Bianca Extra Band 95

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HEISSE KÜSSE IN PINK von LYNNE MARSHALL
Zack Gardner, ihr Teenager-Schwarm, steht vor ihrem rosa Foodtruck? Lacys Herz schlägt wie verrückt! Schon bald knistert es zwischen ihr und dem sexy Bauleiter heißer als auf ihrem Grill. Doch ein unglaubliches Familiengeheimnis stellt ihre frische Liebe auf eine harte Probe …

VERTRAUEN, LIEBE, HAPPY END? von KATHY DOUGLASS
Als Single-Anwältin Megan Jennings von New York aufs Land zieht, ist es wie ein Sprung ins kalte Wasser. Auf einen arroganten Ranchbesitzer kann sie daher gut verzichten – auch wenn Cade Battle der attraktivste Mann ist, der ihr je begegnet ist. Bis sie seine Hilfe braucht …

DREI BABYS FÜR DEN WOMANIZER von BRENDA HARLEN
Für Macy steht fest: Sie zieht ihre Drillinge allein groß. Aber seit sie für Liam Gilmore arbeitet, geraten ihre Pläne ins Wanken. Denn der smarte Hotelbesitzer trägt sie auf Händen. Trotzdem fürchtet Macy eins: Wird der Sunnyboy sie noch lieben, wenn er ihr Geheimnis kennt?

UND ER VERFÜHRT SIE DOCH … von TERESA SOUTHWICK
Nein, mit Leo Wallace macht Tess keine Geschäfte. Ihr Bedarf an Alphamännern ist gedeckt! Doch als Leo sie auf der Beerdigung ihres Großvaters umarmt, fühlt sie sich ausgerechnet von ihm zärtlich getröstet. Aus einem Kuss wird die schönste Nacht ihres Lebens, mit ungeahnten Folgen …


  • Erscheinungstag 06.04.2021
  • Bandnummer 95
  • ISBN / Artikelnummer 9783751500357
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lynne Marshall, Kathy Douglass, Brenda Harlen, Teresa Southwick

BIANCA EXTRA BAND 95

LYNNE MARSHALL

Heiße Küsse in Pink

Sich binden? Nie wieder! Natürlich gibt Bauleiter Zack Gardner der umwerfenden Lacy nur einen Job, damit sie seiner Tochter das Kochen beibringt. Gewagt, denn nach einem Kuss sieht er das völlig anders …

KATHY DOUGLASS

Vertrauen, Liebe, Happy End?

Für Ranchbesitzer Cade sind Frauen wie die attraktive Anwältin Megan tabu. Doch je näher er der hinreißenden Großstadtpflanze kommt, desto größer wird sein Begehren. Aber darf er Megan vertrauen?

BRENDA HARLEN

Drei Babys für den Womanizer

Sie ist eine Traumfrau und die beste Kollegin der Welt. Hotelbesitzer Liam will nur eins: Macy glücklich machen! Fatal, denn er fühlt, dass ihm die sexy Single-Mom süßer Drillinge etwas verschweigt …

TERESA SOUTHWICK

Und er verführt sie doch ...

Sexy Küsse und kurze Affären! Das ist nach einer Lügen-Ehe Leos neuer Lebensstil. Wie gut, dass die bezaubernde Tess das nach einer sinnlichen Nacht genauso sieht. Oder ist Tess etwa auch nicht ehrlich?

1. KAPITEL

Freitagvormittag um Viertel vor elf fuhr Lacy Winters mit ihrem frisch gestrichenen knallrosa Imbisswagen mitsamt brandneuem Logo – Wrap Me Up and Take Me Home – auf die Baustelle. Little River Valley war nicht gerade der geschäftliche Hauptumschlagplatz von Kalifornien, da die Kleinstadt schon vor längerer Zeit beschlossen hatte, keine überflüssigen Geschäfte zuzulassen – schon gar nicht die üblichen Ableger der bekannten Ladenketten –, und genau das machte den Charme dieser Stadt aus.

Kürzlich hatte Bürgermeister Aguirre jedoch den Bau zusätzlicher Seniorenwohnungen fünfzehn Meilen landeinwärts zwischen Ventura und Santa Barbara bewilligt. Sie wurden auch dringend benötigt, da sich viele Menschen in Little River Valley zur Ruhe setzen wollten und der vorhandene Wohnraum in den Hügeln um das Tal herum zu groß und zu teuer war.

Dank der weisen Voraussicht des Mannes wurden daher gerade hundert neue Häuser im Cottage-Stil gebaut, was natürlich einen stattlichen Bautrupp erforderlich machte. Für Lacy war das wiederum eine tolle Chance, Geld zu verdienen, denn Bauarbeiter brauchten nun mal etwas zu essen, um leistungsfähig zu bleiben.

Vor ihrem Aufbruch hatte sie im Internet auf ihrer Social-Media-Seite ein Foto von sich vor ihrem Imbisswagen mitsamt dem Text gepostet: Auf zu neuen Abenteuern. Wünscht mir Glück! #aufjobsuche.

Auf der Kundenliste ihres verstorbenen Vaters aus seiner Zeit als Imbisswagenbetreiber hatte Franks & Gardner Construction ganz oben gestanden. Also hatte sie nach Einholung sämtlicher behördlicher Genehmigungen und Zulassungen, und dem Neuanstrich des Wagens, der sie ein Vermögen gekostet, sich aber wirklich gelohnt hatte, weil … na ja, er jetzt rosa war und ein tolles Logo auf beiden Seiten hatte, ein bisschen im Internet recherchiert und daraufhin von der neuen Baustelle erfahren … und jetzt war sie hier.

Sie atmete tief durch und fuhr mit ihrer mobilen Küche die staubige Zufahrt entlang, wobei sie versuchte, Nägeln und anderen potenziellen Schadenverursachern auszuweichen.

„Auf geht’s“, flüsterte sie. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie vor dem Container, der offenbar als provisorisches Büro diente, den Motor ausstellte.

Die Stadt hatte strikte Vorschriften für Wagen wie ihren. Mit anderen Worten, sie konnte sich nicht einfach hinstellen, wo sie wollte, doch sie hatte große Hoffnungen, was diese Baustelle anging. Sie durfte es sich nur nicht gleich mit den Leuten hier verscherzen.

Sie räusperte sich, warf einen Blick in den Rückspiegel und zupfte dabei ihre neonpinke Schürze mit ihrem Logo zurecht, wobei ihr nur allzu bewusst war, dass die Farbe sich mit ihrem roten Haar biss, was sie im Hinblick auf das große Ganze jedoch gern in Kauf nahm.

Sie stieg jetzt die Stufen vom Fahrerhaus zu ihrer frisch renovierten Küche hinunter, öffnete die Abdeckung und fuhr per Knopfdruck die Markise über ihrem Verkaufstresen aus. Stolz beobachtete sie, wie sich die gestreifte Stoffbahn lautlos entrollte. Ob Theaterschauspieler sich genauso fühlten, wenn der Vorhang hochging? Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie hatte es tatsächlich geschafft! Sie begann nun endlich einen neuen Lebensabschnitt. Nach allem, was sie letztes Jahr durchgemacht hatte, hatte sie das auch bitter nötig.

Da sie vor lauter Aufregung einen ganz trockenen Mund hatte, griff sie nach ihrer Wasserflasche und trank einen Schluck.

„Darf ich fragen, was Sie hier machen?“, hörte sie plötzlich eine tiefe männliche Stimme und zuckte erschrocken zusammen. Wasser floss ihr über das Kinn und tropfte auf ihre Schürze.

„Oh!“ Möglichst lässig wischte sie sich das Kinn ab, so als tauche sie ständig in der Hoffnung auf einen neuen Job unangemeldet auf irgendwelchen Baustellen auf, obwohl das hier ihr erster richtiger Einsatz als Imbisswagenbesitzerin war. Zu dumm nur, dass ihre zitternden Hände sie sofort verrieten.

„Äh … ja.“ Sie beugte sich über den Tresen und sah einen Mann vor dem Wagen stehen, der zu jung aussah, um hier schon seit einer Ewigkeit zu arbeiten. Wahrscheinlich war dies der Bauleiter. „Ich hatte gehofft, Mr. Franks sprechen zu können.“

„Der existiert hier nur noch namentlich.“ Der großgewachsene, gut aussehende dunkelblonde Mann musterte sie wachsam aus grünen Augen und wartete offensichtlich auf mehr Infos.

Seine Antwort brachte Lacy etwas aus dem Konzept. Dann war Franks also nicht mehr der Boss? So viel also zu Dads Kundenliste. Diese war also anscheinend jetzt schon veraltet, und dabei war ihr Vater gerade mal seit einem Jahr tot.

Fieberhaft grübelte sie nach. War Franks im Ruhestand oder war er gestorben? Wenn er hier nicht mehr das Sagen hatte, hatte es dann dieser Typ, der ihr irgendwie vage bekannt vorkam?

„Äh, kann ich dann stattdessen vielleicht mit Mr. Gardner sprechen?“, fragte sie.

In diesem Moment entdeckte sie das Namensschild, das an sein grün-beige kariertes Hemd geheftet war. Zackery Gardner, Bauleiter. „Oh, hallo. Ich sehe gerade, das sind ja Sie!“, sagte sie hastig, bevor er sie darauf hinweisen konnte, dass es sich dabei um ihn handelte.

Das Hemd stand ihm wirklich gut. Er hatte die Ärmel hochgekrempelt, sodass sie muskulöse Unterarme mit goldschimmernden Härchen darauf erkennen konnte.

„Hallo.“ Er verschränkte besagte Arme vor der Brust und wartete stumm.

Anscheinend war sie jetzt wieder an der Reihe, und zwar damit, ihr unangekündigtes Auftauchen hier zu erklären.

Lacy räusperte sich verlegen. „Wie ich sehe, haben Sie hier ein großes neues Bauprojekt am Laufen, und ich habe mich gefragt, ob Ihre Bauarbeiter vielleicht meine Dienste gebrauchen könnten.“

Mr. Gardner legte den Kopf schief und erwiderte ihren Blick leicht belustigt. „Und Ihre Dienste wären …?“ Er betrachtete einen Moment lang den Wagen, bevor er den Blick wieder auf sie richtete. „Eingepackt und mitgenommen zu werden?“, fragte er unter Bezugnahme auf ihr Logo. Schwang da etwa ein spöttischer Unterton in seiner Stimme mit?

Entweder kapierte er ihr witziges Motto nicht, oder er stellte sich absichtlich dumm. Lieber Gott, bitte lass ihn nicht glauben, dass das hier ein mobiler Massagesalon ist!

Aber wahrscheinlich zog er sie einfach nur auf. Ganz schön fies von ihm, wenn auch wahrscheinlich nicht ganz unverdient. Zuerst hatte sie mit dem Gedanken gespielt, vorher anzurufen, doch dann hatte sie sich gedacht, dass ein großer Imbisswagen wesentlich überzeugender wirkte als eine nervöse Stimme am Telefon.

Ihr Vater hatte ihr einst den Tipp gegeben, dass ein potenzieller Chef einen nicht so leicht abweisen konnte, wenn er einem dabei direkt in die Augen sehen musste. Also achtete sie darauf, nicht unter dem forschen Blick des sexy grünäugigen Bauleiters zu blinzeln. Sie war schließlich auf der Suche nach einer längerfristigen Location, und wollte nicht nur gelegentliche Hochzeitseinsätze absolvieren, weil es in Kalifornien offenbar gerade mega in war, bei Hochzeiten einen Imbisswagen anstatt einer Cateringfirma anzuheuern.

Eine Großbaustelle wie diese garantierte ihr allerdings mindestens ein halbes Jahr Arbeit. Das wäre schon mal ein toller Anfang. Außerdem würde ihr mobiler Imbiss sich dadurch schnell herumsprechen.

Aber sie griff den Dingen mal wieder voraus. „Ich verkaufe herzhafte Wraps und süße Pies. Darf ich Ihnen vielleicht mal meine Speisekarte zeigen?“ Sie griff nach einem Flyer, da sie noch nicht dazu gekommen war, draußen ihre große Tafel aufzustellen. „Und Ihnen vielleicht auch eine Kostprobe anbieten?“

In ihrer Fantasie hatte sie dieses Gespräch immer mit Mr. Franks geführt, den sie sich als älteren Mann mit gewaltigem Bauch und Riesenappetit vorgestellt hatte. Er hätte ihr den Job bestimmt sofort gegeben. So viel also zu ihren Zukunftsfantasien. Warum hatte sie auch den Fehler gemacht, sich Online-Selbsthilfe-Podcasts anzuhören?

So gut gebaut, wie Mr. Nicht-Franks war, achtete er garantiert auf seine Ernährung. Er trat jetzt an den Tresen heran, um ihren ebenfalls neonpinken Flyer entgegenzunehmen, wobei sich ihre Finger kurz streiften. Bei dieser Berührung sprang sofort ein Funke über. Das war wirklich seltsam, denn so etwas war ihr schon sehr lange nicht mehr passiert. Ob es ihm auch so ergangen war?

Er nahm jetzt seinen Helm ab und musterte ausgiebig ihr Gesicht. Sein Haar war etwas länger als gedacht und leicht gewellt, sanft gebräunt war er auch, und er hatte sympathische Lachfältchen. Moment mal, das hieß ja, er lächelte ihr gerade zu!

