Die falsche Braut des stolzen Scheichs

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Scheich Omar muss heiraten. Sonst drohen diplomatische Verwicklungen! Zwanzig schöne, hochgebildete Frauen lädt er zur traditionellen Brautschau ein. Aber nur eine von ihnen weckt sein Verlangen: die Wissenschaftlerin Beth Farraday. In seinem Wüstenpalast verführt er seine Auserwählte mit brennender Sinnlichkeit. Der stolze Scheich ahnt nicht: Beth, die nur als Verkäuferin jobbt, hat mit ihrer brillanten Zwillingsschwester die Rollen getauscht. Die Schönheit in seinen Armen kann er zwar zu seiner Geliebten machen, aber niemals zu seiner Königin …


  • Erscheinungstag 08.10.2019
  • Bandnummer 2409
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712501
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Das kannst du unmöglich ernst meinen!“

Omar bin Saab Al-Maktoun, König von Samarqara, blickte seinen Wesir kalt an. „Ich meine es immer ernst, Khalid.“

„Aber – ein Brautmarkt!“ Im strahlenden Sonnenschein, der durch die hohen Fenster des Thronsaals hereinströmte, wirkte das Gesicht seines Cousins noch knochiger. „Den hat es in Samarqara seit hundert Jahren nicht mehr gegeben!“

„Zeit, ihn wiederaufleben zu lassen“, erwiderte Omar grimmig.

Khalid war fassungslos. „Dass ausgerechnet du an alten Zöpfen hängst, hätte ich nicht für möglich gehalten.“

Omar erhob sich vom Thron, trat ans Fenster und blickte auf seine glanzvolle Stadt hinunter. Seit der Thronbesteigung vor fünfzehn Jahren hatte er die Modernisierung des Königreichs zielstrebig vorangetrieben. Jetzt reckten sich am Meer strahlende Glas- und Stahlhochhäuser neben alten Ziegel- und Lehmbauten in den klarblauen Himmel. „Nicht alle Untertanen sind mit den Neuerungen einverstanden, Khalid.“

„Willst du dein privates Glück opfern, um eine Handvoll Hardliner zu besänftigen?“ Sein Cousin riet zu der naheliegenderen Lösung. „Warum heiratest du nicht al-Abayyis Tochter, wie alle es von dir erwarten?“

„Nur die Hälfte des Adels. Die anderen würden rebellieren. Sie halten Hassan al-Abayyi für zu mächtig und wollen seine Tochter nicht auch noch als Königin.“

„Sie würden darüber hinwegkommen. Laila al-Abayyi wäre eindeutig die beste Wahl. Sie ist schön, gebildet und pflichtbewusst.“ Der Wesir ignorierte Omars unwirsche Handbewegung. „Mit der Heirat könntest du endlich die Tragödie aus der Welt schaffen, unter der unsere Familien immer noch leidet.“

„Nein!“, wehrte Omar scharf ab. Er wollte vergessen, was vor fünfzehn Jahren geschehen war. Wenn er Laila al-Abayyi heiratete, würde er jeden Tag daran erinnert. „Samarqara braucht eine Königin, Khalid. Und das Königreich einen Erben. Ein Brautmarkt ist die ideale Lösung.“

„Ideal? Sie ist eiskalt. Tu es nicht“, beschwor ihn sein Cousin. „Lass dir das noch einmal gründlich durch den Kopf gehen.“

„Ich bin jetzt sechsunddreißig und der Letzte meiner Dynastie. Ich habe schon viel zu lange gewartet.“

„Willst du wirklich eine Fremde heiraten?“ Der Wesir gab nicht auf. „Du weißt doch, dass du dich nach den Gesetzen Samarqaras nicht von ihr scheiden lassen kannst, sobald sie ein Kind geboren hat.“

„Ich kenne unsere Gesetze“, wies der König ihn gereizt zurecht.

