“

„Glaub mir, es hätte nichts geändert, wenn ich Kontakt aufgenommen hätte. Du warst immer auf Victors Seite …“

„Zac, du bist mein Bruder. Du bist mir zumindest eine Erklärung schuldig.“

„Jetzt redest du schon wie Victor. Außerdem hättest ja auch du mich anrufen können.“ Er bemühte sich, nicht wieder an früher zu denken. „Entschuldige, aber ich muss jetzt gehen.“

„Zac …“

Er wandte sich um und ging zum Wagen, wo Emily auf ihn wartete …

3. KAPITEL

Während der zweistündigen Besprechung mit den Beteiligten am Point-One-Projekt in einem der Konferenzräume des Hotels war Zac immer wieder von seinem Handy abgelenkt worden. Siebenmal hatte er auf das Display geschaut, ohne abzunehmen.

„Geht’s dir gut?“, fragte Emily, als sie die Unterlagen zusammenpackte.

„Wie? Äh, ja!“ Er steckte das Handy in die Tasche. „Hast du Fragen bisher?“

„Nein. Noch ist alles klar. Der Ortstermin ist um vier. Soll ich uns Lunch bestellen?“

Geistesabwesend nickte er. Dachte er an das Projekt – oder an VP Tech und seinen Vater?

In ihrer Suite stellte Emily fest, dass seine Stimmung auf sie abgefärbt hatte. Sie genoss das Essen in ihrem Zimmer viel weniger als sonst, und danach konnte sie sich nicht auf das Durcharbeiten der Schriftstücke konzentrieren.

Gegen drei Uhr gab sie es auf. Sie lehnte sich zurück, und als ihr Blick auf das Notebook fiel, kam ihr eine Idee …

Nein! Entschieden klappte sie den Computer zu. Da Zac bisher nie über seine Familie gesprochen hatte, hatte auch sie nicht danach gefragt. Er verließ sich vollkommen auf ihre Diskretion. Also würde sie nicht im Internet nachforschen – und womöglich peinliche und am Ende unrichtige Dinge finden …

Trotzdem hatten die Ereignisse des Vormittags ihre Neugier geweckt. Denn noch nie hatte sie Zac so aufgeregt erlebt, so offensichtlich ärgerlich. Es musste etwas Gravierendes vorgefallen sein, dass er damals seine Familie verlassen hatte.

Unruhig erhob sie sich und ging zu der großen getönten Glastür, die auf den Balkon führte. Das Glas fühlte sich unter ihren Handflächen warm an, und Emily überkam die Erinnerung an ein anderes Gefühl von Wärme … von Hitze …

Sie drückte die Stirn gegen die Tür und ließ einen Moment ihren Empfindungen für Zac freien Lauf. Sie dachte an seine Lippen, seinen Duft … und an seine Gabe, sie alles andere vergessen zu lassen und einfach im Hier und Jetzt zu leben. Mit ihm …

Nach einer Weile straffte sie den Rücken und atmete tief ein. Genug, sagte sie sich. Mir hat es nicht gefallen, dass er sich in mein Leben eingemischt hat – also mische ich mich in seines auch nicht ein. Das wäre unprofessionell. Außerdem hat es nicht das Geringste mit mir zu tun. Es geht mich nichts an …

Als sie sich um halb vier im Foyer trafen, stellte Emily erleichtert fest, dass Zac sich entspannt hatte. Auf der Fahrt nach Pott Point unterhielten sie sich über Geschäftliches. Aber Emily ertappte sich immer wieder dabei, dass ihre Gedanken abschweiften. Sie machte sich Sorgen um ihn, denn die Angelegenheit mit den Prescotts nahm ihn sehr mit. Sogar mit den schwierigsten Kunden kam er leichter zurecht als mit seiner Familie.

„So, da wären wir“, sagte er und parkte ein.

Interessiert sah Emily aus dem Wagenfenster: Das Erdgeschoss des Gebäudes war noch eingerüstet und mit Bauplanen versehen.

Staunend ließ sie den Blick höher wandern. Wie sie aus den Unterlagen wusste, entstanden in dem fünfundzwanzig Stock hohen Gebäude zwanzig Etagen mit Apartments, einem Fitnessstudio, Hallenbad, Büros, einer Cafeteria und einem Restaurant.

