Die Bräute von Penhally Bay - Teil 9-12 der Miniserie

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FÜR EINEN KUSS VON DR. KHALIL von JOSIE METCALFE

Voller Sehnsucht denkt Emily an Dr. Khalil. Würde er sie doch nur in seine Arme ziehen und leidenschaftlich küssen. Er ist nicht nur ein fantastischer Kinderarzt und ein sehr attraktiver Mann, er hat auch ein Herz aus Gold. Für seine kleinen Patienten tut er alles. Aber warum wirkt der Traummann in Emilys Nähe immer so kühl, obwohl er doch scheinbar genauso empfindet wie sie? Und dann überrascht er sie am Strand von Penhally Bay – und macht ihr ein schockierendes Geständnis …

HAND IN HAND INS ZWEITE GLÜCK von MAGGIE KINGSLEY

Dammbruch in Penhally Bay! Zu Eves Entsetzen ist ausgerechnet Dr. Tom Cornish für die Leitung des Katastrophenteams eingeteilt. Der Mann, der sie vor Jahren verließ und ihr das Herz brach. Jetzt sind all die Gefühle von damals zurück – die Enttäuschung, der Schmerz, aber auch die Liebe. Niemals wollte sie den attraktiven Chirurgen wiedersehen, und doch konnte sie ihn nicht vergessen. Wird sie dem Glück eine zweite Chance geben?

SCHENK MIR DEIN VERTRAUEN, LAUREN! von MARGARET MCDONAGH

Ein Stromausfall in Penhally Bay! Lauren hat panische Angst, als die Dunkelheit sie umfängt. Erst als sie die beruhigende Stimme ihres neuen Kollegen Dr. Gabriel Devereux hört und er sie in seine starken Arme nimmt, kann sie etwas aufatmen. Seine zärtlichen Küsse lassen sie alles um sich herum vergessen – sogar ihre Furcht vor der Dunkelheit. Doch Lauren hütet ein großes Geheimnis und noch ist sie nicht bereit, es mit Gabriel zu teilen …

BITTERSÜSSES HAPPY END von CAROLINE ANDERSON

Plötzlich steht er wieder vor ihr: Sam Cavendish, der Arzt mit dem unwiderstehlichen Lächeln, den Krankenschwester Gemma vor zehn Jahren verlassen hatte! Eine Entscheidung, die sie jeden Tag bitter bereut hat – und Sam scheint nicht bereit, ihr zu verzeihen …


  • Erscheinungstag 16.05.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529464
  • Seitenanzahl 467
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

JULIA PRÄSENTIERT DR. ROBERTS erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

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Redaktionsleitung: Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)
Produktion: Jennifer Galka
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2008 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „Sheikh Surgeon Claims His Bride“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MEDICAL ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Deutsche Erstausgabe 2009 in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN
Band 32 - by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Neuauflage in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT DR. ROBERTS
Band 9 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Michaela Rabe

Abbildungen: George Doyle, merc67 / Thinkstock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733708047

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
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PROLOG

„Es hat seine Vorteile, wieder in Penhally Bay zu sein“, murmelte Emily vor sich hin. Wie gebannt beobachtete sie das grandiose Farbenspiel am Horizont. Ein herrlicher Sommertag ging zu Ende, und die Sonne über dem Meer färbte die zarten Wolkenfetzen purpurrot und orangegolden.

Und es wird noch besser, dachte sie, als ein gut aussehender Mann in ihr Blickfeld trat und anfing, sich auszuziehen.

„Oh ja!“, hauchte sie, als die warmen goldenen Sonnenstrahlen starke Schultern beleuchteten und eine breite Brust, die von seidig wirkenden dunklen Härchen bedeckt war. Emily bewunderte seinen flachen, muskulösen Bauch und die schmalen Hüften, die glatte, dunkel gebräunte Haut. „Es ist definitiv von Vorteil, wenn man so nahe am Strand wohnt.“

Sie sah zu, wie er mit Stretchingübungen begann, um dann zu einem anstrengenden, sicher schweißtreibenden Training überzugehen. Er konnte nicht wissen, dass er einen Zuschauer hatte. Die kleine Höhlung am Fuß der Granitfelsen lag bereits tief im Schatten. Vor vielen Jahren, als Emily – noch ein Kind – nach Penhally gekommen war, um bei ihrer Großmutter zu leben, hatte sie sie entdeckt. Und schon damals war sie ihr Lieblingsplatz gewesen.

Der Mann hatte seine Fitnessübungen beendet und schickte sich an, ins Wasser zu gehen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er leicht hinkte. Emilys ärztliches Interesse erwachte. Hatte er es mit dem Training übertrieben, oder trainierte er so hart, um die Folgen einer Verletzung zu überwinden?

Wie auch immer, es dämmerte bereits, und ihr war gar nicht wohl bei dem Gedanken, dass er beim Schwimmen einen Muskelkrampf erleiden könnte. Und auch wenn der Unbekannte sicher die Einsamkeit gesucht hatte, sie würde ihn bestimmt nicht allein lassen. Und ohne Hilfe, falls er in Schwierigkeiten geriet.

Kein Problem, dann würde sie eben noch ein bisschen bleiben. Die Luft war warm, und die leichte Brise, die nach Sonnenuntergang aufgekommen war, konnte ihr im Schutz der Felsen nichts anhaben.

Außerdem könnte sie einen ausgiebigen Blick auf den prachtvollen Männerkörper werfen, sobald der Fremde wieder aus dem Wasser kam.

Nicht mehr abgelenkt vom Anblick kraftvoller Muskeln, glänzender brauner Haut und athletischen Formen, kehrten ihre Gedanken zu dem zurück, was sie ursprünglich hergezogen hatte. Sie brauchte die Geborgenheit an ihrem Lieblingsplatz, um in Ruhe nachzudenken. Und um mit ihren Schuldgefühlen klarzukommen.

Das Medizinstudium hatte sie lange von zu Hause ferngehalten, und erst bei ihrem letzten Besuch entdeckte sie das furchtbare Geheimnis, das ihre Großmutter bewahrt hatte.

„Ich wollte nicht, dass du mir hier beim Sterben zusiehst. Deine Prüfungen waren wichtiger“, hatte sie mit dem ihr eigenen Starrsinn erklärt.

Damals war Emily für ein verlängertes Wochenende nach Penhally Bay gefahren, um der Großmutter ihre guten Neuigkeiten persönlich zu überbringen. Sie hatte sich schon auf Beabeas Gesicht gefreut, wenn sie ihr erzählte, dass sie den begehrten Job am Krankenhaus St. Piran tatsächlich bekommen hatte. Zwar befristet auf sechs Monate, doch Emily hoffte, am Ende der Zeit eine Festanstellung zu erreichen.

Ihre überschwängliche Freude hatte sich augenblicklich in nichts aufgelöst, als sie erfuhr, dass ihr mit dem Menschen, der ihre einzige Familie war, nicht mehr viel Zeit bleiben würde.

Mit der Erlaubnis ihrer Großmutter sprach sie am nächsten Tag mit dem Onkologen im St. Piran. Vielleicht würde eine Operation doch noch helfen, oder eine Chemotherapie. Ihre Hoffnungen wurden grausam zerstört. Der Zustand ihrer geliebten Beabea war ernster als befürchtet.

„Man mag es ihr nicht ansehen“, hatte der freundliche Mann ihr erklärt. „Aber der Krebs ist aggressiv und wächst schnell. Zwei Wochen bevor es zu Ende geht, werden wir sie ins Krankenhaus oder in ein Hospiz bringen müssen. Dort können wir die Schmerztherapie besser überwachen – und sie wird sie brauchen, weil die Schmerzen unerträglich werden.“

„Und wenn sie mit einer PCA versorgt wird, kann ich sie dann nicht zu Hause pflegen?“ Bei einer patientengesteuerten Analgesie konnte sich der Patient über einen intravenösen Zugang und mittels einer Morphinpumpe das Schmerzmittel je nach Bedarf selbst verabreichen.

Emily wusste, wie sehr Beabea ihr gemütliches kleines Cottage liebte. Es war voller Erinnerungen an von Liebe erfüllte, glückliche Tage. Sie würde dort auch sterben wollen.

„Das wäre möglich. Unsere Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass Tumorpatienten im Endstadium oft mehr gestresst sind, wenn sie ihren Lieben ihr langsames Sterben zumuten müssen. Letztendlich werden Sie die Entscheidung gemeinsam treffen – sobald es so weit ist.“

Inzwischen hatte Emily im St. Piran als Assistentin von Dr. Breyley angefangen. Bevor sie morgens zur Arbeit fuhr, versorgte sie ihre Großmutter. Beabea hatte viele Freunde in Penhally Bay, darunter auch einige Ärzte, sodass Emily beruhigt tagsüber im Krankenhaus sein konnte.

