Bianca Extra Band 51

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ZWISCHEN SEHNSUCHT UND VERSUCHUNG von MADISON, TRACY
Sie darf ihrer Sehnsucht nach Coles Küssen nicht nachgeben - vor langer Zeit hat Rachel die Chance auf ein Leben mit ihm verspielt. Und jetzt ist sie entschlossen, einen anderen zu heiraten! Wenn ihr nur endlich Coles Lippen auf ihrer Haut aus dem Sinn gehen würden …

SÜßE KÜSSE IM LICHTERGLANZ von TEMPLETON, KAREN
So stark und gleichzeitig so verletzlich … Zach Talbot ist auf den ersten Blick fasziniert von Hollywood-Schönheit Mallory. Aber das Herz des Witwers ist noch nicht wieder frei für eine große Liebe. Daran kann auch Mallorys verheißungsvoller Blick nichts ändern …

WENN SANTA CLAUS DEN AMOR SPIELT … von MAJOR, MICHELLE
Unfreundlich, unhöflich - und überaus attraktiv. April weiß nicht, was sie von dem Schriftsteller Connor Pierce halten soll, mit dem sie Weihnachten auf der Hütte verbringen wird. Zum Glück ist sie nur die Haushälterin des Machos - warum nur erwacht in ihr der Wunsch nach mehr?

RETTEN SIE MEIN HERZ, DR. LUKAS! von HARLEN, BRENDA
Er ist ihr Retter in allerhöchster Not: Ohne Lukas Garrett hätte Julie ihr Baby allein im Auto gebären müssen. Er hilft ihrem Sohn auf diese Welt - und erobert nebenbei ihr Herz. Wie gerne würde sie Lukas unter dem Mistelzweig küssen! Aber da gibt es noch den Vater ihres Babys …


  • Erscheinungstag 21.11.2017
  • Bandnummer 0051
  • ISBN / Artikelnummer 9783733732981
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Tracy Madison, Karen Templeton, Michelle Major, Brenda Harlen

BIANCA EXTRA BAND 51

TRACY MADISON

Zwischen Sehnsucht und Versuchung

Cole Foster wollte ihr doch nur Zeit lassen, ihre Gefühle zu ordnen. Jetzt sieht er Rachel in den Armen eines anderen! Er muss ihr Herz wieder erobern – und dieses Mal soll es für immer sein!

KAREN TEMPLETON

Süße Küsse im Lichterglanz

Mallory glaubt nicht mehr an die Liebe. Bis sie ausgerechnet auf einer Ranch den Mann trifft, der die Wunden heilen könnte – aber ihre Zeit ist begrenzt: Bald muss sie zurück in ihr altes Leben …

MICHELLE MAJOR

Wenn Santa Claus den Amor spielt …

Einsame Festtage in den Bergen: Mehr will Connor Pierce nicht. Und nun ist eine Haushälterin bei ihm! Er ist entsetzt – bis die schöne April ihn überzeugt, dass Weihnachten ein Fest der Liebe ist …

BRENDA HARLEN

Retten Sie mein Herz, Dr. Lukas!

Ein Auto, das im Graben gelandet ist und eine Frau, die ein Baby bekommt: Hals über Kopf verliebt sich Lukas in die Fremde – doch sie schweigt über den Vater ihres Kindes. Was verbirgt Julie vor ihm?

1. KAPITEL

Steamboat Springs, Colorado, leuchtete hell und glitzernd in vorweihnachtlicher Pracht. Mit großen roten Schleifen geschmückte Kränze und Mistelzweige hingen an Türen und Fenstern, Laternenpfähle und Schaufenster waren mit Lichterketten geschmückt, und überall waren Weihnachtslieder zu hören. Wo immer Cole Foster auch hinsah, schienen die Menschen – Einwohner und Touristen gleichermaßen – vor Vorfreude zu strahlen.

Manche hatten es eilig, entweder weil sie an das schnelle Tempo einer Großstadt gewöhnt waren oder nach einem langen, mit Shopping oder Skifahren verbrachten Tag rasch in ein Restaurant oder in ihr Hotel wollten. Andere wiederum schlenderten gemächlich die Bürgersteige entlang und genossen die Atmosphäre der festlich geschmückten Stadt.

Die Einheimischen bewegten sich irgendwo dazwischen. Sie hetzten nicht, sie trödelten nicht, aber man sah ihnen eine gewisse Zielstrebigkeit an. Sie wollten offensichtlich nach Hause.

Normalerweise wollte Cole das um diese Zeit auch, vor allem nach einem trubeligen Tag im Sportgeschäft seiner Familie. Heute jedoch nicht.

Er blieb einen Moment stehen, schob die Hände in seine Jackentaschen und atmete die kalte frische Dezemberluft tief ein. Dicke Schneeflocken fielen träge vom Himmel und verstärkten die vorweihnachtliche Stimmung. Es war ein schöner Abend.

Doch das nahm ihm weder die Last von den Schultern, noch beruhigte es seine Nerven. Verdammt, dieses Jahr hatte er mehr mit dem miesepetrigen Grinch gemeinsam als mit dem guten alten Weihnachtsmann, und das war ganz allein seine Schuld.

Er hatte zu lange gewartet, seine Gefühle zu offenbaren, und obwohl es Gründe dafür gegeben hatte, es langsam angehen zu lassen – verdammt gute Gründe –, hatte er es wohl übertrieben. Denn jetzt sah es ganz so aus, als habe Rachel Merriday sich in einen anderen verliebt.

Daher hatte Cole das „fröhliche“ aus seinem Weihnachten gestrichen.

Das Timing war aber auch schlecht! Er hatte sich schon seit Monaten auf Rachels Besuch gefreut, darauf, endlich das Tabu-Thema anzusprechen und somit das, was zwischen ihnen vorgefallen war, hinter sich zu lassen. Und vielleicht dort anzuknüpfen, wo sie vor seinem alles verändernden Unfall aufgehört hatten.

Vor vier Jahren – war es wirklich schon so lange her? – hatte er noch eine vielversprechende Zukunft vor sich. Damals war er ein erfolgreicher Skirennläufer, und seine langjährige Freundschaft mit Rachel hatte sich endlich zu etwas Tiefergehendem entwickelt. Doch ein einziger Sturz hatte nicht nur seine Karriere beendet, sondern auch Rachel in die Flucht geschlagen.

Eigentlich hätte ihn das nicht überraschen dürfen. Immer wenn es kompliziert wurde, ergriff Rachel instinktiv die Flucht. Hatte er das nicht im Laufe der Jahre wieder und wieder mit angesehen? Oh ja, das hatte er! Allerdings war er nie davon betroffen gewesen. Es hatte ihm echt einen ordentlichen Schlag versetzt, als es dann auch ihm passierte.

Er wusste bis heute nicht, warum Rachel nicht an seiner Seite geblieben war, als seine Welt zusammenbrach. Natürlich hatte sie ihn angerufen, ihm Care-Pakete und aufmunternde Briefe geschickt, ihn während seines ganzen langen Jahres in der Reha allerdings nicht ein einziges Mal besucht.

Erst letztes Weihnachten war sie wieder nach Steamboat Springs zurückgekehrt, und irgendwie war es Cole und ihr gelungen, ihre Freundschaft zu kitten. Es hielt es jedoch für verfrüht, ihren einzigen Kuss und ein paar am Abend vor dem Unfall gefallene Worte anzusprechen, weshalb er ein klärendes Gespräch um ein Jahr verschoben hatte.

Auf dieses Weihnachten.

Dummerweise hatte Rachel ihn vor einer guten Woche angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie nicht allein nach Steamboat Springs kommen würde. Nein, sie würde einen Mann mitbringen. Einen Mann, der vielleicht „der Richtige“ war.

Und einfach so hatten sich Coles schöne Pläne in Luft aufgelöst.

Er atmete ein zweites Mal tief durch und ging weiter zum Beanery-Coffeeshop. Unterwegs begrüßte er ein paar Passanten, blieb jedoch nicht stehen. Vor dem Café angekommen, warf er einen Blick durch das Fenster und hielt nach einer bestimmten Frau mit langem blonden Haar und blauen Augen Ausschau.

Nein. Rachel war noch nicht da.

Als Cole die Tür öffnete, schlugen ihm behagliche Wärme und der Duft frisch gebrühten Kaffees und frischer Zimtbrötchen – der Spezialität des Hauses – entgegen. Außerdem Stimmengewirr, vermischt mit noch mehr nerviger Weihnachtsmusik. Was würde er nicht dafür geben, Mick Jagger „Satisfaction“ oder „Start Me Up“ aus den Lautsprecherboxen plärren zu hören statt eine weitere Version von „Jingle Bells“.

Ein paar Stammgäste begrüßten ihn, als er sich an der Theke anstellte. Er grüßte freundlich zurück, begann aber kein Gespräch. Rachel würde gleich kommen, und Cole konnte jede Minute gebrauchen, um sich emotional für ihr Wiedersehen zu rüsten.

In der Schlange vorm Tresen ging es nur langsam voran, da Lola, die Eigentümerin der Beanery, mit jedem Kunden erzählte, als sei er ihr bester Freund. Abgesehen von ihren leckeren Zimtbrötchen, dem Kaffee und der Wärme, war die Beanery auch dank Lolas Herzlichkeit immer gut besucht, sogar in den wenigen Monaten, in denen es in der Stadt nicht von Touristen wimmelte.

Normalerweise unterhielt Cole sich auch immer gern mit ihr, aber heute wollte er sich einfach nur mit seinem Kaffee an einen freien Tisch zurückziehen. Vorzugsweise einen, von dem aus er die Lincoln Avenue perfekt im Blick hatte, damit er Rachel und „den Richtigen“ – auch unter dem Namen Andrew Redgrave bekannt – sehen konnte, bevor sie ihn entdeckten.

Körpersprache verriet nämlich eine Menge über eine Beziehung. Cole hoffte auf einen großen Abstand zwischen den beiden, was auf keine gemeinsame Zukunft schließen lassen würde.

Bei der Vorstellung, dass die beiden womöglich heirateten, wurde Cole schlecht. Er hatte einfach zu lange gewartet, und jetzt … jetzt könnte er Rachel verlieren, bevor er, nein, bevor sie beide je eine echte Chance gehabt hatten.

„Na, was soll es heute sein, Cole? Schwarzer Kaffee und ein Zimtbrötchen, so wie immer?“, riss Lolas muntere Stimme ihn aus seinen Gedanken. „Oder hast du ausnahmsweise mal Lust auf etwas Ausgefalleneres? Vielleicht einen Peppermint-Mocha oder eine Eggnog-Latte?“

„Kaffee muss nach Kaffee schmecken, nicht nach Pfefferminz oder Eierpunsch“, erwiderte Cole und betrachtete grinsend die von Lolas Ohrläppchen baumelnden Schneemänner, ihre übergroße Weihnachtsmann-Mütze und die blinkende bunte Lichterkette um ihren Hals. Lola war zweifellos ein Original. „Nein, nur einen Kaffee bitte. Ich habe heute spät Mittagspause gemacht.“

Lola griff nach einem der leuchtend orangefarbenen Becher der Beanery und sah ihn überrascht an. „Du hast bisher noch nie ein Zimtbrötchen abgelehnt, späte Mittagspause hin oder her. Alles in Ordnung mit dir?“

„Ja, ich habe nur keinen Hunger. Du weißt ja, wie hektisch es um diese Jahreszeit im Laden ist.“

Lola musterte ihn neugierig, nickte jedoch nur und schenkte ihm einen Kaffee ein.

Cole fiel es schwer, sich mit weiteren Erklärungen zurückzuhalten. Lola war nämlich eine der besten Freundinnen seiner Mutter. Sobald sie Verdacht schöpfte, würde sie sofort Margaret Foster anrufen, und dann hätte er seine Mutter, seinen Vater, seine Brüder und seine Schwester auf dem Hals, die ihn so lange nerven würden, bis er ihnen sagte, was mit ihm los war. Und dann würden sie sein Problem zu lösen versuchen, ob Cole ihre Hilfe nun wollte oder nicht.

„Hier, bitte.“ Lola schob ihm seinen Kaffee hin – und ein Zimtbrötchen in einer Tüte. „Für später, wenn du wieder Hunger hast. Geht aufs Haus.“

„Danke.“ Cole wusste, dass es zwecklos war zu widersprechen. Er reichte ihr das Geld für den Kaffee. „Das heb ich mir fürs Frühstück auf.“

„Deine Mom war vorhin übrigens auch hier“, sagte Lola, während sie kassierte. „Sie hat mehrere Dutzend Brötchen für Heiligabend bestellt. Eure Familie kommt über die Feiertage zu Besuch, wie ich gehört habe?“

„Ja. Die ganze Oregon-Seite, mitsamt Anhang und Kindern.“ Alle drei Foster-Cousins gründeten gerade Familien und waren laut seiner Mutter total glücklich. Schön für sie. „Nochmals danke, Lola.“

Nachdem Cole sein Wechselgeld in die Dose mit dem Trinkgeld gesteckt hatte, setzte er sich an einen Tisch – endlich. Noch etwa zehn Minuten, bis er Rachel wiedersah … und Andrew natürlich. Cole durfte Andrew nicht vergessen, sosehr er das auch wollte.

