Die Copelands - eine Familie in den Schlagzeilen - 3-teilige Serie

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Einst waren die Copelands eine angesehene Familie. Doch wegen offener Rivalitäten und Intrigen beherrschen sie seit Langem die Schlagzeilen der Boulevardpresse. Die Nachkommen der skandalumwitterten Copeland Familie kämpfen jetzt darum, ihren eigenen Weg zu gehen. Wird es ihnen gelingen, die Schatten der Vergangenheit hinter sich zu lassen?

EIN MEER VON SINNLICHKEIT
Einen millionenschweren Diamantring, eine prunkvolle Hochzeit und unendlich sinnlichen Sex: Der griechische Reeder Drakon Xanthis gibt Morgan alles - nur seine Liebe nicht! Zutiefst verzweifelt verlässt sie ihn. Doch jetzt ist ausgerechnet Drakon der Einzige, der ihr helfen kann, das Leben ihres Vaters zu retten. Ein letztes Mal muss sie dafür zurückkehren zu ihm, in seine Luxusvilla am Meer. Dorthin, wo sie ihre Flitterwochen verbrachte … Ein gewagtes Vorhaben! Denn gegen jede Vernunft ist Morgan noch immer verrückt nach Drakon. Nach seinen Küssen, nach seinem Körper.

DER STOLZE WÜSTENPRINZ UND DAS MODEL
Obwohl die Sonne heiß vom Wüstenhimmel brennt, überfällt Model Jemma Copeland ein eisiger Schauer! Meint dieser arrogante Scheich es wirklich ernst? Er will sie ins Gefängnis sperren? Sicher, es war nicht gerade sittsam, halbnackt vor der Kamera zu posieren, aber sie hat sich doch entschuldigt! Trotzdem will der faszinierend attraktive Karim sie nicht gehen lassen und entscheidet: Entweder sie wird seine Gefangene … oder seine Frau! Für Jemma eine absurde Option! Aber warum fühlt sich der überraschende Kuss des gefährlich-sinnlichen Scheichs plötzlich so richtig an?

EINE GEFÄHRLICH HEIßE AFFÄRE
Ein Schauer überläuft die schöne Logan, als sie unvermittelt Rowan Argyros gegenübersteht. Vor drei Jahren hatte sie mit ihm eine heiße Affäre, die er demütigend beendete, als er erfuhr, dass sie zu der skandalumwitterten Familie Copeland gehört. Aber offenbar hat der sexy Security-Experte immer ein Auge auf sie gehabt. Jetzt will er sie retten, denn ihr Leben ist in Gefahr! Doch wenn Logan nach Irland fliegt, um unterzutauchen, dann nicht mit Rowan allein. Sondern mit ihrer gemeinsamen Tochter - von der ihr Ex-Lover noch nichts weiß …


  • Erscheinungstag 07.06.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733736125
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Jane Porter

Die Copelands - eine Familie in den Schlagzeilen - 3-teilige Serie

Jane Porter

Ein Meer von Sinnlichkeiten

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: 040/60 09 09-361
Fax: 040/60 09 09-469
E-Mail: info@cora.de

© 2013 by Jane Porter
Originaltitel: „The Fallen Greek Bride“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 2118 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Julia Hummelt

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733700423

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

„Willkommen zu Hause, meine verehrte Ehefrau.“

Morgan erstarrte, als sie seine Stimme hörte. Sie stand im Türrahmen des eleganten Wohnzimmers der Villa Angelica. Der kühle Marmorboden glänzte im Licht der hereinscheinenden Sonne. Die Aussicht auf Meer und Himmel war spektakulär. Doch das alles nahm sie gar nicht wahr.

Fünf Jahre waren vergangen, seit sie Drakon zuletzt gesehen hatte. Vor fünfeinhalb Jahren hatten sie geheiratet. Es war eine typisch pompöse Milliardärshochzeit gewesen. Mit allem, was dazugehörte. Ihre Ehe hatte gerade einmal sechs Monate gehalten.

Sie hatte sich vor diesem Moment gefürchtet. Mehr, als sie sich eingestehen wollte. Dabei klang Drakon unerwartet entspannt, fast herzlich. So, als wäre sie nur eine Weile allein im Urlaub gewesen. Dabei war es tatsächlich so gewesen, dass sie ihn vor fünf Jahren verlassen hatte.

„Du weißt genau, dass ich nicht mehr deine Ehefrau bin, Drakon“, antwortete sie leise. Sie waren Fremde füreinander. Seit Jahren. Es gab keinerlei Kontakt zwischen ihnen, seitdem sie die Scheidung eingereicht hatte.

Doch er hatte die Einwilligung verweigert. Und sie hatte ein kleines Vermögen für den Rechtsstreit mit ihm ausgegeben. Doch kein Anwalt, kein Prozess und kein Geld der Welt hatten ihn dazu bringen können, sie gehen zu lassen. Ein Heiratsschwur ist heilig. Das waren seine Worte gewesen. Wenn man sich einmal dafür entschieden habe, mit jemandem den Rest seines Lebens zu verbringen, dann könne man es sich nicht einfach aus einer Laune heraus anders überlegen. Sie gehörte ihm. Und die Gerichte in Griechenland waren auf seiner Seite. Möglicherweise hatte er sie sogar mit Geld bestochen. Zutrauen würde sie es ihm.

„Natürlich bist du noch meine Ehefrau. Aber ich hab keine Lust, quer durch das Wohnzimmer mit dir darüber zu diskutieren. Komm rein, Morgan, und setz dich. Was möchtest du trinken? Champagner? Bellini? Oder etwas Stärkeres?“

Ihre Knie waren so weich, dass sie Angst hatte, das Gleichgewicht zu verlieren, sobald sie einen Schritt machte. Außerdem irritierte sie Drakons Aussehen. Sie hatte ihn auf den ersten Blick fast nicht erkannt.

„Ich möchte nichts, danke“, gab sie zurück und sah an ihm vorbei hinaus auf die rauen Klippen und das leuchtend blaue Meer. Es war ein wunderschöner Tag. Ein perfekter Frühlingstag an der Amalfiküste.

Eigentlich hätte sie gern etwas Wasser getrunken. Ihr Mund war furchtbar trocken, und ihr Herz raste. Alles um sie herum schien sich zu drehen. Dieser Mann hier vor ihr machte sie total nervös. Er erschien ihr wie ein Fremder. Und doch war er ihr so vertraut.

Der Drakon Xanthis, den sie geheiratet hatte, hatte raspelkurzes dunkles Haar gehabt und eine schlanke, fast geschmeidig wirkende Erscheinung.

Der Mann dort vor ihr am Fenster hingegen hatte auffällig breite Schultern, einen muskulösen Oberkörper und dickes tiefschwarzes Haar, das ihm in wilden Locken fast bis auf die Schultern fiel. Seine kantigen Gesichtszüge waren hinter dem buschigen Vollbart kaum noch zu erkennen.

Dennoch schien sein neues Aussehen seine Schönheit noch hervorzuheben. Seine gebräunte Haut ließ seine bernsteinfarbenen Augen leuchten. Und sein feuchtes Haar erinnerte Morgan an den griechischen Meeresgott Poseidon …

Es gefiel ihr nicht. Es gefiel ihr überhaupt nicht. Sie war nicht darauf vorbereitet … Auf ihn.

„Du siehst blass aus“, bemerkte er spöttisch. Seine tiefe Stimme jagte ihr noch immer Schauder über den Rücken.

Sofort richtete sie sich auf. Sie würde sich nicht von ihm einschüchtern lassen.

„Es war eine ziemlich lange Reise …“

„Dann solltest du dich vielleicht doch besser setzen, meinst du nicht?“

Instinktiv ballte sie die Hände zu Fäusten. Sie wollte überhaupt nicht hier sein. Und sie hasste ihn dafür, dass er darauf bestanden hatte, sie in der Villa Angelica zu treffen. Hier, wo sie damals ihre Flitterwochen verbracht hatten. Es waren die glücklichsten vier Wochen ihres Lebens gewesen. Danach waren sie nach Griechenland geflogen. Und damit hatte sich alles zwischen ihnen verändert.

„Ich stehe hier ganz gut“, entgegnete sie trotzig.

„Du brauchst keine Angst vor mir zu haben“, murmelte er. „Ich werde dir nicht wehtun.“

Morgan versuchte, stark zu bleiben. Hinter ihren Augenlidern brannten Tränen. Am liebsten hätte sie sich auf dem Absatz umgedreht und das Haus verlassen. Um sich vor ihm zu retten. Dummerweise war Drakon der Einzige, der ihr helfen konnte. Ausgerechnet der Mann, der sie fast um den Verstand gebracht hatte. Der ihr Leben zerstört hatte.

„Das hast du bereits getan.“

„Ach ja?“ Erstaunt zog er die Augenbrauen hoch. „Ich weiß immer noch nicht, womit ich dir wehgetan habe …“

Sie seufzte.

„Ich bin nicht hier, um über uns und unsere Probleme von damals zu sprechen. Ich bin hier, weil ich deine Hilfe brauche. Du weißt, worum es geht …“ Sie zögerte und sah ihn flehend an. „Hilfst du mir?“

„Sechs Millionen Dollar ist eine Menge Geld.“

„Nicht für dich.“

„Die Dinge haben sich geändert. Dein Vater hat mehr als vierhundert Millionen Dollar meines Kapitals verloren.“

Drakon schüttelte den Kopf.

„Es war nicht sein Fehler“, versuchte Morgan, ihren Vater zu verteidigen. Sie würde verlieren, wenn sie jetzt klein beigab. So wie damals, als sie es nicht geschafft hatte, sich gegen ihn durchzusetzen.

Ihr griechischer Reederei-Tycoon spielte ausschließlich nach seinen eigenen Regeln. Genau wie Morgans Vater Daniel auch. Drakon Sebastian Xanthis war geradezu besessen von Macht und Geld. Und von einer Frau, die nicht seine Ehefrau war. Bronwyn. Eine hübsche Australierin, die seine Geschäftstätigkeiten in Südostasien regelte.

Sofort verkrampfte Morgan sich. Sie würde jetzt nicht an Bronwyn denken. Außerdem spielte es gar keine Rolle, ob die attraktive Blondine noch immer für ihn arbeitete. Drakon gehörte schon lange nicht mehr zu ihrem Leben. Es interessierte Morgan nicht, wie er mit seinen Geschäftsleiterinnen umging und ob er sich auf seinen Geschäftsreisen ein Zimmer mit ihnen teilte oder nicht.

„Glaubst du das etwa wirklich?“, fragte er und warf ihr einen spöttischen Blick zu. „Dass deinen Vater keine Schuld trifft?“

„Aber natürlich! Er ist manipuliert worden …“

Morgan spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Wie sollte sie Drakon bloß davon überzeugen, dass ihr Vater unschuldig war?