Die Schlafphasen ihrer Großmutter häuften sich und wurden mit der Zeit länger. Dann unternahm Emily Spaziergänge an der Uferpromenade und im Hafen, vorbei am Penhally Arms und dem Anchor Hotel. Sie begegnete Urlaubern und Einheimischen, die ihre Freizeit genossen, ohne zu ahnen, dass ganz in ihrer Nähe jemand mit dem Tode rang.

Gelegentlich saß sie im Café und trank einen schaumigen Caffè Latte, während sie den Touristen zusah, die auf der Brücke über dem Lanson standen. Einige Hundert Meter weiter mündete der Fluss ins Meer.

Manchmal stellte sie sich auch ans Geländer und blickte wehmütig auf das wirbelnde Wasser hinunter, das über die Felsen strömte. Sie erinnerte sich noch genau, wie sie als Kind die Brüstung entlanggerobbt war, immer in Gefahr, kopfüber ins Wasser zu stürzen. Der Fluss und die Felsen hatten sich seitdem nicht verändert, alles andere schon.

Sie war längst erwachsen, Ärztin geworden, was sie schon immer hatte werden wollen. Und ihre Großmutter, die nie älter zu werden schien, war nun eine hagere Frau mit silbergrauem Haar und papierdünner Haut. Ein Windstoß könnte sie umpusten, dachte Emily traurig.

Ehrlich gesagt gab es in diesen düsteren Tagen, abgesehen von der Arbeit mit Dr. Breyley, die genauso befriedigend war, wie sie es sich gewünscht hatte, nur ein Highlight: wenn sie es schaffte, mit dem Joggen am Strand fertig und rechtzeitig auf ihrem Beobachtungsposten zu sein, bevor der mysteriöse Unbekannte auftauchte.

Natürlich plagten sie ab und zu Gewissensbisse, dass er durchaus etwas dagegen haben könnte, dass sie ihn heimlich beobachtete. Aber die waren schnell beschwichtigt, indem sie sich als eine Art inoffizielle Rettungsschwimmerin betrachtete. Schließlich könnte ihm doch mal etwas passieren, und wer würde ihm dann helfen?

Fasziniert beobachtete sie, wie seine beeindruckende Silhouette im letzten Schein der untergegangenen Sonne immer kleiner wurde.

Gerade heute konnte sie die Ablenkung gut gebrauchen. Sie hatte den Nachmittag damit verbracht, ihre Großmutter in der neuen Hospizabteilung des Sanatoriums in Penhally Heights unterzubringen. Der Onkologe hatte recht gehabt. Emily war zwar entschlossen gewesen, Beabea bis zum Ende zu pflegen, selbst wenn sie dafür hätte Urlaub nehmen müssen, doch ihre Großmutter wollte sie damit nicht belasten. Sie war entschlossen, ihr Schlafzimmer endgültig zu verlassen. Das Zimmer, das sie vor mehr als fünfzig Jahren als glückliche Braut zum ersten Mal betreten hatte.

„Und sobald dein mysteriöser Fremder aufhört, sich zu peinigen, wird es Zeit für dich, ins Cottage zurückzugehen und eine Runde zu schlafen“, sagte sie zu sich selbst. Auch wenn ihr die Vorstellung, gerade heute Abend allein zu sein, überhaupt nicht gefiel.

Wenigstens hatte sie morgen früh etwas, worauf sie sich freuen konnte. Die Arbeit machte ihr großen Spaß, und vielleicht schnappte sie ja etwas über den neuen Chirurgen auf, der die jüngst eröffnete, hochmodern eingerichtete Abteilung für pädiatrische Orthopädie leitete.

Seit sie angefangen hatte, für Dr. Breyley zu arbeiten, wurde viel über die neue Station geredet, und Emily hatte sich schon oft vorgenommen, ihr endlich einen Besuch abzustatten. Schließlich hätte pädiatrische Chirurgie sie auch sehr interessiert. Falls Dr. Breyley ihr nach den sechs Monaten keine feste Stelle anbot, konnte sie es sich ja immer noch überlegen, ob sie sich bei seinem Kollegen bewarb.

Der Schmerz war ein hartnäckiger Begleiter.

Aber Zayed kannte es nicht anders. Sehr viel mehr setzte ihm zu, dass er das leichte Humpeln nicht verbergen konnte, als er sich dem Sandstrand am Rande von Penhally Bay näherte. Er war ein stolzer Mann, doch am Ende eines langen Arbeitstages hätte er die Schmerzen nur mit einem hoch dosierten Analgetikum bezwingen können.

Und damit wollte er gar nicht erst anfangen. Für seine kleinen Patienten musste er fit sein. Sich von Schmerzmitteln abhängig zu machen war damit nicht zu vereinbaren.

Er fluchte unterdrückt, als sein Fuß sich an einer der rauen Granitstufen verfing, und zwang sich zu mehr Konzentration. Zum Glück hielten sich an diesem Juliabend kurz vor Sonnenuntergang nur wenige Menschen am Meer auf. Zayed wurde nicht gern Zielscheibe neugieriger Blicke, wenn er wie ein Betrunkener umherstolperte.

Der Gedanke entlockte ihm ein schmales Lächeln. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt Alkohol getrunken hatte. Wahrscheinlich damals, während seines Medizinstudiums, als er in jugendlichem Übermut auch das ausprobiert hatte … bevor seine Welt lebensgefährlich geworden und schließlich alles außer Kontrolle geraten war.

Aber Penhally Bay war gar kein schlechter Platz zum Leben, sagte er sich, während er kurz stehen blieb, um die perfekte Postkartenkulisse des kornischen Fischerstädtchens zu betrachten. Als er das erste Mal hier gewesen war – in einer längst vergangenen, glücklichen Zeit – hatte es ihm der beschauliche Ort sofort angetan. Auf den Terrassen am Hang, der sanft zur Bucht hin auslief, drängten sich dicht an dicht malerische Häuser. Und fast jedes blickte auf das unendlich weite Meer hinaus.

Vielleicht war er einfach fasziniert gewesen, weil hier in Cornwall alles völlig anders aussah als in seiner Heimat.

„Abgesehen vom Sand, natürlich.“

Gut, dass an diesem Ende des Strands sonst niemand war, der hätte hören können, wie er Selbstgespräche führte! Er bückte sich, um das Handtuch auszubreiten, und zuckte im nächsten Moment zusammen. Ein messerscharfer Schmerz nahm ihm den Atem. Zayed hielt ein paar Sekunden inne, bis er abgeklungen war.

„Idiot!“, zischte er, zog Hemd und Hose aus und begann mit den Dehnübungen. Sie standen am Anfang eines jeden Strandbesuchs, und am Ende würde jeder Muskel und jeder Nerv gequält protestieren.

Die Versuchung, die tägliche Tortur aufzugeben, war groß. Doch wenn er erst einmal damit anfing, hatte er verloren. Er musste seine Beweglichkeit, Ausdauer und sein Durchhaltevermögen verbessern, weil seine Patienten ihn brauchten.

Zayed hatte sich damit abgefunden, dass der Schmerz zu seinem Leben gehörte. Er war der Preis dafür, dass er lebte, während Leika, Kashif und viele andere hatten sterben müssen …

Rasch verdrängte er die Gedanken. Seine Albträume erinnerten ihn oft genug an jene entsetzlichen Stunden, da musste er sich nicht noch tagsüber damit peinigen.

Es genügte zu wissen, dass er schuld war am Tod der Menschen, die ihm das Liebste auf Erden bedeutet hatten.

So schnell es seine Schmerzen im Bein erlaubten, ging er ins Wasser. Beim Schwimmen vergaß er seinen Kummer zwar nicht völlig, aber er konnte sich wenigstens eine Zeitlang ablenken.

1. KAPITEL

Emily warf einen Blick in die neue Kinderorthopädie-Abteilung und verliebte sich auf Anhieb.

Okay, nach dem Schock, den sie soeben unten auf ihrer Station erlitten hatte, konnte sie etwas Aufmunterung gebrauchen.

Sie war gerade zur Tür hereingekommen, da hatte Dr. Breyleys Sekretärin sie in ihr Büro gewinkt.

