Bianca Exklusiv Band 311

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LEKTION IN SACHEN ROMANTIK von DARCY MAGUIRE
Jessica bekommt die Chance, sich an Alexander Calahan dafür zu rächen, dass er ihre Familie ruiniert hat: Er stellt sie als Nachhilfelehrerin ein. Sie soll ihm zeigen, wie er die schöne Natasha erobern kann. Aber warum schmerzt sie der Gedanke so sehr, dass Alexander eine andere für sich gewinnen will?

UMWEG ZUM GLÜCK von LIZ FIELDING
Notgedrungen bietet die erfahrene Nanny Jacqui an, dem abweisenden Harry Talbot ein paar Tage mit der kleinen Maisie zur Hand zu gehen. Ihr Widerstreben weicht jedoch schon bald Herzklopfen: Einem so faszinierenden Mann ist sie noch nie begegnet. Aber Harry ist von der Liebe enttäuscht …

MILLIONENERBIN SUCHT DAS GLÜCK von ARLENE JAMES
Über Nacht reich! Mit dem Vermögen, das die hübsche Kosmetikerin Valerie ganz überraschend erbt, ist die Zeit der finanziellen Engpässe vorbei. Wenn es mit der Liebe doch nur auch so leicht wäre! Denn auf einmal werben gleich zwei Männer um sie - doch welcher hat die ehrlicheren Absichten?


  • Erscheinungstag 21.06.2019
  • Bandnummer 311
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737047
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Darcy Maguire, Liz Fielding, Arlene James

BIANCA EXKLUSIV BAND 311

1. KAPITEL

„Guck dir das mal an!“ Kath warf eine aufgeschlagene Frauenzeitschrift auf den Tresen, genau vor Jess Thompsons Nase.

Jess stellte ihren Cocktail ab und hielt die Luft an. Fassungslos starrte sie auf das ganzseitige Foto.

Das konnte doch nicht wahr sein!

Vorsichtig strich sie über den Hochglanzdruck, auf dem in großen Buchstaben der Name des Mannes prangte. Schon wieder dieser schreckliche Typ!

„Alexander Calahan“, raunte Kath ihr ins Ohr.

Der Mann, der Jess bereits schon seit vier Jahren keine Ruhe ließ. So breitschultrig wie auf diesem Bild hatte sie ihn sich gar nicht vorgestellt … und auch lange nicht so attraktiv.

Insgeheim hatte sie immer gehofft, dass er genauso mies aussah, wie er sich aufführte. Aber das Leben spielte eben nicht fair: Obwohl Alexander Calahan ein gewissenloser Mistkerl war, kam er ihr auf dem Foto vor wie ein junger Gott. Trotz allem, was er ihr angetan hatte.

Jess kaute auf ihrer Unterlippe herum. Irgendwie hätte sie sich das ja denken können. Welche Geschäftsführerin hätte ihn und seine Agentur schon für eine Werbekampagne engagiert, wenn man ihm seinen miesen Charakter angesehen hätte?

„Die Zeitschrift ist heute erst erschienen.“ Kath setzte sich neben Jess auf den Barhocker und zog dabei das rote Kleid zurecht, das sich eng um ihren fülligen Körper schmiegte. „Ich hab sie eben zufällig gesehen und sie dir gleich gekauft.“

„Danke“, stieß Jess zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während sie sich eine braune Haarsträhne hinters Ohr strich. Das hatte ihr gerade noch gefehlt: ein riesiger Bericht über diesen Typen in der Klatschpresse! Trotzdem konnte sie es nicht lassen, sie musste sich immer wieder das Foto ansehen.

Seine Armbanduhr war bestimmt aus Gold, die Krawatte aus Seide, und sein Anzug hatte wahrscheinlich mehr gekostet als ihr Auto. Jess fröstelte.

„Sorry, ich weiß ja, dass du schon genug Ärger am Hals hast, gerade wegen der Sache mit Dean …“, Kath fuhr sich über den schwarzen Bubikopf und winkte dem Kellner, „… aber wir können es uns nicht leisten, so was zu ignorieren. Es geht um unsere Firma. Und das hier ist eine Katastrophe.“

Darauf ging Jess nicht ein, stattdessen starrte sie weiter auf das Foto. „So attraktiv, wie alle sagen, finde ich ihn gar nicht“, bemerkte sie abfällig.

Kath seufzte. „Sag ihm das doch ins Gesicht“, schlug sie vor und tippte dabei mit einem Fingernagel auf Alexander Calahans strahlendes Lächeln. „Das kriegt er bestimmt nicht oft zu hören.“

Jess hob den Kopf. „Warum eigentlich nicht?“

„Na, dann los. Sag unserem Werbepapst mal deutlich deine Meinung.“

Eigentlich hat Kath recht, dachte Jess. Andererseits – was hätte sie davon? Er kannte sie ja nicht mal, ganz zu schweigen von der kleinen Werbeagentur Kingston & Co., die Kath und ihr gehörte. Sie beide kämpften verzweifelt um jeden Auftrag – weil Alexander Calahan mit seinem Imperium schon die gesamte Branche beherrschte.

Kath bestellte sich einen Cocktail und wandte sich Jess zu. Ihre Augen funkelten. „Mit dieser dämlichen Aktion will er bloß wieder alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das kannst du dir nicht bieten lassen.“

Jess zuckte zusammen. Wie bitte? Von was für einer Aktion redete Kath da eigentlich? Bis eben hatte Jess sich bloß das Foto angeschaut, den Artikel dazu hatte sie noch gar nicht beachtet. Sie schluckte und sah sich die Bildunterschrift an.

„Begehrter Junggeselle sucht Frau fürs Leben“, las sie langsam vor, und dabei schien sich in ihr alles zusammenzuziehen. „Das darf ja wohl nicht wahr sein! Bietet der sich jetzt selbst zum Verkauf an?“

„Ach Quatsch“, erwiderte Kath, „das ist doch nur eine Masche, damit noch mehr Geschäftsführerinnen auf ihn reinfallen und seine Werbeagentur buchen. Und wir anderen können alle pleite gehen.“

Jess schien vor Wut das Blut in den Kopf zu steigen. Schon wieder so ein mieser Trick! Das durfte sie sich nicht gefallen lassen. Nicht schon wieder!

Entschlossen sprang sie auf und zog sich das dunkle Jackett zurecht, das sie über ihrer weißen Seidenweste trug. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.

Kath schnappte sich den Cocktail, den Jess stehen gelassen hatte. „Und, was schlägst du jetzt vor? Wollen wir irgendeiner Zeitungsredaktion eine schmutzige Geschichte über ihn erzählen? Oder sogar selbst einen Artikel schreiben, der seine Motive infrage stellt?“

Wie gebannt betrachtete Jess den Mann auf dem Foto und versuchte dabei, ganz ruhig und rational zu bleiben – obwohl ihre Gefühle verrückt spielten.

Ja, was will ich eigentlich?

Schließlich setzte sie sich doch wieder auf den Barhocker. Am liebsten hätte sie diesen Typen gefesselt und geknebelt, um sich dann einfach mit seinen wichtigsten Klienten aus dem Staub zu machen. Sie wollte ihm gründlich eins auswischen, und die ganze Welt sollte wissen, was er für ein Mistkerl war.

Kath fuhr sich über das Haar, um ein paar störrische Strähnen zu glätten. „Oder wollen wir versuchen, ihn wegen unlauteren Wettbewerbs dranzukriegen? Der Kerl sucht doch nicht ernsthaft eine Frau fürs Leben!“

„Das hört sich zwar alles gut an“, sagte Jess und bemühte sich, möglichst ruhig zu bleiben, „aber ich glaube, wir können nicht viel tun.“

„Das ist jetzt nicht dein Ernst!“ Kath leerte Jess’ Cocktail in einem Zug und stellte das Glas mit einem lauten Knall auf den Tresen. „Du lässt dir von diesem Idioten alles gefallen – und nachher geht die große Jammerei wieder los. Ich halte das nicht mehr aus! Wann machst du den Typen endlich fertig?“

Jess zuckte mit den Schultern. Sie wollte Alexander Calahan nicht fertigmachen. Am liebsten wäre es ihr, wenn er sich mit seiner verfluchten Firma ganz von selbst ins Verderben stürzte. Dann würde sie völlig cool auf ihren Prada-Schuhen vorbeistolzieren und den letzten Rest seines Selbstbewusstseins mit Füßen treten.

Aber so weit ist es wirklich noch lange nicht, dachte Jess und musterte sich in dem großen Spiegel der hinter der Bar hing. Bei unserem Glück kann ich warten, bis ich schwarz werde.

Im Spiegel konnte sie die Bargäste beobachten, die hinter ihr ins Foyer kamen. Da drüben, der Mann! Sie zuckte zusammen, und fast blieb ihr das Herz stehen. „Guck mal, ist das nicht …?“

Kath drehte sich zu ihr. „Allerdings. Alexander Calahan höchstpersönlich“, flötete sie und grinste unverschämt.

„Dann … wusstest du also, dass er herkommen würde?“ Jess war fassungslos. Was hatte das zu bedeuten?

„Klar. Höchste Zeit, dass du mal Dampf ablässt.“ Kath wedelte mit der Zeitschrift vor Jess’ Nase hin und her. „Auch wegen diesem Mist hier.“

Wie gebannt fixierte Jess das Spiegelbild hinter dem Tresen. Kein Zweifel: Der Mann, der sie jahrelang in ihren Albträumen verfolgt hatte, stand nur wenige Meter hinter ihr. Er atmete die gleiche Luft wie sie und sah sich in diesem Moment die gleiche Getränkekarte an.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie zu begreifen versuchte, was ihre Freundin ihr damit sagen wollte. „Wie bitte?“, erwiderte Jess schließlich. „Ich soll mit ihm reden?“

Kath lachte. „Gib ihm Saures, Süße. Das hat er verdient. Ist doch total ungesund, wenn du alles in dich hineinfrisst. Was hast du eigentlich zu verlieren?“

Schwungvoll drehte Jess sich auf dem Bahrhocker um, um sich Alexander Calahan direkt anzugucken. Er unterhielt sich gerade angeregt mit einigen Geschäftsleuten und ging dabei in Richtung Restaurant.

In natura fand sie ihn noch viel attraktiver als auf dem Bild. Er war glatt rasiert und hatte ein Grübchen am Kinn, das seine markanten Gesichtszüge betonte. Seine vollen Lippen wirkten verheißungsvoll.

Verheißungsvoll? Wo war dieser Gedanke hergekommen? Jess hatte schließlich keineswegs vor, sich näher mit seinen Lippen zu beschäftigen.

Sie schluckte. Ihr war nicht entgangen, dass fast alle Frauen den Mann verstohlen beobachteten … und dabei ziemlich dämlich lächelten.

„Na los – jetzt sag ihm schon endlich, was Sache ist“, forderte Kath sie auf und gab ihr von hinten einen kleinen Stoß.

Jess schnappte sich Kaths Drink und hielt das Glas dicht vor die Brust. Ob sie wirklich …? Aber warum eigentlich nicht?

Entschlossen stand sie auf, hob das Kinn und ging Schritt für Schritt vorwärts. Auf einmal kam es ihr vor, als könnte sie hören, wie ihr das Blut in den Ohren rauschte.