„Denk darüber nach, Omar“, zum ersten Mal redete der treue Berater ihn mit dem vertrauten Namen aus ihrer Kindheit an. „Mit einer Fremden könntest du für den Rest deines Lebens unglücklich werden. Was dann?“

Omar dachte nicht daran, seine Gefühle offenzulegen, nicht einmal seinem Cousin gegenüber. „Ich habe meine Gründe für diese Entscheidung.“

„Und wenn das Königreich dich geschlossen anfleht, Laila al-Abayyi zu heiraten? Würdest du dem dann Folge leisten?“

„Natürlich.“ Omar wusste, dass es dazu nicht kommen würde. Die Hälfte der Adligen waren Gefolgsleute Hassan al-Abayyis, während die übrigen ihn und eine Königin aus seiner Familie konsequent ablehnten. „Ich richte mich nach dem Wunsch und Willen meines Volkes.“

Nachdenklich senkte Khalid den Kopf. „Du wärst also wegen einer barbarischen Tradition zu allem bereit?“

Omar blieb fest. „Tausend Mal lieber, als zu riskieren, dass Samarqara erneut alte Stammesfehden austrägt.“

„Aber …“

„Genug. Meine Entscheidung steht. Finde zwanzig schöne, kluge Frauen, die ich dem Volk als mögliche Königin an meiner Seite vorstellen kann.“ Mit wallenden Gewändern verließ Omar den Thronsaal. Über die Schulter hinweg rief er: „Und mach dich umgehend auf die Suche.“

Wie konnte ich nur so töricht sein, mich auf diese Sache einzulassen?

Unsicher blickte Beth Farraday sich im Ballsaal des prächtigen Pariser Palais um. Der Eigentümer des palastartigen Baus aus dem achtzehnten Jahrhundert war Scheich Omar bin Saab al-Maktoun, der König von Samarqara. So viel wusste Beth immerhin, nachdem sie sich zwanzig Minuten mit seinen Hofbeamten unterhalten hatte.

Nervös hob sie den kostbaren Champagnerkelch an ihre Lippen, den man ihr gereicht hatte.

Sie passte nicht zu den glamourösen Damen in den teuren Cocktailroben … Brautanwärterinnen aus aller Welt, die auf Beth wie ein moderner Harem wirkten. Ein unbekannter Scheich wollte eine von ihnen zur Königin erwählen.

Die anderen neunzehn Frauen waren Prominente und Schönheiten, manche von ihnen so außergewöhnlich, dass jeder sie kannte. Bisher hatte Beth die Bekanntschaft einer Nobelpreisträgerin, einer Pulitzerpreisgewinnerin, einer kalifornischen Senatorin, einer berühmten Künstlerin, einer deutschen Industriellen und einer brasilianischen Berufssportlerin gemacht.

Zwischen all diesen Berühmtheiten stand sie. Beth. Ein Niemand.

Sie gehörte nicht hierher. Das war ihr schon klar gewesen, als sie gestern erster Klasse von Houston nach New York geflogen und in eine Privatmaschine umgestiegen war, mit der die Kandidatinnen aus Nord- und Südamerika nach Paris eingeflogen wurden.

Schon als ihre Zwillingsschwester – eine in ihrer Arbeit aufgehende Krebsforscherin – sie überredet hatte, an ihrer Stelle teilzunehmen, hatte Beth gewusst, dass sie nicht in diese Zirkusnummer gehörte.

„Bitte, Liebes“, hatte ihre geniale Schwester sie vor zwei Tagen telefonisch angefleht, „du musst für mich teilnehmen.“

„Und mich für dich ausgeben? Bist du verrückt geworden, Edith?“

„Ich habe die Einladung erst in letzter Minute entdeckt.“ Was Beth nicht überrascht hatte. Manchmal ließ ihre Schwester die Post wochenlang liegen, bis sie sich Zeit nahm, sie zu überfliegen. „Du weißt doch, ich kann mein Labor nicht im Stich lassen. Hier bricht alles über mir zusammen.“

„Das behauptest du immer.“

„Du lavierst dich bravourös durch jeden Small Talk“, hatte Edith sich aufs Schmeicheln verlegt. „Ich bin in so etwas nicht gut und längst nicht so geschliffen wie du.“

„Und ich eigene mich nicht zur Königinanwärterin.“ Mit einem ironischen Lächeln hatte Beth die Second-Hand-Boutique weiter ausgefegt, in der sie arbeitete.