„Es tut mir leid, dass er nicht hier ist, um es Ihnen selbst zu sagen, Dr. Livingston.“ Nach einem resignierten Seitenblick auf die unordentlichen Papierstapel, die sich auf ihrem sonst tadellos aufgeräumten Schreibtisch türmten, beugte sie sich vor. „Dr. Breyley und seine Frau sind heute Morgen nach Neuseeland geflogen. Bei ihrem ersten Enkelkind gibt es Komplikationen. Eine Frühgeburt, und es muss so bald wie möglich am Herzen operiert werden. Die Breyleys wollen bei ihrer Tochter sein, zumindest bis die Operation überstanden ist.“

„Vollkommen verständlich.“ Emily hatte sich ihre wachsende Unruhe nicht anmerken lassen. Würde sie ihren Job verlieren? Ihr Tutor und Mentor war ans andere Ende der Welt entschwunden, und das Krankenhaus würde ihr so kurzfristig sicher keine vergleichbare Stelle bei einem anderen Chefarzt anbieten können.

Ihre Gedanken überschlugen sich. Ihr Traumjob drohte sich in Luft aufzulösen, obwohl sie ihn dringend brauchte. Nicht nur, weil sich die sechs Monate gut in ihrem Lebenslauf machen würden, sondern weil sich Beabeas Zustand rapide verschlechterte, und Emily wollte in ihrer Nähe bleiben. Andererseits konnte sie es sich nicht leisten, nicht zu arbeiten. Weder finanziell noch beruflich.

„Wie auch immer“, unterbrach die Sekretärin ihre wirren Befürchtungen. „Bevor Dr. Breyley abreiste, hat er sich noch einmal Ihre Bewerbungsunterlagen angesehen. Ihm war eingefallen, dass Sie Ihr Interesse an pädiatrischer Chirurgie erwähnt hatten. Also hat er mit Dr. Khalil geredet und konnte ihn überzeugen, Sie befristet in sein Team aufzunehmen.“

Emily blinzelte verblüfft. Bewundernswert, dass Dr. Breyley es trotz seiner eigenen Sorgen geschafft hatte, sie bei dem Kollegen unterzubringen. Dennoch kam sie sich vor wie ein nutzloses Möbelstück, das niemand haben wollte.

Dr. Breyley war ein anerkannter Experte auf seinem Gebiet und hielt sie für geeignet, in seinem Team mitzuarbeiten. Dass Dr. Khalil trotz ihrer ausgezeichneten Referenzen dazu erst überredet werden musste, empfand sie fast als Beleidigung.

„Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht mehr sagen kann.“ Die gestresste Sekretärin schien nicht zu merken, dass Emily wenig Lust hatte, wie ein wertloses Päckchen herumgereicht zu werden. „Dr. Khalil lässt Ihnen ausrichten, dass Sie ihn entweder in seinem Büro oder in der Kinder-Intensivstation antreffen werden.“

Da war sie nun, auf der Suche nach Dr. Khalil und entschlossen herauszufinden, warum er so viel höhere Ansprüche an seine Mitarbeiter stellte als Dr. Breyley.

Zuerst versuchte sie es in seinem Büro. Im Vorzimmer saß eine orientalische Schönheit, die Englisch mit starkem Akzent sprach.

„Er ist im Moment nicht zu sprechen“, informierte sie Emily kühl, während sie sie aus schwarzen, mit Kajal umrandeten Augen abschätzig musterte. „Und um zehn fängt er an zu operieren.“

Emily unterdrückte ein Lächeln. Ihr schlichtes Sommerkleid schien bei der eleganten Sekretärin keine Gnade zu finden.

Zu dumm aber auch. Doch Emily sah wenig Sinn darin, sich aufzurüschen, wenn sie die Hälfte ihrer Arbeitszeit in unförmiger OP-Kleidung und mit Papierhütchen auf dem Kopf verbrachte. Falls sie Kollegen beeindrucken wollte, dann höchstens mit ihren ärztlichen Fähigkeiten.

„Mein Name ist Dr. Livingston“, sagte sie ruhig. „Ich gehöre zu Dr. Khalils Team und muss wissen, wo ich ihn so schnell wie möglich finden kann.“

„Aber … Sie sind eine Frau!“, rief die andere aus und griff hastig nach dem Aktendeckel, der zuoberst auf dem einzigen Papierstapel lag, der ihren blitzblanken Schreibtisch zierte. „Wir haben einen Dr. Emil Livingston erwartet. Emil ist ein Männername, nein?“

„Emil ist ein Männername, ja.“ Sie ertappte sich dabei, wie sie die Sprache der Frau nachahmte, und konnte sich gerade noch ein Lachen verkneifen. Von makellosen, perfekt gestylten Frauen wie dieser fühlte sie sich immer leicht provoziert. Vielleicht lag es daran, dass sie wochen-, nein, monatelang hungern müsste, um in Größe 36 der Designerklamotten zu passen, die die Sekretärin trug. Auch wenn Emily sich jeden Tag zu einem schweißtreibenden Jogginglauf zwang … „Mein Name ist Emily, mit Y, aber ohne das entsprechende Chromosom.“

„Verzeihung?“

Seufzend verzichtete Emily auf eine Erklärung und sah auf ihre Armbanduhr. „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir sagen können, wo ich Dr. Khalil finde.“ Ihr neuer Chef wäre sicher alles andere als begeistert, wenn sie zu spät käme. Da sie den Job dringend brauchte, wollte sie ihn nicht gleich gegen sich aufbringen.

„Er ist oben auf der Intensivstation, bei den Hananis … ihr Kind wird heute Morgen operiert. Ich rufe ihn an und sage ihm, dass Sie unterwegs sind.“

„Bitte nicht, wir sollten ihn bei diesem Gespräch nicht stören“, hatte sie rasch gesagt. „Ich finde ihn schon.“

Was ziemlich optimistisch gewesen war, wie sie feststellen musste.

Sie war ein paar Treppen hinaufgerannt, bis ganz nach oben, wo die ausgebaute Kinder-Intensivstation direkt neben den brandneuen Operationssälen lag. Da sie noch keinen Zugangscode besaß, musste sie an die Tür klopfen.

„Ich bin Dr. Livingston, die neue Mitarbeiterin von Dr. Khalil.“ Hoffentlich klang sie nicht zu abgehetzt, aber sie nahm grundsätzlich lieber die Treppe statt des Fahrstuhls. Eine Möglichkeit mehr, ihr Gewicht unter Kontrolle zu halten.

„Willkommen!“ Mit einem herzlichen Lächeln öffnete eine Krankenschwester ihr die Tür. „Wir hatten keine Ahnung, dass wir eine Frau im Chirurgenteam haben würden. Ich bin Jenna Stanbury.“

Sie wenigstens schien sich zu freuen, Emily zu sehen. Als Jenna sie durch die Abteilung führte, sah jeder von seiner Arbeit auf und lächelte kurz in ihre Richtung.

„Tamsin – Stationsschwester Rush – hätte Sie sicher gern persönlich begrüßt, aber sie hat sich in ihrem Büro verschanzt und strikte Anweisungen gegeben, sie nicht zu stören. Höchstens vielleicht bei Feueralarm oder einer Sturmflut. Sie muss Berge von Unterlagen abarbeiten“, erklärte Jenna.

„Ja, ich habe bisher vergeblich versucht, Dr. Khalil zu finden.“ Emily verzog das Gesicht, als ihr Blick auf eine Uhr fiel. Sie hatte die Form einer Katze, deren Schwanz im Takt der Sekunden hin- und herpendelte. Und der Minutenzeiger war beunruhigend weit vorgerückt. Wahrscheinlich würde man sie wegen Unpünktlichkeit feuern, ehe sie überhaupt angefangen hatte.

„Nur keine Panik. Dr. Khalil spricht noch mit den Hananis, um ihnen die Operation an ihrem kleinen Sohn genau zu erklären. Ich habe gerade eine unserer Pflegeschülerinnen mit Kaffee zu ihnen geschickt. Sie haben also noch Zeit für einen kleinen Rundgang. Aber denken Sie an die Hygiene – da kennt er kein Pardon.“

„Sehr gut.“ Emily betätigte den Desinfektionsmittelspender. „Es ist schlimm genug, wenn Erwachsene sich im Krankenhaus eine Infektion holen, aber ein krankes Kind …“ Absolute Hygiene war auch für sie oberstes Gebot. Schön, dann hatte sie schon etwas mit ihrem neuen Boss gemeinsam.

Sie wanderte durch die Abteilung, um sich mit den Räumlichkeiten vertraut zu machen. Und sie gefielen ihr sehr. Hier wurden die Patienten nach der Operation an unzähligen Geräten überwacht und von besonders geschulten Intensivschwestern versorgt.

Und da war er.

