Bianca Weihnachten Band 4

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EIN VERWEGENES SPIEL IN WEISS von SUSAN CROSBY
Einen Kunden wie Gideon Falcon hatte Denise in ihrer Jobagentur noch nie. Der attraktive Manager will sie zu Weihnachten als Ehefrau buchen, um den Vertrag für ein Berghotel zu ergattern! Für Denise das Wagnis ihres Lebens. Denn das Hotel entpuppt sich als romantisches Idyll, in dem sie mit Gideon das glückliche Paar spielen muss …

DER WUNDERBARSTE FEHLER MEINES LEBENS von CINDY KIRK
Die vernünftige Poppy geht romantischen Gefühlen am liebsten aus dem Weg. Bis sie bei einer Party von dem umschwärmten Arzt Benedict Campbell unbemerkt unter den Mistelzweig geführt wird. Plötzlich hat sie unwiderstehliche Lust, ihn zu küssen. Ein Fehler – oder unverhofftes Glück?

NUR DU BIST MEIN STAR von MARIE FERRARELLA
Als der Musiker Liam kurz vor Weihnachten einer schönen Fremden das Leben rettet, trifft ihn die Liebe wie der Blitz. Doch Whitney arbeitet bei einer Plattenfirma und will ihn zum Star machen. Und auch wenn es heiß zwischen ihnen knistert, trennt Whitney aus Prinzip Job und Vergnügen …


  • Erscheinungstag 30.09.2023
  • Bandnummer 4
  • ISBN / Artikelnummer 9783751517003
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Susan Crosby, Cindy Kirk, Marie Ferrarella

BIANCA WEIHNACHTEN BAND 4

1. KAPITEL

Denise Watson bezweifelte, dass Gideon Falcon wirklich um drei Uhr erscheinen würde. Selbst überpünktlich und gewissenhaft, war sie noch keinem Mann begegnet, der es mit der Uhrzeit besonders genau nahm.

Angespannt beobachtete sie durch das Fenster ihres im dritten Stock liegenden Eckbüros die vielbefahrene Kreuzung darunter. Vor einem Jahr war sie mit ihrer erfolgreichen Zeitarbeitsagentur At Your Service in dieses angesagte Geschäftsviertel Sacramentos gezogen, und sie liebte den Blick auf die Skyline der City.

Unten bog gerade ein Motorrad in eine frei gewordene Parklücke. Das musste Gideon sein. Motorräder passten irgendwie zu ihm – schließlich war er ein Abenteurer, der Flugzeuge und Hubschrauber in abgelegene Regionen lenkte und Führungskräfte auf Exkursionen in die Wildnis führte. Konventionelle Fortbewegungsmittel waren bestimmt nicht sein Ding – nicht einmal Mitte Dezember.

Denise beobachtete, wie er etwas Langes und Schmales vom Rücksitz löste, seinen Helm abnahm und auf ihr Bürogebäude zusteuerte.

Sie warf das Haar über die Schultern zurück und drehte sich zu ihrem Schreibtisch um. Zu ihrer Überraschung konnte sie das Blut in ihren Ohren pulsieren hören. Sie hatte sich mehr als nur ein bisschen zu Gideon hingezogen gefühlt, als sie vor einem Monat auf der Hochzeit seines Bruders David stundenlang mit ihm getanzt hatte.

Aber war das ein Wunder? Er sah atemberaubend gut aus, mit dunklem Haar und durchdringenden blauen Augen, die einem bis auf den Grund der Seele zu blicken schienen. Und er war so verdammt gut gebaut … Charakterlich entsprachen sie einander leider gar nicht. Ein leichtsinniger Mann und eine vorsichtige Frau passten ungefähr so gut zusammen wie Feuer und Wasser.

Ganz zu schweigen von der winzigen Kleinigkeit, dass er sie seit der Hochzeit nicht ein einziges Mal angerufen hatte.

Um exakt drei Uhr verkündete Denises Empfangsdame seine Ankunft. Denise ging hinaus, um ihn zu begrüßen.

Er hat sich das Haar schneiden lassen, war das Erste, was ihr bei seinem Anblick einfiel. Nicht dass sein Haar wirklich lang gewesen war, aber immerhin lang genug, um sich im Nacken zu kräuseln – und um ihm beim Tanzen ins Gesicht zu fallen. Mit der jetzigen Frisur sah er aus wie … nun ja, wie ein Geschäftsmann, wenn auch mit einer verwegenen Note.

„Danke, dass Sie sich so kurzfristig Zeit für mich genommen haben“, sagte Gideon, während sie einander zur Begrüßung die Hand gaben. Sein Blick machte deutlich, dass er sie genau durchschaute – oder sich zumindest im Klaren war, wie attraktiv sie ihn fand. Er trug Stiefel, Jeans, ein weißes Hemd und eine schwarze Lederjacke – in seinem Beruf vermutlich eine genauso angemessene Kombination wie ihr Kostüm für ihren.

„Zufällig hat gerade jemand abgesagt“, sagte Denise und führte ihn in ihr Büro. „Eigentlich ist um Weihnachten herum bei uns immer am meisten los.“

„Bei mir nicht.“

Gideon sagte das so locker, als ließe es ihn kalt. Aber vielleicht gefiel es ihm ja, wenig zu tun zu haben. Denise würde das vermutlich verrückt machen. Sie liebte ihren Job. „Darf ich Ihnen die Jacke abnehmen?“, fragte sie.

„Danke.“ Er lehnte eine Papprolle gegen ihren Schreibtisch, zog seine Jacke aus und gab sie ihr. Denise unterdrückte den Impuls, sie an sich zu drücken, um seine Körperwärme zu spüren.

Warum hast du mich nicht angerufen? dachte sie, fragte jedoch: „Was kann ich für Sie tun?“

„Ich brauche eine Frau.“

Denise war tief enttäuscht. Als Gideon den Termin mit ihr vereinbart hatte, hatte sie insgeheim gehofft, er suche nur nach einem Vorwand, um sie wiederzusehen. Aber offensichtlich war sein Besuch rein geschäftlich. Es sah ganz so aus, als hätte er längst nicht so viel an sie gedacht wie sie an ihn.

„Eine Frau? Gut“, antwortete sie sachlich, zog ihre Computertastatur zu sich heran und öffnete das Anmeldeformular auf dem Bildschirm. „Was für Anforderungen soll die Dame denn erfüllen?“

„Eheliche.“

Denise lächelte kühl. „Können Sie das vielleicht ein bisschen genauer erläutern? Meine Angestellten machen zum Beispiel Besorgungen, bereiten Partys vor, putzen und betreuen Kinder.“

„Dafür habe ich keinen Bedarf. Ich suche eine Ehefrau.“

Sie nahm die Hände von der Tastatur. „Ich fürchte, Sie verwechseln mich mit einer Partnervermittlungsagentur.“

„Meinen Brüdern haben Sie doch auch Ehefrauen besorgt.“

Meinte er das etwa im Ernst? „Das war nicht beabsichtigt.“

Gideon lehnte sich lässig zurück und legte ein Bein über das andere. „David hält Ihre Fähigkeit, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenzubringen, für geradezu unheimlich. Es war Ihnen sogar gelungen, eine Lehrerin für Noahs Kinder aufzutreiben. Das ist doch eigentlich gar nicht Ihr Gebiet, oder?“

„Reine Glückssache. Tricia kam zufällig bei uns vorbei, und sie hatte die nötigen Qualifikationen.“

„Und jetzt stehen sie und Noah kurz vor der Hochzeit, während David bereits verheiratet ist“, sagte Gideon. „Nennt man Ihre Firma nicht auch ‚Wives for Hire‘?“

„Das ist nur ein Spitzname – und ein ziemlich unpassender, wie ich finde. Wahrscheinlich kommt er daher, weil unsere Angestellten viele Aufgaben einer Ehefrau übernehmen.“

„Bis auf den Sex natürlich.“

Denises Herz klopfte schneller. „Selbstverständlich, aber auch vom Sex abgesehen, gehen die Aufgaben einer Ehefrau vermutlich weit über das hinaus, was meine Angestellten bieten.“

„Ich brauche trotzdem eine Ehefrau“, beharrte Gideon. „Ohne den Sex natürlich“, fügte er hinzu.

