Das Geheimnis des attraktiven Italieners

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Von New York nach Rimini! Belle setzt alle Hebel in Bewegung, um ihre leibliche Mutter aufzuspüren. Als sie dabei auf den umwerfend attraktiven Leon Malatesta trifft, fühlt sie sich sofort wie magisch von ihm angezogen … bis sie erfährt, dass ein dunkles Geheimnis sie verbindet …


  • Erscheinungstag 17.09.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520287
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Hastig verließ Belle Peterson den Handyshop, in dem sie als Filialleiterin arbeitete, und machte sich auf den Weg zu Earl Harmon. Seine Anwaltskanzlei im Herzen von Newburgh, New York, vertrat schon seit Jahrzehnten die Interessen der Familie.

Die Bürovorsteherin führte sie in das Besprechungszimmer, in dem ihr Bruder bereits wartete. Cliff, dreißig Jahre alt und frisch geschieden, blickte starr vor sich hin. Offensichtlich wollte er nicht mit ihr sprechen. Das letzte Mal hatte Belle ihn auf der Beerdigung ihrer Eltern vor einem halben Jahr gesehen, danach war der Kontakt abgebrochen.

Auf den ersten Blick war Cliff ein attraktiver Mann. Doch bei näherer Beobachtung machte sein gehetzter Blick ihn eher unsympathisch. Cliff war ein frustrierter, mit sich und seinem Leben unzufriedener Mensch. Nach seiner Scheidung und dem Tod seiner Eltern bei einem Verkehrsunfall stand er jetzt ganz allein da.

Belle spürte seine Antipathie ganz intensiv. Bewusst setzte sie sich auf den Stuhl, der am weitesten von ihm entfernt stand.

Im Alter von zehn Jahren war Belle von Cliffs Eltern adoptiert worden. Davor hatte sie von Geburt an in einem kirchlich geführten Waisenhaus in Newburgh gelebt. Dort war sie glücklich gewesen, denn die Nonnen und die anderen Kinder hatten sie ebenso geschätzt wie Belle sie.

Mit der Adoption jedoch änderte sich ihr Leben schlagartig. Bei ihrer neuen Familie stieß sie auf Ablehnung, sie kam sich ungeliebt vor. Als Ausgleich setzte sie alles daran, die Achtung ihrer Mitschüler und Freunde zu erringen. So gut ihr das auch gelang, der Schmerz, nichts über ihre leibliche Mutter zu wissen, ließ sich dadurch nicht lindern.

Belle hatte das Gefühl, wurzellos zu sein und keine Identität zu besitzen – sie war jetzt vierundzwanzig Jahre alt und kannte noch nicht einmal ihren wahren Nachnamen.

Nach Cliff hatte Mrs Peterson keine weiteren Kinder mehr bekommen können, deshalb hatte sich das Ehepaar für eine Adoption entschieden. Belle war es nie gelungen, sie als Mutter zu akzeptieren, und auch ihr Adoptivvater war ihr stets fremd geblieben. In Cliff hatte sie keinen Verbündeten gefunden, ganz im Gegenteil, vom ersten Moment an hatte er alles darangesetzt, ihr das Leben zur Hölle zu machen.

„Mein herzliches Beileid zum Tod Ihrer Eltern.“ Earl Harmon betrat den Raum und begrüßte erst sie, dann Cliff mit Handschlag.

„Wie Sie wissen, hatten Ihre Eltern keine Lebensversicherung abgeschlossen“, begann der Rechtsanwalt, nachdem er sich gesetzt hatte. „Daher musste das Haus verkauft werden, um die Schulden zu begleichen. Ihnen beiden sind jedoch jeweils tausendfünfhundert Dollar aus der Versteigerung des Inventars verblieben. Hier sind die Schecks.“ Er reichte Cliff und Belle die Formulare.

„Das ist alles?“ Cliff sprang auf und schlug wütend mit der Faust auf den Tisch. Belle spürte die Verzweiflung, die dahinterstand. Er hatte auf mehr gehofft, wusste sie, und sei es nur, um endlich seine Unterhaltszahlungen begleichen zu können, mit denen er im Rückstand war. Sie dagegen freute sich über den unerwarteten Geldsegen, denn sie hatte nicht damit gerechnet, überhaupt etwas zu erben.

„Es tut mir leid, Mr Peterson, eine größere Summe ist nach der Begleichung der Schulden Ihres Vaters und der Kosten für die Beerdigung nicht übrig geblieben. Dennoch wünsche ich Ihnen für die Zukunft alles Gute.“

Cliff reagierte nicht darauf, sondern wies mit dem Finger auf Belle.