Rachel hatte ihm kurz nach ihrer Landung mittags eine Nachricht geschickt. Sie und Andrew mussten also seit etwa sechs Stunden in Steamboat Springs sein. Rachels Eltern waren zurzeit nicht in der Stadt, was bedeutete, dass sie und „der Richtige“ das Ferienhaus von Rachels Familie ganz für sich hatten. Vielleicht hatten sie den Nachmittag eng aneinandergekuschelt vor dem Kamin verbracht und … Cole rieb sich die Schläfen und versuchte seine Fantasien zu verdrängen.

Er trank einen Schluck Kaffee, blendete das nervige Weihnachtsgedudel aus und sah aus dem Fenster. Der Schnee fiel inzwischen so dicht, dass die Straßen und Bürgersteige von einer weißen Schicht bedeckt waren.

So melancholisch, wie er drauf war, musste er bei dem Anblick natürlich an seine erste Begegnung mit Rachel denken. Er war damals elf Jahre alt, sie zehn. Er, seine beiden älteren Brüder Reid und Dylan sowie ein paar andere Kinder veranstalteten gerade auf dem Schulhof eine Schneeballschlacht, als ihn ein riesiger Schneeball am Hinterkopf traf und ihn bäuchlings in den Schnee beförderte.

Als er sich wieder aufgerichtet hatte, starrten ihn seine Brüder entsetzt an. Sofort formte er einen Schneeball, drehte sich um und sah … sie. Ein Mädchen mit rosigen Wangen, großen himmelblauen Augen und feinen, kurzen blonden Haaren.

Ihren schicken Stiefeln, ihrem Mantel und dem teuren Wagen hinter ihr nach zu urteilen, war sie ein Kind reicher Eltern. Stirnrunzelnd ließ Cole die Hand mit dem Schneeball sinken. Seine Familie lebte von den Touristen, und die Eltern dieses Mädchens zu verärgern, war daher keine gute Idee. Um die Kinder reicher Urlauber machte man seiner Erfahrung nach besser einen großen Bogen.

Es wurmte ihn jedoch, sich nicht revanchieren zu können. Von einem Mädchen besiegt worden zu sein, war ziemlich uncool. Reid und Dylan würden ihn später gnadenlos hänseln, und seine Schwester Haley würde ihm einen langen Vortrag halten, dass Mädchen Jungs sowieso in jeder Hinsicht überlegen waren. Ätzend!

Trotzdem blieb er vernünftig und tat so, als würden ihn das dämliche Mädchen und ihr Schneeball überhaupt nicht interessieren. Bis er ihr triumphierendes Lächeln sah und ihr wütend den Rücken zukehrte.

Nur wenige Sekunden später küsste er schon wieder den Schnee. Diesmal brachen seine Brüder in schallendes Gelächter aus, was Cole endgültig den Rest gab. Er sprang auf und warf seinen Schneeball nach ihr. Sie taumelte zurück, als er sie am Kinn traf, wahrte jedoch das Gleichgewicht. Zu seiner Überraschung stampfte sie weder empört mit einem Fuß auf, noch bekam sie einen Heulanfall.

Stattdessen lächelte sie noch provozierender. Fast in Zeitlupe zog sie einen weiteren Schneeball hinter dem Rücken hervor, warf ihn jedoch nicht nach Cole, sondern zielte auf seinen Bruder Dylan.

Das war der Beginn ihrer Freundschaft.

In den darauffolgenden Jahren hatte Rachel mit ihren Eltern die Weihnachtstage und gelegentlich auch die Sommerferien in Steamboat Springs verbracht. Coles und Rachels Freundschaft war im Laufe der Zeit immer enger geworden. Als Jugendliche waren sie auch über Rachels Besuche hinaus in Kontakt geblieben, und während ihrer Studienzeit und danach hatten sie sich sogar häufiger getroffen.

Allerdings immer als Freunde.

Bis zu ihrem Kuss, seinem Unfall und dem ganzen schrecklichen Chaos. Coles Magen krampfte sich schmerzlich zusammen bei der Erinnerung. Aber: Was passiert war, war passiert. Sich über Dinge zu grämen, die nicht mehr rückgängig zu machen waren, brachte ihn jetzt auch nicht weiter.

Aus einer plötzlichen Vorahnung heraus sah er wieder aus dem Fenster und … ja, da war sie. Arm in Arm mit einem Mann überquerte sie die hell erleuchtete Straße.

Für den Bruchteil einer Sekunde war Coles Kopf beim Anblick ihrer schlanken Gestalt und ihrer langen Beine wie leergefegt. Mit ihrem wehenden blonden Haar sah sie in den wirbelnden Flocken aus wie eine Schneeprinzessin.

Sein Herz setzte einen Schlag aus. Himmel, war sie schön! Ihm wurde bewusst, wie schrecklich er sie vermisst hatte. Mehr als gedacht.

Als dieser Andrew ihr etwas ins Ohr flüsterte, küsste sie ihn lachend auf die Wange. Rasende Eifersucht stieg in Cole auf. Es fiel ihm schwer, ruhig sitzen zu bleiben.

Er nahm den Mann etwas eingehender unter die Lupe.

Er war groß gewachsen, aber nicht so groß wie Cole. Was natürlich völlig bedeutungslos war, Cole aber trotzdem mit einer gewissen Genugtuung erfüllte. Er wirkte sehr weltmännisch und trug einen schwarzen Burberry-Mantel. Anscheinend war er nicht unvermögend. Aber Rachel stammte ebenfalls aus einer wohlhabenden Familie. Warum also nicht auch der Mann, den sie für „den Richtigen“ hielt?

Doch das war nicht das, was Cole störte. Ihm machte zu schaffen, wie glücklich die beiden aussahen. Hoffentlich war bei Andrew etwas faul … und er hatte irgendwelche Hintergedanken, was Rachel anging. Sie hatte schön öfter Freunde gehabt, die sich mehr für den Reichtum ihrer Familie und die Geschäftskontakte ihres Vaters interessierten als für sie.

Allerdings sagte ihm sein Bauchgefühl, dass das bei Andrew nicht der Fall war. Cole hatte ein untrügliches Gespür für alles, was Rachel schaden konnte.

Blieb ihm also nur noch die Hoffnung, dass Rachel bei Andrew genauso kneifen würde wie bei Cole und allen anderen Männern, aber das war irgendwie auch nicht die richtige Lösung. Cole wollte, dass sie glücklich war, und das würde nie passieren, solange sie vor allem weglief.

Vor dem Fenster blieb Andrew stehen, zog Rachel an sich und küsste sie. Bei dem Anblick fragte Cole sich wieder, womit die beiden wohl den Nachmittag verbracht hatten. Er musste schlucken. Eine gefühlte Ewigkeit später lösten sich die beiden voneinander, und Rachel zog Andrew lachend zur Tür.

Es kostete Cole fast übermenschliche Anstrengung, ein freundliches Lächeln aufzusetzen, als die beiden den Coffeeshop betraten. Als Rachel ihn sah, jauchzte sie erfreut auf und ließ Andrews Hand los – was Cole natürlich diebisch freute –, um sich auf ihn zu stürzen.

Er stand auf und breitete die Arme aus, um sie aufzufangen und an sich zu drücken. Ihr Duft, eine betörende Mischung aus Gewürzen, Obst und Winter, hüllte ihn ein, und ihm wurde wieder klar, dass sie in seine Arme gehörte.

Er spürte ihr weiches, vom Schnee feuchtes Haar an seiner Wange, als sie ihm ins Ohr flüsterte, wie glücklich sie sei, ihn wiederzusehen. „Es ist schon wieder viel zu lange her.“

„Ich freue mich auch“, antwortete er. „Und es ist immer zu lange.“

Sie löste sich aus seiner Umarmung und drehte sich zu Andrew um, um ihn Cole vorzustellen. Dabei leuchteten ihre hübschen blauen Augen auf eine Art auf, die Cole erst einmal gesehen hatte – in den Sekunden vor ihrem einzigen Kuss. Verdammt! Bis jetzt lief aber auch nichts wie erhofft.

Breit grinsend schüttelte er Andrew die Hand, der seinen Händedruck etwas fester erwiderte als nötig. So, als wolle er seine Männlichkeit unter Beweis stellen.

Es war vielleicht unreif von ihm, aber Cole nahm die Herausforderung an. Er festigte seinen Griff ebenfalls, wobei er nicht aufhörte zu grinsen. Er wusste genau, dass er diesen Zweikampf gewinnen würde. Und richtig – es dauerte nur fünfzehn, höchstens zwanzig Sekunden, bis Andrew nachgab und losließ.

Eins zu null beim Heimspiel.

„Schön, dich kennenzulernen, Kyle“, sagte Andrew, während er seine Finger dehnte. „Rachel sagt, du bist wie ein Bruder für sie.“

„Er ist mein Freund. Mein bester Freund“, warf Rachel ein. „Aber richtig, Cole ist mir sehr wichtig. Ist es nicht schön, dass ihr euch jetzt endlich kennenlernt?“

„Ja, super.“ Cole unterdrückte den kindischen Impuls, „dem Richtigen“ eine zu verpassen. Er setzte sich wieder an den Tisch. „Ich freue mich, dich kennenzulernen, Andy. Bis vor einer Woche habe ich allerdings noch nie von dir gehört, also wirst du sicher verstehen, dass ich so meine Bedenken habe … Da ich für Rachel ja wie ein Bruder bin, ist es quasi meine Pflicht, mich zu vergewissern, dass es ihr mit dir gut geht.“

Andrew musterte ihn grimmig. Er half Rachel aus ihrer Jacke und zog seinen Trenchcoat aus, bevor er selbst Platz nahm. „Verständlich“, sagte er eine Spur sarkastisch. „Ich kann’s kaum erwarten.“

Rachel sah verwirrt zwischen Cole und Andrew hin und her und forderte Cole mit einem Blick auf, die angespannte Atmosphäre aufzulockern, anstatt die Anspannung noch zu verstärken.

„Geht mir genauso.“ Cole hob seinen Kaffeebecher zu einem ironischen Toast und beschloss, Andrew noch eine Chance zu geben.

Rachel zuliebe.

Aber wenn „der Richtige“ ihn weiterhin so provozierte, würde es Krieg geben. In den paar Minuten seit Andrews Auftauchen hatte Cole nämlich eine Entscheidung getroffen. Er würde nicht mehr auf den richtigen Moment oder die richtigen Worte oder sonst irgendetwas warten, sondern die Initiative ergreifen!

Na, das ging ja gut los!

Rachel Merriday lehnte sich nervös in ihrem Stuhl zurück, während Cole und Andrew Kaffee holten. Hoffentlich würden die beiden sich bald besser verstehen. Sobald Andrew merkte, dass er keinen Grund hatte, eifersüchtig auf Cole zu sein, würde er sich bestimmt wieder entspannen. Und dann wäre auch Cole etwas netter zu ihm, davon war sie überzeugt.

Zumindest hoffte sie es.

Die beiden hatten immerhin eine Menge gemeinsam, auch wenn sie das bestimmt anders sahen. Äußerlich sahen sie sich zwar nicht besonders ähnlich, aber sie waren beide sehr attraktiv. Während Cole dunkelhaarig war und braune Augen hatte, hatte Andrew aschblondes Haar, graue Augen und eine eher helle Haut, ähnlich wie sie.

Beide waren groß und kräftig, wenn auch auf unterschiedliche Art. Cole hatte das kräftige muskulöse Aussehen eines Athleten. Andrew war ebenfalls sehnig, aber vor allem weil er regelmäßig ins Fitnessstudio ging und Diät machte. Aber sie waren beide sehr männlich und viril. Und verdammt sexy.

Keine Frau könnte das leugnen. Oder zumindest keine normale Frau.

Die wahre Ähnlichkeit lag jedoch unter der Oberfläche. Klar war Andrew etwas ernsthafter als Cole, aber auch er hatte ein gutes Herz und war genauso integer. Sie würden alles für die Menschen tun, die sie liebten. Diese Eigenschaft hatte Rachel als Erstes bei Andrew angesprochen.

Und zog sie immer noch an.

Aber wollte sie ihn deshalb gleich heiraten und eine Familie mit ihm gründen? Sie hatte keine Ahnung. Es fiel ihr schwer, eine Entscheidung zu treffen. Bei der Vorstellung, den Falschen zu heiraten, bekam sie nämlich Panik. Vor allem wenn sie dann noch an Kinder dachte.

Sie wusste nur allzu gut, welche Auswirkungen eine lieblose Ehe auf Kinder haben konnte – bis ins Erwachsenenalter hinein. Rachel wollte nicht die gleichen Fehler machen wie ihre Eltern. Endlose Auseinandersetzungen hinter verschlossenen Türen führen, während nach außen hin alles heil und perfekt aussah. In der Öffentlichkeit lächeln, obwohl man am liebsten heulen, schreien oder … ja, weglaufen wollte. So weit einen die Beine trugen.

Trotzdem sehnte Rachel sich insgeheim nach Liebe und einem Leben mit dem richtigen Mann, so verrückt das auch war. Sie wollte eine Familie, verdammt! Sie wollte Besorgungen machen, Babys, die sich zu vorlauten Teenagern entwickelten, Kuchen für Schulfeste backen und Picknicks und Grillpartys, und das alles mit einem Mann, der sie von Herzen liebte.

Unwillkürlich wanderte ihr Blick zu Cole. Bei seinem Anblick machte ihr Herz einen Satz. Sie wusste genau, dass sie vor vier Jahren Mist gebaut hatte. Und dass ihr dadurch vielleicht etwas Wundervolles und womöglich sogar etwas, das ihr Leben von Grund auf verändert hätte, entgangen war.