„Sie meinen zum Schein?“

„Ganz genau.“

„Wozu?“

„Für ein neues Hotelprojekt.“

Denise horchte auf. Gleichzeitig war sie irritiert. „Und dafür müssen Sie verheiratet sein?“

„Ja.“

„Also, diesen Wunsch höre ich zum ersten Mal. Wollen Sie auch gleich zweieinhalb Kinder mitbuchen?“

Gideon grinste jungenhaft. „Nicht nötig. Obwohl ein kleines Schwangerschaftsbäuchlein ganz hilfreich sein könnte.“ Er beugte sich vor und sah sie eindringlich an. „Ich brauche eine Frau, die intelligent und eloquent ist und sich nicht von gestandenen Männern einschüchtern lässt. Jemanden, der sich in der Geschäftswelt und auf dem gesellschaftlichen Parkett souverän bewegt. Ich brauche eine Frau, die gleichzeitig Präsenz und Stabilität vermittelt.“

„Ich verstehe. Und was wären Sie bereit, für diese Idealvorstellung zu zahlen?“

„Was ist denn in solchen Fällen so üblich?“

„Ich hatte solche Fälle noch nicht. Wir sollten erst einmal die passende Frau finden und dann gemeinsam mit ihr über das Honorar entscheiden.“

„Ich glaube, Sie haben mich nicht richtig verstanden, Denise. Sie sind diejenige, die ich will.“

All ihre Sinne reagierten sofort auf diese direkten Worte. Sie brauchte ein paar Sekunden, um sich zu fangen. „Ich stehe nicht zur Disposition.“

„Warum nicht?“

„Das hier ist meine Firma, und ich bin die Geschäftsführerin. Das ist mehr als ein Vollzeitjob.“

„Ich würde mich nach Ihrem Terminkalender richten. Wochenenden und Abende reichen völlig aus.“

„Ausgeschlossen, Gideon.“

„Warum? Gehen Sie doch heute mit mir essen, dann können wir in Ruhe über alles reden. Ich habe ein paar Entwürfe mitgebracht, die ich Ihnen gern zeigen würde.“

„Glauben Sie etwa, dass Sie mich mit einem Abendessen rumkriegen?“

Gideon lächelte breit. „Einen Versuch ist es zumindest wert.“

„Kein Mensch würde uns abnehmen, dass wir verheiratet sind“, argumentierte sie. „Wir kennen uns schließlich kaum.“

„Kein Problem. Wir erzählen den Leuten einfach, dass wir uns auf Davids Junggesellenparty kennengelernt und uns sofort unwiderstehlich zueinander hingezogen gefühlt haben. Bis zur Hochzeit sind wir uns dann eine ganze Woche lang aus dem Weg gegangen, da wir beide noch nie zuvor Ähnliches erlebt und zunächst unseren Gefühlen misstraut haben.“

Gideon sah sie eindringlich an und fuhr mit sanfter Stimme fort: „Auf der Hochzeit haben wir dann stundenlang getanzt und uns unterhalten. Wir sahen uns in die Augen, berührten einander und wussten irgendwann einfach, dass wir zusammengehören. Wir haben akzeptiert, dass es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gibt, und beschlossen, keinen Tag mehr ohne einander leben zu wollen. Also sind wir spontan nach Reno gefahren und haben geheiratet. Glauben Sie mir, das wird die Liebesgeschichte des Jahrhunderts. Selbst die größten Zyniker werden uns darum beneiden.“

Denise hatte Mühe, sich wieder auf die Realität zu konzentrieren, so gebannt hatte sie seinen Worten gelauscht. Verdammt, wenn er sie damit überzeugt hatte, dann würden andere ihm bestimmt auch glauben. Wer hätte gedacht, dass ein Romantiker in ihm steckte? Denise hatte ihn eher für eine Art Hemingway-Helden gehalten. Einen Überlebenskämpfer. Den idealen Begleiter bei einem Flugzeugabsturz.

Trotzdem … „Ich halte diese Geschichte für ziemlich unglaubwürdig, Gideon“, sagte sie. „Warum hätten Sie die Hochzeit einen ganzen Monat lang vor Ihrer Familie verheimlichen sollen?“

„Meine Brüder brauchen ja nichts von unserem Deal zu erfahren, nur diejenigen, die ich für mein Projekt interessieren will. Diese Geschichte habe ich mir bloß für den Notfall ausgedacht, falls jemand nachhakt. Warum sehen Sie sich meine Pläne nicht einfach mal an? Wenn Sie dann nicht überzeugt sind, lasse ich Sie in Ruhe, versprochen. Also, was ist? Gehen Sie mit mir essen?“

Okay, er war immerhin Noahs und Davids Bruder. Mit ihm essen zu gehen, konnte nicht schaden. Aber sie würde auf keinen Fall seine Frau spielen!

Denise verschränkte die Hände auf der Schreibtischplatte. „Ich habe um vier und um halb fünf noch Termine.“

„Dann hole ich Sie um fünf Uhr hier ab, wenn das okay ist.“ Er nahm die Papprolle und legte sie auf den Schreibtisch. „Darf ich die hier solange hierlassen?“

„Klar.“ Denise begleitete ihn hinaus. „Sollten wir uns nicht lieber chinesisches Essen bestellen? Wir könnten uns damit in den Konferenzraum setzen.“

Gideon hielt sie am Ellenbogen fest und sah sie auf seine typische Art eindringlich an. „Ich möchte aber lieber mit Ihnen ausgehen, Denise. Bitte.“

Das hättest du schon vor einem Monat tun können! „Na schön.“

Er ließ die Hand zu ihrer Schulter gleiten und drückte sie kurz, eine simple Geste, die Denises Hormone sofort wieder in Wallung versetzte. Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Hoffentlich merkte er ihr nichts an.

„Also bis fünf“, sagte er und ging.

Sie kehrte in ihr Büro zurück und spähte aus dem Fenster. Statt auf sein Motorrad zu steigen, ging Gideon Richtung Einkaufszentrum. Er wirkte eigentlich nicht wie jemand, der gern einkaufen ging, aber es war fast Weihnachten, und er hatte Nichten und Neffen.

„Hallo-o!“

Die Stimme ihrer Assistentin Stacy riss Denise aus ihren Gedanken. Sie hatte sie offensichtlich schon mehrfach angesprochen, Sie stand direkt neben ihr, offensichtlich bemüht, Denises Aufmerksamkeit zu erregen. „Was ist?“, fragte Denise leicht unwirsch.

„Ich sagte gerade, wie süß er ist.“ Stacy zeigte aus dem Fenster. „Dein Mr. Falcon. Ich nehme an, er ist Davids und Noahs Bruder?“

„Ja. Der mittlere.“

„Möchte er etwa auch jemanden engagieren? Wäre doch zu lustig, wenn er hier genau wie seine Brüder die Liebe seines Lebens finden würde.“

„Das bezweifle ich sehr.“

Stacy zuckte die Achseln. Mit ihren achtundzwanzig Jahren war sie ein Jahr jünger als Denise. Sie war Denises erste Angestellte gewesen und würde die Leitung der Firma übernehmen, sobald Denise ihre Franchise-Pläne umsetzte.

„Was wollte er denn?“, fragte Stacy.

„Mich.“

„Aha! Dann war sein Besuch also nicht geschäftlich, sondern privat?“

„Wir sind uns bei Davids Hochzeit begegnet“, antwortete Denise.

„Du könntest es schlimmer treffen.“

„Schon passiert.“

Stacy lachte. „Und? Gehst du mit ihm aus?“

„Ja, heute Abend.“

„Ich wette, er küsst gut.“ Stacy seufzte sehnsüchtig.

Dazu konnte Denise nichts sagen, leider – auch wenn es auf der Hochzeit ein paar Gelegenheiten gegeben hätte, ihn zu küssen, vor allem, als er sie nach der Feier zum Auto gebracht hatte. Irgendwie hatte sie damals das Gefühl gehabt, dass er ein sehr aufmerksamer und leidenschaftlicher Liebhaber sein musste – ein Eindruck, der sich eben noch verstärkt hatte.

„Du musst mir danach unbedingt alles erzählen“, rief Stacy ihr über die Schulter zu, als sie das Büro verließ.

Anderthalb Stunden später trank Gideon einen Block von Denises Büro entfernt ein Bier, während er darauf wartete, dass Denise seinen Businessplan zu Ende las. In dem schwarzen, aus Seidenbluse, Rock und hochhackigen Schuhen bestehenden Outfit gefiel sie ihm gut. Sie sah genauso aus wie in seiner Erinnerung: 1,77 Meter groß, perfekt proportioniert, mit tiefgrünen Augen, die meistens etwas zu ernst blickten, und glänzendem braunen, schulterlangen Haar …

Ihrem Haaransatz nach zu urteilen, war sie allerdings in Wirklichkeit blond. Gideon hatte zwar versucht, nicht an sie zu denken, aber die Frage, warum sie sich die Haare färbte, hatte ihm einfach keine Ruhe gelassen. Hatte sie etwas zu verbergen? Wenn ja, was?

Als die Bedienung den Salat brachte, legte Denise die Unterlagen beiseite. „Sie wollen also einen Wintersportort kaufen“, stellte sie fest.

„Ja, The Trails. Das Gelände liegt auf der Nevada-Seite des Lake Tahoe.“ Gideon spießte ein Stück Tomate auf. „Wie Sie sehen, ist das Potenzial bisher noch nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft. Außerhalb der Skisaison wird das Gebiet nur als Weideland benutzt. Die Besitzer, Ed und Joanne Baker, haben Mitte der Sechzigerjahre 15 Skihütten darauf gebaut. Ich will sie abreißen lassen und eine ganzjährig zu nutzende Anlage hinsetzen. Man soll dort nicht mehr nur Langlaufski fahren können, sondern auch wandern, Mountainbike fahren und reiten. Ich will ein Spa bauen und vielleicht ein paar Konferenzräume. Und natürlich ein großes Hotel mit Restaurant.“

Gideon sah Interesse in Denises Augen aufflackern, aber sie senkte den Blick rasch auf ihren Salat.

