Blitzhochzeit mit dem Viscount

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Heiraten und sesshaft werden? Für die unkonventionelle Kellnerin Autumn keine Option. Sie liebt ihre Freiheit. Bis sie in einem Luxushotel in Las Vegas neben dem attraktiven Toby Blythe aufwacht! Obwohl der smarte Viscount mit dem hinreißenden Lächeln sich an ihre Blitzhochzeit kaum erinnern kann, bittet er Autumn, ihn auf sein englisches Schloss zu begleiten. Nur für drei Monate, das ist ihr Deal! Schon bald ist Autumn unsterblich verliebt, und als Toby sie betörend küsst, denkt sie plötzlich an das Unmögliche: für immer zu bleiben …


  • Erscheinungstag 19.04.2022
  • Bandnummer 082022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509640
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Nicht zum ersten Mal in seinem Leben wachte Toby in einem fremden Hotelzimmer auf, ohne genau zu wissen, wie er dorthin gekommen war. Aber noch nie hatte ihn ein alkoholbedingter Ausfall derart orientierungslos gemacht. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er hier gelandet war.

Die Vorhänge der bodentiefen Fenster waren nur halb zugezogen und ließen ihn zusammenzucken, als er die Augen öffnete und ins Sonnenlicht sah. Vorsichtig überblickte er seine Umgebung. Ein Himmelbett, weiche Daunenkissen und hämmernde Kopfschmerzen! Wände mit einer luxuriösen Stofftapete. Hinter einer offenen Tür entdeckte er ein Marmorbad. Und durch den breiten Spalt zwischen den Gardinen konnte er in der Ferne Berge sehen … plötzlich wusste er, dass unter ihm eine der berühmtesten Straßen der Welt lag. Der Strip.

Das Vier Jahreszeiten. Las Vegas. Eine der Präsidentensuiten. Ja, das ergab Sinn.

Finn hatte gesagt, wenn sie schon einen Trip nach Vegas machten, dann aber richtig. Finn. Wahrscheinlich lag er in einem der anderen Schlafzimmer dieser Suite. Solange sein bester Freund bei ihm gewesen war, konnte letzte Nacht nichts schiefgegangen sein. Außer … Wäre Finn tatsächlich bei ihm gewesen, hätten sie niemals zu viel getrunken. Finn hielt seinen Alkoholkonsum immer unter Kontrolle – angeblich, um seine Wettfähigkeit nicht zu beeinträchtigen. Aber Toby wusste, dass die Trunksucht von Finns Vater der wirkliche Grund für diese Entscheidung war.

„Du bist kein x-beliebiger Student, der auf die Piste geht, Toby.“ Die Stimme seines älteren Bruders ertönte in seinem Kopf, eine Erinnerung an die längst vergangene Universitätszeit. „Du bist ein Blythe. Der Sohn des elften Viscounts von Wishcliffe. Das bringt gewisse gesellschaftliche Verpflichtungen mit sich.“

Mittlerweile war alles anders. Ihr Vater war tot. Barnaby war tot. Und Toby war der unglückliche dreizehnte Viscount von Wishcliffe und obendrein Tausende Meilen von zu Hause entfernt.

Er hatte den Titel, die Güter und die damit verbundene Verantwortung nie erben wollen. Zu viele andere hatten über ihm in der Nachfolge gestanden, außerdem hatte Toby erlebt, was der Kampf um den Erhalt eines alten aristokratischen Namens und Rufs seinen Vater gekostet hatte. Nach dem zweiten Herzinfarkt hatte er seinen alten Herrn gebeten, auch andere Optionen in Betracht zu ziehen – ohne Erfolg.

Der dritte Infarkt war tödlich gewesen, und Toby hatte es nicht ertragen, dabei zuzusehen, wie das Anwesen auch seinem Bruder die Lebensenergie entzog. Und sein achtjähriger Neffe Harry …

Sein Kiefer verkrampfte sich bei der Erinnerung an damals, was seinen Kopf noch schlimmer pochen ließ.

„Nur noch ein letztes Abenteuer“, hatte er Finn angefleht. „Eine letzte Nacht, um loszulassen und alles zu vergessen. Dann muss ich nach Hause und das Anwesen übernehmen. Eine letzte wilde Nacht in Vegas – der Abschied aus meinem alten Leben.“

Momentan sah es so aus, als ob sich sein Wunsch erfüllt hätte. Auch wenn sein Körper rebellierte.