„Das alles ist deine Schuld“, schrie er sie ärgerlich an. „Dad hat dich nur adoptiert, weil Mum auf eine Tochter regelrecht versessen war. Ohne dich wäre alles anders gelaufen. Warum gehst du nicht zurück nach Italien, wo du hingehörst?“

Belles Herz setzte einen Schlag aus. „Was hast du da gesagt?“

„Die Wahrheit. Dad hat dich nie gewollt.“

„Wer wüsste das besser als ich?“ Jetzt stand auch sie auf. „Ich meine etwas anderes: Stammen meine leiblichen Eltern aus Italien?“

Belle wusste absolut nichts über ihre Herkunft. Die Nonnen hatten ihr jegliche Auskunft verweigert, und auch Nadine, ihre Stiefmutter, hatte sich nie dazu geäußert. Zum ersten Mal fiel ein kleiner Lichtstrahl in das Dunkel, eine Gelegenheit, die Belle nicht ungenutzt verstreichen lassen wollte.

Als Cliff sich einfach umdrehte und wortlos den Raum verlassen wollte, lief sie ihm hinterher. Heute hatte sie keine Angst mehr vor ihrem großen Adoptivbruder. „Was weißt du über meine Vergangenheit?“, stellte sie ihn zur Rede.

Er lächelte zynisch. „Mit Mums und Dads Tod bin ich an keine Schweigepflicht mehr gebunden. Wie viel bist du bereit zu zahlen?“

Nur mühsam konnte Belle das Gleichgewicht halten. Sie schluckte schwer. Mit bebenden Fingern öffnete sie ihre Handtasche und holte den Scheck hervor. „Du kannst ihn haben, wenn du mir alles erzählst, was du über meine Herkunft weißt.“

Fassungslos sah ihr Halbbruder sie an. „So viel ist es dir wert, etwas über die Frau zu erfahren, die dich nicht wollte?“

„Ja.“ Belle kämpfte die aufsteigenden Tränen zurück. „Ob meine Mutter mich wollte oder nicht, ist für mich belanglos. Ich möchte lediglich wissen, wer ich bin und woher ich komme.“ Ohne nachzudenken, reichte sie ihm voller verzweifelter Hoffnung den Scheck.

Kopfschüttelnd betrachtete Cliff ihn. „Wie kann man nur so dumm sein!“

Schlagartig wurde ihr klar, dass sie ihm blind vertraut hatte. „Du weißt also nichts, sondern hast nur dein Spiel mit mir getrieben. Das überrascht mich nicht wirklich. Behalte das Geld, ich hatte sowieso nicht damit gerechnet, etwas zu erben. Du gehörst zu den glücklichen Menschen, die ihre Eltern kennenlernen durften. Es tut mir leid, dass du sie verloren hast. Ich weiß, was es bedeutet, keine Eltern mehr zu haben – das ist ein Gefühl, das ich nicht einmal dir wünsche.“

Sie wollte gehen, doch Cliff hielt sie am Arm zurück.

„Ich habe zufällig etwas gehört, als Mum und Dad sich irgendwann bei offener Tür über dich gestritten haben. Deine Mutter heißt mit Nachnamen Donatello und lebt anscheinend in Italien, irgendwo in Rimini.“

„Wie haben sie das erfahren? Die Nonnen sagten, meine Akte sei unter Verschluss und ich sei anonym adoptiert worden.“

„Keine Ahnung. Ich kann dir nur die Namen nennen, die während der Auseinandersetzung fielen.“

Belle konnte ihr Glück kaum fassen. Stürmisch fiel sie Cliff um den Hals. „Danke! Ich weiß, du hasst mich. Doch für das, was du eben für mich getan hast, verzeihe ich dir, dass du mir das Leben so schwer gemacht hast.“

Zurück im Laden, nickte sie den beiden Verkäufern nur kurz zu und ging sofort in ihr Büro. Sie setzte sich an den Computer und gab nach kurzem Zögern „Rimini“ in die Suchmaschine ein. Dann wartete sie gespannt auf die Ergebnisse. Rimini lag an der Adria, erfuhr sie, und bezeichnete nicht nur eine Stadt mit hundertvierzigtausend Einwohnern, sondern auch die dazugehörige Provinz.