Sie war heilfroh, dass sie sich im Großen und Ganzen wieder gut verstanden. Außerdem hatte sie inzwischen aus ihren Fehlern gelernt. Und genau deshalb wollte sie, trotz ihrer Zweifel, mit Andrew zusammenbleiben. Weil sie damals bei Cole die gleichen Ängste plagten wie jetzt bei Andrew. Das hatte also nichts zu sagen.

Sie seufzte. Es war zwecklos, verpassten Chancen hinterherzutrauern. Eine Freundschaft war schließlich auch nicht zu verachten, und ihre Freundschaft mit Cole hatte sich bewährt. Sie war stark und beständig. Verglichen damit hatte das kurze Aufflackern der Leidenschaft zwischen ihnen vor vier Jahren keine Bedeutung. Zumal Cole ihr bei ihrem Besuch vor einem Jahr nicht den geringsten Hinweis gegeben hatte, dass er mehr sein wollte als nur ihr Freund.

Und dann war Andrew in ihr Leben getreten und hatte sie mit seinem Charme und seiner Fürsorglichkeit erobert. Mit Eigenschaften, die sie an Cole erinnerten, und einigen anderen, die das nicht taten. Er begehrte sie. Er sprach von einer gemeinsamen Zukunft. Das war echt und solide. Aber würde es halten?

Vielleicht.

Und deshalb war sie hier. In der Hoffnung, sich hier, in ihrer Lieblingsstadt, so heftig in Andrew zu verlieben, dass sie ihre Ängste vergaß … und ihre Reue.

Sie musste sich einfach entspannen und aufhören, ständig über die Vergangenheit zu grübeln. Ihr Herz öffnen und sich fallen lassen. Das konnte doch nicht so schwer sein, oder?

Rachel richtete den Blick auf die beiden Männer und zeigte Richtung Toilette. Cole fing ihren Blick auf und nickte lächelnd, bevor er sich wieder zu Andrew umdrehte. Von dem kam keine Reaktion, vermutlich, weil er Cole konzentriert zuhörte. Vielleicht näherten sich die beiden einander ja doch ein bisschen an. Zumindest hoffte Rachel das. Falls nicht, konnten die nächsten Wochen nämlich ziemlich anstrengend werden.

Und das … na ja, das würde ihr erst recht nicht weiterhelfen.

2. KAPITEL

Rachel ließ sich Zeit damit, sich auf der Toilette frisch zu machen. Sie brauchte ein paar Minuten für sich allein, um ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen.

Als sie zum Tisch zurückkehrte, schwiegen sich die beiden Männer schon wieder verkrampft an.

Okay, das war wohl nichts mit der gegenseitigen Annäherung.

Rachel nahm neben Andrew Platz und schlang die Hände um ihren Cappuccino mit Schlagsahne und Sirup. Da sie nicht wusste, wie sie das Gespräch eröffnen sollte, trank sie ein paar Schlucke. „Hm, lecker“, sagte sie irgendwann mit aufgesetzter Fröhlichkeit. „Was trinkt ihr beide?“

„Schwarzen Kaffee“, antworteten beide im Chor. Und ähnlich tonlos.

Aha! Noch eine Gemeinsamkeit. „Ich finde, der Kaffee hier schmeckt toll.“

„Das stimmt.“ Coles Mundwinkel zuckten amüsiert. „Soll ich dir einen holen?“

„Ich …“

„Was du da trinkst, ist kein Kaffee“, kommentierte Andrew trocken.

Coles Lächeln vertiefte sich. „Genau. Es ist ein Dessert.“

„Wow, ihr beide seid ja ein Herz und eine Seele.“ Rachel trank noch einen Schluck von ihrem „Dessert“. „Ist das so ein typisches Männerding? ‚Echte Männer essen keine Quiche‘ und so? Oder trinken keinen ausgefallenen Kaffee?“

„Nö, ich mag Quiche.“ Cole griff nach einer Serviette, beugte sich über den Tisch und tupfte Rachel den Mund ab. Seine Berührung war flüchtig und neutral, aber ihr wurde trotzdem ganz heiß. „Du hattest da … äh … ein bisschen Schlagsahne.“

Rachel spürte, wie Andrew sich neben ihr versteifte. Er legte ihr einen Arm um die Schultern, hob ihr Kinn und küsste sie. Ebenfalls flüchtig. „So, jetzt ist die Sahne weg.“ Er richtete sich wieder auf, ließ seinen Arm jedoch, wo er war. „Ich hoffe, das war dir nicht unangenehm, Kyle. Aber Rachels Lippen sind so verführerisch, dass ich mich einfach nicht beherrschen konnte.“

„Ganz und gar nicht“, erwiderte Cole jungenhaft grinsend und zuckte die Achseln. „Ich habe meiner Mutter auch schon öfter ein Küsschen in der Öffentlichkeit gegeben.“ Er zwinkerte Rachel zu. „Und meiner Schwester, wenn ich es recht bedenke.“

„Ich habe nicht gesagt, dass es mir peinlich ist.“ Andrew rückte ein Stück dichter an Rachel heran. „Aber manche Menschen werden nicht gern Zeuge von Turteleien in der Öffentlichkeit. Ich habe nur zu spät bedacht, dass du vielleicht zu ihnen gehören könntest.“

„Nein.“ Wieder ein Achselzucken. „Aber ich weiß deine Rücksichtnahme zu schätzen.“

„Wow, ist das kalt draußen!“, platzte Rachel heraus, bevor Andrew etwas erwidern konnte. Sie tat so, als erschauere sie. „Schrecklich … kalt. Ich bin immer noch nicht aufgewärmt nach dem … äh … kurzen Weg vom Wagen hierher.“

„Wir könnten jetzt auf Hawaii sein und Mai Tais am Strand trinken.“ Andrew küsste Rachel wieder, diesmal auf den Kopf. „Solltest du deine Meinung geändert haben, können wir morgen schon im Flieger sitzen. Du brauchst es nur zu sagen.“

Cole sah ihn gereizt an. Rachel konnte ihn gut verstehen. Sie und er hatten ihren Besuch in Steamboat Springs vereinbart, bevor Andrew gebeten hatte, mitkommen zu dürfen … was er erst tat, nachdem Rachel sich geweigert hatte, ihre Reise abzusagen, um mit ihm nach Hawaii zu fliegen.

Vermutlich dachte Andrew jetzt, sie zog Cole vor, aber das stimmte nicht. Nicht wirklich. Sie verbrachte Weihnachten eben gern zu Hause, und Steamboat Springs war fast so etwas wie ihre Heimat. Mehr als New York zumindest.

Und das hatte sie Cole und seiner Familie zu verdanken, nicht ihren Eltern.

„Ich habe es mir nicht anders überlegt, aber ich würde gern stattdessen im Mai mit dir nach Hawaii fliegen, wenn du Geburtstag hast. Falls du dann noch willst.“

„Natürlich“, antwortete Andrew aalglatt. „Ich wollte dir nur eine andere Option bieten, jetzt, wo du deinen Freund wiedergesehen hast.“

„Danke, aber ich fühle mich ganz wohl hier. Und wir werden bestimmt viel Spaß haben!“ Sie tätschelte Andrew einen Arm. „Du wirst bald verstehen, warum ich diesen Ort so liebe, vor allem an Weihnachten.“

„Warst du noch nie hier, Andy?“ Cole lehnte sich lässig in seinem Stuhl zurück, nach außen hin völlig entspannt. „Seltsam, aber ich hätte schwören können, dass ich dich schon mal gesehen habe. Viele Menschen machen hier Urlaub … vielleicht warst du ja mal mit einer Exfreundin hier. Oder einer Exfrau?“

Großer Gott! Das wurde ja immer schlimmer! „Andrew hat keine Exfrauen.“

„Ich werde auch nie welche haben. Ich halte nichts von Scheidungen.“

„Wer tut das schon? Kaum jemand rechnet bei seiner Eheschließung damit, sich scheiden zu lassen“, erwiderte Cole im Plauderton. „Aber so etwas kommt vor. Manchmal heiratet man zu jung oder sucht sich den falschen Partner aus. Und manchmal wird eine Beziehung so kompliziert, dass eine Scheidung der einzig mögliche Ausweg zu sein scheint.“

Er sprach aus Erfahrung. Sein Bruder Dylan war nämlich geschieden. Er hatte zu früh geheiratet, und seine Frau hatte ihn betrogen, war schwanger geworden und hatte Dylan für ihren Liebhaber verlassen.

Rachel hielt zwar auch nichts von Scheidungen, aber sie stimmte Cole zu. Verdammt, sie wäre die Erste, die applaudieren würde, wenn ihre Eltern sich endlich trennten!

„Du hast recht, aber nur zum Teil. Viele dieser Szenarien sind nur das Resultat von Fehlentscheidungen, bevor überhaupt ein Antrag gemacht wurde … oder akzeptiert.“ Andrew nahm Rachels Hand. „Wenn ich einer Frau einen Ring an den Finger stecke, dann für immer.“

Cole sah Rachel vielsagend an. „Im Leben kommt es oft … anders, als man denkt. Eine Menge hängt davon ab, im entscheidenden Moment das Richtige zu tun.“ Er wandte Andrew den Kopf zu, hatte den Blick jedoch auf Rachel gerichtet. „Man kann sich vorher noch so viele Gedanken machen. Solange man nicht in einer Situation drinsteckt, weiß man nicht, wie man reagieren wird. Natürlich ist das nur meine persönliche Meinung.“

Rachel krümmte sich innerlich. Spielte Cole gerade auf ihre vielen gescheiterten Beziehungen an oder wollte er ihr durch die Blume etwas über Andrew mitteilen? Wenn sie das nur wüsste! Nicht zum ersten Mal wünschte sie, sie könnte seine Gedanken lesen.

„Wie dem auch sei“, versuchte sie hastig das Thema zu wechseln. „Andrew war noch nie in diesem Teil von Colorado, also muss ich ihm noch eine Menge zeigen. Ich kann es kaum erwarten, mit ihm Ski zu laufen.“

Cole hob fragend eine Augenbraue und richtete den Blick auf Andrew. „Ach ja? Du bist ein geübter Skifahrer?“

„Nein, aber …“

„Snowboarder?“

„Nein“, wiederholte Andrew. „Natürlich habe ich schon auf Skiern gestanden, aber ich bin immer noch blutiger Anfänger. Rachel zuliebe mache ich gern noch einen Versuch.“

Cole nickte zustimmend. „Das ist gut. Rachel liebt Skifahren … und Snowboarden … und Schlittschuhlaufen.“ Seine Augen funkelten durchtrieben. „Ähnliche Interessen sind sehr wichtig in einer Beziehung. Aber das ist natürlich wieder nur meine persönliche Meinung.“

Andrew richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Deshalb mache ich ja auch gern mit. Wie ich schon gesagt habe.“

„Na ja, streng genommen hast du nur gesagt, dass du es noch mal versuchen willst“, erwiderte Cole gedehnt. „Das ist nicht das Gleiche.“

Rachel war drauf und dran, den beiden eine zu scheuern. „Andrew und ich haben jede Menge gemeinsame Interessen. Wir fahren Fahrrad, gehen ins Fitnesscenter und … Pferde! Ich reite gern, und Andrew ist ein ausgezeichneter Reiter. Er ist auf einer Ranch in Texas aufgewachsen.“

„Gut zu wissen. Hier kann man fast überall reiten. Aber ich glaube …“, Cole kratzte sich nachdenklich das Kinn, „… ich weiß! Wie wär’s, wenn wir uns einen Tag aussuchen und zum Idiotenhügel fahren, Andrew? Dann kannst du die Grundlagen wiederholen und wieder in Form kommen.“

„Ich kann mehr als nur den Idiotenhügel runterfahren“, sagte Andrew trocken. „Und ehrlich gesagt würde ich meine Freundin als Lehrerin vorziehen. So kommen wir uns auch näher, was schließlich Sinn und Zweck unseres Besuchs hier ist.“

Als Rachel Coles Gesichtsausdruck sah, schwante ihr nichts Gutes. Sie kannte diesen Blick. Verdammt, warum konnte er nicht einfach die Klappe halten? Sie wollte ihm eine Hand auf einen Arm legen, um ihn abzulenken, aber er lehnte sich zurück, bevor sie ihn richtig zu fassen bekam. Sie streifte lediglich seine Haut. Die bloße Berührung durchzuckte sie wie ein Stromschlag.

„Wow, tut mir leid, das zu hören. Ich meine, wenn ihr einen Urlaub braucht, um einander näherzukommen, scheint etwas nicht in Ordnung zu sein. Sagt Bescheid, wenn ich euch irgendwie helfen kann … ein Hinweis genügt.“

„Unsere Beziehung ist ausgezeichnet“, gab Andrew scharf zurück. „Und wenn wir Probleme hätten, würde ein Urlaub bestimmt nicht reichen, um sie zu beseitigen.“

„Wir verstehen uns bestens!“, warf Rachel lauter als nötig ein. Andrews Worte versetzten ihr einen Stich. Insgeheim hatte sie ihn tatsächlich mitgenommen, weil sie gehofft hatte, dass ihre gemeinsame Zeit hier ihre Zweifel beseitigen würde. „Hervorragend sogar.“

„Tut mir leid, ich wollte keinen wunden Punkt berühren.“ Cole hob einlenkend die Hände. „Vergesst einfach, was ich gesagt habe. Ich bin davon überzeugt, dass zwischen euch alles in Ordnung ist.“

Rachel war so genervt, dass ihr nur eins einfiel: das Thema zu wechseln. Mal wieder. „Wie läuft eigentlich der Laden diese Saison, Cole?“

„Genauso gut wie immer“, antwortete er amüsiert. „Wir haben viel Laufkundschaft. Zusammen mit dem Ski- und Boardverleih, den Skikursen und Privatstunden läuft es richtig gut.“

Andrew festigte den Griff um Rachels Schultern. „Ach ja, richtig. Du arbeitest ja jetzt bei deinen Eltern. Ich habe gehört, du warst früher mal Skirennläufer. Dein plötzliches Karriereende muss ja ganz schön heftig für dich gewesen sein? Fühlst du dich da jetzt nicht eingeengt?“

Wow! Rachel entzog sich Andrews Umarmung. Seine Worte schockierten sie. So kannte sie ihn ja gar nicht. Eifersüchtig oder nicht, er ging eindeutig zu weit!