„Morgan“, sagte er jetzt beschwörend. „Dein Vater ist einer der wichtigsten Drahtzieher bei einem der größten Betrugsskandale überhaupt. Fünfundzwanzig Milliarden Dollar sind spurlos verschwunden. Und dein Vater hat fünf Milliarden davon Michael Amery zukommen lassen. Damit hat er sich zehn Prozent Zinsen gesichert.“

„Er hat das Geld nie bekommen …“

„Verdammt noch mal, Morgan! Ich kenne deinen Vater. Hör doch auf, mich für dumm zu verkaufen!“

Morgan presste die Lippen aufeinander. Sie durfte jetzt keinen Streit mit Drakon anfangen. Ihr Vater war kein Monster. Er hatte seine Kunden nicht betrogen. Ihr Vater war genauso betrogen worden wie seine Kunden. Und er bekam nicht einmal die Chance, sich zu verteidigen und zu erklären. Die Medien hatten ihn als den Täter dargestellt, und die Öffentlichkeit zweifelte nicht an, was in den Zeitungen stand.

„Mein Vater ist unschuldig, Drakon. Er hatte keine Ahnung, dass Michael Amery illegale Geschäfte betrieb.“

„Warum hat er dann so eilig das Land verlassen, wenn er sich nichts vorzuwerfen hat?“

„Drakon, er hatte Angst! Er war völlig panisch, als er merkte, dass man ihm nicht glaubte.“

„So ein Blödsinn! Wenn das der Grund ist, dann ist dein Vater ein Feigling und verdient sein Schicksal zu Recht.“

Morgan schüttelte bloß den Kopf. Sie wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Unauffällig musterte sie ihren Ehemann. Er sah anders aus, aber seine tiefe sanfte Stimme war noch immer die gleiche. Und diese Augen. Sie hatte sich zuallererst in seine Augen verliebt. In diesen intensiven Blick. Er hatte sie auf dem Ball in Wien, wo sie sich das erste Mal begegnet waren, den ganzen Abend mit Blicken verfolgt. Sie erinnerte sich noch, wie es ihr anfänglich unangenehm gewesen war, von ihm beobachtet zu werden. Dann hatte sie festgestellt, dass es ihr gefiel. Sogar sehr gefiel.

Während der ersten Wochen ihres Kennenlernens hatte Drakon sie nur mit Blicken verführt. Noch bevor er ihren Körper überhaupt berührt hatte, hatte sie längst ihm gehört.

Die letzten fünf Jahre jedoch waren der absolute Horror gewesen. Und kaum, dass Morgan wieder etwas Kraft geschöpft hatte und anfing, hoffnungsvoller in die Zukunft zu blicken, war ihre Welt erneut eingestürzt. Auslöser war die Veröffentlichung der Behauptung, dass der Bankier Daniel Copeland, ihr geliebter Vater, in Michael Amerys berüchtigtes Ponzi-Schema verwickelt war. Zu ihrem Entsetzen war ihr Vater sofort aus dem Land geflüchtet, statt sich den Medien zu stellen und die ganze Situation gewohnt souverän zu handhaben. Damit hatte er einen internationalen Skandal ausgelöst.

Morgan holte tief Luft.

„Ich kann ihn nicht in Somalia sterben lassen, Drakon. Die Piraten bringen ihn um, wenn sie das Lösegeld nicht bekommen.“

„Das würde ihm nur recht geschehen.“

„Drakon, er ist mein Vater!“

„Du willst dich also für den Rest deines Lebens in Schulden stürzen, obwohl du weißt, dass er nach seiner Freilassung sofort ins Gefängnis wandert?“

„Ja, das will ich.“

Ihre Stimme zitterte.

„Dir ist also klar, dass er sofort festgenommen wird, sobald er ein nordamerikanisches oder europäisches Land betritt?“

„Ja, das weiß ich.“

„Er wird lebenslänglich bekommen. Genau wie Michael Amery, wenn sie ihn schnappen.“

„Das weiß ich doch alles“, verteidigte sie sich. „Trotzdem ist es tausend Mal besser für meinen Vater, in einem amerikanischen Gefängnis zu sitzen, als von den somalischen Piraten gefangen gehalten zu werden. Im Gefängnis bekommt er zumindest die Medikamente, die er für seinen Blutdruck braucht. Er darf Besuch empfangen und Briefe und kann Kontakt mit der Außenwelt halten. Ich möchte nicht wissen, unter welchen Umständen er bei den Piraten lebt.“

„Sicher nicht besonders luxuriös. Ich sehe allerdings nicht ein, warum der amerikanische Steuerzahler für deinen Vater aufkommen soll. Lass ihn bleiben, wo er ist, Morgan. Ehrlich. Er hat es nicht anders verdient.“

Wutentbrannt funkelte sie ihn an.

„Wie kannst du das von mir erwarten? Sagst du das, weil er dein ganzes Geld verloren hat oder weil du mir nicht helfen willst?“

Drakon zuckte die Schultern.

„Ich bin Geschäftsmann. Natürlich ärgert es mich, wenn ich Geld verliere. Genauso, wie es all die anderen Leute geärgert hat, die ihm ihr Geld anvertraut haben. Ihre ganzen Ersparnisse. Er hat das Geld einfach an Amery weitergeleitet, und nun stehen all diese Leute vor dem Nichts. Ohne Altersabsicherung, ohne jegliche Rücklagen. Sie haben deinem Vater vertraut, Morgan.“

„Michael Amery war sein bester Freund“, verteidigte Morgan ihren Vater. „Es war fast so, als würde er zur Familie gehören. Mein Vater hat ihm blind vertraut.“ Morgans Stimme wurde brüchig. Sie schluckte. „Ich hab ihn als Kind immer Onkel Michael genannt … Er war eine ganz enge Bezugsperson für mich.“

„Ja, das hast du mir damals erzählt. Sonst hätte ich deinem Vater sicher nicht die vierhundert Millionen Dollar gegeben, die er für mich investieren sollte. Leider hat er mein Vertrauen missbraucht.“

Langsam atmete sie aus.

„Heißt das nun, dass du mir nicht helfen wirst?“

Drakon schwieg.

„Wahrscheinlich nicht …“, sagte er dann.

„Wahrscheinlich?“, wiederholte sie mit rauer Stimme. Wenn Drakon ihr nicht half, dann würde ihr niemand helfen, das wusste sie. Die ganze Welt hasste ihren Vater seit dieser Geschichte. Niemand hätte auch nur das geringste Interesse daran, dass er befreit wurde. Ganz im Gegenteil. Wahrscheinlich würden die meisten sogar hoffen, dass er elendig umkam bei den Piraten.

„Dir ist klar, dass ich zurzeit nicht gut auf deinen Vater zu sprechen bin, glykia mou, oder?“

„Deswegen kannst du mir doch trotzdem das Geld leihen“, murmelte sie und sah ihn bittend an. „Wir werden alles vertraglich festhalten, und ich werde es dir mit Zinsen zurückzahlen. Mein Geschäft läuft gut. Ich hab gerade eine ganze Menge Aufträge hereinbekommen. Ich verspreche dir …“

„Versprechen?“, unterbrach er sie abrupt. „So, wie du mir versprochen hast, mich zu lieben, bis dass der Tod uns scheidet? In guten wie in schlechten Zeiten?“

Sie seufzte. Er tat ja gerade so, als sei er ihr völlig egal gewesen. In Wirklichkeit hatte sie ihn viel zu sehr geliebt. Und dabei sich selbst verloren.

„Warum hast du dich dann nicht von mir scheiden lassen? Warum lässt du mich nicht gehen, wenn du mich doch so verachtest?“

„Weil ich nicht so bin wie du. Ich gebe keine Versprechungen und halte sie dann nicht. Und ich laufe auch nicht davon, wenn es schwierig wird. Ich hab dir vor fünf Jahren versprochen, loyal zu sein, und ich habe mein Versprechen gehalten.“

Seine raue tiefe Stimme ließ sie ganz weich werden. Sie wandte den Blick ab.

Drakon ließ sie nicht aus den Augen.

„Das sind doch bloß Worte, Drakon. Sie bedeuten mir nichts. Was zählt, sind Taten. Und deine Taten haben leider sehr zu wünschen übrig gelassen.“

„Meine Taten?“

„Ja, deine Taten. Oder vielmehr deine mangelnden Taten. Du machst immer nur das, was dir Vorteile verschafft. Du hast mich geheiratet, weil du geglaubt hattest, es würde dir guttun. Und dann, als es mit einem Mal nicht mehr so einfach war zwischen uns, bist du einfach … verschwunden. Du hast nichts unternommen, um mich zurückzuholen. Du hast kein bisschen um mich gekämpft. Aber die Scheidung hast du mir auch nicht gegönnt. Und als meine Familie dann in diesen Schlamassel geraten ist, hast du nicht einmal versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen.“ Sie rang nach Luft. „Du hattest wohl Angst um deinen guten Ruf, ja? Wenn die Presse rausbekommt, dass du etwas mit der Copeland-Familie zu schaffen hast …“

Einen endlos langen Moment sah er sie nur an.

„Interessant, was du dir da alles zusammengereimt hast. Es überrascht mich allerdings nicht. Du scheinst deinen Sinn für Dramatik von deiner Mutter geerbt zu haben.“

„Weißt du was, ich hasse dich!“, schrie sie ihn an. Ihre Stimme zitterte, ihre Augen brannten. Sie würde ihm jetzt nicht auch noch die Genugtuung geben und anfangen zu heulen. „Ich wusste, dass du dich über mich lustig machen würdest. Und ich wusste auch, dass du dafür sorgen würdest, dass ich vor dir auf die Knie falle und darum bettele, dass du mir hilfst …“

„Entschuldige bitte, dass ich deine kleine theatralische Rede unterbreche, aber ich möchte erst einmal etwas klarstellen“, fuhr er dazwischen. „Du kommst nach all den Jahren hierher und bittest mich um Geld. Nein, du bittest nicht, du forderst es sogar ein. Findest du das nicht ein bisschen frech? Und dann tust du auch noch so, als würde ich dich zwingen zu betteln.“

Mit weit aufgerissenen Augen sah sie ihn an. Sie fühlte sich, als würde ein Orkan in ihr toben, so wütend machte er sie.

„Du willst also, dass ich bettele, ja? Ist es das? Es passt dir nicht, dass ich einfach davon ausgegangen bin, dass du mir helfen wirst …“

Drakon erwiderte ihren Blick, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Es wäre höflicher gewesen, mich erst einmal zu fragen.“

„Es wäre höflicher gewesen?“, wiederholte sie tonlos. Ihr Mund war mit einem Mal ganz trocken.

Er schwieg und beobachtete sie.

Und sie merkte, dass sie kaum noch atmen konnte unter seinen prüfenden Blicken und bei dem Gedanken an ihre gemeinsamen Flitterwochen in diesem Haus. Hier hatte sie alles über Liebe und Lust gelernt, was man sich nur vorstellen konnte. Dazu hatte auch Schmerz, Macht und Kontrollverlust gehört.

Drakon hatte nie die Kontrolle verloren. Morgan jedoch hatte er dazu gebracht, dass sie sich ihm mindestens ein Mal am Tag, wenn nicht öfter, willenlos hingab.

Sie hatten ein heißes Sexleben gehabt. Es war immer aufregend und erotisch zwischen ihnen gewesen. Als sie ihn heiratete, war sie noch Jungfrau. Ihr erstes Mal war für sie unangenehm gewesen. Er war sehr groß gewesen, und es hatte wehgetan, als er in sie eingedrungen war. Drakon hatte sich alle Mühe gegeben, damit es schön für sie war. Doch Morgan war viel zu überwältigt gewesen, um sich wirklich fallen lassen zu können. Es war ziemlich enttäuschend für sie gewesen. Sie wusste, er hatte es sich anders vorgestellt. Sie war weder auf ihn eingegangen, noch hatte sie einen Orgasmus gehabt.