Und mir hat Zac die Projektleitung anvertraut! dachte Emily überwältigt.

„Kommst du?“, fragte er vom Gehsteig aus.

Emily stieg aus. „Das gibt richtig viel zu tun, damit alles bis Dezember fertig wird. Das bedeutet jede Menge Überstunden …“

Zac nickte. „Ja. Bis es so weit ist …“

„Ich habe schon mal eine Liste zusammengestellt, was ich alles brauche: Mitarbeiter, Finanzmittel …“

„Gut. Schick sie mir dann per Mail.“ Er wies Richtung Eingang. „Die Besprechung ist in der Penthousesuite.“

Emily straffte die Schultern und nickte. Sie hatte die Aufgabe nun mal übernommen. Außerdem würde das Ganze nicht ewig dauern. Notfalls musste die Queensland Universität noch ein Semester länger warten. Gut, wenn sie Zac so bald wie möglich das Geld zurückzahlen konnte.

Ich schaffe das, sprach sie sich Mut zu. Mir fällt es leicht, mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Und auch von Zac Prescott lasse ich mich nicht ablenken …

Als sie mit den anderen Besprechungsteilnehmern durch das Penthouse gingen, prägte sich Emily ihre Namen für die künftige Zusammenarbeit ein.

Der Bauingenieur, der Schallschutzbeauftragte, der Innenarchitekt … Und die Geschwister Steve und Trish Sattler von Sattler Design, Sydneys führende Raumausstatter. Steve, groß und schlank, wirkte wie ein moderner Künstler. Trish hatte langes glattes mahagonifarbenes Haar und große braune Augen. Immer wieder schaute sie Zac interessiert an. Glücklicherweise ging er aber nicht darauf ein, sondern verhielt sich genauso unbefangen wie immer – was Emily ihm hoch anrechnete.

Zac war eben ein besonderer Mann: vertrauenswürdig, zuverlässig und ehrlich. Sie mochte ihn wirklich, und das wollte bei Emily etwas heißen. Und schließlich konnte er nichts dafür, dass er auf Frauen so unglaublich anziehend wirkte.

Trish betrachtete ihn beinahe genussvoll von der Seite. Dabei lächelte sie auf sehr attraktive Art. Als sie Emilys Blick bemerkte, hob sie leicht eine Augenbraue und nickte ihr wie in leisem Einverständnis fast unmerklich zu. Sofort richtete Emily ihre Aufmerksamkeit auf die Baupläne.

Sie wusste, dass Zac jede Woche Anrufe von Frauen bekam, die ihn gerne für sich gewonnen hätten …

Vom 25. Stock abwärts besichtigten sie systematisch Etage für Etage und hielten fest, was noch ausstand, bis sie im Erdgeschoss im künftigen balinesischen Restaurant ihre Inspektion beendeten.

Zum Abschied schüttelte Emily allen Teilnehmern die Hand. Dabei sah sie aus dem Augenwinkel, wie Trish auf Zac zusteuerte.

„Ich möchte mich bei Ihnen nur für den Auftrag bedanken. Es ist eine großartige Chance für uns, Mr. Prescott“, flötete sie.

„Bitte … ich heiße Zac.“

„Ja, gerne. Also dann Zac …“

Emily kniff die Augen zusammen, während sie sich zum Schein mit ihrem Handy beschäftigte.

„Sattler Design eilt aber auch ein sehr guter Ruf voraus, Miss Sattler“, sagte Zac.

„Bitte … Meine Freunde nennen mich Trish.“

Meine Freunde nennen mich Trish, äffte Emily sie im Geiste nach, während sie ihre Anrufe checkte.

„Wollen wir zusammen zu Abend essen?“, fragte Trish. „Mein Bruder hat noch einen Termin. Wir beide könnten schon mal Einzelheiten des Auftrags besprechen, damit wirklich alles so wird, wie es Ihnen gefällt, Zac.“

Emily verdrehte unwillkürlich die Augen, aber Zac sagte: „Nein, ich denke, dass alles so weit klar ist. Oder, Emily, habe ich etwas mit Trish zu besprechen?“

„Nein, im Augenblick nicht“, antwortete Emily mit unschuldigem Lächeln. „Aber wir haben sicher noch oft miteinander zu tun.“

Als Zac sich von Trish verabschiedete, lächelte sie, ohne sich die Enttäuschung anmerken zu lassen. Emily war sicher, dass sie neue Wege finden würde, um Zac näherzukommen.