„Du verstehst nicht, wie das in der Foster-Familie läuft, Andrew“, sagte sie. „Cole und seine Geschwister sind an sämtlichen Geschäften beteiligt, und zwar zu gleichen Teilen. Alle ziehen an einem Strang. Das stimmt doch, oder, Cole?“

„Richtig.“ Cole wirkte immer noch eher belustigt als sauer. „Und nein, Andrew, ich fühle mich überhaupt nicht eingeengt. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar für alles, was ihre harte Arbeit mir und meinen Geschwistern ermöglicht hat.“

Andrew schwieg einen Moment und fuhr sich dann seufzend mit einer Hand durchs Haar. „Meine Bemerkung war sehr unhöflich. Tut mir leid.“

„Keine Ursache“, antwortete Cole locker. „Meine Familie und ich stehen uns sehr nahe. Manchmal vielleicht ein bisschen zu nahe, aber ich würde nichts daran ändern wollen.“

„Klingt doch gut“, sagte Andrew widerstrebend. „Meine Familie … Unser Verhältnis ist nicht so gut. Du kannst dich glücklich schätzen.“

Rachel verzieh Andrew sofort. Sie wusste nicht genau, was in seiner Familie vorgefallen war, aber er und seine Eltern hatten keinen Kontakt zueinander.

„Ich schätze mich tatsächlich glücklich“, stimmte Cole zu. „In vielerlei Hinsicht.“

„Ich mich auch, seit ich Rachel gefunden habe.“ Andrew schmunzelte. „Und? Gibt es in deinem Leben jemanden?“

Rachel entspannte sich wieder etwas. Endlich erkannte sie in Andrew den Mann wieder, den sie kannte. Der Hahnenkampf schien vorbei zu sein, Gott sei Dank und Halleluja! Vielleicht klappte es ja jetzt mit der Annäherung.

Als Cole nichts auf Andrews Frage erwiderte, sprang sie für ihn ein: „Nein. Cole ist gerade mit niemandem zusammen.“ Er hätte ihr schließlich erzählt, wenn er jemanden kennengelernt hätte, oder? Außerdem hatte Cole bisher nur wenige Beziehungen gehabt. Früher hatte sie ihn deswegen immer aufgezogen.

Doch zu ihrer Bestürzung sagte er: „Ehrlich gesagt … Ich habe es dir schon länger erzählen wollen …“ Er sah sie an und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Ihr Herzschlag passte sich dem Tempo schnell an. „Es gibt da jemanden. Jemand Besonderen.“

Wie bitte?! Sie musste sich verhört haben. „Du hast eine Beziehung? Mit jemand … Besonderem? Echt?“

Bei der Vorstellung verkrampfte sie sich unwillkürlich. Cole war also mit jemand Besonderem zusammen. Einer Frau, die ihm etwas bedeutete.

Und die Frau war nicht sie.

„Ja.“ Er erwiderte ihren Blick direkt, fast durchbohrend. „Es gibt da eine sehr wichtige Frau in meinem Leben. Sie ist vielleicht sogar … nein, ich habe keinen Zweifel. Sie ist die Richtige für mich.“

„Okay.“ Rachel schluckte. Sie hatte plötzlich einen bitteren Geschmack im Mund. Sie wusste selbst, warum diese Neuigkeit ihr so zu schaffen machte. Cole und sie waren schließlich nur Freunde. Sie hatte das längst akzeptiert und sich anderweitig orientiert. „Na, das sind ja … tolle Neuigkeiten! Warum hast du mir nicht eher von ihr erzählt?“

Doch da sie selbst Andrew gegenüber Cole erst vor einer Woche erwähnt hatte, konnte sie ihm kaum Vorwürfe machen. Beziehungen waren eben Privatsache, und Cole war ein sehr verschlossener Mensch. Er hatte das Recht, Dinge für sich zu behalten. Trotzdem störte sie seine Heimlichtuerei. Sehr sogar.

Cole zuckte die Achseln. „Ich erzähle es dir ja jetzt.“

In diesem Augenblick summte Andrews Handy. „Ich muss da rangehen“, sagte er nach einem Blick auf das Display und stand auf. „Entschuldigt mich bitte für einen Augenblick.“

Rachel sah Andrew hinterher und richtete die Aufmerksamkeit dann wieder auf Cole. „Sprich weiter. Wie heißt sie? Und was meinst du damit, sie ist die Richtige für dich? Wann … hast du sie kennengelernt?“

„Ist doch egal.“ Cole beugte sich über den Tisch und nahm Rachels Hand. Die Wärme seiner Berührung vermochte die Kälte in ihrem Inneren nicht zu vertreiben. „Mich hat’s voll erwischt, Rachel. Ich habe mich rettungslos verliebt.“

„Das ist ein Witz, oder?“

„Wieso?“

Rachel sah ihm in die Augen, die ihr so vertraut waren. Augen, in denen sie schon so viele Gefühle gesehen hatte. In diesem Augenblick war sein Blick sehr intensiv. Eine Mischung aus Leidenschaft und Verzweiflung spiegelte sich darin, die sie mitten ins Herz traf. Mit anderen Worten … Liebe.

Er liebte diese Frau offensichtlich, sosehr ihr das auch missfiel. „Ich möchte die Frau kennenlernen, die es geschafft hat, Cole Fosters Herz zu erobern“, sagte sie. „Ich hätte nie damit gerechnet …“ Sie blinzelte. „Das ist einfach wundervoll. Ich freue mich so für dich.“

Cole beugte sich vor und küsste sie freundschaftlich – brüderlich – auf die Wange. „Tja, du bist mit Andrew zusammen und glaubst, er könnte der Richtige sein, während ich bereits die Richtige gefunden habe.“ Er zwinkerte ihr zu. „Ich habe das Gefühl, dieses Weihnachten könnte sehr interessant werden.“

„Genau … interessant.“ So konnte man das auch nennen.

„Du siehst etwas blass aus, Rach. Alles in Ordnung mit dir?“

„Na klar! Ich bin nur … müde.“ Sie trank einen Schluck Kaffee. „Du weißt ja, wie anstrengend Flüge sind.“

„Stimmt.“

Sie zermarterte sich den Kopf, womit sie das Gespräch fortsetzen sollte, aber ihr fiel nichts ein. Cole war also verliebt. Das war etwas Positives! Natürlich war es das. Sie hatte schließlich Andrew. „Also … Andrew müsste jeden Augenblick zurückkommen“, stammelte sie. „Der Anruf war vermutlich von seiner Firma.“

„Er arbeitet sogar im Urlaub? Er scheint ja beruflich ganz schön eingespannt zu sein.“

„Das ist er. Er … Sorry, dass er sich gerade nicht von seiner besten Seite gezeigt hat.“ Rachel wusste selbst nicht, warum sie das Bedürfnis verspürte, Andrew zu verteidigen. „Eigentlich ist er ein ganz toller Mensch.“

„Davon bin ich überzeugt.“

„Gib … gib ihm einfach eine Chance, bevor du ihn verurteilst. Mehr verlange ich nicht von dir.“

„Das mach ich. Die Kyle-Nummer war zwar ganz schön nervig, aber es ist nicht zu übersehen, dass du ihm viel bedeutest. Und das rechne ich ihm hoch an.“

„Dann … bist du also einverstanden mit ihm?“

„Du brauchst mein Einverständnis nicht, Rach“, erwiderte er ernst. „Das weißt du doch, oder?“

Rachel schüttelte den Kopf. Sie war immer noch ganz durcheinander von seiner Neuigkeit. „Ja. Natürlich.“

Cole lächelte. „Genauso wenig wie ich deins brauche.“

„Stimmt.“ Sie holte tief Luft. „Ich würde deine … Freundin wirklich gern kennenlernen. Ich meine, wenn sie bald ein Teil deines Lebens wird …“

„Ja, das wäre toll. Leider ist Cupcake – so nenne ich sie – etwas schüchtern. Es wird nicht leicht sein, sie zu einem Treffen zu überreden.“ Er schloss die Augen, als müsse er nachdenken. „Aber vielleicht wäre es okay für sie, wenn nur du mitkommst. Das ist weniger … einschüchternd, als wenn Andrew dabei ist.“

„Klar“, antwortete Rachel, ohne nachzudenken. Cupcake? Er nannte sie Cupcake?! Cole verwendete nie Kosenamen. Zumindest bis jetzt nicht. „Andrew kann dann einfach zu Hause bleiben.“

„Und das wird ihm nichts ausmachen?“ Cole schien wieder Bedenken zu haben. „Na, ich weiß nicht. Ich will euch keine zusätzlichen Probleme bereiten, wo ihr doch gerade versucht, eure Beziehung zu … kitten.“

„Mit uns ist alles in Ordnung, wir haben keine …“ Ach, egal. Sollte er doch denken, was er wollte. Außerdem hatte er gar nicht so unrecht. „Das wird kein Problem darstellen.“

Cole ließ nicht locker. „Ich will ihn aber nicht verärgern, indem ich zu viel von deiner Zeit in Anspruch nehme. So wie es aussieht, scheint er ziemlich eifersüchtig zu sein.“

„Er wird sich bestimmt wieder beruhigen, jetzt, wo er weiß, dass du eine Freundin hast“, sagte Rachel mit gepresster Stimme.

Cole zögerte einen Moment und nickte dann. „Okay, ich spreche mal mit ihr. Nimm dir in den nächsten Tagen lieber nicht zu viel vor. Es wird nicht leicht, meine Cupcake aus ihrem Schneckenhaus zu locken.“

Was Rachel bisher über die Frau gehört hatte, fand sie einfach nur schräg. Sympathisch klang es jedenfalls nicht, aber sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ich kann es kaum erwarten, sie kennenzulernen.“

„Ich wusste, dass du dich für mich freuen würdest.“ Cole zupfte Rachel am Haar, so wie sonst immer bei seiner Schwester Haley. „Danke, dass du eine so gute Freundin bist.“

„Freunde für immer“, wiederholte sie ihr Motto aus Kindertagen. Und gab dabei die letzte Hoffnung auf – eine Hoffnung, von deren Existenz sie bisher nichts geahnt hatte.

Warum war sie nicht nach Hawaii geflogen?

Als Andrew und Rachel eine Stunde später den Coffeeshop verließen, sah Cole ihnen schlecht gelaunt hinterher. Er wusste selbst nicht, was ihn geritten hatte, sich eine Freundin auszudenken, zumal Andrews Eifersucht ihn eher amüsierte als verärgerte.

Er war noch nicht mal auf Andrews herablassende Bemerkung zu seinem Job angesprungen. Rachel hatte das für ihn übernommen, und Andrews Entschuldigung hatte aufrichtig geklungen. Inzwischen verstand Cole besser, was Rachel an ihm fand. Er empfand sogar fast so etwas wie Sympathie für ihn … na ja, zumindest ein bisschen.

Nein, Cole wäre es nie in den Sinn gekommen, sich eine Frau auszudenken, als Andrew ihn fragte, ob er eine Freundin hätte. Bis Rachel die Frage an seiner Stelle mit einer solchen Selbstverständlichkeit verneinte, dass Cole sie am liebsten geschüttelt und ihr gesagt hätte, dass sie nicht alles über ihn wusste.

Aber wie dem auch sei – der Schachzug hatte funktioniert. Sie war förmlich gelb vor Eifersucht geworden.

Wenn sie einen anderen liebte, dürfte es ihr eigentlich nichts ausmachen, dass Cole eine Freundin hatte, oder? Doch die Neuigkeit hatte sie offensichtlich nicht kaltgelassen. Cole konnte nicht leugnen, dass ihn das mit einer gewissen Genugtuung erfüllte.

Zu schaffen machte ihm nur, dass er gelogen hatte. Wie sollte es jetzt weitergehen? Sollte er Rachel die Wahrheit gestehen oder das Spiel weiterspielen? Verdammt! Er hasste es zu lügen … Andererseits gab Rachels Reaktion ihm irgendwie recht.

Er stand auf, winkte Lola zum Abschied zu und trat nachdenklich in den kalten Dezemberabend hinaus. Was er gesagt hatte, war gar nicht gelogen – es gab eine besondere Frau in seinem Leben. Eine Frau, die er liebte – eine Frau, mit der er den Rest seines Lebens verbringen, mit der er Kinder haben und alt werden wollte.

Rachel nämlich.

In seinem Kopf nahm allmählich ein Plan Gestalt an. Er könnte seine echten Gefühle für Rachel nutzen und sie um Hilfe bitten, die „Frau seiner Träume“ zu umwerben. Wenn Rachels Gefühle für ihn tatsächlich mehr waren als nur Freundschaft, würde sie sich bestimmt früher oder später verraten, oder?