Sofort lächelte sie diensteifrig zurück. „Reizt Sie vielleicht etwas von meinem Angebot?“

Belustigt hob er die Augenbrauen. Oh Gott, sie hatte nicht zweideutig klingen wollen! Hoffentlich hatte er sie nicht falsch verstanden. „Was das Essen angeht“, fügte sie errötend hinzu.

Seine grünen Augen funkelten amüsiert, bevor er ihr ein nachsichtiges Lächeln schenkte und den Blick wieder auf die Speisekarte richtete. „Was können Sie mir denn empfehlen?“

Lacy war mehr als froh, dass er keinen geschmacklosen Witz machte. Mit so jemandem würde sie nämlich nur sehr ungern zusammenarbeiten wollen.

„Wenn Sie mir erlauben, den Grill anzuschalten, würde ich Ihnen gern ein Hähnchen-Wrap machen. Ich habe übrigens die Geschäftserlaubnis und die Bestätigung des Gesundheitsamts dabei, falls Sie diese sehen wollen.“

Er spitzte etwas die Lippen, was verdammt sexy aussah, auch wenn sie keine Ahnung hatte, warum ihr das überhaupt auffiel. „Ein Hähnchen-Wrap klingt gut. Die Geschäftserlaubnis und die Bestätigung kann ich auch von hier aus sehen.“

Stimmt ja, immerhin hatte sie beides gerahmt an die Küchenwand gehängt. Ein Fingerzeig hätte also vollkommen genügt, aber natürlich hatte sie mal wieder überflüssige Erklärungen abgeben müssen.

„Wie lange brauchen Sie denn dafür?“, riss er sie jetzt aus ihren Selbstzweifeln.

„Zehn Minuten?“ Lacy hob schnell die Hand und fügte hinzu: „Aber wenn der Grill erst mal heiß ist, dauert es nur fünf.“ Sie schaltete den Grill ein und setzte erneut ihr bestes Dienstleistungslächeln auf. „Ich bediene meine Kunden nämlich immer äußerst schnell.“

Dieses Mal hob er gleich beide Augenbrauen. Oh Mann, sie musste sich dringend angewöhnen, erst zu denken und dann zu sprechen! Sie blinzelte verlegen, wich seinem belustigten Blick aus und machte sich an die Arbeit. Warum gab sie eigentlich ständig sexuelle Anspielungen von sich? Weil er so aussah wie der Gott der Bauleiter und total sexy war? Sie war doch überhaupt nicht in der Verfassung für so etwas!

Das war nicht gut. Gar nicht gut.

Errötend strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. So nervös war sie schon lange nicht mehr gewesen.

„Dann komme ich einfach in zehn Minuten wieder“, sagte er jetzt. Gott sei Dank ignorierte er ihre Verlegenheit und verzichtete auch auf blöde Bemerkungen wie Sind Sie wirklich so schnell? Das würde ich ja gern mal ausprobieren, hahaha!

Anscheinend brachte der Me-too-Skandal die Männer endlich dazu, sich mal zu benehmen, sogar auf einer Baustelle. Wurde auch höchste Zeit.

Lacy setzte ihr Pferdeschwanz-Haarnetz und ihr knallrosa Kochbarett auf, um zu verhindern, dass eines ihrer Haare im Essen landete.

Währenddessen grübelte sie weiter über den Bauleiter nach, der ihr irgendwie bekannt vorkam.

Zackery! … Ein Schauer lief ihr über den Rücken.

Plötzlich reiste sie im Geist zwanzig Jahre zurück. Damals hatte sie ihren Vater während der Sommerferien zu Baustellen begleitet und sich dabei in einen der Bauarbeiter verguckt, der allerdings schon erwachsen gewesen war. Na ja, wahrscheinlich war er damals noch ein Teenager gewesen, aber in ihren Mädchen-Augen war er ihr schon total erwachsen vorgekommen.

Er hatte einfach umwerfend ausgesehen mit seinen intensiven grünen Augen und dem langen welligen Haar – fast wie ein nordischer Gott. Sie konnte sich immer noch an seinen Namen erinnern: Zack. Sie hatte sich damals geschworen, ihn nie zu vergessen.

Aber erst jetzt dachte sie wieder an ihn.

Erneut erschauerte sie, und zwar so heftig, dass sie mit dem marinierten Hähnchenfleisch fast den Grill verfehlte. Ob dieser Mr. Gardner ihr Zack war? Er musste es sein, auch wenn er inzwischen zwanzig Jahre älter war. Doch er war immer noch total sexy.

Mit elf Jahren hatte sie noch kein Gespür für Sex-Appeal, aber dafür wunderschöne und total unschuldige Tagträume von ihm gehabt. Einfach nur, weil er ihr mal freundlich zugelächelt und sie wegen ihres kupferroten Haares aufgezogen hatte. Du siehst aus wie ein frischer Penny. Vielleicht sollte ich dich lieber Penny nennen anstatt Lacy.

In ihren Mädchen-Fantasien hatte er dann ihre Hand gehalten und ihr gesagt, wie schön sie sei, und dann waren sie über eine Wildblumenwiese geschlendert, und er hatte ihr ihren ersten Kuss gegeben. Einen so unschuldigen Kuss wie sie sich Küsse damals eben vorgestellt hatte. Was hatte sie denn schon gewusst?

Sie musste unwillkürlich daran denken, wie er gerade die Lippen gespitzt hatte. Sie hätte nichts dagegen, mit ihm auszuprobieren, was sie in den letzten zwanzig Jahren übers Küssen gelernt hatte.

Sie fächelte sich mit der Hand Luft zu. Oh mein Gott, was strahlte der Grill heute für eine Hitze aus! Jetzt bemerkte sie, dass sie in ihrer Eile vergessen hatte, die Lüftung anzustellen und das Fenster zu öffnen. Hastig wendete sie das Hähnchenfleisch, schob das Fenster auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Wo war denn bloß ihre Wasserflasche?

Sie griff danach und trank noch einen Schluck, bevor sie sich ganz auf Zacks Wrap-Füllung konzentrierte. Sie wollte sie so gut wie nur irgend möglich hinkriegen, denn schließlich hing ihre gesamte Existenz von diesem Imbisswagen ab, da sie ihren alten Job gekündigt hatte. Wenn sie schon mal dabei war, konnte sie ihm doch auch gleich noch ein Stück von dem Apfel-Pie aufwärmen, den sie gestern Abend gebacken hatte. Standen nicht alle Männer auf Apfel-Pie?

Auf die Sekunde genau zehn Minuten später verließ Zack Gardner sein Baustellenbüro und ging hinüber zu dem leuchtend rosa Imbisswagen. Bei dem Anblick musste er unwillkürlich lächeln, doch er unterdrückte die Reaktion. Er wollte dem Rotschopf keine falschen Hoffnungen machen, denn dieses Kleinmädchengefährt passte vielleicht zu Kindergeburtstagen und Beachvolleyball-Turnieren, aber bestimmt nicht auf eine Baustelle. Wäre sie eine seriöse Geschäftsfrau, würde sie das auch wissen.

Ihr rotes Haar erinnerte ihn außerdem an irgendjemanden. Viele Frauen versuchten mittlerweile, diesen Ton künstlich von einem Friseur erzeugen zu lassen, doch das ging meistens schief. Ihr Haar hingegen sah wunderschön und natürlich aus. Bisher war er erst zwei Menschen mit einer solchen Haarfarbe begegnet, und zwar bei seinem ersten Ferienjob, den er mit neunzehn auf dem Bau gehabt hatte. Er wusste noch genau, wie unglaublich hart die ungewohnte körperliche Arbeit damals für ihn gewesen war und dass er ständig Hunger gehabt hatte.

Plötzlich sah er den schlichten weißen The-Winters-Breakfast-and-Lunch-Truck mit dem schwarzen Logo vor seinem geistigen Auge – so deutlich, als sei es erst gestern gewesen. Der Inhaber hatte weder einen witzigen Namen noch eine schrille Farbe nötig gehabt. Hatte er nicht immer seine kleine Tochter mit zur Arbeit genommen? So wie Zack es jetzt selbst mit seiner zehnjährigen Tochter Emma tun würde, während der Frühjahrsferien nächste Woche?

Weitere Erinnerungen kehrten nun zu ihm zurück. John Winters hatte die besten Cheeseburger gemacht, die er je im Leben gegessen hatte, und seine Tochter hatte genauso leuchtend rotes Haar gehabt wie er. Die Farbe hatte ihn immer an frischgedruckte Pennys erinnert. Könnte diese Frau hier seine Tochter sein?

Er betrachtete den Imbisswagen etwas genauer. Wenn man sich die neonpinke Farbe wegdachte, sah er ganz genauso aus wie der Wagen damals. Außerdem war es eindeutig ein älteres Modell. Zack gefiel das, denn er hatte große Hochachtung vor Menschen, die die Vergangenheit in Ehren hielten.

Als er näherkam, stieg ihm ein köstlicher Duft in die Nase. Sofort begann sein Magen zu knurren, obwohl es eigentlich noch viel zu früh fürs Mittagessen war. Er nahm sich vor, seine Erinnerungen für sich zu behalten, denn er hatte nicht die Absicht, sie hier mit ihrem Wagen stehen zu lassen. Seine Männer brachten sich ihr Mittagessen entweder selbst mit oder fuhren in der Pause schnell in die Stadt. Wozu ihr also falsche Hoffnungen machen, indem er ihr sagte, dass sie sich vielleicht von früher kannten.

Als sie seine Schritte hörte, hob sie den Kopf und lächelte ihn an.

Vergiss es! Frauen machen nichts als Ärger – vor allem, wenn sie so aussehen wie diese hier.

„Ich hoffe, Sie haben großen Hunger“, sagte sie. Anscheinend wollte sie unbedingt einen guten Eindruck auf ihn machen. Das war irgendwie süß. Sie wirkte beim besten Willen nicht wie der Typ Frau, der Ärger machte.

Aber er hatte schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht und hatte daraus gelernt.

Trotzdem erwiderte er ihr Lächeln unwillkürlich. Sie konnte schließlich nichts für seine Erfahrungen. „Das riecht ja wirklich lecker.“

Sie reichte ihm daraufhin einen großen Pappteller mit einem gigantischen Wrap darauf. „Wow, der ist aber ganz schön gewaltig.“

„Bauarbeiter haben ja auch meistens einen gewaltigen Appetit.“

Das stimmte tatsächlich, obwohl er selbst schon seit fünf Jahren keine harte körperliche Arbeit mehr leisten musste. Nicht, seit er sich zum Eigentümer und Bauleiter der Firma hochgearbeitet hatte. Er beschloss daher, nur die Hälfte zu essen und den Rest seiner Tochter mitzubringen – also ganz dem Logo gemäß, sein Essen einzupacken und mitzunehmen.

Er griff nach dem Wrap und biss genüsslich hinein. Himmel, war das Fleisch gut gewürzt und noch dazu unfassbar zart und saftig! Die restliche Füllung bestand aus einer grünen Soße mit Gemüse- und Kartoffelstücken. Das Teil hier war eher eine vollwertige Mahlzeit als ein bloßer Sandwich-Ersatz. Sie hätte ihren Wagen eher Manwich – Sandwiches für Männer nennen sollen.

Emma würde der Wrap bestimmt auch sehr gut schmecken, und noch dazu war er viel gesünder als das Fast Food, das sie sonst so gern aß. Trotzdem wollte er Miss ... – wie hieß sie eigentlich? – keine falschen Hoffnungen machen. „Wie war Ihr Name noch gleich?“, fragte er.

„Lacy Winters.“

Verdammt!

Erinnerungen waren schon etwas Seltsames. Sie tauchten urplötzlich wieder auf, nachdem man jahrelang nicht mehr an sie gedacht hatte. „Etwa John Winters’ Tochter?“

Überrascht riss sie die Augen auf und nickte.

Er hatte es gewusst! Wer hatte schon so eine Haarfarbe? Wie ein frischer Penny! „Das schmeckt wirklich ziemlich lecker.“

Erneut schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln. Es fiel ihm schwer, seinen Blick von ihr loszureißen. Suchend sah er sich nach einem Sitzplatz um, fand jedoch keinen und ließ seinen Teller daher einfach auf dem Tresen stehen, um sich beim Abbeißen darüber beugen zu können.

„Brauchen Sie vielleicht eine Serviette?“, fragte sie, als ihm Soße über das Kinn lief und auf seine Hände tropfte.

„Ja, gern, danke.“

Sie reichte ihm daraufhin ein paar Papierservietten. „Möchten Sie auch etwas trinken?“

„Ein Wasser bitte.“ Denn er wollte vermeiden, dass sein Getränk geschmacklich mit dem köstlichen Wrap konkurrierte, den er verschlang, als hätte er seit Tagen nichts mehr gegessen. „Was ist denn das?“, fragte er, als sie ihm einen kleinen Teller mit einem Stück Gebäck hinstellte.

„Das ist ein halbes Stück Apfel-Pie. Ich habe es extra für Sie aufgewärmt.“

Warum mit dem Nachtisch bis nach dem Hauptgericht warten? dachte er. Zack griff nach dem Stück Kuchen und biss hungrig hinein. Die warme Kruste zersplitterte in seinem Mund und erinnerte ihn an die wunderbaren Backkünste seiner Mutter. Darunter befand sich eine mit Zimt gewürzte und perfekt gesüßte Apfelfüllung. „Wo haben Sie das Kochen gelernt?“, fragte er mit vollem Mund.