Ein solches Verhalten hatte sie schon öfter bei Frauen beobachtet, denen Zac gefiel. Anfangs hatte sie sich mit ihrer Schwester noch darüber amüsiert, aber inzwischen fand sie es ziemlich lästig, vor allem, seit … Seit ich ihn geküsst habe, dachte sie.

Zac sagte etwas, und sie nickte. Aber ihr Herz klopfte so heftig, dass sie nicht wirklich mitbekam, worum es ging.

Und wenn schon. Eine normale körperliche Reaktion, redete sie sich ein. Schließlich hatte sie seit zwei Jahren keinen Mann geliebt, da war es nur verständlich … Zac war der erste Mann seit Jimmy …

„Emily? Alles klar?“, fragte Zac und legte ihr die Hand auf die Schulter.

Er schaute sie besorgt an. Bei seinem ausdrucksvollen Blick war es kein Wunder, dass ihm die Frauen reihenweise zu Füßen lagen. Emily spürte wieder die Schmetterlinge im Bauch. „Ich habe nur über das Projekt nachgedacht. Es ist … anders als das Übliche.“

„Ja. Eine ziemliche Herausforderung“, erwiderte er und lächelte.

„Stimmt. Und Herausforderungen sind immer gut“, bestätigte Emily.

Als sie beide wieder im Auto saßen, spürte Emily, wie ihre Wangen glühten. Verlegen hüstelte sie.

„Wenn du bereit bist, dann fahren wir.“ Zac lächelte und fuhr los.

Dinner um sechs, stand auf dem Zettel, den Zac unter der Tür hindurchgeschoben hatte.

Emily hatte vorgehabt, allein in ihrem Zimmer zu essen und dabei die Unterlagen durchzuarbeiten. An ein Essen zu zweit hatte sie gar nicht gedacht.

Allerdings … das würde es auch nicht werden. Wie immer würden sie nur über Geschäftliches reden, über Zeitpläne, Kosten, Werbemaßnahmen … Keine Berührung der Hände, keine sehnsüchtigen Blicke …

Schade, dachte sie.

Zwei Minuten vor sechs betrat sie das Restaurant im Erd­geschoss.

Harbour Kitchen & Bar hatte eine große Glasfront zum Meer hin und einen langen offenen Küchentresen, sodass die Gäste bei der Zubereitung der Speisen zuschauen konnten.

Die klare Linienführung der Einrichtung wirkte angenehm beruhigend auf Emily. Doch als sie Zac an einem Fenstertisch sitzen und auf sie warten sah, begann ihr Herz sofort heftig zu schlagen.

Mit höflicher Selbstverständlichkeit rückte er den Stuhl zurecht.

„Noch immer offiziell angezogen?“, fragte Zac und setzte sich wieder.

„Ja.“ Aber ausgezogen mit dir wäre mir lieber, dachte sie.

Auch er trug noch Hemd und Krawatte. Sie zwang sich, den Blick von seinen breiten Schultern abzuwenden und schaute aufs Meer hinaus.

„Eine wunderbare Aussicht“, sagte sie leise. Das Wasser ­glitzerte im goldenen Licht der untergehenden Sonne. Die Silhouette des berühmten Opernhauses mit seiner eigenwilligen Architektur zeichnete sich wie die Segel eines Schiffes vor dem rot glühenden Himmel ab.

„Stimmt. Hier ist es immer wieder schön.“

Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie er sie insgeheim betrachtete. Dann schlug er die Speisekarte auf.

Emily schielte über die Karte hinweg auf seine wunderschönen braun gebrannten Hände, die durch die Manschetten des weißen Hemdes noch betont wurden. Hände hatte Emily schon immer besonders aussagekräftig gefunden, und Zacs verrieten zwar die harte Arbeit, waren aber dennoch oder gerade deshalb besonders anziehend …

„Ich wusste gar nicht, dass du mal verheiratet warst“, sagte er unvermittelt.