„Ach Schwesterlein, du musst dich doch nur bei der Pariser Brautschau zeigen – dann überweist man mir eine Million Dollar. Überleg doch mal, was das für meine Forschungsarbeit bedeuten würde.“

„Mit der Kinderkrebsforschung glaubst du mir alles unterjubeln zu können, weil du meine Schwachstelle kennst.“

„Und? Was ist daran auszusetzen?“, hatte ihre Schwester sie in die Enge getrieben.

Darauf hatte Beth nur resigniert „Nichts“, erwidert.

Daher stand Beth nun in Paris auf einer Glamourparty herum – in einem roten, viel zu knapp sitzenden Cocktailkleid und als einzige vollbusige Brautanwärterin.

Sie passte nicht hierher.

Seit sie wie die anderen Bewerberinnen in einer Luxuslimousine von ihrem Luxushotel in der Avenue Montaigne abgeholt und zum Palais gebracht worden war, wartete sie seit Stunden in dem überhitzten Ballsaal und verfolgte, wie eine berühmte Schönheit nach der anderen sich dem dunkelhaarigen Mann im Prachtgewand vorstellte, der arrogant auf seinem Podest thronte.

Nur um Beth kümmerte sich niemand. Die Abgesandten des Scheichs schienen nicht recht zu wissen, was sie mit ihr anfangen sollten. Offenbar waren sie zu dem Schluss gekommen, dass sie dem Typ des Herrschers kaum entsprach. Wo Beth ihnen nur recht geben konnte.

Erneut betrachtete sie den gebieterischen Mann auf dem Thron, der die weltberühmten Damen eine nach der anderen herrisch heranwinkte. Und sie folgten ihm unterwürfig lächelnd! Manche sogar geschmeichelt …

Warum lassen sie sich das gefallen? Kopfschüttelnd trank sie ihr Champagnerglas aus. Die anderen Kandidatinnen waren ausnahmslos berühmte, erfolgreiche Persönlichkeiten. Gerade hatte sie Sia Lane entdeckt – den weltberühmten Filmstar! Wegen des Geldes waren diese Luxusgeschöpfe doch wohl kaum gekommen …

Warum sie hier war, wusste Beth. Um ihre Schwester bei der Kinderkrebsforschung zu unterstützen. Und vielleicht auch, um die Gelegenheit zu nutzen, sich Paris anzusehen. Was die anderen bewogen haben mochte, so demütig anzutanzen, war ihr schleierhaft.

Aus der Ferne versuchte Beth, den arroganten Scheich einzuschätzen. Für ihren Geschmack war er zu groß und hager. Beleidigend, ungehobelt und unhöflich. In ihrer Heimat Westtexas hätte ein Gastgeber, der etwas auf sich hielt, jeden Eingeladenen persönlich begrüßt. König oder nicht – der Mann hatte keine Manieren!

Kurzerhand stellte Beth ihr leeres Glas auf das Tablett eines vorbeihuschenden Obers. Und welcher Gentleman würde zwanzig Frauen wie Pizza über den Lieferdienst herbestellen, um eine Braut zu finden?

Omar al-Maktoun mochte der superreiche, superwichtige Herrscher eines winzigen Nahostlandes sein, von dem sie noch nie gehört hatte, aber er dürfte ein unerträglicher Mensch sein. Gut, dass sie nicht sein Typ war. Na ja … sie war wohl niemandes Typ.

Sonst wäre sie mit sechsundzwanzig nicht noch Jungfrau …

Die Erinnerungen drängten sich schmerzlich auf. Tut mir leid, Beth, aber du bist mir zu … durchschnittlich.

Wyatts Abfuhr würde sie nie vergessen. In ihrem engen Cocktailkleid hatte Beth auf einmal das Gefühl zu ersticken. Blindlings stürmte sie durch den schwülen Ballsaal und flüchtete durch eine Seitentür in einen mondüberfluteten Garten.

Erleichtert schloss sie die Augen, atmete die kühle Nachtluft tief ein und verbot sich, an den Mann zu denken, der ihr so wehgetan hatte. Wozu brauchte sie Liebe? Wichtiger war es, Edith zu helfen, Gelder für ihre Forschungsarbeit aufzutreiben.

