Die letzte Nacht mit dem Prinzen

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Goodbye, Sofia: Die königliche Pflicht ruft, Prinz Nikandros muss unerwartet den Thron von Akathinia besteigen. Da ist für seine Geliebte kein Platz mehr. Doch dann erfährt er, dass er die schöne Bürgerliche nicht allein in Manhattan zurückgelassen hat …


  • Erscheinungstag 11.02.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739409
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Schwungvoll stieg Sofia Ramirez aus dem gelben New Yorker Taxi. Durch die Sohlen ihrer Designer-Sandaletten spürte sie den von einem heißen Sommertag aufgeheizten Asphalt des Bürgersteigs. Ein Mann im Smoking ließ einen bewundernden Blick über Sofias schlanke Beine gleiten, bevor er fasziniert ihre kurvenreiche Figur betrachtete, die von einem eleganten champagnerfarbenen Cocktailkleid besonders gut zur Geltung gebracht wurde. Die perfekt auf das mit Perlstickerei verzierte Kleid abgestimmte Clutch fand ebenfalls die Zustimmung des Mannes.

Sofia drückte dem Taxifahrer das Fahrgeld in die Hand, prüfte, ob ihre elegante Steckfrisur perfekt saß, und erklomm die Stufen zum Metropolitan Museum of Art. Als Inhaberin einer der angesagtesten Modeboutiquen der Weltstadt wusste sie genau, wie sie sich zu welchem Anlass kleiden musste. Mit Stil und Understatement kam man in New York am besten an. Zu schlicht durfte es allerdings auch nicht sein, wenn man verhindern wollte, dass die hochnäsigen New Yorker sich die Münder über einen zerrissen.

Selbstbewusst betrat Sofia das Museum. Eine ihrer besten Kundinnen hatte hier zu einem Benefizabend zugunsten der schönen Künste eingeladen.

In ihrem Outfit fühlte Sofia sich gewappnet für die wichtige Aufgabe, die sie sich für den heutigen Abend vorgenommen hatte, nämlich die Beziehung zu einem der einflussreichsten Männer Manhattans zu beenden.

Kein gewöhnlicher Mann, sondern ein waschechter Prinz! Zudem unglaublich sexy. Prinz Nikandros Constantinides war der jüngere Sohn des Königs von Akathinia, einem kleinen Inselreich im Mittelmeer.

Nik war nicht nur unglaublich charismatisch, sondern auch unzähmbar, wie seine zahlreichen, leicht verbitterten Verflossenen den übereifrigen Paparazzi in die Mikrofone hauchten.

Sofia wusste das natürlich, trotzdem hatte sie sich mit ihm eingelassen und ungeduldig auf seinen Anruf gewartet. Doch seit seiner Geschäftsreise nach Mexiko, wo er ein viel beachtetes Freihandelsabkommen geschlossen hatte, herrschte Funkstille. Erst heute hatte Nik es für nötig gehalten, sich zu melden. Vermutlich nur, weil er wusste, dass sie auch zu dieser Veranstaltung eingeladen war.

Nun flatterten Sofia die Nerven doch ein wenig. Mit leicht bebender Hand zeigte sie ihre Einladungskarte vor und durfte den Raum mit der Ausstellung über den ägyptischen Tempel von Dendur betreten.

Für Sofia kam es nicht infrage, sich von einem Mann gängeln zu lassen, selbst dann nicht, wenn er so sexy und charismatisch war wie Nik. Daher hatte sie beschlossen, das zu tun, was eine kluge Frau in dieser Situation tun musste: Schluss machen, bevor Nik ihr das Herz brach.

Suchend ließ Sofia den Blick über die New Yorker Prominenz gleiten, die der Einladung gefolgt war. Schließlich entdeckte sie die Gastgeberin Natalia Graham, die bekannte Wohltäterin. Natalia entstammte einer alten, schwerreichen New Yorker Familie.

Ende der Sechzigerjahre hatte die ägyptische Regierung den Tempel von Dendur den Vereinigten Staaten von Amerika geschenkt, die ihn dem Metropolitan Museum überlassen hatten.