Kath ahnte vermutlich nicht, in was sie die Freundin da reingeritten hatte! Diesen Moment hatte Jess sich immer wieder vorgestellt und sich dabei alles ganz genau ausgemalt. Und jetzt war es auf einmal wirklich so weit. Unglaublich.

Aber Kath hatte recht: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Dieser Typ hatte ihnen einen extrem lukrativen Vertrag mit einer Kosmetikfirma vor der Nase weggeschnappt, indem er alle Verantwortlichen erst mit seinem unverschämten Charme eingelullt und anschließend mit Champagner und Geschenken überhäuft hatte. Dann hatte er irgendwie erreicht, dass die auflagenstärkste Frauenzeitschrift ihm einen ganzen Artikel widmete und ihn darin als grundehrlichen und gefühlvollen Mann darstellte. Völlig zu Unrecht natürlich. Und jetzt rauschte er einfach so in seinem Armani-Anzug ins Restaurant und rieb ihr dabei seinen Erfolg noch mal kräftig unter die Nase.

Es reichte!

Entschlossen ging Jess auf ihn zu und bahnte sich dabei einen Weg an den Geschäftsleuten vorbei, die um ihn herumstanden. Er selbst blockierte gerade den Durchgang zum Restaurantbereich.

Alexander Calahan war noch viel größer, als sie ihn sich anhand des Fotos vorgestellt hatte. Jessie ging langsamer und blieb vor ihm stehen. Trotz ihrer hohen Absätze überragte er sie bestimmt um einen Kopf.

Sie hob das Kinn. „Calahan“, sagte sie knapp und umklammerte den Drink noch fester. Ihr Herz hämmerte wie wild.

Was mache ich hier eigentlich?

Auf einmal drehte er sich schwungvoll um. Seine blauen Augen funkelten sie an. Ohne mit der Wimper zu zucken, hielt er ihrem Blick stand. Instinktiv blieb sie stehen. Dieser Mann war einfach unglaublich – attraktiv wie ein Märchenprinz und dazu noch aus Fleisch und Blut.

Jess schluckte. Auf einmal war ihr klar, warum er so viel Erfolg bei Frauen hatte, obwohl er ganz offensichtlich ein Mistkerl war.

Schließlich brach Alexander Calahan den Bann, indem er den Blick an ihr herabgleiten ließ: von den Lippen über ihr Geschäftsoutfit bis zu den Schuhen und wieder hinauf. Ihre weiblichen Rundungen schien er besonders intensiv zu mustern. Normalerweise gefiel es ihr ja, so angesehen zu werden, aber jetzt straffte sie unwillkürlich die Schultern. War ja klar, dass dieser arrogante Widerling sie erst mal von oben bis unten taxierte.

„Entschuldigen Sie, aber könnten Sie mir kurz auf die Sprünge helfen?“, sagte er. „Kennen wir uns, Miss …?“ Seine Stimme klang so warm und samtig wie geschmolzene Schokolade. Jess bekam eine Gänsehaut.

Sie nahm sich zusammen und zwang sich, seinem Blick standzuhalten. Auf diesen Moment hatte sie so lange gewartet – nun würde sie sich nicht von blauen Augen aus dem Konzept bringen lassen.

Sie öffnete den Mund, aber es kam kein Ton heraus. Jetzt nur nicht schwächeln, sonst konnte sie nicht wettmachen, was er ihr und ihrer Familie angetan hatte!

Ein Lächeln umspielte seine sinnlichen Lippen, während er sie fixierte. „Ja?“

Sie rang um Beherrschung. Schnell sah sie zur Decke und atmete tief durch, bevor sie seinem Blick wieder begegnete. Der Mann schien sich gerade köstlich zu amüsieren.

Für Jess fühlte sich das an wie ein Schlag in die Magengrube. Dieser Mistkerl lachte über sie! Wahrscheinlich hielt er sie für eins von diesen Dummchen, die ihn auf Schritt und Tritt verfolgten. Bildete er sich vielleicht sogar ein, dass sie sich in ihn verliebt hatte? Der Gedanke brachte sie zur Weißglut.

Mit zwei entschlossenen Schritten kam sie ihm noch näher. Dabei stolperte sie, ihre Hand zuckte … und Kaths Cocktail schwappte über sein Gesicht und seine Brust.

Jess sah ihm direkt in die Augen. „Sie … Sie mieses, selbstgefälliges, arrogantes Miststück!“

2. KAPITEL

Fassungslos starrte Alex die junge Frau an, die ihm gegenüberstand. Ihr Drink rann ihm über die Wangen, das Hemd klebte ihm nass an der Brust.

Geschieht mir wahrscheinlich recht, dachte er. Aber woher kenne ich sie? Irgendwoher muss ich sie doch kennen …

Gedankenverloren wischte er sich die letzten Tropfen des Cocktails vom Gesicht. Er kam einfach nicht drauf. Und dabei war er sich sicher, dass er sich an jemanden wie sie erinnern würde: Eine so schöne, freche und vor allem unerschrockene Frau würde er nicht so schnell vergessen.

In ihrem kastanienbraunen Haar leuchteten goldblonde Strähnen – wahrscheinlich hielt sie sich viel an der Sonne auf. Sie trug es offen, und es fiel ihr locker auf die Schultern. Der Look wirkte natürlich und frisch, was zu ihr passte, schließlich hatte sie gerade kein Blatt vor den Mund genommen. Und das wäre bei ihrem Mund auch schade gewesen: Ihre vollen Lippen sahen erregend sinnlich aus …

Gekleidet war sie wie fürs Büro: mit einer weißen taillierten Weste, einem dunklen Jackett und einem kurzen Rock, der sich eng um ihre perfekte Figur schmiegte. Die Weste trug sie einfach so als Oberteil – direkt auf der gebräunten Haut. Alex fand das unglaublich sexy.

Als er wieder hochschaute, sah er in riesige smaragdgrüne Augen, die wütend funkelten.

Ich muss unbedingt wiedergutmachen, was ich da verbrochen habe – was auch immer es sein mag, dachte er. Unglaublich, dass ich mich nicht einmal an sie erinnere!

Aber wenn er sie tatsächlich nicht persönlich kannte? Dann musste er sie unbedingt kennenlernen! Diese Frau war leidenschaftlich, und sie traute sich etwas – das gefiel ihm.

„Kennen wir uns?“, erkundigte er sich. Nur am Rande nahm er wahr, dass seine Kollegen hinter ihm langsam unruhig wurden.

„Ich …“, begann sie, schluckte und schaute nach unten. „Also …“ Sie trat ein Stück zurück. „Mir tut das überhaupt nicht leid.“

„Wenn ich Ihnen gegenüber etwas wiedergutmachen kann, würde ich das wirklich gern tun.“ Er neigte den Kopf ein wenig und versuchte, ihren Blick aufzufangen.

Noch nie hatte er die Augen einer Frau so leidenschaftlich leuchten sehen. Es kam ihm vor, als könnte sie sich jeden Moment auf ihn stürzen, entweder um ihn in ihre Arme zu reißen – oder um ihn zu erwürgen. Auf jeden Fall fand er diese Begegnung gerade sehr viel aufregender als das neunundneunzigste Geschäftsessen mit seinen leitenden Angestellten. Besonders an einem Freitagabend. Der Büroalltag fing nämlich langsam aber sicher an, ihn zu langweilen.

Plötzlich sah ihm die Frau direkt ins Gesicht. „Ach, wirklich? Sie wollen also etwas für mich tun?“

Unwillkürlich musste er lächeln. Den Kavalier zu spielen gehörte zu seinen leichtesten Übungen. Diese Rolle beherrschte er perfekt, und entsprechend gut kam er damit auch an. „Natürlich“, sagte er. „Kommt ja nicht unbedingt jeden Tag vor, dass mich eine schöne Frau so unkonventionell anspricht.“

Sie nickte kaum merklich.

„Kann ich Ihnen vielleicht einen neuen Drink anbieten?“, schlug er vor.

Die Frau presste die roten Lippen zusammen. Dann wich sie noch ein Stück zurück. „Nein, danke“, erwiderte sie barsch und zupfte sich das Jackett zurecht.

Alex folgte ihr einfach. „Wie heißen Sie?“, erkundigte er sich. Immerhin hatte sie ihn angesprochen, da konnte die Begegnung noch nicht so schnell zu Ende sein! Und überhaupt – er hatte sie nett angelächelt, war charmant und zuvorkommend gewesen, sah außerdem gut aus … „Worum geht es hier eigentlich?“

„Ich …“, begann sie erneut, um wieder zu verstummen.

Es ließ ihm einfach keine Ruhe, er musste das Geheimnis dieser Frau lüften. Ganz abgesehen von ihrem rätselhaften Verhalten verspürte er eine unsichtbare Kraft, die ihn zu ihr hinzuziehen schien. „Warum setzen wir uns nicht irgendwo hin, wo wir ungestört sind, und besprechen alles in Ruhe?“

Energisch hob sie den Kopf, und diesmal sagte sie, was sie zu sagen hatte. „Ich bin vom Verein … Frauen gegen Frauenhelden und erfülle hier nur meine Pflicht.“

Sprachlos starrte Alex sie an.

Doch sie lächelte bloß, drehte sich um und ging weg.

„Was sollte denn das eben?“ Sein Geschäftspartner Lucas legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Keine Ahnung.“ Alex zwang sich, seinem Kollegen zu folgen. „Aber auf genau so eine Frau habe ich immer gewartet.“

Jess kehrte auf dem schnellsten Wege zu Kath zurück. Dabei musste sie sich beherrschen, nicht loszurennen. Sie konnte kaum atmen und auch keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihr war heiß, das Blut rauschte ihr in den Ohren, und die Worte wirbelten ihr durch den Kopf.

Welcher Teufel hatte sie da eigentlich geritten? Kaths Sticheleien hatten sie doch tatsächlich so weit gebracht, dass sie mit Alexander Calahan gesprochen hatte. Dem einzigen Mann auf der Welt, mit dem sie nun wirklich nichts zu tun haben wollte!

Kath schien das nicht weiter zu berühren. Seelenruhig drehte sie sich auf ihrem Barhocker um und erkundigte sich mit Unschuldsmiene: „Na, wie war’s?“

„Frag lieber nicht“, stieß Jess hervor. Ihr wurde schlecht, wenn sie daran dachte, wie gelassen er auf ihr wildes Gestammel reagiert hatte.

„Von hier sah es aber gut aus.“

Jess schüttelte den Kopf. Ihre Wangen glühten. Sie hatte diesem Typen gegenüber gerade ihre ganze Würde verloren, hatte sich aufgeführt wie ein Volltrottel, ihm einen Drink ins Gesicht gekippt und lauter dummes Zeug gebrabbelt.

Und wie war sie bloß auf diese saublöde Idee mit dem Verein Frauen gegen Frauenhelden gekommen? Klar, wenn es so einen Klub gäbe, wäre sie längst Mitglied, um Leidensgenossinnen zu unterstützen – Frauen, die miesen Typen wie Alexander Calahan zum Opfer gefallen waren. Bestimmt gab es genug davon.

Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum. Sie konnte nur hoffen, dass er ihr die Sache mit dem Verein abgenommen hatte und sie so schnell wie möglich vergaß.

Am besten, sie verschwand sofort von der Bildfläche. „Komm, wir gehen“, wandte sie sich an Kath.