In zehn Tagen begann Belles Urlaub, den sie mit den Ferien ihrer Abendschule abgestimmt hatte. Kurz entschlossen buchte sie den billigsten Flug mit zwei Zwischenlandungen von New York nach Rimini. Außerdem reservierte sie sich gleich einen Leihwagen und ein Zimmer in der preisgünstigsten Pension, die sie finden konnte – es verfügte weder über Telefon noch Fernseher und hatte nur eine Gemeinschaftsdusche auf dem Flur. Doch das war ihr egal, zu mehr reichten ihre Ersparnisse eben nicht.

„Belle?“

Sie hob den Kopf und sah ihren Assistenten an. „Ja, was ist?“

Mac war erst vor kurzer Zeit aus einer anderen Filiale zu ihr versetzt worden. Sein Talent als Verkäufer bewunderte sie, doch seine ständigen Versuche, sie zu einem Date zu überreden, empfand sie als lästig. Auch diesmal probierte er es wieder.

„Lass uns nach der Arbeit noch eine Pizza essen gehen. Gib deinem Herzen einen Stoß und sag Ja.“

„Mac, bitte gib es auf. Ich bin nicht an dir interessiert, ehrlich nicht.“

So schnell gab Mac sich nicht geschlagen. „Weißt du, wie man dich in der Firma nennt? Den Eisblock!“

„Interessant. War das alles? Wenn ja, kümmere dich bitte wieder um die Kunden.“

Na gut, dann war sie eben ein Eisblock, anders hätte sie ihr Leben auch kaum überstehen können. Ihr Vater und ihre Mutter hatten sie in ein Waisenhaus abgeschoben, und auch bei den Petersons hatte sie weder Liebe noch Anerkennung gefunden.

Doch war ihre Situation wirklich so beklagenswert? Belle dachte an ihre Mitarbeiter. Die jungen Frauen waren alle Singles, die verzweifelt nach einem Partner suchten, von den vier Männern waren zwei verheiratet. Einer hatte eine außereheliche Affäre, der andere überlegte, sich scheiden zu lassen. Die beiden ungebundenen Kollegen waren Spieler, die auf den großen Wurf hofften und ihr gesamtes Geld für Autos und Kleidung ausgaben.

Die beiden Mädchen, mit denen sie die Wohnung teilte, lebten in ständiger Panik, keinen Mann mehr abzubekommen. Sie redeten über nichts anderes.

Belle machte das Alleinsein nichts aus, schließlich war sie es von Geburt an gewohnt. Bisher hatte sie sich nur auf wenige Verabredungen eingelassen, und sie hatten zu nichts geführt – wahrscheinlich war sie wirklich nicht liebenswert. Heiraten stand für sie sowieso nicht zur Debatte, sie konnte sich nicht vorstellen, dass eine Beziehung wirklich ein Leben lang halten konnte.

Mit keinem Mann hatte sie sich bisher vorstellen können, ins Bett zu gehen. Sie vermutete, dass ihre Mutter bittere Erfahrungen gemacht hatte und gezwungen gewesen war, ihr Baby sofort nach der Geburt im Waisenhaus abzugeben. In eine solche Notlage wollte sie selbst auf gar keinen Fall geraten.

Belle konzentrierte sich lieber auf ihre Karriere. Beruflich war sie äußerst erfolgreich und verdiente entsprechend. Bereits seit zwei Jahren schrieb ihre Filiale die besten Zahlen in der Region, und Belle hoffte, in absehbarer Zukunft in das Management der Muttergesellschaft vorzurücken.

Doch zunächst wollte sie die kostbare Woche Urlaub nutzen, um ihre Mutter ausfindig zu machen. Selbst wenn Cliffs Information jeglicher Grundlage entbehren sollte, würde sie so Italien kennenlernen. Dieses romantische Land der Gondeln, die Heimat Michelangelos und Pavarottis. Italien hatte sie schon immer fasziniert, und in zehn Tagen würde sie tatsächlich dorthin fliegen. Kaum vorstellbar!

Es wurde bereits hell, als Concetta endlich einschlief – Leonardo seufzte erleichtert. Die Kleine litt an einem Infekt, und der Arzt hatte ein fiebersenkendes Mittel verschrieben. Jetzt, um sieben Uhr, zeigte das Fieberthermometer zwei Grad weniger an als um Mitternacht, und ihr krampfhafter Husten war auch besser geworden.

Concetta war ein knappes Jahr alt und der ganze Stolz ihres Vaters Leonardo Rovere di Malatesta, ältester Sohn des Conte Sullisto Malatesta von Rimini.

