Darling, ich muss Dir was gestehen

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Brynn steckt in einer ausweglosen Situation: Wenn sie Matt MacKenzie, in den sie sich leidenschaftlich verliebt hat, sagt, dass sie gar nicht mit seinem Bruder verheiratet ist, hält er sie für eine Lügnerin. Doch gesteht sie ihm nicht, dass sie die ganze Zeit geschwindelt hat, wird sich Matt nie zu seinen Gefühlen für sie bekennen …


  • Erscheinungstag 09.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757014
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Brynn Magee war fast schon am Ziel. Endlich würde sie Gregory MacKenzie kennenlernen, nachdem sie ihm monatelang auf den Fersen gewesen war, und er war der einzig richtige Mann für sie.

Mr. Right!

Es war ihr gleichgültig, dass das albern klang. Gregory MacKenzie war traumhaft: attraktiv, erfolgreich und offen. Was erwartete sie mehr von einem Mann! Bisher hatte Brynn noch nicht den Mut gefunden, sich ihm vorzustellen, doch das änderte sich jetzt!

Heute hatte sie sich bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung unentbehrlich gemacht. Sie hatte Briefe zugeklebt, Anrufe beantwortet, Kisten und Kartons geschleppt, für Kaffee gesorgt, staubgesaugt und Lampen geputzt. Natürlich musste das Gregory auffallen. Er war schließlich der Vorsitzende dieser Veranstaltung. Gleich würde er Brynns harten Einsatz bewundern, sie wegen der abgebrochenen Fingernägel bedauern und mit ihr lachen, weil sie sich wegen der Vorstellung so viel Mühe gegeben hatte. Schließlich war klar, dass er ihr versichern würde, es hätte genügt, ihn anzulächeln, damit er ihr verfiel und …

„Entschuldigung“, sagte eine ungeduldig klingende Männerstimme, „sind Sie hier festgewachsen?“

„Ich … nein … natürlich nicht“, stammelte Brynn und schob die Brille hoch, die ihr halbes Gesicht verdeckte. „Tut mir leid.“

„Schon gut.“ Der Fotograf streifte sie mit einem genervten Blick, drängte sich an ihr vorbei und stieß sie beinahe von der schmalen Bühne.

Alle Presseleute rückten näher heran. Bestimmt stellte Gregory sich gleich zum Interview. Brynn schlug vor Aufregung das Herz bis zum Hals, als sie direkt neben dem Podest des Sprechers landete. Sie schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel.

Offenbar wurde es erhört, weil sie die Augen öffnete und direkt in Gregory MacKenzies strahlend lächelndes Gesicht blickte. Natürlich galt dieses Lächeln nicht ihr, sondern den Reportern und Kameras, aber sie hätte nur die Hand heben müssen, um dieses hinreißend schöne Gesicht zu berühren.

Und dann sprach er auch noch! Er sprach! Zum ersten Mal hörte sie seine Stimme. Eigentlich hatte sie sich ja für karitative Arbeit gemeldet, um Gregory zu treffen, aber sie war leider nur Veranstaltungen zugeteilt worden, mit denen er nichts zu tun hatte. Aber jetzt – jetzt bekam sie ihre Chance.

Fasziniert drückte sie den Zeitungsausschnitt an sich, den sie in einen Bilderrahmen gesteckt hatte. Bestimmt war Gregory gleich tief gerührt, wie aufmerksam und einfühlsam sie doch war. Das musste ihn geradezu zwingen, sich nach der Veranstaltung bei ihr zu melden und mit ihr …

„Entschuldigung.“ Jemand schob sich hinter ihr vorbei und stieß sie gegen Gregory.

Brynn blickte zu ihm hoch, und im selben Moment flammte ein Blitzlicht auf. Sie war auf einem Foto von Gregory! Mit einem strahlenden Lächeln blickte sie in die Kamera. Wieder ein Blitz und dann noch etliche andere, bis die Fotografen zufrieden waren.