„Das ist auch nichts, worüber ich gern rede“, wehrte sie ab.

„Na, komm schon, Emily. Du weißt ja über mich auch fast alles, vor allem seit heute Morgen.“

„Stimmt doch gar nicht.“

„Wenn es so ist … Also, was willst du wissen?“

„Du weißt, dass ich nicht neugierig bin.“ Sie stellte die Speisekarte vor sich auf, aber Zac drückte sie mit dem Finger vorsichtig nach unten.

Nun blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn anzusehen.

„Du managst meinen Zeitplan, sorgst dafür, dass ich etwas esse und habe, was ich brauche. Außerdem weißt du viel über meine Gewohnheiten und mein Privatleben – und jetzt auch über meine Familie. Du bist für mich, was man neuerdings Workwife nennt – so etwas wie eine Ehefrau, nur eben im Beruf.“

Als er ihren entsetzten Blick bemerkte, lächelte er. „Na ja, so etwas gibt es öfter: eine berufliche Partnerschaft zwischen Mann und Frau. Hast du den Begriff noch nie gehört?“

Emily schüttelte den Kopf und rückte überflüssigerweise ihr Besteck zurecht.

„Nachdem wir schon so lange so gut zusammenarbeiten“, fuhr Zac fort, „dachte ich, wir wären so etwas wie Freunde, die sich aufeinander verlassen können.“

„Und aus lauter Freundschaft hast du eigenmächtig meine Schulden zurückgezahlt?“

Täuschte sie sich, oder wirkte er einen Moment lang verletzt? Sofort bereute sie die Bemerkung. „Entschuldige, das war nicht sehr nett von mir.“

„Geschieht mir ja recht. Ich hätte vorher mit dir reden müssen.“

Zac merkte ihr an, wie sie mit sich kämpfte. Die schön geschwungenen Lippen hielt sie fest zusammengepresst. Diese Frau war wirklich eine harte Nuss …

„Also gut. Ich bin zu weit gegangen. Entschuldige bitte“, sagte er schließlich.

„Entschuldigung akzeptiert.“

„Freunde?“

„Ja. Freunde“, bestätigte sie. Dann trank sie schnell einen Schluck Wasser.

In diesem Augenblick kam der Kellner und nahm die Bestellung auf.

Zac bekam mit, wie sie erneut ihr Besteck zurechtrückte. Bei den vielen gemeinsamen Geschäftsessen war seine Sekretärin stets völlig ruhig und gelassen gewesen. Aber jetzt schien sich alles verändert zu haben. Und nur durch seine Schuld. Er hatte sich in ihr Privatleben eingemischt und damit ein Tabu gebrochen. So als hätte er eine stillschweigende Übereinkunft zwischen ihnen verletzt. Trotzdem ließ es ihm keine Ruhe, wie Emily Reynolds hinter ihrer perfekten Fassade wirklich war. Also versuchte er es. „Sicher unangenehm, eine Ehe mit …“

„Zac!“, unterbrach sie ihn. „Bitte lass das.“

„Was meinst du, soll ich lassen? Verständnis zeigen? Oder Anteilnahme? Manchmal werden wir gerade durch die verletzt, die uns nahestehen.“

Statt empört zu reagieren, wie er es schon befürchtet hatte, trat in Emilys Augen ein Ausdruck von Betroffenheit. „Ja …“, gab sie zu. „Da ist was dran.“

Sie drehte die noch umgestülpten Kristallgläser um. „Und jetzt möchte ich gern etwas Wein.“

Zac goss ein, und Emily wechselte geschickt das Thema, indem sie wieder auf das Projekt zu sprechen kam. Er wusste, dass sie damit ihre Sicherheit zurückerlangen wollte, und ging darauf ein.

Als das Dessert – ein großes Stück Käsekuchen mit frischen Beeren – serviert wurde, lächelte Emily erfreut.

Zacs Herz machte einen mächtigen Satz, als er sah, wie sie in Vorfreude die Lippen schürzte.

„Du magst gerne Käsekuchen, stimmt’s?“

„Und wie! In der französischen Patisserie gegenüber von Valhalla gibt es einen sehr guten. Mit Schokosoße. Köstlich.“

Als sie sich ein Stück in den Mund schob, konnte Zac den Blick nicht abwenden. Beinahe hätte er leise aufgestöhnt.