Heute Abend erstrahlte das antike Gemäuer aus der Zeit der Pharaonen in festlichem Glanz.

Immer wieder wurde Sofia von Bekannten angesprochen. Freundlich wechselte sie einige Worte mit ihren Kundinnen. Inzwischen beherrschte sie den Small Talk perfekt. Sie hatte hart daran gearbeitet, denn im Gegensatz zu ihrer Klientel war sie nicht mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt gekommen.

„Da bist du ja, Sofia.“ Herzlich umarmte Natalia sie. „Ich freue mich sehr, dich zu sehen.“

„Bitte entschuldige meine Verspätung. Es war ein schrecklich hektischer Tag.“

„Du kannst es sicher kaum erwarten, die Füße hochzulegen“, vermutete Natalia und zog Sofia zur Bar. „Katharine ist gar nicht da.“

„Nein, ihr Vater ist zu Besuch gekommen.“

„Aha. Und wo hast du deinen Begleiter versteckt? Normalerweise hast du ja immer einen blendend aussehenden Mann an deiner Seite, meine Liebe.“ Natalia warf ihr einen verwunderten Seitenblick zu. „Oder stimmt es, was über dich und den Prinzen getuschelt wird?“

Graziös schob Sofia sich auf einen Barhocker. „Für einen Mann ist kein Platz in meinem Leben“, behauptete sie. „Ich arbeite ja Tag und Nacht.“

„Hm.“ Natalia nahm ihr das nicht ab. Aber es ging sie ja auch nichts an. „Möchtest du einen Martini?“

„Gern.“ Ein Schluck Alkohol half ihr vielleicht dabei, nachher die richtigen Worte zu finden. Zunächst unterhielt sie sich mit Natalia über die gemeinsam geplante Modenschau zugunsten Natalias Stiftung.

Plötzlich zog die Wohltäterin die Augenbrauen zusammen. Offensichtlich hatte sie in der Menge jemanden entdeckt, der ihre Aufmerksamkeit erregte. „Da ist ja der Prinz. Er hat gerade direkt hinter dir Platz genommen“, raunte sie Sofia zu.

Sofias Herz klopfte sofort schneller, und sie spürte ein Prickeln im Rücken. Ein sicheres Zeichen für Niks Nähe. Er konnte sich nie an ihr sattsehen.

„Damit wäre meine Frage von vorhin beantwortet“, stellte Natalia fest.

Sofia nippte an ihrem Martini, um Zeit zu gewinnen. Bisher war es Nik und ihr gelungen, ihre Beziehung geheim zu halten. Sie hatten sich bei einer Spendenaktion im Krankenhaus kennengelernt. Allerdings wurde in den vergangenen Wochen immer mal wieder in der Presse spekuliert, dass der Prinz ihr Lover sei. Da sie die Beziehung noch heute Abend beenden wollte, brauchte sie Natalia ja wohl kaum reinen Wein einzuschenken.

„Da ist nichts“, erklärte sie deshalb ausweichend. „Du weißt doch selbst, wie er ist.“

Natalia zog eine Augenbraue hoch. „Nichts? So wie der dich ansieht? Das nehme ich dir nicht ab.“

Sofia biss sich auf die Lippe, wandte sich um und fing Niks verlangenden Blick auf. Ihr Prinz sah mal wieder atemberaubend aus. Das silbergraue Jackett hatte er abgelegt, das weiße Hemd am Kragen aufgeknöpft. Lässig und sehr selbstbewusst hatte Nik die langen Beine ausgestreckt. Heißes Verlangen durchströmte Sofia beim Anblick dieses Sexgottes, der ihr noch immer gefährlich werden konnte.

Hastig drehte sie sich wieder um, hob mit leicht bebender Hand das Glas und trank noch einen Schluck Martini. Gleichzeitig rief sie sich in Erinnerung, wie verletzt sie war, weil Nik sich die ganze Woche lang nicht bei ihr gemeldet hatte. Ich mache mit ihm Schluss, dachte sie entschlossen. Dieses Mal lasse ich mich nicht wieder von seinem Charme einwickeln.