„Hast du dir denn richtig Luft gemacht?“ Langsam stand Kath auf und betrachtete Jess forschend. „Fühlst du dich jetzt besser?“

„Auf jeden Fall“, brachte Jess mühsam hervor und hoffte, dass sie einigermaßen glaubwürdig klang. „Ich habe ihm alles gesagt.“

Kath schwang sich die Handtasche über die Schulter und legte den Kopf schief. „Na, ich weiß nicht … irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass du nicht deutlich genug warst.“

„Wieso? Du warst doch gar nicht dabei!“ Insgeheim aber gab sie ihrer Freundin recht. Egal, dann würde sie eben einen anderen Weg finden, um mit ihm abzurechnen. Irgendwie musste es ihrer kleinen Firma gelingen, Mr. Superman die interessantesten Aufträge abzujagen … und ihn dadurch in den Ruin zu treiben. Das würde ihm recht geschehen.

„Und wenn du diesem Calahan noch einmal über den Weg läufst …“

Jess hob den Kopf. Kath durfte auf keinen Fall erfahren, was wirklich zwischen ihm und ihr vorgefallen war. Da spielte sie ihr lieber vor, dass sie ihren Feldzug gegen den feindlichen Frauenhelden erfolgreich zu Ende gebracht hatte. Und dass sie natürlich völlig immun gegen seinen verhängnisvollen Charme war.

„Falls wir uns noch mal begegnen sollten, komme ich bestens mit ihm klar, danke“, bemerkte sie leichthin. Schließlich hatte sie nicht vor, ihn jemals wiederzusehen.

„Schön. Er steht nämlich genau hinter dir.“

Jess zuckte zusammen, entspannte sich aber sofort wieder. Kath nahm sie natürlich auf den Arm! So dämlich, wie sie sich eben aufgeführt hatte, würde Alexander Calahan ihr für immer aus dem Weg gehen.

„Ich meine das völlig ernst, Jess“, zischte Kath, während sie einen Punkt hinter Jess fixierte und dabei krampfhaft lächelte.

„Aha, Jess heißen Sie also.“ Die Stimme klang tief und männlich. „Hübscher Name. Wofür steht die Abkürzung?“

Jess blieb fast das Herz stehen. Sein warmer, freundlicher Tonfall ging ihr unter die Haut. Ihr wurde heiß und kalt.

Am liebsten hätte sie sich zu ihm umgedreht und ihm einen Stoß verpasst, dass ihm Hören und Sehen verging – aber sie fühlte sich wie gelähmt. Ihr Atem ging unregelmäßig und hektisch.

„Ich heiße übrigens Katherine“, stellte sich die Frau vor, die Jess bis eben noch für ihre Freundin gehalten hatte, und griff an Jess vorbei nach seiner Hand.

Aus dem Augenwinkel bekam sie mit, wie Kaths Finger in seiner kräftigen Hand verschwanden. Wie sich das wohl anfühlte?

„Und mein Name ist Alex“, erwiderte er höflich. „Aber das wissen Sie wahrscheinlich schon.“

Kath nickte. „Also dann …“ begann sie und warf Jess einen fragenden Blick zu.

Was will er denn jetzt noch von mir?, dachte sie. Soll ich ihm die Reinigung bezahlen? Oder will er sich mit mir verabreden? Dann wird er das erste Mal in seinem Leben eine Enttäuschung erleben!

Sie fuhr zu ihm herum … und ihr stockte der Atem. Aus seinen dunkelblauen Augen sah er sie so intensiv an, als könnte er ihr bis in die Seele blicken.

Es zuckte um seine Mundwinkel. „Hallo.“

„Hi“, brachte sie leise hervor und zwang sich, tief durchzuatmen. „Es tut mir leid – falls der Eindruck entstanden sein sollte, dass ich etwas von Ihnen will. Das ist nämlich überhaupt nicht der Fall.“

„Wunderbar.“

Ihr Blick blieb an seinem Mund hängen. Was meinte er damit? Warum war er auf sie zugekommen? Und warum hatte sie auf einmal so ein komisches Kribbeln im Magen?

„Ich will Sie …“

Kath schnappte nach Luft.

„… etwas fragen, Jess. Ich interessiere mich nämlich sehr für Ihre Meinung in einer ganz bestimmten Angelegenheit.“

„Wirklich?“ Jess verschränkte die Arme vor der Brust. Wollte er jetzt etwa mit ihr flirten? Von so einem legendären Frauenhelden hätte sie sich eine originellere Annäherung versprochen!

„Für Ihre Sichtweise wäre ich Ihnen sehr dankbar.“

„Keine Ahnung, wovon Sie da gerade reden, und ehrlich gesagt habe ich auch keine Lust, es herauszufinden. Das wäre reine Zeitverschwendung.“ Jess nahm ihre Handtasche vom Tresen. „Ich habe schon alles gesagt, was ich Ihnen zu sagen habe.“ Sie warf Kath einen Seitenblick zu. „Mit arroganten Weiberhelden gebe ich mich nämlich nicht länger ab als nötig. Guten Abend!“

Damit hakte sie sich bei Kath unter und zog ihre Freundin in Richtung Ausgang.

„Jess?“

Sie zuckte zusammen. Es widerte sie an, dass er ihren Namen einfach so in den Mund nahm. Wütend drehte sie sich zu ihm um.

„Na also, genau so eine Sichtweise meinte ich eben. Ich möchte nämlich mein Image etwas aufpolieren – und dabei brauche ich Hilfe.“

Jess holte tief Luft.

„Ich würde Sie dafür natürlich entschädigen.“

„Das ist ja wohl klar“, meldete sich Kath spöttisch zu Wort. „Ich schlage vor, dass Jess Sie eine Zeit lang von morgens bis abends begleitet. Das wird Ihrem Image sicher guttun.“

Er blinzelte überrascht, dann nickte er. „So weit habe ich noch gar nicht gedacht, aber das hört sich gut an. Auf jeden Fall brauche ich dringend ein paar Tipps von jemandem aus Ihrem Verein … Ich will nämlich an meinem Umgang mit Frauen arbeiten.“

Fragend schaute Kath ihre Freundin an.

Jess schluckte. Bis jetzt dachte Kath noch, dass sie Alexander Calahan gehörig die Meinung gegeigt hatte. „Ich habe ihm als Mitglied von Frauen gegen Frauenhelden gesagt, dass er die lebende Antwort auf die Frage ist, warum unser Verein gegründet wurde.“

Erstaunt sah Kath ihre Kollegin an. „Ach so.“ Dann wandte sie sich Alex zu. „Ich gehe davon aus, dass Sie nicht nur in Ihrem Privatleben ein Frauenheld sind, sondern in jeder Hinsicht? Auch beruflich?“

Er runzelte die Stirn. „Nein! Das heißt … vielleicht doch. Wahrscheinlich schon.“

„Dann müssen wir mal sehen, ob meine Vereinskollegin etwas von ihrer knappen Zeit opfern kann, um aus Ihnen einen modernen, sensiblen Mann zu machen.“

Jess versteifte sich und schaute ihre Freundin empört an.

Erleichtert lächelte Alexander Calahan Kath zu und rückte sich die Krawatte zurecht. „Ja, genauso hatte ich mir das vorgestellt.“

Hilfe, was macht Kath denn da?, dachte Jess. Soll ich diesem Typen etwa den ganzen Tag hinterherlaufen und ihm erklären, was er alles falsch macht?

Aber vielleicht war es ja sogar ganz lustig, ihn ein bisschen durcheinanderzubringen? Andererseits hatte sie wirklich Besseres zu tun: Schließlich musste sie zusehen, dass sie ihm die Klienten wegschnappte. „Kommt gar nicht infrage“, meinte sie schließlich. „Für mich sind Sie nämlich ein arroganter Mist…“

In diesem Moment schnappte Kath sich Alexander Calahans Hand und schüttelte sie heftig. „Meine Kollegin kümmert sich gern um sie.“

Jess zuckte zusammen. „Kath!“

„Du bist doch eines unserer engagiertesten Mitglieder“, redete Kath auf ihre Freundin ein. „Da nimmst du dir bestimmt gern die Zeit, um Mr. Calahan wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Eigentlich kann es doch nie genug lernwillige Männer geben, oder?“

Fassungslos starrte Jess sie an. Ihre Lippen schienen auf einmal völlig trocken zu sein – hatte sie etwa die ganze Zeit mit offenem Mund dagestanden? Jetzt jedenfalls fehlten ihr die Worte.

„Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du einen Betroffenen, der sich seinen Problemen stellen will, einfach so im Regen stehen lässt!“ Kath zog Jess zur Seite. „Na komm schon“, raunte sie ihr leise zu. „Dann nimmt er dich mit in seine Besprechungen, und du kannst dabei sein, wenn er mit potenziellen Klienten redet. Mach das doch bitte!“

„Meinst du wirklich?“, erwiderte Jess zögerlich. Allmählich wurde ihr klar, worauf ihre Freundin hinauswollte. Und sie hatte ja recht: Wenn sie diesem Mann mit seinem Werbeimperium jemals Konkurrenz machen wollten, brauchten sie echtes Insiderwissen. Also musste jemand den Feind ausspionieren. Und wenn sie dabei auch noch mitbekam, welche Firmen sich von ihm Angebote einholten, konnten Kath und sie ihrerseits auf diese Firmen zugehen und ihnen attraktive Vorschläge unterbreiten.

Darüber musste Jess lächeln. Schnell biss sie sich auf die Unterlippe. Wenn es ums Geschäft ging, waren alle Mittel recht, das hatte Alexander Calahan ihr vorgemacht. Sie wandte sich ihm wieder zu.

Er hielt ihr eine Visitenkarte hin. „Ich wäre Ihnen unheimlich dankbar, wenn Sie demnächst einmal bei mir im Büro vorbeikommen könnten … vielleicht am Mittwoch? Dann besprechen wir alles Weitere.“

Kath schnappte sich seine Karte und nickte eifrig. „Sie wird es sich einrichten.“

Kurz darauf konnte Jess beobachten, wie der arroganteste Mistkerl von ganz Sydney zu seinen Geschäftskollegen zurückschlenderte – erhobenen Hauptes und offensichtlich völlig überzeugt von sich selbst.

„Ach, du liebe Güte!“ Als hätte diese Begegnung ihr alle Kraft geraubt, kämpfte sie sich mühsam zum Ausgang des Nobelrestaurants. „Das kann ich einfach nicht.“

„Natürlich kannst du das“, widersprach Kath.

Jess wirbelte herum. „Du spinnst ja wohl! Was ist eigentlich mit dir los? Hast du dir heute Morgen vorgenommen, mich völlig fertigzumachen?“

„Jetzt übertreib’s mal nicht. Das ist unsere Rettung!“ Grinsend hakte Kath sich bei ihrer Freundin ein. „Die Gelegenheit kommt wie gerufen.“

Jess seufzte. „Aber ich kann ihm doch nicht einfach auf diese Weise die Kunden ausspannen …“ Dann wäre sie auch nicht besser als er, und sie wollte auf keinen Fall auf sein Niveau herabsinken.

Aber Kath ließ nicht locker. „Und wenn du einfach nur Beweise dafür suchst, dass er Dreck am Stecken hat? Du hast doch selbst gesagt, dass dieser Klatschpresse-Artikel nur seine neuste PR-Masche ist.“

„Stimmt, wenn wir Beweise dafür hätten, könnten wir ihm ganz schön Sand ins Getriebe streuen“, sagte Jess langsam. Auf einmal fühlte sie sich befreit. Vielleicht konnte sie ja doch etwas bewirken?