Oh, natürlich hatte sie keine Ahnung, wen sie vor sich hatte. Aber er war der schönste Mann, den sie je gesehen hatte. Volles schwarzes Haar, glänzend wie Rabengefieder, exotische dunkle Augen mit dichten langen Wimpern. Das Allerschönste war jedoch sein Lächeln, als er sich über das Kind im Inkubator beugte.

Emily beobachtete, wie er mit seinen schlanken Fingern über das von weichen Locken bedeckte Köpfchen strich und wieder lächelte, während er leise mit dem kleinen Patienten sprach.

Sein Lächeln ging ihr zu Herzen. Es brachte seine wundervollen Augen zum Leuchten. Hier war ein Mann, der sein Kind liebte und sich nicht schämte, es zu zeigen. Tief in ihr erwachte eine Wehmut, weil der einzige Mensch auf der Welt, der ihr jemals solch eine bedingungslose Liebe geschenkt hatte, ihre Großmutter war.

Sie wusste nicht mehr, ob sie ein Geräusch gemacht oder er ihre Anwesenheit schließlich bemerkt hatte. Jedenfalls richteten sich diese unglaublich dunklen Augen plötzlich auf sie … ohne zu lächeln.

„Wer sind Sie? Kommen Sie nicht näher!“, befahl er zwar leise, um das Kind nicht zu erschrecken, aber doch mit gebieterischem Unterton. „Was tun Sie hier? Wollen Sie mich sprechen?“

„Wenn Sie Dr. Khalil sind, ja.“ Ihre Enttäuschung verlieh ihren Worten ungewollt einen scharfen Tonfall. Wo war der liebende Vater geblieben, an den sie gerade eben ihr Herz verloren hatte? Die Kälte in den Augen des Mannes brachte sie unwillkürlich zum Frösteln – trotz des herrlichen Sommertags.

„Und Sie sind …?“

Anscheinend ist er kein Freund vieler Worte, dachte sie, als er ihr mit einem kurzen Nicken bedeutete, näherzukommen. Er war groß, eine Aura unangefochtener Autorität umgab ihn.

Zum ersten Mal in ihrer ärztlichen Karriere war sie versucht zurückzuweichen. Aber das war nicht ihre Art … war es nie gewesen, seit ein wortkarger Sozialarbeiter sie bei ihrer Großmutter abgeladen hatte – nur wenige Stunden, nachdem man sie, wie durch ein Wunder unverletzt, aus dem zertrümmerten Wagen ihrer Eltern geborgen hatte. Nein, Emily war eine Kämpferin, und sie hatte sich bisher jeder Herausforderung gestellt.

Entschlossen straffte sie die Schultern und blickte ihrem Gegenüber in die fast schwarzen Augen. Der weiche, liebevolle Ausdruck war wie weggewischt, die dunklen Tiefen zeigten nicht die geringste Gefühlsregung.

Ihr Gehirn brauchte weitere Sekunden, um auch die anderen Eindrücke zu verarbeiten, die der hoch gewachsene Mann lieferte. Entsprechend den Infektionsschutzregeln endeten die Ärmel seines Hemds an den Ellbogen. Sie enthüllten kräftige, von dichten dunklen Härchen bedeckte Unterarme. Die hohen Wangenknochen verliehen ihm aristokratische Züge, er war frisch rasiert und strömte einen angenehmen Duft nach Seife und Mann aus. Das weiße Hemd hob sich attraktiv von seiner gebräunten Haut ab.

Da es am Kragen offen stand, erhaschte Emily einen Blick auf die Kuhle an seinem Hals und seidig aussehende schwarze Härchen. Unwillkürlich stellte sie sich vor, was sie entdecken würde, wenn sie die kleinen weißen Knöpfe einen nach dem anderen aufknöpfte.

„Nun?“, fragte er knapp.

Heiß stieg ihr das Blut ins Gesicht. Sie hatte ihn tatsächlich angestarrt und dabei vergessen, seine Frage zu beantworten. So etwas war ihr noch nie passiert! „Ich … Dr. Breyley hat wohl mit Ihnen über mich gesprochen, bevor er nach Neuseeland geflogen ist. Ich bin Emily Livingston, Ihre neue Mitarbeiterin.“

Und wie um ihm einen weiteren Beweis dafür zu liefern, dass ihr Verstand in seiner Gegenwart komplett aussetzte, vergaß sie sämtliche Hygienevorschriften und streckte ihm die Hand hin.

2. KAPITEL

Völlig perplex, dass dies sein neuer Kollege sein sollte, hätte Zayed die schmale Hand beinahe ergriffen.

Er besann sich gerade noch rechtzeitig und fragte sich mit wachsendem Ärger, warum niemand es für nötig gehalten hatte, diese Frau über Krankenhaushygiene aufzuklären.

„Ich hatte einen Mann erwartet!“, betonte er, während er nicht umhin konnte, ihren makellosen, nur schwach von der Sonne geküssten Teint zu bewundern. Pfirsiche und Sahne, dachte er und ließ den Blick zu ihrem schimmernden blonden Haar schweifen, das sie am Hinterkopf ordentlich zusammengesteckt hatte. Wahrscheinlich, um professionell zu wirken. Als Nächstes fielen ihm ihre sanften weiblichen Formen auf, die sich unter dem schlichten Kleid abzeichneten. Zum ersten Mal seit langer Zeit verspürte er einen Funken sexueller Erregung.

Nicht dass er damit etwas hätte anfangen können. Ausgeschlossen.

„Meine Sekretärin hatte Ihre Daten notiert“, fuhr er barscher fort als beabsichtigt.

„Ich weiß“, entgegnete sie ruhig. Ein Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel und lenkte Zayeds Aufmerksamkeit auf ihre vollen rosigen Lippen. „Sie hat das Y am Ende meines Namens weggelassen und es stattdessen an meine Chromosomen gehängt.“

Fast hätte er aufgelacht. Sie sah also nicht nur zauberhaft aus, sondern besaß auch einen spritzigen Humor. Doch er unterdrückte sein Interesse. Es würde zu nichts führen, nicht seit …

„Schön, wenn ‚xx‘ gewillt ist, genauso hart zu arbeiten wie ‚xy‘, werde ich mich nicht beschweren“, erwiderte er kurz angebunden.

„Wenn das so ist, womit soll ich anfangen?“

Wider Willen enttäuscht stellte er fest, dass jegliche Wärme aus ihrer Miene verschwunden war. Doch was hatte er erwartet nach dem kühlen Empfang, den er ihr bereitet hatte? Ehe er ihre Frage beantworten konnte, erregte ein fordernder Schrei seine Aufmerksamkeit.

„Kommen Sie, ich stelle Ihnen Abir vor“, sagte er und sah, wie ihre betörenden grünen Augen sich weiteten. Ihr Blick glitt zu seinem Mund und wieder zu seinen Augen. Was um Himmels willen ist mit dieser Frau los? dachte er verwundert und deutete auf das Plastikbettchen.

„Er wurde mit einem Notkaiserschnitt entbunden, nachdem seine Mutter eine Eklampsie entwickelt hatte. Hinterher schien es Mutter und Kind gut zu gehen, bis sie feststellte, dass der Kopf ihres Babys anders aussah als bei den Babys ihrer Freundinnen.“

Jetzt standen sie neben dem Bett, und Zayed unterbrach seinen Bericht, um den Jungen mit sanften Worten zu beruhigen.

„Ihr Arzt war sich nicht sicher, was mit dem Kind passiert war“, fuhr er schließlich fort. „Ein Kinderarzt stand nicht zur Verfügung, und da sie die Schwester … eines Freundes ist …“ Absichtlich ging er nicht näher auf die wahre Verbindung zwischen Abirs und seiner eigenen Familie ein. „… wurde ich gebeten, mir den Kleinen einmal anzusehen.“

Er strich ihm über den Kopf. In ein paar Minuten würde das seidenweiche dunkle Haar für die Operation abrasiert werden müssen. Gewaltsam verdrängte Zayed die Erinnerung an ein anderes Kinderköpfchen, das er gestreichelt hatte. Damals hatte er nicht gewusst, wie kurz das kostbare kleine Leben sein würde.

Abir hatte aufgehört zu weinen und sah ihn an, in den großen Augen eine besondere Ernsthaftigkeit, die Zayed oft bei seinen kleinen Patienten entdeckte.

„Wenn Sie sich vorher die Hände desinfizieren, können Sie Abir untersuchen“, bot er an und deutete auf das Kind, während er beiseitetrat.

„Das habe ich, bevor ich diesen Raum betrat“, sagte sie und verblüffte ihn damit, dass sie errötete. „Abgesehen davon, dass ich Ihnen die Hand schütteln wollte, habe ich seitdem nichts angefasst.“

„Also …“ Er wiederholte seine einladende Geste.