Sollte sie sich nicht glücklich schätzen, am Nachmittag immerhin ein wenig von Paris gesehen zu haben? Den Eiffelturm. Den Triumphbogen. Eine volle Stunde lang hatte sie auf den Champs-Élysées in einem Straßencafé vor einem Croissant und einer winzigen Tasse sündhaft teuren Kaffees gesessen und Vorbeiflanierende beobachtet.

Genau das war wohl ihr Problem. Langsam schlenderte Beth durch den dunklen Garten und rieb sich die Augen. Im Gegensatz zu ihrer überlasteten Schwester hatte sie oft das Gefühl, die Welt nur an sich vorbeiziehen zu sehen. Auch hier, in der Märchenstadt Paris, mitten unter Leuten von Welt, gehörte sie nicht dazu und versteckte sich wie jetzt in einem dunklen Privatgarten.

Offenbar nicht allein. Ein Schatten regte sich zwischen den vorfrühlingshaft nackten Bäumen. Ein Mann. Was tat er hier draußen?

Sein Gesicht konnte sie nicht erkennen. Er war kraftvoll gebaut, trug einen eleganten Anzug und bewegte sich geschmeidig. Und er schien über irgendetwas aufgebracht zu sein. Oder unzufrieden. Schwer zu sagen, was er hatte …

Sein Verhalten lenkte Beth von ihren trüben Gedanken ab. Impulsiv ging sie auf ihn zu und sprach ihn in holprigem Schulfranzösisch an. „Excusez-moi, Monsieur, est-ce que je peux vous aider?“

Der Mann drehte sich um – und ihr stockte der Atem.

Im Schatten hatte sie ihn nicht recht ausmachen können. Er trug einen schwarzen Abendanzug, und sein Haar war fast so dunkel wie seine Augen.

„Was machen Sie hier?“, erwiderte er schroff mit leicht amerikanischem Akzent.

Der Fremde sah fabelhaft aus. Wie konnte ich ihn nur einfach ansprechen? Einem Mann wie ihm fühlte sie sich nicht gewachsen.

Beth rang sich ein Lächeln ab. „Entschuldigen Sie, Monsieur, aber Sie wirkten irgendwie traurig. Da dachte ich … dass ich Ihnen vielleicht helfen könnte.“

Die Miene des Fremden wurde eisig. „Wer sind Sie?“

Hatte sie ihn beleidigt? Männer konnten so empfindlich sein, auch wenn sie eigentlich nett waren. Zumindest hatte sie das bei Bekannten beobachtet.

„Mein Name ist …“ Sie fing sich gerade noch und räusperte sich. „Doktor Edith Farraday.“

Nun lächelte der Mann fast. „Ach ja, das Wunderkind – die Krebsforscherin aus Houston.“

„Ja …“ Dass ihm das etwas sagte, überraschte Beth. „Sicher arbeiten Sie für den Scheich?“

Das schien den Fremden zu erheitern. „Tagtäglich“, bekannte er grimmig. „Warum sind Sie nicht im Ballsaal?“

„Ich habe mich gelangweilt. Außerdem war es mir dort zu heiß.“

Wie er sie in ihrem roten, entschieden zu knapp sitzenden Cocktailkleid musterte, machte Beth verlegen. Unauffällig versuchte sie, den Ausschnitt zurechtzurücken, der ihre üppigen Brüste gerade noch züchtig bedeckte. „Ja … ich weiß … das Kleid sitzt nicht so gut. In meiner Größe war es nicht da.“

Missbilligend runzelte der Mann die Stirn. „Es hätte in allen Größen bereit liegen müssen.“

Beth verdrehte die Augen. „In allen Größen: von small bis medium. Aber ich bin etwas … voller. Außerdem waren meine Kapuzenjacke und die Jeans patschnass, sodass ich es mir nur flüchtig angehalten habe. Heute Nachmittag hat es geregnet, als ich durch Paris geschlendert bin.“

Der Fremde wirkte überrascht. „Sie sind nicht bei den anderen im Hotel geblieben?“