„Das ist unsere einzige Chance!“, betonte Kath.

Jess wünschte bloß, sie müsste sich dafür nicht mit diesem schrecklichen Typen abgeben.

„So schlimm wird es bestimmt nicht“, redete Kath auf sie ein. „Stell dir mal vor: Du kannst den ganzen Tag an ihm rummeckern und kriegst auch noch Geld dafür.“

Sie hatte ja recht. Und Jess hatte lange genug tatenlos zugesehen, wie dieser miese Schönling ihrem Vater und ihr alles zerstörte. Jetzt war es an der Zeit, dass sie es ihm heimzahlte. Alexander Calahan würde sich noch wundern …

3. KAPITEL

„Was soll das denn?“ Lucas warf die Zeitschrift auf seinen Schreibtisch. „Bist du völlig verrückt geworden? Du hast doch alles. Und jetzt willst du ausgerechnet heiraten und deine Freiheit aufgeben?“

Alex zuckte mit den Schultern. „Du kannst gern für immer Junggeselle bleiben, aber ich habe inzwischen die Nase voll davon.“

Sein Freund und Kollege beugte sich vor und stützte sich auf der Tischplatte ab. „Aber warum? Du bist reich, siehst ziemlich gut aus, alle Frauen liegen dir zu Füßen. Was passt dir daran nicht?“

„Mir ist das nicht genug. Ich langweile mich.“ Vor Kurzem, an seinem dreiunddreißigsten Geburtstag, hatte es bei ihm Klick gemacht. Sein Vater war in diesem Alter schon verheiratet gewesen. Und auch wenn er das früher nie für erstrebenswert gehalten hätte, so hatte er sich plötzlich eingestanden, dass auch er sein Leben so langsam in ruhigere Bahnen lenken wollte.

Er drehte die Zeitschrift zu sich herum. Es konnte nicht schaden, wenn die Frauen von Sydney Bescheid wussten. Dann konnte diejenige, in die er sich vielleicht verlieben würde, sicher sein, dass er es ernst mit ihr meinte.

Aber bis es so weit war, konnte er noch einiges von Jess lernen. Er setzte sich vor Lucas’ Schreibtisch auf einen Stuhl und ließ gedankenverloren den Blick durch das Büro schweifen.

Jess wirkte unglaublich weiblich: Sie war so eigensinnig wie sexy mit ihren langen offenen Haaren. Sicher würde sie sich von nichts und niemandem einengen lassen. Und dann ihr Versuch, sich konservativ anzuziehen! Dabei war doch offensichtlich, was für eine leidenschaftliche Frau in dieser korrekten, strengen Kleidung steckte! Fehlte nur noch der passende Mann.

Eine echte Herausforderung also – aber die wollte Alex nicht annehmen. Er hatte Jess aus einem einzigen Grund zu sich ins Büro bestellt: damit sie ihm zeigte, wie aus ihm ein romantischer Mann mit ernsten Absichten werden konnte.

Wenn er daran dachte, dass er sie heute schon wiedersehen würde, wurde ihm ganz warm. Ob sie ihm wieder ordentlich Kontra geben würde? Vielleicht war sie aber auch verständnisvoll, weil ihr klar geworden war, dass er sich ändern wollte …

Unruhig rutschte er auf dem Stuhl herum. Er konnte es kaum erwarten. Und dann würde er seinen ganzen Charme dafür aufbringen, ihr Herz zu erobern.

Moment mal! unterbrach er seine Gedanken. Darum geht’s doch gar nicht!

Ungeduldig schaute er auf seine Armbanduhr. Die Zeit verging heute mal wieder viel zu langsam – genau wie in den letzten fünf Tagen. So lange wartete er schon auf die Verabredung mit Jess. Warum hatte er nicht einen früheren Termin mit ihr vereinbart?

Lucas stand auf und ging durch das Büro. Unruhig fuhr er sich immer wieder über sein Ziegenbärtchen. „Das mit der Frau fürs Leben ist doch eine fixe Idee von dir“, sagte er. „Das ist doch das Letzte, was du gebrauchen kannst.“

„Stimmt nicht.“ Alex rollte mit dem Bürostuhl ein Stück zurück und legte die Füße auf die Tischplatte. „Ich brauche nämlich dringend eine Frau in meinem Leben … für die Liebe, aber auch als gute Freundin. Und ich will ihr genauso viel Zeit und Aufmerksamkeit schenken, wie ich bisher in die Firma gesteckt habe.“

„Quatsch. Du hattest schon so viele Beziehungen und bist immer noch Single“, widersprach Lucas. „Und dir geht’s doch gut dabei.“

Mit Schwung nahm Alex die Füße von der Schreibtischplatte und stand auf. Dann knöpfte er sich das Jackett zu. „Wenn ich abends in meine leere Wohnung komme, geht es mir aber nicht mehr so gut.“

„Dann schaff dir einen Hund an.“

„Einen Hund habe ich schon. Jetzt will ich heiraten.“ Alex ging in Richtung Tür.

Außerdem wollte er seinem Vater zeigen, dass er sein Privatleben besser in den Griff bekam als der alte Herr. Beruflich war er bereits erfolgreicher. Jetzt wollte er erreichen, was seine Eltern nie geschafft hatten: Er wollte eine perfekte Ehe führen und seinen Kindern ein glückliches Zuhause schenken.

Die Hand schon auf der Türklinke, sah er sich noch einmal zu Lucas um. Auch wenn es sein Freund offensichtlich nicht nachvollziehen konnte, er war sich inzwischen sicher: Es musste schön sein, zu jemandem nach Hause zu kommen, der wissen wollte, wie sein Tag gewesen war. Zu einer Frau, die sich für seine Ziele und seine Träume interessierte.

„Ich glaub das einfach nicht“, beharrte Lucas und starrte auf die Zeitschrift, die immer noch auf seinem Schreibtisch lag. „Du willst mich doch veräppeln.“

Alex schüttelte den Kopf. „Überhaupt nicht, ich meine das sogar sehr ernst. Jetzt ist Schluss mit den oberflächlichen Affären. Danach fühle ich mich immer völlig leer.“

„Wie wär’s dann mit einer festen Beziehung? Du musst doch nicht unbedingt gleich heiraten. Such dir zur Abwechslung eine Frau, die nicht nur auf ihren Spaß und dein Geld aus ist.“

„Genau das tue ich“, erwiderte Alex. „Und wenn sie dann auch noch eine tolle Figur hat, soll sie für immer bei mir bleiben.“

Lucas fuhr sich durch das kurze Haar. „Und? Hast du dir schon eine Strategie überlegt, wie du das erreichen willst?“

„Klar.“ Alex ging den Flur hinunter zu seinem Büro, und Lucas folgte ihm.

„Was hast du vor? Ich mag keine Überraschungen.“

Lucas war nicht nur Alex’ bester Freund, sondern auch Vizepräsident seiner Firma und dazu noch sein Anwalt. Alex’ Erfolg und seine Interessen waren ihm daher alles andere als gleichgültig. „Ich will auf mein Ziel hinarbeiten und weiß genau, was ich machen muss.“

„Dann hast du dir schon etwas ausgedacht?“ Lucas betrachtete seinen Freund kritisch.

Alex konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Das kann man wohl sagen.“

„Und was?“

„Hm … viele halten mich ja für einen Frauenhelden …“

Lucas grinste. „Zum Beispiel diese Frau am Freitag? Ich würde einiges dafür geben, dass eine Frau wie sie auf mich zukommt … allerdings lieber ohne mir dabei ihren Cocktail ins Gesicht zu schütten. Ihr Wutanfall war übrigens nicht von schlechten Eltern.“

„Die Frau war perfekt.“

„Perfekt? Total verrückt war sie.“ Erneut strich Lucas sich über das Ziegenbärtchen. „Am besten, du vergisst sie sofort wieder.“

„Das geht nicht, die Frau war toll.“ Wie ihre Augen gefunkelt hatten! Alex war hin und weg gewesen.

„Stimmt, sie sah blendend aus“, stimmte Lucas ihm zu. „Und sie hat sich was getraut. Ihr würdet bestimmt schöne Kinder bekommen. Allerdings hat das Ganze einen Haken: Diese Frau hasst dich.“

Darüber musste Alex lächeln. „Kein Problem. Ich will ja nur, dass sie mir mein Playboy-Gehabe abtrainiert.“

„Lass mich raten: Du willst sie so weit bringen, dass sie sich in dich verliebt, oder? Wenn du es bei ihr schaffst, schaffst du es nämlich bei jeder Frau.“

Alex runzelte die Stirn. „Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht.“

„Fang am besten gleich damit an.“ Lucas verschränkte die Arme vor der Brust. „Danach bist du reif für den ganz dicken Fisch.“

Alex schloss die Augen. „Natasha Bradford-Jones“, sagte er und betonte dabei jede einzelne Silbe. Die Frau war immer unerreichbar für ihn gewesen, hatte seine Annäherungsversuche jedes Mal abgeblockt. Immer war sie mit irgendeinem anderen Mann liiert gewesen … bloß jetzt gerade nicht.

Trotzdem konnte er sich nicht so richtig für die Vorstellung begeistern. Jess ging ihm einfach nicht aus dem Kopf.

Er und Jess … Wie es wohl wäre, ihr näherzukommen? Und dann, wenn er es bei ihr geschafft hatte, alle Frauen haben zu können? Sogar Natasha Bradford-Jones?

„Natasha ist gerade Single“, sagte Lucas leise.

„Du bist verrückt, die bekomme ich nie.“

Lucas seufzte. „Na, komm schon. Du hast doch bisher jede Herausforderung angenommen.“

Alex schwieg. Er wollte nicht mehr weiterdiskutieren. Lucas hatte ihm zugehört, ihm seinen Standpunkt erklärt … aber entscheiden konnte er sich nur selbst, und zu dieser Entscheidung musste er dann stehen – egal, was dabei herauskommen würde.

„Hier kommt schon mal deine erste Herausforderung.“ Lucas trat einen Schritt zurück, damit Alex sehen konnte, wen er damit meinte: Im Foyer stand Jess. „Wow, sie sieht umwerfend aus.“

Lucas hatte recht, sie war unglaublich attraktiv. Aber so wütend, wie sie ihn gerade anstarrte, würde er sich ihre Sympathie hart erarbeiten müssen … und ihre Liebe erst recht.

Er ging auf sie zu. „Hallo, Jess.“

„Mr. Calahan.“

Es klang unterkühlt, aber er machte sich nichts weiter daraus. Nach seiner ersten Begegnung mit ihr hatte er mit so etwas gerechnet. Oder hatte er etwa gehofft, dass sie ihn auf einmal ganz anders sehen würde? Dass seine souveräne Art und sein Charme das Eis brechen würden?

Wie auch immer, früher oder später würde er sie schon um den Finger wickeln. Immerhin hatten sie in der nächsten Zeit ziemlich viel miteinander zu tun, sodass sie ihn besser kennenlernen konnte. Sie würde schon merken, was ihr entging, wenn sie Männern grundsätzlich aus dem Weg ging.

„Das ist übrigens mein sehr guter Freund und Kollege Lucas.“ Alex zog sich die Krawatte zurecht.