Hoffentlich gelang es ihr, dieses bezaubernde Lächeln noch eine Weile beizubehalten. Sie kämpfte die Aufregung nieder und sah wieder Gregory an.

Er näherte sich ihr.

Das Herz blieb ihr stehen.

Und dann ging er an ihr vorbei, verließ das Podium und tauchte in der Menge unter. Brynn sah ihm fassungslos nach. Jetzt hatte sie es doch verpatzt …

Ein Fotograf schloss sich nicht den anderen an, sondern legte einen neuen Film in die Kamera ein. Brynn wollte schon gehen, doch dann fiel ihr ein, dass gerade dieser Mann die meisten Fotos von ihr und Gregory gemacht hatte.

Hastig stieg sie von der Bühne herunter. „Entschuldigung.“

Der Fotograf warf ihr nur einen flüchtigen Blick zu. „Ja?“

„Sie haben Fotos von Mr. MacKenzie und mir gemacht.“

„Ja, und?“

„Ich bin für die fotografische Dokumentation dieser Veranstaltung zuständig“, log sie unverfroren. „Darum muss ich so viele Fotos wie möglich besorgen. Könnten Sie mir bitte Kopien von Ihren Aufnahmen zukommen lassen? Ich … wir bezahlen Sie natürlich gern dafür.“

Er sah nur kurz von seiner Arbeit hoch. „Meine Zeitung kann ruhig noch was für die Wohltätigkeit ausspucken“, meinte er und holte eine zerknautschte Visitenkarte aus der Tasche. „Rufen Sie mich an. Ich habe zwei Filme verschossen.“

Brynn drückte die Karte ans Herz. „Ich bin Ihnen sehr dankbar und kann Ihnen gar nicht sagen, wie viel mir … uns das bedeutet.“

„Gern geschehen, Lady. Das Geld geht schließlich ans Kinderkrankenhaus. Gregory MacKenzie ist zwar ein gelackter Manager, aber er versteht es, Kohle aufzutreiben.“

Brynn sah ihm empört nach, doch die Visitenkarte tröstete sie über diese unverschämte Bemerkung hinweg. Wenigstens bekam sie Fotos, auf denen sie mit Gregory zu sehen war, und allein das war ein wahr gewordener Traum.

Bald schon stellte Brynn fest, dass ihrem Traum noch eine besondere Note fehlte. Der Fotograf hatte das Versprechen eingelöst und ihr einen ganzen Satz der Fotos überlassen, doch Brynn wollte mehr als nur das Bild von zwei Fremden, die am Rednerpult zufällig nebeneinander standen.

Darum wandte sie sich vom Zeichentisch ab, an dem sie an dem Comicstrip Stephanie arbeitete, griff nach den Fotos, betrachtete sie erneut und warf sie dann auf eine Brautzeitschrift.

Ein Foto blieb so liegen, dass Brynns Gesicht sich auf dem Titelblatt genau oberhalb des Brautkleides befand.

Lächelnd rückte sie das Foto zurecht, bis ihr Kopf vollständig das Gesicht der Braut verdeckte. Nun sah es so aus, als stammte das gesamte Bild aus einem Album von ihrer eigenen Hochzeit.

Die Idee traf sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ihre eigene Hochzeit …

Nein, das war so albern, dass man keinen einzigen Gedanken darauf verschwenden sollte. Keine Frau, die noch bei klarem Verstand war, kam auf einen solchen Einfall. Andererseits …

Ihre eigene Hochzeit mit Gregory … und davon könnte sie ein Fotoalbum haben … und er brauchte es nicht einmal zu wissen …

Ja, das war möglich. Mit Hilfe von Computern konnte man Menschen in alles hineinkopieren, sogar mitten in eine Hochzeit.