Als sie hinterher gemeinsam duschten, küsste er ihre Brüste, ihren Bauch, tastete sich weiter vor, bis er ihre empfindsamste Stelle erreichte. Das warme Wasser der Dusche lief ihm über das Gesicht, als er vorsichtig begann, mit den Lippen ihre Klitoris zu liebkosen. Bis er endlich das erreichte, was er zuvor im Bett nicht geschafft hatte. Sie kam. Und er hielt sie in seinen Armen, als sie aufstöhnte und ihre Beine unter ihr nachzugeben drohten. Und dann küsste er sie mit einer Leidenschaft, dass ihr der Atem wegblieb. Er versprach ihr, es würde beim nächsten Mal nicht mehr wehtun.

Und so war es dann auch.

Das hieß jedoch nicht, dass ihr Sex von nun an immer leicht und angenehm war. Drakon liebte es intensiv. Sinnlich. Ursprünglich. Und unvorhersehbar. Manchmal stand er einfach nur am anderen Ende des Raums – so wie jetzt in diesem Moment – und sagte ihr, was sie tun sollte. Mal verlangte er, dass sie sich auszog und nackt auf ihn zuging. Dann wieder wollte er, dass sie nichts außer ihren Stöckelschuhen trug und sich langsam über den Tisch beugte. Oder einen Fuß auf den Stuhl stellte, während er ihr sagte, wo sie sich berühren sollte.

Jedes Mal protestierte Morgan lautstark. Doch ein Blick von ihm unter seinen gesenkten Lidern hindurch ließ sie dahinschmelzen. Wenn er ihr dann noch sagte, wie schön sie sei und wie gern er sie ansah und es genoss, dass sie ihm vertraute … ihm gehorchte …

Sie hasste diese Dominanz, aber sie war Teil ihres Vorspiels. Im Bett hatten sie immer guten Sex. Doch es gab noch diese andere Art von Sex. Die Art, wo sie all diese erotischen Spiele spielten, die sie an ihre Grenzen brachte. Sie tat immer, was er ihr sagte. Anfangs hatte es sie verwirrt. Irgendwann jedoch begann sie, ihre kleinen Spiele zu genießen. Sie liebte es, wenn er zu ihr kam und sie mit seinem Mund und seinen Fingern verwöhnte. Und mit den Händen über ihren Po und durch ihr Haar strich, nach ihren Schenkeln griff und sie auseinanderdrückte. Er stimulierte sie so langsam, dass sie jedes Mal glaubte, sie würde nie zum Höhepunkt gelangen. Und dann, wenn vor Verlangen fast alles in ihr schmerzte, gab er ihr endlich, wonach sie sich sehnte. Entweder ließ er seine Zunge über ihre empfindlichste Stelle gleiten, oder er drang in sie ein und bewegte sich in ihr, bis sie sich vor Ekstase nicht mehr halten konnte. Ihre Höhepunkte schienen endlos zu sein. Dafür sorgte er. Und wenn es vorbei war, hielten sie sich still und erschöpft in den Armen. Er hatte wieder einmal bekommen, was er wollte.

Das waren die Momente, in denen sie ihm am besten gefiel. Wenn sie sich völlig verausgabt an ihn schmiegte mit ihrem erhitzten Körper. Wenn sie still und gefügig war. Und keinerlei emotionale Forderungen stellte. Nicht reden wollte. Nichts von ihm erwartete.

Morgan spürte, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte. Sie war damals so jung gewesen. So naiv. Sie hatte alles getan, um ihrem schönen griechischen Göttergatten zu gefallen.

Die Flitterwochen hier mit ihm, diese vier Wochen voller erotischer Leidenschaft, hatten sie für immer verändert. Sie konnte nicht einmal an diese Villa denken, ohne sich sofort daran zu erinnern, wie sie sich in jedem einzelnen Raum geliebt hatten, auf jede nur vorstellbare Art. Auf Betten, Stühlen, Fensterbänken und Treppen. Auf kostbaren Teppichen, Marmor­böden und den kühlen smaragdgrünen Fliesen in der Eingangshalle.

Ihr wurde leicht übel bei dem Gedanken daran. Er hatte sie nicht nur genommen. Er hatte sie gebrochen. Er hatte ihren Willen gebrochen, wie bei einem jungen Pferd, das sich immer wieder aufbäumte, bis es schließlich aufgab und seinem unnachgiebigen Reiter gehorchte.

„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dich richtig verstanden hab, Drakon“, murmelte sie heiser. „Und ich weiß nicht, ob wir hier nun ein kulturelles, ein persönliches oder ein sprachliches Problem haben … Willst du, dass ich bettele? Geht es dir darum?“ Stolz hob sie ihr Kinn, während Tränen in ihren Augen glänzten und ihr Herz brannte, als hätte jemand hineingestochen. „Erwartest du, dass ich dich anflehe? Ist das der einzige Weg, um an dich heranzukommen?“

Er erwiderte ihren Blick, ohne eine Miene zu verziehen. Plötzlich erschien ihr das großzügige Wohnzimmer, in dem sie standen, furchtbar klein.

„Es gefällt mir, wenn du vor mir auf die Knie gehst“, antwortete er unbeeindruckt.

Morgan bemühte sich, sich ihre Enttäuschung nicht ansehen zu lassen.

„Ich erinnere mich“, gab sie zurück. Sie wusste, der Zeitpunkt war gekommen. Sie sollte jetzt besser gehen. Solange sie noch konnte. Solange sie sich noch einen Funken Stolz bewahren konnte. „Auch wenn ich es lieber vergessen hätte.“

„Warum hättest du es vergessen wollen? Unser Sexleben war grandios.“

Fast angewidert entgegnete sie Drakons Blick. Er hatte recht. Was Sex anging, war es wunderbar gewesen zwischen ihnen. Ihre Ehe jedoch war leer und gefühllos gewesen.

Ihm schien das nichts ausgemacht zu haben. Wahrscheinlich hatte er nicht einen einzigen Gedanken daran verschwendet, dass seine Braut möglicherweise unglücklich sein könnte. Dass sie Gefühle hatte. Bedürfnisse. Warum auch? Drakons Bedürfnisse waren schließlich viel einfacher. Er brauchte lediglich eine Frau, die immer bereit und willig war.

„Gut, dann gehe ich also auf die Knie“, murmelte sie schließlich und warf ihm einen höhnischen Blick zu.

„Lass das!“, fuhr er sie an, als sie ihren Rock anhob und ein Knie auf den Marmorboden setzte.

„Ich dachte, du willst es so?“

„Herrgott noch mal, Morgan! Glaubst du ernsthaft, es gefällt mir, wenn du mich anbettelst?“

Morgan schwieg. Sie wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte.

Er musste ihr einfach helfen.

Wenn er es nicht tat, dann war ihr Vater für immer verloren.

„Ich habe absolut kein Verlangen danach, dass meine Frau sich vor mir klein macht“, fuhr Drakon mit gefährlich leiser Stimme fort. „Auch nicht für ihren Vater. Ganz im Gegenteil, ich finde es abstoßend …“

„Er ist mein Vater!“

„Und er hat dich im Stich gelassen! Und darum macht es mich ganz krank, dass du dich hier für einen Mann einsetzt, der dich und den Rest deiner Familie sitzen gelassen hat. Ein Mann hat für seine Familie zu sorgen, statt sie auszubeuten.“

„Mein lieber Drakon Xanthis“, entgegnete sie leise. „Nicht jeder lebt in einem Elfenbeinturm, so wie du. Behütet von Bodyguards und über alles erhaben. Ich habe dieses Privileg leider nicht. Ich habe überhaupt nichts mehr. Unsere Familie hat alles verloren, Drakon. Geld, Sicherheiten, Häuser, Autos … ihren guten Ruf. Es ist mir nicht wichtig, dieses Luxusleben nicht mehr führen zu können. Am schlimmsten ist, dass meine Familie mit den Nerven am Ende ist. Wir leben im absoluten Chaos …“

Sie brach ab und rang nach Luft. Es brachte nichts, in Selbstmitleid zu baden. Erst recht nicht bei Drakon. Er hasste Gefühlsduselei und Emotionen. Schon damals hatte er seine Ohren auf Durchzug gestellt, wenn sie auch nur die Stimme erhoben hatte.

Da war es wieder. Wieder einmal machte sie sich Gedanken darum, was Drakon wollte. Nach all den Jahren besaß er immer noch diese Macht über sie.

Was war mit ihr? Warum ging es nie um ihre Bedürfnisse und Gefühle?

Morgan spürte, dass sie schon wieder einen Kloß im Hals hatte. Hastig blinzelte sie und richtete sich auf. Sie würde sich jetzt keine Blöße vor ihm geben.

„Ich weiß, es ist dir unangenehm, mich so zu sehen. In dieser verzweifelten Situation. Aber so sieht es nun einmal gerade aus bei mir. Und ich bin mittlerweile so weit, bis zum Äußersten zu gehen, um meiner Familie zu helfen. Du kannst dir nicht vorstellen, was wir gerade durchmachen. Wir schämen uns für unseren Vater, wir haben Schuldgefühle, wir sind verwirrt … Wir verstehen nicht, wie er das tun konnte. Warum er nicht wusste, dass Amery ein Betrüger ist. Warum er es nicht geschafft hat, seine Kunden zu schützen. Und seine Familie … Unser Ruf ist ruiniert. Meine Geschwister trauen sich kaum noch aus dem Haus. Es ist ein ekelhaftes Gefühl. Und es ist mir egal, was du jetzt von mir denkst. Ich versuche nur zu retten, was ich retten kann. Und das Wichtigste ist im Moment das Leben meines Vaters.“

„Dein Vater ist es nicht wert, Morgan“, entgegnete Drakon kalt. „Denk lieber an dich. Rette dein eigenes Leben.“

„Und wie stellst du dir das vor, Drakon? Hast du vielleicht einen Rat für mich?“, fragte sie spöttisch.

„Ja, komm nach Hause.“

„Nach Hause?“

„Nach Hause zu mir …“

„Du bist nicht mein Zuhause, Drakon. Das warst du nie.“ Ihr entging nicht, wie er zusammenzuckte. Fast tat er ihr leid. Aber er musste die Wahrheit endlich erfahren. Warum sie ihn verlassen hatte. „Erinnerst du dich, wie du mich vorhin gefragt hast, warum ich nicht mehr an unser Sexleben denken wolle? Ich kann es dir genau sagen.“ Sie holte tief Luft. „Weil mir die Erinnerung daran wehtut.“

Verständnislos sah er sie an.

„Aber warum? Es war doch so schön. Nein, es war mehr als das. Es war großartig. Wir zwei waren einfach unglaublich zusammen …“

„Ja, der Sex war gut“, fuhr sie ungeduldig fort. „Du warst ja auch ein wahnsinnig guter Liebhaber. Du hast es geschafft, mich mehrmals am Tag zum Höhepunkt zu bringen. Aber das war alles. Mehr hast du mir nicht gegeben. Deinen Namen, einen Diamantring im Wert von einer Million Dollar und jede Menge Orgasmen. Verstehst du, was ich meine?“ Sie zog die Augenbrauen hoch und beobachtete ihn aufmerksam. „Wir hatten keine Beziehung. Es gab keine Kommunikation, keine Nähe, kein Gefühl der Verbundenheit. Ich hab dich doch nicht geheiratet, um nur Sex mit dir zu haben. Ich wollte mein Leben mit dir teilen. Ich wollte ein richtiges Zuhause haben und glücklich sein. Stattdessen hab ich mich nur leer und einsam gefühlt.“

Morgan war erleichtert, dass sie es endlich über die Lippen gebracht hatte. Sie hatte es ihm bereits vor Jahren sagen wollen. Natürlich war ihr klar, dass sie sich damit erst recht unbeliebt bei ihm machte. Gerade jetzt, wo er ihr helfen sollte.