„Hallo, Abir. Was hast du für wunderschöne braune Augen“, schmeichelte sie zärtlich und beugte sich über den Jungen. Als sie die schlanke Hand ausstreckte und sanft über die pummelige Faust strich, packte der Kleine sofort ihren Zeigefinger.

Emily lächelte zufrieden. „Kluges Kerlchen.“ Mit der anderen Hand betastete sie den seltsam geformten Schädel. Dabei redete sie leise weiter mit dem Kind, das sich von dem weichen Singsang einlullen ließ.

„Ohne die Röntgenbilder gesehen zu haben, vermute ich eine Kraniostenose mit Verknöcherung einiger Schädelnähte noch im Mutterleib“, stellte sie schließlich ihre Diagnose mit einer Sicherheit, die Zayed stark beeindruckte. „Vielleicht erblich bedingt – sind Fälle von Crouzon oder Apert in der Familie bekannt?“

„Bei einem Onkel und einem Cousin“, bestätigte er. „Was wir allerdings erst erfuhren, als wir den Rest der Familie befragten. Da beide nicht überlebt haben, spricht man selten von ihren Schädelverformungen. Vor allem nicht in Gegenwart einer Schwangeren.“

„Aus Angst, das Baby könnte auch davon befallen werden?“, sagte sie und schenkte Abir ein Lächeln, das der Kleine mit einem süßen Babylächeln erwiderte. „Hier in Cornwall, in einigen abgelegenen Dörfern, können Sie diese Art Aberglauben auch noch finden.“ Jetzt blickte sie zu ihm auf und lächelte verschmitzt, als würde sie ihm gleich ein köstliches Geheimnis verraten. „Das geht so weit, dass rothaarige Besucher bei Schwangeren unerwünscht sind.“

„Wie sähe Ihre bevorzugte Therapie aus?“ Er würde sich hüten, sich von diesen funkelnden grünen Augen betören zu lassen.

„Die operative Entfernung des betroffenen Knochens natürlich“, antwortete sie so schnell, dass er sich fragte, ob es wirklich ihre eigene Entscheidung war. Oder hatten die Schwestern sie bereits ausführlich über die bevorstehende Operation unterrichtet?

„Und warum?“

„Weil das Gehirn durch die Verknöcherungen nicht mehr normal wachsen kann und irreparabel geschädigt wird. Wenn ich mich recht erinnere, ist eine lineare Kraniotomie mit Exzision der betroffenen Schädelnähte nur in den ersten drei Lebensmonaten Erfolg versprechend.“

Sie sah hinunter in die wachen braunen Augen des Kindes, und Zayed glaubte zu wissen, was sie dachte. Es wäre eine Tragödie, wenn dieses hoffnungsvolle Wesen eines Tages in geistiger Umnachtung dahinvegetieren würde. „Was wissen Sie über die potenziellen Gefahren eines solchen Eingriffs?“

„Während der Operation besteht die Möglichkeit eines hypovolämischen Schocks, insbesondere bei einem so jungen Patienten. Unter Umständen werden auch Risse in der Dura nicht erkannt, durch die dann zerebrospinale Flüssigkeit austreten kann, was wiederum Infektionen begünstigt. Auch ist die Gefahr eines epiduralen oder subduralen Hämatoms infolge chirurgischer Verletzungen nicht auszuschließen. Postoperativ“, fuhr sie zügig fort, als lese sie die Informationen von einem inneren Teleprompter ab, „kommt es zu Gesichtsschwellungen, vor allem um die Augen. Sie verschwinden erst nach ein paar Wochen, während die Veränderung der Schädelform fast sofort sichtbar wird.“

„Haben Sie solch eine Operation schon einmal gesehen?“ Zayed wollte sich nicht anmerken lassen, wie beeindruckt er war. Sie hatte nicht nur eine relativ seltene Erkrankung korrekt diagnostiziert, sondern detailliert alles wiedergegeben, was sie anscheinend darüber gelesen hatte.

„Nur in der Videothek meines Lehrkrankenhauses“, gestand sie. „Kinderchirurgie hat mich schon immer interessiert.“

„Wenn das so ist, bleibt uns gerade noch genug Zeit, Sie Abirs Eltern vorzustellen, bevor wir uns steril machen müssen.“ Plötzlich konnte er es kaum erwarten zu sehen, wie sich diese junge Ärztin im Operationssaal bewähren würde.

Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin ging die Tür zum angrenzenden Zimmer auf, und die Hananis kamen heraus.

Zayed ging auf sie zu. Beider Augen waren verräterisch gerötet, also hatten sie seine kurze Abwesenheit genutzt, ihren Tränen freien Lauf zu lassen.

„Dr. Livingston, dies sind Abirs Eltern, Mira und …“ Er unterbrach sich, als das neueste Mitglied seines Teams unerwartet vortrat und die Hände der jungen Mutter in seine nahm.

„Sie haben ein wunderschönes Baby“, sagte Emily einfach, als ahne sie, dass die Eltern des Kleinen nur über begrenzte Englischkenntnisse verfügten. „Ich werde alles tun, um es gesund zu machen.“

Athar Hanani runzelte die Stirn und warf Zayed einen fragenden Blick zu.

„Dr. Livingston wird mir bei Abirs Operation assistieren“, erklärte er. Als der junge Mann daraufhin in seine Muttersprache wechselte und missbilligend fragte, warum es denn eine Frau sein müsse, war Zayed froh, dass Emily kein Wort verstand. Das chauvinistische Verhalten seines Landsmanns hätte sie sicher verletzt.

Bevor er jedoch die richtigen Worte fand, um die Situation zu entschärfen, nahm Mira ihm die Arbeit ab. Sie wandte sich an ihren Mann und überhäufte ihn mit Vorwürfen. Hätte er denn nicht bemerkt, dass die junge Ärztin sich aufrichtig um Abir sorgte?

„Ich lege meinen Sohn Abir Hanani in Ihre Hände“, sagte sie dann in stockendem Englisch zu Emily.

Diese hatte die in scharfem Ton geführte Unterhaltung mit besorgter Miene verfolgt. Nun erhellten sich ihre feinen Gesichtszüge. „Ihr Vertrauen ehrt mich sehr“, antwortete sie.

Auf Zayed wirkte ihr strahlendes Lächeln, als sei die Sonne an diesem Tag zum zweiten Mal aufgegangen.

Eine Stunde später, während der OP, war Emily sich sicher, dass Zayed Khalil Schmerzen hatte.

Schon vorhin hatte sie mit geübtem Blick eine leichte Unregelmäßigkeit in seinem stolzen, aufrechten Gang festgestellt. Zu dem Zeitpunkt war sie jedoch viel zu aufgeregt gewesen, weil sie bei der Operation assistieren durfte, um sich darüber Gedanken zu machen.

Doch jetzt fiel ihr auf, dass er das Gewicht ständig von einem Bein auf das andere verlagerte. Keine Frage, der gut aussehende Chirurg war fit und glänzend in Form. Bestimmt trainierte er regelmäßig. Hatte er beim letzten Mal vielleicht den Bogen überspannt? Oder war das schwache Hinken die Folge eines Unfalls in seiner Jugend? Es könnte eine Erklärung dafür sein, dass er sich für die Orthopädie entschieden hatte.

Plötzlich wurde ihr klar, dass sie vor gar nicht langer Zeit ähnliche Gedanken gehegt hatte. Dies war nun schon der zweite Mann mit auffälligem Gang, dem sie seit ihrer Rückkehr nach Penhally Bay begegnet war. Nun „begegnet“ mochte nicht der richtige Ausdruck sein. Schließlich hatte sie ihn nur heimlich von ihrem Versteck in den Felsen aus beobachtet. Zayed Khalil hingegen …

Nein, sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Chefarzt Tag für Tag bei Sonnenuntergang ein hartes Trainingsprogramm am Strand absolvierte. Wahrscheinlich bevorzugte er ein Hightech-Fitnessstudio. Außerdem wohnte er sicher in der Nähe des Krankenhauses. Der andere Mann musste jedoch in Penhally Bay sein Zuhause haben, sonst könnte er nicht jeden Tag um die gleiche Zeit unten am Meer sein.

Und wenn ein aberwitziger Zufall es wollte, dass es doch ein und derselbe …

Unmöglich, absolut unmöglich, sagte sie sich verstimmt, als der Chirurg wieder einmal das Gewicht verlagerte.

Vielleicht war ihr stummer Dialog mit sich selbst daran schuld. Jedenfalls platzte sie spontan heraus: „Wenn Ihnen der Rücken wehtut, sollten Sie vielleicht für eine Weile diese Clogs ausziehen.“

Augenblicklich herrschte Totenstille im OP. Emily spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg, und sie gab sich keinerlei Illusionen hin, dass der Mundschutz die Röte verbergen würde.