„Um Schönheitsschlaf zu halten – und abends für den Scheich attraktiv zu sein?“ Sie lachte abschätzig. „Ich weiß, dass ich nicht sein Typ bin. Außerdem war das für mich die einzige Gelegenheit, etwas von Paris zu sehen. Morgen schickt man mich nach Hause.“

„Woher wollen Sie das wissen?“

„Weil die Beauftragten des Scheichs offenbar nicht wissen, was sie mit mir anfangen sollen. Stundenlang haben sie mich im Ballsaal warten lassen – der Mann hielt es nicht einmal für nötig, in meine Richtung zu deuten.“

Das schien den Unbekannten zu stören. „Er war unhöflich?“

„Ach … das ist schon in Ordnung“, winkte Beth ab. „Der König ist auch nicht mein Typ.“

Der Mann wirkte befremdet. „Wie sind Sie sich da so sicher? Offenbar haben Sie ihn noch nicht einmal gesehen.“

Beth überlegte blitzschnell. Woher weiß er das? „Tja … da mögen Sie recht haben. Ich weiß, ich hätte im Internet herunterladen sollen, was er mag oder nicht. Aber ich habe erst zwei Tage vor dem Abflug von der Einladung erfahren und war zu beschäftigt.“

Das schien den blendend aussehenden Unbekannten zu verwundern. „Zu beschäftigt?“

„Total.“ Beth hatte den Frühlingschlussverkauf in aller Eile vorbereiten müssen, weil ihr Chef den unangemeldeten Urlaub eigentlich nicht genehmigen wollte. Eingedenk ihrer Rolle setzte sie schnell hinzu: „Im Labor ging alles drunter und drüber.“

„Das kann ich mir vorstellen. Arbeiten Sie an einem lebenswichtigen Projekt?“

Der Fremde wirkte interessiert und schien Näheres darüber hören zu wollen. Wie er sie ansah, ging ihr durch und durch – so sehr, dass ihr die sorgfältig zurechtgelegten Einzelheiten über Ediths Forschung nicht einfielen.

„Krebsforschung ist eine überaus verantwortungsvolle Wissenschaft, die entscheidend dazu beitragen kann, Leben zu retten.“

„Ja … ich weiß.“

Erleichtert stellte Beth fest, dass er nicht weiter nachfragte, und wechselte das Thema. „Sie arbeiten also für den König? Warum sind Sie dann hier draußen, statt sich im Empfangssaal nützlich zu machen?“

In seinen dunklen Augen erschien ein Ausdruck, der Beth verunsicherte.

„Weil ich keine Lust dazu habe.“

Was ist das denn für eine Antwort? Die kühle Abendbrise ließ sie erschauern. Oder war es die Ausstrahlung des Unbekannten? Er war ungewöhnlich groß – ein wahrhaft beeindruckender Mann, der Macht und Kraft ausstrahlte. Vielleicht spielte er eine wichtige Rolle bei Hofe.

Er überragte sie fast um einen Kopf. Der dunkle Anzug betonte seine breiten Schultern und ließ ihn noch überwältigender wirken. So stark hatte Beth sich noch nie zu einem Mann hingezogen gefühlt. Am gefährlichsten waren seine Augen, deren dunkle Tiefen sie unwiderstehlich in ihren Bann schlugen.

Beth musste sich zwingen, den Blickkontakt zu brechen. „Na ja“, brachte sie verwirrt hervor. „Ich sollte jetzt wieder hineingehen und warten, bis der König mich gnädig heranwinkt.“ Sie seufzte. „Dafür werde ich schließlich bezahlt.“

„Bezahlt?“

„Natürlich“, erklärte sie ihm. „Jede Frau bekommt eine Million Dollar dafür, dass sie sich hier zeigt. Und eine weitere Million für jeden Tag, den sie länger bleiben soll.“

„Allein schon die Chance, Königin von Samarqara zu werden, sollte ein verlockender Anreiz sein“, bemerkte er Fremde verstimmt. „Bestechungsgelder dafür zu zahlen, geht wirklich zu weit.“

„Finde ich auch“, gab Beth ihm recht. „Ich verstehe nicht, warum all die Schönen und Berühmtheiten hier angetanzt sind. Aber sicher mag da auch das Geld eine Rolle spielen …“ Beth dachte an ihre Schwester. „Auch als Berühmtheit und berufliches Genie braucht man möglicherweise Geld …“

„Und Sie?“ Das Mondlicht umspielte die markanten Züge des Fremden. „Sind Sie auch des Geldes wegen hier – Dr. Farraday?“

„Natürlich“, flüsterte sie. Noch nie hatte ein Mann ihr so viel Aufmerksamkeit geschenkt. Wie ein Märchenprinz aus einem fantastischen Traum kam er ihr vor.