„Bis wann müssen Sie den Bakers ein Angebot machen?“, fragte sie.

„In zehn Tagen, also bis Heiligabend. Wie Sie sehen, ist bis auf die Finanzierung alles vorbereitet. Aber seit Max Beauregards Tod vor zwei Monaten habe ich ein Problem. Max sollte eigentlich mein Partner werden. Ich wollte das Land kaufen und die Pisten und Routen anlegen und er das Hotel bauen. Kannten Sie Max?“

„Nicht persönlich. Er war noch ziemlich jung, oder?“

„Siebenunddreißig. Mit Softwaretechnologie hat er ein Vermögen verdient. Er war einer meiner ersten Kunden und hat mich und meine Firma seinen Freunden und Geschäftspartnern weiterempfohlen. Außerdem hat er mir im Laufe der Jahre immer wieder unglaubliche finanzielle Tipps gegeben. Ohne sie könnte ich dieses Projekt nie realisieren.“

„Was ist passiert? Ist er gestorben, bevor Sie die Verträge unterzeichnet haben?“

„Nein, das war schon alles unter Dach und Fach. Aber Ann, seine Witwe, kann den Vertrag allein nicht erfüllen.“

„Warum?“

„Die Bakers stellen ganz besondere Anforderungen: Sie verkaufen das Land nur an ein junges Ehepaar, das den Namen The Trails und den familienfreundlichen Charakter des Orts bewahrt. Die Beauregards haben ihre Voraussetzungen erfüllt, obwohl das Projekt in Wirklichkeit meins war. Ich habe versucht, ein anderes Paar aufzutreiben, doch das ist nicht so leicht. Wäre ich verheiratet, müsste ich nur noch einen neuen Investor für das Hotel finden. Das ist zwar schon schwierig genug, aber immerhin machbar.“

„Warum bleibt Ann nicht Ihre Investorin?“

„Max war derjenige, dem das Projekt am Herzen lag, nicht Ann. Ich will sie nicht dazu zwingen, einen Vertrag zu erfüllen, an dem ihr nichts liegt.“

„Kann ich verstehen. Dann wollen Sie die Bakers also belügen?“

„Ich will The Trails. Das, was ich daraus machen will, entspricht genau ihren Wünschen: ein Urlaubsort, an dem Familien mit Kindern jedes Alters auf vielfältige Art Spaß haben können. Wenn ich dafür so tun muss, als sei ich verheiratet, dann werde ich es eben tun.“

„Und was ist, wenn die Bakers die Wahrheit herausfinden?“

„Wie sollten sie? Nur Sie und ich kennen die Wahrheit. Wir brauchen sonst niemandem davon zu erzählen.“

Denise brach sich ein Stück von ihrem Brötchen ab und bestrich es nachdenklich mit Butter. „Okay, ich verstehe. Wie viele Investoren suchen Sie denn?“

„Bloß einen.“

„Im Ernst?“

„Ja. Bei mehreren Investoren bliebe mir nur noch ein geringer Anteil am Ganzen, aber das ist nicht das, was ich will und wofür ich so hart gearbeitet habe.“

„Sie suchen also einen gleichberechtigten Partner?“

„Ideal wäre jemand, der einen Anteil von neunundvierzig Prozent akzeptiert, sodass ich letztlich die Entscheidungen treffe. Aber die Chancen, jemanden zu finden, der damit einverstanden ist, sind gering.“

Denise legte ihre Gabel auf den leer gegessenen Teller und trank einen Schluck Wein. Gideon konnte sehen, wie es in ihr arbeitete.

Schließlich hob sie ihr Weinglas. „Also, das Projekt macht auf mich einen sehr vielversprechenden Eindruck. In großen Teilen zumindest.“

Gideon lächelte. „Soll heißen?“

Sie zuckte die Achseln. „Der Hotelentwurf gefällt mir nicht besonders.“

„Max und ich hatten uns extra für James Madigan als Architekten entschieden“, erklärte er. „Er ist auf Hotels spezialisiert.“

„Ja, ich weiß“, antwortete Denise ausweichend.

„Was gefällt Ihnen denn nicht daran?“

„Verstehen Sie mich nicht falsch, Madigan baut gute Hotels, aber was Design angeht, hat er keine Ahnung. Dieser Entwurf hier ist ganz okay, passt aber nicht in die Umgebung. Und die Innenausstattung … na ja, die ist wie überall. Nichts Besonderes.“

„Muss es denn etwas Besonderes sein?“ Gideon war selbst überrascht, wie sehr Denises Geschäftssinn ihm gefiel. Normalerweise bevorzugte er Frauen, die genauso unternehmungs- und abenteuerlustig waren wie er. Eine solche Frau hatte er sogar geheiratet, doch die Ehe war gescheitert. Denise war zwar eigentlich nicht sein Typ – aber sie war verdammt sexy. So sexy, dass sie ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf gegangen war. Trotzdem hatte er sie nicht kontaktiert. Schließlich brauchte er gerade jetzt seine ganze Energie für das Projekt.

„Außerdem ist die Aussicht doch bestimmt spektakulär. Man sollte sie viel besser nutzen.“ Sie tippte auf die Unterlagen. „Die Gästezimmer werden diesem Anspruch ganz gut gerecht, aber die Gemeinschaftsräume …“ Sie verstummte und lächelte entschuldigend. „Tut mir leid, ich benehme mich ja fast so, als sei das mein Projekt.“

Gideon beobachtete sie intensiv. So viel Enthusiasmus hätte er ihr gar nicht zugetraut, aber es gefiel ihm. „Leider habe ich keine Zeit mehr, noch etwas an den Plänen zu ändern“, sagte er. „In zehn Tagen …“

„Doch, haben Sie. Die Entwürfe müssen ja nicht perfekt sein. Das Wichtigste ist doch die Kostenkalkulation, oder?“

„Stimmt.“ Die Bedienung entfernte ihre Salatteller und servierte den Hauptgang: Lachs für Denise und Steak für ihn. „Aber wenn ich keinen perfekten Entwurf vorlegen kann, wird sich doch kein Mensch für das Projekt interessieren.“

„Doch.“

„Wie denn?“

Denise zögerte einen Augenblick. „Sie haben keine Ahnung, wer ich bin, oder?“, fragte sie schließlich.

Gideon sah sie verwirrt an. „Sollte ich das denn?“

„Hilft es Ihnen weiter, wenn ich Ihnen sage, dass die meisten mich früher Deni genannt haben?“

Gideon brauchte ein paar Sekunden, bis der Groschen fiel. Deni Watson? Er sah die Zeitungsfotos förmlich vor sich: kurzes, wildes blondes Haar, zierliche Figur. Die beste Freundin von Dani Sowieso – „Deni und Dani“ hatte die Klatschpresse sie immer genannt. Folglich war Denise also die Tochter des Hotelmagnaten Lionel Watson, Eigentümer der luxuriösen Watson-Hotelkette. Deni Watson, jung, eigenwillig und schön. Und ein echtes Partyluder.

2. KAPITEL

Denise spürte seinen verblüfften Blick, aß jedoch unbeirrt ihren Lachs weiter.

„Ach, deshalb kennen Sie sich so gut mit Hotels aus“, sagte Gideon. „Ich lese ja normalerweise keine Klatschmagazine, aber ich erinnere mich noch, dass es jede Menge Spekulationen gab, als Sie plötzlich von der Szenerie verschwunden sind. Wie lange ist das noch mal her?“

„Fünf Jahre.“ Denise hob ihr Glas Chardonnay, um auf den Erfindungsreichtum der Presse anzustoßen. „Ich hatte wahlweise einen entstellenden Autounfall oder ein Baby von einem geheimnisvollen Prinzen.“

„Oder sind in einer Entzugsklinik abgetaucht.“

„Meine Lieblingsversion. Ich habe zwar jede Menge Partys gefeiert, mich aber nie öffentlich zum Narren gemacht. Nur ein einziges Mal. Und das wird mir wahrscheinlich mein ganzes Leben lang nachhängen.“

„Warum haben Sie sich damals so plötzlich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen?“, fragte Gideon. „Und sich die blonden Haare dunkel gefärbt? Damit niemand Sie erkennt?“

„Ich wollte etwas beweisen, und zwar ohne den mächtigen Namen meines Vaters im Hintergrund.“ Denise stellte ihr Weinglas ab. „Ich erzähle Ihnen das nur, damit Ihnen eins klar ist: Anstatt Ihnen zu nützen, könnte ich Ihnen vielleicht sogar schaden. Es gibt genug Menschen, die mich wegen meiner wilden Zeiten ablehnen. Also sollten Sie Ihre Entscheidung vielleicht noch mal überdenken. Ich helfe Ihnen auch gern dabei, eine passendere Scheinehefrau für Sie zu finden.“

Doch im Grunde genommen wollte sie das gar nicht mehr. Nachdem sie Gideons Pläne gesehen hatte, war sie Feuer und Flamme für das Projekt. Es war absolut faszinierend.

Genauso faszinierend wie Gideon selbst, und das konnte ganz schön riskant werden – für ihr Herz nämlich.

„Heißt das, Sie sind im Prinzip einverstanden?“, fragte er.