Brynn strich über Gregorys Gesicht. Nach der karitativen Veranstaltung hatte sie ihn beim Joggen ansprechen wollen, aber er war seither nicht mehr gelaufen. Vermutlich war er schon wieder verreist, was wegen der leitenden Position in einer internationalen Firma unvermeidlich war. Das alles wusste sie aus den Zeitungen. Aber wenn er zurückkam, würde sie beide nichts mehr trennen. Zu lange schon himmelte sie ihn bloß aus der Ferne an, und der raffinierte Plan, ihn näher kennenzulernen, was kläglich gescheitert. Es war höchste Zeit, dass sie direkt auf ihr Ziel losging.

Vorher aber …

Entschlossen griff sie nach der Zeitschrift und den Fotos. Vorher musste sie ein Fotoalbum ihrer Hochzeit mit Gregory MacKenzie anlegen.

1. KAPITEL

Brynn blätterte in der Zeitung, während sie gleichzeitig ihr Frühstück zwischen ihren Haustieren verteilte. Die Katze Snookems bevorzugte zwar Fleisch, knabberte aber auch ganz gern an einem Hörnchen mit Schmelzkäse. Der Terriermischling Lancelot war nicht so wählerisch, mochte jedoch vor allem Obst und schnappte begeistert nach Erdbeeren und Bananenscheiben.

Papagei Bossy, dessen Name gut zu seinem herrischen Wesen passte, machte sich über ein Stück Hörnchen her und fluchte dabei deftig vor sich hin. Brynn versuchte zwar stets, seine schlechten Manieren zu verbessern, stand jedoch auf verlorenem Posten. Zum Glück störten sich ihre wenigen Besucher nicht an der absolut nicht stubenreinen Ausdrucksweise des Vogels.

Alle drei Tiere waren aus unterschiedlichen Gründen so gut wie nicht zu vermitteln gewesen und deshalb bei Brynn gelandet. Gut war nur, dass sie bloß zwei Mal im Monat im Tierheim aushalf, sonst hätte sie sich eine Farm oder einen Zoo anschaffen müssen.

Sie blätterte um und ließ prompt die restlichen Erdbeeren Lancelot auf den Kopf fallen. Der Hund störte sich nicht daran, sondern jagte auf dem Küchenfußboden hinter den Beeren her. Brynn merkte es gar nicht, weil sie geschockt auf ein Foto von Gregory starrte. Darunter stand: Bekannter Manager in Südamerika entführt.

Hastig überflog sie den Artikel. Gregory hatte wegen des Baus einer weiteren Fabrik seiner Firma verhandelt. Einzelheiten waren noch nicht bekannt, aber es schien den Gangstern um Lösegeld und nicht um politische Ziele zu gehen.

Kein Wunder, dass Gregory nicht mehr gejoggt war. Da hatte sie sich überlegt, wie sie sich ihm vorstellen sollte, und er hatte wer weiß was erlitten! Brynn schauderte, als sie sich sämtliche Möglichkeiten vorstellte, die ihr dank ihrer übergroßen Fantasie einfielen.

Diese Fantasie war je nach Standpunkt ein Segen oder ein Fluch. Einerseits lieferte sie Brynn die nötigen Einfälle für den Comicstrip, aber andererseits malte sie sich unsägliche Qualen aus, denen Gregory ausgesetzt war.

Gewissenhaft schnitt sie den Artikel aus, holte danach das Hochzeitsalbum und öffnete es. Der Fotograf hatte hervorragende Arbeit geleistet und mittels Computer Bilder von ihr und Gregory in passender Kleidung und Haltung geschaffen. Die Fotos wirkten dermaßen echt, dass Brynn sich manchmal selbst daran erinnern musste, dass sie künstlich hergestellt worden waren.