Die riesige Kingsize-Matratze bewegte sich, und Toby drehte sich der Magen um, als er erkannte, dass er nicht allein war. Gott, wie verkatert musste man sein, um nicht einmal zu bemerken, dass jemand neben einem lag?

Alles blieb ruhig, also schlief seine Begleiterin wohl noch. Wenn sie ebenso wild gefeiert hatte wie er, war es wahrscheinlich das Beste, sie in Ruhe zu lassen. Trotzdem war er neugierig. One-Night-Stands gehörten genauso wie durchzechte Nächte eher in seine Studentenzeit.

Heute, ein ganzes Jahrzehnt später, bevorzugte er wohlüberlegtere Romanzen. Wo beide Seiten genau wussten, was sie erwartete: ein paar Wochen oder Monate gemeinsamer Spaß, bevor man weiterzog. Zumindest seit Julia ihn verlassen hatte … Himmel, war das etwa schon zwei Jahre her?

Sie war die einzige Frau, bei der er in Erwägung gezogen hatte, sie irgendwann zu heiraten. Andererseits hatte er seit der Trennung kaum mehr an sie gedacht. Natürlich hatte er sie bei den Beerdigungen getroffen, aber davon abgesehen hatte ihr Verschwinden aus seinem Leben keine spürbaren Narben hinterlassen.

Aber mit wem habe ich denn nun die letzte Nacht verbracht?

Ganz langsam und vorsichtig stützte Toby sich auf einen Ellbogen und spähte zur Seite. Lange kastanienbraune Locken waren über das Kissen ausgebreitet, und eine blasse, sommersprossige Nase lugte zwischen den Strähnen hervor. Dann bewegte sich die junge Frau verschlafen und strich sich das Haar aus dem Gesicht, um ihn anzusehen.

Schweigend betrachtete er die weichen, dunklen Wimpern, die leicht flatterten, bevor sie ihre hellgrünen Augen plötzlich aufriss.

Mit beiden Händen umklammerte sie das obere Ende der Bettdecke, während sie ihn anstarrte. An ihrem Ringfinger entdeckte er einen schlichten, silbernen Ring. Oh Gott, ich habe eine verheiratete Frau verführt! Das war sehr viel schlimmer, als er gedacht hatte.

Autumn, schoss es ihm durch den Kopf. Sie hieß Autumn.

„Ich …“, begann er unschlüssig und hielt dann lieber den Mund, bevor er etwas Dummes sagen konnte.

Autumn rappelte sich auf, um sich gegen das Kopfende des Bettes zu lehnen, und zog die Decke mit sich.

Schlagartig wurde ihm klar, dass sie vermutlich nackt war. Und dass er ihre nackte Haut berührt, geküsst und gestreichelt haben musste. Nur konnte er sich leider nicht daran erinnern. Spontan streckte er eine Hand aus, um sie zu beruhigen – und erstarrte. An seiner eigenen Hand steckte ein Silberring, der genau zu ihrem passte.

Autumn blinzelte und versuchte, nicht in Panik zu geraten. Der Mann in ihrem Bett – na ja, vermutlich sein Bett, denn sie kannte das Zimmer nicht – sah genauso verängstigt aus, wie sie sich fühlte.

Nacheinander kamen einzelne Erinnerungen an die vergangene Nacht zurück. In ihrem Kopf hämmerte es, und ihr Mund fühlte sich entsetzlich trocken an. Sie hatte definitiv zu viel getrunken. Und war mit diesem Mann im Bett gelandet!

Heiße Röte überzog ihre Wangen, als sie an seine Hände auf ihrem Körper dachte, an seinen Mund auf ihrem, und wie er dann ganz langsam …

Hastig zog Autumn die Decke bis zum Hals hoch.

Aus der Art, wie der Mann – Toby, fiel ihr zum Glück wieder ein – auf den Ehering starrte, den sie ihm auf seinen Finger geschoben hatte, schloss sie, dass er sich nicht mehr an die gleichen Dinge erinnerte wie sie.