Jess nahm Lucas’ Hand. „Schön, Sie kennenzulernen.“

Lucas lächelte. „Ich habe gehört, dass Sie den jungen Mann hier wieder auf den rechten Weg bringen wollen.“

Sie hob die Schultern. „Mal sehen, was sich da machen lässt.“ Dabei wirkte sie so unmotiviert, dass Alex unwillkürlich lächeln musste. Er würde sie schon noch überzeugen, dass er es ernst meinte!

Lucas klopfte ihm auf den Rücken und grinste Jess dabei ins Gesicht. „Dann lass ich Sie jetzt mal lieber mit unserem hoffnungslosen Fall allein.“

Sie nickte und schaute Lucas hinterher, als hätte sie ihn am liebsten festgehalten.

Etwas in Alex’ Brust krampfte sich zusammen. Wie sie seinem Freund da gerade nachsah … Gefiel er ihr etwa? Falls ja, würde sie eine bittere Enttäuschung erleben. Sein Kollege war in Liebesdingen nämlich noch schlimmer als er selbst, und Lucas hatte nicht einmal vor, etwas an seinem Ruf als Frauenheld zu ändern.

Was soll’s, dachte Alex und wandte sich seiner Besucherin zu. Sie trug betont schlichte Kleidung: eine cremefarbene Hose, eine Tunika und dazu dasselbe graubraune Jackett wie letzte Woche. Wahrscheinlich wollte sie ihm damit zeigen, dass sie sich seinetwegen keine Mühe machte.

Und dennoch sah sie einfach fantastisch aus. „Glauben Sie wirklich, ich sei ein hoffnungsloser Fall?“, begann er.

Sie hob eine elegant geschwungene Augenbraue.

„Sie halten mich wohl für einen Playboy, der nur nach einem Vorwand sucht, sich einen ganzen Tag von einer schönen Frau begleiten zu lassen.“

Sie verzog den Mund. „Ausschließen würde ich das aber nicht.“

„Okay, wenigstens sind Sie ehrlich.“

„Sind Sie es auch?“

Alex verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie wären am liebsten gar nicht hier, stimmt’s?“

„Stimmt, aber Sie wollten mich ja dafür entschädigen.“

Er nickte, allerdings ging es ihm gegen den Strich, dass sie gleich aufs Thema Geld kam. Komisch, dass ihn so etwas überhaupt noch überraschte. Schließlich drehte sich alles immer nur darum. Alle Frauen waren auf Geld aus, um ihren nächsten Einkauf zu finanzieren.

Alex zog einen goldenen Stift aus der Jacketttasche und kritzelte einen Betrag auf einen Zettel. „Was machen Sie eigentlich normalerweise beruflich?“

„Ungefähr das Gleiche wie jetzt“, log Jess, und ihre Stimme klang samtweich. „Aber genug von mir, reden wir lieber von … Ihnen.“

Er richtete sich auf und überreichte ihr den Zettel. Irgendein Kerl musste ihr ziemlich zugesetzt haben – sonst hätte sie wohl kaum so einen Hass auf ihn und auf ihre Aufgabe. Lucas hatte recht: Da hatte er sich mal wieder eine echte Herausforderung gesucht. Aufregend, das Ganze!

Ob es wohl lange dauern würde, bis er alles über feste Beziehungen gelernt hatte? Und er sie so weit hatte, dass sie sich wieder für Männer interessierte?

„Reicht Ihnen das als Entschädigung dafür, dass Sie sich den ganzen Tag mit mir abgeben müssen?“, presste er hervor.

Sie warf einen kurzen Blick auf den Zettel mit der Geldsumme. „Hoppla, sind Sie wirklich so schlimm?“

Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Da fragen Sie noch?“

Diesmal ließ sie sich ebenfalls zu einem Lächeln herab, dabei funkelte sie ihn mit ihren grünen Augen an. „Stimmt, die Frage hätte ich mir schenken können. Sie haben sich mit ihrer Arroganz ja schon in ganz Sydney einen Namen gemacht. Komisch, dass es hier trotzdem immer noch Frauen gibt, von denen Sie meinen, dass Sie sie auch noch um den Finger wickeln können.“

Alex strich sich übers Kinn. „Na ja, ich habe besonders ein oder zwei im Auge, die ich vielleicht sogar heiraten würde … übrigens aus sehr gutem Hause … Da will ich diesmal nichts kaputt machen.“

Jess lächelte, aber ihr Lächeln wirkte aufgesetzt. „Dann werde ich mein Bestes geben, Sie auf den richtigen Weg zu bringen.“

„Wunderbar!“ Alex klatschte in die Hände. Na bitte! Den ersten Schritt hatte er schon mal bewältigt: Sie war offenbar einverstanden, sich mit ihm abzugeben.

Seinem Lebensglück stand also nichts mehr im Weg. Er würde sich alles genau von ihr erklären und zeigen lassen. Ja, und dann würde er seine Traumfrau für sich gewinnen und mit ihr eine wunderbare und glückliche Ehe führen. Dann hätte er wirklich alles erreicht, was er im Leben erreichen wollte. Noch nicht einmal sein Vater könnte ihm das zunichte machen.

Jess folgte Alexander Calahan zu seinem Büro und versuchte, sich nicht von seiner attraktiven Rückenansicht ablenken zu lassen. Sie konnte kaum glauben, worauf sie sich da eingelassen hatte: Sie würde den ganzen Tag mit ihrem schlimmsten Feind verbringen!

Heute Morgen hätte sie den Kerl am liebsten versetzt. Die Versuchung war groß gewesen, einfach im Bett liegen zu bleiben. Aber sie konnte Kath unmöglich enttäuschen. Ihre Freundin war fest davon überzeugt, dass sie ihn auf diese Weise ausspionieren und seine Werbeagentur in den Ruin treiben konnten.

Und dann hatte sie ihn im Foyer gesehen: Der maßgeschneiderte Anzug saß tadellos und betonte die breiten Schultern und den muskulösen Körper. Dazu das kantige Gesicht und die sinnlichen Lippen … die blauen Augen … Als er sie angeschaut hatte, hatten ihre Nerven verrückt gespielt.

Sie berührte den Zettel in ihrer Hosentasche. Wenigstens wurde sie für dieses Opfer angemessen entschädigt.

Das schaffe ich schon, sagte sie sich. Es dauert bestimmt nicht lange, bis Alexander Calahan mir verrät, was es mit dieser blöden Brautsuche wirklich auf sich hat. Er glaubt doch wohl nicht ernsthaft, dass ich auf diesen PR-Gag hereinfalle?

„Mrs. Samuels, das hier ist Jess. Sie ist heute hier, um mich zu beraten“, erklärte er einer etwas älteren Frau, die an ihrem Schreibtisch vor einer Flügeltür saß. „Und Jess, das ist Mrs. Samuels, meine Sekretärin. Wenden Sie sich an Sie, falls Sie irgendwelche Fragen oder Schwierigkeiten haben.“

Jess zwang sich dazu, der Frau freundlich zuzunicken.

„Mrs. Samuels ist ein echtes Naturwunder“, sagte Calahan anerkennend, während er Jess die Tür aufhielt. „Sie hat fünf Söhne und zwei Enkeltöchter und kümmert sich dazu noch um mein Büro und um mein Leben.“

Jess streifte die Frau mit einem weiteren Blick, dann schaute sie Alexander Calahan an. Was er gesagt hatte, hatte so warmherzig geklungen … so etwas sagten doch sonst nur nette Menschen?

Das Büro hinter der Flügeltür war so riesig wie ein Konferenzraum. Ein imposanter Mahagonischreibtisch stand direkt vor der Fensterfront, die einen beeindruckenden Blick auf Sydney bot. Auf der einen Seite fand sich eine Sitzgruppe aus dunkelbraunem Leder, auf der anderen gab es Topfpflanzen, Kunstgegenstände und eine Bar.

Mit schnellen Schritten durchquerte Alexander Calahan das Zimmer, drehte sich dann zu ihr um und grinste wie ein Schuljunge. „Gefällt’s Ihnen?“

Sie löste sich von seinem Blick und trat langsam in den Raum. Von so einem Büro konnte sie nur träumen: Dieser Ausblick! Und die Einrichtung! Der viele Platz!

Schließlich wandte sie sich wieder ihrem Auftraggeber zu. Was hatte er wohl alles angestellt, um so weit zu kommen? Wie viele Kunden hatte er anderen dafür abspenstig gemacht, wie viele Firmen hatte er ruiniert?

„Sieht aus, als wollten Sie damit von irgendetwas ablenken“, platzte sie heraus.

Er blinzelte und legte die Hand auf die Wange, als hätte Jess ihm mit ihren Worten eine Ohrfeige verpasst.

„Jetzt sagen Sie selbst“, forderte sie ihn heraus und ging zu der beeindruckenden Fensterfront. „Was macht das hier für einen Eindruck? Das sieht doch wirklich so aus, als wären Sie völlig untalentiert und hätten nichts zu bieten – außer eben einer Menge Geld.“

Alexander Calahan verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie sind zwar hier, um mir Ihre ehrliche Meinung zu sagen, aber …“

Jess hob das Kinn, und ihr Herz schlug schneller: Damit hatte sie ihn offenbar erwischt. „Fühlen Sie sich etwa von mir bedroht?“

„Überhaupt nicht“, erwiderte er leichthin und machte eine ausladende Bewegung mit dem Arm. „Das habe ich alles nur für meine Kunden gemacht … damit sie sehen, wie erfolgreich und erstklassig unsere Firma ist. Mir selbst würde eine winzige Zelle zum Arbeiten reichen.“

Jess kniff die Lippen zusammen. Alles klar. Und das sollte sie glauben? Sie ließ den Blick wieder nach draußen über die Stadt schweifen, die ihr zu Füßen lag. Gleichzeitig nahm sie nur zu deutlich wahr, dass er direkt hinter ihr stand.

Eigentlich sollte ich gar nicht hier sein, sagte sie sich.

Sie atmete tief ein, dann drehte sie sich schwungvoll zu ihm herum. „So, wollen wir mal loslegen? Was steht als Nächstes an? Eine Besprechung? Oder gehen Sie jetzt normalerweise durch die Firma? Am besten, ich beobachte Sie einfach eine Weile.“

„Eigentlich wollte ich schon gleich hier mit Ihnen anfangen.“ Alexander Calahan kam auf sie zu, bis er ganz dicht vor ihr stand. „Ich wollte Ihnen meine Technik vorführen, damit Sie mir gleich sagen können, was ich daran verbessern kann, in Ordnung?“

Jess öffnete den Mund, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Er sah ihr tief in die Augen. Ein sinnliches Lächeln umspielte verführerisch seine Lippen. Völlig selbstsicher stand er vor ihr.

„Du hast wunderschöne Augen“, raunte er.

Mit wachsendem Unbehagen bemerkte Jess, wie er ihr immer näher kam. Ihr Puls raste. Dann wollte er seine Techniken also durch Rollenspiele verbessern? Und sie sollte dabei seine Partnerin sein?

Ach, du liebe Güte!

„Dein Blick zieht mich magisch an“, flüsterte er und beugte sich zu ihr herunter.

Sie roch den würzigen Duft seines Rasierwassers, spürte seine Körperwärme und seinen Atem auf ihrem Nacken. Ein heißkalter Schauer rieselte ihr den Rücken hinunter. „Ich …“

Alexander stützte sich über ihr an der Fensterscheibe ab und sah ihr tief in die Augen – als wollte er darin versinken, als wollte er für immer so stehen bleiben.