Denise versuchte, sich ihre Begeisterung nicht anmerken zu lassen. Schließlich musste sie sich das selbst alles noch mal gründlich durch den Kopf gehen lassen. „Ich würde Ihre Pläne gern mit nach Hause nehmen und etwas genauer studieren, bevor ich eine Entscheidung treffe. Außerdem möchte ich das maßstabsgetreue Modell sehen, das in den Plänen erwähnt wird. Und das Areal selbst auch.“

Gideon lächelte schwach. „Ist das nicht ein bisschen viel verlangt? Schließlich sind Sie keine potenzielle Investorin.“

„Ich kann nicht für ein Projekt einstehen, von dem ich nicht voll und ganz überzeugt bin.“

„Okay, das kann ich nachvollziehen.“

Die Serviererin kam an ihren Tisch, um abzuräumen und ihnen ein Dessert anzubieten, doch sie lehnten dankend ab.

Als sie das Restaurant verließen, verabredeten sie, sich am nächsten Tag gemeinsam das Areal anzusehen. Denise zog ihren Regenschirm aus der Tasche.

„Wozu der Regenschirm?“ Gideon blickte zum Himmel. „Es regnet bestimmt nicht. Zumindest nicht in den nächsten zwei Stunden.“

„Können Sie das etwa riechen, Mountain Man?“

Er lächelte. „Ich kann eben nichts riechen.“

„Sie sind bestimmt ziemlich gut in Ihrem Job.“

Sein Achselzucken konnte alles Mögliche bedeuten.

„Wo steht eigentlich Ihr Auto?“, fragte er.

„Ich bin zu Fuß hier. Ich wohne nicht weit entfernt.“

„Ich würde Ihnen ja gern anbieten, Sie auf Hilda nach Hause zu bringen, habe aber leider keinen zweiten Helm dabei. Und mit Ihrem Rock …“ Er beugte sich näher zu ihr, als wollte er ihr etwas ins Ohr flüstern, entschied sich dann jedoch offenbar anders. „Ich begleite Sie zu Fuß.“

Denise hätte zu gern gewusst, welche Worte ihm gerade auf der Zunge gelegen hatten. „Das ist wirklich nicht nötig, Gideon, trotzdem danke. Fahren Sie lieber los, bevor der Regen einsetzt. Nur für den Fall, dass Ihre Nase Sie trügt“, fügte sie hinzu, obwohl sie seinem Instinkt durchaus traute. „Sie brauchen doch noch ungefähr eine Stunde, oder?“

„Müssen Sie eigentlich immer alles bestimmen?“, protestierte er scherzhaft. „Ich will doch nur, dass Sie sicher nach Hause kommen. Bitte tun Sie mir den Gefallen.“

„Wer will denn hier jetzt bestimmen?“

Statt ihr zu antworten, legte Gideon ihr die Hand auf den Rücken und schob sie vorwärts. Prompt begannen sämtliche Nervenenden in ihrem Körper zu prickeln.

„Laufen Sie eigentlich immer auf so hohen Stelzen?“, fragte er und zeigte auf ihre Pumps.

„Ich habe meine Straßenschuhe im Büro vergessen.“ Das war glatt gelogen. In Wirklichkeit war sie nämlich zu eitel gewesen, um sie anzuziehen. Gideons bewundernder Blick war ihr nicht entgangen.

„Hilda ist Ihr Motorrad, nehme ich an?“, fragte sie, um das Gespräch wieder auf neutraleres Terrain zu lenken.

„Stimmt. Wollen Sie eigentlich lieber Denise oder Deni genannt werden?“

„Denise ist unauffälliger.“

„Wäre es nicht doch besser, wenn die Menschen wüssten, wer Sie wirklich sind?“

Sie zog die Brauen zusammen. „Vergessen Sie nicht meinen schlechten Ruf!“

„War er denn berechtigt?“

„Nicht so sehr, wie die Zeitungen einen glauben machen wollten.“

„Wenn die Leute hören, was ich beruflich mache, haben sie auch Vorurteile“, erklärte Gideon. „Sie halten mich automatisch für leichtsinnig und unzuverlässig. Dabei bin ich für das Leben meiner Kunden verantwortlich, und ich nehme diese Verantwortung sehr ernst.“

„Ein Grund mehr, meine Identität geheim zu halten. Die Leute gleich mit zwei vermeintlich leichtsinnigen Menschen zu konfrontieren, schmälert die Chance auf den Zuschlag mit Sicherheit.“

Denise war sich Gideons Gegenwart nach wie vor sehr bewusst. Er besaß wirklich eine unglaubliche Präsenz.

Nachdem sie eine Ampel überquert hatten, waren sie nur noch einen Block von dem Hochhaus entfernt, in dem Denise wohnte. „Was passiert eigentlich, wenn Sie keinen Investor finden, Gideon?“

„Dann sehe ich mich einfach nach etwas anderem um. Aber ich denke lieber positiv. Irgendwie wird die Sache schon klappen.“

Inzwischen waren sie vor Denises Haus angekommen. „Möchten Sie vielleicht noch mit hochkommen?“, bot sie spontan an, ohne nachzudenken.

„Danke, aber ich sollte mich lieber auf den Heimweg machen. Bevor der Regen losgeht.“ Er blickte nach oben. „In welchem Stockwerk wohnen Sie?“

Denise war insgeheim erleichtert. Im Grunde genommen war sie noch gar nicht bereit, ihn in ihre Wohnung zu lassen. „Im magischen 13. Stock. Die Aussicht ist einfach fantastisch.“

„Meine auch. Bis morgen dann.“ Gideon übergab Denise die Papprolle mit den Bauplänen.

„Ich bin morgen früh um neun Uhr bei Ihnen“, sagte sie.

„Essen Sie bitte vorher nichts. Ich mache uns nämlich ein gutes, warmes Frühstück.“

Wie bitte? Er konnte sogar kochen? „Okay.“

„Und bis dahin …“ Gideon griff in seine Jackentasche, zog eine Schmuckschatulle heraus und klappte sie auf. Ein Platinring mit drei blitzenden Diamanten kam zum Vorschein. „Den müssen Sie morgen tragen.“

Der Ring war einfach hinreißend. Ihrem ersten Impuls folgend, hätte sie ihn am liebsten sofort angesteckt, doch stattdessen ballte sie die Fäuste. „Sie sind sich Ihrer selbst ja ganz schön sicher, Gideon.“

„Ich ging einfach davon aus, dass Sie das Gelände als Geschäftsfrau bestimmt persönlich inspizieren wollen. Aber dafür müssen Sie als meine Frau auftauchen.“

„Ich habe Ihnen doch noch gar keine Zusage erteilt. Was ist, wenn Sie später mit einer anderen Frau wiederkommen müssen?“

„Oh, Sie haben sich bereits entschieden.“

Seine Selbstsicherheit war irritierend – und gleichzeitig sehr anziehend.

Gideon nahm den Ring aus der Schatulle. „Wollen Sie ihn nicht mal anprobieren? Nur um zu sehen, ob er überhaupt passt?“

Denise hielt die Hand auf, und er ließ den Ring hineinfallen. Er fühlte sich glühend heiß an, so wie eine Warnung. Denise schob ihn sich auf den Finger. „Er passt“, sagte sie, nahm ihn jedoch sofort wieder ab und gab ihn Gideon zurück. „Haben Sie auch einen?“

„Ja. Er ist etwas schlichter.“ Anstatt den Ring zurück in die Schatulle zu legen, zog Gideon eine Silberkette aus seiner Tasche, fädelte den Ring auf und legte ihr die Kette um den Hals.

Denise spürte, wie ihr der Ring in den Ausschnitt rutschte.

„Für die Zeit, in der du die Rolle der Ehefrau nicht spielen musst.“ Er drehte Denise zu sich um. „Danke für alles“, fügte er hinzu und küsste sie sanft auf den Mund. Die Berührung seiner Lippen war einfach elektrisierend. „Bis morgen früh dann, Mrs. Falcon“, sagte er mit einem frechen Grinsen.

Denise lachte. Sie wollte noch nicht nach Haus – und dass er schon ging. Wann hatte sie eigentlich das letzte Mal ähnlich empfunden? Dabei war das hier doch noch nicht einmal ein Date.

Obwohl … im Grunde genommen war es sogar viel mehr als das. Sie hatten gerade gewissermaßen geheiratet.

„Ich gehe erst, wenn du sicher drin bist“, sagte Gideon.

Denise gehorchte. Nachdem die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, winkte Gideon ihr zum Abschied zu und ging mit langen Schritten davon. Sie sah ihm hinterher, bis er aus ihrem Blickfeld verschwunden war.

In ihrer Wohnung angekommen, warf sie einen nervösen Blick auf das Telefon. Am liebsten hätte sie Gideon gebeten, sie anzurufen, sobald er zu Hause war, aber vermutlich hätte er sie nur ausgelacht.

Sie wartete eine gute Stunde, bevor sie seine Nummer wählte.

Er meldete sich schon beim ersten Klingelzeichen. „Ich bin wohlbehalten und trocken angekommen“, sagte er sofort.

Offensichtlich hatte er ihr angesehen, dass sie sich Sorgen um ihn gemacht hatte. „Das ist nicht der Grund für meinen Anruf“, log sie.