Eine Hochzeit. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Selbst überraschend guter betrunkener Sex rechtfertigte doch keine Ehe! Ihre Granny hatte immer gesagt, sie sei genau wie ihre Mutter und sie stürze sich kopfüber in alles hinein – bis sie sich langweilte und einfach ging. Wahrscheinlich drehte sich ihr Granddad gerade im Grab um.

Toby starrte sie immer noch an, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen, also beschloss Autumn, als Erste das Wort zu ergreifen.

„Guten Morgen“, sagte sie leise. „Wie fühlst du dich?“

„Als wäre ich von einem Lastwagen überfahren worden.“

Sie lächelte über seinen stark ausgeprägten britischen Akzent. „Soll ich einen Kaffee besorgen?“ Ob es ihr gefiel oder nicht, sie würde sich mit ihm auseinandersetzen müssen, bis sie dieses Durcheinander geklärt hatten.

Toby fuhr sich mit der Hand durch sein schokoladenbraunes Haar, das ihm etwas zu lang in die Stirn fiel.

Lieber Himmel! Dieses Mal hatte sie sich in ein echtes Chaos gestürzt. Aber zu ihrer Verteidigung konnte sie anbringen, dass sie dadurch nur einem noch schlimmeren Schlamassel hatte entkommen wollen. Und bisher war es ihr noch immer gelungen, sich aus den misslichen Lagen wieder zu befreien, die sie sich eingebrockt hatte. Wie damals bei dem russischen Feuerschlucker …

„Ja“, brummte Toby und unterbrach ihren außer Kontrolle geratenen Gedankengang. „Kaffee klingt gut.“

Autumn drückte die dünne weiße Decke fest an sich, während sie nach dem Telefon griff und beim Zimmerservice eine große Kanne starken Kaffee und etwas Gebäck bestellte. Soweit sie es beurteilen konnte, waren sie im Vier Jahreszeiten, in einer der Präsidentensuiten. Hier konnte sie sich kein Zimmer leisten.

Toby jedoch schon. Auch wenn er gestern nach großen Verlusten aus dem Casino geworfen worden war, in dem sie arbeitete – oder jedenfalls bis gestern Abend gearbeitet hatte. Es sah so aus, als könnte er es sich leisten, am Kartentisch auch einmal zu verlieren. Falls er sie aber doch wegen ihres Geldes geheiratet hatte, würde er bitter enttäuscht werden.

Das Kichern sprudelte in ihr hoch, bevor sie es unterdrücken konnte. Autumn presste ihre Faust gegen ihren Mund, aber das Lachen ließ sich nicht aufhalten.

Toby warf ihr einen finsteren Blick zu, der ihren Lachanfall weiter befeuerte und sie leicht hysterisch werden ließ. Ach, es war schon so lange her, dass sie etwas derart Verrücktes getan hatte. Vor allem nach dem, was mit Robbie passiert war. Es war gut zu wissen, dass sie ihre Lebensfreude noch in sich trug.

Ihr Ehemann schien allerdings ganz und gar nicht begeistert zu sein.

„Es tut mir leid“, keuchte sie und wischte sich mit der Ecke des Bettlakens die Augen ab. Ein bisschen Mascara beschmutzte das strahlende Weiß. Toll, ich sehe wahrscheinlich wie ein Panda aus! „Aber du musst zugeben, die Situation ist irgendwie komisch.“

„Ist sie das?“ Toby hob eine dunkle Augenbraue, und seine Miene blieb vollkommen ernst.

Trotzdem blieb sie bei ihrer Meinung. „Ich meine, ich arbeite jetzt seit über einem Jahr in Vegas und hatte noch nie einen One-Night-Stand. Dann kommst du, und plötzlich bin ich verheiratet!“ Sie lachte wieder, brach diesmal aber sofort ab, als sie seinen leicht genervten Gesichtsausdruck bemerkte.

„Du weißt, dass wir die Ehe wahrscheinlich annullieren lassen können, oder?“ Autumn versuchte, beruhigend zu klingen. „Ich meine, das hier ist Vegas. Solche Dinge passieren hier bestimmt ständig.“

„Eine Annullierung wird schwierig, wenn die Ehe vollzogen wurde“, bemerkte er trocken. „Und das wurde sie doch, oder?“

Die Erinnerung an seine Hände auf ihren Brüsten, während er stöhnend in sie eindrang, war noch sehr frisch.