Leonardo war erschöpft. Die ganze Nacht hatte er seine Tochter im Arm gehalten und war mit ihr auf und ab gegangen, um sie zu beruhigen. Dagegen machte Rufo, der ihn auf Schritt und Tritt begleitet hatte, einen munteren Eindruck. Liebevoll streichelte Leonardo ihm den Kopf.

Rufo war ein wunderschöner brauner Jagdhund, ein Spinone Italiano. Schon als Welpe war er zu Leonardo und seiner Frau Benedetta gekommen. Benedettas Vater hatte dem jungen Paar den Rüden zur Hochzeit geschenkt. Rufo war vom ersten Tag an Benedettas Hund gewesen. Als Leonardo dann jedoch ohne seine Frau, aber mit Concetta aus dem Krankenhaus zurückkehrte, übertrug Rufo die uneingeschränkte Treue, die er bisher seiner Herrin geschenkt hatte, auf deren Kind. Keinen einzigen Moment ließ er die Kleine unbewacht.

Leonardo entschied sich, heute nicht in die Bank zu gehen, sondern erst einmal auszuschlafen und Concetta bei Talia zu lassen. Die gelernte Kinderkrankenschwester hatte Concetta schon im Krankenhaus betreut, nachdem Benedetta bei der Geburt gestorben war. Sie liebte das Baby ebenso abgöttisch wie Leonardo und Rufo.

Zum Abschied küsste Leonardo sein Töchterchen auf die geschlossenen Lider, hinter denen sich dunkelbraune, fast schwarze Augen verbargen. Concetta hatte Benedettas Gesichtszüge und ihr dunkelblondes Haar geerbt. Leonardo liebte sein Baby mit einer Intensität, die er nie für möglich gehalten hätte.

Concettas Gegenwart und die Fürsorge, die sie forderte, halfen ihm, die Leere zu füllen, die der Verlust seiner geliebten Frau hinterlassen hatte.

Nachdem er sich aus dem Kinderzimmer geschlichen hatte, suchte er nach Simona, der Haushälterin. Simona war Talias ältere Cousine und hatte schon als junges Mädchen im Haushalt seiner Mutter gearbeitet. Leonardo schenkte beiden, Talia und Simona, vollstes Vertrauen.

„Simona, ich werde versuchen, noch ein bisschen Schlaf nachzuholen. Mein Handy habe ich ausgeschaltet. Sollte es erforderlich sein, weck mich bitte persönlich.“

Kaum hatte sich Leonardo im Bett ausgestreckt, war er auch schon eingeschlafen. Erst als es plötzlich laut an der Tür klopfte, schreckte er hoch. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es bereits früher Nachmittag war. Er hatte über sieben Stunden geschlafen.

„Simona!“, rief er. „Was ist los? Hatte Concetta einen Rückfall?“

„Nein, ganz im Gegenteil, sie isst bereits wieder, Talia füttert sie gerade. Berto hat angerufen, Sie möchten sich bitte bei ihm melden.“

Leonardo ging ins Bad, um zu duschen. Warum sein Assistent wohl über Festnetz angerufen hatte? Üblicherweise schickte er eine SMS, wenn Leonardo nicht ans Handy ging. Nach dem Rasieren kontrollierte er sein Mobiltelefon, es zeigte eine Nachricht von seinem Vater an, der ihn zum Abendessen einlud, und eine von seinem Freund Vito – keine von Berto.

Bevor er sich auf den Weg zur Bank machte, sah er noch in der Küche vorbei. Concetta saß in ihrem Hochstuhl – Rufo natürlich daneben – und ließ sich von Talia mit Brei füttern.

Sowie Concetta ihn erblickte, lächelte sie und streckte ihm die Ärmchen entgegen. Für Leonardo waren dies die schönsten Augenblicke im Leben. Liebevoll legte er ihr die Hand auf die Stirn.

„Dir geht es ja schon viel besser, mein Schatz. Ich muss nur kurz telefonieren, dann spiele ich mit dir auf der Terrasse.“

Die Villa besaß einen Privatstrand und war von einer schattigen Pergola umgeben. Direkt vor der Gartenanlage begann der feine, weiße Sand, den Concetta so gern durch die Finger rieseln ließ. Gestern hatte Leonardo ihr bunte Würfel geschenkt, die sich zu einem Turm stapeln ließen. Doch Concetta war zu krank gewesen, um sich dafür zu interessieren. Daher war er gespannt, wie sie heute darauf reagieren würde.