Das Ganze könnte allerdings auch nach hinten losgehen. Vielleicht trieb er sie damit erst recht in Andrews Arme.

Andererseits hatte er nichts zu verlieren. Wenn er gar nichts unternahm, änderte sich jedenfalls nichts.

Es schneite immer noch, als Cole zu seinem Pick-up ging, der vorm Sportgeschäft stand. Plötzlich verspürte er wieder jenen vorweihnachtlichen Zauber, den er dieses Jahr bisher so vermisst hatte. Und dieses Gefühl vertrieb seinen inneren Grinch.

Okay, das Spiel mit Rachel weiterzutreiben, war einen Versuch wert. Vielleicht ließ sich das Feuer zwischen ihnen so wieder entfachen.

Und wenn nicht? Sollte Rachel Andrew lieben und er sie glücklich machen, würde Cole sich ihnen nicht in den Weg stellen. Und dann könnte er endlich mit der Vergangenheit abschließen. Sich Rachel ein für alle Mal aus dem Kopf schlagen … und frei für eine andere werden.

3. KAPITEL

Nachdem Rachel den letzten Teller in den Geschirrspüler gestellt hatte, drehte sie sich zu Andrew um, der nach einem Telefonat in die Küche zurückgekehrt war. „Was wollen wir heute unternehmen? Es schneit zu heftig, um Ski zu laufen, aber wir könnten durch die Stadt bummeln und einen Baum kaufen … oder Weihnachtseinkäufe machen. Was sagst du dazu?“

„Tut mir leid, Rachel, aber das war meine Firma. Es gibt ein paar Probleme mit einem potenziellen Kunden, um die ich mich kümmern muss.“

„Ach.“ Rachel unterdrückte einen Anflug von Enttäuschung. Andrew war ein viel beschäftigter Unternehmensberater, und sie hatte wegen seiner Arbeitszeiten schon öfter zurückstecken müssen. „Tja, du hast mich gewarnt, dass du vielleicht arbeiten musst. Gibt es ein ernstes Problem?“

„Kann sein. Es ist noch zu früh, das zu sagen, aber wir sollten wahrscheinlich …“

„… hierbleiben“, ergänzte Rachel. „Kein Problem! Wir können schon mal den Christbaumschmuck aus dem Keller holen oder uns ein paar alte Filme ansehen oder was zusammen spielen.“ Plötzlich kam ihr eine Idee. „Hey, hast du Lust, Weihnachtsplätzchen zu backen?“

„Du bist wirklich toll, weißt du das?“ Andrew legte sein Handy auf den Küchentresen und nahm sie in die Arme. „Du hast dich bisher nie über meinen Job beschwert. Ich finde das wundervoll an dir, Rachel.“

„Freut mich, dass dir das aufgefallen ist“, witzelte sie und küsste ihn auf eine Wange. „Dein Job ist manchmal echt eine Zumutung.“

„Ich weiß, dass du das so empfinden musst, weil du selbst so viel Zeit hast“, sagte er, wobei er darauf anspielte, dass Rachel nicht arbeitete. „Aber meine Firma ist gerade in einer wichtigen Umbruchphase. Wir wachsen rasant, was gut ist, aber es bringt natürlich eine Menge Arbeit mit sich. Wir brauchen nicht nur neue Kunden, sondern auch mehr Mitarbeiter.“

Andrews Bemerkung über ihre viele Freizeit versetzte ihr einen kleinen Stich, auch wenn sie wusste, dass er es nicht böse meinte. Sie war mit den zahlreichen Festen und Wohltätigkeitsveranstaltungen ihrer Eltern und gelegentlichen Kursen gut ausgelastet.

Doch Andrew hatte recht. Sie hatte definitiv mehr Zeit als er.

„Ich kann mich gut in dich hineinversetzen, deshalb nehme ich dir auch nichts übel.“ Sie freute sich über seine Dankbarkeit, aber seine ungeteilte Aufmerksamkeit wäre ihr lieber. Vor allem heute, an ihrem ersten gemeinsamen Tag in Steamboat Springs. „Und? Worauf hast du Lust? Backen, Weihnachtsdeko, ein Spiel oder einen Film?“

„Backen …“ Andrew drehte sich zu seinem Handy um, als er ein Summen hörte, doch es war Rachels Handy, das klingelte. „Geh ruhig ran. Ich durchsuche schon mal die Schränke nach den Zutaten.“

Rachel nickte und nahm das Gespräch an, ohne auf das Display zu sehen.

„Hi, Rach. Wie geht es dir so heute Morgen?“, hörte sie Cole jovial fragen.

Beim Klang seiner tiefen warmen Stimme schmolz sie dahin wie Butter in der Sonne. „Wunderbar“, antwortete sie betont fröhlich. „Und dir?“

„Gut. Sehr gut sogar. Hör mal, du hast bestimmt schon etwas vor, aber ich wollte dich trotzdem fragen, ob wir uns nicht zum Mittagessen treffen wollen.“

„Mittagessen? Heute?“ Als sie sah, dass Andrew inzwischen das Mehl und den Zucker gefunden hatte, zeigte sie auf den Schrank mit den Rührschüsseln. „Du meinst, nur wir beide? Oder wird deine bessere Hälfte uns Gesellschaft leisten?“ Nie im Leben würde ihr der Spitzname „Cupcake“ über die Lippen kommen.

„Ich glaube schon, dass sie mitkommt.“

„Echt? So schnell konntest du sie überzeugen? Ich dachte, sie ist so schrecklich schüchtern. Oder habe ich da etwas missverstanden?“

„Was soll ich sagen? Frauen sind mir einfach ein Rätsel. Immer wenn ich denke, ich habe sie durchschaut, ändern sie den Kurs, und ich muss wieder von vorn anfangen.“ Cole seufzte theatralisch. „Ich muss schon sagen, ihr seid wirklich verwirrend. Meistens redet ihr in irgendeinem Geheimcode und lasst uns arme Kerle im Dunkeln tappen.“

„Ach ja? Ihr ‚armen Kerle‘ beherrscht die Welt, ruft nicht an, obwohl ihr gesagt habt, dass ihr es tut, und dann zerbrechen wir armen Frauen uns den Kopf, was wir falsch gemacht haben … und was wir tun können, um euer Verhalten zu ändern.“

„Schätzchen“, sagte Cole gedehnt, „es mag ja vielleicht so aussehen, als würden wir Männer die Welt beherrschen, aber in Wirklichkeit beherrscht ihr uns. Euer Team hat bei jeder Diskussion die Oberhand. Frag nur Andrew, falls du mir nicht glaubst.“

„Das mach ich.“ Hm … Wenn das stimmte, warum hatte sie dann immer das Gefühl, auf der Verliererseite zu stehen?

„Was ist nun mit dem Mittagessen?“, hakte Cole nach.

„Also …“ Rachel wusste nicht recht, ob sie schon bereit dazu war, Coles Cupcake kennenzulernen. „Andrew und ich backen gerade Weihnachtsplätzchen, und das könnte … eine Weile dauern. Daher weiß ich nicht, ob ich heute …“

„Geh nur, Rachel“, sagte Andrew. „Ich werde wahrscheinlich sowieso arbeiten müssen. Aber ein Blech schaffen wir bestimmt.“

„Einen Moment mal“, sagte sie zu Cole und deckte ihr Handy mit einer Hand ab. „Bist du sicher? Ich weiß nicht, wie lange ich unterwegs sein werde.“

„Du triffst dich mit Cole und seiner Freundin, oder?“

„Ja.“

„Dann bin ich mir sicher.“ Andrew zog eine Schublade auf und nahm einen Messbecher heraus. „Dann kommst du aus dem Haus, und ich kann mich auf meine Arbeit konzentrieren, ohne mich schuldig zu fühlen. Klingt nach einer Win-win-Situation. Für alle Beteiligten.“

„Stimmt. Win-win.“ Rachel nickte, doch innerlich war sie niedergeschlagen … und irgendwie enttäuscht. Sie legte das Handy wieder ans Ohr. „Das klappt, Cole. Wann und wo sehen wir uns? Bei Foster’s?“ Sie meinte das Restaurant der Familie.

„Nein“, antwortete Cole nach kurzem Zögern. „Lass uns zu Dee’s Deli gehen. Sagen wir, um eins?“

„Okay. Bis später dann.“ Rachel legte auf und lächelte Andrew geistesabwesend zu. Er legte gerade sämtliche Utensilien auf dem Tresen zurecht. Irgendwie süß. Und … häuslich. „So, alles geklärt.“

„Gut. Freust du dich schon, Coles bessere Hälfte kennenzulernen?“

„Ich bin vor allem neugierig. Und ob sie wirklich seine bessere Hälfte ist, wird sich erst noch herausstellen.“ Ihre törichte Gereiztheit brach sich plötzlich Bahn. „Er nennt sie Cupcake. Cupcake! Ist das nicht total lächerlich?“

Andrew musterte sie aufmerksam. „Warum regst du dich so auf? Ist es nicht egal, wie er sie nennt?“

„Ich rege mich nicht auf. Ich bin nur …“ Sie seufzte. „Du hast recht, es ist eigentlich völlig egal. Wahrscheinlich bin ich nur nicht daran gewöhnt, dass Cole eine Freundin hat.“

„Kann ich verstehen.“ Andrew ging zu ihr und küsste sie auf die Stirn. „Vergiss ihn und seine Cupcake einfach und lass uns Plätzchen backen.“ Er grinste. „Das habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr getan. Vielleicht wird das ja eine neue Tradition bei uns.“

„Klingt gut.“

„Nicht wahr?“ Andrew wurde unvermittelt ernst. „Tut mir leid, dass mir die Arbeit mal wieder dazwischenfunkt. Und dass ich Cole gegenüber gestern so unhöflich war. Verzeihst du mir?“

„Natürlich. Aber da gibt es nichts zu verzeihen.“

Rachel konnte seinen eindringlichen Blick und seine lieben Worte nicht mehr ertragen und drehte sich um. Sie nahm die Ausstechförmchen aus einer Schublade und legte sie auf den Tresen, bevor sie nach dem Backbuch griff. „Lass uns eine neue Tradition ins Leben rufen.“

Andrew sah sie immer noch aufmerksam an, hakte jedoch nicht weiter nach, sondern stellte sich neben sie.

Rachel versuchte verzweifelt, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren und die Zeit mit Andrew zu genießen, aber ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Ja, verdammt, es störte sie, wie Cole seine Freundin nannte! Warum hatte er nicht ihren richtigen Namen erwähnt? Und wieso hatte er ausgerechnet Dee’s zum Essen vorgeschlagen?

Vielleicht gab es dafür ja eine Erklärung. Vielleicht hatte Coles Familie etwas gegen Cupcake. Oh Gott, das hieß dann ja …

Rachels Magen krampfte sich wieder schmerzlich zusammen. Falls ja, musste Cole diese Frau wirklich lieben. Seine Familie und die Meinung seiner Eltern und Geschwister waren ihm zu wichtig, um mit einer Frau zusammenzubleiben, für die er keine echten Gefühle hatte.

Seufzend versuchte sie, diese deprimierenden Gedanken zu verdrängen. Sie musste sich auf die Gegenwart konzentrieren. Auf Andrew.

Denn dort lag vielleicht ihr künftiges Glück.

Cole stand vor Dee’s Deli mit einer Take-away-Schachtel in einer Hand und wartete auf Rachel. Ehrlich gesagt war es ein bisschen zu kalt für ein Picknick, aber er konnte Rachel unmöglich mit zu Foster’s nehmen – nicht, bevor er mit seiner Familie gesprochen hatte.

Sein ganzer Plan würde ruiniert sein, wenn Rachel sich zufällig bei seinen Eltern nach seiner Freundin erkundigte. Und Cole wusste nicht, ob er das Theater überhaupt durchziehen konnte. Aber ohne die Hilfe seiner Familie ging es erst recht nicht. Er nahm sich fest vor, noch heute Abend mit den anderen zu reden.

Bis dahin würde ein Winterpicknick als Erklärung für seine Entscheidung, zu Dee’s zu gehen, reichen. Dann musste er Rachel nur noch erklären, warum Cupcake nicht mitkam, aber ihm würde schon etwas einfallen. Zumindest hoffte er das.

Für ein paar Sekunden hatte er mit sich gerungen, ob er Rachel nicht einfach seine wahren Gefühle gestehen sollte. So wie ursprünglich geplant, bevor Andrew auf der Bildfläche aufgetaucht war. Doch er hatte die Idee sofort wieder verworfen, da er die Vorstellung einfach nicht ertragen konnte, zurückgewiesen zu werden, während ein anderer Mann im Spiel war, so albern man das auch finden konnte.

So behielt er zumindest ein bisschen die Kontrolle … und bewahrte sich einen winzigen Rest Würde. Wenn Rachel nicht anbiss, würde er so oder so Bescheid wissen, ohne dass sie auch noch auf seinem Herzen herumtrampelte. Nach ihrer Rückkehr nach New York würde er ihr dann einfach erzählen, dass seine Beziehung mit Cupcake vorbei war.

Rachel und er würden Freunde bleiben. Sie würde nie die Wahrheit erfahren, und eines Tages würde er vielleicht eine andere Frau kennenlernen, mit der er sich eine gemeinsame Zukunft vorstellen konnte.