„Weißt du …“, fuhr sie fort, „… ich musste nach unserem Sex fast jedes Mal weinen. Es hat mir so wehgetan, dass du meinen Körper geliebt hast, aber nicht mich als Mensch.“

„Ich hab dich so geliebt, Morgan.“

„Das hast du nicht!“

„Du kannst mir vorwerfen, dass ich ein schlechter Ehemann war, dass ich kalt und unsensibel war, aber du kannst mir nicht sagen, was ich gefühlt oder nicht gefühlt habe. Das weiß nur ich allein. Und ich habe dich geliebt. Vielleicht habe ich es dir nicht oft genug gesagt …“

„Du hast es mir nie gesagt.“

„Ich dachte, du wüsstest es.“

„Nein, ich wusste es nicht.“

Es wurde still im Raum.

„Warum hast du denn nie etwas gesagt?“, fragte er schließlich leise.

„Weil du diese Art von Gesprächen gehasst hast …“ Sie schluckte. „Jedes Mal, wenn ich versucht habe, mit dir zu reden, hast du die Augen verdreht und dich abgewandt.“

„Das stimmt nicht, das weißt du.“

„Es stimmt. Für mich stimmt es. Ich bin Amerikanerin. Und du bist es vielleicht durch deine Kultur gewöhnt, dass man Frauen zwar sieht, aber nicht hört. So etwas kenne ich nicht. Ich komme aus einer großen Familie. Ich hab drei Schwestern und einen Bruder. Bei uns war immer etwas los. Es wurde immer geredet und gelacht. Das Einzige, was ich von dir bekommen habe, war Sex. Und selbst dabei waren wir nicht gleichgestellt. Immer hast du bestimmt, wo es langgeht. Du hattest immer die Macht.“ Ihre Hand zitterte, als sie sich die Tränen von den Wangen wischte. „Also tu jetzt nicht so überrascht, dass ich dich um Hilfe anbettele. Ich musste mich schon damals von dir erniedrigen lassen. Das ist für mich nichts Neues.“

Mehr gab es nicht zu sagen.

Im nächsten Moment ging Morgan zur Tür.

Sie war am Morgen von London nach Neapel geflogen und hatte sich in Neapel einen Fahrer mit Wagen gemietet, um zur Villa zu kommen. Es war eine lange und anstrengende Fahrt gewesen. Die Straße hatte sich in endlosen engen Windungen die Küste entlanggezogen, bis endlich hoch oben auf den Klippen zwischen Positano und Ravello die Villa zu sehen war.

Jetzt war sie furchtbar müde. Aber sie war nicht am Boden zerstört, so wie damals vor fünf Jahren, als sie ihn verlassen hatte.

Sieh es als Sieg, sagte sie sich, als sie die Haustür öffnete und nach draußen in das gleißende Sonnenlicht trat. Du hast dich getraut hierherzukommen. Du hast mit ihm gesprochen, und du bist hoch erhobenen Hauptes gegangen. Du hast deinem Drachen in die Augen geschaut und es überlebt.

2. KAPITEL

Drakon beobachtete Morgan, wie sie mit blassem Gesicht zur Tür eilte. Ihr langes dunkles Haar reichte ihr fast bis zu den Hüften. Als sie durch die Eingangshalle lief, hörte er die Absätze ihrer hochhackigen Sandaletten auf den Fliesen klackern. Dann fiel die Haustür hinter ihr ins Schloss.

Langsam atmete er hörbar aus und lauschte der plötzlichen Stille. Er würde ihr gleich nach draußen folgen. Aber erst einmal musste er sich beruhigen. Es brachte nichts, wenn er ihr in diesem Zustand nachlief, wütend wie er war.

Er würde ein paar Minuten verstreichen lassen. Bis er wieder Herr über seine Gefühle war. Das war schließlich seine Spezialität. Er verlor nie die Kontrolle. Und er war stolz darauf, seinen Frust niemals an anderen auszulassen.

Morgan würde ohnehin nicht weit kommen. Der Fahrer samt Mietwagen war fort. Dafür hatte Drakon gesorgt. Und die Villa lag ein ganzes Stück von der Hauptstraße entfernt. Taxis fuhren hier äußerst selten vorbei. Und Morgan war nicht der Typ, der aus Wut einfach zu Fuß losstapfen würde.

Seufzend ließ Drakon sich in einen der Sessel fallen und dachte darüber nach, was sie gesagt hatte. Sie hatte so einiges gesagt. Das meiste davon war ihm ziemlich unangenehm. Es hatte ihn fast geschockt. Und gleichzeitig wütend gemacht.

Sie hatte sich in ihrer Ehe also erniedrigt gefühlt?

So ein Blödsinn. Wie konnte sie es wagen, ihm nach all den Jahren etwas Derartiges ins Gesicht zu sagen? Am liebsten hätte er sie geschüttelt. Was ihn ebenfalls beunruhigte. Er hatte noch nie das Bedürfnis verspürt, bei einer Frau Gewalt anzuwenden.

Außerdem hatte er ihre Ehe ganz anders erlebt. Er hatte sie doch geliebt. Nein, mehr als das. Er hatte sie angebetet und jede freie Minute genutzt, ihren Körper zu verwöhnen. Was war daran erniedrigend?

Und was fiel ihr eigentlich ein, ihn als schlechten Ehemann zu bezeichnen? Er hatte ihr alles gegeben. Er hatte alles für sie getan, damit sie glücklich war. Seine eigene Kindheit war so traurig gewesen. Seine Mutter hatte ihn immer nur angeschrien. Gerade deswegen wünschte er sich nichts mehr, als dass seine Ehefrau glücklich und zufrieden war.

Seine Mutter Maria war kein schlechter Mensch. Drakon wusste, sie hatte sich alle Mühe gegeben, fair zu ihren Kindern zu sein. Doch Gerechtigkeit allein hatte nicht gereicht. Was gefehlt hatte, war Wärme und Zuneigung. Das waren Dinge, die seine Mutter nicht zu geben in der Lage war.

Nachdem Drakons Vater auf hoher See an einem Herzanfall gestorben war, musste Maria ihre fünf Kinder allein großziehen. Sie hatte Drakons Vater dafür verflucht, dass er sie alleingelassen hatte mit all den Kindern, die sie selbst nie hatte haben wollen.

Drakon hatte als ältester Sohn versucht, Verständnis für seine überforderte Mutter aufzubringen. Er redete sich ein, dass ihre mangelnde Zuneigung ein Ausdruck der Trauer über ihren verstorbenen Ehemann war. Und so lernte er über die Jahre, dass seine Mutter am glücklichsten war, wenn ihre Kinder so unsichtbar wie möglich blieben. Wenn sie keine Forderungen stellten und sie nicht mit ihren emotionalen Bedürfnissen belasteten. Mit dreizehn oder vierzehn hatte Drakon sich dann endlich zum perfekten Sohn entwickelt. Er hatte weder Bedürfnisse noch zeigte er jegliche Emotionen. Er hatte seine Lektion gelernt.

Das hieß jedoch nicht, dass er anderen gegenüber kalt war. Er liebte es, seine Freundinnen zu verwöhnen. All die schönen, glamourösen Frauen, mit denen er damals zwischen zwanzig und dreißig zusammen gewesen war. Frauen, die auf extravagante Geschenke und teure Restaurants standen. Sie verstanden ziemlich schnell, dass er kein Typ für Gefühlsduseleien war. Natürlich hatte er Gefühle, aber er besaß keinen wirklichen Zugang zu ihnen. Drakons Freundinnen gaben sich damit zufrieden, dass er seinen luxuriösen Lebensstil mit ihnen teilte. Sie akzeptierten ihn, wie er war.

Also konzentrierte er sich ganz darauf, den Frauen Geschenke zu machen und romantische Luxusurlaube mit ihnen zu verbringen. Nebenbei entwickelte er sich zu einem höchst talentierten Liebhaber. Jemand, der verstand, wie wichtig ein ausgedehntes Vorspiel war.

Frauen mussten mental stimuliert werden, bevor ihr Körper reagierte. Das Gehirn war ihre größte erogene Zone. Und Drakon liebte es, seine Partnerin langsam zu verführen, sie zu necken und mit ihr zu spielen, bis sie es vor Erregung nicht mehr aushielt. Denn Sex war seine Art, Nähe zu einer Frau aufzubauen.

Es war ein Ausdruck der Zuneigung, mit dem er sich sicher fühlte.

Aber Morgan hatte sich nicht sicher gefühlt mit ihm. Sie hatte noch nicht einmal ihr Beisammensein genossen. Ihr Liebesspiel hatte sie angewidert. Er hatte sie angewidert.

Drakon fühlte eine leichte Übelkeit in sich aufsteigen. Ein bitterer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus.

Wie dämlich er doch war.

Kein Wunder, dass sie ihn verlassen hatte. Kein Wunder, dass sie die Gelegenheit genutzt hatte. An dem Tag, an dem er geschäftlich nach London fliegen musste. Als er am Abend zurückkehrte, war sie bereits weg gewesen. Er hatte nach ihr gerufen, als er ihre Villa in dem noblen Vorort von Athen betreten hatte. Alles war dunkel gewesen. Und Morgan war fort.

In dieser Nacht war er fast durchgedreht. Immer wieder hatte er versucht, sie anzurufen. Sie ging nicht ans Telefon. Er hatte ihr mehrere Nachrichten hinterlassen, sie angefleht, ihn zurückzurufen.

Am nächsten Tag war er ins Flugzeug nach Amerika gestiegen. Er hatte an ihrer Wohnung Sturm geklingelt. Niemand hatte aufgemacht. Morgan blieb verschwunden. Irgendwann bekam er einen Brief von ihrem Anwalt, der ihm mitteilte, dass seine Klientin die Scheidung einreiche.

Im ersten Moment war er bloß überrascht gewesen. Dann verzweifelt. Dann wütend. Doch er wusste, es würde ihn nicht weiterbringen, wenn er die Beherrschung verlor. Er musste versuchen, ruhig zu bleiben. Irgendwie würde sich die ganze Sache schon aufklären lassen. Sicher war es bloß ein Missverständnis. Vielleicht hatte sie sich über irgendetwas geärgert.

Drakon weigerte sich, in die Scheidung einzuwilligen, bevor Morgan persönlich mit ihm gesprochen hatte. Ihr Anwalt erklärte darauf, sie lehne ein persönliches Treffen mit ihm ab.

Die nächsten zwei Jahre lieferten sie sich einen erbitterten Rechtsstreit. Drakon würde es nicht zulassen, dass seine Frau ihn ohne jegliche Erklärung sitzenließ. Einfach so, aus einer Laune heraus.