„Ich war in den letzten drei Jahren Köchin im Local Grown Restaurant in der Stadt und davor habe ich sporadisch bei Becky Sue gearbeitet.“

„Dem Diner?“

Sie nickte. „Mein Vater hat mich dazu gebracht, im Restaurantgewerbe arbeiten zu wollen. Das hier war nämlich eigentlich sein Wagen.“

Also doch!

„Nach seinem Tod im letzten Jahr habe ich ihn modernisieren und umbauen lassen.“

Der Mann würde sich vermutlich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, dass sein Imbisswagen mittlerweile knallpink war. „Es tut mir leid, das zu hören. Ich erinnere mich noch gut an Ihren Vater. Er hatte rotes Haar, genauso wie Sie.“

Ein stolzes, wehmütiges Lächeln breitete sich daraufhin auf ihrem Gesicht aus. Anscheinend hatte sie ihren Vater sehr geliebt und freute sich daher, dass Zack sich noch an ihn erinnern konnte.

Er aß seinen Pie auf und trank dann einen Schluck Wasser. „An Sie erinnere ich mich übrigens auch noch. Sie waren damals ungefähr so groß.“ Er hielt eine Hand auf Brusthöhe. „Sie waren außerdem klapperdürr, und wegen der üppigen roten Lockenmähne schienen Sie nur aus Kopf zu bestehen“, fügte er grinsend hinzu.

Tja, so viel also zu Lacys Mädchen-Träumen. Er hatte sie also als klapperdürr und nur aus rotem Kraushaar bestehend wahrgenommen. Aber immerhin erinnerte er sich überhaupt noch an sie. Er hat bestimmt keine Ahnung, dass ich meinen ersten imaginären Kuss von ihm bekommen habe.

Aus irgendeinem irrationalen Grund fühlte sie sich plötzlich geknickt. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie seit dem Verlust der beiden Männer, die sie am meisten geliebt hatte, etwas überempfindlich war. Niedergeschlagen senkte sie den Blick. Wahrscheinlich sah sie für ihn immer noch aus wie ein Besenstiel mit einer roten Perücke.

„Hey, es tut mir leid“, sagte er betroffen, als er ihren verletzten Gesichtsausdruck bemerkte. „Seitdem haben Sie eindeutig mehr Kurven gekriegt.“ Jetzt war er an der Reihe, sich innerlich vor Verlegenheit zu krümmen. Kurven? Wer machte jetzt peinliche sexuelle Anspielungen? „Ich wollte Sie bestimmt nicht kränken, Miss Winters. Entschuldigen Sie bitte.“

Lacy akzeptierte seine Entschuldigung dankbar und nickte. Er schien kein Mann vieler Worte zu sein, aber immerhin sagte er stets genau das Richtige. Spontan beschloss sie, die Situation zu ihrem Vorteil zu nutzen und sagte: „Nennen Sie mich ruhig Lacy. Und, was sagen Sie? Darf ich wochentags hier stehen und Ihren Männern etwas zu essen verkaufen?“

Er drehte sich um und betrachtete die Männer auf der Baustelle, die den rosa Imbisswagen neugierig musterten. Würde Zack sie lassen, würde sie vermutlich schon jetzt einen Haufen Wraps verkaufen können.

Das Kochen hatte sie von ihrem Vater gelernt. Vielleicht hatte sie den finanziellen Aspekt noch nicht so ganz raus, aber das würde sie schon noch lernen. Sie brauchte nur eine Chance, um sich beweisen zu können, damit sie für sich sorgen konnte.

Inzwischen war sie nämlich komplett auf sich allein gestellt. Ihr Vater war so plötzlich gestorben, dass sie keine Chance mehr gehabt hatte, Abschied von ihm zu nehmen. Seinen Wagen zu übernehmen, war daher eine Art Hommage an ihn, um ihn zu ehren. Außerdem war ihr das Kochen in Restaurantküchen einfach zu stressig. Sie wollte lieber unter freiem Himmel arbeiten. Etwas weniger Lärm wäre natürlich ganz nett, aber man konnte nun mal nicht alles haben.

Sie sah Zack beinahe flehend an, als er sich wieder zu ihr umdrehte. Eine subtile Botschaft konnte schließlich nicht schaden, oder?

Offensichtlich war er immer noch hin- und hergerissen, denn er schaute zuerst unschlüssig auf den Rest seines Hähnchen-Wraps, auf seine Arbeitsstiefel und dann auf ihr albernes Logo, bevor er sie wieder anblickte. „Was sagen Sie zu diesem Vorschlag: Sie kommen nächste Woche erst mal drei Tage – Montag, Mittwoch und Freitag – zur Probe hierher, wir schauen, wie es läuft, und dann sehen wir weiter?“

Das war zwar noch keine definitive Zusage, aber immerhin etwas. Sie beschloss kurzerhand, das Ganze dennoch als Sieg zu verbuchen, denn sie würde die Männer schon von ihren Kochkünsten überzeugen. Wenn diese ihre Wraps erst einmal probiert hatten, würden sie ihren Chef bestimmt anflehen, sie regelmäßig kommen zu lassen. „Abgemacht. Darf ich dann heute ein paar Flyer und etwas Pie zum Probieren austeilen? Ich habe auch Kaffee im Angebot.“

Zack Gardners Lächeln löste ein angenehmes Prickeln in ihrem Nacken aus. „Das ist eine gute Idee. Danke.“ Jetzt bedankte er sich auch noch bei ihr. Die Wirkung, die er auf sie hatte, war so stark, dass es schon fast beunruhigend war.

Ebenfalls lächelnd sah sie ihm hinterher und bewunderte dabei seine schmalen Hüften, die breiten Schultern und die gebräunten Unterarme, als er mit großen Schritten zu seinem Bürocontainer zurückkehrte und darin verschwand. Sie legte einen Stapel Flyer auf den Tresen, stellte mehrere Teller mit kleinen Pie-Stückchen für die Männer zum Probieren hin und betätigte dann einfach ihre Hupe.

Die Bauarbeiter steuerten sofort wie eine Gruppe Zombies auf ihren Wagen zu. Sie reichte jedem von ihnen einen Flyer und ein Stückchen Pie. „Nächsten Montag komme ich wieder“, versprach sie ihnen. „Bringen Sie also großen Appetit mit.“

2. KAPITEL

Sonntagnachmittag machte Lacy sich schon früh auf den Weg zu einer Hochzeit im Museum of Natural History in Santa Barbara, wo sie drei verschiedene Sorten Wraps anbieten sollte. Pies brauchte sie nicht vorzubereiten, da für das Dessert extra eine Konditorin engagiert worden war. Für ihren Einsatz bekam sie eine Pauschale, die ordentlich Gewinn versprach.

Es war ein wunderschöner kalifornischer Frühlingstag. Die Sonne lachte, die Temperatur war mild, und eine leichte Brise wehte. Das alte Museum, das im spanischen Kolonialstil erbaut war, war erst vor Kurzem renoviert worden und bot den perfekten Rahmen für eine romantische Hochzeit.

Von ihrem Foodtruck aus betrachtete Lacy die jungen, hippen und reichen Gäste, die jetzt aus dem Empfangsbereich strömten. Die Trauung schien gerade vorbei zu sein. Ein paar Frauen trugen sogar Hüte – vermutlich inspiriert von den Hochzeiten der europäischen Königshäuser in letzter Zeit. Beim Anblick all der pastellfarbenen Frühlingskleider, die einen äußerst witzigen Kontrast zu den schwarzen Intellektuellen-Outfits einiger anderer Gäste bildeten, musste Lacy unwillkürlich lächeln.

Sie hatte lange mit sich gerungen, ob sie den Auftrag überhaupt annehmen sollte, denn Hochzeiten waren immer noch ein wunder Punkt für sie. Vor fünf Jahren war sie mit dem tollsten Mann aller Zeiten verlobt gewesen und hatte es kaum erwarten können, ihn zu heiraten. Doch kurz nach seinem Antrag war Greg als Soldat nach Afghanistan geschickt worden, sodass sie die Hochzeit für mindestens ein halbes Jahr hatten verschieben müssen.

Zwei Monate nach seiner Abreise hatten seine Eltern sie plötzlich angerufen und ihr mitgeteilt, dass Greg bei einer Übung aus Versehen von einem Kameraden erschossen worden war. Dabei hatten sie zwei Tage vorher noch miteinander telefoniert, Pläne für ihre Hochzeit geschmiedet, viel gelacht und einander ihre Liebe versichert … und plötzlich war er weg gewesen und mit ihm all ihre Träume von einer eigenen Familie. Sie hatte sehr lange gebraucht, um den schlimmsten Schmerz zu überwinden, doch sein Verlust schmerzte sie immer noch tief.

Verstohlen wischte sie sich eine Träne ab, um nicht in die Steakmarinade zu weinen. Hoffentlich bekam sie den Job auf der Baustelle, denn dann würde sie keine Hochzeiten mehr annehmen müssen, die bei ihr nur traurige Erinnerungen weckten.

Die Gäste begannen nun, sich vor ihrem Wagen anzustellen. Als eine junge, ganz in hellblau gekleidete Frau an die Reihe kam, riss diese bei Lacys Anblick verblüfft die Augen auf. Nachdem sie ihren Wrap bezahlt hatte, ging sie davon, blieb dann jedoch wieder stehen und drehte sich zu Lacy um. „Eva?“, fragte sie verwundert.

Lacy schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, ich heiße Lacy.“

„Ach so.“ Doch die Frau sah sie immer noch ganz seltsam an, so als habe sie einen Geist gesehen.

„Guten Appetit!“, wünschte ihr Lacy betont fröhlich.

„Danke.“ Die Frau zögerte immer noch, weiterzugehen. „Sie sehen ganz genauso aus wie Eva, wissen Sie das? Sie sind ihr wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten.“

Man hatte Lacy schon öfter verwechselt. Wahrscheinlich lag das daran, dass Rothaarige für viele Menschen alle gleich aussahen. Irgendwie nervte sie das manchmal. „Heißt es nicht, jeder hat irgendwo einen Doppelgänger?“, versuchte sie einen Scherz zu machen, um nicht unhöflich zu werden.

„Wow, Sie lachen sogar genauso wie Sie!“, sagte die Frau schockiert. Rasch klemmte sie sich die Tüte mit ihrem Wrap unter den Arm, zog ihr Handy aus ihrer Handtasche und verschwand rückwärts in der Menge, während sie das Handy hoch erhoben hatte. Es sah so aus, als wolle sie Lacy fotografieren.

Das war wirklich mehr als nur seltsam.

Am Sonntagabend erledigte Zack am Küchentisch noch etwas Papierkram, während seine Tochter Emma eine Dosensuppe aufwärmte und dazu das einzige Gericht machte, das sie schon beherrschte – Käsesandwiches aus der Pfanne.

„Dad, darf ich eine Karotte klein schneiden und sie in die Suppe tun? Dann ist sie auch gesund.“

„Gesünder“, korrigierte er sie.

„Sag ich doch!“ Sie seufzte wie immer ungeduldig, wenn ihr Vater sie korrigierte.

„Okay.“ Zack legte seinen Kugelschreiber weg. Der Papierkram konnte auch warten. Nach seiner Scheidung hatte er sich nämlich fest vorgenommen, für Emma da zu sein, wenn er zu Hause war. „Ich sehe dir aber dabei zu, okay?“

Wieder seufzte sie genervt, lächelte jedoch gleichzeitig. Er stand auf, stellte sich neben sie und beobachtete, wie sie eine Möhre schälte und sie vorsichtig in Scheiben schnitt, bevor sie diese in die Hühnersuppe mit dem Reis gab. Als sie ihn wieder voller Stolz anstrahlte, wurde ihm ganz warm ums Herz. Wie hatte seine Ex-Frau es nur übers Herz gebracht ihre Tochter einfach so im Stich zu lassen?

Liebevoll drückte er Emmas Schulter. „Das hast du gut gemacht!“

„Guckst du auch dabei zu, wie ich die Käsesandwiches mache?“

Er nickte.

„Ich weiß aber ganz genau, wie das geht! Wann ist mir denn das letzte Mal etwas angebrannt?“

Achselzuckend beobachtete er, wie sie sich auf einen Hocker stellte und die Sandwiches vorbereitete. Wann war sie nur so erwachsen geworden?

Seit ihre Mutter vor anderthalb Jahren ausgezogen war, musste Emma sich mit seinen eher bescheidenen Kochkünsten abfinden, und da Mona in der Küche auch nicht gerade eine Zauberin gewesen war, hatte die arme Kleine nicht gerade viel lernen können. Seit sie jedoch eine Kochserie für Kinder im Fernsehen entdeckt hatte, wollte sie das unbedingt nachholen.

Emma hatte einen niedlichen Überbiss und das dunkle Haar und die braunen Augen ihrer Mutter geerbt. Charakterlich war sie jedoch vollkommen anders, wofür er insgeheim sehr dankbar war. Emma war ein fröhliches, wenn auch manchmal vielleicht etwas dominantes Kind, während Mona launisch und schwer zugänglich gewesen war. Vielleicht weil sie bei der Arbeit im Krankenhaus in Ventura lieber mit den Ärzten geflirtet hatte, anstatt den Haushalt zu führen und ihrer Tochter das Kochen beizubringen.

Der wahre Grund für ihre Scheidung war jedoch gewesen, dass sie ihn betrogen hatte … angeblich nur ein einziges Mal. Vermutlich hätte sie noch nicht mal das zugegeben, wenn sie nicht von ihrem Arbeitgeber dabei erwischt worden wäre, wie sie es mit einem der Ärzte in der Materialkammer getrieben hatte. Die beiden waren daraufhin sofort gefeuert worden, was zumindest ein bisschen ausgleichende Gerechtigkeit gewesen war.