„Wetten, dass die Schönheit an der Bar dich schwach werden lässt? Dein selbst auferlegtes Zölibat kannst du vergessen, Nik.“ Freundschaftlich stieß sein Kumpel Harry ihm in die Rippen. „Jake hält dagegen.“

Nik hätte seine besten Freunde ins Vertrauen ziehen können. Aber er fand, es ginge sie nichts an, dass er bei Sofia schon vor zwei Monaten schwach geworden war. Daher trank er einen Schluck Whisky und lächelte geheimnisvoll.

„Ihr wisst doch, womit ich mich in den vergangenen sechs Monaten beschäftigt habe: Mit Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen. Glaubt ihr wirklich, ich hätte daneben noch Zeit für Vergnügen gehabt?“

Harry musterte ihn misstrauisch. „Irgendwas ist doch im Busch, Nik. Du bist überhaupt nicht bei der Sache.“

Ja, das war ihm selbst auch schon aufgefallen. Er fühlte sich innerlich zerrissen, spürte eine tiefe Sehnsucht, wusste jedoch nicht, wonach. Eigentlich hätte er mit sich und der Welt sehr zufrieden sein müssen, denn das Freihandelsabkommen zwischen seinem Königreich und Mexiko war ein brillanter Schachzug gewesen, den niemand ihm zugetraut hatte. Stattdessen fühlte Nik sich trotz dieses Erfolgs leer und lustlos. Wie sollte er das seinen vom Erfolg verwöhnten Kumpeln erklären? Sie würden es ja doch nicht verstehen, dass er mit seinem Milliardenetat, seinem Einfluss, seinem Status so niedergeschlagen war, obwohl er sich jeden seiner Wünsche hätte erfüllen können. Ich habe eine Sinnkrise, stellte Nik erstaunt fest. Denn was sollte es sonst sein? Für eine Midlife-Crisis war er jedenfalls noch zu jung.

Frustriert leerte er sein Glas, als die Gastgeberin des Abends sich vom Barhocker neben Sofias schob.

„Vielleicht brauche ich einfach eine neue Inspiration“, sagte er leise und stand ebenfalls auf.

„Genau!“ Triumphierend hob Harry die Hände. „Ich habe es ja gewusst.“

Zielstrebig steuerte Nik auf Sofia zu. Die anderen Frauen, die ihn und seine Freunde keine Sekunde lang aus den Augen gelassen hatten, würdigte er keines Blickes.

Sofia … Seine Geliebte sah mal wieder unwiderstehlich aus. Er liebte ihre Kurven, die in Manhattan eigentlich verpönt waren. Sofia hatte eine Wespentaille, wie damals die Starlets aus den Fünfzigern und Sechzigern. Das schwarze Haar war kunstvoll aufgesteckt. Er freute sich schon, es zu lösen, sodass es duftig über die Schultern fiel.

Sie wickelte sich gerade eine Strähne um den Finger, die sich aus der Steckfrisur gelöst hatte, als er auf dem leeren Barhocker Platz nahm. Seltsam, dachte Nik. Diese Geste passt so gar nicht zu der sonst so gelassenen Sofia.

Fasziniert betrachtete er ihr ebenmäßiges Gesicht mit der geraden Nase, den weichen Lippen, die zum Küssen einluden, und den dunklen Augen mit den schwarzen Wimpern, in denen er sich so gern verlor.

„Guten Abend, Eure Hoheit“, sagte sie heiser zur Begrüßung.

Nik lächelte amüsiert. Natürlich gaben sie in der Öffentlichkeit vor, einander kaum zu kennen. Aber damit nicht genug …

„Für diese Anrede wirst du bestraft, Sofia“, raunte er ihr zu. Normalerweise reagierte sie darauf mit einem erwartungsvollen Schauer. Doch dieses Mal zeigte sie keine Reaktion.