„Was? Dir ist also noch etwas so Dringendes eingefallen, dass es nicht bis morgen Zeit hat?“, gab er belustigt zurück.

Bleib locker, ermahnte sie sich und zerbrach sich den Kopf nach einer plausiblen Erklärung.

Doch er kam ihr zuvor. „Ist schon in Ordnung“, sagte er. „Ich finde es sehr lieb von dir, dass du angerufen hast. Irgendwie fürsorglich.“ Er lachte. „Passt der Ring noch?“

Denise schoss das Blut ins Gesicht. Sie trug ihn nämlich gerade. Also wirklich, wie sollte sie mit jemandem zusammenarbeiten, der sie total durchschaute?

„Dein Schweigen bedeutet vermutlich, dass du den Ring tatsächlich noch mal anprobiert hast, oder?“

„Nein, nur, dass dein Ego nicht noch mehr Nahrung braucht.“

Das saß. „Wir müssen uns übrigens dringend mal über diese Anziehungskraft zwischen uns unterhalten, findet du nicht? Damit es mit der Zusammenarbeit klappt.“

„Gute Idee.“ Sie hatte nicht erwartet, dass er ein so heikles Themen von sich aus ansprechen würde. Bisher hatte sie nur Männer kennengelernt, denen so etwas nicht im Traum einfallen würde.

„Wie wär’s mit morgen beim Frühstück“, schlug er dann vor. „Gibt’s was, was du nicht magst?“

„Nein, ich bin für alles offen.“

„Wirklich für alles?“

„Nur, was Essen angeht“, schmunzelte Denise.

„Bis morgen früh dann, Mrs. Falcon.“

Leider fiel Denise darauf keine geistreiche Antwort ein. „Gute Nacht, Mountain Man“, sagte sie nur, unterbrach die Verbindung und starrte auf den Ehering an ihrem Finger.

Der Mann hatte wirklich einen ausgezeichneten Geschmack. Und noch dazu einen scharfen Verstand. Ganz zu schweigen von seinem umwerfenden Körper …

Okay, okay, sinnlos, es zu leugnen – er war ein toller Typ.

Sie würde wirklich verdammt aufpassen müssen!

Denise genoss die Fahrt ins Grüne sehr. Je weiter sie Sacramento hinter sich zurückließ, desto entspannter fühlte sie sich. Erstaunlich, denn eigentlich liebte sie die Großstadt. Sie hatte eine aufstrebende Firma, gute Freunde und ein erfülltes Privatleben. Normalerweise blühte sie auf, wenn sie eine Aufgabe und ein Ziel hatte. Aber jetzt gerade verschwendete sie keinen Gedanken an ihre Arbeit.

Klar, weil sie an Gideon denken musste. Sie war in ihrem Leben schon einige Risiken eingegangen, aber noch nie ein so großes wie das hier.

Um fünf vor neun bog sie in Gideons Zufahrt ein, sein Haus kam jedoch erst zwei Kurven später in Sichtweite. Es war eine Art Blockhaus, das sich optisch den Eichen, Tannen und Felsen der Umgebung anpasste.

Als Denise den Motor ausstellte, schlenderte Gideon bereits auf sie zu. Die Stille hier draußen war absolut verblüffend – noch nicht einmal seine Schritte konnte sie hören.

„Herzlich willkommen“, sagte er zur Begrüßung und bedachte sie mit seinem intensiven Blick. Sein Atem kondensierte in der kalten Luft.

Sie unterdrückte den Impuls, ihn zu umarmen. „Es ist einfach herrlich hier, Gideon“, schwärmte sie, als er sie die Holztreppe zur auf Baumstämmen ruhenden Veranda hinaufführte. Oben standen bequeme gepolsterte Sessel und Holztische. Der perfekte Ort, um nachzudenken, den Vögeln zu lauschen und die Eichhörnchen in den Bäumen zu beobachten.

Die hohen Bäume hielten den Wind ab, filterten das Sonnenlicht und erfüllten die Luft mit harzigem Duft – unwillkürlich musste Denise an das kurz bevorstehende Weihnachtsfest denken.

„Da drüben gehe ich immer schwimmen.“ Gideon zeigte auf einen kleinen leuchtend blauen See, der ein paar hundert Schritte weiter zwischen den Bäumen zu sehen war.

Denise stützte die Hände auf das Geländer und genoss die Aussicht. „Herrlich! Das Haus gefällt mir übrigens sehr gut.“

„Danke. Ich habe es selbst gebaut.“

Das überraschte sie nicht. „Ein Haus zu bauen muss sehr befriedigend sein.“

„Mehr, als du ahnst.“ Gideon blickte sich voller Stolz um.

„Du hast eine Menge Talente, oder? Bodenständige Talente.“ Und sehr männliche, hätte sie fast hinzugefügt. Sie war bisher eher an Managertypen gewöhnt – vermutlich genau die Art Mann, die Gideon auf Abenteuertrips in die Wildnis führte.

„Du trägst ja den Ring“, stellte Gideon fest, nahm ihre Hand und ließ den Daumen über die Steine gleiten. „Dann hast du dich also entschieden, meine Frau zu werden?“

Denise wurde ganz heiß bei diesen Worten. „Ja, ich werde die Rolle übernehmen. Du trägst deinen Ring auch schon, wie ich sehe?“

Er nickte. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel und lenkte Denises Blick automatisch auf die Lippen, die sie gestern Abend auf ihren gespürt – und ihr Verlangen nach mehr geweckt hatten.

„Wir müssen aber vorher noch ein paar Details klären“, fuhr sie fort.

„Zum Beispiel?“

Sie drehte sich zu Gideon um und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen das Geländer. „Ich möchte den Vertrag nicht über meine Firma abschließen, sondern als Privatperson.“

„Kein Problem. Hast du schon eine Gehaltsvorstellung?“

„Gehalt möchte ich nicht.“

Gideon hob die Augenbrauen. „Warum nicht?“

„Mir ist klar, dass du mich als eine Art Gallionsfigur brauchst, jemanden zum Vorzeigen, aber ich könnte viel mehr für dich tun. Ich habe jede Menge guter Kontakte.“

Gideon zögerte. „Lass uns beim Frühstück darüber reden.“ Er führte sie ins Haus, dessen Front fast komplett verglast war. Die Aussicht war einfach atemberaubend.

Es duftete nach gebratenem Speck, Denises Lieblingsfrühstück, auch wenn sie das nie zugegeben hätte. In dem großen Steinkamin brannte ein Feuer.

Das offene Erdgeschoss bestand aus einer Küche und einem Wohn- und Essbereich, dessen Tisch mit sehr maskulin wirkenden schwarzbraunen Tellern gedeckt war. In der Mitte stand eine rustikale Holzschüssel mit Pinienzapfen.

Gideon hielt bereits auf den Herd zu. Denise schlenderte hinter ihm her und setzte sich auf einen Hocker, um ihm beim Kochen zuzusehen.

Er deutete auf ein paar Schüsseln mit frischen Zutaten – Tomatenscheiben, geriebener Käse, gedünstete Pilze und Frühlingszwiebeln. „Ich mache gerade Omelettes“, sagte er. „Welche Zutaten möchtest du?“

„Von allem etwas bitte.“

„Auch Salsa?“

„Gern.“

Gideon gab ihr eine Scheibe frisch gebratenen Speck und sah sie belustigt an, als wisse er genau, wie verrückt sie danach war. „Kaffee?“

„Ja, bitte. Aber ich kann ihn mir auch selbst holen.“

„Du bist mein Gast. Entspann dich.“ Gideon goss ihr eine Tasse Kaffee ein, fügte ein Stück Zucker und etwas Kaffeesahne hinzu und stellte die Tasse vor Denise hin. Überrascht blickte sie zu ihm auf. „Ich nehme an, dein Geschmack hat sich seit Davids Hochzeit nicht geändert?“, fragte er.

Er drehte sich zum Herd um, tat Butter in eine Pfanne und bereitete das erste Omelette mit der Souveränität eines Chefkochs zu. Denise knabberte unterdessen an dem Speck, trank einen Schluck Kaffee und genoss die scheinbar mühelose Darbietung. Gideon ließ das Omelette auf einen Teller gleiten, machte blitzschnell ein zweites und goss warme Salsa darüber. Dann legte er Speck und Vollkorntoast dazu und trug die Teller zum Esstisch.

„Es macht echt Spaß, dir beim Kochen zuzusehen.“ Denise setzte sich an den Tisch. „Hast du mal als Koch gearbeitet?“

„Gewissermaßen schon. Ich koche für meine Kunden, aber normalerweise benutze ich dabei einen Campingkocher oder mache ein Lagerfeuer. Kochen hat mir immer schon Spaß gemacht.“

Sie aßen eine Weile schweigend.

„Lecker“, sagte sie und hob anerkennend ihre mit reichlich Ei beladene Gabel.