Als Rachel in diesem Augenblick die Straße überquerte – so in Gedanken versunken, dass sie ihrer Umgebung keine Beachtung schenkte –, wusste Cole jedoch, dass es für ihn nie eine andere Frau geben würde.

Zumindest nicht in diesem Leben.

Kurz bevor Rachel das Haus verließ, hatte Andrew sich mit seinem Laptop und seinem Handy ins Arbeitszimmer ihres Vaters zurückgezogen. Die Plätzchen waren fertig und sollten nach Rachels Rückkehr mit Zuckerguss überzogen werden. Andrew hatte versprochen, mit ihr abends einen Baum kaufen zu gehen – falls er seine Arbeit schaffte. Falls nicht, dann eben am nächsten Tag oder am Tag danach.

Sie hatten noch jede Menge Zeit. Weihnachten war erst in knapp zwei Wochen, weshalb ein paar Tage mehr oder weniger keinen Unterschied machten.

Aber irgendwie machten sie doch einen.

Rachel hatte ihre fehlende Weihnachtsstimmung bisher darauf geschoben, dass sie einfach noch zu verwirrt war. Weihnachten war immer ihr Lieblingsfest gewesen und die Adventszeit ihre liebste Zeit im Jahr. Sie wollte wieder jene Freude und jenen Zauber spüren, die sie sonst immer so mühelos empfunden hatte.

Und dazu gehörte, möglichst früh einen perfekten Baum zu kaufen.

Der Weihnachtsbaum war das Zentrum der Feiertage. Man legte seine Geschenke darunter, betrachtete die Lichter und sang vielleicht sogar ein paar Weihnachtslieder. Man schmückte ihn festlich und rief sich dabei vergangene Feste in Erinnerung.

Der Baum war das Wichtigste am Weihnachtsfest. Natürlich konnte sie auch allein einen kaufen, wie sie es schon öfter gemacht hatte. Aber wenn sie sich unsterblich in Andrew verlieben wollte, musste sie das mit ihm zusammen tun. Eine weitere Tradition ins Leben rufen. Aber dafür musste er erst mal Zeit für sie finden.

Sie fragte sich allmählich, ob es für ihn nicht sinnvoller gewesen wäre, bis kurz vor Weihnachten in New York zu bleiben. Sie wusste, dass er Jobprobleme gern vor Ort löste. Vermutlich wäre er jetzt viel lieber im Büro als bei ihr.

Sei nicht so pessimistisch, schimpfte sie mit sich selbst. Du hast keine Ahnung, was in ihm vorgeht.

Das stimmte natürlich. Aber sie wusste, wie sie sich fühlte.

Und außerdem würde es ihr viel leichter fallen, ihr völlig unbegründetes Genervtsein und ihr Gefühlschaos wegen Cole in den Griff zu kriegen, wenn sie sich nicht auch noch Gedanken wegen Andrew machen müsste …

Sie war so tief in Gedanken versunken, dass sie Cole erst sah, als sie direkt in ihn hineinrannte und er sie festhalten musste, damit sie nicht auf dem glatten Bürgersteig ausrutschte. Erschrocken trat sie einen Schritt zurück. „Sorry, ich habe dich gar nicht gesehen.“

„Ist mir schon aufgefallen“, bemerkte er trocken. Seine dunkelbraunen Augen funkelten amüsiert … und spiegelten etwas wider, das Rachel nicht näher bezeichnen konnte. „Du solltest besser aufpassen, sonst rennst du noch gegen eine Wand.“

Das wäre nicht das erste Mal. „Danke für die Warnung.“

„Tja, so bin ich eben. Eine nie versiegende Quelle guter Ratschläge. Alles okay mit dir?“

„Klar.“ Beruhige dich, schärfte Rachel sich und ihrem galoppierenden Puls ein. Das hier war Cole. Ihr Freund. Ihr guter Freund. „Warum stehst du eigentlich hier draußen?“

„Ich warte auf dich.“

Rachel hob eine Augenbraue. „Noch mal: warum hier draußen?“ Wollte er ihr vielleicht etwas sagen, das er im Beisein seiner Freundin nicht sagen konnte … oder wollte? „Gibt es ein Problem?“

„Nein, gar nicht.“ Grinsend hielt Cole die Schachtel mit ihrem Lunch hoch. „Ich dachte nur, wir essen heute an der frischen Luft. Cupcake liebt Winterpicknicks, und ich mache ihr gern eine Freude.“

„Wie … nett.“ Rachel war auch gern an der frischen Luft, aber mal im Ernst – ein Picknick mitten im Winter?!

„Sie steht total darauf.“ Er musterte sie aufmerksam. „Aber wenn dir die Idee nicht gefällt, hat Cupcake sicherlich Verständnis. Sie hat heute allerdings nur wenig Zeit, deshalb müssen wir dieses Treffen vielleicht auf ein ander…“

„Nein!“, rief Rachel viel zu laut. Autsch. „Ich liebe Winterpicknicks, Cole!“, fügte sie etwas leiser hinzu und sah sich suchend um. „Ich nehme an, wir treffen sie … wo auch immer das Picknick stattfindet?“

„Richtig geraten. Ich wusste deine überragende Beobachtungsgabe immer schon zu schätzen.“

„Wie witzig!“

Cole zwinkerte ihr frech zu und hakte sich bei ihr unter. „Wir sollten allmählich losgehen, bevor du hier noch festfrierst.“

„Mir ist warm genug, aber klar … lass uns gehen“, sagte Rachel betont munter. „Wir wollen Cupcake schließlich nicht warten lassen.“

„Nein, das wäre unhöflich.“ Er schlenderte los.

„Wie heißt sie eigentlich richtig?“, erkundigte Rachel sich, als sie sich der Grundschule näherten. Hm. Wenn sie hier aßen, war Coles Freundin vielleicht Lehrerin? „Es ist auf die Dauer etwas ermüdend, sie wie ein Törtchen zu nennen … oder einfach nur unspezifisch ‚sie‘. Also spuck’s aus, Cole. Wie heißt sie richtig?“

„Es treibt dich in den Wahnsinn, dass du nicht weißt, wer sie ist, oder? Da“, sagte Cole und zeigte auf den Schulhof. „Ich fege den Schnee von einer Bank, und dann können wir es uns gemütlich machen.“

„Cole!“, sagte Rachel genervt und … okay, ein bisschen wahnsinnig. „Wie heißt sie?“

„Du fragst dich jetzt bestimmt, warum ich dir das noch nicht gesagt habe, hm? Und hast schon jede Menge Theorien. Zum Beispiel, dass meine Familie etwas gegen sie hat?“

„Ist das denn so?“

„Sie können sie gut leiden, Rachel.“ Cole zuckte die Achseln, wobei ihm das schwarze Haar in die Stirn fiel. Es juckte sie in den Fingern, es zurückzustreichen. „Aber ich kann dir ihren Namen nicht verraten.“

„Du … kannst mir den Namen deiner Freundin nicht verraten?“ Rachel riss ihren Arm los und stützte die Hände in die Hüften. „Das ist doch völlig absurd!“

„Nur weil du meine Gründe noch nicht kennst.“ Cole reichte ihr die Schachtel mit dem Essen. „Gib mir eine Minute Zeit, und dann erkläre ich dir alles. Beim Mittagessen.“

Es war ein Donnerstag, aber der Schulhof war leer. Zu kalt und zu viel Schnee. Rachel schirmte mit einer Hand die Augen vor der Sonne ab und sah sich nach der Frau um, die sie treffen sollten. Keine Spur von Cupcake. Müsste sie nicht inzwischen hier sein? „Sie kommt anscheinend nicht. Aber das war sowieso nicht vorgesehen, oder, Cole?“

Cole wurde ernst. „Nein, sie kommt nicht. Ich habe das Treffen mit ihr nur als Vorwand genutzt, damit wir unter uns sind. Ohne Andrew.“

„Ich verstehe.“ Rachel zählte innerlich bis zehn. „Warum?“

„Weil ich deine Hilfe brauche.“

„Du brauchst Hilfe?“

„Musst du immer das, was ich sage, als Frage wiederholen?“

Sie klopfte ungeduldig mit einem Fuß auf den Boden. Und wartete.

„Die Situation ist folgendermaßen, Rachel.“ Cole legte ihr die Hände auf die Schultern und sah ihr direkt in die Augen. „Ich will dieser Frau, die ich liebe, Weihnachten einen Antrag machen. Aber ich habe ein paar … sagen wir mal … Probleme, sie davon zu überzeugen, dass das mit uns eine Zukunft hat. Ich brauche deinen Rat, damit ich ihr so romantisch den Hof machen kann, dass sie Ja sagt.“

„Antrag? Du meinst einen … Heiratsantrag?“, fragte Rachel erschrocken. „Dieses Weihnachten?“

„Das ist mein Ziel, ja. Und deshalb kann und will ich dir ihren Namen nicht verraten. Ich will nicht, dass du mit einer vorgefassten Meinung an die Sache herangehst.“ Cole lächelte schwach. „Ich brauche jemanden, der objektiv bleibt.“

Rachel schluckte und trat einen Schritt zurück. „Und wenn ich ihren Namen weiß, befürchtest du … was? Dass ich irgendetwas erfahre, das mich davon abhält, dir bei deinem … Hofieren zu helfen? Nur weil ich ihren Namen kenne?“

„Ganz genau! Na ja, du könntest ihr zufällig in der Beanery oder bei Foster’s über den Weg laufen. Wenn du ihren Namen nicht kennst, fällt sie dir auch nicht auf, verstehst du? Oder du kriegst mit, dass Leute über sie reden, und wirst hellhörig.“ Er lächelte selbstzufrieden, als würde seine Erklärung ihm außerordentlich gefallen. „So musst du dich auf das verlassen, was ich dir sage.“

„Ich verstehe.“

„Ich wusste es.“ Cole nahm Rachels Hand und drückte sie. „Diese Frau ist etwas Besonderes, deshalb will ich alles richtig machen. Sie verdient so unendlich viel mehr, als ihr bewusst ist, und ich will derjenige sein, der es ihr gibt.“

Wow. Einfach nur … wow.

„Ich glaube, ich verstehe doch nicht ganz“, stieß Rachel hervor. „Wenn ihr euch liebt, wozu brauchst du dann Hilfe? Und ausgerechnet von mir?“

Cole fegte den Schnee von einer Bank und forderte Rachel mit einer Handbewegung auf, sich hinzusetzen, doch sie blieb stehen. Sie wollte erst eine Antwort.

„Sie hatte in der Vergangenheit … ein paar Probleme mit Männern. Und eine schwierige Kindheit. Und deshalb hat sie diese Mauer um sich herum errichtet.“ Cole wandte den Blick ab. „Ich fürchte, sie wird mir davonlaufen, wenn ich nicht aufpasse, und das kann ich auf keinen Fall riskieren, Rach.“

„Ach.“ Plötzlich wusste Rachel, worauf er hinauswollte. Sie begann zu zittern, bevor sie den Mut aufbrachte, das Offensichtliche zu sagen. „Klingt ganz nach mir, oder?“

Er nickte.

Ihr schossen die Tränen in die Augen. Rasch blinzelte sie sie weg. „Dann soll ich dir also deshalb helfen? Weil du glaubst, dass ich dir am ehesten raten kann, wie man diese Mauer überwindet?“

„Deshalb … und weil du meine beste Freundin bist.“

„Stimmt. Beste Freundin.“ Tja, wenigstens war er ehrlich. „Ich … das kommt ganz schön überraschend.“

Cole musterte sie eindringlich. Seine angespannte Haltung und seine zusammengepressten Lippen verrieten ihr, wie wichtig ihm das hier war. „Du brauchst mir nicht sofort zu antworten. Ich weiß, dass ich viel von dir verlange, zumal du dadurch vielleicht weniger Zeit mit Andrew hast. Lass dir also Zeit.“

Rachel schloss die Augen und versuchte, sich eine Ausrede einfallen zu lassen. Sie konnte Coles Einwand nutzen und Andrew vorschieben, doch seit heute Morgen hatte sie irgendwie das dumpfe Gefühl, dass Andrew in den nächsten Tagen sowieso nicht viel Zeit für sie haben würde.

Oder sie konnte Cole einfach sagen, dass ihr diese Aufgabe zu unangenehm war. Oh Gott, war das alles schrecklich! Sie hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Sie wollte das hier nicht, wollte Cole – von dem sie sich so viel erhofft hatte – nicht dabei helfen, eine andere Frau zu erobern … Die Frau, die er heiraten wollte.

Es wäre ganz klar das Beste, Nein zu sagen.

Auf der anderen Seite hatte sie Cole schon mal im Stich gelassen, als er sie dringend brauchte. Aus Angst und weil alles so kompliziert war … und weil sie noch ganz andere Probleme hatte, die sie ihm nie richtig erklärte. Weil sie sie selbst nicht verstand. Damit hatte sie ihn tief verletzt. Verdammt, sie hatte ihnen beiden geschadet … dem, was hätte zwischen ihnen sein können, und ihrer Freundschaft.

Nein, diesen Fehler würde sie nicht noch mal machen. Ganz egal wie schwer es ihr fallen würde, Cole zu helfen – sie konnte ihm seine Bitte nicht abschlagen. Also ignorierte Rachel ihren inneren Widerstand und fügte sich in ihr Schicksal. Cole Foster und Rachel Merriday würden Freunde bleiben. Freunde für immer.