Erstaunt musterte er Sofia. „Was ist los? Hast du einen schlechten Tag gehabt?“

„Nein, ganz im Gegenteil. Ich …“ Sie verstummte, schob das Martiniglas von sich und stand auf. „Können wir bitte von hier verschwinden?“

Das wollte er auch gerade vorschlagen. Allerdings hatte er den Eindruck, dass Sofia sich wieder in ihr Schneckenhaus zurückgezogen hatte. Okay, er würde sie schon wieder herauslocken …

Nik legte einen Geldschein auf den Bartresen, um für die Getränke zu bezahlen, und stand auf. „Klar. Wir treffen uns an der Ecke Achtzigste Straße. Carlos fährt den Wagen vor.“

Sofia machte sich auf den Weg, während Nik sich noch schnell von seinen Freunden verabschiedete. Trotz der Hitze erschauerte sie, als sie das Museum verließ und auf den Bentley zuging, den Carlos gerade vorgefahren hatte.

Er stieg aus, begrüßte sie und hielt ihr höflich den Wagenschlag auf.

Dankbar setzte Sofia sich auf den Lederrücksitz der Luxuslimousine. Die Gedanken überschlugen sich förmlich, während Sofia auf Nik wartete. Sollte sie gleich hier im Wagen ihre Beziehung beenden? Kurz und schmerzlos, ohne lautstarke Auseinandersetzungen. Anschließend könnte Nik sie nach Hause bringen. Oder sollte sie warten, bis sie bei ihm zu Hause waren?

Während sie noch hin und her überlegte, setzte Nik sich zu ihr in den Fond und wies Carlos an, sie in sein am Central Park West gelegenes Penthouse zu bringen. Dann schloss er die Trennscheibe, lehnte sich zurück und schaute Sofia aufmerksam an.

„Was ist los, Sofia?“

Sie beschloss, erst im Penthouse Schluss zu machen. „Das sage ich dir, wenn wir da sind, okay?“

Kala.“ Nik nickte zustimmend – sehr zu Sofias Erleichterung.

Stürmisch zog er sie auf den Schoß und umfasste ihr Kinn. „Du hast mich noch gar nicht richtig begrüßt.“

Heißes Verlangen durchströmte Sofia, doch sie gab sich schüchtern. „Wir sitzen im Auto, Nik. Was soll Carlos von uns denken?“

Erstaunt sah er sie an. „Das hat dich bisher nie gekümmert.“ Entschlossen begann er, sie zu küssen. „Es ist doch nur ein Kuss“, raunte er an ihrem Mund.

Nur ein Kuss? Dabei würde es bei Nik aber nicht bleiben. Schon war Sofia überwältigt von der wilden Lust, die er in ihr entfesselte, schloss die Augen und gab sich dem sinnlichen Spiel hin. Verlangend drängte sie sich an ihn. Sofort wurde Niks Kuss noch leidenschaftlicher. Ausführlich erforschte er ihren süßen Mund.

Sofia stöhnte lustvoll, schmiegte sich noch enger an Nik und schob die Hände durch seine schwarzen Locken.

Schließlich beendete er den Kuss und schaute ihr triumphierend in die Augen. „Jetzt siehst du nicht mehr wie eine Anziehpuppe aus Pappe aus, sondern sehr lebendig, wunderschön und sexy.“

„Epharisto.“ Das griechische Wort für ‚danke‘. Nik hatte ihr einige Begriffe in seiner Muttersprache beigebracht. „Dich haben die Frauen heute Abend ja mal wieder mit Blicken verschlungen“, fügte sie dann hinzu.

Nik amüsierte sich. „Bist du etwa eifersüchtig, Sofia? Ich muss sagen, ich fühle mich geschmeichelt.“

Diese Worte ernüchterten sie. Entschlossen befreite sie sich aus Niks Armen und setzte sich wieder auf den Ledersitz, fuhr sich prüfend übers Haar und suchte verzweifelt nach einem unverfänglichen Gesprächsthema.