„Verzeihung?“ Seine Augen waren fast so schwarz wie seine Brauen, die er fragend in die Höhe zog, bis sie fast die Kappe auf dem kurz geschnittenen Haar berührten.

Wer A sagt, muss auch B sagen war ein Lieblingsspruch ihrer Großmutter. Emily hob das Kinn und wiederholte ihren Vorschlag. „Ich sagte, wenn Sie Rückenschmerzen haben, könnten Sie eine Weile barfuß gehen … und OP-Hauben über die Füße ziehen, falls Sie Unsterilität befürchten.“

Diesmal dehnte sich die Stille eine halbe Ewigkeit, unterbrochen nur von rhythmischen Pieptönen und dem Zischen der Geräte.

Als sie schon befürchtete, man würde sie aus dem OP werfen, weil sie ihn in seiner Konzentration gestört hatte, nickte er kurz.

„Es wäre einen Versuch wert“, meinte er, und sofort kniete eine Schwester neben ihm und streifte ihm mit einem nervösen Kichern leuchtend blaue Plastikhauben über seine eleganten langen Füße. Dann trug sie seine OP-Clogs weg.

Die Operation wurde fortgesetzt, als hätte es nie eine Unterbrechung gegeben. Vorsichtig trennte Zayed das andere Stück des deformierten Knochens heraus, um die frühzeitig zusammengewachsenen Schädelnähte komplett zu entfernen.

Emily beobachtete den Vorgang fasziniert. Dies hier war etwas anderes, als eine solche Operation auf einem Video zu verfolgen.

Das Schlimmste war überstanden, und die Prozedur würde hoffentlich niemals wiederholt werden müssen. Jetzt musste nur noch gespült, nach möglichen Lecks gesucht und genäht werden. Gespannt wartete Emily darauf, zu erfahren, ob seine Nahttechnik genauso exakt wie jeder andere Handgriff war, den er ausgeführt hatte.

Da trat er vom OP-Tisch zurück.

„Die Clogs auszuziehen hat eine Weile geholfen“, verkündete er mit leicht rauer Stimme, während er sich die Handschuhe auszog. „Aber jetzt möchte ich zusehen, wie Sie den Eingriff beenden.“

Wie elektrisiert war auf einmal die Atmosphäre im OP, und Emily begriff, dass etwas Besonderes passiert war. Doch sie wollte sich nicht ablenken lassen. Abir brauchte ihre volle Aufmerksamkeit.

„Vielleicht möchten Sie Ihr bestes Stück so lange auf einem Hocker abstützen“, sagte sie, als sie seinen Platz einnahm und die Hand nach der angewärmten Kochsalzlösung ausstreckte. Hoffentlich hatte sie sachlich genug geklungen, um seinen Stolz nicht zu verletzen. „Ich brauche mit Sicherheit länger als Sie, um die Wunde zu schließen.“

Fast hätte sie leise aufgelacht, als sie Zayed verblüfft „… mein bestes Stück“ murmeln hörte. Aber sie hatte nicht übertrieben. Die blassgrüne OP-Kleidung, die er trug, mochte zu den formlosesten Kleidungsstücken überhaupt zählen, aber mit jeder Wäsche wurde sie dünner. Und er brauchte sich nur über seinen Patienten zu beugen, und schon zeichneten sich unter dem Stoff deutlich seine straffen Pobacken und muskulösen Schenkel ab.

Emily konzentrierte sich voll auf ihre Aufgabe. Sorgfältig spülte sie beide Operationsfelder, um sicherzustellen, dass keine Knochenstückchen im Schädel blieben. Anschließend überprüfte sie mit Argusaugen die Dura nach Rissen. Sie fand keine. Also konnte sie schließen.

„Klammern oder Nähte?“ Selbst die wenigen Worte waren von einem unwiderstehlich exotischen Akzent gefärbt.

„An sichtbaren Stellen bevorzuge ich Nähte. Auch am Kopf, der von Haaren bedeckt sein wird“, erklärte sie und wartete kurz, bevor sie anfing, für den Fall, dass er anderer Meinung war.

Obwohl sie sich bewusst war, dass seine dunklen Augen jede ihrer Bewegungen genau verfolgten, fühlte sie sich eher sicher als nervös. Emily war begeistert, dass man sie an ihrem ersten Tag im neuen Team mit einer solchen Aufgabe betraute. Dr. Breyley hatte sie höchstens Routinearbeiten erledigen lassen. Und auch dabei stand er dicht neben ihr, bereit, ihr die Arbeit aus der Hand zu nehmen, sobald sie nicht zu seiner Zufriedenheit ausfiel.

„Er wird Ihnen dankbar sein, falls er eines Tages eine Glatze bekommt“, meinte ihr neuer Mentor trocken.

Emily konzentrierte sich darauf, die Wundräder mit feinen, präzisen Stichen zusammenzufügen.

„Möchten Sie den Transfer zur Intensivstation beaufsichtigen?“, fragte Zayed, als sie die Nähte mit Wundverband abdeckte. Der Anästhesist traf bereits Vorbereitungen, die Narkose aufzuheben.

„Wollen Sie mit den Eltern sprechen?“ Ein rascher Seitenblick in seine Richtung verriet ihr, dass es ihm nicht geholfen hatte, den Rest der Operation im Sitzen zu verfolgen. Seine Augen verrieten, dass er unter Schmerzen litt. Was um Himmels willen hatte der Mann angestellt?

„Damit sie nicht länger warten müssen, werde ich ihnen mitteilen, dass die Operation gut verlaufen ist.“ Er war schon auf dem Weg zur Tür und fügte über die Schulter gewandt hinzu: „Und ihnen sagen, dass sie ihn auf der Intensivstation besuchen können in … zwanzig Minuten?“

„Lieber in einer halben Stunde?“ Emily blickte die Krankenschwester an, die Abir auf dem kurzen Weg vom OP zur Intensivstation begleiten würde.

Diese nickte zustimmend. „Dann haben wir genug Zeit, Verbände anzulegen und ihm das Gesicht zu säubern. Allerdings können wir gegen die Schwellungen um seine Augen nicht viel tun. Der Ärmste kann sie wahrscheinlich nicht einmal öffnen, wenn er aufwacht.“

„Zum Glück werden sie mit der Zeit zurückgehen.“ Emily musterte Abir mitfühlend. „Aber er sieht wirklich so aus, als hätte er sich mit einem Preisboxer angelegt und verloren.“

Eine knappe Stunde später war Abir mit Beruhigungs- und Schmerzmitteln versorgt, und Emily hatte auch den leidigen Papierkram erledigt, der nach der Operation auf sie wartete. Noch während sie überlegte, ob sie Zeit für einen Kaffee und einen Happen für ihren knurrenden Magen hätte, meldete sich ihr Pager.

„Vergiss es“, murmelte sie und eilte in die Ambulanz.

„Dr. Khalil wurde in die Notaufnahme gerufen. Ihm liegt viel daran, dass seine Sprechstunde pünktlich beginnt“, empfing der Vorzimmerdrachen ihres Chefs sie unwirsch. „Einige seiner Patienten haben eine lange Reise auf sich genommen, um ihn zu konsultieren.“

Und sie werden nicht besonders glücklich sein, jemand Unbedeutenden wie Sie zu sehen, wenn sie das Sprechzimmer betreten. Die Sekretärin sprach die Worte zwar nicht aus, aber sie hingen wie ein schlechter Geruch im Raum.

Emily machte sich nichts daraus. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ins kalte Wasser zu springen und zu hoffen, dass sie nicht unterging, bevor Zayed Khalil wieder da war.

Trotzdem blieb ihr fast das Herz stehen, als sie ins Wartezimmer blickte. Die meisten Anwesenden sprachen mit Sicherheit nicht viel mehr Englisch als die Hananis.

„Bevor Sie mir in Ohnmacht fallen …“, ertönte eine beruhigende Stimme mit kornischem Zungenschlag hinter ihr. „… ich habe schon einen Dolmetscher angefordert.“

„Können Sie Gedanken lesen?“ Emily drehte sich um und blickte in zwei lächelnde braune Augen. Sie gehörten zu einer mütterlich rundlichen Gestalt, deren Schwesterntracht durchaus eine Nummer größer hätte sein können.