Irgendwann engagierte er schließlich einen Privatdetektiv. In der Hoffnung, der Mann könnte für ihn herausfinden, wo sich Morgan aufhielt. Aus ihrer Familie jedenfalls war nichts herauszubekommen. Sie weigerten sich allesamt, ihm auch nur die kleinste Information zu geben. Und über ihr Handy erreichte er sie nicht. Offensichtlich hatte sie sich eine neue Nummer geben lassen.

Erstaunlicherweise blieben auch die Versuche des Privatdetektivs erfolglos. Morgan war wie vom Erdboden verschwunden.

Und dann, zweieinhalb Jahre später, tauchte sie plötzlich wieder auf. Der Privatdetektiv hatte sie in der New Yorker Modeszene aufgestöbert. Sie lebte jetzt in einem irrsinnig teuren Loft in SoHo, das ihr Vater ihr bezahlte. Und sie hatte sich als Schmuckdesignerin selbstständig gemacht und einen kleinen Laden unweit ihres Lofts eröffnet, inmitten all der großen Designershops.

Drakon war sofort nach New York geflogen, um sie zu sehen. Er fuhr direkt vom Flughafen zu ihrer Boutique. Wo sonst sollte sie sich an einem Mittwochvormittag aufhalten?

Noch bevor er aus dem Taxi steigen konnte, sah er sie mit ihrer Schwester Jemma aus dem Laden kommen. Auf den ersten Blick sahen die beiden aus wie zwei typische New Yorker Glamourgirls: schlank, schick, mit glänzendem langen Haar und teurer Instantbräune. Erst auf den zweiten Blick bemerkte er, wie unglaublich dünn Morgan war. Gefährlich dünn. Sie sah aus wie ein Skelett in ihrer seidenen Tunika und der tiefsitzenden Jeans. Um ihre Handgelenke klimperten übergroße goldene Armreifen. Drakon fragte sich, ob sie damit ihre abgemagerte Figur überspielen oder betonen wollte.

Er wollte es gar nicht wissen. Sicher war nur, dass es ihr augen­scheinlich nicht gut ging. Und ihre Veränderung erschreckte ihn zutiefst.

Einen Moment lang war er drauf und dran, aus dem Wagen zu springen und hinter ihr und ihrer Schwester herzulaufen. Dann überlegte er, dass es angesichts ihres schlechten Aussehens vielleicht keine gute Idee wäre, sie so zu überrumpeln. Also wies er den Fahrer an, ihn zum Büro ihres Vaters in der Third Avenue zu fahren. Daniel Copeland konnte seine Überraschung kaum verbergen. Drakon Xanthis hätte er nun wirklich nicht erwartet. Doch er begrüßte ihn höflich und bat ihn, Platz zu nehmen. Schließlich trug er die Verantwortung für Drakons Investition.

„Ich hab Morgan vorhin gesehen“, begann Drakon ohne Umschweife und blieb vor dem Schreibtisch des älteren Mannes stehen. „Was ist mit ihr? Sie sah furchtbar aus.“

„Es ging ihr nicht gut“, gab Daniel Copeland knapp zurück.

„Was hatte sie?“

„Das ist ihre Sache.“

„Sie ist meine Frau“, beharrte Drakon.

„Nur, weil du sie nicht gehen lässt.“

„Ich halte nichts von Scheidungen.“

„Sie ist nicht glücklich mit dir, Drakon. Du musst sie endlich ziehen lassen.“

„Ich möchte, dass sie mir das persönlich sagt“, gab Drakon zurück und wandte sich um. Es gab nichts mehr zu besprechen.

In den Tagen und Wochen darauf erwartete Drakon jeden Tag einen Anruf von Morgan. Eine E-Mail. Irgendeine Nachricht von ihr, in der sie ihn um ein Treffen bat.

Doch nichts passierte. Drakon war sicher, dass ihr Vater ihr von dem Gespräch mit ihm in seinem Büro erzählt hatte. Sie hatte sich also dafür entschieden, sich nicht bei Drakon zu melden. Und er meldete sich nicht bei ihr. Er war es langsam leid, seiner Frau hinterherzulaufen.

So vergingen weitere zwei Jahre. Bis er dann vor drei Tagen überraschend einen Anruf von Morgan erhalten hatte. Ohne viel Geplänkel hatte sie sofort den Grund für ihren Anruf erklärt. Sie sagte, dass sie nicht mit ihm über ihre Ehe sprechen wolle, sondern dringend einen Kredit bräuchte. Er sei der Einzige, der ihr helfen könne.

Du bist meine letzte Hoffnung, hatte sie gesagt. Wenn du mir nicht hilfst, dann wird mir niemand helfen.

Drakon hatte eingewilligt und vorgeschlagen, sich hier in der Villa Angelica zu treffen. Insgeheim hatte er gehofft, wenn sie sich hier trafen, wo sie ihre Flitterwochen verbracht hatten, dann würde Morgan sich vielleicht an die schöne gemeinsame Zeit erinnern. Und sich mit ihm aussöhnen.

Es wurde schließlich Zeit. Er wollte Kinder. Eine Familie. Er wollte seine Frau wieder an seiner Seite haben. Da, wo sie hingehörte.

Doch offensichtlich gab es keine Hoffnung mehr für sie. Es hatte nie sein sollen. Und diese Erkenntnis machte ihn wütend. Wie verdammt naiv er doch gewesen war!

Obendrein fühlte er sich betrogen. Betrogen von der Frau, die er lieben und ehren wollte. Er hatte während der letzten fünf Jahre nicht aufgehört, sie zu lieben. Schließlich hatte er es ihr vor Gott versprochen. Es war seine Pflicht, ihr treu zu sein und für sie zu sorgen.

Aber langsam hatte er genug. Er hatte lange genug auf sie gewartet. Er wollte nur noch, dass sie aus seinem Leben verschwand. Dann hätten sie beide endlich ihre Freiheit wieder.

Nachdenklich strich Drakon sich mit der Hand über das Kinn und spürte den dichten Bart. Er hatte ihn wachsen lassen, seit er erfahren hatte, dass sie die Scheidung wollte, ohne ihm eine Erklärung dafür zu geben.

Er hatte sich geschworen, den Bart so lange wachsen zu lassen, bis seine Frau wieder nach Hause kam. Bis er verstanden hatte, was passiert war. Bis er den Grund dafür erfuhr, warum sie ihn verlassen hatte.

Die Hoffnung jedoch, dass Morgan eines Tages zu ihm zurückkehren würde, verlor er nie.

Und sie war zurückgekommen. Aber nur, um ihm zu sagen, wie sehr sie ihn hasste und verachtete. Wie erniedrigend ihre Ehe für sie gewesen war.

Langsam atmete Drakon aus. Angestrengt versuchte er, all die beunruhigenden Emotionen unter Kontrolle zu bringen. So starke Gefühle war er nicht gewohnt. Außerdem musste er sich konzentrieren. Es ging um sehr viel Geld.

Mit schnellen Schritten ging er ins angrenzende Büro, wo er sein Scheckbuch aufbewahrte. Hastig kritzelte er Morgans Namen und eine Summe auf einen Scheck. Dann trug er das Datum ein und setzte nach einem kurzen Moment des Zögerns seine Unterschrift darunter.

Das war’s also. Mit leerem Blick starrte er auf den Scheck in seiner Hand. Er würde Morgan das verdammte Geld geben und sie dann gehen lassen. Dann hatte sie endlich, was sie wollte. Nicht er hatte in ihrer Ehe versagt, sie hatte versagt. Sie war diejenige gewesen, die einfach abgehauen war, als es schwierig wurde. Er hatte die ganze Zeit um ihre Ehe gekämpft. Er war ihr treu gewesen. Er hatte an keine andere Frau als an Morgan denken können.

Und jetzt war sie hier und machte ihm auch noch Vorwürfe. Er hatte endgültig genug von ihr. Sollte sie glücklich werden mit ihrer neuen Freiheit. Sobald sie weg war, würde er die Scheidungspapiere unterzeichnen.

Morgan stand auf den Stufen zur Villa und blickte auf die lange gewundene Zufahrt zum Haus hinab. Von hier oben hatte man einen herrlichen Blick auf die grüne Berglandschaft und das leuchtend blaue Meer.

Nervös presste sie die Fingernägel in die Handflächen.

Als sich hinter ihr die Haustür öffnete, spürte sie, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten. Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es Drakon war. Er strahlte eine Energie aus, die selbst aus einiger Entfernung wie ein Magnet auf sie wirkte.

Sie würde sich auf keinen Fall von ihm überreden lassen, zu ihm zurückzukehren. Er hatte ihr Leben schon lange genug kontrolliert.

Schnell stieg sie die letzten Stufen herunter, um ihn aus sicherer Entfernung im Auge behalten zu können.

„Wie konntest du meinen Wagen einfach wegschicken?“, giftete sie ihn an, während er langsam auf sie zu schlenderte. Hinter ihr blühte eine pinkfarbene Bougainvillea an einer Steinmauer. Morgan nahm den betörenden Duft kaum wahr. Panik breitete sich in ihr aus, als Drakon sich direkt vor ihr aufbaute und sie herausfordernd ansah.

„Ich dachte, du würdest ihn nicht mehr brauchen“, erklärte er spöttisch.

Sie runzelte die Stirn. Wie konnte man nur so dreist sein?

„Bist du etwa davon ausgegangen, dass ich hierbleibe?“

„Ich hatte es gehofft“, gab er knapp zurück.

Morgan rang nach Luft. Sie hasste diesen Mann. Er konnte wahnsinnig charmant und liebenswert sein. Wenn er wollte. Und dann machte er mit einer einzigen Bemerkung alles wieder kaputt.

„Du hast also ernsthaft geglaubt, dein Anblick und ein paar nette Worte würden ausreichen, damit ich dir wieder hoffnungslos verfalle? Und alles vergesse, was zwischen uns vorgefallen ist?“

„Ich hatte gedacht, du würdest zumindest mit mir darüber reden.“

„Ach, tatsächlich?“ Morgan verzog den Mund. „Du hasst es doch zu reden. Wenn es nach dir ginge, würden die Menschen nur in Stichwörtern sprechen. Und auf keinen Fall über Gefühle.“

Er sah sie an und schien zu überlegen.

„Du hast recht.“ Er nickte. „Vielleicht sollten wir es daher auch besser kurz machen. Ich wollte dir nur sagen, dass der Helikopter unterwegs ist und dich mitnehmen wird. Und das hier ist für dich.“

Drakon reichte ihr ein zusammengefaltetes Stück Papier.

Morgan nahm es und warf einen Blick darauf. Es war ein Scheck über sieben Millionen Dollar. Überrascht sah sie zu ihm auf.

„Was ist das?“

„Das Geld, um das du mich gebeten hast.“

Irritiert erwiderte sie seinen Blick.

„Die Piraten haben sechs Millionen gefordert, nicht sieben.“

„Es werden noch weitere Kosten auf dich zukommen“, erklärte Drakon ungeduldig. „Die ganze Logistik für die Anreise und Rettung. Außerdem wirst du einen Experten engagieren müssen, der dir hilft. Es gibt da einige sehr gute Unternehmen, die sich auf solche Dinge spezialisiert haben. Dunamas Maritime Intelligence zum Beispiel …“

„Ich weiß. Ich kenne die Firma“, gab sie zurück.

„Die nehmen ziemlich hohe Gagen.“

„Ich weiß“, wiederholte sie.