„Wo hast du ihn kennengelernt?“

„Wen denn?“

„Deinen Exmann.“

Sie legte die Gabel beiseite und schluckte.

Zac seufzte. „Emily, denk bitte nicht, dass ich irgendetwas von dir verlange, nur weil ich dir aus der Patsche geholfen habe. Ich habe lediglich aus Interesse gefragt. Du kannst mir vertrauen …“

Sie rang mit sich und antwortete dann: „Meine Geschichte ist nichts Besonderes. Ich war dreiundzwanzig, dumm und, wie ich glaubte, verliebt. Leider hat sich Jimmy schon bald als Lügner und Tunichtgut entpuppt. Und dann ist er gestorben …“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du jemals dumm warst.“

Emily lächelte. „Doch …“

Schweigend sahen sie sich an. Und in diesem Moment fand er, dass sie zum ersten Mal etwas … lockerer wirkte.

„Er ist beim Surfen ertrunken“, sagte sie nach einer Weile mit gesenktem Blick.

„Tut mir leid für dich.“

„Braucht es nicht. Ich wünschte, er wäre noch am Leben. Dann könnte ich ihm sagen, was ich von Schmarotzern wie ihm halte.“

Zac wartete, während sie einen Schluck Wasser trank.

„Deine Frage war ernst gemeint, stimmt’s?“, fragte sie schließlich. „Du willst wirklich wissen, wie er und ich uns kennengelernt haben.“

Zac nickte.

„Also gut. Es war vor drei Jahren in Brisbane in einem Nachtklub, wo Jimmy in einer Rockband sang. Er war sogar ziemlich gut. Nur leider fehlten ihm Disziplin und Durchhaltevermögen. Schließlich warf die Band ihn hinaus.“

„Verstehe.“

„Vor über einem Jahr hat er die Scheidungspapiere unterschrieben und nichts mehr von sich hören lassen. Jetzt weiß ich ja, warum. Weil er damit beschäftigt war, sich mein Geld anzueignen. Warum siehst du mich so an?“

„Ich überlege nur …“ Zac bemühte sich, nichts Falsches zu sagen. „Für Nachtklubs und eine Ehe mit einem Musiker bist du doch gar nicht der Typ …“

„Weil du an mir nur mein Organisationstalent und meine Zurückhaltung kennst.“

„Wahrscheinlich. Ja, es kommt mir wirklich untypisch vor …“

Emily lächelte. Eigentlich hatte sie gehofft, das Thema sei damit abgehandelt. „Vielleicht war es auch eine persönliche Form von Aufbegehren. Oder der Wunsch …“ Sie hielt inne. Beinahe hätte ich geliebt zu werden hinzugefügt, dachte sie und schwieg.

„Deine Jugend auszuleben? Ist ja verständlich …“

„Aber du kennst mich ja gar nicht …“

„Oh, doch. Zum Beispiel weiß ich, dass du erst nach Hause gehst, wenn die Arbeit erledigt ist. Oder dass du keine Pommes magst, aber Schinkensandwich mit Salat.“

„Ach …“

„Deine Lieblingsfarben sind Blau und Pink, aber du trägst fast immer Schwarz. Für Schnickschnack hast du nichts übrig. Du trägst dezentes Make-up und nur wenig Schmuck. Dein Haar ist naturblond, aber alle zwei Monate lässt du dir helle Strähnchen machen.“

Er betrachtete ihr Haar, ihr Gesicht – und schließlich ihren sinnlichen Mund. „Du duftest leicht nach Ingwer und einem warmen Sommerwochenende …“ Seine Stimme klang rau, als er fortfuhr: „Du schmeckst …“

„Schluss damit!“, stieß Emily hervor und blinzelte. „Woher willst du wissen, wie …“ Dann begriff sie. „Du erinnerst dich an den Kuss!“

„Genau wie du“, sagte er und lächelte.