„Ich möchte dir zu deinem erfolgreichen Vertragsabschluss gratulieren, Nik. Dir ist ein echter Coup gelungen, sehr zur Überraschung einiger Analysten.“

„Ja, es stand auf Messers Schneide. Aber ich bin meinem Ruf gerecht geworden, Unmögliches möglich zu machen.“

Sofia lächelte über sein unerschütterliches Selbstbewusstsein. Das war bei Nik aber durchaus berechtigt, denn das Examen in Harvard hatte er mit Auszeichnung bestanden, er war ein Rechengenie und hatte bereits mehrere hochdotierte Verträge für sein Heimatland Akathinia abgeschlossen. Man nannte ihn auch das Wall-Street-Genie. Den pittoresken Inselstaat im Mittelmeer hatte er innerhalb von zehn Jahren zum Anziehungspunkt der Reichen und Schönen gemacht. Die Wirtschaft im kleinen Königreich boomte.

„Dein Ehrgeiz ist enorm, Nik. Wenn du nicht gewinnst, bist du nicht zufrieden.“ Sofia lachte.

„Stimmt.“ Er schaute ihr tief in die Augen.

Ihr wurde heiß. Auch bei ihr hatte er gesiegt. Anfangs hatte Sofia seine Einladungen zum Abendessen abgelehnt, doch irgendwann war sie doch schwach geworden. Im Nachhinein die richtige Entscheidung, denn der Prinz sah nicht nur blendend aus, sondern zeichnete sich durch Vielschichtigkeit aus. Nik war ein faszinierender Mann.

Forschend schaute sie ihn an. „Was würde passieren, wenn es dir nicht mehr genügt zu gewinnen?“, fragte sie neugierig.

„Das werde ich wohl bald herausfinden.“

Sie wunderte sich. Ahnte er etwas?

Die Limousine hielt vor dem imposanten Gebäude, dessen oberste Etage Nik bewohnte. Schweigend stiegen sie aus und nahmen den Fahrstuhl zum 67. Stockwerk. Dort befand sich Niks exklusives Penthouse.

Sofia schlüpfte aus den High Heels, Nik öffnete eine Flasche Prosecco im Salon. Der Ausblick durch die Glasfront auf den Central Park war atemberaubend. Im Hintergrund das Empire State Building. Fasziniert ließ Sofia den Blick über die New Yorker Skyline mit den vielen bunten Lichtern gleiten.

Als der würzige Duft seines Aftershaves sie umfing, wandte sie sich ab. Nik reichte ihr ein Glas Prosecco und stieß mit ihr an.

Sofia trank einen Schluck und schaute dann wieder aus dem Panoramafenster. Niks forschender Blick machte sie nervös. Geistesabwesend verfolgte sie den Flug eines Passagierjets am Horizont.

„Was ist los, Sofia? Denkst du an deinen Vater?“, fragte Nik einfühlsam. Er wusste, dass morgen der zwanzigste Todestag ihres Vaters war. „Trauerst du immer noch um ihn?“

Natürlich tat sie das! Ihr Vater war mitten über dem Atlantik mit dem Flugzeug abgestürzt. Der Motor hatte einfach ausgesetzt. Wäre die Maschine regelmäßig gewartet worden, könnte ihr Vater noch leben. So hatte Sofia ihren geliebten Daddy, ihr großes Vorbild verloren.

„Ja, aber es tut nicht mehr so weh“, sagte sie heiser. „Ich verstehe nur immer noch nicht, warum es passieren musste. Aber damit muss ich mich abfinden, sonst wäre ich verloren.“

„An dir ist eine Philosophin verloren gegangen. Mit deinen acht Jahren damals konntest du sicher noch nicht verstehen, warum man dir deinen Daddy genommen hatte. Der Verlust muss dich tief getroffen haben.“

Allerdings! Der Anruf mitten in der Nacht, ihre vollkommen am Boden zerstörte Mutter. Innerhalb weniger Stunden war Sofia ihrer sorglosen Kindheit beraubt worden.