„Ja, wir haben … es getan“, antwortete sie stockend und versuchte, nicht verärgert zu klingen. Wie konnte er sich nicht daran erinnern? Trotz ihres betrunkenen Zustands war es der beste Sex gewesen, den sie je in ihrem Leben gehabt hatte.

„Toby?“, fragte sie vorsichtig. „Wie viel weißt du noch von gestern Abend? Warum hast du mich geheiratet?“

Endlich begegnete er ihrem Blick, und seine dunkelblauen Augen waren vollkommen ernst. „Ich weiß absolut gar nichts.“

Ein Klopfen an der Tür signalisierte die Ankunft von Kaffee – Gott sei Dank! Es brach die Spannung des Augenblicks, was Toby sehr recht war. Das Entsetzen in Autumns hellgrünen Augen war mehr, als er momentan ertrug.

Glaubte sie etwa, er hätte sie geheiratet, weil er sich auf den ersten Blick verliebt hatte? Himmel, er hoffte nicht!

Eilig zog Toby einen Bademantel über, um die Tür zu öffnen. Er gab dem Kellner ein Trinkgeld, rollte den Wagen selbst ins Schlafzimmer und fand Autumn im Schneidersitz auf dem Bett sitzend vor, ebenfalls mit einem flauschigen weißen Bademantel bekleidet.

Er selbst setzte sich auf einen der gepolsterten Stühle am Fenster.

„Du erinnerst dich an nichts“, wiederholte Autumn langsam.

„Nur daran, dass ich letzte Nacht in Vegas ausgegangen bin.“ Toby schenkte ihr einen Kaffee ein und reichte ihn ihr. Als sie sich vorbeugte, um reichlich Milch und Zucker in ihre Tasse zu geben, versuchte er krampfhaft, ihr nicht in den Ausschnitt zu starren. Sie mochten verheiratet sein, aber das gab ihm nicht das Recht, sich ihr zu nähern. Bedauerlicherweise.

„Der Kerl muss dich härter geschlagen haben, als ich gedacht habe“, murmelte sie und trank einen kleinen Schluck Kaffee.

Sie sah so jung aus, aber Toby wusste aus Erfahrung, dass jung und hübsch nicht immer automatisch naiv oder ehrlich bedeutete.

„Erinnerst du dich nicht, in Harry’s Casino gegangen zu sein?“, hakte sie nach.

Er schüttelte den Kopf. „Noch nie davon gehört. Ist es auf dem Strip?“

„Gleich daneben. Dort arbeite ich. Habe ich gearbeitet“, korrigierte sie sich.

Toby beschlich ein ungutes Gefühl. „Habe ich etwas mit diesem plötzlichen Wechsel in die Vergangenheitsform zu tun?“

Autumn seufzte und griff nach einem Croissant. „Es ist einfacher, wenn ich die Geschichte von Anfang an erzähle.“

„Wahrscheinlich“, stimmte Toby ihr zu und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

Den Anfang konnte er sich denken. Finn und er hatten sich im Casino an einen Tisch gesetzt. Er hatte getrunken, Finn nicht. Autumn hatte sie bedient.

„Also hast du mich betrunken gemacht und mich ausgenutzt“, mutmaßte er.

Sie verdrehte die Augen. „Nein. Du hast plötzlich gewonnen, zum ersten Mal seit einer Weile. Dir ging es vorher nicht so gut. Dein Freund schlug vor, dass du lieber mit ihm gehen solltest, aber davon wolltest du nichts wissen. Also hat er dich dort gelassen.“

Sie sah missbilligend aus, was Toby sogar ein bisschen liebenswert fand.

„Du findest, er hätte bei mir bleiben sollen?“

„Ich finde, ein guter Freund hätte dafür gesorgt, dass du sicher nach Hause kommst.“

„Und vor allem unverheiratet?“

„Das auch.“

„Was ist als Nächstes passiert?“, wollte Toby wissen.