Zuerst rief Leonardo seinen Vater an, um die Einladung auf den nächsten Tag zu verschieben. Die Enttäuschung in Sullistos Stimme war nicht zu überhören.

Dann meldete er sich bei Berto, um zu erfahren, welches wichtige Problem ihn zu seinem ungewöhnlichen Anruf veranlasst hatte.

Berto wiegelte ab. „Wir können es ebenso gut morgen besprechen, wenn Concetta wieder gesund ist.“

Unschlüssig rieb Leonardo sich das Kinn. „Wenn dir die Angelegenheit nicht wichtig erschienen wäre, hättest du mich garantiert nicht in der Villa angerufen.“

„Stimmt, anfangs dachte ich auch, es wäre wichtig.“

„Und dann nicht mehr?“ Was war nur mit Berto los? Normalerweise brachte er die Dinge immer sofort auf den Punkt.

„Nein, dann nicht mehr. Wir sprechen uns morgen, ciao Leon.“

Entgeistert betrachtete Leonardo sein Handy. Sein Assistent hatte tatsächlich aufgelegt! Er runzelte die Stirn.

„Talia, ich muss doch noch in die Bank. In einer Stunde werde ich voraussichtlich wieder zurück sein. Wenn was ist, ruf mich an.“

Concetta bekam einen Kuss auf die Wange. „Ich bin gleich wieder da, mein Kleines.“

Schnell wechselte er Jeans und T-Shirt gegen Anzug und Oberhemd mit Krawatte, informierte seinen Bodyguard, dass sie gleich aufbrechen würden, und holte sein schwarzes Cabrio aus der Garage. Trotz des lebhaften Verkehrs in dem beliebten Badeort erreichte er schnell den ehemaligen Palast aus der Renaissancezeit, der schon seit dem letzten Jahrhundert Hauptsitz der Malatesta Bank war.

Dank des genialen Geschäftssinns seines Vaters gehörte das Familienunternehmen jetzt zu den zwei größten Banken Italiens und beschäftigte weltweit Tausende von Angestellten.

Die Wertpapierabteilung wurde von Leonardo geleitet, sein Bruder Dante war für das Immobiliengeschäft verantwortlich, und zusammen mit ihrem Vater schafften sie es, die Bank trotz der wirtschaftlich schlechten Lage in Italien äußerst erfolgreich zu führen.

Leonardo betrat das Bankgebäude durch den Privateingang für Familienangehörige und stürmte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe zu seiner Büroetage hinauf. Wenn Bertos Verhalten bedeutete, dass es ein Problem gab, dann wollte Leonardo der Sache möglichst schnell auf den Grund gehen.

Berto telefonierte gerade, als sein Chef eintrat. Erstaunt sah er auf, beendete schnell sein Telefonat und erhob sich. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du heute noch kommen würdest.“

Energisch stemmte Leonardo die Hände in die Hüften. „Und ich hatte nicht damit gerechnet, dass du einfach auflegst, während wir telefonieren. Was ist passiert? Welches unserer Aktiengeschäfte läuft schief?“

Berto wirkte nervös. „Keins, die Sache hat überhaupt nichts mit Bankgeschäften zu tun. Eine Frau namens Belle war hier. Sie behauptete, Donatello Diamonds hätte sie an uns verwiesen, um mit einem der Inhaber zu sprechen. Da weder dein Vater noch dein Bruder erreichbar waren, habe ich bei dir angerufen. Im weiteren Gespräch stellte sich dann allerdings heraus, dass diese Belle eine Amerikanerin ist, die unbedingt etwas über die Familie Donatello erfahren möchte. Wahrscheinlich also eine Reporterin, die auf Sensationen aus ist. Deshalb wollte ich dich nicht weiter behelligen.“

Leon nickte gedankenverloren. Warum hatte die Frau nicht ihren vollen Namen genannt und ganz offiziell um einen Termin mit ihm oder seinem Vater gebeten? Hatte sie etwas zu verbergen?

Wahrscheinlich traf Bertos Vermutung zu, und es handelte sich um eine Journalistin, die auf Jagd nach Skandalen war. Seine Familie konnte ein Lied davon singen, was sich die Medien alles einfallen ließen, um durch das Aufwärmen alter Geschichten ihre Blätter besser zu verkaufen. Das war eben der Preis, den man dafür zahlen musste, zu einem der ältesten Adelshäuser Italiens zu gehören.