Und wie er sie ansah, ließ ihr Herz jagen. Er war nur noch einen Schritt von ihr entfernt, sie konnte kaum atmen. Mit jedem Atemzug pressten ihre Brüste stärker gegen das enge Oberteil des trägerlosen roten Cocktailkleids und drohten sich selbstständig zu machen, als der Unbekannte im dämmrigen Palaisgarten noch etwas näherkam.

„Sie sind also des Geldes wegen hier?“, vergewisserte er sich.

„Krebsforschung ist teuer“, brachte Beth bebend hervor.

„Das kann ich mir vorstellen.“ Er blieb stehen und blickte ihr in die Augen. „Aber dass Frauen sich dafür bezahlen lassen herzukommen, hätte ich nicht gedacht.“

„Nein?“ Beth atmete auf. Also war er wohl doch kein Berater des Scheichs. Dann würde er seinem König hoffentlich auch nicht berichten, wie dumm und sorglos Dr. Edith Farraday sich im Garten einem völlig Fremden gegenüber geäußert hatte. Die wirkliche Edith wäre entsetzt. Es war leichtsinnig, solche Dinge impulsiv von sich zu geben.

Etwas vorsichtiger fragte Beth: „Als was arbeiten Sie für den König? Als Leibwächter?“

Einen Moment lang sah der Fremde sie zweifelnd an. „Wissen Sie es wirklich nicht?“

„Sind Sie ein entfernter Cousin? Oder berühmt? Wie gesagt, ich war sehr beschäftigt und bin im Flieger eingeschlafen. Und heute bin ich durch Paris geschlendert …“

Ihr wurde bewusst, dass sie plapperte, denn der Mann zog eine Braue hoch und sah sie an, als wäre sie ein Rätsel, das er lösen musste.

Ich … ein Rätsel? In ihr konnte man lesen wie in einem offenen Buch.

Diesmal anscheinend nicht. Wer immer der Unbekannte war, er durfte ihrem Geheimnis nicht auf die Spur kommen – dass sie gar nicht Dr. Edith Farraday war …

Bis jetzt hatte Beth das Ganze eher als Gefallen für ihre Schwester betrachtet. Eine Möglichkeit, Edith bei der Arbeit mit kranken Kindern zu unterstützen … und ein bisschen von Paris zu sehen. Doch der König bezahlte eine atemberaubende Summe, um Edith Farraday kennenzulernen … ganz sicher nicht eine gewöhnliche Verkäuferin aus Houston.

Entsetzt erkannte Beth, dass das, was sie und Edith taten, juristisch auf Betrug hinauslief.

Unauffällig zupfte sie sich den Ausschnitt ihres roten Seidenkleids etwas höher. Kein Wunder, dass er sie so seltsam ansah – und taktvoll fortblickte.

Beth schämte sich. Sie kam sich billig und hintertrieben vor. Wäre ich doch nur nicht hergekommen! Zu Hause, in ihrer Schlabberkleidung, die sie im Second-Hand-Shop ihres Chefs billig erstanden hatte, würde sie sich sehr viel besser fühlen. Dort würdigte kein Mann sie eines zweiten Blickes.

„Ich sollte jetzt gehen.“ Schuldbewusst wollte sie in den Ballsaal zurückflüchten, doch der Fremde hinderte sie daran.

„Und was halten Sie von ihnen?“, fragte er rau.