Als Zack die Scheidung eingereicht hatte, war Mona sofort ausgezogen. Er hatte eigentlich mit einem langwierigen Sorgerechtsstreit gerechnet, doch dazu war es zu seiner Überraschung nicht gekommen. Es fiel ihm bis heute schwer, nachzuvollziehen, warum Mona noch nicht mal ein wenig um Emma gekämpft hatte.

Wieder lobte er sie in den höchsten Tönen, nachdem sie die Sandwiches in der Pfanne gewendet hatte und stolz zu ihm aufsah. „Siehst du? Ich kann das!“

„Du bist toll!“

Die erste Zeit nach Monas Auszug war nicht ganz einfach gewesen, denn Emma war tief verletzt gewesen und hatte ihre Mutter unfassbar vermisst, während er selbst immer noch stinksauer auf seine Ex-Frau gewesen war. Doch seit sie das erste Weihnachtsfest allein und dann die Osterfeiertage und zwei Geburtstage von Emma überstanden hatten, lief es eigentlich ganz gut. Er hatte sich fest vorgenommen, seiner Tochter das glückliche, normale Leben zu ermöglichen, das sie verdiente.

Sie schnüffelte grinsend. „Das riecht lecker.“ Ihre schokoladenbraunen Augen leuchteten auf. „Erinnerst du dich noch an das tolle Wrap, das du mir am Freitag mitgebracht hast?“

Wie hätte er das vergessen können? Es war schließlich der Höhepunkt seiner Woche gewesen. „Klar. Du wolltest es nämlich nicht mit mir teilen.“

„Weil du deine Hälfte schon gegessen hattest!“, erwiderte sie protestierend. „Jedenfalls hätte es toll zu dieser Suppe gepasst.“

„Die Sandwiches passen doch genauso gut.“

Seine Gedanken wanderten daraufhin zum ungefähr hundertsten Mal an diesem Wochenende zu dem Rotschopf namens Lacy zurück, und das nicht nur, weil sie eine so gute Köchin war. Dank Mona war es schon sehr lange her, dass er eine Frau auch nur angesehen hatte, aber wer konnte so wunderschönes rotes Haar und so himmelblaue Augen übersehen?

Leider brachten Frauen nichts als Ärger, und den konnte er gerade weiß Gott nicht gebrauchen. Was hatte er sich nur dabei gedacht, sie nächste Woche auf die Baustelle zu lassen? Wahrscheinlich würde er das noch bitter bereuen.

„Wenn du nächste Woche mit zur Arbeit kommst, kannst du dir drei Mal einen Wrap aussuchen. Sie kommt nämlich morgen, Mittwoch und Freitag zur Baustelle.“

Emma strahlte. „Echt? Au ja!“ Vor lauter Begeisterung füllte sie die Suppe so schwungvoll in die Schalen, dass eine Menge davon auf dem Tresen landete.

Zack saugte die Flüssigkeit rasch mit einem Küchenpapier auf. „Ihr Imbisswagen wird dir übrigens gefallen. Er ist knallrosa.“

„Wow! Rosa ist meine Lieblingsfarbe!“

Er warf das Küchenpapier in den Mülleimer und wischte noch einmal mit einem Schwamm über die Fläche. „Vergiss nicht, dir morgen ein paar Sachen mitzunehmen.“

„Meinst du Bücher oder mein Häkelzeug?“

„Das kannst du selbst entscheiden. Nur keine Filme. Du wirst dir nämlich irgendwie die Zeit vertreiben müssen, während ich arbeite.“

„So wie hier?“

Diese Bemerkung schmerzte ihn, aber Emma hatte leider nicht ganz unrecht. Er nahm sich nämlich öfter, als ihm lieb war, Arbeit mit nach Hause. „Du bist doch schon geübt darin, oder?“

Sie nickte und schenkte ihm ihr niedliches Lächeln mit dem Überbiss. Er umarmte sie liebevoll.

„So, das Essen ist fertig, Daddy“, verkündete sie kurz darauf voller Stolz.

„Wow, das sieht aber gut aus!“ Die Sandwiches waren perfekt gebräunt und mit einem Spieß versehen auf kleinen Tellern angerichtet. Er trug die Schalen mit der Suppe zum Tisch, während Emma mit den Sandwichtellern folgte.

„Das nennt man anrichten!“, erklärte sie ihm.

Anscheinend hatte sie das Wort bei der Kochsendung aufgeschnappt. Er selbst füllte sein Essen einfach auf einen Teller, während seine Tochter schon gelernt hatte, es so zu arrangieren, dass es appetitlicher aussah.

„Wenn ich mal groß bin, will ich Köchin werden!“

„Schätzchen, du wirst bestimmt alles erreichen, was du dir vornimmst.“ Er setzte sich an den Tisch. „Aber jetzt lass uns erst mal essen, denn ich habe solchen Hunger, dass ich mich nicht mehr länger gedulden kann.“

Als er halb aufgegessen hatte, kam ihm plötzlich eine Idee. „Vielleicht können wir ja online nach ein paar kindgerechten Rezepten suchen und sie zusammen ausprobieren. Ich kann dir gern dabei helfen, wenn du willst.“

„Echt?“, rief sie begeistert.

Zack lächelte. Seine elfjährige Ehe mochte vielleicht gescheitert sein, aber seine Tochter war ein absoluter Glücksfall!

Als Lacy nach Hause kam, machte sie noch den Imbisswagen sauber, damit für morgen alles perfekt vorbereitet war. Sie würde nämlich zum ersten Mal offiziell auf der Gardner-Baustelle arbeiten. Gut, dass sie gestern schon genügend Fleisch mariniert hatte. Sie hatte auch bereits Thunfisch- und Eiersalat vorbereitet, Gemüse geschnitten, Kartoffeln gewürfelt und verschiedene Wraps sowie Käse, Salat, Tomaten, Pickles und Oliven für ungefähr hundert Portionen besorgt.

Sie versuchte, sich auf ihren ersten Tag in ihrem neuen Job zu freuen, doch irgendwie bekam sie die seltsame Begegnung mit der Frau in dem hellblauen Kleid einfach nicht aus dem Kopf, die sie mit jemandem namens Eva verwechselt hatte. Schon bei der Erinnerung daran bekam sie unwillkürlich eine Gänsehaut.

Das seltsame Gefühl ließ auch dann nicht nach, als sie nach zwei Stunden mit dem Putzen fertig war. Was wäre, wenn sie eine Schwester hätte, von der sie bisher nichts gewusst hatte? Konnte das sein? Aber vielleicht hing sie solch absurden Gedanken auch nur deshalb nach, weil sie seit dem Tod ihres Vaters und ihres Verlobten ganz allein war und sich komplett zurückgezogen hatte, anstatt Trost bei Freunden oder Bekannten zu suchen. Sie war in letzter Zeit oft sehr einsam gewesen.

Andererseits hatte sie nur versucht, sich zu schützen, was ihr wichtiger gewesen war als alles andere. Schließlich hatte sie nun niemanden mehr außer sich selbst.

Ihre Mutter war bei einem Autounfall gestorben, als sie erst zehn Jahre alt gewesen war. Etwas, das sie nie ganz verwunden hatte, denn niemand konnte einem die Mutter ersetzen. Ihr Vater hatte zwar sein Bestes getan, hatte aber im Grunde nicht wirklich etwas mit einem kleinen Mädchen anfangen können. Männer und Frauen waren emotional wohl einfach zu unterschiedlich. Wann immer sie versucht hatte, über ihre tieferen Gedanken und Gefühle mit ihm zu reden, hatte er so verlegen herumgestammelt, dass sie es irgendwann einfach aufgegeben hatte.

Nicht, dass sie ihn nicht geliebt hatte, aber mit ihm zu reden, war ihr immer viel schwerer gefallen als mit ihren Freundinnen. Kein Wunder, dass sie sich so oft nach ihrer Mutter gesehnt hatte.

Vor fünf Jahren war dann Greg getötet worden, und sie bezweifelte, je über den Tod der Liebe ihres Lebens hinwegzukommen, denn er war alles gewesen, was sie sich jemals erträumt hatte. Er war liebevoll, mitfühlend und fürsorglich gewesen, und ihr kamen immer noch jedes Mal die Tränen, wenn sie an seinen Verlust dachte.

Letztes Jahr hatte dann auch noch ihr Vater beim Beladen seines Imbisswagens einen schweren Herzinfarkt bekommen und war sofort tot gewesen. Eine Nachbarin hatte ihn in der Garage gefunden. Lacy war komplett zusammengebrochen, als der Polizist sie in der Restaurantküche über dessen Tod informiert hatte. Die drei wichtigsten Menschen in ihrem Leben waren plötzlich alle tot, ohne jede Vorwarnung.

Eine Mischung aus Trauer und Sehnsucht stieg jetzt wieder in ihr auf, und zwar so heftig, dass sie plötzlich kaum noch Luft bekam. Sie war schon immer ein Familienmensch gewesen. Anders als die meisten ihrer Highschool-Freunde war sie deswegen auch nie aus Little River Valley weggezogen. Sie hatte in der Nähe ihres Vaters bleiben wollen, schließlich war er ihr einziger noch lebender Verwandter gewesen.

Nach seinem Tod hatte sie das Haus ihrer Kindheit geerbt und war wieder dort eingezogen. Ohne ihn kam es ihr jedoch so leer vor, dass sie wohl akzeptieren musste, dass sie einfach nicht fürs Alleinleben geschaffen war. Deshalb hatte sie irgendwann beschlossen, mit dem Imbisswagen ihres Vaters einen Neuanfang zu wagen.

Im Grunde hatte sie, schon solange sie denken konnte, das Gefühl, dass etwas Wichtiges in ihrem Leben fehlte. Als sei es ihr bestimmt gewesen, Geschwister zu haben. Doch immer wenn sie ihre Eltern gefragt hatte, warum sie keinen Bruder oder keine Schwester hatte, hatten diese sofort dichtgemacht. Irgendwann hatte sie dann aufgehört, Fragen zu stellen, und sich gesagt, dass es für die beiden wahrscheinlich einfach zu spät für weitere Kinder gewesen war. In ihrem Herzen hatte sie die Lücke jedoch immer noch gespürt, sogar schon vor Moms Tod. So als sei ihr gleich am Anfang etwas Wichtiges genommen worden.

Sie hatte auch nie imaginäre Freunde gehabt, so wie andere Kinder, sondern eine imaginäre Schwester namens Jilly. Wahrscheinlich, weil sie sich immer so sehr nach einer Schwester gesehnt hatte. Jilly hatte diese Lücke gefüllt, bis Lacy irgendwann zu alt dafür geworden war.

Warum fiel ihr das alles plötzlich wieder ein? Sie wollte auf keinen Fall, dass der Tag so traurig ausklang – nicht am Vorabend ihres Neuanfangs. Doch der Vorfall bei der Hochzeit hatte offenbar irgendetwas Unbewusstes und tief in ihr Vergrabenes freigesetzt. Die Frau in dem hellblauen Kleid hatte gesagt, dass sie genauso aussah wie Eva. Sie war ihr angeblich wie aus dem Gesicht geschnitten. So etwas war doch nur bei Zwillingen möglich, oder?

Bei diesem Gedanken bekam Lacy prompt wieder eine Gänsehaut.

Als sie am nächsten Tag um Viertel nach elf bei der Baustelle ankam, herrschte erneut prächtiges Frühlingswetter. Sie parkte ihren Wagen im Schatten unter einer Baumgruppe neben Zacks Bürocontainer und stellte den Motor aus. Laute Hammergeräusche hallten durch die Luft. Die Bauarbeiter waren anscheinend gerade dabei, die Holzrahmen für die Häuser zu bauen. Wenigstens würde diese Arbeit sie ordentlich hungrig machen.

Als Lacy ausstieg, stürzte ein kleines Mädchen aus dem Bürocontainer auf ihren Wagen zu und blieb dann schwer atmend vor Lacy stehen. „Bist du die Food-Lady? Ich liebe Rosa!“

Lacy musste lächeln. „Ja, die bin ich, und ich stehe auch total auf Rosa.“

„Hübsche Schürze!“

„Danke. Dein rosa T-Shirt gefällt mir auch gut.“

„Danke!“

„Emma, lass Miss Winters in Ruhe, damit sie alles vorbereiten kann“, ermahnte Zack die Kleine, der gerade ebenfalls den Bürocontainer verlassen hatte.

Das war seine Tochter? Dann war er also verheiratet, was vermutlich nicht weiter verwunderlich war … und zack löste sich Lacys heimliche Fantasie, genau dort weiterzumachen, wo sie mit elf Jahren aufgehört hatten, in Luft auf. „Wir haben uns nur miteinander bekanntgemacht.“

Er nickte lächelnd. „Wir wollen Sie aber nicht stören.“

„Ich muss tatsächlich noch ein paar Dinge erledigen, also …“

„Darf ich Ihnen helfen?“, platzte Emma heraus.

Lacy lächelte die Kleinen überrascht an. „In Ordnung, gib mir nur eine halbe Stunde Zeit, um alles in der Küche vorzubereiten, dann darfst du die Servietten und das Plastikbesteck rauslegen, wenn du möchtest.“

„Au ja!“

Die Kleine war aber ganz schön begeisterungsfähig. Was machte sie eigentlich hier? Ach ja, es waren Frühjahrsferien, fiel ihr jetzt ein. Zacks Frau war vermutlich berufstätig. Doppelverdiener waren in Kalifornien heutzutage nämlich eher die Regel als die Ausnahme.