Sofia sah auf. „Ja, ich weiß, wie es sich anfühlt, einen geliebten Menschen zu verlieren. Aus heiterem Himmel, ohne Vorwarnung. Deine ganze Welt stürzt ein.“

„Es muss schrecklich gewesen sein. Aber es kann auch ein Neubeginn sein. Heute führst du eine ausgesprochen erfolgreiche Boutique.“

Ironisch verzog sie das Gesicht. „Solange die Kundinnen mir die Treue halten.“

„Gut, mit dem Risiko musst du bei jedem Geschäft leben“, erklärte Nik. „Wenn du an deine Vision glaubst, kann dir aber nichts passieren“, behauptete er. „Wie hast du die Boutique eigentlich ursprünglich finanziert? Darüber haben wir uns noch nie unterhalten.“ Neugierig musterte er sie.

„Die Fluglinie war schuld am Tod meines Vaters. Die Maschine war nicht regelmäßig gewartet worden. Die Schadensersatzzahlung wurde auf ein Treuhandkonto geleistet. Als ich einundzwanzig wurde, konnte ich darüber verfügen. Bis dahin habe ich mein Modedesignstudium mit einem Stipendium finanziert.“

„Was interessiert dich mehr: die Arbeit als Designerin oder die Leitung der Boutique?“

„Ich arbeite gern in der Boutique, aber noch lieber als Designerin“, antwortete Sofia wahrheitsgemäß. „Leider komme ich kaum noch dazu. Es war wichtiger, dass die Boutique schwarze Zahlen schrieb. Erst jetzt kann ich es mir leisten, eine Verkäuferin einzustellen und an exklusiver Mode für die Boutique zu arbeiten.“

„Wann hast du das Geschäft eröffnet?“

„Vor sechs Jahren.“

„Eine lange Zeit, um dir deinen Traum zu erfüllen, Sofia“, fand Nik.

„Aber jetzt ist es bald so weit. Man muss eben Geduld haben“, rechtfertigte sie sich. „Außerdem ist es schwierig, gutes Personal zu finden. Ich kann ja nicht der erstbesten Verkäuferin meine geliebte Boutique anvertrauen.“

„Das klingt nach einer faulen Ausrede, Sofia. Wenn du etwas wirklich willst, dann setzt du alles daran, es zu erreichen. Geht nicht, gibt’s nicht.“

„Ich bin ja jetzt fast am Ziel.“ Wieso rechtfertige ich mich eigentlich? überlegte sie verstimmt. „Nicht allen Menschen fällt der Erfolg in den Schoß, so wie dir, Nik. Nicht alle Menschen verfolgen ihr Ziel, ohne nach links und rechts zu sehen.“

Betroffen sah er sie an. „Hast du wirklich diesen Eindruck von mir, Sofia?“

Sie nickte und wandte sich ab. Nik hatte eine empfindliche Stelle getroffen. Sofia wusste selbst, dass sie immer wieder neue Ausreden gefunden hatte, um die kreative Arbeit aufzuschieben. Langsam zweifelte sie an ihrem Talent.

„Weißt du, was ich glaube, Sofia?“

Sie drehte sich wieder zu ihm um und sah ihn fragend an.

„Ich glaube, du hast Angst. Du bist nämlich gar nicht so knallhart, wie du vorgibst. Du fürchtest, deine selbst entworfene Mode könnte sich als Flop erweisen. Deshalb schiebst du es vor dir her.“

Unglaublich, wie gut Nik sie kannte! Doch das konnte sie natürlich nicht zugeben. „Jetzt übertreibst du aber“, entgegnete sie daher.

„Sicher nicht.“ Er kam näher und streichelte zärtlich ihre Wange.

Die hauchzarte Berührung entfesselte ein heftiges Prickeln auf ihrer Haut.

„Ich weiß, wie schnell etwas schiefgehen kann, und du weißt das leider auch.“ Sanft zog er die Form ihrer sinnlichen Lippen nach und sah ihr tief in die Augen. „Mein erster Eindruck von dir war richtig: Du gibst nicht alles von dir preis, weil du Angst hast, verletzt zu werden. Aber so funktioniert das nicht. Verluste oder Tragödien lassen sich dadurch nicht verhindern, sie können dich jederzeit ereilen. Belohnt wird nur, wer Risiken eingeht.“