„Na schön.“ Sie öffnete die Augen. „Dann lass uns mal sehen, was wir tun können, um dich unter die Haube zu bringen“, sagte sie mit aufgesetzter Fröhlichkeit. „Betrachte es …“, sie holte tief Luft, „… als mein Weihnachtsgeschenk.“

Er umarmte sie so stürmisch, dass ihr die Luft wegblieb. Sie konnte seine Körperwärme durch ihre Jacken spüren. „Danke“, flüsterte er. „Ich würde es nicht ohne dich schaffen.“

4. KAPITEL

Nachdem Cole seine Familie in seine Pläne eingeweiht hatte und seine Eltern und Geschwister sich bereit erklärt hatten, Rachel so gut es ging aus dem Weg zu gehen und bei etwaigen Begegnungen nicht auf deren Fragen einzugehen, verabredete er sich für den nächsten Tag mit Rachel, um mit ihr shoppen zu gehen.

Für Cupcake.

Er wollte seiner „Freundin“ bis Weihnachten ein vorzugsweise romantisches und persönliches Geschenk täglich machen – eine Art Countdown, bis er auf die Knie fallen und seinen Antrag machen würde. Die Geschenke würden natürlich alle auf irgendeine Weise einen Bezug zu Rachel haben. Einen Bezug zu ihnen.

Rachel würde daher ironischerweise Geschenke für eine „Freundin“ aussuchen, hinter der sich in Wirklichkeit sie selbst verbarg. Würde sie irgendwann darauf kommen? Vielleicht nicht. Die meisten Menschen hatten eine ganz andere Wahrnehmung von sich selbst, als andere sie hatten.

Aber Rachel war nicht auf den Kopf gefallen. Es konnte gut sein, dass sie sich selbst in Coles Beschreibung seiner „Freundin“ wiedererkennen und ihn damit konfrontieren würde. Nach seinem Geständnis würde sie ihn dann nur mitleidsvoll anlächeln und achselzuckend erklären, geschmeichelt zu sein, aber Andrew zu lieben – was ihm doch hätte klar sein müssen.

Anstatt ins Einkaufszentrum zu fahren, hatte Cole beschlossen, sich auf die kleinen Läden in Steamboat Springs zu konzentrieren. Was vielleicht riskant war. Die bloße Erwähnung seiner „Freundin“ einem ihnen zufällig begegnenden Freund oder Bekannten gegenüber konnte seinen Plan sofort zunichtemachen. Aber das Einkaufszentrum war nun mal nicht sehr romantisch. Kein Vergleich zu den charmanten, weihnachtlich geschmückten Straßen und Gassen.

„Und wie gehen wir vor?“, fragte Rachel sachlich. Offensichtlich nahm sie ihre Aufgabe, ihm zu helfen, sehr ernst. Cole wusste nicht genau, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. „Wir könnten natürlich einfach durch die Läden bummeln und uns inspirieren lassen, oder wir gehen erst mal einen Kaffee trinken, notieren uns sämtliche Ideen und haken eine nach der anderen ab. Ich wäre für Letzteres. Dann sind wir schneller fertig.“

„Aber das macht nur halb so viel Spaß.“ Cole hatte nicht die Absicht, schnell fertig zu sein. Er hatte gehofft, den ganzen Nachmittag mit Rachel zu verbringen, nicht nur ein paar Stunden. „Ich bummle lieber mit dir herum. Außerdem“, fügte er grinsend hinzu, „kann ich dabei auch dir helfen.“

Rachel sah ihn verwirrt an. „Wobei?“

„Bei deinen Weihnachtseinkäufen natürlich. Du hast bestimmt noch nicht alle Geschenke beisammen. So wie ich dich kenne, wartest du wieder bis zur letzten Sekunde.“

Sie zuckte die Achseln. „Stimmt, aber ich bin noch nicht so weit. Mein Baum steht noch nicht.“

„Und du kannst nicht einkaufen, bevor du nicht weißt, wo du die Päckchen hinlegen sollst, oder? Dann lass uns das doch heute gleich mit erledigen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Ich habe Andrew versprochen, den Baum mit ihm zusammen zu besorgen. Vielleicht heute Abend. Oder morgen. Oder … demnächst eben.“

Cole merkte ihr an, dass sie enttäuscht war. Er wusste, wie sehr Rachel Weihnachten und alles, was damit zusammenhing, liebte – auch das Dekorieren.

„Hey, Kopf hoch. Wenn Andrew in den nächsten zwei Tagen keine Zeit findet, hat er bestimmt nichts dagegen, wenn wir das zusammen machen. Wie du selbst gesagt hast, ist er ein toller Mann, und tolle Männer wollen ihre Freundinnen glücklich machen. Stimmt’s?“

„Stimmt.“

„So, und jetzt legen wir los.“ Er rieb sich die Hände. „Das wird lustig, versprochen.“

„Klar doch. Lustig. Ich kann’s kaum erwarten.“ Sie blinzelte ein paarmal.

„Ich auch nicht. Gut, dass wir uns einig sind.“

Argwöhnisch sah sie ihn an. „Bist du krank? Oder … keine Ahnung, verblendet? Du hasst doch shoppen genauso wie ich!“

„Normalerweise schon“, räumte er ein und nahm sie an der Hand. „Aber diesmal ist es etwas Besonderes, und außerdem ist Weihnachten.“

„Eindeutig krank.“ Sie lächelte gezwungen. Cole nahm sich vor, ihr im Laufe des Tages ein echtes Lächeln zu entlocken. „Tja, Mr. Weihnachtsstimmung, dann lass uns mal loslegen. Es ist eiskalt hier draußen.“

Es lag ihm auf der Zunge, diverse Aufwärmmethoden vorzuschlagen, doch er verzichtete darauf. Leider fiel es ihm schwerer, seine entsprechenden Fantasien zu verdrängen.

Schweigend und Hand in Hand schlenderten sie den Bürgersteig entlang. Es fühlte sich irgendwie … natürlich an. So selbstverständlich.

Als sollte es so sein.

Gäbe es nicht eine erfundene Freundin und einen sehr reellen Mann, der zu Hause auf Rachel wartete.

Beim Gedanken an Andrew bekam Cole ein schlechtes Gewissen. „Und? Was treibt Andrew heute so? Ist es okay für ihn, dass du jetzt hier bist?“

„Ja, er muss sowieso arbeiten. Anscheinend ist er der Einzige in seiner Firma, der fähig ist, Probleme zu lösen.“ Sie blieb stehen und schüttelte schuldbewusst den Kopf. „Sorry, das ist nicht fair von mir. Andrew hat schon vorher angekündigt, hier arbeiten zu müssen. Und ja, er ist einverstanden. Er hat gesagt, er sei sogar erleichtert, dass ich einen ‚Zeitvertreib‘ habe, während er damit beschäftigt ist, die aktuellste Krise abzuwenden.“

„Aha. Dann hattest du also recht damit, dass seine Eifersucht nachlassen wird.“

„Sieht ganz danach aus.“

„Tja, das sind doch gute Neuigkeiten.“

„Stimmt schon. Es ist nur irgendwie … irritierend, nachdem er sich dir gegenüber so komisch benommen hat.“

„Irritierend, weil du es vorziehen würdest, wenn Andrew eifersüchtig auf unsere Beziehung wäre?“

Sie ging weiter. „Ja. Nein. Ich meine, nicht direkt auf unsere Beziehung, aber weil ich den ganzen Tag mit einem gut aussehenden, sexy Mann verbringe. Das sollte ihm doch irgendwie zu schaffen machen, oder?“

„Du findest also, ich sehe gut aus? Und bin sexy?“

Sie verdrehte genervt die Augen. „Das dürfte dich ja wohl kaum überraschen. Erinnerst du dich nicht mehr an die weiblichen Fans, die dir ihre Slips in die Hosentasche gesteckt haben? Oder die mit nichts weiter als einem Mantel bekleidet vor deiner Hoteltür standen? Ja, du siehst gut aus.“

„Hey, das mit den Slips ist nur einmal passiert.“

„Drei Mal. Einmal hier, einmal in Vail und einmal in Aspen.“

Verdammt, ihre Erinnerung war besser als seine. „Aber das mit dem Hotel war nur … ach, egal“, sagte er, als ihm auf Anhieb sechs Gelegenheiten einfielen. Obwohl er nicht widerstehen konnte hinzuzufügen: „Diesmal hast du nicht sexy gesagt. Nur gut aussehend.“

Sie murmelte etwas Abfälliges über Männer und ihre Egos. „Okay, du bist auch sexy. Lieber Gott! Bist du jetzt zufrieden?“

„Und wie. Aber vor allem freue ich mich, dass Andrew dir keine Probleme macht.“ Als sie um eine Ecke bogen, zeigte er auf einen Laden, in dem man Kunsthandwerk „made in Steamboat Springs“ bekam. „Lass uns doch hier anfangen“, schlug er vor.

Die Glocke über der Tür bimmelte, als sie eintraten, und natürlich schallte ihnen auch hier die unvermeidliche Weihnachtsmusik entgegen. Der Laden war relativ leer; nur eine Handvoll Kunden sahen sich um. Zu seiner Erleichterung kannte Cole niemanden. Ja, das hier war der ideale Ausgangspunkt.

Rachels Augen leuchteten auf. „Ich liebe diesen Laden“, sagte sie. Ihre Wangen waren von der Kälte gerötet und ihre Lippen so herrlich rot, dass Cole sie am liebsten küssen wollte. Der Wind hatte ihr das Haar zerzaust. Wunderschön.

So wunderschön, dass sein Kopf plötzlich wie leer fegt war. So sah sie wahrscheinlich nach dem Sex aus. Zerzaust und … Augenblicklich spürte er ein lustvolles Ziehen in der Leistengegend. Seine Fantasien von gerade eben kehrten zurück und raubten ihm die Fähigkeit, klar zu denken, zu sprechen und … verdammt noch mal, zu atmen.

„Ist sie eine Künstlerin?“, fragte Rachel.

„Äh … wer?“ Wenn er nur einen Schritt auf sie zugehen würde, könnte er sie küssen. Sein Wunsch, nein, sein Verlangen danach wurde überwältigend. Fast hätte er die Selbstbeherrschung verloren. Doch in diesem Augenblick wurde ihm bewusst, von wem sie sprach … und warum sie überhaupt hier waren.

Wegen seiner Freundin … Cupcake. Gott steh ihm bei! „Nein, ist sie nicht“, sagte er heiser.

„Sammelt sie etwas?“

„Nein.“

Rachel sah sich unschlüssig in dem kleinen Laden um, was Cole Zeit gab, sich wieder zusammenzureißen. Mental und körperlich. Er wendete eine Konzentrationstechnik aus seiner Profi-Zeit im Skizirkus an, verlangsamte seinen Atem, entspannte bewusst die Muskeln und stellte sich sein Ziel bildlich vor.

Früher war es ihm nur um den Sieg gegangen. Jetzt ging es ihm um eine Zukunft mit Rachel. Er konnte ihr künftiges gemeinsames Leben förmlich vor sich sehen, voller Liebe und gegenseitiger Unterstützung.

Als Rachel sich zu ihm umdrehte, hatte er sich wieder unter Kontrolle. „Suchst du hier etwas Bestimmtes?“, fragte sie.

„Nein, wir wollten uns doch beim Bummeln inspirieren lassen, weißt du noch?“

„Stimmt.“ Sie seufzte tief. „Hast du zumindest irgendwelche Ideen, was du ihr schenken könntest? Damit ich eine Basis für irgendwelche Tipps habe?“

„Nein, keine einzige“, entgegnete er ungerührt

Sie biss sich auf die Unterlippe. Genervt, wie Cole annahm. „Kann sie irgendetwas gebrauchen? Ist dir das mal aufgefallen, als du bei ihr warst?“

„Hm.“ Cole runzelte mit gespielter Nachdenklichkeit die Stirn. „Ehrlich gesagt könnte sie einen neuen Staubsauger gebrauchen. Aber hier werden wir keinen finden. Vielleicht sollten wir zum Elektrofachmarkt fahren?“

Ungeduldig aufstöhnend löste Rachel ihre Hand aus seiner. „Du Idiot!“, schimpfte sie, lächelte dabei jedoch ihr erstes aufrichtiges Lächeln an diesem Tag. Ein wunderschönes Lächeln. „Was, bitte sehr, ist denn daran romantisch?“

„Du hast mich gefragt, ob sie etwas braucht“, protestierte er. Insgeheim amüsierte er sich köstlich. „Sie braucht einen. Und wieso bin ich jetzt ein Idiot?“

„Das ist ein viel zu praktisches Geschenk!“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich meine etwas … Hübsches, Weibliches. Kerzen. Oder so etwas.“ Sie zeigte auf einen Stapel Quilts.

Cole kratzte sich am Kinn, als verwirre sie ihn komplett. „Dann soll ich ihr also keinen Staubsauger kaufen, obwohl sie dringend einen braucht?“

„Willst du sie heiraten, oder soll sie dir das Haus putzen?“

„Wie wär’s mit beidem?“, fragte er augenzwinkernd.