„Danke.“ Zacks grüne Augen funkelten sexy. „Dann kommen wir später wieder zu Ihnen.“

Lacy sah ihm verträumt hinterher, riss sich dann jedoch gewaltsam aus ihrer Trance, schließlich musste sie jetzt alles vorbereiten – nicht zuletzt, weil sie mächtig Eindruck auf ihn machen wollte. Bei dieser Erkenntnis beschleunigte sich unweigerlich ihr Herzschlag … oder lag das eher am Anblick von Zacks muskulöser Rückseite, während er seine niedliche Tochter zurück zum Büro brachte? Hör auf, ihn anzustarren! Du hast doch gar kein Interesse an ihm.

Außerdem war er mehr oder weniger ihr Chef, und sie brauchte dringend einen Job und keinen Flirt.

Sie stellte als Erstes die große Tafel auf, auf der die verschiedenen Wraps und Pies standen, die sie anbot. Dann heizte sie den Grill vor, öffnete das Fenster und holte die marinierten Steaks und das Hähnchenfleisch sowie die anderen Zutaten aus dem Kühlschrank.

Genau eine halbe Stunde später tauchte Emma auf ihrer Türschwelle auf. Sie wirkte so unternehmungslustig wie ein von der Leine gelassener Welpe. „Darf ich jetzt helfen?“

„Na klar.“ Als Lacy die Papierservietten und den Karton mit dem Besteck aus dem Schrank holte, fiel ihr ein, dass sie den Kaffee noch gar nicht aufgesetzt hatte. „So ein Mist!“

„Alles okay?“

„Ja, mir ist nur gerade eingefallen, dass ich noch Kaffee kochen muss. Wenn du mir noch etwas länger helfen willst, darfst du den Männern auch gern die Wasserflaschen oder Getränkedosen reichen, die sie kaufen.“

„Au ja! Das macht bestimmt Spaß!“

Ja, das Mädchen war eindeutig begeisterungsfähig.

Lacy musste daran denken, wie gern sie ihrem Vater früher in den Ferien geholfen hatte … was sie prompt wieder zurück zu ihrem damaligen Schwarm brachte. Dass es sich dabei ausgerechnet um Emmas Vater handelte, war wirklich ein seltsamer Zufall.

Als Lacy mit den Vorbereitungen fertig war, gab sie mit ihrer melodiösen Hupe das Startsignal und wartete. Doch nichts passierte. Verunsichert warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war doch schon kurz nach zwölf. Das Hämmern war abrupt verstummt, sodass plötzlich Totenstille auf der Baustelle herrschte. Was war denn mit den Bauarbeitern los?

Nach ein paar Minuten wurde die Stille so unangenehm, dass sich Lacy über den Tresen beugte und in Richtung Baustelle spähte. Die Hälfte der Männer verspeiste belegte Brote aus Tupperdosen, die andere Hälfte stieg in ihre Autos und fuhr weg – zweifellos, um in der Stadt etwas zu essen. Sie würdigten sie kaum eines Blickes, als sie an ihr vorbeifuhren.

Sah ganz so aus, als hätte ihr Apfel-Pie am Freitag niemanden überzeugt. Wie niederschmetternd! So viel zu den guten Vorsätzen, Eindruck auf Zack machen zu wollen.

Als ihr letztes bisschen Selbstachtung sich gerade in Luft aufzulösen begann, kam Zack in Begleitung von drei Angestellten aus seinem Bürocontainer – eine Frau und zwei Männer. Vor dem Tresen blieb er stehen und schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln. „Ich gebe einen aus“, sagte er über seine Schulter hinweg zu seinen Angestellten.

Beim Anblick seiner Hand, die auf dem Tresen lag, konnte Lacy nicht umhin zu bemerken, dass er keinen Ehering trug. Sie fand es so nett von ihm, seinen Angestellten ein Mittagessen zu spendieren, dass ihr vor lauter Rührung die Tränen kamen. Um sich nicht komplett zur Idiotin zu machen, konzentrierte sie sich hastig darauf, die bestellten Wraps so lecker wie nur möglich hinzukriegen. Vor lauter Dankbarkeit gab sie allen sogar noch ein Stück Pie aus.

„Der Kaffee geht auch aufs Haus, wenn Sie einen dazu wollen“, sagte sie, als sie mit dem letzten Wrap fertig war und Zack sein Wechselgeld gab. Das meiste davon würde sie nachher wahrscheinlich sowieso wegschütten müssen.

Als er ihr zuzwinkerte, kam sie sich plötzlich wieder vor, als wäre sie elf. Um ein Haar wäre sie sogar errötet. Was bescheuert war, schließlich war er verheiratet.

Beim Abwischen des Tresens konnte sie ihre Enttäuschung nicht mehr länger unterdrücken. Sie hatte so große Hoffnungen in diesen Job gesteckt, und jetzt? Wenn es so weiterging, durfte sie übermorgen vielleicht gar nicht mehr wiederkommen.

Sie wollte gerade aufgeben und alles einpacken, als sich zwei Bauarbeiter langsam ihrem Wagen näherten. Anscheinend waren sie neugierig geworden, als sie ihren Chef und seine Angestellten am Wagen gesehen hatten. Sie betrachteten neugierig die Speisekarte und bestellten daraufhin jeder ein Steak-Wrap. Während sie beides zubereitete, kamen zwei weitere Männer und bestellten einen Schinken- und einen Thunfisch-Wrap. Anscheinend hatte nur jemand mit gutem Beispiel vorangehen müssen.

Danke, Zack! dachte sie erleichtert.

Als die Mittagspause fast vorbei war und Lacy erst zwölf Wraps verkauft hatte, kam ihr eine Idee. Rasch griff sie nach ihrem Handy und rief Zack an, der schon wieder in sein Büro zurückgekehrt war. „Mr. Gardner, wäre es okay, wenn Emma und ich den Bauarbeitern ein paar Kostproben zur Baustelle bringen würden?“

Er zögerte einen Moment. „Ich wüsste nicht, was dagegenspricht. Passen Sie aber auf, dass Sie nicht in irgendwelche Nägel treten …“

„Das mach ich, versprochen. Danke!“ Rasch bereitete sie zwei Wraps von jeder Sorte zu und schnitt diese in gleich große Stücke, bevor sie die Häppchen auf zwei Tabletts verteilte. „Emma, kannst du eines davon nehmen?“

„Na klar!“

Rasch griff Lacy nach einem Stapel Flyer, verstaute diese in ihrer Schürzentasche und verließ den Wagen. Wenn der Trupp nicht zu ihr kam, würde sie eben zum Trupp kommen!

Sie und Emma reichten kurze Zeit später die Tabletts herum und verteilten die Kostproben. Immerhin schien es den Männern gut zu schmecken, sehr gut sogar.

Lacy kam spontan eine weitere Idee. „Wenn Sie am Mittwoch diesen Flyer mitbringen und einen Wrap bei mir kaufen, kriegen Sie einen Kaffee und ein Stück Pie Ihrer Wahl gratis dazu.“

Ein paar Männer schnappten sich daraufhin sofort einen Flyer, und als sie später wieder bei ihrem Wagen war, kamen noch weitere, um sich auch einen zu holen. Sie hatte heute zwar nicht gerade Gewinn gemacht, aber wenigstens war der Einsatz auch kein kompletter Reinfall gewesen.

Als sie schon bereit zum Aufbruch war, beschloss sie, Emma zurück zum Bürocontainer zu bringen und Zack bei dieser Gelegenheit zu fragen, ob sie am Mittwoch wiederkommen durfte. Als sie den Container betrat, versuchte sie, ihre Verunsicherung zu verbergen.

Einer der Männer, die Zack vorhin mitgenommen hatte, hob den Kopf. „Das war ein toller Meeresfrüchte-Wrap“, sagte er lächelnd.

„Oh, danke. Freut mich, dass er Ihnen geschmeckt hat. Ich … äh, ich wollte eigentlich mit Mr. Gardner sprechen.“

In diesem Augenblick streckte Zack den Kopf aus einem kleinen Nebenraum und winkte sie zu sich. Sie straffte die Schultern und trat ein.

„Und? Was sagen Sie?“, fragte Zack, während er sich wieder an seinen Schreibtisch setzte.

Sie zuckte mit den Achseln. „Es lief leider nicht so besonders. Ich hatte gehofft, es würden mehr Männer kommen.“

„Wir sind schon einen Monat hier, da haben die Bauarbeiter eine feste Routine entwickelt. Ich finde, Sie sollten es weiter versuchen. Kommen Sie doch am Mittwoch und am Freitag wieder. Es sei denn, Sie haben einen besseren Platz gefunden.“

Er sah so unglaublich attraktiv aus, wie er da hinter seinem Laptop saß, und war noch dazu so nett und entgegenkommend. Er sagte sogar genau das, worauf sie gehofft hatte. Lacy unterdrückte den Impuls, auf ihn zuzulaufen und ihn vor Erleichterung zu umarmen. „Danke, ich komme gern wieder“, sagte sie lächelnd.

Er erwiderte ihr Lächeln. „Dann sehen wir uns also Mittwoch?“

„Worauf Sie Gift nehmen können.“

3. KAPITEL

Als sie Mittwoch kam, fiel Lacy sofort auf, dass jemand umgedrehte Holzkisten unter den Bäumen aufgestellt hatte. Hatte Zack das gemacht, damit die Männer sich beim Essen hinsetzen konnten? Falls ja, war das eine fantastische Idee und noch dazu ein sehr gutes Zeichen. Sie konnte nur hoffen, dass die Plätze später auch alle besetzt sein würden.

Wie gestern kam Emma bei Lacys Ankunft sofort aus dem Büro geschossen, dicht gefolgt von Zack.

„Ich dachte, ich sorge mal für ein paar Sitzgelegenheiten, damit mehr Männer zu Ihnen kommen“, erklärte Zack, als er näher kam.

„Es ist jedenfalls einen Versuch wert, vielen Dank.“

„Sorry, wahrscheinlich hätte ich das schon am Montag tun sollen.“

„Dad hat den Männern auch gesagt, dass sie dein Essen doch mal probieren sollen“, platzte Emma heraus.

„Echt?“, fragte Lacy errötend. So etwas würde er schließlich nicht machen, wenn er nicht wollte, dass sie wiederkam. „Danke!“

Zack wirkte nun etwas verlegen und vielleicht sogar ein wenig irritiert wegen Emmas Indiskretion. „Ehrlich gesagt habe ich das nicht ganz ohne Hintergedanken gemacht …“

„Bringst du mir das Kochen bei?“, rief Emma und kam ihm aufgeregt zuvor.

Schuldbewusst verzog er das Gesicht. „Emma will schon länger kochen lernen, und …“

Lacy brauchte nicht lange zu überlegen. „Das mach ich sehr gern.“ Die Kleine stieß einen lauten Jubelschrei aus und schlang Lacy begeistert die Arme um die Taille. „Aber hier geht das nicht wirklich.“

Zack nickte. „Wir hatten gehofft, dass Sie vielleicht Samstag Zeit hätten?“

Samstag … war das nicht eigentlich ein typischer Familientag? Wo war denn seine Frau an diesem Tag, und warum brachte sie Emma nicht das Kochen bei? Aber egal, denn Samstagnachmittag hatte Lacy Zeit. „Wollen Sie Emma dann bei mir vorbeibringen?“, schlug sie vor.

Er sah sie mit seinen sexy grünen Augen an. „Könnten Sie eventuell auch zu uns kommen?“

Als Lacy am Samstagnachmittag um drei Uhr mit ein paar Zutaten bei Zack auftauchte, war es sofort offensichtlich, dass Zack beim Bau arbeitete, denn er hatte aus einem durchschnittlichen Little-River-Valley-Haus etwas ganz Einzigartiges gemacht.

Er hatte unter anderem eine Veranda angebaut, die das gesamte Gebäude umgab, und vorne eine Doppeltür mit Seitenfenstern einsetzen lassen. Lacy blieb einen Moment lang stehen, um alles zu bewundern. Er wusste offenbar wirklich, was er tat. Sie würde ihn sofort für ihr eigenes Haus engagieren, wenn sie sich das leisten könnte.

Emma schien sie schon durch das große Erkerfenster gesehen zu haben – noch ein schönes Detail, das Lacy sehr gefiel –, denn sie riss die Tür schon auf, bevor Lacy oben angekommen war. „Hi!“

„Hey, du. Seid ihr schon bereit?“, fragte Lacy betont locker, beim Eintreten in das überraschend modern eingerichtete Wohnzimmer mit offener Küche, um ihre Nervosität zu überspielen.

Zack kam mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht aus dem Flur herein. „Hi. Herzlich willkommen.“

Sein Anblick verschlug Lacy mal wieder den Atem. Doch sie versuchte ihr Bestes, nach außen hin cool zu wirken. „Tolles Haus.“

„Freut mich, dass es Ihnen gefällt.“ Er nahm ihr die Tüte mit den Zutaten ab und brachte sie in die Küche. Das Einzige, was einen attraktiven Mann noch anziehender machte, war, wenn er ein Gentleman war. Verdammt, sie war wirklich rettungslos verloren!