Durch ihre Arbeit kannte sie die Möglichkeiten der modernen Computer, die von Leuten genutzt wurden, die kein Geld für richtige Fotos hatten oder einfach Bilder einer früheren Hochzeit wieder verwenden wollten. Viele ehemalige Ehepartner hätten bestimmt nicht schlecht gestaunt, wer jetzt an ihrer Stelle auf ihrem Foto lächelte. Diese Methode war mittlerweile so weit verbreitet, dass der Fotograf sich gar nicht über Brynns Bitte gewundert hatte.

Wer nicht Bescheid wusste, hielt die Fotos für echt, und in Brynns Träumen waren sie es auch. Andere hätten ihr Hochzeitsalbum bestimmt albern und lachhaft gefunden, aber für sie war es nichts weiter als eine harmlose Fantasie und das einzige Bindeglied zu Gregory.

Lancelot stieß sie mit der feuchten Schnauze an und wollte gestreichelt werden. „Glaubst du, Gregory geht es gut?“, fragte sie erstickt und hob den kräftigen kleinen Hund hoch, der ihr mitfühlend die Hand leckte.

Snookems merkte ebenfalls, dass sie traurig war, und rieb sich an ihren Beinen. Nur Bossy schimpfte und brabbelte weiter vor sich hin.

„Woher sollen wir wissen, wie es ihm geht, Leute?“, fuhr sie fort. „Wir müssen abwarten, fürchte ich.“

Brynn saß am Zeichentisch, konnte sich jedoch nicht auf die Arbeit konzentrieren. Stattdessen griff sie nach dem Hochzeitsalbum.

Seit Gregorys Verschwinden wartete sie täglich sehnsüchtig auf die Zeitung, doch bisher hatte sich nichts Neues ergeben. Gar keine Nachrichten waren zwar immer noch besser als schlechte, doch letztlich war ihr das auch kein Trost.

Lancelot knurrte, und gleich darauf klingelte es an der Tür. Lancelot raste bellend hin, Snookems sprang auf den Fenstersitz und miaute, und Bossy schrie: „Herein!“

Brynn seufzte, warf einen Blick durch den Spion, erkannte aber nichts, weil jemand zu dicht vor der Tür stand. „Wer ist da?“, fragte sie.

In dem einsetzenden Stimmengewirr fing sie nur einen Namen auf: MacKenzie. Neuigkeiten über Gregory? Ohne auch nur einen Moment logisch nachzudenken, nahm sie Lancelot auf den Arm und riss die Tür auf.

Verdutzt blickte Brynn in fünf Gesichter. Fünf Augenpaare musterten sie neugierig.

„Hallo“, sagte sie schließlich. „Was kann ich für Sie tun?“

„Ach, ist sie nicht reizend?“, rief eine Frau mittleren Alters, nahm Brynn an den Händen und zwang sie, Lancelot auf den Boden zu stellen.

„Ich weiß nicht …“

„Ja, Ruth, du hast recht“, versicherte eine andere Frau. „Sie sieht entzückend aus. Dabei haben wir sie völlig überrascht.“

„Nein, ich meine …“, setzte Brynn an.

„Doch, doch, das ist geradezu ein Überfall“, fiel ihr ein Mann ins Wort, dessen Stimme ziemlich matt klang. „Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Wie sind die MacKenzies, Gregorys Familie.“

Brynn traute ihren Ohren nicht. War ihm womöglich etwas zugestoßen? Andererseits – wie kamen diese Leute auf sie? „Aber wie … ich meine …“ Sie holte tief Atem. „Kommen Sie doch bitte herein.“

Zuerst traten die Frauen ein, danach ein ungefähr vierzehn Jahre altes Mädchen und ein etwa neunjähriger Junge. Der Mann mit der matten Stimme bildete den Schluss.

„Ich bin Ruth MacKenzie“, erklärte die Frau, die zuerst gesprochen hatte. „Und das ist mein Mann Frank.“

Er reichte ihr sehr ernst die Hand.