Rachel versetzte ihm einen Knuff. „Idiot“, wiederholte sie. „Verrat ihr das bloß nicht, wenn du ihr den Antrag machst. Es sei denn, du willst nicht, dass sie Ja sagt.“

„Siehst du? Ich wusste, dass du mir tolle Tipps geben würdest. Genau das, was ich brauche.“ Da er nicht länger widerstehen konnte, trat er einen Schritt vor und küsste sie. Nur auf die Stirn natürlich. „Hilf mir, Rach. Ich habe keine Ahnung, was Frauen wollen.“

„Ich hab’s dir doch schon versprochen, oder?“ Sie biss sich wieder auf die Unterlippe. „Aber ich brauche einen Namen. Cupcake ist unerträglich. Denk dir von mir aus einen aus. Wie Hortense oder … Ingrid.“

„Klar.“ Er unterdrückte ein Lachen. „Wie wär’s mit Bambi? Oder … hm … Jezebel? Cocoa?“

„Nein, etwas Normales. Etwas, das nicht nach Schlampe klingt oder … oder nach einem Reh.“

Cole musste lachen. „Okay, mal sehen …“ Er spielte mit dem Gedanken, Rachels zweiten Vornamen vorzuschlagen, aber das wäre zu offensichtlich. Stattdessen entschied er sich für die ersten zwei Silben ihres Nachnamens. Merriday. Mary. Perfekt. „Sagen wir mal, sie heißt Mary. Das passt außerdem gut zur Weihnachtszeit. Ist der Name normal genug für dich?“

„Ja. Gute Entscheidung.“ Blinzel, blinzel. „Beschreib mir Mary bitte.“

„Mary ist … Na ja, sie ist die schönste Frau, die ich je gesehen habe.“ Cole ging ein bisschen auf Distanz zu Rachel und heuchelte Interesse an den getöpferten Schüsseln und Vasen auf einem Regal. „Innerlich und äußerlich. Wenn sie lächelt, erhellt sie den ganzen Raum.“

„Tja, dann sind Kerzen wohl überflüssig“, murmelte Rachel trocken.

Cole musste grinsen. Gut, dass sie sein Gesicht nicht sehen konnte.

„Ich habe noch gar nicht nach ihren Hobbys gefragt. Was macht sie gern? Abgesehen davon, dass sie Räume illuminiert.“

„Ich glaube kaum, dass sie das bewusst macht. Vermutlich weiß sie noch nicht mal, welche Wirkung ihr Lächeln auf mich hat.“ Cole griff nach einer kurzen runden Vase mit zarten himmelblauen Blumen, weil deren Farbe ihn an Rachels Augen erinnerte. „Hübsch, oder?“, fragte er und drehte sich zu ihr um.

„Sehr hübsch.“ Ungeduldig klopfte sie mit einem Fuß auf den Boden. „Gute Entscheidung. Ein Geschenk weniger. Aber du hast mir immer noch nichts über … Mary erzählt.“

„Wer sagt denn, dass ich die Vase für Mary kaufe? Ich musste sofort an dich denken, als ich sie sah. Die Blumen erinnern mich an deine Augen.“ Hoppla! Das hatte er eigentlich gar nicht sagen wollen, aber es war einfach aus ihm herausgeplatzt. Stirnrunzelnd stellte er die Vase zurück. „Mist, das wäre das perfekte Weihnachtsgeschenk für dich gewesen, und jetzt habe ich es verpatzt.“

„Echt? Du hast bei dem Anblick an mich gedacht?“

„Ja, echt.“

Sie seufzte zittrig, kam näher und bückte sich, um die Vase zu betrachten. Rasch griff sie danach, presste sie an sich und richtete sich wieder auf. „Du hast recht, sie ist hübsch. Tut mir leid, dass deine Idee … verpatzt ist, aber dann kaufe ich sie mir einfach selbst.“

Ihre Augen sahen atemberaubend aus – eine Mischung aus Rauchblau und Meer. Sie war immer noch schön. Immer noch Rachel. Nur eine sinnlichere Version der Frau, die er liebte. „Gib her“, sagte er und nahm ihr die Vase weg. „Ich kaufe sie dir. Weil … weil ich will.“

Er rechnete mit Widerspruch. Frauen widersprachen in solchen Situationen öfter, so überflüssig das auch war. Doch Rachel schwieg. Ihre Unterlippe zitterte nur, und ihre herrlichen Augen wurden noch dunkler. Ihre Farbe erinnerte ihn inzwischen an einen Mitternachtshimmel.

„Das ist lieb von dir“, flüsterte sie. „Danke, Cole.“

„Gern geschehen, Rach.“

Als sie den Laden mit keinem anderen Geschenk als der Vase verließen, nahm sie seine Hand. Etwas, das sie nicht mehr getan hatte, seitdem … na ja, seit damals.

Hm … Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung für Cole.

5. KAPITEL

Ein Geschenk. Nach zweieinhalb Stunden Bummeln hatten sie erst ein einziges Geschenk für die Frau, die jetzt unter dem Namen „Mary“ lief, gekauft. Rachel hatte keine Ahnung, was Cole so an der Schneekugel begeisterte, aber er tat so, als sei das verdammte Ding aus Gold und Diamanten gefertigt.

Klar war das Teil niedlich. Es bestand aus drei Kugeln mit verschiedenen Szenen, die wie ein Schneemann zusammengesetzt waren. In der untersten Kugel machte eine Gruppe Kinder eine Schneeballschlacht, in der mittleren liefen weitere Kinder Schlittschuh auf einem Teich, während in der obersten der Weihnachtsmann mit einem Schlitten durch die verschneite Nacht flog.

Niedlich, ja. Aber romantisch? Nicht für Rachel, und das hatte sie Cole auch deutlich gesagt. Zwei Mal sogar. Er hatte ihren Einwand jedoch ignoriert und den überteuerten Nippes gekauft. Allmählich fragte sie sich, warum er sie überhaupt mitgenommen hatte.

„Wie viele Geschenke brauchst du noch mal?“, erkundigte sie sich. Sie saßen gerade im rappelvollen Foster’s, um rasch einen Happen zu essen, bevor es weiterging.

„Wie viele Tage sind noch mal bis Weihnachten?“ Er überschlug rasch die Tage im Kopf. „Wenn man heute nicht mitzählt, haben wir noch … zehn, oder? Das macht minus Schneemann … neun.“ Schmerzlich verzog er das Gesicht. „Autsch.“

„Tja, das dachte ich auch gerade.“

„Na ja, für morgen habe ich immerhin schon den Schneemann. Es wäre gut, heute zumindest noch ein Geschenk zu finden.“

„Lass uns heute noch vier Geschenke kaufen und morgen die letzten fünf, damit wir endlich fertig werden. Sonst …“, sie senkte bedrohlich die Stimme, „… werde ich dir meine Mom auf den Hals hetzen. Sie hat mich nämlich gestern angerufen und mit ihrer Ankunft gedroht. Anscheinend hat sie mal wieder Stress mit meinem Vater.“

Cole zog eine Grimasse und trank einen Schluck Bier. „Kommt nicht infrage. Aber vielleicht sollten wir schon mal ein paar Ideen notieren, bevor wir uns wieder ins Getümmel stürzen.“

„Wow. Ich bin schockiert. Endlich nimmst du mal meinen Rat an.“

„Jetzt sag nicht, du bist immer noch sauer wegen des Schneemanns?“

„Der ist nun mal nicht romantisch! Du hast ausdrücklich gesagt, dass ich dir helfen soll, Mary zu hofieren. Es sei denn, Mary ist zehn Jahre alt, aber dann haben wir ganz andere Probleme als ein unromantisches Spielzeug, mein Lieber.“

„Erstens ist eine Schneekugel kein Spielzeug. Sie ist … äh … Deko.“

„Sie ist ein Spielzeug, das nur so tut, als sei es dekorativ.“

„Zweitens“, fuhr er fort, als habe sie nichts gesagt, „verknüpfe ich mit dieser speziellen Schneekugel sehr romantische Erinnerungen. Als Cupcake und ich uns begegnet sind …“ Er verstummte kopfschüttelnd. „Glaub mir, sie ist romantisch.“

„Was wolltest du gerade sagen, Cole?“ Rachel hungerte förmlich nach Informationen über Marys und Coles Beziehung. Bis jetzt hatte sie nur gehört, dass Marys dämliches Lächeln jeden Raum erhellte, ansonsten blieb Cole nervtötend einsilbig, was sie anging. „Als ihr euch begegnet seid …?“

„… war Winter.“ Coles Adamsapfel hüpfte, als er noch einen Schluck trank. „Also lag Schnee. Und wo Schnee liegt, spielen Kinder. Die Schneekugel symbolisiert das alles. Und deshalb ist sie romantisch.“

„Na klar. Wie konnte mir diese Verbindung nur entgehen?“

„Sarkasmus, Rachel? Wirklich?“, flötete Cole nasal, wobei er täuschend echt den Tonfall ihrer Mutter nachahmte. Sie spielte mit dem Gedanken, ihm wieder einen Knuff zu versetzen, aber dazu reichte ihre Energie nicht mehr. Einlenkend hob er die Hände. „Dann sag du es mir. Welche Art Geschenk ist für dich romantisch?“

Rachel wusste die Antwort sofort. Sie griff unter den Tisch nach der Tüte, die sie dort hingestellt hatte. „Das hier“, sagte sie sanft und stellte die Vase auf den Tisch. „In Kombination mit dem, was du gesagt hast, ist das ein romantisches Geschenk.“

Etwas Intensives, Dunkles flackerte in seinem Blick auf und beherrschte sein ganzes Gesicht. Als er die Ellenbogen auf den Tisch stützte und sie ansah, schien er ihr bis auf den Grund ihrer Seele zu sehen. Ihr wurde ganz heiß unter seinem Blick.

Verlangen flammte in ihr auf, so heftig und intensiv, dass es ihren ganzen Körper zu durchdringen schien und sie von Kopf bis Fuß vor Begierde zitterte. Oh nein! Das ging nicht. Cole war vergeben. Verdammt, sie war vergeben!

„Du findest die Vase also romantisch?“, fragte Cole und fesselte sie noch immer mit seinem Blick.

„Musst du immer das, was ich sage, als Frage wiederholen?“, witzelte sie, um ihr Unbehagen zu verbergen. „Wenn du und ich zusammen wären, würde ich dieses Geschenk romantisch finden und … lieb. Weil du gesagt hast, dass es dich an meine Augen erinnert. Aber wir sind nicht zusammen.“

Er sah sie noch eine weitere atemberaubende Sekunde an, bevor er sich wieder zurücklehnte. „Ist doch das Gleiche“, sagte er eine Spur heiser. „Das damit verbundene Gefühl, und deshalb ist der Schneemann es auch.“ Er zwinkerte ihr jungenhaft grinsend zu. „Also habe ich gewonnen.“

In diesem Augenblick sah Rachel Coles Mutter mit einem vollen Tablett auf ihren Tisch zusteuern und entspannte sich etwas. Bis sie mit dem Essen fertig wären, hätte sie ihren Körper wieder unter Kontrolle. „Deine Mom bringt gerade unsere Bestellung“, sagte sie zu Cole. „Also benimm dich.“

„Aber Schätzchen, das tu ich doch immer“, säuselte Cole und drehte sich zu seiner Mutter um. „Ich wusste ja gar nicht, dass du heute arbeitest, sonst hätte ich längst Hallo gesagt.“

„Zwei unserer Bedienungen sind krank“, erklärte Margaret und lächelte Rachel zu. „Schön, dich zu sehen, Süße.“ Ohne zu fragen, wer was bestellt hatte, servierte sie Cole den Burger mit Pommes und Rachel die Suppe und den Salat. „Sind deine Eltern Weihnachten auch in der Stadt oder nur du?“

„Mom kommt wahrscheinlich in ein paar Tagen.“ Aus irgendeinem Grund, über den Rachel lieber nicht nachdenken wollte, erwähnte sie Andrew nicht. „Dad kommt dann etwas später nach.“

„Das ist schön. Familien gehören an Weihnachten zusammen.“ Margaret zauste ihrem Sohn das Haar. „Hat er hier dir eigentlich schon erzählt, dass wir nächste Woche Besuch bekommen? Seine Tante und sein Onkel mitsamt Kindern und Anhang kommen.“

„Nein, hat er nicht. Das ist ja toll.“

„Ich hab’s! Kommt doch zum Weihnachtsessen zu uns“, schlug Margaret vor. „Wir haben jede Menge zu essen, und wie man so schön sagt, je mehr Gäste, desto besser die Stimmung. Stimmt’s, Cole?“

„Absolut“, sagte Cole. „Tolle Idee, Mom.“

„Ich … weiß noch nicht, was für Pläne wir haben“, wandte Rachel hastig ein. Ihr wäre nichts lieber, als mit den Fosters Weihnachten zu feiern, aber Mary würde bestimmt da sein. Und noch dazu mit einem Diamantring am Finger. „Aber ich richte es meinen Eltern gern aus. Danke.“

Margaret stützte das leere Tablett in eine Hüfte. „Und? Was habt ihr heute noch Schönes vor?“

„Essen“, antwortete Cole einsilbig. „Und dann gehen wir weiter einkaufen.“

„Für seine Freundin“, ergänzte Rachel. Sie konnte einfach nicht anders. „Wie ich feststellen musste, ist dein Sohn ganz schön wählerisch, wenn es um Geschenke geht.“

Margaret lachte. „Er ist in vielerlei Hinsicht wählerisch.“ Wieder zauste sie ihm das Haar. „Was Frauen angeht zum Beispiel. Ich habe mich bis vor Kurzem schon gefragt, ob er sich wohl je verlieben wird. Oder es überhaupt zugibt, wenn es so weit ist. Deshalb freue ich mich jetzt umso mehr.“

„Mom“, sagte Cole mit warnendem Unterton. „Ich bin sicher, dass Rachel nichts darüber hören will …“

Autor

Karen Templeton

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