„Kochst du auch gern?“

„Ja.“ Ein rascher Blick durch den Raum bestätigte, was ihr vorhin schon aufgefallen war: Es gab nirgends Familienfotos. „Wie weit wohnen deine Brüder eigentlich von hier entfernt?“

„Etwa eine Viertelstunde mit dem Auto.“

„Ich habe ihre Häuser gesehen, als ich Tricia und Valerie für Valeries Junggesellinnenparty abgeholt habe“, sagte Denise. „Total schön.“ Sie sah ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg an. „Stimmt es, dass ihr drei nach dem Tod eures Vaters gleichberechtigte Partner wart?“

„Ja, aber ich habe den beiden nach etwa einem Jahr meine Anteile verkauft. Ich war ganz gut in dem Job, aber er hat mir nicht wirklich Spaß gemacht. Falcon Motorcars läuft auch ohne mich hervorragend. Der Firma geht es jetzt schon erheblich besser als unter meinem Vater. Ich gehe davon aus, dass mein Projekt ähnlich gut laufen wird.“

„Wann hast du dieses Haus gebaut?“

„Vor zwei Jahren. Nach meiner Scheidung.“ Gideon stand auf und trug ihre Teller zur Spüle. Denise half ihm dabei.

„Heikles Thema?“, fragte sie.

„Was? Die Scheidung? Nein. Klar, die Zeit danach war nicht ganz einfach, aber ich hatte einfach aus den falschen Gründen geheiratet. Sie sah das ähnlich. Gott sei Dank war ich schlau genug, vor der Hochzeit einen Ehevertrag abzuschließen. Nachdem ich meine Anteile an der Firma meines Vaters verkauft hatte“, fuhr er fort, „habe ich ein paar finanzielle Fehlentscheidungen getroffen. Ich hatte sogar Noah und David mit da reingezogen. Schließlich war ich gezwungen, neue Wege zu gehen, und kam auf die Sache mit dem Abenteuerurlaub. Es machte sich schnell bezahlt. Die Ehe erschien mir damals wie der nächste logische Schritt.“

Denise wusste Gideons Offenheit zu schätzen, vor allem im Hinblick auf seine Fehlschläge. Ihr nämlich fiel es sehr schwer, über ihre eigenen zu reden.

Sie gab Geschirrspülmittel ins Becken und ließ heißes Wasser einlaufen. „Keine Kinder?“

„Nein.“ Er griff an ihr vorbei, um schmutziges Geschirr in die Spüle zu stellen, wobei seine Brust ihren Rücken berührte. Sofort überlief sie ein elektrisierendes Prickeln.

Wenn sie wirklich mit ihm zusammenarbeiten wollte, musste sie unbedingt jeglichen Körperkontakt mit ihm vermeiden. Eine solch erotische Spannung hatte sie schon lange nicht mehr in Gegenwart eines Mannes empfunden, wenn überhaupt jemals.

„Wann hast du den Bakers eigentlich erzählt, dass du verheiratet bist?“, fragte sie.

„Vor einem Monat.“

„Haben sie sich nicht nach deiner Frau erkundigt?“

„Doch. Ich habe ihnen erzählt, dass du schön und sehr intelligent bist.“ Er lächelte. „Und alles mögliche andere auch. Joanne hat mich mit Fragen geradezu bombardiert. Die Frau ist die größte Verfechterin der Ehe, die mir je begegnet ist.“

„Wollen wir eigentlich Kinder?“

Gideon lehnte sich gegen die Arbeitsfläche und trocknete einen Teller ab. „Klar. Sobald wie möglich. Schließlich bin ich schon zweiunddreißig und du … wie alt bist du eigentlich?“

„Neunundzwanzig.“ Denise fragte sich, ob sein Kinderwunsch echt oder nur eine Erfindung für die Bakers war. „Dann nehme ich also nicht die Pille?“

Er sah sie direkt an. „Nein. Gar keine Verhütung.“

„Hm. Gebe ich meine Firma in Sacramento auf? Hast du den Bakers überhaupt erzählt, dass deine Frau berufstätig ist?“

„Diesem Thema bin ich bisher ausgewichen. Wir sollen ihnen vielleicht erzählen, dass du dich noch nicht entschieden hast, was du mit der Firma machst. Oder dass du nach jemandem Ausschau hältst, der die Leitung für dich übernimmt.“

„Dann kann ich meine Franchise-Pläne wohl vergessen, oder?“

Gideon stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Das ist dein Ziel? Ganz schön ehrgeizig.“

„Stimmt.“ Sie wollte ihr eigenes Imperium aufbauen.

„Hast du dir eine Frist gesetzt?“, hakte Gideon interessiert nach.

„Ich habe einen genauen Zeitplan.“

„Das passt zu dir.“

Sie lächelte siegessicher. „Nächstes Jahr ist San Francisco dran.“

„Wirst du dorthin umziehen?“

„Nur vorübergehend. San Francisco wäre eine gute Ausgangsbasis. Danach vielleicht Los Angeles.“ Sie spülte die letzte Pfanne aus und reichte sie an Gideon weiter. Danach wischte sie die Arbeitsflächen ab.

„Willst du eigentlich wirklich Kinder?“, fragte Denise.

„Na klar. Aber erst in ein paar Jahren, wenn das Geschäft läuft. Und was ist mit dir?“

„Auf jeden Fall. Nur jetzt noch nicht.“

„Stimmt, mir wäre es auch zu früh.“

Sie schweigen eine Weile. „Okay, jetzt würde ich gern das maßstabsgetreue Modell sehen“, sagte Denise schließlich, um von dem sehr persönlich gewordenen Thema abzulenken.

„Komm mit, es ist in meinem Büro.“

Als sie den Flur entlanggingen, kamen sie an einem großen Badezimmer und einem noch größeren Schlafzimmer vorbei. Denise erhaschte einen Blick auf die maskulin wirkende Einrichtung, bestehend aus einem großen Kiefernholzbett mit einem schwarz-grün gemusterten Quilt darüber.

Gideons Arbeitszimmer erstreckte sich über die gesamte Rückseite des Hauses. Auf der einen Seite stand ein Schreibtisch, auf der anderen ein teures Fitnessgerät, und die dritte Wand war komplett mit einem Bücherregal bedeckt. Durch die großen Panoramafenster sah man den blau schimmernden See und unendliche Wälder.

„Willkommen in meiner Bibliothek und meinem Fitnessraum.“ Gideons Augen blitzten. „Wie du siehst, habe ich alles, was ich brauche.“

„Kann man wohl sagen. Ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass du keinen Hund besitzt. Irgendwie würde ein Hund zu dir passen.“

„Dafür bin ich zurzeit einfach zu oft unterwegs, aber irgendwann schaffe ich mir einen an.“

„Einen winzigen Pudel, oder?“

„Stimmt, Fifi. Du hast mich durchschaut.“

Denise ging auf den Tisch mit dem Modell zu und betrachtete es eingehend. „Hast du das selbst gebaut?“, wollte sie wissen.

„Ja.“

„Wie lange arbeitest du eigentlich schon an diesem Projekt?“

„Konkret erst seit einem Jahr. Aber gedanklich habe ich mich schon ewig damit beschäftigt. Außerdem habe ich mir ähnliche Ferienanlagen in den USA und Europa angesehen, um mir Anregungen für mein Konzept zu holen. Inzwischen weiß ich ziemlich genau, was funktioniert und was nicht. Obwohl ich im Gegensatz zu dir natürlich kein Experte in Sachen Hoteldesign bin“, fügte er hinzu.

„Ich bin auch keine Expertin, aber ich weiß, was mir gefällt und was ich umsetzen würde, wenn ich eine Chance bekäme. Ich habe Hotelmanagement studiert und schon mit vierzehn im Watson Hotel in Los Angeles gearbeitet. Damals habe ich jede Info wie ein Schwamm aufgesaugt.“

„Warum arbeitest du eigentlich nicht für deinen Vater?“

„Das ist eine lange Geschichte.“ Denise drehte ihm den Rücken zu und ließ den Zeigefinger über das Modell gleiten.

„Schwieriges Thema?“ Gideon legte ihr sacht die Hand auf den Rücken.

Am liebsten hätte sie den Kopf an seine Schultern gelegt und sich von ihm in die Arme nehmen lassen. Auch nach sieben Jahren schmerzte die Erinnerung an das, was ihr Vater ihr angetan hatte. „Ja, aber das ist alles längst begraben und vergessen.“

Gideon entfernte sich ein paar Schritte von ihr. „Wirklich?“, fragte er. „Anscheinend hatten wir beide eine problematische Beziehung zu unseren Vätern. Siehst du deinen noch?“

„Wir haben gelegentlich Kontakt, stehen uns aber nicht besonders nahe.“ Dabei hatte Denise ihren Vater als Kind förmlich angebetet. Für sie war er der Größte gewesen – bis er ihr den schlimmsten Schlag ihres Lebens versetzt hatte. Sie unterdrückte den Impuls, Gideon ihr Herz auszuschütten. „Ich würde mir jetzt gern das Gelände selbst ansehen, wenn das okay für dich ist. Wir können ja unterwegs weiter übers Geschäftliche reden.“

„Eine Sache sollten wir allerdings vorher noch klären.“

„Was denn?“

„Das heiße Knistern zwischen uns.“

Denises Herz begann sofort, schneller zu klopfen. „Schon eine Idee, wie?“, fragte sie atemlos.