„Du hast noch ein paar Hände gespielt, noch ein paar Drinks getrunken und noch mehr Geld verloren.“ Sie hob die Schultern. „Nichts Außergewöhnliches. Aber dann gelang dir ein weiterer spektakulärer, unerwarteter Sieg. Du hast mich um die Taille gepackt, um zu feiern.“

Beschämt zuckte er zusammen. „Das tut mir leid.“

„Das wäre nicht so schlimm gewesen, aber deinetwegen habe ich mein Tablett mit Getränken über dem Kerl verschüttet, der dir gegenübersaß. Er war auch nicht mehr nüchtern, wurde richtig sauer und beschuldigte dich auch noch des Betrugs …“

„Ich betrüge nie! Dafür bin ich nicht gut genug in Mathe.“

Finn war von ihnen beiden das Mathegenie. Vielleicht hatte er deshalb nicht die Geduld für Glücksspiele. Er war zu gut darin, zu berechnen, wie schlecht die Chancen standen.

„Es kam zum Handgemenge, und vermutlich kannst du dir denken, wie es von da an weitergegangen ist“, vermutete Autumn.

„Teilweise“, antwortete Toby.

Sie seufzte. „Mein Chef ist an den Tisch gekommen, hat euren Kampf beendet und mich auf der Stelle gefeuert.“

„Aber es war meine Schuld, nicht deine.“

„Das hast du ihm auch gesagt, aber es hat keinen Unterschied gemacht. Wie auch immer, du wolltest es unbedingt wiedergutmachen und mir dabei helfen, einen anderen Job in einem anderen Casino zu finden. Eine echte Schnapsidee, aber du warst fest entschlossen. Vorher wolltest du mir ein Abendessen ausgeben, und ich hatte Hunger und gerade nichts Besseres zu tun.“

„Wie sind wir dann in einer Kapelle gelandet?“

„Keines der Casinos wollte mich auf der Stelle einstellen mit dir als meiner einzigen, sehr betrunkenen Referenz. An dem Punkt habe ich angefangen, ebenfalls zu trinken, daher ist danach alles etwas verschwommen. Nach dem Essen haben wir viele Cocktails getrunken und Pläne für meine Karriere geschmiedet. Du hattest entschieden, dass ich zu gut für diese Stadt bin. Ich glaube, du wolltest, dass ich eine Ballerina werde, obwohl ich zwei linke Füße habe“, fügte sie amüsiert hinzu.

„Wahrscheinlich wegen deiner langen, schönen Beine“, überlegte er laut.

„Ja, meine Beine hast du definitiv oft erwähnt. Auch später noch.“

Später. An der Art, wie sich ihre Augen verdunkelten, bemerkte er, dass sie sich genau daran erinnerte, was später in der letzten Nacht passiert war. Er schluckte und sah schnell weg.

„Wie auch immer …“, fuhr sie fort. „Wir haben darauf angestoßen, dass ich Vegas verlassen werde, und du hast beschlossen, dass ich nach Großbritannien kommen sollte. Da ich jedoch kein Visum hatte, meintest du, es gebe eine einfache Lösung …“

„Eine Eheschließung“, beendete Toby den Satz für sie.

Autumn nickte und griff nach einem weiteren Blätterteigstück.

Toby ließ sich auf seinem Stuhl zurückfallen und wiederholte die Geschichte, die sie ihm erzählt hatte, in Gedanken. An Teile der Nacht erinnerte er sich wieder, und sie stimmten mit ihrer Erzählung überein. Sein linker Wangenknochen schmerzte noch von der Prügelei. Doch es gab immer noch einige Dinge, die er nicht verstand.

„Du warst offensichtlich viel nüchterner als ich. Warum hast du nicht Nein gesagt?“

Mit angehaltenem Atem wartete er auf ihre Antwort. Ein Viscount sollte niemals derart die Kontrolle verlieren. Sowohl sein Vater als auch Barnaby hatten ihm das immer wieder mehr als deutlich gemacht. Ein weiterer Grund, warum er dieser Position nicht gewachsen war.

„Ganz ehrlich?“ Autumn zuckte leicht mit den Schultern. „Es hat einfach Spaß gemacht. Ich meine, es war verrückt und dumm, aber es ist schon so lange her, dass ich einmal richtig ausgeflippt bin. Und du warst so aufgeregt und überzeugt von der Idee. Außerdem war ich auch betrunken, wahrscheinlich hätte ich es sonst nicht gemacht.“

„Wahrscheinlich?“

Ihr Lächeln fiel etwas schief aus, und es verzauberte ihn mehr, als er zugeben mochte.