„Versuch bloß nicht, deinen Vater auf eigene Faust zu befreien. Mit den somalischen Piraten ist nicht zu spaßen. Die würden dich reinlegen, und du würdest es nicht einmal merken.“

Morgan nickte und versuchte, sich ihre Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Zum ersten Mal seit langer Zeit war sie sehr dankbar, Drakon in ihrem Leben zu haben. Der Mann besaß nicht nur die Mittel, um ihr helfen zu können, er hatte auch das nötige Wissen und dazu noch eine Menge Macht. Es gab nicht viele Menschen wie Drakon Xanthis auf der Welt.

„Wenn das Geld nicht reichen sollte, dann lass es mich wissen“, fuhr er fort.

„Danke …“, flüsterte sie.

Eindringlich sah er sie an.

„Bevor du nach New York fliegst, musst du bei meiner Bank in London den Scheck einlösen. Ich werde dafür sorgen, dass du keine Probleme bekommst. Sie werden dir die sechs Millionen Dollar, die du als Lösegeld brauchst, in bar geben. Du weißt ja, dass die Piraten Bargeld sehen wollen, ja? Oder hat dir dein Kontaktmann das nicht gesagt?“

„Doch …“, entgegnete sie und runzelte die Stirn. Diese ganze Sache machte sie furchtbar nervös.

„Du musst die Anweisungen ganz genau befolgen, agapi mou. Diese Typen haben ganz spezielle Vorstellungen davon, wie das alles ablaufen soll. Wenn du dich nicht genau daran hältst, was sie verlangen, dann können die ziemlich ungemütlich werden.“

Morgan seufzte.

„Als ob es nicht schon ungemütlich genug wäre, die Segeljacht meines Vaters zu entern und den Kapitän abzuknallen …“ Sie brach ab, als sie das Brummen des Helikopters in der Ferne hörte.

Einen Augenblick lang sagten sie nichts und lauschten dem immer näher kommenden Rotorengeräusch. Es war Zeit, sich zu verabschieden.

„Warum bist du mit der Entführung deines Vaters nicht an die Presse gegangen?“, fragte er. „Es wäre doch eine gute Möglichkeit gewesen, um das Mitgefühl der Leute für deinen Vater zu wecken.“

Verächtlich stieß sie die Luft aus.

„Du glaubst doch wohl nicht, dass irgendjemand Mitleid mit ihm hätte? Die Amerikaner hassen ihn wie die Pest. Und wenn sie herausbekommen würden, dass er von somalischen Piraten entführt worden ist, dann würden sie wahrscheinlich einen Freudentanz aufführen vor lauter Schadenfreude. Es würde einen riesigen Medienrummel geben. Die Leute würden gehässige Kommentare im Internet schreiben, dass er doch verhungern soll oder so etwas … Dass es ihm recht geschieht …“

Sie stockte.

„Ist es denn nicht so?“

Morgan ignorierte seine Frage.

„Er ist nun mal mein Vater. Und wir haben beschlossen, dass die Presse davon nichts erfahren soll. Deswegen sind wir auch nicht zur Polizei oder zum FBI gegangen. Und meine Geschwister haben kein Geld. Darum muss ich ihn mit meinem Geld freikaufen …“

„Du meinst, mit meinem Geld.“

Sofort schoss ihr das Blut in die Wangen. Natürlich. Es war sein Geld. Sie waren zwar noch verheiratet, aber es war nicht selbstverständlich, dass er ihr half.

„Ja“, flüsterte sie beschämt. „Natürlich mit deinem Geld. Aber ich werde es dir zurückzahlen. Jeden einzelnen Penny. Und wenn es bis an mein Lebensende dauert.“

Er erwiderte ihren Blick, und es entging ihr nicht, wie seine Gesichtsmuskeln zuckten.

„Das musst du nicht …“, begann er und legte den Kopf in den Nacken, als das Brummen der Rotoren immer lauter wurde. Der Helikopter setzte zur Landung an.

Einer der Gründe, warum Drakon die Villa Angelica für ihre Flitterwochen gewählt hatte, war der Pool mit der Spezialabdeckung, die als Landeplatz für Helikopter fungierte. So konnte er jederzeit zu seinen Geschäftsterminen in Athen und London fliegen.

„Ich werde heute Nachmittag meinen Anwalt anrufen und ihn bitten, die Unterlagen für die Scheidung vorzubereiten. Du bekommst deine komplette Abfindung, wie vereinbart. Gegen Ende des Monats sollte es dann vorbei sein.“

Vorbei. Morgan schluckte. Was sagte er da? Willigte er jetzt etwa doch in die Scheidung ein?

Er gab ihr also das Geld und unterzeichnete die Scheidungspapiere? Morgan war so überwältigt, dass sie kaum ein Wort herausbekam.

„Ich … ich will dein Geld nicht“, stotterte sie.

„Natürlich willst du es. Deswegen bist du doch hier, oder nicht? Du wolltest Geld von mir.“

„Ich bin wegen meinem Vater hier. Das ist der einzige Grund.“

Er lächelte, doch seine Augen strahlten eine Kälte aus, die sie frösteln ließ.

„Das hast du bereits erwähnt“, entgegnete er. „Und ich erfülle lediglich meine Pflicht dir gegenüber, indem ich dir finanzielle Sicherheit biete. Und ich gebe dich frei. Das willst du ja schon so lange.“

Es tat Morgan in der Seele weh, dass es so endete zwischen ihnen. So voller Wut und Verachtung.

„Es tut mir leid“, flüsterte sie.

Drakon antwortete nicht. Und er vermied es, sie anzusehen. Der Helikopter war inzwischen gelandet. Morgan konnte den Blick kaum von ihm abwenden. Vielleicht war es das letzte Mal, dass sie ihn sah.

„Danke“, murmelte sie dann und hoffte, er würde sie ansehen. Sie anlächeln. Ein letztes Mal.

Doch den Gefallen tat er ihr nicht. Sein Blick war auf den Helikopter gerichtet.

„Ich helfe dir beim Einsteigen“, erklärte er und bedeutete ihr, ihm zu folgen.

Vielleicht war es besser so, sagte sie sich. Es war ohnehin schwer genug, in seiner Nähe zu sein. Wäre er auch noch nett und charmant gewesen, wären bloß alle Gefühle für ihn wieder hochgekommen.

Die Ärzte hatten ihr damals gesagt, sie sei süchtig nach ihm. Und dass ihre Sucht nicht gut für sie sei. Drakon könne ihre Bedürfnisse nicht stillen. Sie müsse Kraft in sich selbst finden. Und dafür musste sie ihn verlassen. Und vergessen.

Und nun war es wieder so weit. Sie verließ ihn ein zweites Mal.

Sei stark, sagte sie sich. Du brauchst ihn nicht. Du kannst auch ohne ihn glücklich sein.

Hastig zwinkerte sie die Tränen in ihren Augen weg und kämpfte gegen die Panikgefühle an, als sie über den Rasen auf den Helikopter zuliefen. Einer der Hausangestellten wartete bereits mit Morgans Reisetasche auf sie. Drakon wechselte ein paar Worte mit dem Piloten, bevor er Morgan beim Einsteigen behilflich war.

Als ihre Hände sich berührten, durchfuhr es sie wie ein Stromstoß. Ein Blick in seine bernsteinfarbenen Augen, und sie schmolz dahin. Es fühlte sich noch genauso an wie damals, als sie sich gerade kennengelernt hatten.

„Danke noch einmal für alles, Drakon“, presste sie hervor. „Ich hoffe, du wirst glücklich.“

Ein ironisches Lächeln umspielte seine Lippen, doch seine Augen funkelten vor Wut. Seine Stimme war eiskalt.

„Soll das ein Witz sein? Erwartest du, dass ich jetzt lache?“

Sie zuckte zurück, überrascht von seiner unerwartet heftigen Reaktion. Das war nicht mehr der Drakon, wie sie ihn kannte. Dieser Mann hier schien höchst emotional zu sein. Impulsiv. Unkontrolliert.

„Ich meine es ernst. Ich möchte, dass du glücklich bist. Du verdienst es, glücklich zu sein …“

„Ich glaube, ich gehe jetzt besser“, murmelte er. „Du weißt ja, ich kann mit emotionsgeladenen Gesprächen nichts anfangen. Und Abschiede kann ich auch nicht ausstehen.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und trat einen Schritt zurück. „Denk an das, was ich dir gesagt habe, Morgan. Setz dich mit Dunamas oder Blue Sea in Verbindung und unternimm nichts auf eigene Faust. Verstanden?“

Morgan nickte langsam, während sich ihr Magen umzudrehen schien. Wenn er wüsste … Fast wäre sie damit herausgeplatzt. Dass sie bereits versucht hatte, die Sache allein zu regeln. Dass sie geglaubt hatte, alles unter Kontrolle zu haben. Und kläglich gescheitert war. Das war der Grund, warum sie überhaupt hier war.

Als sie wieder aufsah, hatte er sich bereits einige Schritte vom Helikopter entfernt.

Es war vorbei. In wenigen Wochen würden sie geschiedene Leute sein.

Morgans Augen brannten, als der Pilot ihr die Kopfhörer reichte. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Drakon langsam zurück zur Villa ging. Heimlich hoffte sie, er würde sich noch einmal umdrehen. Ihr vielleicht zuwinken. Oder sie wenigstens ansehen.

Er tat nichts davon.

Ohne einen weiteren Blick verschwand er im Haus.

Das war es also. Jetzt war sie frei. Frei, um ein neues Glück, eine neue Liebe zu finden.

Eigentlich sollte sie froh sein. Erleichtert. Als der Helikopter sich jedoch in die Luft erhob, spürte Morgan nichts als Traurigkeit. Und Panik. Weil sie ihn verloren hatte. Und weil sie nicht die Hilfe von ihm bekommen hatte, die sie sich erhofft hatte.

So hatte es nicht laufen sollen. Weder ihr Zusammentreffen heute noch ihre Ehe. Sie hatte ihn aufrichtig geliebt. Mehr, als sie jemals einen Menschen in ihrem Leben geliebt hatte. Aber es war nicht genug gewesen. Am Anfang hatte sie noch geglaubt, alles sei perfekt zwischen ihnen. Dass Drakon ihr Seelenverwandter sei. Sie hatte sich getäuscht.

Der Helikopter hob sich immer höher in die Luft und schwenkte dann in Richtung Norden ab. Nach wenigen Minuten sah Morgan das blaue Meer unter ihnen. Sie kämpfte noch immer gegen die Tränen an. Ihr Blick fiel auf den Scheck in ihrer Hand. Sieben Millionen Dollar. Einfach so.

Sie hatte gewusst, er würde ihr helfen, wenn sie ihn darum bat. Er hatte ihr nie eine Bitte abgeschlagen. Jedenfalls nicht, wenn es um etwas Materielles ging. Mit Zeit oder Gesprächen hatte es schon anders ausgesehen.

Trotzdem hatte sie nicht erreicht, was sie sich erhofft hatte. Sie brauchte mehr als nur einen Scheck von Drakon. Sie brauchte seine Unterstützung. Wenn es jemanden gab, der sich mit Schiffen und Piraten auskannte, dann Drakon. Seine Familie war seit Generationen in der Schiffsindustrie tätig. Drakon wusste alles, was man über Piraterie wissen musste. Und er kannte die richtigen Leute. Leute, die ihr helfen würden. Sie schaffte es nicht ohne Drakon.