Langsam kam er auf sie zu. „Ich würde ja gern glauben, dass das Problem sich von allein erledigen wird, aber ich bin Realist. Wir müssen demnächst so tun, als seien wir verheiratet. Das erfordert eine gewisse Intimität. Liebende erkennt man vor allem daran, dass sie sich körperlich sehr nahe kommen.“

Seine Worte steigerten Denises Erregung noch. „Schlägst du etwa vor, wir sollen zusammen schlafen?“

Ein sinnliches Lächeln legte sich um seine Lippen. „Nichts dagegen, aber das meinte ich nicht. Ich würde dir nur davon abraten, zurückzuweichen, wenn ich auf dich zukomme.“ Er trat noch ein Stück näher.

Denise zwang sich, stehen zu bleiben. „Das gilt nur für die Öffentlichkeit.“

Schweigend nahm Gideon ihre linke Hand und drückte einen sanften Kuss in die Handfläche.

„Warst du eigentlich schon immer so romantisch?“ Denises Stimme klang heiser.

„Ja.“

„Du bist eine echte Rarität, weißt du das?“

„Wirklich?“

„Heutzutage sind alle so egozentrisch und berechnend. Die meisten Dates erinnern mich eher an Verhandlungen.“

„Dann hast du anscheinend noch nicht den richtigen Mann getroffen.“ Er nahm sie in die Arme und begann, langsam mit ihr zu tanzen. „Es ist nicht zu übersehen, dass wir sehr gut harmonieren. Das habe ich sofort gemerkt.“

„Du hast mich einen ganzen Monat lang nicht angerufen“, meinte Denise anklagend und hätte sich im selben Moment am liebsten auf die Zunge gebissen. Hoffentlich dachte er jetzt nicht, dass sie die ganze Zeit neben dem Telefon gesessen hatte! Damit hatte sie nämlich schon nach zwei Wochen aufgehört …

„Nicht, weil ich dich nicht sehen wollte, Mrs. Falcon.“

Ob sie es wohl jemals schaffen würde, ohne Herzklopfen auf diese Anrede zu reagieren? „Das ergibt keinen Sinn.“

„Dieses Projekt verschlingt meine ganze Zeit, und daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Ich könnte dir einfach nicht die Aufmerksamkeit zukommen lassen, die du verdienst. So etwas verträgt keine Beziehung.“

„Hältst du mich etwa für so anspruchsvoll?“

Gideon blieb stehen. „Nein, nur für eine schöne Frau, die mehr verdient.“

„Ich bin beruflich ebenfalls sehr eingespannt, wie du weißt. Vielleicht würde mir ja reichen, was du mir zu bieten hast.“

Langsam ließ er die Finger über ihre Lippen gleiten, bis sie sie öffnete, und senkte dann den Kopf.

„Wenn das wirklich stimmt“, sagte er leise, berührte ihre Lippen mit seinen und strich sanft darüber, „hast du jetzt die Chance, es auszuprobieren.“

Er verstärkte den Druck seines Mundes und zog sie eng an sich. Unwillkürlich stöhnte Denise auf, was ihn nur noch mehr anzuspornen schien. Er ließ die Zunge in ihren Mund und die Hände über ihre Brüste gleiten.

Denise presste sich an ihn und genoss das Gefühl seines starken Körpers und seiner breiten Schultern, seinen Geschmack und die Hitze seines Mundes. Atemlos vor Verlangen reckte sie sich auf die Zehenspitzen und schlang ihm die Arme um den Hals. Sie wollte mehr, und zwar sofort.

Zu ihrer Enttäuschung machte Gideon sich viel zu rasch von ihr los. „Ich wette, du bist ganz schön fordernd im Bett“, sagte er, als sie ernüchtert die Augen öffnete. Sie sah ihm an, dass er genauso erregt war wie sie.

„Hast du etwa Angst?“, meinte sie herausfordernd.

„Im Gegenteil.“

„Meine Assistentin glaubt, dass du gut küsst.“

„Und was glaubst du?“

„Dass du ihre Erwartungen sogar noch übertriffst.“ Denise wusste selbst nicht, was sie zu dieser Offenheit antrieb. Vielleicht war es ein Fehler, ihm zu zeigen, wie sehr sie ihn begehrte, aber irgendwie schlüpfte sie in die Rolle seiner Ehefrau – seiner liebenden Ehefrau –, als sei sie dafür geschaffen.

„Das Kompliment kann ich nur erwidern.“ Gideon trat einen Schritt zurück. „Das macht die Dinge ganz schön kompliziert, oder?“

„Das Wichtigste ist, dass wir ehrlich miteinander umgehen, Gideon. Sag mir einfach immer die Wahrheit, ganz egal, worum es sich handelt. Wenn ich eins hasse, dann, im Ungewissen zu sein.“

„Abgemacht. Wollen wir jetzt los?“

Sie hielt ihn am Arm fest. „Erst muss ich dir noch sagen, was ich mir von unserer Abmachung verspreche. Vielleicht überlegst du es dir dann ja doch noch anders.“

„Okay.“

„Ich werde einen Partner für dich auftreiben“, sagte sie entschlossen. „Aber im Gegenzug will ich bei dem Projekt mitwirken.“

Gideon sah sie eine Weile ausdruckslos an, doch Denises Entschluss stand fest. Sie konnte Gideon bei seinem Projekt eine große Hilfe sein, wenn er es zuließ.

„Dir bleibt eine Stunde Autofahrt Zeit, mich zu überzeugen“, erwiderte er schließlich und deutete auf die Tür. „Nach Ihnen, Mrs. Falcon.“

Na also, dachte Denise, das klingt doch nicht übel.

3. KAPITEL

Bei ihrer Ankunft zählte Denise die Autos auf dem Parkplatz von The Trails. Zwei heftige Schneestürme waren nach Thanksgiving über die Region hinweggezogen, genug Schnee für Skilanglauf im Gepäck, doch der Parkplatz war trotzdem nur halb voll.

„Ist das normal für einen Samstag?“, fragte sie beim Abschnallen.

„Keine Ahnung. Die Skisaison hat gerade erst angefangen. Als ich das letzte Mal hier war, wurde noch das Vieh von den Weiden getrieben.“

„Wenn das alles ist, kann ich verstehen, warum die Bakers gerade genug zum Leben verdient haben. Machen sie eigentlich Werbung?“

„Nicht viel. Sie verlassen sich vor allem auf die Stammgäste. Die Bakers sind liebe Menschen, aber keine echten Geschäftsleute. Es ging ihnen in erster Linie darum, ihre Kinder hier großzuziehen, und nicht um den Profit.“

„Du hast noch gar nicht erzählt, ob es Mitbewerber gibt.“

„Weiß ich selbst nicht so genau. Ich schätze, ja, obwohl es sicherlich nicht so leicht ist, Käufer zu finden, die vermögend sind und gleichzeitig die speziellen Anforderungen der Bakers erfüllen.“

„Warum haben sie als Deadline ausgerechnet Heiligabend festgelegt?“

„Habe ich Ed und Joanne auch schon gefragt, ohne eine Antwort zu bekommen. Vermutlich aus sentimentalen Gründen, wie ich aus ihrem verschwörerischen Lächeln schloss.“

Denise sah Gideon aufmerksam an. Er war ähnlich gekleidet wie an dem Tag, als er sie in ihrem Büro aufgesucht hatte, aber wahrscheinlich ließen sich die Bakers ohnehin nicht von Anzügen und Krawatten beeindrucken. Sie selbst hatte sich ebenfalls etwas Passendes angezogen, sogar Schneestiefel. „Ich bewundere deinen Mut. Du könntest bei dem Projekt dein ganzes Kapital verlieren.“

„Man wird nicht jünger.“ Gideons Grinsen war leichtsinnig, fast schon verwegen. Er war eine faszinierende Mischung aus dem Typ Mann ihrer Deni-Zeit und ihren späteren Freunden, obwohl seine gefährliche Seite sie mehr anzog. Er wusste genau, was er wollte. Eine Eigenschaft, die ihr gefiel. Sehr sogar.

„Bist du nicht auch gewisse Risiken eingegangen, als du deine Firma gegründet hast?“, fragte er. „So ist das eben, wenn man den Erfolg haben will.“

Denise warf einen Blick aus dem Auto und sah eine Frau die Treppe zu einem Gebäude auf der anderen Seite des Parkplatzes hochsteigen. „Erwarten die Bakers uns eigentlich?“

„Mich schon.“ Gideon zeigte auf die Frau. „Da drüben auf der Veranda ist Mrs. Baker, Joanne. Sie ist achtundsechzig und Ed ein Jahr älter, aber sie sehen beide zehn Jahre jünger aus.“

„Sollte ich nicht ein wenig mehr über sie wissen? Damit rechnen sie doch bestimmt.“

„Mal überlegen … sie haben gerade ihre goldene Hochzeit gefeiert, und sie haben zwei Töchter.“

Gideon stieg aus und öffnete Denises Autotür. „Bist du so weit?“

Denise nahm die Unterlagen, während Gideon sich das Modell griff. Ihr wurde bewusst, wie nervös sie war, was ihr sonst gar nicht ähnlich sah. Aber für Gideon stand immerhin eine Menge auf dem Spiel – und somit auch für sie. Beim Aufbau eines Hotels mitzuhelfen, war eine einmalige Chance, die sie sich einfach nicht entgehen lassen wollte.