„Ihre Gedanken nicht, Mädchen, aber Ihre Miene hat mir verraten, dass Sie am liebsten das Weite gesucht hätten.“ Sie lachte gutmütig. „Was ist, wollen wir anfangen? Ich heiße übrigens Karen Sandercock.“

„Freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Wie Sie wahrscheinlich schon vermutet haben – ich bin Emily Livingston, der jüngste Neuzugang in Dr. Khalils Team.“ Sie schluckte. „Auch auf die Gefahr hin, dass ich hier alles verzögere, aber könnten Sie mir jeweils zwei Minuten geben, die Akte zu lesen, ehe Sie den Patienten reinschicken?“

„Ich habe eine bessere Idee. Ich stelle Ihnen die Patienten vor und sage Ihnen, was ich über sie weiß. Das würde es Ihnen ersparen, erst die Notizen zu entziffern.“ Karen zwinkerte ihr zu. „Er mag ein großartiger Chirurg und der schönste Mann in diesem Krankenhaus sein, aber er hat eine völlig unleserliche Handschrift. Außerdem gehöre ich zu dieser Abteilung, seit Dr. Khalil sie aufgebaut hat, und kenne jeden seiner Patienten genau.“

„Wie meinen Sie das – er hat sie aufgebaut?“ Emily folgte ihr ins Sprechzimmer, gehorchte jedoch augenblicklich, als die Schwester auf den Desinfektionsmittelspender deutete.

„Soll das heißen, Sie haben sich in dieses Tollhaus gewagt, ohne zu wissen, worauf Sie sich einlassen? Tapfer, tapfer, Mädchen.“ Wieder lachte Karen herzhaft und lehnte ihre ausladende Hüfte gegen den Schreibtisch, der sich unter Patientenakten buchstäblich bog. „Also, hier ist die Kurzversion. Die neue pädiatrische Orthopädie haben wir Dr. Khalil zu verdanken. Im Gegenzug darf er jederzeit Kinder aus seiner Heimat hier behandeln. Selbstverständlich nimmt er auch kleine Patienten aus der Gegend um Penhally Bay an. Aber sein Hauptinteresse gilt den Kindern aus seinem Land, die keine Chance hätten, wenn er sie nicht hierher holte.“

Emily war sprachlos. Sie suchte noch nach Worten, da klopfte es kurz an die Tür.

„Warum haben Sie noch nicht angefangen?“, ertönte eine Frauenstimme mit hartem Akzent.

Ohne sich umzudrehen, wusste Emily, wer hinter ihr stand. Und Karens säuerlicher Miene nach zu urteilen war Zayed Khalils Sekretärin auch bei ihr nicht sonderlich beliebt.

Lass dich nicht ins Bockshorn jagen, hörte sie ihre Großmutter sagen. Wie oft hatte sie ihr mit diesem Spruch schon Mut gemacht!

Emily fuhr herum. „Hinaus!“, befahl sie und deutete mit ausgestreckter Hand zur Tür. „Kommen Sie nie wieder ungebeten in mein Zimmer. Ist das klar?“

„Es ist nicht Ihr Zimmer“, fauchte die andere. „Es gehört Zayed. Er ist der Chefarzt.“

„Ein Grund mehr, dass eine Sekretärin ihn nicht ohne Aufforderung betreten sollte“, betonte sie. „Was sich in diesem Raum abspielt, ist streng vertraulich. Sie werden nicht mehr einfach hier hereinmarschieren, oder ich muss Ihr unprofessionelles Verhalten Dr. Khalil melden. Falls Sie mir also keine wichtigen Patientenunterlagen bringen müssen, lässt sich alles Weitere telefonisch klären. Gehen Sie bitte. Jetzt.“

„Bravo, Mädchen“, flüsterte Karen, als die elegante Gestalt hinausrauschte und die Tür geräuschvoll hinter sich schloss. „Das war längst fällig. Aber ich fürchte, Sie haben sich eine Feindin fürs Leben gemacht. Vor allem da die Modepuppe darauf aus ist, sich unseren umwerfenden Chefarzt zu angeln.“

Emily fand die Vorstellung schrecklich, musste aber zugeben, dass die beiden ein hinreißendes Paar abgeben würden – beide groß und dunkelhaarig, mit der gleichen goldbraunen Haut …

Du meine Güte! Was ging sie sein Privatleben an? Draußen wartete ein Haufen Patienten auf sie.

„So, die sind wir erst einmal los. Wir können also anfangen.“ Karen griff zur obersten Akte. „Unsere erste Patientin ist Amira Khan. Heute ist ihre letzte Untersuchung, bevor sie wieder nach Hause fliegt. Die Operation war einfach und ohne Komplikationen – nach einer unbehandelten Fraktur waren die Knochen so zusammengewachsen, dass das Mädchen den Arm nicht richtig bewegen konnte.“

Emily hängte die Röntgenbilder an den Lichtkasten und zuckte unwillkürlich zusammen, als sie die erste Aufnahme sah. Die zweite war kurz nach der Operation gemacht worden und die dritte heute Morgen. Der Heilungsprozess war deutlich sichtbar.

Karen hatte die Mappe geöffnet, und Emilys erster Blick fiel auf die Fotos eines ernst dreinblickenden kleinen Mädchens, das sich mit hoffnungsloser Miene den Arm hielt. Sie verstand, warum ihr neuer Chef entschlossen gewesen war, ihm zu helfen.

„Können Sie Amira hereinbitten?“ Rasch überflog sie die Notizen, aber sie fand nichts, das auf Probleme hindeutete.

Das Mädchen, das bald darauf ins Zimmer hüpfte, hatte nichts mit dem traurigen Wesen auf den Fotos gemein. Eine junge, hochschwangere Frau folgte ihm.

„Das ist Mrs. Khan“, stellte Karen vor. „Und dies ist Dr. Livingston, Dr. Khalils Mitarbeiterin. Amira, zeig ihr doch mal, wie stark und beweglich dein Arm ist.“

Nahezu unbemerkt hatte der Dolmetscher nach Mrs. Khan das Zimmer betreten und übersetzte Karens Worte. Fremdartige Laute und Töne erfüllten den Raum wie gesprochene Musik.

Ohne zu zögern, schob die Kleine den Ärmel hoch. Die Narbe, die dabei sichtbar wurde, war so fein genäht, dass sie mit der Zeit fast vollständig verblassen würde.

Emily brauchte nicht lange, um Amiras Vertrauen zu gewinnen, und testete die Funktionsfähigkeit des Arms gründlich. Sie war sehr zufrieden.

„Gut, ja?“, fragte die Mutter besorgt.

„Ja, ausgezeichnet“, versicherte sie ihr mit einem breiten Lächeln. „Ich wünschte nur, ich könnte für die Akte noch ein Foto von ihr machen.“

„Aber klar!“ Karen eilte zu einem Regal. „Tut mir leid, ich hatte völlig vergessen, Ihnen die Kamera zu geben.“

„Oh!“, rief das Mädchen, als sie sah, was die Krankenschwester in der Hand hielt. Ohne dass jemand es dazu aufgefordert hätte, schob es den Ärmel wieder hoch und präsentierte strahlend lächelnd seinen Arm.

„Vielen, vielen Dank“, sagte ihre Mutter, und ihre schwarzen Augen schimmerten verdächtig. „Allen. Vielen Dank für Amiras Arm.“

„Gehen Sie lieber, bevor wir alle in Tränen ausbrechen“, meinte Karen und erntete ein Lachen, nachdem der Dolmetscher übersetzt hatte.

„Gut, dass ich nach dem Duschen keine Zeit hatte, Wimperntusche aufzutragen“, sagte Emily, als sie wieder mit Karen allein war. „Wenn das so weitergeht, hätte ich heute Abend Augen wie ein Waschbär.“

„Deshalb benutze ich grundsätzliche wasserfeste Mascara, Mädchen“, gestand Karen. „Hier geht jedes Schicksal zu Herzen. Sie müssen erst mal sehen, wie die meisten Eltern hier ankommen … hoffnungsvoll und gleichzeitig voller Furcht, dass niemand ihrem Kind helfen kann.“

Als Karen den nächsten Patienten aufrief, wurde Emily klar, wie sehr sie sich wünschte, dass Zayed Khalil sie in seinem Team behielt. Beabea war nicht mehr der einzige Grund.

In einem knappen halben Tag hatte sie bei einer Operation assistieren dürfen, die die Lebenserwartung eines Säuglings entscheidend verbesserte, und gesehen, wie ein trauriges kleines Mädchen wieder glücklich geworden war. Weder das eine noch das andere wäre ohne diese Abteilung möglich – und nicht ohne den Mann, der sie entschlossen und tatkräftig aus dem Boden gestampft hatte.

3. KAPITEL

Als Emily abends nach Penhally Bay zurückfuhr, hatte sie den Kopf voller neuer Eindrücke – und beunruhigender Gedanken.