Was sollte sie dazu sagen? Nik hatte vermutlich recht. „Gilt das auch für dich?“, fragte sie schließlich herausfordernd. „Du versteckst dein wahres Ich hinter dieser aalglatten Fassade. Niemand ahnt, wie du wirklich bist, was du dir erträumst, was du dir erhoffst. Eins weiß ich allerdings inzwischen: Du bist nur zufrieden, wenn du gewinnst und solange dich etwas interessiert. Wann wirst du das Interesse an mir verlieren, Nik? Ist dir unsere Beziehung schon zu intim? Ist es an der Zeit, dich mit einem hübschen Schmuckstück von mir zu verabschieden?“

Seine Miene verfinsterte sich. „Ich habe dir nichts versprochen, Sofia. Du wusstest von Anfang an, worauf du dich einlässt.“

„Stimmt. Du aber auch. In dem Punkt sind wir uns sehr ähnlich. Wir lassen niemanden zu nahe an uns herankommen. Deshalb sollten wir jetzt auch Schluss machen, bevor wir beginnen, einander Vorhaltungen zu machen.“

Nik fühlte sich überrumpelt. „Wolltest du mich heute Abend treffen, um unsere Beziehung zu beenden?“, fragte er erstaunt.

Sofia nickte. „Ja, gib zu, dass dir das auch durch den Sinn gegangen ist! Sonst hättest du dich wohl schon eher bei mir gemeldet.“

Unwillig presste Nik die Lippen zusammen. „Ich hatte unglaublich viel zu tun. Ich konnte mich nicht früher bei dir melden, Sofia. Aber du hast recht. Auch ich finde, dass wir unsere Beziehung bald beenden sollten – bevor wir nichts mehr füreinander empfinden.“

So weit war es allerdings noch nicht …

Sofia ahnte, dass bis dahin noch viel Zeit vergehen würde. Doch darum ging es gar nicht, sondern darum, dass sie sich auch auf anderen Ebenen gut verstanden. Und das war eindeutig der Fall. Oder sah Nik das anders?

Offensichtlich. Vielleicht hatte sie sich doch etwas vorgemacht.

Nik kam näher und schaute sie mit schwer zu deutender Miene an. „Wir hatten eine schöne Zeit, Sofia.“

„Ja.“ Sie hielt seinem forschenden Blick stand.

„Dann war’s das jetzt mit uns?“, fragte Nik leise.

„Nein.“ Sofia stellte sich auf die Zehenspitzen und umfasste Niks markantes Gesicht. „Noch nicht ganz“, hauchte sie an seinen Lippen.

2. KAPITEL

Begehren leuchtete in Niks blauen Augen auf. Im nächsten Moment küsste er Sofia mit brennender Leidenschaft, gegen die Sofia machtlos war. Sie wollte sich auch gar nicht zur Wehr setzen, sondern ein letztes Mal mit Nik schlafen. Ein allerletztes Mal in den Armen dieses fantastischen Liebhabers liegen, ihn tief in sich spüren. Sofia ahnte, dass sie nie genug von ihm bekommen würde. Das machte ihr Angst, und deshalb musste sie die Beziehung noch heute beenden.

Sofia stöhnte erregt, als Nik begann, hauchzarte Küsse auf ihrem Hals zu verteilen und zielsicher die erogene Zone traf, während er geschickt den Reißverschluss des Kleides aufzog und seine angenehm warmen Hände darunterschob. Sofort drängte Sofia sich verlangend an Nik und spürte, wie erregt auch er war. Sie konnte es kaum erwarten, den harten Beweis seiner Männlichkeit in sich zu fühlen. Ein sehnsüchtiges Ziehen durchzuckte ihren Schoß.

„Nik …“

Autor

Jennifer Hayward

Die preisgekrönte Autorin Jennifer Hayward ist ein Fan von Liebes- und Abenteuerromanen, seit sie heimlich die Heftromane ihrer Schwester gelesen hat.

Ihren ersten eigenen Liebesroman verfasste Jennifer mit neunzehn Jahren. Als das Manuskript von den Verlagen abgelehnt wurde und ihre Mutter ihr empfahl, zunächst mehr Lebenserfahrung zu sammeln, war sie...

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