„Was wird eigentlich aus deinen Abenteuerurlauben?“ Denise sah Gideon fragend an.

„Die organisiere ich von hier aus weiter, sobald das Geschäft läuft. Für die Zeit bis dahin habe schon einen Stellvertreter im Auge.“

Inzwischen waren sie vorm Gebäude angekommen. Joanne Baker hatte sie bereits entdeckt und begrüßte sie lächelnd. „Sie haben ja das Modell mitgebracht! Ich kann kaum erwarten, es mir anzusehen. Hallo, Gideon“, fügte sie lachend hinzu. „Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit, aber ich bin so schrecklich ungeduldig.“ Sie streckte Denise die Hand hin. „Hi, ich bin Joanne Baker.“

„Denise Falcon.“ Sich unter diesem Namen vorzustellen, war ziemlich gewöhnungsbedürftig.

„Ich freue mich, dass Sie endlich mal Ihre Frau mitgebracht haben, Gideon!“, sagte Joanne und drehte sich wieder zu Denise um. „Ich wollte Sie schon lange kennenlernen. Gideon hat mir unglaublich viel von Ihnen erzählt.“

Ach, wirklich? Schön, dass sie das auch mal erfuhr. Denise warf ihm einen irritierten Seitenblick zu, aber er zuckte nur die Achseln.

„Ich freue mich auch sehr, Sie kennenzulernen“, erwiderte Denise höflich.

„Himmel, Sie stehen mit vollen Händen da, und ich plappere. Kommen Sie rein.“ Joanne hielt ihnen die Tür auf. „Ed!“, rief sie. „Gideon ist hier! Und er hat eine Überraschung mitgebracht.“

Das Gebäude war multifunktional – man konnte dort Tickets kaufen, sich eine Skiausrüstung ausleihen und in einem kleinen Speiseraum heiße Getränke und belegte Brote zu sich nehmen. Der Konferenztisch befand sich hinter dem Tresen, von dem aus man die ankommenden Gäste im Blick hatte. Joanne brachte eine Kanne Kaffee und einen Teller mit offensichtlich selbst gebackenen Keksen.

Dann studierten sie gemeinsam das Modell, wobei Gideon alle relevanten Hintergrundinformationen lieferte. Auch wenn die Bakers kein Mitspracherecht hatten, wollte er ihnen trotzdem das Gefühl vermitteln, dass das Areal bei ihm in guten Händen war.

„Wo werden Sie eigentlich hinziehen, sobald The Trails verkauft ist?“, erkundigte sich Denise.

„Nach Arizona natürlich.“ Joanne wirkte leicht irritiert. „Um in der Nähe unserer Töchter und unserer Enkel zu wohnen.“

Stimmt, das hätte sie eigentlich wissen müssen. Warum hatte Gideon ihr das nicht erzählt?

Schließlich bot Ed Gideon eine Geländefahrt mit dem Schneemobil an, ohne Denise mit einzuschließen. Gideon warf ihr einen entschuldigenden Blick zu und ging. Am liebsten hätte sie ihn am Ärmel gepackt, um ihn zurückzuhalten. Wer sollte denn sonst die vielen Fragen beantworten, mit denen Joanne sie jetzt zweifellos bombardieren würde?

„Noch etwas Kaffee?“, bot Joanne an. „Oder hätten Sie vielleicht lieber Tee? Tut mir leid, dass ich Sie gar nicht danach gefragt habe.“

„Alles bestens, danke. Gideon hat mir erzählt, dass Sie gerade goldene Hochzeit gefeiert haben?“

„Ja, wir waren auf Hawaii. Zusammen mit unseren Kindern und Enkeln. Seitdem können wir es gar nicht erwarten, unsere Zelte abzubrechen. Unsere alten Knochen vertragen die ständige Kälte hier nämlich nicht mehr.“

Joanne stützte die Ellenbogen auf den Tisch. „Wir waren sehr traurig über Max Beauregards Tod. Wir mochten ihn und seine Frau sehr. Trotz ihres ganzen Geldes waren sie total bodenständig.“

„Stimmt, das waren sie.“

„Wir dachten eigentlich, Gideon sei danach aus dem Rennen, bis er uns neulich mit der frohen Botschaft überraschte, er hätte geheiratet. Dabei hatte er vorher nie etwas von einer Verlobung erwähnt. Wie haben Sie beide sich eigentlich kennengelernt?“

„Wir sind uns auf einer Party begegnet und dann noch mal kurz darauf auf der Hochzeit seines Bruders David.“

„War es Liebe auf den ersten Blick?“

Denise musste über Joannes kindliche Neugier lächeln. „Ja. Obwohl wir beide nie mit so etwas gerechnet hätten.“

„Hatten Sie eine schöne Hochzeit?“

„Wir sind gewissermaßen durchgebrannt.“ Nervös nestelte Denise an ihrer Serviette herum. „Wir haben versucht, uns das gegenseitig auszureden, aber uns fiel einfach kein überzeugendes Gegenargument ein. Dabei sind wir eigentlich beide keine besonders impulsiven Menschen.“

„Bereuen Sie die Hochzeit denn schon?“

„Überhaupt nicht!“

„Was halten Sie von der Vorstellung, bald hier leben zu müssen?“

„Es ist sehr schön hier“, antwortete Denise ausweichend.

Joanne neigte erstaunt den Kopf zur Seite. „Gideon meinte, Sie seien ganz begeistert von der Idee.“

„Wer wäre das nicht?“ Komm zurück, Gideon! Lass mich nicht mit ihr allein!

„Freuen Sie sich schon auf das Skifahren?“

„Ich habe schon seit Jahren nicht mehr auf Skiern gestanden.“

„Wirklich? Gideon sagte, dass Sie eine begeisterte Skifahrerin sind, genauso wie er.“

„Oh, das bin ich, das bin ich!“, beeilte Denise sich zu versichern. Sie würde Gideon erwürgen! Warum hatte er ihr dieses Detail verschwiegen? „Ich war in den letzten Jahren nur beruflich viel zu eingespannt zum Skifahren. Klar, es ist toll, die Piste gleich vor der Tür zu haben.“

„Und wann wollen Sie Kinder?“

Endlich eine Frage, die sie beantworten konnte. „So bald wie möglich.“

„Verständlich, zumal Sie ja vier wollen.“

Denise verschluckte sich fast vor Schreck. Vier? Das wurde ja immer besser! „Vielleicht haben wir ja Glück und bekommen Zwillinge“, antwortete sie. „Das liegt bei uns in der Familie.“

„Ich habe Sie übrigens seit Ihrer Ankunft genau beobachtet. Es ist nicht zu übersehen, dass Sie sehr viel füreinander empfinden.“

Ach, wirklich? „Gideon ist ein toller Mann, der beste, dem ich je begegnet bin. Bei ihm wird The Trails auf jeden Fall in guten Händen sein.“

„Ja, den Eindruck haben Ed und ich auch. Ich bin ja so froh, Sie endlich mal kennenzulernen, Denise. Das erleichtert uns die Entscheidung nämlich erheblich. Wir verstehen einfach nicht, warum er so lange damit gewartet hat, Sie uns vorzustellen. Als hätten Sie gar nicht existiert!“

Ist das die Möglichkeit? „Haben Sie eigentlich noch andere Angebote?“, fragte Denise, um das Thema zu wechseln. Vielleicht erfuhr sie in einem Gespräch von Frau zu Frau mehr als Gideon bisher.

„Noch nicht. Ed und ich haben The Trails gemeinsam aufgebaut und hängen sehr daran. Wir wollen auf keinen Fall, dass jemand ein schickes Ski-Resort daraus macht. Für die Reichen und Berühmten gibt es schon genug Tummelplätze. The Trails war von Anfang an für Familien gedacht. Erholsam und preiswert.“

„Gideon sieht das genauso“, antwortete Denise rasch. Vielleicht etwas zu rasch, denn Joanne musterte sie scharf.

„Wissen Sie“, sagte sie und stützte nachdenklich das Kinn in die Hand, „irgendwie kommen Sie mir bekannt vor.“

Denise schluckte...

Autor

Susan Crosby
Susan Crosby fing mit dem Schreiben zeitgenössischer Liebesromane an, um sich selbst und ihre damals noch kleinen Kinder zu unterhalten. Als die Kinder alt genug für die Schule waren ging sie zurück ans College um ihren Bachelor in Englisch zu machen. Anschließend feilte sie an ihrer Karriere als Autorin, ein...
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Cindy Kirk
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Marie Ferrarella

Marie Ferrarella zählt zu produktivsten US-amerikanischen Schriftstellerinnen, ihren ersten Roman veröffentlichte sie im Jahr 1981. Bisher hat sie bereits 300 Liebesromane verfasst, viele davon wurden in sieben Sprachen übersetzt. Auch unter den Pseudonymen Marie Nicole, Marie Charles sowie Marie Michael erschienen Werke von Marie Ferrarella. Zu den zahlreichen Preisen, die...

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