Jess stockte der Atem, und ihr Herz hämmerte wie wild. Was machte er da nur mit ihr? Sie hasste doch solche eingebildeten ­Typen! Diese rücksichtslosen Playboys! Und ganz besonders hasste sie ihn!

Er senkte den Blick auf ihre Lippen. „Bitte … sag es mir“, murmelte er dicht an ihrem Ohr.

Jess schnappte nach Luft und rang um Beherrschung. Der Mann war ja gemeingefährlich!

Wieder betrachtete er ihren Mund, und seine blauen Augen glitzerten, verheißungsvoll und gefährlich.

Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Ein einziger Gedanke ging ihr im Kopf herum.

4. KAPITEL

Genussvoll atmete Alex den süßen Duft ein, der seine Sinne betörte. Jess roch nach Vanille und Zimt. Es wäre so leicht, sich jetzt vorzubeugen und ihre vollen roten Lippen zu küssen. Sie schienen danach zu verlangen, das spürte er – genau wie er ihren Herzschlag wahrnahm, ihre kurzen Atemzüge … und die Leidenschaft, die in ihren Augen glitzerte.

War es etwa tatsächlich so einfach, ein Mitglied der Organisation Frauen gegen Frauenhelden umzustimmen? Fühlte sie sich wirklich zu ihm hingezogen?

Die Vorstellung fand Alex unglaublich aufregend. Vielleicht hatte sich ja noch nie ein richtiger Mann um sie bemüht? Jemand, der wusste, was Frauen wollten … so jemand wie er selbst. Vielleicht war er genau der Typ Mann, von dem Jess immer geträumt hatte. Gut möglich, dass ihr das bisher bloß noch nicht klar gewesen war.

„Sag es mir“, flüsterte er ganz nah an ihrer samtweichen Wange.

Jess atmete ein wenig zu hastig ein.

Unwillkürlich musste er lächeln. Eigentlich brauche ich gar nichts dazuzulernen, dachte er. Das hier ist mein Spezialgebiet. Vielleicht muss lediglich das Schicksal noch ein wenig dazu tun, damit es die große Liebe wird.

Jess sah ihn durchdringend an, dann blinzelte sie. Als sie ihm die Hände auf die Brust legte, schienen ihre Finger auf seiner Haut zu brennen.

„Gut, ich sage es Ihnen jetzt“, flüsterte sie ihm zu. Er spürte ihren warmen Atem. „Bleiben Sie mir bloß mit Ihrem peinlichen Playboygehabe vom Leib!“ Und damit schob sie ihn weg.

„Wie bitte?“

Ihre Worte wirkten wie eine kalte Dusche. Was war passiert? Er war sich so sicher gewesen, dass Jess ihm bereits ins Netz gegangen war. Das hatte er ihr doch deutlich angesehen! Oder machte er sich da etwas vor?

Jess war eine harte Nuss, das wurde ihm in diesem Moment überdeutlich bewusst.

Alex lehnte sich gegen den Schreibtisch und versuchte, das Gefühl der Erregung zu ignorieren. Schließlich hatte er sie als seine Beraterin engagiert – damit er von ihr lernte. Was also war schiefgelaufen, dass er mit seinem üblichen Programm nicht bei ihr landen konnte?

„Was habe ich falsch gemacht?“, erkundigte er sich.

„Das fragen Sie noch?“ Jess zog ihre Kleidung zurecht und musterte den Teppichboden. „Sie haben sich aufgeführt, als würden Sie mich am liebsten sofort ins Schlafzimmer tragen.“

„Ja – und?“ Damit hatte sie gar nicht so unrecht. Immer wieder stellte er sich vor, wie es wohl wäre, mit ihr …

„Solange es Ihnen bloß um heißen Sex geht, ist das ja in Ordnung. Aber wenn Sie mehr von einer Frau wollen, müssen Sie sich schon etwas mehr anstrengen.“

„Dann glauben Sie also, dass man mit mir heißen Sex haben kann?“

Sie sah ihn abschätzig an. „Ich glaube, dass sich bei Ihnen alles um Sex dreht – und um nichts anderes.“

Alex stieß sich vom Schreibtisch ab und richtete sich auf. „Wenn ich die Frauen nicht mit meinem Sex-Appeal ködern darf … was kann ich ihnen denn dann bieten?“

„Ihre Persönlichkeit natürlich. Sie selbst.“

Er runzelte die Stirn. „Aha.“ Aber das tat er doch! Er schenkte den Frauen seine Zeit, seine Aufmerksamkeit und sein Geld.

„Was heißt hier ‚aha‘?“, gab sie zurück. „Jetzt erzählen Sie mir doch mal, was Sie so alles zu bieten haben – außer heißem Sex.“

Herausfordernd lächelte er sie an. „Hm … verdammt heißen Sex?“

„Und abgesehen davon?“

„Gibt es sonst noch etwas Wichtiges?“ Am liebsten hätte er ihr an Ort und Stelle gezeigt, wie gut es sich anfühlte, jemanden ganz nah bei sich zu spüren … den rasenden Puls, die heiße Haut …

Jess schüttelte unwillig den Kopf. „Warum wünschen Sie sich eigentlich eine feste Beziehung, wenn Sie mit Ihren oberflächlichen Bettbekanntschaften schon alles haben, was Sie brauchen?“

Jetzt konnte Alex sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es war so leicht, sie auf die Palme zu bringen, und sie sah zum Anbeißen aus, wenn sie wütend war.

„Ich glaube, ich hätte gern jemanden zum Reden“, sagte er. „Eine gute Freundin, die zu mir hält, wissen Sie?“

Sie musterte ihn und biss sich dabei auf die Unterlippe. „Und wie können Sie so eine Frau Ihrer Meinung nach am besten kennenlernen? Wie könnten Sie ihr wohl näherkommen?“

„Etwa nicht durch Sex?“

Wütend sprang Jess auf und ging mit schnellen Schritten in Richtung Tür. „Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie wieder so weit sind, dass wir uns vernünftig miteinander unterhalten können, Mr. Calahan …“

Alex holte sie ein und hielt die Tür zu. „Okay, schon gut, es tut mir leid. Ich fühle mich bei diesem Thema einfach nicht so wohl.“ Er schloss die Augen und ließ noch einmal seine Erfahrungen Revue passieren. Es hatte so viele Frauen gegeben, die ihn einfach nur ausgenutzt hatten. „Ich glaube, ich würde ihr etwas über mich erzählen“, sagte er langsam und sah Jess abwartend an.

Eine Zeit lang reagierte sie gar nicht, sondern schien sich seine Antwort durch den Kopf gehen zu lassen. „Und was wäre das zum Beispiel?“, erkundigte sie sich schließlich.

„Hi, ich heiße Alex. Waren Sie nicht auch gestern in der Oper?“

Zuckersüß lächelte sie ihn an, sodass sich sein Pulsschlag beschleunigte. „Warten Sie mal, welcher von den tausend Besuchern waren Sie doch gleich … Ach ja! Sie waren dieser nervtötende Typ aus der dritten Reihe, der sein Handy nicht ausgeschaltet hatte, stimmt’s?“

„Nein, ich saß zwei Reihen hinter Ihnen und konnte mich die ganze Zeit nicht auf die Aufführung konzentrieren.“ Er rückte näher an sie heran, fühlte sich geradezu magisch von ihr angezogen. „Weil ich nämlich nur noch Augen für Sie hatte.“

„Das ist doch schon wieder so ein Abschleppspruch, der darauf angelegt ist, dass die Frau mit Ihnen zwischen den Laken landet.“

„So was funktioniert aber“, lachte Alex.

Jess stemmte die Hände in die Hüften und blickte ihn wütend an. „Wenn Sie mir nicht zuhören wollen, dann frage ich mich langsam, warum ich weiter meine Zeit damit verschwenden soll, mich mit Ihren dämlichen …“

„Schon gut, schon gut. Ich hör ja schon auf mit den Schmeicheleien.“ Er trat einen Schritt zurück. Ganz offensichtlich konnte er mit seinem üblichen Repertoire nicht bei ihr landen. „Und jetzt?“

„Jetzt will ich mal sehen, ob Sie sich den anderen Frauen hier in der Firma genauso ungehemmt an den Hals werfen“, gab sie kühl zurück und sah bedeutungsvoll zur Flügeltür.

„Wieso? Wäre das schlimm?“

Jess verzog den Mund. „Na, hören Sie mal. Wenn Sie am liebsten alle weiblichen Wesen auf die Matratze werfen würden, was ist denn dann mit Ihrer Traumfrau? Sie müsste ja ständig Angst davor haben, dass Sie sie betrügen, oder?“

„Aber als Single mit ganz normalen gesunden Bedürfnissen …“

„Es gibt Singles … und es gibt überzeugte Singles.“

Dass manche Frauen aber auch jedes Wort auf die Goldwaage legen müssen! „Und wo ist da der Unterschied?“, hakte Alex nach.

„Na ja, der eine hat keine feste Partnerin, wünscht sich aber jemanden an seiner Seite … und der andere ist überzeugter Junggeselle und will eigentlich nur Sex.“

„Und Sie? Zu welcher Gruppe gehören Sie?“, fragte Alex und fügte grinsend hinzu: „Aha, jetzt werden Sie rot!“

Sie betrachtete ihn abschätzig. „Mir ist heiß.“

„Mir auch.“

„Lassen Sie uns ein paar Dinge klarstellen“, sagte Jess und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Sparen Sie sich Ihre Anzüglichkeiten für andere Frauen auf, und bleiben Sie mir damit vom Hals. Ich will damit nichts zu tun haben. Haben Sie mich verstanden?“

„Verstanden“, erwiderte er. „Sie wollen keinen Sex.“

Jess lächelte zufrieden. „Dann würde ich mir jetzt gern anschauen, wie Sie mit Ihren Angestellten umgehen.“

Er senkte den Kopf. „Nachher. Ich habe gleich einen Termin.“

„Ich warte so lange.“

„Nein, Sie kommen mit.“ Alex hielt ihr eine der beiden Flügeltüren auf und bemerkte, wie sich Jess’ Miene verfinsterte.

„Ist es denn geschäftlich?“, erkundigte sie sich.

„Und wenn nicht?“

Sie ließ die Schultern sinken.

Seltsam, dachte Alex. Warum ist ihr meine Arbeit so wichtig? Für ihn war die Firma kein besonders romantischer Ort. Aber wo sie jetzt gleich hinfahren würden … das war schon etwas anderes. Da konnte er Jess so richtig auf die Probe stellen. Und es wäre doch gelacht, wenn er sie wirklich so kalt ließe, wie sie gerade vorgab.

Unwillkürlich musste er lächeln. Mal sehen, ob er diese Eisprinzessin nicht irgendwann so weit hatte, dass sie schmolz.

„Kannst du mir schon ein paar Hinweise geben?“

Jess presste das Handy gegen das Ohr und versuchte sich auf Kath zu konzentrieren, während sie aus dem Seitenfenster sah. Draußen zogen die Häuserfassaden von Sydney an ihnen vorbei.