Morgan schloss die Augen und atmete langsam aus.

Vielleicht sollten sie umkehren.

Sie hatte sich nicht genug bemüht. Und ohne ihn ging es einfach nicht, auch wenn sie den Scheck in den Händen hielt. Sie musste noch einmal mit Drakon sprechen. Und ihn überzeugen, dass er ihr helfen musste.

Er würde sich sträuben. Gerade jetzt, nach allem, was sie ihm gesagt hatte.

Aber hier ging es nicht um ihren Stolz oder ihr Ego. Es ging um das Leben ihres Vaters. Sie konnte ihn nicht einfach so im Stich lassen.

Der Pilot stellte keine Fragen. Morgan erklärte, sie habe etwas vergessen und sie müssten noch einmal umkehren. Offensichtlich war der Mann zu gut bezahlt, oder vielleicht hatte er auch nur Erfahrung mit Situationen wie dieser, um eine Diskussion mit ihr anzufangen.

Langsam schwenkte er den Helikopter herum und hielt wieder auf die Villa zu.

Drakon wartete nicht, bis sie in der Luft war. Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging er ins Haus und schloss die Tür hinter sich. Sie war weg, und er war froh und dankbar. Jetzt würde ein neues Kapitel in seinem Leben beginnen.

Während er die Stufen ins obere Stockwerk hinaufging, hörte er den Helikopter über das Haus fliegen. Die alten Steinwände hallten, als die Rotorenblätter direkt über dem Gemäuer vibrierten.

Im Badezimmer schlüpfte Drakon aus seinen Sachen und sprang unter die Dusche. Danach trocknete er sich ab und griff nach seinem Rasierer. Es würde eine Weile dauern. Der Bart war über die Jahre hinweg ziemlich dicht geworden.

Während er den Rasierschaum in seinem Gesicht verteilte, versuchte er, nicht an Morgan zu denken. Es war kaum möglich. Er war so unglaublich wütend auf sie.

Und vor allem hatte er endlich erkannt, wie sie wirklich war. Wie egozentrisch und oberflächlich. Es ging immer nur um sie. Was sie wollte, was sie brauchte. Andere Menschen zählten nicht. Wie hatte er so eine Frau nur lieben können?

All die Jahre hatte er sie zurückhaben wollen. Aber da hatte er auch noch nicht gewusst, wie sehr er sie anwiderte. Wie sehr ihre Ehe sie angewidert hatte.

Es kam ihm seltsam vertraut vor. Seine Mutter war von Gefühlen angewidert gewesen. Drakon hatte sich als Kind immer geschämt in ihrer Gegenwart. Geschämt dafür, dass seine Emotionen so stark waren. Dass er von ihr auf den Arm genommen werden wollte. Dass er immer in ihrer Nähe sein wollte. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie sehr sie ihn verwirrt hatte mit ihrer Zurückweisung. Und wie er dadurch umso verbissener um ihre Zuneigung gekämpft hatte.

Letzten Endes hatte er es geschafft. Es war ihm gelungen, seine Emotionen und Bedürfnisse so weit zu unterdrücken, dass er sie selbst nicht mehr spürte. Und damit hatte er endlich ein wenig Anerkennung und Liebe von seiner Mutter erhalten.

Als Drakon sein frisch rasiertes Kinn im Spiegel betrachtete, erkannte er sich im ersten Moment selbst nicht. Er hatte fast vergessen, wie kantig sein Kinn tatsächlich war. Es gab seinem Gesicht einen markanten Zug. Und es ließ ihn irgendwie stur aussehen. Was zu ihm passte. Ihm war bewusst, dass er sich zu einem ziemlich verbitterten und eigensinnigen Zeitgenossen entwickelt hatte.

Ein Klopfen an der Tür zu seiner Suite ließ ihn zusammenzucken. Eilig trocknete er sein feuchtes Gesicht ab, schlang sich ein Handtuch um die Hüften und öffnete die Tür.

Es war keiner seiner Hausangestellten. Es war Morgan.

Sofort schlug sein Herz ein paar Takte schneller. Bis er sich wieder im Griff hatte. Was sollte das? Warum war sie zurückgekommen? Wollte sie schon wieder Spielchen mit ihm spielen?

Seufzend lehnte er sich gegen den Türrahmen und betrachtete sie abschätzig.

„Brauchst du mehr Geld, oder was ist los?“

Morgan errötete, als sie ihn sah. Was ihre blauen Augen noch mehr zum Leuchten brachte.

„Oh … du hast dich rasiert.“

„Ja, hast du ein Problem damit?“

„Wir müssen reden.“

Drakon zog die Augenbrauen hoch.

„Ich glaube, ich habe mir schon genug von dir anhören müssen. Wenn du mich also entschuldigst und wieder in den Helikopter steigst …“

„Der Helikopter ist weg. Ich hab ihn weggeschickt.“

Sie schlug die Augen nieder.

„Das war dumm.“ Drakon schüttelte den Kopf. „Wie willst du jetzt hier wegkommen?“

„Das können wir uns später überlegen.“

„Du meinst wohl, du überlegst dir das später? Es gibt kein wir mehr zwischen uns. Du hast keinen Platz mehr in meinem Leben. Und ich habe auch keine Lust mehr, dir zu helfen. Du hast deinen Scheck, und in ein paar Wochen bekommst du deine Abfindung. Mehr gibt es bei mir nicht zu holen.“ Er holte tief Luft. „Und jetzt möchte ich bitte, dass du gehst. Ich habe zu arbeiten.“

Als er sich umwandte, lief sie ihm nach in das luxuriöse Schlafzimmer. Dort, wo sie den Großteil ihrer Flitterwochen verbracht hatten.

„Es sieht noch genauso aus, wie ich es in Erinnerung habe“, flüsterte sie, und ihr Blick wurde leer. „Nicht so wie du. Du hast dich verändert.“

„Ja, ich habe mir einen Bart wachsen lassen, ich weiß.“

„Es ist nicht nur der Bart“, entgegnete sie und betrachtete ihn einen Augenblick. „Du bist … irgendwie anders.“

„Tja … Das liegt vielleicht daran, dass meine Frau mich verlassen hat. Ich habe eine harte Zeit hinter mir.“

Morgan warf ihm einen prüfenden Blick zu.

„Du hättest ja versuchen können, deine Frau zurückzuholen.“

„Das hab ich getan.“

„Hast du nicht.“

„Hab ich wohl.“

„Ich rede hier nicht von Anrufen oder E-Mails. So was zählt nicht.“

„Nein, du hattest ja auch dein Telefon abgestellt. Deswegen bin ich auch unzählige Male nach New York geflogen, um dich zu suchen.“

„Jetzt lüg doch nicht!“

Drakon ballte die Hände zu Fäusten.

„Verdammt noch mal, Morgan, jetzt hör doch endlich auf, mir ständig zu widersprechen. Ich bin dir nachgereist, und ich hab wirklich alles getan, um unsere Ehe zu retten. Ich habe deinen Vater bei der Arbeit aufgesucht. Ich stand bei deiner Mutter vor der Tür. Habe mehrfach mit deinen Geschwistern gesprochen …“

„Das kann ich nicht glauben“, flüsterte sie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

„Glaub doch, was du willst“, brummte er.

Im nächsten Moment stand er so dicht vor ihr, dass sie den Duft seiner frisch gewaschenen Haare wahrnahm. Sie liebte diesen Geruch.

Drakon fing ihren Blick auf. Das strahlende Blau ihrer Augen erinnerte ihn jedes Mal an das Meer in seiner griechischen Heimat. Früher hatte er immer gedacht, dass ihre Augen ihre Persönlichkeit symbolisierten. Sie hatte etwas Mysteriöses an sich.

Jetzt wusste er, er hatte sich von ihrer natürlichen Schönheit täuschen lassen. Es hatte lange gedauert, das zu realisieren. Ein Gefühl von Verbitterung stieg in ihm hoch. So war das Leben nun einmal.

„Wenn du mir nicht glaubst …“, sprach er weiter, „… dann frag deine Geschwister. Frag Tori, Logan, Jemma oder Branson. Frag sie, warum niemand mir eine Auskunft über dich geben wollte. Wenn du es nicht wissen willst, dann tu es für mich. Ich verstehe nämlich bis heute nicht, warum sich die gesamte Copeland-Familie gegen mich verschworen hat. Ich habe auch keine Ahnung, warum du zwei Jahre lang wie vom Erdboden verschwunden warst. Nicht einmal der Privatdetektiv, den ich angeheuert habe, konnte dich finden …“

Morgan wusste nicht, was sie denken sollte. Warum hatte ihre Familie ihr nichts davon gesagt? Log er sie an?

„Du hast also wirklich versucht, mich zu finden?“

„Natürlich hab ich das! Was denkst du denn? Du bist meine Frau. Ich lasse dich doch nicht einfach so gehen!“

Ihre Augen schimmerten verdächtig. Sie schluckte, bevor sie sprach.

„Ich verstehe …“

Drakon fluchte und entfernte sich einige Schritte von ihr, um etwas Distanz zu schaffen.

„Ganz ehrlich, Morgan, ich habe das Gefühl, du kennst mich überhaupt nicht“, stieß er schließlich hervor.

Betroffen sah sie ihn an.

„Vielleicht liegt das ganz einfach daran, dass du mir nie die Chance gegeben hast, dich wirklich kennenzulernen, Drakon.“

Drakon warf ihr einen verächtlichen Blick zu.

„Vielleicht bist du auch einfach nicht lange genug bei mir geblieben, um mich wirklich kennenzulernen, liebe Morgan.“

Morgan schwieg einen Moment.

„Wenn das der Fall sein sollte, dann tut es mir leid“, murmelte sie leise.

„Wenn“, wiederholte er bitter. „Du glaubst mir kein Wort, aber wenn du etwas brauchst, dann bin ich dir gut genug …“

„Drakon, ich hätte dich nicht um Geld gebeten, wenn ich nicht in einer absoluten Notsituation wäre.“

Drakon schüttelte bloß den Kopf.

„Ich kann es nicht fassen, dass ich fünf Jahre auf das hier gewartet habe.“

„Was soll das denn bedeuten?“

„Ach, vergiss es.“ Als er sie ansah, war sie erschrocken über den kalten Ausdruck in seinen Augen. „Ich bin nur endlich zu dem gleichen Schluss gekommen wie du schon vor fünf Jahren. Dass wir nicht zusammenpassen. Dass wir nie zusammengepasst haben. Dass es für uns keine Zukunft gibt. Und deswegen habe ich dir auch nichts mehr zu sagen. Du hast das Geld, du hast bekommen, weswegen du hergekommen bist …“

„Ich bin nicht nur wegen des Geldes gekommen“, unterbrach sie ihn. „Ich brauche deine Unterstützung.“

„Das ist wirklich zu schade“, gab er zurück und lächelte spöttisch. „Aber ich fürchte, mehr als den Scheck kannst du von mir nicht mehr erwarten.“

Er klang so bitter. So wütend. So gar nicht wie ihr Ehemann.