„Aber du …“

„Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen, dachte, du willst nicht darüber reden.“

Emily rang nach Worten. „Ich habe nicht gemeint …“

„Weiß ich.“

„Es war nur, weil …“

„Weiß ich.“

„Ich wollte nicht …“

„Emily, Schluss jetzt mit den Entschuldigungen.“

Als sie ihn verlegen ansah, fand Zac sie so unbeschreiblich süß, dass er sie am liebsten auf der Stelle nochmals geküsst hätte.

„Dabei war es nicht einmal ein richtiger Kuss. Mehr eine …“ Sie betrachtete seinen Mund. „… kurze Berührung der Lippen.“

Ihr leises Seufzen am Ende des Satzes klang für Zac wie die süßeste Musik. Mit einem Mal fand er es viel zu heiß in diesem Restaurant. Und auch sein Herz schien zu rasen. Und er rang um Selbstbeherrschung, als er sah, wie Emily sich auf die Unterlippe biss. Was bedeutete das? Es konnte nur eins heißen: Sie sprach ebenso auf ihn an wie er auf sie!

„Emily, bitte geh mit mir aus.“

Überrascht ließ sie die Gabel sinken. „Wie bitte?“

Er beugte sich näher zu ihr und atmete ihren süßen betörenden Duft ein. „Du hast schon richtig gehört: Bitte geh mit mir aus.“

Ihre Miene entspannte sich wieder. „Sehr witzig.“ Sie schob den Teller von sich.

„Das ist kein Witz.“

„Doch.“

„Ich meine es ernst.“

„Hör jetzt auf, Zac. Mir ist nicht zum Lachen.“

„Mir auch nicht.“ Was hatte er nur angestellt, dass diese Frau ihm so hartnäckig die kalte Schulter zeigte?

„Es gibt so viele Frauen, die sich freuen würden …“

„Mir egal. Ich möchte mit dir ausgehen.“

Fragend hob sie eine Augenbraue, und Zac verspürte plötzlich den dringenden Wunsch, ihr die Brille abzunehmen.

„Warum gerade mit mir? Ich …“

Zac lächelte und dachte an ihre traumhafte Figur, von der sie so wenig sehen ließ. „Deine gerade geschnittenen Anzüge … Mir kommt es vor, als wolltest du dich verstecken …“

Sofort bereute er seine Worte, denn Emily wurde rot. In sanftem Ton fuhr er fort: „Jedenfalls nützt es nichts, denn ich finde dich sehr anziehend.“

„Nur wegen … der Berührung unserer Lippen?“

„Möglich.“

„Aber wir arbeiten zusammen.“ Sie faltete nervös ihre Serviette.

„Na und?“

„Es wäre unprofessionell.“

„Wer sagt das? Immerhin bin ich der Boss.“

„Eben. Die Leute werden reden.“ Sie sah ihn an.

„Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Na und?“

„Außerdem schulde ich dir Geld. Und ich habe erst eine Gehaltserhöhung von dir bekommen …“

„Wir arbeiten jetzt fast zwei Jahre zusammen. Du kennst mich. Habe ich dich jemals irgendwie unter Druck gesetzt?“

Emily blinzelte. „Entschuldige, das sollte keine Unterstellung sein.“

„Kam mir aber so vor.“

„Zac, bitte. So habe ich es nicht gemeint. Glaub mir, ich weiß dein Angebot zu würdigen …“

„Du weißt mein Angebot zu würdigen?“, wiederholte er ungläubig.

„Ich meine, ich fühle mich geschmeichelt, ehrlich … Jede andere Frau würde sich glücklich schätzen …“

„Aber du nicht?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin doch gar nicht dein Typ.“

„Und was ist mein Typ?“, wollte er wissen.

„Groß und schlank, mit langen Beinen. Und vermögend. So wie Trish Sattler.“

Emily sah, wie er die Stirn runzelte. Die edlen Gesichtszüge verliehen ihm eine besondere Ausstrahlung von Souveränität und wirkten magisch anziehend. Emily fühlte sich … entwaffnet und konnte den Blick nicht von ihm wenden.

„Dir liegt wirklich viel daran, stimmt’s?“, fragte sie schließlich.

„Richtig.“

„Weißt du überhaupt, dass in der Lohnbuchhaltung eine Wette läuft? Wer deine nächste Freundin wird?“

Zac rieb sich den Nacken. „Ach so?“

„Stört dich das nicht?“

„Nicht wirklich.“ Er zuckte mit den Schultern.