Hinweise wollte Kath haben. Die konnte sie ihr geben. Erstens: Hör nicht auf deine beste Freundin. Zweitens: Wenn du dich in die Höhle des Löwen begibst, sieh zu, dass du auch heil wieder rauskommst. Und drittens: Misch dich niemals in das Liebesleben deines Erzfeindes ein. Das kann nur daneben gehen!

Jess schaute zu Alex. Er saß neben ihr auf der Rückbank der schnittigen schwarzen Limousine, die von einem Chauffeur durch die Stadt gelenkt wurde. Dabei versuchte sie weder den Duft des edlen Lederbezugs einzuatmen noch sein Rasierwasser, das sie zu ihrer eigenen Verärgerung unglaublich aufregend fand.

Aber auch ohne dass sie ihn ansah, spürte sie seine Nähe. Sie hatte keine Ahnung, was er als Nächstes mit ihr vorhatte. Dennoch war sie froh, nicht mehr mit ihm allein im Büro zu sein.

Alexander Calahan gefiel den Frauen, und das war ihm völlig klar. Er wusste genau, wie er sein Aussehen, sein Lächeln und seine tiefe, samtweiche Stimme einsetzen musste, um selbst Jess wohlige Schauer durch den Körper zu jagen – gegen ihren eigenen Willen. Aber inzwischen hatte sie sich wieder im Griff. Irgendwie lächerlich, dachte sie. Dieser Kerl weiß zwar, wie er eine Frau verführen kann, aber von Liebe hat er keine Ahnung.

Ihr Blick fiel auf die einzelne rote Rose, die zwischen ihnen auf der Sitzbank lag. Sie betrachten den Stiel, der ganz von den spitzen Dornen befreit worden war, und versuchte, das warme Gefühl, das ihren Körper durchströmte, zu ignorieren.

Jess hatte selbst nicht viel Erfahrung in Sachen Liebe, aber das durfte er nicht wissen. Schließlich wollte sie ihn noch ein bisschen begleiten, um mehr über ihn herauszufinden. Ein paar finstere Geheimnisse vielleicht, oder – noch besser – ein paar vertrauliche Informationen über einen Klienten, den sie und Kath ihm dann abspenstig machen könnten. Dann würde sie mit den gleichen Waffen kämpfen wie er.

Der Rosenduft stieg ihr in die Nase und betörte sie. Alexander Calahan hatte erklärt, er habe immer eine Blume im Auto. Jess war sich nicht sicher, was sie von dieser Behauptung halten sollte … oder von dem Blick, mit dem er sie schon die ganze Zeit musterte.

„Jess?“, meldete sich Kath an ihrem Ohr erneut zu Wort. Sie schien sich über etwas zu amüsieren. „Hörst du mich?“

„Ja, mir geht’s gut, danke“, erwiderte sie betont nüchtern. Schließlich hörte ihr gemeinsamer Feind mit. Dann konzentrierte sie sich auf Kaths Frage: Hatte sie schon etwas Brauchbares über Alex herausgefunden, das sie ihrer Kollegin weitergeben konnte? Nein. Und das, obwohl sie sich schon über eine Stunde mit diesem arroganten Typen herumgeärgert hatte. „Tut mir leid, im Moment ist es schlecht“, sagte sie also. „Wir können uns nachher treffen.“

Dann würde sie ihre Freundin nehmen und schütteln. Kath ahnte ja nicht, was sie ihr mit dieser Sache eingebrockt hatte!

„Ruf mich einfach an, sobald du etwas weißt“, drängte Kath und legte auf.

„Natürlich“, sagte Jess gedehnt in das Tuten hinein. Verdammt, es musste einen schnelleren Weg geben, um herauszufinden, was sie herausfinden wollte. Je eher sie mit diesem Typen fertig war, desto besser.

Vorsichtig schaute sie sich zu dem Mann um, der da im maßgeschneiderten Designeranzug neben ihr saß. Seine strahlend blaue Seidenkrawatte hatte genau die gleiche Farbe wie seine Augen …

Jess drückte das Handy fester ans Ohr. „Du, ich kann jetzt nicht sprechen“, sagte sie leise. „Ich bin gerade bei der Arbeit.“

Demonstrativ drehte sie sich von Alexander Calahan weg und schirmte das Telefon mit der Hand ab. „Nein, du Dummchen“, flötete sie. „Wir sprechen nachher, ja?“ Sie zählte langsam bis fünf. „Ja, ich liebe dich auch. Bis dann!“

Sie klappte das Handy zusammen und lehnte sich lächelnd im Sitz zurück. Damit waren die Verhältnisse nun ein für alle Mal klar! Falls er sich irgendwelche Schwachheiten eingebildet hatte, hatte sie sie hiermit sicher aus der Welt geschafft.

Verdammt! Warum sitze ich überhaupt hier?, dachte Jess und biss sich auf die Innenseite ihrer Wange. Ich will diesem Mistkerl doch überhaupt nicht helfen. Im Gegenteil!

„Ihr Freund?“

Sie schlug die Beine übereinander und sah scheinbar teilnahmslos aus dem Fenster auf die vorbeiziehenden Gebäude. „Vielleicht.“

„Es geht mich also nichts an?“

„Bingo.“ Sie nahm die Rose und strich sanft über die samtigen Blütenblätter. Das wäre also geklärt, jetzt konnten sie wieder zum Geschäftlichen übergehen. „Wissen Sie, ich würde Ihnen ja gern sagen, wie beeindruckend ich Ihr Auto finde und diese Rose, aber …“

„Aber Sie sind gar nicht beeindruckt? Warum nicht?“

Jess zuckte kaum merklich mit den Schultern. Erleichtert stellte sie fest, dass er sich wieder auf eine Diskussion mit ihr einließ. Je deutlicher sie ihm ihre Meinung sagen würde, desto weniger würde er bemerken, wie sehr sie körperlich auf ihn reagierte. „Weil Sie mir damit penetrant unter die Nase reiben, wie reich Sie sind und dass Sie sich für unwiderstehlich halten.“

„Hm, ja, dass mein Wagen irgendwie protzig wirkt, kann ich nachvollziehen.“

„Das ist noch nicht alles, Ihr Büro und Ihr Anzug sprechen die gleiche Sprache.“ Jess drehte sich zu ihm. „Sie machen den Leuten um Sie herum mit Ihrem Verhalten deutlich, dass Sie Geld haben, und zwar nicht zu knapp.“

„Kann sein, aber mit der Rose ist es ganz anders“, sagte er schnell. „Damit will ich nicht angeben, nicht zeigen, dass ich mich für unwiderstehlich halte. Diese Rose …“, er nahm ihr die Blume aus der Hand und drehte sie zwischen den Fingern, „… habe ich einfach nur deswegen im Auto, weil ich sie schön finde … und romantisch.“

Vielleicht stimmte das sogar, aber das wollte Jess nicht zugeben. Vor ihm nicht und auch nicht vor ihr selbst – oder vor ihrem Herzen, das auf einmal schneller schlug. Sie schluckte.

„Romantisch!“, schnaubte sie abfällig. „Sie wissen doch gar nicht, was das Wort bedeutet! Und Sie können ruhig zugeben, dass Sie die Rose nicht spontan selbst ausgesucht haben. Wahrscheinlich hat ihre Sekretärin sie gekauft. Sie spielen ein völlig abgekartetes Spiel, und Sie haben schon eine richtige Routine darin entwickelt, Frauen um den Finger zu wickeln.“

Er rieb sich das Kinn, seine Augen leuchteten. „Kann sein …“

Jess nahm ihm die Rose aus der Hand. „Sie geben sich einfach keine Mühe“, warf sie ihm vor, „das tun übrigens die wenigsten Männer von Ihrer Sorte. Die meisten haben ihre ganz bestimmte Masche, mit der sie die Frauen einwickeln wollen. Sie sehen bloß die Eroberung, nicht die Persönlichkeit dahinter, nicht den Menschen mit Gefühlen und eigenen Gedanken … Dabei wünschen sich die meisten Frauen jemanden, der sie in ihrem tiefsten Inneren berührt, der ihr Leben lebenswerter macht.“

„Hm … werden Sie jetzt zynisch oder romantisch?“

Oje!, dachte Jess. Ich habe mich schon wieder zu sehr gehen lassen! Sie zuckte mit den Schultern und schaute aus dem Fenster. Der Wagen hielt gerade an einer Hafenmole. „Das können Sie jetzt verstehen, wie Sie wollen. Aber warum geben Sie nicht einfach zu, dass Sie gar nicht vorhaben, sich zu ändern?“ Sie betrachtete die Schiffe im Hafen, um sich von Alexander Calahan abzulenken. Wenn er so dicht neben ihr saß, konnte sie kaum atmen.

„Ich gebe mir alle Mühe“, sagte er. „Aber was ist mit Ihnen? Das klingt ganz so, als hätten Sie schlechte Erfahrungen gemacht.“

Abwehrend schüttelte sie den Kopf. Wenn dieser Typ sich einbildete, er könnte Details aus ihrem Privatleben aus ihr herauskitzeln, dann hatte er sich geschnitten. Dass Dean sie schrecklich enttäuscht hatte, ging ihn gar nichts an. Im Gegenteil: Alexander Calahan war der Letzte, dem sie das erzählen würde!

Jess hielt sich an der Seite des Motorboots fest und atmete die frische Seeluft ein. Sie hatte ein flaues Gefühl im Magen, aber davon durfte Alexander Calahan nichts ahnen. „Dann haben Sie den Termin also auf dem Schiff?“

Die blendend weiße Luxusjacht, die vor ihnen lag, war mindestens dreißig Meter lang. Jess’ Herz machte einen Satz. Unwillkürlich sah sie zu ihrem Begleiter, betrachtete seine breiten Schultern, seinen kräftigen Körper, spürte seine unwiderstehliche Aura …

Verdammt!

Sie hoffte, dass sie bei diesem Termin etwas über seine Kunden herausfinden konnte, irgendetwas, was Kath und sie weiterbringen würde. Dann konnte sie sich so schnell wie möglich wieder aus dem Staub machen. Wenn es ums Geschäft ging, war schließlich alles erlaubt.

Als sie beidrehten, erschien ein Mann auf dem Schiff und band das Motorboot fest.

Galant ließ ihr Alexander Calahan den Vortritt. Es war nur allzu offensichtlich, dass er sich in seiner Rolle als Gentleman gefiel. Aber Jess wollte keine Höflichkeit von ihm, sie wollte Rache für das, was er ihrer Familie angetan hatte.

„Mit wem sind Sie hier eigentlich verabredet?“, fragte Jess und bemühte sich, möglichst unbeeindruckt zu wirken. Vorsichtig kletterte sie die Leiter zum Deck hoch. Das Schiff war einfach unglaublich, so viel Luxus hatte sie noch nie mit ihren eigenen Augen gesehen.

„Wir haben Sie schon erwartet, Mr. Calahan“, begrüßte der Mann, der das Motorboot festgebunden hatte, ihn freundlich.

Aha, dachte Jess. Die Mannschaft kennt ihn gut, also scheint der Jachtbesitzer ein ziemlich guter Klient zu sein. Ihr Herz schlug schneller bei der Vorstellung, ihm so einen dicken Fisch direkt vor der Nase wegzuschnappen.

Sie standen auf einem riesigen Sonnendeck, das mit glänzendem Teakholz ausgelegt war. Zielsicher steuerte Alexander Calahan auf eine Tür zu, und Jess folgte ihm.