„Drakon, bitte“, flehte Morgan ihn an. „Du weißt doch genau, wie man mit diesen Piraten umgehen muss …“

„Tut mir leid, Morgan. Ich wiederhole mich nur ungern. Und ganz ehrlich gesagt, bin ich auch froh, dass dieser ganze Mist endlich vorbei ist. Ich will dich nicht mehr in meinem Leben haben. Ich habe auch einfach keine Energie mehr, dir noch irgendetwas zu geben. Weder dir noch dem Rest der verrückten Familie Copeland.“

Seine Worte ließen ihr fast das Blut in den Adern gefrieren. Schnell wandte sie sich ab, damit er ihre Tränen nicht sah.

„Weißt du …“, sagte sie dann leise, „… ich wusste wirklich nicht, dass du nach mir gesucht hast. Mir hat niemand etwas gesagt.“ Ihr Blick schweifte zum Fenster hinaus auf das blaue Meer in der Ferne. „Im ersten Jahr nachdem ich dich verlassen habe, hat mir sowieso niemand etwas gesagt.“

„Ich wüsste nicht, warum das jetzt noch relevant sein sollte.“

„Ich …“, begann sie und suchte nach Worten. „Also wahrscheinlich verstehst du das jetzt nicht, aber für mich ist es relevant. Weil es irgendwie etwas Tröstliches hat.“

„Etwas Tröstliches?“, fragte er ungläubig.

Morgan war das Thema sichtlich unangenehm.

„Ja, du weißt schon … So weiß ich zumindest, dass du mich nicht so leicht aufgegeben hast.“

„Tja, da kannst du mal sehen. Ich bin eben nicht so wie du.“

„Tut mir leid.“

„Das glaub ich dir sogar, dass es dir leid tut. Jetzt, wo die reichen Copelands bankrott sind.“

Sie zwang sich zu einem Lachen. Er hatte sich wirklich verändert.

„Du hast recht“, stimmte sie ihm betont leichtfertig zu. „Wir sind pleite. Jeder Einzelne in meiner Familie. Aber meine Geschwister sind ziemlich klug. Sie werden schon wieder auf die Beine kommen. Bei mir bin ich mir da nicht so sicher. Ich mache manchmal ganz schön dumme Sachen …“

„Wenn du jetzt glaubst, damit mein Mitleid zu wecken, muss ich dich leider enttäuschen“, gab er kühl zurück.

„Nein, ich meine es ernst“, verteidigte sie sich. „Ich bin wirklich ziemlich dumm. Ich hätte mich sofort an dich wenden sollen. Stattdessen hab ich erst mal versucht, mit den Piraten allein fertigzuwerden. Ich hab ihnen das Geld gegeben, aber sie haben meinen Vater nicht freigelassen.“

Drakon dachte, er hörte nicht richtig.

Morgan sah, wie er die Lippen aufeinanderpresste. Offensichtlich musste er sich sehr zusammenreißen.

„Es tut mir wirklich leid, Drakon“, sprach sie schnell weiter. „Ich hätte dich sicher nicht um Hilfe gebeten, wenn die Situation nicht so außer Kontrolle geraten wäre.“

Drakon hätte sie am liebsten auf der Stelle hinausgeworfen. Aber dafür war er zu gut erzogen. Und er war Grieche. Familie ging ihm über alles. Auch wenn er mit seiner Familie nicht gerade glücklich war.

Sein Ton war eisig, als er endlich sprach.

„Du hast einen riesigen Fehler gemacht, Morgan. Du hättest dich direkt an Dunamas oder Blue Sea wenden sollen …“

„Ich hatte kein Geld mehr“, unterbrach sie ihn. „Ich habe alles zusammengekratzt, was ich auftreiben konnte. Habe mein Loft verkauft, meinen Laden … Sie haben drei Millionen Dollar verlangt. Ich hatte das Geld fast zusammen, es fehlten nur einhunderttausend. Ich dachte, sie würden damit einverstanden sein.“ Sie zögerte, ehe sie weitersprach. „Aber sie sind total ausgeflippt und meinten, ich würde sie auf den Arm nehmen. Und dann forderten sie sechs Millionen Dollar. Sie meinten, wenn sie das Geld nicht in spätestens zwei Wochen bekommen, dann bringen sie meinen Vater um.“

„Es fehlten nur einhunderttausend Dollar, und du hast mich nicht gefragt?“, erkundigte er sich und runzelte die Stirn.

„Ich wollte dich auf keinen Fall involvieren.“

„Ah ja. Jetzt aber schon, oder wie?“

„Drakon, was soll ich denn machen? Wie sonst sollte ich sechs Millionen Dollar auftreiben? Ich will doch nicht, dass die Öffentlichkeit irgendwas von der Geschichte erfährt.“

Morgan seufzte und ließ den Kopf sinken.

„Ich weiß, du bist böse auf mich. Und ich weiß auch, du schuldest mir nichts. Aber ich bitte dich, Drakon, hilf mir. Ich brauche deinen Rat. Ich weiß nicht, wie ich mich jetzt verhalten soll. Was, wenn sie meinen Vater wieder nicht freilassen?“ Sie sah auf, und ihre Blicke trafen sich. „Ich weiß nicht mal, ob er … ob er überhaupt …“

Ihre Stimme versagte. Sie war nicht fähig, den Satz zu Ende zu sprechen.

Er wusste, worauf sie hinauswollte.

„Du meinst, du hast Angst, dass er nicht mehr lebt?“

Sie nickte. Und ihre Augen brannten vor Tränen.

„Was, wenn sie ihn schon längst umgebracht haben?“

„Das ist eine gute Frage …“

„Dann verstehst du ja jetzt, warum ich deine Hilfe brauche. Ich habe den Typen schon drei Millionen Dollar gegeben. Ich kann ihnen unmöglich weitere sechs Millionen geben, ohne einen einzigen Beweis zu haben, dass mein Vater noch am Leben ist. Sie lassen mich nicht mit ihm sprechen. Ich weiß wirklich nicht, was ich machen soll, Drakon …“

„Dein Vater und du, ihr habt wirklich etwas gemeinsam, weißt du das?“

Irritiert begegnete sie seinem Blick.

„Ihr kommt immer nur, wenn ihr Geld braucht …“

Morgan verzog den Mund.

„Drakon, du weißt doch genau, um was es hier geht. Ich will dich doch nicht ausnutzen. Und ich habe dich ganz sicher nicht wegen deines Geldes geheiratet. Es tut mir auch sehr leid, dass mein Vater dich dazu gebracht hat, in sein Unternehmen zu investieren. Wir konnten ja nicht wissen, was passieren würde. Hätte ich geahnt, dass er dein ganzes Geld verlieren würde, hätte ich es auf keinen Fall zugelassen.“

Sie trat einen Schritt auf ihn zu und ließ ihn nicht aus den Augen.

„Drakon, ich weiß genau, du würdest das Gleiche tun, wenn es deine Familie wäre. Du würdest alles für sie opfern. Ich kenne dich doch …“

Drakon warf ihr einen seltsamen Blick zu. Abrupt wandte er sich um und ging zum Fenster.

Sein Schweigen schien eine Ewigkeit anzudauern. Morgan ließ ihn gewähren. Sie wusste, er würde sie nicht abweisen. Es wäre gegen seine Moral. Er war Grieche, und sein Stolz würde es nicht zulassen, dass er seiner Noch-Ehefrau Hilfe versagte.

Dennoch raste ihr Herz. Ein leichter Schweißfilm breitete sich auf ihrem Körper aus. Er würde sie doch nicht enttäuschen?

Als er schließlich sprach, war seine Stimme rau.

„Ich habe für meine Familie alles gegeben. Und trotzdem alles verloren.“

Seine Hände ballten sich zu Fäusten.

Morgan schloss die Augen und hielt den Atem an. Sie hatte ihn doch so sehr geliebt … zu sehr …

„Ich muss nachdenken“, erklärte er. „Ich brauche etwas Zeit. Bitte warte unten auf mich.“

3. KAPITEL

Drakon wartete, bis Morgan die Schlafzimmertür hinter sich geschlossen hatte, bevor er sich umwandte und wieder aus dem Fenster sah.

Er würde es nicht tun. Auf keinen Fall würde er sich für diesen Mann die Finger schmutzig machen. Er hasste Morgans Vater. Er hatte ihm vertraut und ihm sogar den Gefallen getan, in sein Unternehmen zu investieren. Und nun hatte er das ganze Geld verloren.

Außerdem war das Kapitel Morgan für ihn abgeschlossen. Der Bart war abrasiert. Es war vorbei.

Es gab auch gar keinen Grund dafür, ihn mit in die Sache hineinzuziehen. Dafür gab es Fachleute. Und er hatte bereits genug getan. Er hatte ihr das Geld gegeben und wertvolle Tipps … Fehlte nur noch, dass er Dunamas für sie anrief, aber das würde er schön ihr überlassen. Sie war schließlich kein kleines Mädchen mehr.

In Gedanken versunken schlenderte er ins angrenzende Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel. Sein grimmiger Gesichtsausdruck erschreckte ihn. Seine Augen wirkten kalt und leer, als sei jegliches Leben aus ihnen entwichen. Je länger er sich ansah, desto mehr verschwammen seine Gesichtszüge. Bis er schließlich Morgans Gesicht vor sich sah.

Dieses perfekte ovale Gesicht mit seinen feinen Zügen und den leuchtend blauen Augen. Doch ihre Schönheit wurde überschattet von dem sorgenvollen Ausdruck in ihren Augen und den dunklen Augenringen. Er hatte ihre Erschöpfung sofort bemerkt. So kannte er sie gar nicht.

Sie hatte gezittert, während sie mit ihm sprach. Ihre Arme und Beine waren noch immer viel zu dünn. Er erinnerte sich, wie er sie damals in New York aus ihrem Laden hatte kommen sehen. Wie sehr ihn ihr Anblick schockiert hatte. Mittlerweile schien sie sich etwas erholt zu haben, aber wirklich gut ging es ihr offensichtlich immer noch nicht.

Sie brauchte auf jeden Fall Hilfe mit dieser Entführungsgeschichte. Jemanden, der ihr unter die Arme griff und die Sache in die Hand nahm. Nicht er natürlich … Es war nicht mehr seine Aufgabe, sie zu beschützen.

Müde wandte Drakon sich um und suchte sein Telefon im Schlafzimmer. Er musste ein paar Anrufe tätigen. Irgendjemanden würde er schon auftreiben können.

Zunächst einmal würde er jedoch überprüfen, ob es überhaupt stimmte, was sie ihm erzählt hatte. Während er auf seinem Balkon stand und telefonierte, wurde sein Gesichtsausdruck immer verspannter.

Sie hatte die Wahrheit erzählt. Morgan Copeland war finanziell ruiniert. Sie hatte nichts mehr. Keine Wohnung, keinen Laden. Ihre Freunde hatten sich von ihr abgewandt, nachdem sie erfahren hatten, was ihr Vater getan hatte. Ihr Bankkonto war überzogen.

Verdammter Mist. Wie hatte sie sich nur in diese Lage bringen können?

Morgan hatte alles verloren. Sie hatte tatsächlich nicht übertrieben.

Autor

Jane Porter

Bereits in der Grundschule schrieb Jane ihr erstes Manuskript: Es war 98 Seiten lang und wurde von einem Jungen in ihrer Klasse zerrissen. Jane weinte, der Junge musste die zerrissenen Seiten zusammenkleben und kam mit einer Verwarnung davon, während Jane fürs Schreiben im Unterricht bestraft wurde und so lernte, dass...

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