„Ich habe schon immer gern verrückte spontane Sachen gemacht. Nichts hält ewig, weißt du. Man muss das Leben genießen, solange man kann.“

Er wollte mehr über die spontanen Dinge wissen, die sie schon angestellt hatte, aber es gab etwas Dringenderes, auf das er zuerst eine Antwort brauchte. Denn eine Tatsache hatte sie bisher mit keiner Silbe erwähnt. Dabei hielt er es für den wichtigsten Faktor überhaupt. Was bedeutete, dass sie es entweder nicht wusste oder so tun wollte, als ob es keine Rolle spielte.

Doch er brauchte Gewissheit und holte tief Luft, bevor er seine Frage stellte.

„Du hast mich also nicht geheiratet, weil ich der Viscount Wishcliffe bin?“, fragte er und sah, wie sich ihre Augen weiteten.

2. KAPITEL

Tobys Worte trafen Autumn wie ein Schlag ins Gesicht. Die Art von Schlag, die einem die Luft zum Atmen nahm.

„Du glaubst, ich habe dich wegen deines Geldes geheiratet?“ Vermutlich sollte sie nicht überrascht sein. In Vegas regierte die Währung. Dann fiel der Groschen. „Moment mal! Du bist ein echter britischer Aristokrat? Mit Titel und allem Drum und Dran?“

Toby rutschte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her. Der Bademantel fiel weit genug auseinander, um ihr einen guten Blick auf seinen nackten Oberkörper zu gewähren. Sie wusste noch, wie er sie fest an sich gedrückt hatte, wie sich sein warmer Mund an ihrem Hals anfühlte, auf ihren Brüsten, an ihrer …

„Wishcliffe ist nicht gerade groß. Aber technisch gesehen, ja.“

„Was zum Teufel machst du dann in Las Vegas? Solltest du nicht Auerhähne schießen gehen oder deine Pächter besuchen oder so?“ Ihre Granny hatte historische Dramen über die britische Oberschicht geliebt. Als sie krank wurde, hatten sie ganze Tage damit verbracht, in dieser verlorenen und heute eher fiktiven Welt zu leben – sei es in Büchern oder in Filmen.

Dort hatte sich allerdings niemand jemals in Vegas betrunken und dann geheiratet. Toby ruinierte das ganze Klischee. Autumn war fast froh, dass die alte Dame das nicht mehr erleben musste.

„Wir leben da drüben nicht hinter dem Mond“, erwiderte Toby in scharfem Ton. „Entschuldige, ich bin nur … ich bin auf dem Heimweg nach Wishcliffe. Um den Titel offiziell zu übernehmen. Deshalb war ich hier, für eine letzte wilde Nacht, bevor ich der große Viscount werde. Und ich wusste nicht, ob ich es dir gesagt hatte oder nicht. Viele Frauen stellen einem Mann nach, der einen Titel, Land und etwas Geld hat.“

„Verstehe.“ Zumindest das kannte sie aus den Büchern und Filmen ihrer Granny. Und natürlich war es immer eine große Sache, wenn ein alter Lord starb und der nächste in der Reihe seinen Platz einnahm. „Oh Gott, Toby, dann ist dein Vater gestorben! Kein Wunder, dass du dich letzte Nacht um den Verstand getrunken hast! Es tut mir so leid.“ Autumn wusste, wie es sich anfühlte, Familie zu verlieren, und war voller Mitgefühl.

Und sie hatte seinen verletzlichen Zustand und seine Trauer unabsichtlich ausgenutzt, nur für ein bisschen Spaß. Für ihn war es eine Chance gewesen, sich an etwas festzuhalten in einer Welt, die ihm alles wegzureißen schien. Ein Funken Hoffnung in einer Zeit des Verlustes.

Im Grunde hatte sie keine Ahnung, was genau in ihm vorgegangen war. Aber höchstwahrscheinlich hatte es ihm wesentlich mehr bedeutet als ihr. Immerhin war Toby ein ernsthafter, britischer Adeliger.

Autumns Lebensphilosophie war ziemlich einfach: Spaß haben und immer weitermachen. Nach ihrer Erfahrung hielten gute Dinge sowieso nie lange. Aussteigen, bevor etwas schlecht wurde, war immer die sicherste Methode. Außerdem, wer wusste schon, welches neue Abenteuer gleich um die Ecke auf sie wartete?