Ruth machte sofort weiter. „Das ist Franks Schwester Miranda.“

„Ich bin ja so froh, dass wir uns endlich kennenlernen, Brynn“, versicherte Miranda. „Tut mir leid, dass wir so einfach hereinplatzen.“

„Nein, nein, schon gut, wirklich, aber …“

„Und das ist Heather“, fuhr Ruth fort, „Gregorys Schwester, aber das ist dir sicher alles bekannt. Gregory hat es dir bestimmt erklärt.“

Wie sollte er?

Die Vierzehnjährige strahlte übers ganze Gesicht. „Hi!“

„Hi“, erwiderte Brynn.

„Und das ist Andy, Gregorys Bruder“, fügte Ruth hinzu. „Eigentlich brauche ich niemanden vorzustellen. Es liegt auf der Hand, wie wir miteinander verwandt sind.“

Nicht so direkt … „Hey, Andy“, sagte Brynn, die nicht so recht wusste, wie man mit Kindern umgeht.

„Wieso lebst du nur in einem halben Haus?“, fragte der Junge.

„Schon gut“, meinte Brynn lächelnd, als Ruth ihm einen warnenden Blick zuwarf, und zeigte zur hohen Decke mit den kunstvollen Verzierungen. „Es ist ein altes Haus, wie du siehst, und der Eigentümer hat es in zwei Wohnungen unterteilt.“

„Das sieht hier aber nicht wie eine Wohnung aus“, stellte Andy fest. „Im Fernsehen sind Wohnungen immer neu und weiß.“

„Genau deshalb gefällt sie mir“, erwiderte Brynn lächelnd. „Diese ist anders.“

„Ja, das schon“, sagte er, streichelte Snookems und ging dann zum Zeichentisch.

„Ja, also, ich bin Brynn Magee“, sagte sie und lächelte verunsichert, während die anderen sie anstrahlten. „Ich kann mir nur nicht erklären, woher Sie das wissen.“

Ruth traten Tränen in die Augen. „Der Fotograf hat von Gregorys Entführung gehört und uns Kopien der Hochzeitsfotos geschickt. Er dachte, wir wollten sie gern haben, und wir waren natürlich begeistert.“

Frank legte seiner Frau tröstend den Arm um die Schultern. „Wenn Ruth ehrlich ist, hat sie den Fotografen dazu gebracht, uns deinen Namen und deine Adresse zu geben.“

„Selbstverständlich wollten wir die junge Frau kennenlernen“, sagte Miranda, „die endlich Gregorys Herz erobert hat.“

Brynn lief es heiß und kalt über den Rücken. Gregorys Angehörige sorgten sich um ihn, und jetzt glaubten sie, seine heimliche Braut vor sich zu haben. Was hatte sie da bloß angerichtet!

„Natürlich verstehen wir, dass ihr beide uns überraschen wolltet, und es tut uns auch leid, dass wir euch das verdorben haben“, fuhr Miranda fort. „Aber nach Gregorys Entführung war es für uns wichtiger, dass wir alle in dieser schweren Zeit zusammenhalten. Diesen Lauf der Dinge konnte schließlich niemand vorhersehen.“

Das könnt ihr laut sagen, dachte Brynn und holte tief Atem.

„Ich muss es wissen“, rief Ruth. „Wie habt ihr euch denn kennengelernt?“

Brynn öffnete zwar den Mund, brachte jedoch keinen Ton heraus.

„Und warum habt ihr eure Hochzeit geheim gehalten?“, fuhr Ruth fort. „Ich verstehe ja, dass ihr eine Trauung in aller Stille haben wolltet, aber ich möchte wissen …“

„Ruth!“, fiel Miranda ihr ins Wort. „Du siehst doch, wie verstört sie wegen Gregory ist. Sie kann jetzt nicht über diese Dinge sprechen.“

Ruth griff wieder nach Brynns Händen. „Tut mir leid, ich rede zu viel. Wir sprechen später darüber. Jetzt denkst du natürlich nur an Gregory.“

„Gibt es Neuigkeiten?“, brachte Brynn schließlich hervor.