Der Raum, in den sie eintraten, war genauso beeindruckend wie alles andere, was sie bisher an Bord gesehen hatte. Ihre Füße versanken in einem dicken, schweren Teppich. In einer Ecke stand ein Flügel, und die breiten Fensterfronten boten einen traumhaften Blick auf die Bucht von Sydney.

Auf der anderen Seite des Raumes gab es eine Bar mit einer cremefarbenen Sitzgruppe. Dahinter wartete in Reih und Glied ein ganzes Empfangskomitee: mehrere Männer und eine untersetzte Frau schienen auf sie gewartet zu haben. Die Sitzgruppe war leer.

„Ist das schön, wieder hier zu sein.“ Alexander Calahan ließ sich auf eine Couch fallen. „Würden Sie uns vielleicht einen Drink bringen? Danach kümmern wir uns ums Geschäftliche.“

Einer der Stewards verbeugte sich leicht und ging zur Bar.

„Was möchten Sie trinken?“, wandte Alexander Calahan sich an Jess.

Unschlüssig schaute sie von ihrem Begleiter zum Empfangskomitee und wieder zurück. Warum ging er so selbstverständlich mit den Leuten um? „Mich würde erst mal interessieren, was wir hier eigentlich machen. Mit wem sind Sie verabredet?“

Mit einer ausladenden Bewegung wies er auf die Angestellten hinter der Sitzgruppe. Jess runzelte die Stirn: Was wollte er ihr damit sagen? Dass sie durch ganz Sydney gefahren waren, um sich mit der Crew eines Klienten zu treffen?

Sie forschte in seinem Gesicht und sah ihn grinsen. Plötzlich dämmerte es ihr. „Die Jacht gehört Ihnen“, platzte sie heraus und spürte, wie sich ein flaues Gefühl in ihrer Magengegend ausbreitete.

Sein Grinsen wurde immer selbstzufriedener.

„Dann haben Sie mich also nur deswegen hierhergeschleppt, weil Sie mir Ihr tolles großes Schiff zeigen wollen?“ Und sie hatte sich ausgemalt, ihm seinen besten Klienten auszuspannen. Ärgerlich stellte sie fest, dass sie schon wieder auf ihn reingefallen war.

„Es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber es dreht sich nicht immer alles nur um Sie. Nein, ich bin deswegen hier, weil ich meiner Besatzung noch Anweisungen für die Party am Samstag geben muss.“

„Geht es dabei ums Geschäft?“

„Ja, in erster Linie schon. Aber auch ums Vergnügen. Jedenfalls habe ich meine Klienten dazu eingeladen.“

Jess nickte. Da kamen sie der Sache schon etwas näher! Bestimmt würde Kath am liebsten versteckte Kameras aufstellen.

„Ich würde jetzt gern ein paar Dinge mit Miss Thompson unter vier Augen besprechen“, sagte er leise zu seiner Crew. „Vielen Dank erst mal.“ Wieso musste seine Stimme bloß so tief und sexy klingen? Das war einfach nicht fair.

Die Angestellten verließen einer nach dem anderen den prachtvollen Raum, und Jess sah ihnen sehnsüchtig hinterher. Es war einfach zu lächerlich. Eben hatte sie sich noch danach gesehnt, endlich aus seinem Büro wegzukommen, obwohl das ganze Gebäude voller Menschen war. Und jetzt war sie auf einmal auf einem Schiff mitten im Hafen, auf dem es außer Alexander Calahan nur fünf Crewmitglieder gab.

Hektisch sah sie sich um, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Vielleicht würde es ja helfen, wenn sie ihn irgendwie verärgerte? Dann würde er sie bestimmt nicht mehr so anschauen, wie er es gerade tat – mit glänzenden Augen und einem herausfordernden Lächeln auf den Lippen.

„Ach …“, begann sie, „dann habe ich mich also geirrt, und Sie treffen sich hier gar nicht mit einem Klienten?“ Sein Blick nahm ihr die Luft, und ihre Haut fing an zu kribbeln. „Bringen Sie Ihre Frauenbekanntschaften normalerweise auch hierher?“

Er nickte und griff nach dem Drink, den der Steward ihm hingestellt hatte.

Sie tat es ihm nach und nahm einen großen Schluck, ohne sich darum zu kümmern, was sie da eigentlich trank. Die Flüssigkeit brannte ihr in der Kehle, und sie schnappte nach Luft. Nimm dich zusammen, und lass dir nichts anmerken!

„Wahrscheinlich sind alle ganz beeindruckt, wenn Sie das hier sehen … Schade bloß, dass Sie es offenbar nötig haben, auf diese Weise von Ihren Schwächen abzulenken.“

„Und die wären?“

„Woher soll ich das wissen?“ Jess hob die Augenbrauen und schlenderte zur Fensterfront. Dort ließ sie den Blick über die Bucht von Sydney schweifen. „Aber ich schätze mal, dass Sie von Ihrem schwachen Charakter ablenken wollen.“

Verärgert sprang er von der Couch auf. „Wie bitte?“

Sie drehte sich zu ihm um. „Abgesehen von Ihrem Geld, Ihrem Aussehen und Ihrem Status können Sie den Frauen doch gar nichts bieten. Das reicht zwar für eine kurze Affäre, aber nicht für eine dauerhafte Beziehung.“

Fassungslos starrte er sie an.

„Ist das nicht der Grund, warum die Frauen einfach nicht bei Ihnen bleiben und Sie sich immer wieder eine neue suchen? Darum haben Sie doch diesen Artikel eingefädelt – weil es auf dem ganz normalen altmodischen Weg bei Ihnen nicht klappt.“

„Ach?“, knurrte er. Seine Augen schienen Funken zu sprühen, als er langsam auf sie zukam. „Wer gibt Ihnen eigentlich das Recht …?“

Jess ließ sich nicht beirren, sondern lächelte ihm scheinheilig ins Gesicht. „Sie selbst. Sie haben mich nämlich engagiert.“

Abrupt blieb er stehen und fuhr sich durchs Haar. „Ja, aber ich hatte keine Ahnung, was ich mir damit antun würde. Sie sind ja völlig unromantisch!“

„Ich?“ Wütend erwiderte sie seinen Blick. „Sie sind doch derjenige, der von einem oberflächlichen Techtelmechtel zum nächsten wechselt.“

„Was soll ich denn machen, wenn mir eine Frau wirklich etwas bedeutet?“

Ungläubig sah Jess ihn an. Es konnte doch nicht sein, dass dieser Mensch nicht mal die einfachsten Dinge wusste! „Dann bemühen Sie sich um sie. Und damit meine ich nicht, dass sie ihr Ihre Jachten und Autos und sonstigen Luxusgüter vorführen sollen. Sie sollen sich Zeit für sie nehmen, mit ihr reden, spazieren gehen, mit ihr zu Abend essen. Damit Sie sich wirklich kennenlernen.“

„Und das soll alles sein?“

„Nein, natürlich nicht. Verdammt noch mal, haben Sie sich denn noch nie wirklich auf jemanden eingelassen? Haben Sie noch nie eine Frau zu einem romantischen Abendessen bei Kerzenschein eingeladen? Sie Ihren Eltern vorgestellt? Ihr gezeigt, dass Sie sie brauchen?“

Seine Mundwinkel zuckten. „Dann können Sie also doch romantisch sein.“

Jess holte tief Luft. Wie hatte er es bloß wieder geschafft, das Thema auf sie zu bringen? „Es geht hier nicht um mich.“

„Aber Sie sind eine Frau, also wissen sie doch sicherlich, wovon Sie sprechen.“

„Na, vielen Dank auch.“

„Okay, das reicht jetzt.“ Alexander rieb die Handflächen gegeneinander.

Jess starrte ihn an. Hieß das, dass er sie nicht mehr brauchte? Hatte sie ihn jetzt vergrault? Aber sie hatte doch noch gar nichts über ihn herausgefunden, und deswegen war sie schließlich hier!

Irgendwie musste sie ihn dazu bringen, sie trotz allem weiterzuengagieren. Bloß wie?

5. KAPITEL

Wow, dachte Alex. Das hat sich ja so richtig gelohnt! Die Frau macht mich ganz wahnsinnig, sie raubt mir den letzten Nerv … und sie ist einfach fantastisch!

So gut hatte er sich schon lange nicht mehr amüsiert.

Vielleicht hatte er sich eben ein bisschen weit vorgewagt, aber das Ergebnis sprach ja für sich. In den letzten fünf Minuten hatte er mehr über Jess herausgefunden als in den Stunden davor.

Sie war eindeutig anders als die Frauen, mit denen er sonst zu tun hatte: Mit der Limousine und der Jacht hatte er sie nicht beeindrucken können. Und sie war auch die Erste, die gegen seinen Charme immun zu sein schien. Keine von den anderen Frauen hatte seine Annäherungsversuche derart zurückgewiesen. Andererseits hatte ihm keine von diesen Frauen wirklich gefallen.

Irgendetwas machte er also falsch, irgendein klitzekleines Detail stimmte noch immer nicht. Aber ob Jess mit ihrer Vermutung richtig lag? Hatte er deswegen so oberflächliche Beziehungen, weil er selbst so oberflächlich war?

Auf einmal bereute er es, ihr eben das Wort abgeschnitten zu haben. Warum hatte er sie nicht weitersprechen lassen, dann hätte er noch mehr von ihr lernen können. Andererseits hatte sie ihm mit jeder ihrer spitzen Bemerkungen einen ziemlich schmerzhaften Stich verpasst.

Diese ganze Beziehungsgeschichte war viel komplizierter, als er sich das vorgestellt hatte. Wenn er in Geschäftsangelegenheiten eine Expertenmeinung von außen einholte, tat das lange nicht so weh. Aber hier ging es um ihn als Person. Er hatte nicht gedacht, dass sie ihn so sehr mit seinen Schwächen konfrontieren würde.

Jess stand an der Fensterfront und sah zu ihm herüber. Er beobachtete sie aufmerksam. Worüber sie wohl nachdachte? Überlegte sie gerade, was sie ihm als Nächstes an den Kopf werfen könnte?

„Ich glaube, dass ich noch sehr viel für Sie tun kann“, sagte sie sanft.

Er verschränkte die Arme vor der Brust. Was hatte sie vor? Ihr Tonfall war viel zu süß, um ehrlich gemeint zu sein. Wollte sie ihn noch einmal so richtig einlullen, um ihm dann den Todesstoß zu verpassen? Diese Frau war eine weit größere Herausforderung, als er gedacht hatte.

„Wirklich?“, erwiderte er vorsichtig.

Vielleicht konnte er ja auch etwas für sie tun. Vielleicht konnte er ihr helfen, über ihren Männerhass hinwegzukommen …

„Auf jeden Fall“, gab sie entschlossen zurück. „Wir könnten heute noch ganz viel üben. Zum Beispiel könnten wir durchspielen, was Sie alles zu einer Frauen sagen können, für die Sie sich interessieren. Ich kann Ihnen dabei helfen, ehrlich und unaufdringlich zu wirken.“

Autor

Arlene James
Arlene James schreibt bereits seit 24 Jahren Liebesromane und hat mehr als 50 davon veröffentlicht. Sie ist Mutter von zwei wundervollen Söhnen und frisch gebackene Großmutter des, wie sie findet, aufgewecktesten Enkels aller Zeiten. Darum hat sie auch im Alter von 50 plus noch jede Menge Spaß.

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