Verwirrt wandte sie sich ihm wieder zu. „Von wem?“

„Den anderen Frauen?“

„Warum wollen Sie das wissen?“

„Es würde mich interessieren, warum Sie glauben, eine Frau wie Sie hätte beim König keine Chance. Wenn nicht Sie – wer sonst?“

Nun war Beth wachsam. „Versprechen Sie mir, es dem Scheich nicht zu verraten?“

„Warum nicht?“

„Ich möchte keiner die Chancen verderben.“

Auf komisch altmodische Art legte er sich die Hand aufs Herz. „Ich verspreche Ihnen, es niemandem zu verraten.“

Und Beth glaubte ihm.

Zögernd eröffnete sie dem Fremden: „Ich tippe auf die Filmschauspielerin. Sie wurde gerade als berühmteste Schönheit der Welt bezeichnet.“

„Sie meinen Sia Lane?“

„Genau. Sie ist wirklich atemberaubend schön. Und charmant.“ Beth hielt inne. „Aber auch boshaft. Auf dem Flug von New York hat sie die Flugbegleiterinnen pausenlos herumgehetzt – weil sie ihre Mineralwasserwassermarke nicht an Bord hatten. Und als der Gepäckträger ihren Designerkoffer um ein Haar fallen ließ, drohte sie, seine ganze Familie heranzuziehen, falls das Ding auch nur einen Kratzer abbekommen hätte. Sie würde vermutlich sogar einen Hund treten.“ Beth neigte den Kopf. „Es sei denn, das Tier könnte ihrer Karriere nützen.“

Der Fremde lachte. „Und sonst?“

Beth bekam Gewissensbisse. „Das hätte ich nicht sagen sollen.“ Resigniert seufzte sie. „Vielleicht ist sie ja ganz nett und hatte einfach einen schlechten Tag.“

Der Mann zeigte keine Regung. „Wenn sie so boshaft ist … wer von den anderen ist die Netteste?“

„Laila al-Abayyi“, erwiderte Beth wie aus der Pistole geschossen.

Der Unbekannte verzog schmerzlich das Gesicht, doch Beth fuhr bereits fort: „Alle mögen sie. Sie ist eine Art Mutter Theresa. Und da sie aus Samarqara stammt, beherrscht sie natürlich die Sprache und kennt sich mit der Kultur und den Sitten des Landes aus …“

„Wer sonst?“, unterbrach der Fremde sie schroff.

Sein Ton verwirrte Beth. „Bere Akinwande ist nicht nur schön, sondern auch klug. Sie wäre eine gute Königin. Das könnte ich mir aber auch von einigen anderen vorstellen … Aber ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, warum auch nur eine von ihnen den König heiraten wollen sollte.“

„Und warum nicht?“

„Ach, ich weiß nicht … Er scheint ein Mann zu sein, der eine große Zirkusnummer abziehen muss, um eine Frau zu finden?“ Sie verdrehte die Augen. „Ehrlich gesagt, kommt das Ganze mir wie eine Reality Show vor.“

„Für einen Mann seiner Stellung ist es nicht einfach, die richtige Partnerin zu finden“, bemerkte der Fremde steif und sah sie forschend an. „Eine international anerkannte Wissenschaftlerin wie Sie findet doch offenbar auch kaum Zeit, sich von der anspruchsvollen Arbeit loszureißen und auf altmodische Art einen Ehemann zu finden.“

Wieder regte sich ihr Gewissen. „Da mögen Sie recht haben“, gab sie zu. „Wer bin ich, um mir ein Urteil über die Frauen zu erlauben? Schließlich bezahlt der König uns für die Zeit, die wir hier verbringen. Ich sollte ihm dankbar für die Gelegenheit sein, auf diese Weise Paris kennenzulernen“, setzte sie spontan hinzu. „Das werde ich ihm auch sagen – falls ich ihn überhaupt zu sehen bekomme.“

„Dr. Farraday?“, machte ein Mann sich hinter ihr plötzlich bemerkbar. „Was tun Sie hier draußen? Sie werden im Ballsaal erwartet.“

An der offenen Saaltür stand ein Scheichbeauftragter und winkte sie ungeduldig heran. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich blitzartig, als er den Fremden erkannte, der unmutig den Kopf schüttelte.