Emma ergriff Lacys Hand und zog sie in die Küche. „Was kochen wir denn?“

„Ich dachte, wir fangen mit einem Gericht an, das jeder gern mag und das ganz einfach zuzubereiten ist: Spaghetti Bolognese. Bist du damit einverstanden?“

„Und ob!“

Bei so viel Enthusiasmus würde es ein Leichtes sein, der Kleinen das Kochen beizubringen. Lacy nahm sich fest vor, sich nur auf das Mädchen und ihre Aufgabe zu konzentrieren, und nicht auf Emmas Vater. Was allerdings nicht ganz einfach werden würde, denn er sah viel zu gut aus, um ihn einfach ignorieren zu können.

Reiß dich zusammen, Lacy. Konzentrier dich!

„Bevor wir anfangen, waschen wir uns zuerst die Hände.“

Emma ging als Erste zur Spüle und Zack lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und wartete, bis er an die Reihe kam.

Anscheinend würde das hier so eine Art Gruppenunterricht werden. Das war auch kein Problem, das hieß, falls Lacy ihre Nervosität in den Griff bekam. Zacks Gegenwart war so elektrisierend, dass es sie vollkommen durcheinanderbrachte. Kaum tauchte ein gutaussehender Mann in ihrem Leben auf, drehte sie komplett durch. Das musste daran liegen, dass sie so lange allein gewesen war … oder daran, dass er ihr allererster Schwarm war …

Wo war sie noch mal stehen geblieben? Ach ja, Spaghetti!

„Das Gute an Spaghetti Bolognese ist, dass man dazu nur einen Salat und vielleicht noch etwas Brot braucht, um eine vollwertige Mahlzeit zu haben.“ Lacy zeigte auf das Baguette und die Salatzutaten, die sie ebenfalls mitgebracht hatte. „Manche Leute machen die Soße komplett selbst, aber da man dafür etwas Übung braucht, habe ich erst mal Dosentomaten mitgebracht.“

Sie zeigte Emma als Erstes sämtliche Zutaten und erklärte ihr, wie man eine Zwiebel und eine Paprika würfelte und eine Knoblauchpresse benutzte. Zacks Gegenwart war ihr dabei nur allzu bewusst, wie auch nicht? Er hielt sich zwar im Hintergrund, schließlich war das die Kochstunde seiner Tochter, verließ jedoch nicht einmal die Küche. Die meisten Väter würden so eine Gelegenheit bestimmt dazu nutzen, etwas Zeit allein zu verbringen, aber nicht er. Anscheinend wollte er auch etwas lernen.

Als die Zwiebel- und Paprikastücke in dem Olivenöl brutzelten, fügten Emma und Lacy den gepressten Knoblauch und das Rinderhackfleisch hinzu.

„Mm, das riecht aber lecker!“, rief Emma. „Mir knurrt schon der Magen.“

Zack lächelte, was Lacy deshalb sah, weil sie ihn heimlich aus dem Augenwinkel beobachtete. Er ging jetzt zum Topf, spähte hinein und zwinkerte seiner Tochter anerkennend zu. Lacy wurde bei dem Anblick ganz warm ums Herz. Das Einzige, was noch anziehender war, als ein Gentleman, war nämlich ein liebevoller Vater.

Lacy reichte Emma nun einen langen Holzlöffel. „Damit rührst du die Soße ab und zu um, sobald wir die Tomaten hinzugefügt und das Ganze gewürzt haben.“

„Möchtet ihr vielleicht etwas trinken?“, fragte Zack. „Ich habe Eistee und Wasser, kann aber auch gern Kaffee kochen, falls Ihnen das lieber ist.“

„Eistee klingt perfekt, danke.“ Als sie ihm das Gesicht zuwandte und sich ihre Blicke trafen, funkte es schon wieder bei ihr. Ihr Herzschlag beschleunigte sich unwillkürlich. Das hier ging weit über eine gewöhnliche Kochstunde hinaus.

„Darf ich eine Cola haben?“, fragte Emma.

„Wie wär’s mit einem Saft?“, schlug ihr Vater vor.

Die Kleine verzog angewidert das Gesicht. „Dann nehme ich doch lieber Wasser.“

„Gute Entscheidung.“ Zack gab Eis in zwei Gläser und füllte sie dann mit kaltem Tee und Wasser. „Möchten Sie wissen, warum die Männer am Montag so zurückhaltend waren?“, fragte er Lacy beiläufig. Am Mittwoch und am Freitag war die Nachfrage nämlich plötzlich enorm gestiegen.

„Weil ich keine Hamburger verkaufe?“, witzelte sie.

Er grinste. „Nein, weil Ihr Wagen so aussieht, als gäbe es dort nur Eis und nichts Herzhaftes.“

„Ach so. Stimmt, das ist irgendwie nachvollziehbar.“

Sie lachten beide und Lacy entspannte sich endlich.

„Und was kommt jetzt?“, fragte Emma aufgeregt.

Lacy hatte glatt vergessen, warum sie hier war. Anscheinend passierte ihr das in Zack Gardners Nähe öfter.

Die Zeit verging wie im Flug, als sie den Salat zubereiteten und sich dabei unterhielten. Zack deckte ungefragt den Tisch, als Emma und Lacy den Salat vorbereiteten, das Baguette aufschnitten, die Hälften mit Olivenöl bestrichen und Knoblauch und gehobeltem Parmesan hinzufügten, bevor sie es in den Ofen schoben.

„Wenn das Knoblauchbrot und die Spaghetti fertig sind, fügen wir noch einen Löffel Balsamicoessig zur Soße hinzu, und dann sind wir auch schon fertig.“

Emma strahlte. „Ich kann’s kaum erwarten, endlich zu essen!“

„Ich auch nicht“, ertönte Zacks tiefe Stimme hinter Lacy.

Sie erschauerte lustvoll. Gut, dass sie ihr Haar heute offen trug, sonst hätte er ihre Gänsehaut sehen können.

Zack hatte ganz vergessen, wie angenehm es sein konnte, gemeinsam mit einer Frau zu kochen, und noch dazu mit einer so schönen wie Lacy. Sie hatte ihm sofort gefallen mit ihrem tollen roten Haar, den blauen Augen und dem zarten Grübchen am Kinn, ganz zu schweigen von ihren vollen Lippen. Er fühlte sich unfassbar zu ihr hingezogen.

Um sich abzulenken, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Tochter, die offensichtlich großen Spaß hatte. „Schatz, deine Soße sieht richtig toll aus.“ Er fing Lacys Blick auf. „Vielen Dank, dass Sie Ihren Samstagnachmittag für uns opfern.“

„Es war mir ein Vergnügen.“

Das glaubte er ihr sogar. Er stutzte, als er sah, dass sie ihre Sachen packte, so als wolle sie nach Hause. Dabei hatte er doch extra für sie mitgedeckt. „Bleiben Sie denn nicht zum Essen?“

„Oh … ich war mir nicht sicher, ob ich eingeladen bin, denn streng genommen war es ja eine Kochstunde.“

Protestierend schüttelte er den Kopf. „Bitte essen Sie mit uns zusammen.“

„Au ja, bitte, Lacy! Ich will dir doch zeigen, wie gut ich gekocht habe!“

Daraufhin musste Lacy lachen. Es war das schönste Geräusch, das Zack je im Leben gehört hatte. „Na wenn das so ist, nehme ich die Einladung natürlich gern an.“

Zack holte eine Flasche Wein aus dem Regal. „Ich habe sogar den perfekten Chianti zur Pasta“, sagte er lächelnd.

Das Essen war wirklich lecker, die Gesellschaft angenehm und hübsch anzusehen, und Lacy war unglaublich lieb zu Emma. Warum steckte eine so tolle Frau wie sie eigentlich in keiner Beziehung? Aber da eine solche Frage vermutlich viel zu persönlich wäre, ließ er sich stattdessen etwas Unverfänglicheres einfallen: „Wie kamen Sie eigentlich darauf, den Imbisswagen Ihres Vaters zu übernehmen?“

„Es hat mir früher immer großen Spaß gemacht, ihm zu helfen, aber vermutlich mache ich es eher zum Gedenken an ihn.“

Zack nickte verständnisvoll. „Wann ist er eigentlich gestorben?“

„Letztes Jahr. Es ist ganz plötzlich passiert. Es ist ganz schön hart ohne ihn, da meine Mutter …“ Lacy verstummte und streifte Emma mit einem verunsicherten Blick. Sie wusste nicht, ob sie weiterreden sollte, denn das Thema Mütter war vielleicht schmerzhaft für die Kleine, da sie bis jetzt immer noch nicht Genaues über Zacks Frau wusste. „Wie dem auch sei, mir gefällt die Unabhängigkeit, und dass ich mir meine Zeit selbst einteilen kann. Außerdem ist ein Imbisswagen ein bisschen wie ein kleines Diner; irgendwann kennt man all seine Stammgäste. Reich wird man dadurch natürlich nicht, aber es reicht zum Leben.“

„Sie scheinen ganz genau zu wissen, was Sie wollen. Schön, dass es nicht allen Menschen nur ums Geld geht.“

Wieder stieß sie ihr glockenhelles Lachen aus. „Na ja, ich hätte auch nichts gegen ein bisschen mehr Geld einzuwenden, aber das ist nicht mein Hauptziel.“ Sie lächelte verschmitzt. „Schließlich fahre ich einen rosa Wagen, so was kann man ja nicht gerade ernst nehmen, oder?“

Emma wischte den Rest ihrer Soße mit dem Knoblauchbrot auf. „Ich will später auch mal einen rosa Wagen fahren.“

Lacy und Zack lachten. „Vielen Dank auch“, zog er sie auf.

In den letzten anderthalb Jahren seit Monas Auszug hatte es nicht viel Gelächter in seiner Küche gegeben … und wenn er ehrlich war, davor auch nicht.

Als es Zeit für Lacys Aufbruch wurde, ertappte er sich unwillkürlich bei dem Wunsch, noch etwas Zeit mit ihr allein verbringen zu wollen. Schade, dass sie schon ging, denn Emma würde bald ins Bett gehen. Es gab noch so viel, was er über sie wissen wollte.

Bei Emmas nächster Kochstunde – dieses Mal gab es Hähnchenbrust mit Kartoffelbrei – war Zack wieder dabei.

Beim Herumalbern in der Küche wurden alte, längst vergessene Sehnsüchte in Lacy wach. Genau so etwas habe ich mir immer gewünscht … eine richtige Familie.

„Okay, Zack, Sie können schon mal die Kartoffeln zerkleinern.“ Als sie ihm den altmodischen Kartoffelstampfer reichte, erwiderte er ihren Blick so sexy lächelnd, dass ihr ganz heiß wurde. Als er ihr zu allem Überfluss auch noch zuzwinkerte, setzte ihr Herz tatsächlich einen Schlag aus. Ihre Flirtkünste waren vielleicht etwas eingerostet, und seine waren auch nicht wirklich besser, aber sie könnte schwören …

Wenn sie genauer darüber nachdachte, passierte das eigentlich öfter zwischen ihnen, sogar auf der Baustelle. Lacy kannte dafür nur ein Wort – eines, das sie schon vor langer Zeit zusammen mit dem Flirten vergessen hatte: Chemie.

Wenn sie es recht bedachte, hatte das Ganze schon seinen Anfang genommen als sie elf gewesen war. Damals war sie zwar noch jung und ahnungslos gewesen und hatte das Ganze daher nicht richtig einordnen können, aber schon da war ihr aufgefallen, dass der junge Bauarbeiter ihren Herzschlag beschleunigte und ihre Gedanken vollkommen durcheinanderbrachte. Inzwischen wusste sie jedoch ganz genau, was das zu bedeuten hatte, und allmählich machte ihr das Angst.

Nachdem sie sich gegen acht von Emma und Zack verabschiedet hatte, ging sie zu dem alten Camry ihres Vaters, der in der Einfahrt stand, setzte sich hinter das Steuer und drehte den Schlüssel im Zündschloss. Doch nichts passierte. Anscheinend ließ der Wagen sie heute im Stich. Sie versuchte es noch einmal – wieder ohne Erfolg.

Zack und Emma hatten die Tür bereits geschlossen und wuschen wahrscheinlich gerade ab. Sie beschloss, die beiden nicht zu stören und stattdessen die Pannenhilfe anzurufen. Während sie auf den Abschleppwagen wartete, loggte sie sich auf ihrer Social-Media-Seite ein und las die eingegangenen Nachrichten, wobei sie erfuhr, dass sie im nächsten Monat einen weiteren Hochzeitsauftrag hatte. Als sie gerade zusagen wollte, klopfte jemand an ihre Windschutzscheibe. Erschrocken zuckte sie zusammen.

„Haben Sie ein Problem mit dem Wagen?“, fragte Zack.

Bei seinem Anblick seufzte sie erleichtert auf und kurbelte die Fensterscheibe herunter. „Ja, meine Autobatterie ist leer.“

„Soll ich Ihnen Starthilfe geben?“

„Danke, das ist nett gemeint, aber die Pannenhilfe müsste gleich hier sein.“

„Warum haben Sie mir denn nicht Bescheid gesagt?“

„Ich wollte Sie nicht stören.“

„Sie stören uns doch nicht, Lacy!“

Als sie das hörte, wurde ihr ganz warm ums Herz. Konnte es sein, dass die Anziehung, die sie spürte, nicht nur einseitig war?

Diese Vorstellung machte ihr allerdings fast noch mehr Angst. Zögernd stieg sie aus ihrem Auto und setzte sich mit ihm auf seine Eingangsveranda.

„Wie alt ist dieser Wagen eigentlich?“, erkundigte sich Zack.