Berto reichte ihm einen Notizzettel. „Die Frau wohnt in der Pension Rosa, hier sind Adresse und Telefonnummer. Sie ist schätzungsweise Anfang zwanzig, und mit ihrem rabenschwarzen Haar und den blauen Augen wird sie ihrem Namen Belle, die Schöne, absolut gerecht.“

Natürlich. Leon lächelte zynisch. Kam der Teufel nicht oft in Gestalt einer schönen Frau?

„Danke, Berto. Wir sehen uns dann morgen, bis dahin behandle die Sache bitte streng vertraulich.“

Leon beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Sofort machte er sich auf den Weg, parkte sein Auto in einiger Entfernung von der Pension und ging zur Anmeldung, die nicht besetzt war. Erst nachdem er die Glocke auf dem Tresen betätigt hatte, erschien eine ältere Frau. Rosa, die Inhaberin, vermutete Leon.

„Wenn Sie ein Zimmer haben möchten, muss ich Sie enttäuschen, signore. Mein Haus ist ausgebucht“, wimmelte sie ihn ab, ehe er etwas sagen konnte.

„Ich suche eine Frau namens Belle, die bei Ihnen wohnt. Könnten Sie ihr Bescheid sagen, dass jemand auf sie wartet, per favore?“

Rosa musterte ihn misstrauisch. „Wir haben keine Zimmertelefone.“

Inzwischen hatte Leon einen Blick auf die gerahmte Preisliste an der Wand geworfen, deshalb erstaunte ihn diese Information nicht weiter.

„Am besten, Sie hinterlassen Namen und Telefonnummer“, schlug Rosa nach einigem Überlegen vor. „Signorina Belle kann Sie dann zurückrufen. Sie hat das Haus vor einiger Zeit verlassen.“

„Dann warte ich hier auf sie.“ Leon setzte sich in einen der altersschwachen Korbsessel. Rosa zuckte die Schultern und verschwand wieder hinter dem Vorhang.

Über das Handy rief Leon seinen Bodyguard herbei, damit dieser die Wache für ihn übernahm. Nachdem er Ruggio beschrieben hatte, wie die Dame aussah, auf die er warten sollte, machte er sich auf den Weg nach Hause.

Er hatte noch nicht einmal die halbe Wegstrecke zurückgelegt, als Ruggio sich schon wieder meldete. „Eine Frau, auf die Ihre Beschreibung passt, ist gerade eingetroffen. Sie fährt einen Leihwagen.“

Leon ließ sich den Namen der Agentur geben und bat Ruggio, bis zu seinem Eintreffen die Situation weiter zu beobachten. Auf dem Weg zurück zur Pension Rosa rief er die Verleihfirma an und ließ sich mit dem Inhaber verbinden. Dank seines Namens und gesellschaftlicher Position war es für Leon ein Leichtes, an die gewünschte Information zu kommen.

Die Frau war tatsächlich Amerikanerin, hieß mit vollem Namen Belle Peterson und stammte aus Newburgh, New York. Das Auto hatte sie sich bereits vor fast zwei Wochen für sieben Tage reservieren lassen. Vor drei Tagen war sie pünktlich auf dem Flughafen Rimini gelandet.

Leon bedankte sich höflich für die inoffizielle Auskunft und googelte dann Newburgh. Eine Kleinstadt, knapp hundert Kilometer nördlich von New York, erfuhr er. Noch ergaben diese Einzelheiten kein Bild, doch Leon war sicher, auf der richtigen Spur zu sein.

Er parkte sein Auto neben dem Mietwagen und ging zu Fuß weiter. Ruggio wartete in der Rezeption auf ihn.

„Sie ist immer noch auf ihrem Zimmer“, erklärte er seinem Chef. „Sie ist molta, molta bellissima. Ich glaube, ich kenne sie aus dem Fernsehen.“ Ähnlich hatte auch Berto die Fremde beschrieben.

Grazie, Ruggio, jetzt übernehme ich“, verabschiedete Leon seinen Bodyguard und machte es sich in dem Sessel bequem, aus dem Ruggio gerade aufgestanden war. Dann rief er Simona an, um sie über seine geänderten Pläne zu informieren und sich nach Concetta zu erkundigen. Mitten im Satz stockte ihm der Atem.

Eine Frau erschien und ging eilig an ihm vorbei. Sie war nicht nur hinreißend schön, sondern erinnerte ihn auch an jemanden.

Hastig beendete er sein Gespräch, steckte sein Handy in die Tasche und folgte der Frau, die bereits die Straße erreicht hatte. Sie stand vor dem Mietwagen und suchte offensichtlich gerade in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel.

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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