Das war die Einstellung, mit der sie Toby geheiratet hatte. Während er ganz verloren gewesen war … in seiner Trauer um seinen Vater.

Gott, könnte das Ganze noch verkorkster sein? Sie warf Toby einen entschuldigenden Blick zu, aber er starrte sie nur ausdruckslos an.

„Na ja, mein Vater ist vor ungefähr sieben Jahren gestorben. Danach wurde mein älterer Bruder Barnaby der Viscount.“ Jetzt sah er auf seine Hände. Seine Stimme wurde deutlich leiser, als er von seinem Bruder sprach. „Barnaby und sein achtjähriger Sohn Harry starben letztes Jahr bei einem Segelunfall.“

Acht. So alt, wie sie gewesen war, als ihre Mutter sie vor der Tür ihrer Großeltern abgesetzt und geschworen hatte, dass sie zurückkommen würde. Ihr eigenes Leben hatte in gewisser Weise erst an jenem Tag begonnen. Es brach ihr das Herz, an das Ende eines anderen jungen Lebens zu denken.

Aber sie sah an der Anspannung in Tobys Kiefer, dass er nicht weiter darüber sprechen wollte. Und das respektierte Autumn.

„Wie kommt es, dass du den Titel jetzt erst übernimmst?“, erkundigte sie sich behutsam.

Toby warf ihr einen vorsichtigen Blick zu. „Ich ging damals zur Beerdigung, danach brauchte ich ein Jahr, um meine eigenen Geschäfte und ein paar andere Dinge zu regeln, bevor ich ganz in meine Heimat zurückkehren konnte.“

Dann war er der jüngere Sohn und hatte wahrscheinlich nie vorgehabt, Viscount zu werden. In den Geschichten ihrer Granny waren die jungen Erben immer diejenigen gewesen, die viel feierten und ihren eigenen Weg in der Welt gingen.

Jetzt musste er das alles für die traditionelle Pflicht aufgeben. Sie sah, wie stark sein Widerstand war.

„Ich habe unser Anwesen in guten Händen hinterlassen“, fuhr er fort. „Ursprünglich wollte ich nach der Beerdigung bleiben und das Anwesen übernehmen, aber meine Schwägerin wohnte immer noch dort. Sie hatte alles zusammen mit Barnaby verwaltet, und ich wollte sie nicht ihrem Zuhause entreißen. Ihr bedeutete die Ablenkung durch die Arbeit sehr viel. Außerdem hatte ich meine eigenen Angelegenheiten zu regeln, also haben wir uns auf einen Deal geeinigt. Ich bekam ein Jahr Zeit, um mein Leben zu ordnen, und sie bekam ein weiteres Jahr auf Wishcliffe, während wir virtuell schon mit der Übergabe begannen.“

In seinen Augen lag Unsicherheit, als er über diese Abmachung sprach. Sorgte er sich mehr um seine Schwägerin oder um den Nachlass?

Autumn schüttelte den Kopf. Nicht mein Problem. Es war nicht ihr Erbe, weshalb also sollte sie sich in dieses britische Familiendrama hineinziehen lassen. Na ja, um genau zu sein, handelte es sich mittlerweile auch um ihre Familie!

„Okay, nun verstehe ich, warum wir dieses Fiasko schnell wieder in Ordnung bringen müssen. Bestimmt musst du dringend nach London reisen und eine standesgemäße Frau finden, die dir Erben und so weiter schenkt.“ Selbst für ihre eigenen Ohren klang das verletzend ironisch.

„Auch in diesem Punkt ist Großbritannien nicht wirklich in der Regentschaftszeit steckengeblieben. Wir sind mit dem Rest von euch ins 21. Jahrhundert eingetreten.“

Nun warf ihm Autumn doch einen spöttischen Blick zu. „Der Punkt ist, du kannst nicht mit mir verheiratet sein. Und ich möchte auch keine Ehe mit dir.“

Was alles viel einfacher machte.

Autor

Sophie Pembroke

Seit Sophie Pembroke während ihres Studiums der englischen Literatur an der Lancaster University ihren ersten Roman von Mills & Boon las, liebte sie Liebesromane und träumte davon, Schriftstellerin zu werden. Und ihr Traum wurde wahr! Heute schreibt sie hauptberuflich Liebesromane. Sophie, die in Abu Dhabi geboren wurde, wuchs in Wales...

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