„Ach, der hat bestimmt schon an die zehn Jahre auf dem Buckel. Er gehörte meinem Vater, und ich kann mich irgendwie nicht von ihm trennen.“

Er nickte. „Das kann ich gut nachvollziehen.“

Als kurz darauf der Abschleppwagen kam, erklärte sie dem Fahrer ihr Problem. Er versuchte, ihr Starthilfe zu geben, was jedoch nicht funktionierte, sodass er ihr schließlich anbot, ihren Wagen mit zu seiner Werkstatt zu nehmen, um ihn sich dort genauer anzusehen.

„Ich fahre Sie nach Hause“, bot Zack sofort an, als der Mann weggefahren war. „Ich bringe nur rasch Emma ins Bett und rufe unsere Nachbarin an, um sie zu bitten, ein Auge auf sie zu haben.“

„Sind Sie sicher?“

Zack legte seine Hand auf Lacys Unterarm. „Ja, das bin ich. Mrs. Worthington passt öfter auf Emma auf. Außerdem hat Emma ein Handy, falls sie mich dringend erreichen muss.“

Lacy nickte. „In Ordnung. Danke schön.“ Von seiner Berührung prickelte ihr Arm so heftig, dass sie kaum noch klar denken konnte. So etwas hatte sie seit Greg nicht mehr erlebt, doch sie versuchte, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen.

Eine Viertelstunde später hielt Zack vor ihrem Haus und bestand darauf, sie noch zur Tür zu begleiten. Sie war sich seiner Nähe nur allzu bewusst, als sie zu ihrem Haus ging. Vor der Tür drehte sie sich zu ihm um, und ihr fiel auf, dass er aussah, als sei er hin- und hergerissen. Ein lustvoller Schauer lief ihr über den Rücken. Was war bloß los mit ihr? Mit zittrigen Händen nahm sie ihren Haustürschlüssel aus ihrer Handtasche und steckte ihn ins Schloss.

„Ich frage mich gerade, ob Sie nächste Woche nach Emmas Kochstunde vielleicht Lust hätten, mit mir ins Kino zu gehen. Ich kann Mrs. Worthington fragen, ob sie dann wieder auf Emma aufpasst.“

Lacy stockte der Atem. „Sehr gern“, antwortete sie herzklopfend.

Er nickte sichtlich erleichtert. „Das freut mich. Alles Weitere können wir dann ja übermorgen besprechen.“

„Okay.“ Als ihr auffiel, dass er sich aufmerksam umsah, fügte sie hastig hinzu: „Ich weiß, es ist hier nicht so nobel wie bei Ihnen, aber es passiert mir schon nichts.“

Verlegen verzog er das Gesicht. „Daran zweifele ich nicht. Ich habe mich gerade eher gefragt, wie neugierig Ihre Nachbarn wohl sind.“

Sie lachte nervös. „Warum denn das?“

Zack legte ihr die Hände auf die Schultern und sah sie dann so intensiv an, dass ihr ein lustvoller Schauer über den Rücken lief. Sanft schob er sie hinter einen Hibiskus-Strauch, der ihre kleine Eingangsveranda halb verdeckte. „Weil ich dir gern einen Gutenachtkuss geben würde“, sagte er leise. „Darf ich?“

Das Prickeln auf ihrer Haut verwandelte sich nun in Gluthitze. Als er den Kopf senkte, um sie zu küssen, hob sie ihm das Gesicht entgegen. Sie konnte nicht glauben, dass das tatsächlich passierte.

Seine Lippen waren viel weicher, als sie gedacht hatte. Er küsste sie sanft – eher vorsichtig herantastend als fordernd, doch trotzdem war es unglaublich erregend. Ein Glücksgefühl durchströmte sie. Anstatt dagegen anzukämpfen, ließ sie es zu … sie ließ sich von ihren Empfindungen überwältigen. Hätte er nicht seine Hände auf ihre Schultern gelegt, würde sie ihm jetzt die Arme um den Hals schlingen und sich an ihn pressen, aber sie überließ ihm die Führung, da sie abwarten wollte, ob dieser Kuss etwas zu bedeuten hatte oder nicht.

Es gefiel ihr, wie Zack Gardner küsste. Die Chemie zwischen ihnen stimmte ganz eindeutig. Vor all den Jahren hatte sie nur eine vage Ahnung davon gehabt, aber inzwischen war sie sich vollkommen sicher.

Als Zack wieder nach Hause fuhr, war er wie berauscht. Zum ersten Mal seit seiner Scheidung hatte er wieder eine Frau geküsst. Das war für ihn keine Kleinigkeit, und ehrlich gesagt wusste er gar nicht so recht, ob er schon so weit war, aber irgendwie war es passiert, und es war wunderschön gewesen.

Er kannte Lacy zwar erst seit zwei Wochen, aber er hatte von Anfang an eine Art Verbindung zu ihr gespürt. Vielleicht lag es daran, dass er sie streng genommen ja schon viel länger kannte – zwanzig Jahre lang, um exakt zu sein –, aber das war nicht der Grund für seinen Annäherungsversuch gewesen.

Er mochte sie. Er mochte ihr Aussehen, ihre Persönlichkeit, ihre positive Lebenseinstellung, ihren verrückten rosa Imbisswagen und die liebevolle Art, wie sie mit seiner Tochter umging. Vor allem Letzteres berührte ihn tief, denn Emma brauchte dringend jemanden wie sie, genauso wie er. Es wurde allmählich Zeit, dass er wieder eine Frau in sein Leben ließ.

Mona hatte ihm damals einen echten Tiefschlag verpasst, aber inzwischen hatte er ihr Fremdgehen und die anschließende Scheidung einigermaßen überwunden. Außerdem fühlte er sich unglaublich wohl in Lacys Gegenwart, und das war etwas, das ihm schon sehr lange nicht mehr passiert war. So furchteinflößend die Vorstellung auch war, sich wieder auf eine Frau einzulassen, er sollte allmählich akzeptieren, dass das Leben weiterging. Vielleicht wurde es mit Lacy ja sogar besser, als es zuvor gewesen war.

Er freute sich schon auf die Verabredung mit ihr. Dank Lacy hatte er sich von einem Mann, der wie auf Autopilot lief, in einen mit einem richtigen Privatleben verwandelt … auch wenn dieses vorerst nur aus einem einzigen Date bestand. Er musste daraufhin über sich selbst lachen, aber hey, das war doch schon mal ein Anfang. Ein Schritt nach dem anderen.

Lächelnd beschloss er, Lacy bei Gelegenheit mal seine Baustelle in Santa Barbara zu zeigen. Vielleicht hatte sie ja Lust, dienstags und donnerstags dort mit ihrem Foodtruck zu stehen?

Plötzlich schoss ihm etwas durch den Kopf, woran er bis gerade noch gar nicht gedacht hatte. War es nicht irgendwie ethisch fragwürdig, mit einer Frau auszugehen, die beruflich von ihm abhängig war?

Sein Lächeln erlosch augenblicklich. Andererseits hing ihr Job ja nicht davon ab, ob sie mit ihm ausging oder nicht, das war nicht sein Stil. Er beschloss, ihr das bei nächster Gelegenheit auf jeden Fall zu sagen.

4. KAPITEL

Als Lacy am Montagvormittag auf der Baustelle in Little River Valley alles für die Mittagspause vorbereitete, kam ihr die Tätigkeit schon fast vor wie Routine.

Nur eines war anders als sonst – dass Zack sie Samstagnacht geküsst hatte. Am liebsten hätte sie die Neuigkeit hinterher wie ein alberner Teenager auf ihrer Social-Media-Seite gepostet, aber sie hatte sich gerade noch rechtzeitig gebremst und stattdessen im Bett von dem perfekten Kuss geträumt, bis sie eingeschlafen war, und nach dem Aufwachen hatte sie sofort wieder daran gedacht.

Ob sie es wohl schaffen würde, Berufliches und Privates voneinander zu trennen? Doch viel wichtiger war eigentlich die Frage, ob sie überhaupt schon wieder bereit für eine neue Beziehung war.

Aber sie beschloss, dass sie die Dinge einfach auf sich zukommen lassen würde. Denn das Leben war schön und seit vorgestern Abend war es sogar noch schöner. Zum ersten Mal seit dem Tod ihres Vaters sah sie wieder voller Optimismus und Zuversicht in die Zukunft.

Als sie die Klappe des Foodtrucks öffnete und Zack davorstehen sah, machte ihr Herz automatisch einen Satz. Sein Lächeln ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er sich freute, sie zu sehen, und das war ein Gefühl, das absolut auf Gegenseitigkeit beruhte.

„Hey“, sagte er lächelnd und musterte sie intensiv von Kopf bis Fuß … oder viel mehr von der Taille an aufwärts.

„Guten Morgen.“

Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Stimmt, der Vormittag ist noch nicht ganz rum, also dann: Guten Morgen.“

Okay, der Wortwechsel war zwar ein bisschen peinlich, aber er lächelte währenddessen so umwerfend, dass sie trotzdem weiche Knie bekam. „Bevor der Mittagsansturm losgeht, wollte ich dir unbedingt noch etwas sagen.“

„Klar, schieß los“, meinte sie möglichst locker.

„Ich betreue noch eine zweite Baustelle in Santa Barbara und wollte dir anbieten, die Bauarbeiter auch dort zwei Mal die Woche mit Wraps zu versorgen.“

Dann hätte sie ja eine Fünf-Tage-Woche, genauso, wie sie es sich gewünscht hatte. Was bedeutete, dass sie keine Hochzeitsaufträge mehr annehmen müsste.

„Wow, sehr, sehr gern. Vielen Dank für das Angebot!“

Doch statt sich über ihre Zusage zu freuen, sah er zu Lacys Verwirrung plötzlich fast besorgt aus. Vertraulich beugte er sich über den Tresen und sagte leise: „Ich hoffe nur, du glaubst jetzt nicht, mein Angebot hat etwas mit vorgestern Abend zu tun.“

Das war ehrlich gesagt das Letzte, woran sie gerade gedacht hatte, aber wenn er es schon mal erwähnte … „Das ist doch nicht der Fall, oder?“

Er schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Absolut nicht. Die zeitliche Aufeinanderfolge ist reiner Zufall.“

„Wie so vieles bei uns“, ergänzte sie lächelnd.

Intensiv sah er sie mit seinen grünen Augen an. „Stimmt. Wusstest du eigentlich schon, dass ich neuerdings auf Zufälle stehe?“

Sie errötete. Es hatte keinen Zweck, sich etwas vorzumachen, der Mann ließ sie alles andere als kalt, und was noch viel besser war – die Anziehung war gegenseitig.

Wie oft kam so etwas schon vor? Bis vor Kurzem war sie noch fest davon überzeugt gewesen, dass einem so etwas nur einmal im Leben passierte und dass Greg die Liebe ihres Lebens gewesen und mit seinem Tod deshalb alles vorbei war.

Wie man sich doch irren konnte …

Da Lacy wusste, dass die Fahrt nach Santa Barbara länger dauern würde als zur Baustelle in Little River Valley, fuhr sie am nächsten Tag schon recht früh los. Wie sich herausstellte, war das eine kluge Entscheidung gewesen, denn ihr GPS kannte die neue Baustelle noch nicht.

Als sie diese endlich gefunden hatte, parkte sie ihren Wagen unter einer Eiche. Hoffentlich hatte Zack seinen Männern rechtzeitig Bescheid gesagt, dass sie heute kommen würde.

Als sie mit sämtlichen Vorbereitungen fertig war, fiel ihr plötzlich ein, dass es wahrscheinlich klüger gewesen wäre, vorher erst mal einen Blick in das mobile Büro zu werfen, um sich zu vergewissern, dass sie auch wirklich an der richtigen Stelle stand, bevor sie den Tresen öffnete.

Sie war erst ein paar Schritte weit gekommen, als Zack die Tür des Containers öffnete. Erleichtert atmete sie auf. Jepp, es war die richtige Baustelle … der richtige Mann … alles war richtig.

„Dein Timing ist absolut perfekt“, sagte er lächelnd.

„Danke. Die Straße den Hügel hoch war ganz schön steil.“

Schuldbewusst verzog er das Gesicht. „Ich hätte dich vorwarnen sollen, sorry.“

„Das macht doch nichts.“ Im Geiste lief sie auf ihn zu und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss, der den ohnehin schon schönen Tag geradezu magisch machen würde – sozusagen eine Erwachsenen-Version ihrer Mädchenfantasie.

Es war verrückt, ein einziger Kuss und ein bevorstehendes Date, und schon fühlte sie sich lebendiger als seit Monaten. Ob man ihr ihre Gefühle anmerkte? Doch statt ihrem Impuls zu folgen, ging sie zurück zu ihrem Imbisswagen.

„Hey“, rief Zack ihr hinterher und beschleunigte damit sofort ihren Herzschlag.

Langsam drehte sie sich zu ihm um. „Ja?“

„Danke fürs Kommen.“ Da er wegen der blendenden Sonne die Augen zusammenkniff, war sie sich nicht sicher, ob er ihr zuzwinkerte oder nicht.

„Gern geschehen!“ Lächelnd zwinkerte sie kurzerhand zurück.

„Die Männer werden deine Wraps garantiert lieben.“

Wie könnte man einem Mann widerstehen, der so sehr an einen glaubte?

Eine Dreiviertelstunde später hatte sie bereits an die sechzig Leute bedient, was ein neuer Rekord war, und das an ihrem ersten Tag hier. Den zufriedenen Gesichtern der Bauarbeiter zufolge hatte es ihnen außerdem geschmeckt.