Frank schüttelte besorgt den Kopf. „Das Außenministerium vermutet keine politischen Motive. Gregory war nur als Vertreter von Drake Chemical in Südamerika, und in diesem Land wünscht man sich amerikanische Firmen.“

„Warum wurde er dann entführt?“

„Drake Chemical soll für seine Freilassung viel Geld bezahlen“, erwiderte Frank.

„Wird die Firma denn bezahlen?“, fragte Brynn ängstlich.

„Der Präsident der Firma hat es uns zugesagt.“

Brynn durfte sich Gregory gar nicht in den Händen von Gangstern vorstellen. Das war unerträglich. „Weiß man, wo er gefangen gehalten wird?“

Frank schüttelte den Kopf. Er war auffallend blass im Gesicht. „Bisher hat man das Versteck noch nicht aufgespürt.“

„Das Außenministerium hat uns aber versichert, dass die Entführer Gregory schon in ihrem eigenen Interesse am Leben lassen“, fügte Ruth hinzu und beobachtete besorgt ihren Mann.

„Ich würde es sofort spüren, wenn ihm etwas zustößt“, erklärte Frank und sah Brynn in die Augen. „Du natürlich auch.“

Brynn schwieg hilflos.

„Wo warst du eigentlich, als Gregory entführt wurde?“, fragte Ruth.

Brynn ließ unsicher den Blick zwischen Gregorys Eltern hin und her wandern. „Hier.“

„Natürlich, wo denn sonst, Ruth?“, warf Miranda ein. „Kein klar denkender Mann nimmt seine frisch angetraute Ehefrau in den südamerikanischen Dschungel mit.“

„Regenwald“, verbesserte Frank.

„Ihr wisst schon, was ich meine.“ Miranda wandte sich erneut an Brynn. „Gregory war vernünftig genug, dich hier zu lassen.“

„Ja, also …“

„Und darüber sind wir sehr froh, Brynn“, versicherte Ruth und wischte sich über die Augen.

„Wir müssen uns gegenseitig beistehen“, verkündete Frank. „In schweren Zeiten muss die Familie zusammenhalten. Hast du hier in Salt Lake City Angehörige?“

„Nein, ich habe nur meine Mutter in Chicago, aber …“

„Wir sind jetzt deine Familie, meine Liebe.“ Ruth lächelte, obwohl sie den Tränen nahe war. „Jetzt hast du uns.“

Bevor Brynn antworten konnte, zog Ruth sie an sich, und danach wurde sie auch von den anderen umarmt. Eine so liebevolle Aufnahme hatte sie noch nie erlebt.

„Hey, Leute, seht mal! Brynn zeichnet Comics!“, rief Andy.

„Echt?“, fragte Heather. „Comics für eine Zeitung?“

„Ich zeichne eine Serie“, räumte Brynn bescheiden ein.

Heather ging zum Zeichentisch. „Das ist Stephanie!“, schrie sie. „Auf den Comic stehe ich total!“

„Ich auch“, beteuerte Andy.

„Wir alle lesen ihn“, erklärte Ruth.

„Den lasse ich nie aus“, sagte Miranda. „Ich platze schon vor Neugierde, in was für einen Schlamassel Stephanie diesmal wieder gerät.“

Brynn wurde verlegen, weil sie sich zwar über Lob freute, aber nicht damit umgehen konnte. „Manchmal ergeht es mir auch so, wenn ich zu zeichnen anfange.“ Als alle lachten, entspannte sich Brynn leicht.

„Du arbeitest also zu Hause?“, fragte Frank.

„Ja, und das ist wunderbar. Ich bin meine eigene Chefin.“ Sie rückte die große Brille zurecht. „Ich muss in kein Büro gehen.“

„Wenn dir danach ist, kannst du sogar im Morgenmantel arbeiten“, meinte Miranda.