Emily war … schockiert. Überrascht. Alles zusammen … Sie überlegte. Aber …

„Das ist nicht gut“, flüsterte sie mehr zu sich und spürte, wie ihre Haut zu prickeln begann.

Zac seufzte. „Und warum nicht?“, hakte er nach.

„Ich denke … dass Affären am Arbeitsplatz sehr riskant sind. Wenn es schiefgeht, dann geht alles in die Brüche.“

„Warum sollte es das?“

„Weil es immer so ist.“

„Sprichst du aus Erfahrung?“

„Nein!“, widersprach sie.

Aber Zac schaute sie ungläubig an.

Unruhig rutschte sie auf dem Stuhl herum. Nach alldem, was sie hinter sich hatte, angefangen von den unzuverlässigen Eltern, über die Belästigung durch ihren ersten Chef bis zu der gescheiterten Ehe mit Jimmy, glaubte sie noch immer an ihr Glück. Eines Tages würde die Liebe in ihr Leben treten, dessen war sie sich sicher.

Obwohl sie sechs Jahre jünger war als ihre Schwester, hatte sie A. J. immer aus der Patsche geholfen. Und auch den Neuanfang hier an der Ostküste hatte sie gut hinbekommen … Sie hatte sich trotz einiger Rückschläge nicht entmutigen lassen.

„Ich bin nicht wie dein Exmann“, erklärte Zac.

„Das weiß ich“, entgegnete sie und strich die Serviette glatt.

„Aber?“

„Aber was ist, wenn es eine Katastrophe wird?“

„Wir sind erwachsene Menschen. Wenn es tatsächlich so enden sollte, werden wir vermutlich eine Woche lang nicht miteinander reden und dann so weitermachen wie bisher. Wir werden nach wie vor gut zusammenarbeiten. Und wenn du mir das Geld zurückgezahlt hast, fängst du an zu studieren.“

Stellte er sich das tatsächlich so einfach vor? Unglaublich … Sie stand auf. „Ich muss jetzt gehen.“

Auch Zac erhob sich. „Ich begleite dich nach oben.“

„Nicht nötig.“

„Doch.“

„Ich kann einfach nicht glauben, dass du mich so ansiehst, so … abwehrend. Wie einen schwierigen Kunden …“

Als er sie aus dem Restaurant begleitete, legte er ihr eine Hand auf den Rücken.

„Wenn du diesen Blick hast, kommt niemand an dir vorbei, der nicht wirklich einen triftigen Grund hat, mich zu sprechen. Glaub mir, ich fühle mich dadurch gut beschützt.“

Ihr gemeinsames Lachen klang durch das Foyer, und ein paar Leute drehten sich nach ihnen um.

Im Aufzug lehnte Zac sich gegen das Geländer und schaute Emily lächelnd an.

Als sie ihre Etage erreicht hatten, stieg Emily sofort aus, um sich der Intimität zu entziehen. Vor ihrer Zimmertür suchte sie in der Tasche ihres Jacketts nach der Schlüsselkarte, während Zac wartend dastand.

Emily steckte die Karte in den Aufnahmeschlitz – und nichts geschah. Sie versuchte es noch mal – wieder nichts. Die Kontrollleuchte blieb rot. Auch der dritte Anlauf änderte daran nichts.

„Lass mich mal“, bat Zac und nahm die Karte. Auch seine zwei Versuche waren erfolglos.

„Können wir nicht durch dein Zimmer gehen?“, meinte Emily ungeduldig.

„Natürlich, aber …“

Er sah sie an, zuckte mit den Schultern und holte seine Karte heraus. Schon beim ersten Versuch leuchtete das grüne Licht auf. Zac öffnete die Tür und ließ Emily eintreten.

Sie ging schnurstracks zu der Tür, die zu ihrem Zimmer führte.

Autor

Day Leclaire
Day Leclaire lebt auf der Insel Hatteras Island vor der Küste North Carolinas. Zwar toben alljährlich heftige Stürme über die Insel, sodass für Stunden die Stromzufuhr unterbrochen ist, aber das ansonsten sehr milde Klima, der Fischreichtum und der wundervolle Seeblick entschädigen sie dafür mehr als genug.
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