Vor ihrer Abfahrt machte sie noch schnell ein Foto vom Meer in der Ferne und postete es auf ihrer Seite. Erobere gerade neue Absatzmärkte. Ich bin jetzt zwei Mal die Woche auch in Santa Barbara zu finden. Das Leben ist schön!

Lächelnd warf sie einen letzten Blick auf die Baustelle, bevor sie die Klappe des Trucks schloss und den Motor startete. Seit ihrer Begegnung mit Zack Gardner hatte ihr Leben eindeutig eine Wendung zum Besseren genommen.

Samstagnachmittag kamen Zack plötzlich Zweifel. Wie war er bloß auf die Idee gekommen, Lacy um ein Date zu bitten? Wie würde Emma reagieren, wenn er ihre neue Freundin plötzlich in Beschlag nahm? Bisher hatte er so etwas noch nie gemacht. Vielleicht hätte er das Ganze vorher mit ihr besprechen sollen, aber jetzt war es zu spät dafür, denn Lacy kam gleich zu ihnen.

Während der Zubereitung der Lasagne beobachtete Zack seine Tochter verstohlen. Sie war begeistert bei der Sache und schien sich aufrichtig über Lacys Gesellschaft zu freuen, aber wusste er tatsächlich, was wirklich in ihr vorging?

„Okay, mein Schatz, die Lasagne ist jetzt im Ofen“, sagte er, als die Vorbereitungen abgeschlossen waren. „Lacy und ich fahren jetzt los, in Ordnung? Mrs. Worthington kommt gleich vorbei, um mit dir zu Abend zu essen und anschließend einen Film zu gucken.“

Lacy trug eine schmale schwarze Hose und eine Tunika mit kurzen Puffärmeln und einem tiefen Ausschnitt, der ihre Brüste betonte. Das rote Haar hatte sie sich seitlich zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden. Beim Kochen hatte es ihn ständig in den Fingern gejuckt, ihr Haar zu berühren, doch er hatte sich aus zweierlei Gründen zurückgehalten: Erstens hatte sie ihm noch keine Erlaubnis gegeben, sie zu berühren, und zweitens war Emma die ganze Zeit dabei gewesen.

Lacy hockte sich vor seine Tochter hin. „Wenn in einer Dreiviertelstunde die Zeitschaltuhr klingelt und du die Auflaufform herausholst, vergiss nicht, vorher die Ofenhandschuhe anzuziehen, okay?“

„Das mach ich“, sagte Emma eifrig nickend.

So weit so gut, dachte Zack erleichtert. Bisher schien ihm seine Kleine seinen „Verrat“ nicht übel zu nehmen.

„Wenn die Lasagne draußen ist und ruht, können die Brötchen in den Ofen. Fünf Minuten müssten reichen.“

Zack fiel auf, dass Lacy immer mit den Händen gestikulierte, wenn sie sprach. Irgendwie war das niedlich. Ob sie reden könnte, wenn man ihr die Hände hinter dem Rücken fesselte?

Er verdrängte die schmutzige Fantasie, die ihm plötzlich durch den Kopf schoss, hastig. Im Grunde war ja noch gar nichts zwischen ihnen passiert. Bisher hatte sie sich lediglich bereit erklärt, mit ihm auszugehen. Trotzdem konnte er nicht leugnen, dass er sich körperlich unglaublich zu ihr hingezogen fühlte.

„Was ist denn so witzig?“, fragte sie ihn verwirrt, als sie ihn ansah.

Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er ein breites Grinsen im Gesicht trug. „Nichts. Ich sehe euch nur einfach gern zu.“ Das war knapp. „Können wir los?“

„Klar.“

Als Zack mit Lacy zu seinem Wagen ging und dort ihren eigenen in der Einfahrt stehen sah, wurde ihm bewusst, dass er sie nach ihrem Date ja gar nicht nach Hause und zur Tür bringen konnte. Warum hatte er bloß nicht eher daran gedacht?

Er hatte für sie beide einen Tisch in einem ganz neuen Restaurant in Ventura reserviert, das sich in einem umgebauten Strandhaus aus den Dreißigerjahren befand. Das Kino, in dem der Film lief, lag ganz in der Nähe. Die Lage war also perfekt, von der intimen Atmosphäre und dem Gourmet-Essen dort mal ganz zu schweigen.

Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Sie waren so früh dran, dass sie vor dem Restaurant noch einen kurzen Abstecher zum Wasser machen konnten. Als sie den Strand entlangschlenderten, ging die Sonne gerade unter und tauchte den Himmel in verschiedene Rottöne.

„Ich kann mich an diesem Anblick niemals sattsehen“, gestand Lacy seufzend.

Zack nickte. „Das geht mir genauso. Ganz egal, wie gestresst ich auch bin – dieser Anblick beruhigt mich jedes Mal“, stimmte er ihr zu. Sie wechselten daraufhin einen Blick voller Verständnis. „Hast du schon Hunger?“

„Und wie!“

Als sie kurz darauf das Restaurant betraten, erzählte ihr Zack die Geschichte des Kochs, die er im Internet gelesen hatte. Dieser war vor zwanzig Jahren als Einwanderer nach Kalifornien gekommen und hatte sich vom Tellerwäscher bis zum Gourmetkoch hochgearbeitet. Lacy schien das genauso interessant zu finden wie er.

Ihr Tisch befand sich in einem kleinen Raum, der früher offenbar ein Schlafzimmer gewesen war … was natürlich perfekt zu der Fantasie passte, die ihm vorhin durch den Kopf geschossen war. Noch einer dieser Zufälle, den er aber lieber für sich behielt.

Er wusste nicht, wann er das letzte Mal wegen einer Frau so nervös gewesen war. Das gedämpfte Licht betonte das niedliche Grübchen an ihrem Kinn, sodass er es ständig anstarren musste.

„Sorry“, sagte er, als sie ihn irgendwann dabei ertappte. „Aber ich finde, dass du heute Abend wunderhübsch aussiehst. Ich kann daher nicht anders als dich unentwegt anzuschauen.“ Sie errötete, so wie immer, wenn er ihr ein Kompliment machte. „Du weißt doch bestimmt selbst, dass du toll aussiehst, oder?“

Sie schüttelte den Kopf. „Früher hat man mich immer Raggedy Ann und Ronda Mac-Donald genannt.“

Fassungslos starrte er sie an. „Kinder können manchmal ganz schön fies sein.“ Er konnte nur hoffen, dass Emma nicht auch solche Spitznamen in der Schule bekam und ihm einfach nichts davon erzählte.

Sie zuckte mit den Achseln. „Tja, ein Rotschopf zu sein, ist nichts für Feiglinge“, sagte sie grinsend, während sie ihren letzten Bissen Hähnchen aß.

„Du weißt zumindest ganz genau, was du willst und wie du es erreichen kann. Ich muss zugeben, dass mir deine unorthodoxe Art langsam mehr und mehr gefällt.“

„Du meinst meinen rosa Imbisswagen?“

„Ja, den auch.“

Ihr Blickwechsel wurde daraufhin unglaublich intensiv. Zack ging vielleicht auf die vierzig zu, aber sein Verlangen war in diesem Augenblick genauso stark wie in seiner Jugend, und er scheute sich nicht davor, ihr das auch zu zeigen. Flirten machte schließlich in jedem Alter Spaß.

Unvermittelt wurde sie ernst. „Darf ich dich etwas fragen?“

Fühlte sie sich wegen seines Blicks etwa unbehaglich? „Natürlich. Schieß los.“

„Was ist mit Emmas Mutter?“

„Wir sind geschieden. Schon seit fast zwei Jahren inzwischen.“

Lacy schien das zu überraschen. „Habt ihr denn kein gemeinsames Sorgerecht?“

Zack schüttelte den Kopf. „Nein“, antwortete er knapp. Er hatte nicht die Absicht, ihr erstes Date und das tolle Abendessen damit zu ruinieren, dass er die ganze Zeit über seine Ex-Frau und deren Verlangen nach kompletter Unabhängigkeit redete. Dafür war das Thema einfach immer noch zu schmerzlich und zu ärgerlich für ihn.

„Ich dachte, sie sei vielleicht gestorben, so wie meine Mutter. Ich wollte schon öfter nach ihr fragen, aber ich hatte Angst, dass Emma dann traurig wird.“

Zack nickte. „Ich habe mich schon gewundert, dass du dabei immer sofort das Thema gewechselt hast.“

Überrascht sah sie ihn an. „Das ist dir aufgefallen?“

Er zuckte mit den Achseln. „Sollte Emma traurig wegen Monas Abwesenheit sein, sagt sie es mir zumindest nicht. Wie alt warst du, als du deine Mutter verloren hast?“

„Etwa in Emmas Alter. Zehn.“

„Krebs?“

„Nein, ein Autounfall. Deshalb hat mich mein Dad in den Ferien auch immer zur Arbeit mitgenommen.“

Er nickte nachdenklich. Lacy und Emma hatten anscheinend eine ganze Menge gemeinsam. Als er in ein Stück Brot biss, schoss ihm eine weitere Frage durch den Kopf. „Warst du schon mal verheiratet?“

Lacy trank einen Schluck Wein und schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich war verlobt.“

„Wurde die Verlobung wieder gelöst?“ Auch wenn er sich das nur schwer vorstellen konnte.

Sie senkte den Kopf und rieb mit einem Daumen etwas Kondenswasser von ihrem Weinglas. „Nein. Er wurde in Afghanistan von einem seiner Kameraden getötet. Es war ein Unfall.“

Voller Mitgefühl griff er über den Tisch nach ihrer Hand und drückte sie.

Sie hob daraufhin wieder den Blick. „Das ist jetzt schon fünf Jahre her.“

„Trotzdem muss es immer noch hart für dich sein.“ Zack hielt Lacys Hand noch eine Weile länger fest, um ihr sein Mitgefühl deutlich zu machen. Es musste schrecklich sein, einen Menschen zu verlieren, mit dem man eigentlich sein ganzes Leben hatte verbringen wollen. Anscheinend hatten nicht nur Emma und Lacy etwas gemeinsam, sondern auch sie beide. Er hatte nämlich nie mit einer Scheidung gerechnet, als Mona und er geheiratet hatten.

In diesem Augenblick brachte ihnen der Kellner die Dessertkarte. „Möchten Sie einen Nachtisch?“

Zack warf einen Blick auf seine Uhr. „Das könnte etwas knapp werden.“

Kopfschüttelnd sah Lacy den Kellner an. „Für mich nicht, danke.“

„Ich kaufe uns stattdessen im Kino was Süßes“, versprach ihr Zack, nachdem der Kellner wieder gegangen war.

Als sie nach dem neuesten Superhelden-Film Hand in Hand zu Zacks Wagen zurückschlenderten, kam ihm plötzlich eine Idee, wie er noch etwas mehr Zeit mir ihr allein verbringen konnte. Kurz bevor sie bei ihm ankamen, bog er in eine Sackgasse ein und parkte dort unter einer alten Eiche. Lacy sah ihn überrascht an.

„Macht es dir etwas aus, wenn wir noch für eine Weile hier sitzenbleiben?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, kein Problem.“

Es gefiel ihm, dass sie so unkompliziert war. „Der Abend ist so schön, dass ich ihn einfach noch nicht beenden will.“

„Ein tolles Essen und ein toller Film“, stimmte sie zu.

„Und eine tolle Gesellschaft“, ergänzte er, womit er sie unweigerlich wieder zum Lächeln brachte.

Erst jetzt fiel ihm ein, dass es noch eine bessere Option gegeben hätte, mehr Zeit mit ihr allein zu verbringen. „Ich hätte dir vorhin vorschlagen sollen, dass wir noch irgendwo einen Kaffee trinken und dabei das verpasste Dessert nachholen, tut mir leid.“ Er streckte die Hand nach dem Zündknopf seines Wagens aus, doch sie hielt ihn zurück.

„Es ist wunderschön hier, und wir haben im Kino schon genug Süßes gegessen. Wer hat außerdem schon Lust auf den Lärm in einem Coffee-Shop?“

Zack entspannte sich wieder etwas. „Es ist herrlich still hier draußen, nicht wahr?“

Sie nickte. „Ja, das ist es.“

Er kurbelte die Fensterscheibe herunter, damit sie das Grillen- und Froschkonzert hören konnte. „Während meiner Scheidung war ich öfter hier.“ Eigentlich hatte er nicht mehr über dieses Thema reden wollen, aber was soll’s.

„Klingt so, als könntest du neue Erinnerungen für diesen Ort gebrauchen.“ Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und sah ihm dabei tief in die Augen.

Zack wusste genau, was jetzt kam, trotzdem war er schockiert über die Intensität seiner Reaktion. Sein Herz begann auf einmal zu rasen, als hätte er gerade eine Espresso-Infusion bekommen und als sie ihn dann küsste, nahm er nichts anderes mehr wahr als das Gefühl ihrer weichen Lippen, die sie gerade genug öffnete, um das feuchte Innere erahnen zu können.

Schnell wollte er mehr und zog sie deshalb eng an sich, um den Kuss zu vertiefen, was wegen der Konsole zwischen ihnen leider nicht ganz so einfach war. Hungrig ließ er die Hände über ihre Schultern und ihren Rücken gleiten. Lacy erwiderte sein Zungenspiel, und schon bald erfüllten ihre schweren Atemzüge den Wagen – Geräusche, die er unglaublich vermisst hatte. Er konnte gar nicht mehr genug von ihr bekommen.

Autor

Kathy Douglass
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