„Das mache ich oft, wenn es schneit“, bestätigte Brynn.

„Du musst nie in irgendein Büro?“, vergewisserte sich Ruth.

„Nein, ich schicke meine Arbeit an den Verlag.“ Brynn zeigte auf den Zeichentisch. „Mehr brauche ich nicht.“

Ruth bekam leuchtende Augen. „Du kannst also überall arbeiten?“

„Allerdings. Ich habe schon mehr als einen Strip auf Reisen gezeichnet.“

„Perfekt!“, rief Ruth und klatschte in die Hände.

„Wieso?“ Brynn ahnte plötzlich nichts Gutes.

„Weil du mit uns nach Hause kommen kannst“, erklärte Ruth.

„Wir haben gehofft, dass du zu uns ziehst“, fügte Miranda hinzu. „Wir wussten aber nicht, ob du frei bist.“

„Da du hier keine Angehörigen hast und nicht im Büro arbeiten musst …“, begann Frank, doch Brynn fiel ihm verzweifelt ins Wort.

„Ich kann unmöglich weg! Ich brauche meine gewohnte Umgebung für die Arbeit und … und …“ Brynn sah sich hektisch um und suchte nach Ausreden. „Ich möchte niemandem zur Last fallen.“

Alle lachten, als hätte sie einen guten Scherz gemacht.

„Da es in der Wintersportanlage mehr als hundert Zimmer gibt, bringen wir dich schon irgendwie unter“, erwiderte Frank beruhigend.

Wintersportanlage? „Ich muss aber meine Arbeiten an den Verlag schicken“, wandte Brynn ein. „Ich kann also nicht …“

„Die Hauptsaison hat zwar noch nicht begonnen“, entgegnete Frank, „aber es kommen genug Gäste. Wir schicken daher den Wagen oft ins Tal. Das ist gar kein Problem.“

„Und ich habe Haustiere“, führte sie an.

„Die Anlage ist so groß, dass es auf einige Tiere nicht ankommt.“

„Ihr versteht das nicht“, wandte Brynn beschwörend ein. „Snookems ist fast blind, Bossy gibt nur unflätiges Zeug von sich, und Lancelot hört nur auf mich. Er wurde früher misshandelt, und im Moment vertraut er nur mir und ist Fremden gegenüber äußerst aggressiv.“ Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Heather gerade Lancelot streichelte, dem das sichtlich gefiel. „Meistens wenigstens“, fügte sie etwas leiser hinzu.

Heather wandte sich an sie. „Wenn du mit uns kommst, haben wir sozusagen einen Teil von Gregory wieder bei uns.“

Brynn sah ihr an, wie sehr sie die Entführung ihres Bruders getroffen hatte, und bei den anderen Angehörigen war es ähnlich. Es rührte sie, dass sich Gregorys Angehörige ihretwegen bemühten, sich optimistisch zu geben, aber sie waren so nett, dass jeder Betrug die Sache nur noch schlimmer gemacht hätte. „Es tut mir wirklich leid, aber ich …“

Ruth nahm sie am Arm und zog sie mit sich. „Könnte ich vielleicht ein Glas Wasser bekommen, meine Liebe?“

„Aber sicher.“ Brynn ging durch die Schwingtür in die kleine Küche voraus und wollte nach einem Glas greifen, doch Ruth hielt sie zurück.

„Das mit dem Wasser war nur eine Ausrede“, erklärte sie. „Du siehst doch selbst, dass sich alle mühsam aufrechthalten.“

Brynn nickte und überlegte fieberhaft, wie sie am Besten mit dem Geständnis beginnen sollte.