„Entschuldigen Sie vielmals, Dr. Farraday“, verbesserte der Berater sich erschrocken. „Wir wären Ihnen verpflichtet, wenn Sie freundlicherweise in den Ballsaal zurückkehren könnten.“

„Gut. Offenbar soll ich dem König endlich vorgestellt werden.“ Sie lächelte dem Fremden zu. „Wünschen Sie mir Glück.“

Er tippte ihr auf die nackte Schulter und blickte ihr in die Augen. „Viel Glück.“

Beth erschauerte, der Blick ging ihr durch und durch – doch sie spielte mit. „Auch von den besten Wünschen begleitet, kann man versagen. Ich bin die geborene Versagerin … und muss es wissen.“

Als der Unbekannte seltsam reagierte, rief sie sich hastig vor Augen: Die Versagerin ist Beth – hier bin ich Edith, das Genie.

„Ich meine … Ach lassen wir das. Alles Gute!“ Schnell drehte sie sich um und folgte dem Berater aus dem Garten.

Doch als sie den stickigen Ballsaal betrat und den Scheich auf dem Podest entdeckte, fiel alle Nervosität von ihr ab. Der mächtige König, der Himmel und Erde bewegte und die erfolgreichsten Schönen der Welt zusammengetrommelt hatte, war nur ein Mann, der frustriert eine Braut suchte.

In Gedanken war sie immer noch bei dem Fremden, bei dessen bloßer Berührung ihr in einem mondüberfluteten Pariser Garten Schauer über die Haut gelaufen waren.

Nachdenklich blieb Omar im nächtlichen Garten zurück.

Sollte Dr. Edith Farraday wirklich nicht aufgegangen sein, wer er war … nachdem sie sich so lange unterhalten hatten?

Sie musste ihn erkannt haben.

Falls sie ihn auf sich aufmerksam machen wollte, wäre das zumindest etwas Neues. Bisher hatte noch keine Frau vorgegeben, ihn nicht zu kennen.

Interessierte Dr. Edith Farraday sich so wenig für ihn, dass sie sich nicht die Mühe genommen hatte, Zeitungen oder Magazine zu lesen und sich nicht einmal online über ihn informiert hatte?

Undenkbar.

Dennoch spürte er, dass Dr. Edith Farraday sich nicht verstellt hatte. Sie schien wirklich keine Ahnung zu haben, wer Omar bin Saab al-Maktoun war.

Schließlich hatte auch er manches nicht gewusst – zum Beispiel, dass Khalid zwanzig prominente Damen dafür bezahlte, alles stehen und liegen zu lassen und den weiten Flug nach Paris auf sich zu nehmen, um vielleicht Königin von Samarqara zu werden.

Er hatte seinem Cousin freie Hand gelassen, was der getreue Wesir auf seine Weise umgesetzt hatte. Am Ende des Abends würde Khalid die Zahl der Brautanwärterinnen auf zehn beschränken, die dem Scheich am nächsten Tag vorgestellt werden sollten.

Beim Überfliegen der Liste war Omar aufgefallen, wie karrierebewusst und ehrgeizig die Anwärterinnen waren. Um Königin von Samarqara zu werden, mussten sie bereit sein, ihren Beruf, ihr bisheriges Leben aufzugeben.

Aber was kann eine Frau mehr erreichen, als Königin von Samarqara zu werden?

Nur ein Name auf der Liste der Brautliste hatte ihn erbost.

„Warum hast du Laila al-Abayyi eingeladen?“, hatte er den Wesir am Morgen zur Rede gestellt. „Ich habe dir ausdrücklich erklärt, dass ich sie auf keinen Fall heirate.“

„Sagen wir es so …“, hatte Khalid freundlich eingelenkt. „Du wolltest sie nur heiraten, wenn die Adligen sie einstimmig als Königin wollen.“

Autor

Jennie Lucas

Jennie Lucas wuchs umringt von Büchern auf! Ihre Eltern betrieben einen kleinen Buchladen und so war es nicht weiter verwunderlich, dass auch Jennie bald deren Leidenschaft zum Lesen teilte. Am liebsten studierte sie Reiseführer und träumte davon, ferne Länder zu erkunden: Mit 17 buchte sie ihre erste Europarundreise, beendete die...

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