Hatte sie doch tatsächlich nicht widerstehen können, ihrem Chef in den Ausschnitt zu lugen, während er sich am OP-Tisch über Abir beugte. Sie wurde jetzt noch rot, wenn sie daran dachte. Aber das dunkle V hatte ihren Blick unwiderstehlich angezogen, und sie hatte sich gefragt, wie seine breite behaarte Brust wohl aussehen mochte.

Nicht dass sie jemals die Gelegenheit bekäme, den Mann nackt zu erleben!

Dennoch geriet sie ins Träumen. Sie stellte sich vor, wie sie mit beiden Händen über seinen flachen Bauch strich und die Finger in dichte, seidige dunkle Härchen schob, bis sie die flachen kupferbraunen Brustwarzen berührte und …

„Es reicht!“, schimpfte sie und drehte das Autoradio lauter. Das fehlte gerade noch, dass sie erhitzt und von erotischen Fantasien erfüllt bei ihrer Großmutter ankam. Beabea mochte nicht mehr lange zu leben haben, aber ihr Geist war wach, und sie merkte es immer, wenn Emily etwas beschäftigte.

„Wie war dein Tag?“, war dann auch ihre erste Frage, kaum dass Emily sich zu ihr ans Bett gesetzt hatte. „Gefällt dir die Arbeit?“

Emily lächelte matt. Angesichts der Tatsache, dass sie in Gegenwart ihres neuen Chefarztes mit verwirrenden Gefühlen zu kämpfen hatte, wäre ihr ein anderes Thema lieber gewesen. Aber was sollte sie machen?

„Als ich heute Morgen die Station betrat, war Dr. Breyley bereits auf dem Weg nach Neuseeland“, berichtete sie.

Beabea, die nahezu alles wusste, was sich im Umkreis von fünfzig Meilen rund um Penhally Bay abspielte, saugte die rührende Geschichte förmlich auf. Wahrscheinlich war es der einschläfernden Wirkung ihrer Schmerzmittel zuzuschreiben, dass sie erst nach einer Weile begriff, welche katastrophalen Auswirkungen die Abreise des Chefarztes auf den Job ihrer Enkelin haben könnte.

„Und deine Stelle?“, rief sie alarmiert aus. „Musst du dir jetzt eine andere suchen? Oh Emily, du bist doch gerade erst zurückgekommen! Und ich war so froh, dass ich dich jeden Tag sehen kann …“

„Beruhige dich, Beabea, es ist alles in Ordnung.“ Sanft drückte sie die knochige Hand. „Dr. Breyley hat dafür gesorgt, dass ich woanders arbeiten kann, bis er wieder da ist.“

„Was für eine Arbeit ist das? Deinen Job gibt es doch nicht zwei Mal, oder?“

„Nein, aber die neue Stelle ist perfekt – in der Kinderorthopädie. Ich war sogar schon im OP, und der Chefarzt hat mich assistieren lassen.“

„An deinem ersten Tag bei ihm?“

Kein Wunder, dass Beabea erstaunt war. Schließlich hatte sie geduldig zugehört, als Emily sich anfangs oft beklagt hatte, dass Dr. Breyley sie nur mit Schreibtischarbeit und Hilfsdiensten betraute.

„Genau“, antwortete sie nicht ohne Stolz. „Wir haben einen kleinen Jungen operiert. Seine Schädelknochen waren zu früh zusammengewachsen, und wir mussten …“

„Erspar mir die blutrünstigen Details.“ Beabea verzog das Gesicht. „Du sagtest, der Mann habe dich assistieren lassen. Heißt das, du durftest die Werkzeuge oder Instrumente oder was auch immer ihr dazu sagt weiterreichen, oder …?“

„Nein. Dafür ist die Instrumentierschwester zuständig. Ich durfte das Operationsfeld spülen …“

„Spülen?“, unterbrach Beabea sie neckend. „Das hört sich an wie etwas, das ich in der Küche tue.“

Emily ging das Herz auf, als sie ihre Großmutter unbekümmert scherzen hörte. „Und dann habe ich die Wunde zugenäht“, fuhr sie lächelnd fort, „und ihm einen Verband angelegt, bevor er auf die Intensivstation gebracht wurde.“

„Und wie fand der Chefarzt deine Arbeit?“, wollte Beabea wissen.

Ihr stieg das Blut in die Wangen, und sie überlegte, wie sie am besten antwortete, ohne ihre geheimsten Gedanken zu enthüllen.

Da klopfte es an der Tür. Glück gehabt!

„Störe ich?“, ertönte eine Männerstimme, die Tür ging einen Spalt auf, und ein markanter Kopf mit dunklen, an den Schläfen ergrauenden Haaren erschien.

„Dr. Roberts!“

Amüsiert stellte Emily fest, dass Beabea leicht verlegen wirkte. Nun, für einen Mann in seinem Alter sah er ausgesprochen gut aus. Frauen der Generation ihrer Großmutter waren sicher peinlich berührt, wenn ein attraktiver jüngerer Mann sie im Bett sah.

„Ich habe gerade einige Patienten besucht und dachte, ich sehe mal nach einer meiner Lieblingsladys. Es sei denn, ich störe. Ich kann gern ein andermal wiederkommen.“

„Überhaupt nicht!“ Beabeas porzellanweiße Wangen waren von einem rosigen Hauch überzogen. „Emily, holst du bitte einen Stuhl für Dr. Roberts? Dies ist meine Enkeltochter, Emily Livingston – Dr. Emily Livingston“, fügte sie stolz hinzu. „Sie arbeitet im St. Piran.“

„Tatsächlich?“ Er zwinkerte ihr zu. „Sie ist viel zu jung und viel zu hübsch, um sich in einem Krankenhaus abzurackern. Hätten Sie nicht Lust, Ihren Facharzt in Allgemeinmedizin zu machen und nach Penhally Bay zurückzukommen?“

„Mein Herz gehört der Pädiatrie, besonders der Kinderorthopädie und – chirurgie“, entgegnete sie höflich. „Und ich arbeite ausgesprochen gern bei Dr. Khalil in der neuen Abteilung, die er aufgebaut hat, um Kinder aus seiner Heimat zu operieren.“

Oh, oh! dachte sie, als ihre Großmutter sie plötzlich interessiert musterte. Sie hatte definitiv zu viel gesagt. Jetzt musste sie sich schnell etwas ausdenken, ehe Beabea sie vor dem Arzt ausfragte.

Emily stand auf und bot ihm ihren Stuhl an. „Wenn Sie mich kurz entschuldigen … ich hole uns noch mehr Tee, während Sie sich mit meiner Großmutter unterhalten.“

„Meinetwegen müssen Sie nicht gehen“, begann er, aber sie war schon an der Tür und eilte gleich darauf den Flur hinunter.

Sie hatte noch einen Grund, warum sie bei dem Gespräch ungern dabei sein wollte. Nick Roberts besuchte ihre Großmutter regelmäßig, um sich davon zu überzeugen, dass für sie das Beste getan wurde. Aber im selben Zimmer zu sein und zuzuhören, wie sie über Beabeas zunehmende Schmerzen redeten, das war mehr, als Emily ertragen konnte.

Wenn es um ihre Großmutter ging, fehlte ihr die professionelle Distanz völlig. Sie war das Einzige, was sie noch an Familie besaß, und sie wollte gar nicht wissen, wie viel Zeit ihnen noch verblieb.

„Ich habe gar k...

Autor

Josie Metcalfe
Als älteste Tochter einer großen Familie war Josie nie einsam, doch da ihr Vater bei der Armee war und häufig versetzt wurde, hatte sie selten Gelegenheiten, Freundschaften zu schließen. So wurden Bücher ihre Freunde und Fluchtmöglichkeit vor ihren lebhaften Geschwistern zugleich. Nach dem Schulabschluss wurde sie zur Lehrerin ausgebildet, mit...
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Maggie Kingsley
Maggie Kingsley ist in Edinburgh, Schottland geboren. Als mittlere von 3 Mädchen wuchs sie mit einem schottischen Vater und einer englischen Mutter auf. Als sie 11 Jahre alt war, hatte sie bereits 5 unterschiedliche Grundschulen besucht. Nicht weil sie von ihnen verwiesen wurde, sondern der Job ihres Vaters sie durch...
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Caroline Anderson
<p>Caroline Anderson ist eine bekannte britische Autorin, die über 80 Romane bei Mills &amp; Boon veröffentlicht hat. Ihre Vorliebe dabei sind Arztromane. Ihr Geburtsdatum ist unbekannt und sie lebte die meiste Zeit ihres Lebens in Suffolk, England.</p>
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