„Und dann ist da noch das Problem mit Franks Gesundheit“, fuhr Ruth mit bebender Stimme fort. „Er hat sich von einer dreifachen Bypassoperation noch nicht vollständig erholt. Als wir von Gregorys Verschwinden erfuhren, haben wir schon mit dem Schlimmsten gerechnet. Darum ist es doch so wichtig, dass du mitkommst. Frank hätte durch dich eine Verbindung zu Gregory und würde die Hoffnung nicht verlieren.“

Ruth lächelte unter Tränen. „Gregorys schöne junge Frau wäre einfach ideal für ihn. Das Fotoalbum von eurer Hochzeit hat Frank auf der Stelle aus der Depression geholt. Du siehst also, wie wichtig du für uns bist und dass du uns unbedingt begleiten musst.“

„Brynn, wo sind deine Koffer?“, rief Miranda in die Küche.

Ratlos öffnete Brynn die Küchentür. „Ich habe doch gesagt, ich kann nicht …“ Sie verstummte, als sie in erwartungsvolle Gesichter blickte und merkte, wie blass Frank war.

Ruth stellte sich neben ihren Mann und warf Brynn einen beschwörenden Blick zu.

„Wie gesagt, ich habe Haustiere und …“

Heather nahm Lancelot auf den Arm. „Ich kümmere mich um den Hund, Andy übernimmt Snookems. Im Wagen haben wir auch reichlich Platz für den Vogel und den Zeichentisch. Wir sind mit dem Bus hier. Bitte, Brynn!“

Was blieb ihr anderes übrig? Es war verrückt, aber sie rang sich zu einem Lächeln durch. „Na gut, vorübergehend.“

Ein Freudenschrei aus sämtlichen Kehlen, und dann griff Miranda nach dem Vogelkäfig und suchte nach einem Tuch zum Zudecken, während Frank den Zeichentisch abräumte. Andy nahm die Hundeleine vom Haken neben der Tür, während Heather einen Koffer aus dem Dielenschrank holte.

Ruth lächelte glücklich. „Du bleibst mindestens bis zu Gregorys Rückkehr bei uns.“

Glänzende Augen und fröhliche Gesichter der Familienmitglieder, die sich wie zum letzten Gruppenfoto für das Hochzeitsalbum aufgestellt hatten. Brynn seufzte. In was war sie da bloß hineingeraten!

2. KAPITEL

Auf der Fahrt nach Norden bestaunte Brynn die wunderschöne Landschaft. Die Täler leuchteten herbstlich rot, gelb und orange. Schneebedeckte Gipfel ragten über die Baumgrenze hinaus. Espen hoben sich hellgrün von den dunklen Fichten ab. Tiefe Schluchten durchzogen das Bergland. Durch das offene Fenster strömte saubere Luft herein. Es duftete nach Wald und wild wachsenden Blumen.

Brynn hatte nicht fragen können, in welches Skigebiet sie fuhren. Daher war sie überrascht, dass sie sich so weit von Salt Lake City entfernten und sogar die bekannten Orte Snowbasin, Powder Mountain und Nordic Valley hinter sich ließen.

Heather und Andy saßen links und rechts von ihr und plauderten pausenlos. Bossy hielt auch nicht den Schnabel, doch die MacKenzies ließen sich nicht anmerken, was sie von der deftigen Ausdrucksweise des Vogels hielten. Sie erzählten ständig von Gregory, der Familie, der Wintersportanlage und so weiter.

Obwohl Brynn daran gewöhnt war, ein ruhiges Leben ganz für sich zu führen, störte es sie nicht. Im Gegenteil, sie fand es rührend, dass sie alle bereitwillig aufnahmen. Vielleicht kamen sie und Gregory auf diese Weise endlich zusammen. Wenn er nach den erlittenen Qualen zurückkehrte, war ihm bestimmt klar, wie kurz das Leben sein konnte. Dann sehnte er sich nach einer liebevollen Frau an seiner Seite, und sie war diese Frau – eine richtige Frau voller Gefühl und keine oberflächliche Gesellschaftszicke, die nichts weiter …

„Brynn! Brynn!“, rief Heather. „Wir sind gleich da.“

Autor

Bonnie K Winn
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