Die Nacht vor dem Geständnis

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Nicht flirten, nicht küssen! Nur unter dieser Bedingung ist Ashleigh bereit, mit ihrem Ex-Geliebten Jake in Sydney zusammenzuarbeiten. Denn sie weiß: Ein einziger Kuss des attraktiven Architekten genügt, um ihre Sehnsucht zu wecken – und um ihr größtes Geheimnis zu verraten ...


  • Erscheinungstag 04.02.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521468
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Als Ashleigh am Freitagabend beim Nach Hausekommen das Gesicht ihrer Mutter sah, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte.

Sie ließ die Handtasche auf den Fußboden fallen und schaute sich suchend nach ihrem fast vierjährigen Sohn Terence um. „Was ist los? Wo ist Terry?“

„Terry ist mit seinem Großvater fischen gegangen, Liebling“, erwiderte Gwen Forrester. Ruhelos verkrampfte sie die Finger, und ihre sonst so heitere Miene verriet, wie angespannt sie war.

„Was ist denn passiert? Du siehst aus, als wärst du einem Gespenst begegnet.“

Mrs. Forrester nahm die Hände ihrer Tochter und drückte sie. „Ich weiß nicht, wie ich es dir am besten sagen soll …“

Ein eisiger Schauer lief Ashleigh über den Rücken. So hatte sie ihre Mutter bisher nur ein Mal erlebt – damals, als sie mit ihrer Hiobsbotschaft aus London zurückkam. Aber um Jake Marriott konnte es sich diesmal nicht handeln, das war unmöglich. Nicht nach so langer Zeit. Viereinhalb Jahre, um genau zu sein.

„Mum! Sag endlich, was los ist. Du machst mich ganz nervös.“

„Er … er ist wieder da, Ashleigh.“

Der jungen Frau erstarrte das Blut in den Adern, und ihr Magen krampfte sich zusammen. „Jake?“, fragte sie fassungslos.

„Ja. Er ist vor zwei Stunden hier gewesen.“

Was? Hier bei uns?“

„Bitte reg dich nicht auf, Liebling, er hat Terry nicht gesehen.“

„Aber die Fotos!“ Ashleigh dachte an all die Bilder im Wohnzimmer, auf denen die stolzen Großeltern die ersten Lebensjahre ihres Enkels verewigt hatten. Gleich darauf fiel ihr noch etwas ein. „Und die Spielsachen, die überall herumliegen …“

„Ich hatte schon aufgeräumt, als er kam. Die Bilder hat er auch nicht gesehen, wir haben uns hier im Flur unterhalten.“

„Gott sei Dank.“ Ashleigh ließ sich auf den Sessel neben dem Telefontischchen im Flur sinken und legte den Kopf auf die Hände.

Jake war zurück.

Nach viereinhalb langen, qualvollen Jahren war er wieder in Australien.

Sie hob den Kopf und sah ihrer Mutter ins Gesicht. „Was wollte er?“

„Er will dich unbedingt sehen. Ich habe versucht, es ihm auszureden, aber er lässt sich nicht davon abbringen.“

Er hat sich nicht geändert, dachte Ashleigh zynisch. Was Jake will, das bekommt er, und wenn er dafür über Leichen gehen muss.

Sie sprang auf und lief ruhelos auf und ab. „Ich will ihn nicht wiedersehen. Ich kann es einfach nicht.“

„Liebling …“ Der leise Vorwurf in Gwens Stimme war nicht zu überhören. „Du hättest ihm schon längst sagen sollen, dass Terry sein Sohn ist. Er hat das Recht, es zu wissen.“

„Das hat er nicht!“ Zornig blieb Ashleigh vor ihrer Mutter stehen. „Er wollte keine Kinder, darauf hat er von Anfang an bestanden. Keine Kinder und keine Heirat, so lautete die Abmachung.“

„Trotzdem hättest du es ihm sagen müssen.“

Ashleigh atmete tief durch. Die Erinnerung an damals schmerzte wie eine offene Wunde. „Du willst es einfach nicht verstehen, Mum. Nach allem, was passiert ist, ergreifst du immer noch Partei für ihn.“ Erbittert schüttelte sie den Kopf. „Wenn Jake damals gewusst hätte, dass ich schwanger bin, hätte er mich in die nächstbeste Klinik geschleppt, um das Baby abtreiben zu lassen.“

„Dazu hätte er dich nicht zwingen können, Ashleigh. Diese Entscheidung hättest du treffen müssen.“

„Ich war noch nicht einmal zwanzig, allein mit einem Mann, der neun Jahre älter war als ich. Für den ich alles getan hätte, weil ich ihn so geliebt habe …“ Tränen standen in ihren Augen.

Mit einem Seufzer schloss Gwen ihre vierundzwanzigjährige Tochter in die Arme und strich ihr über das seidig glänzende aschblonde Haar, als wäre sie noch immer ein kleines Mädchen.

„Was soll ich bloß tun, Mum?“, murmelte Ashleigh erstickt.

„Du wirst dich mit ihm treffen“, erwiderte ihre Mutter sanft, aber entschieden. „Das bist du ihm schuldig, trotz allem, was geschehen ist.“

„Warum ist er zurückgekommen?“

„Sein Vater ist vor Kurzem gestorben. Ich nehme an, er muss sich um den Nachlass kümmern. Komm in die Küche, ich mache uns eine Tasse Tee.“

Ashleigh folgte ihr stirnrunzelnd. Als sie und Jake zusammen waren, hatte er auf ihre Frage nach seinen Eltern erwidert, sie wären beide gestorben, und er wolle nicht über sie sprechen. In der Annahme, dass es zu schmerzhaft für ihn war, hatte sie nicht darauf bestanden – und jetzt stellte sich heraus, dass er sie angelogen hatte. Warum?

Sie setzte sich auf einen der Hocker in der Frühstücksecke und sah ihrer Mutter beim Teekochen zu. „Hat er gesagt, wo er wohnt?“

„Im Moment in einem Hotel im Zentrum. Er erwähnte, dass er demnächst in das Haus seines Vaters umziehen will, hier im Norden der Stadt.“

„In unsere Gegend?“

„So hört es sich an. Es wird nicht einfach sein, Terry auf die Dauer vor ihm zu verstecken.“

Ashleigh schwieg.

Gwen reichte ihr eine Tasse. „Dir bleibt nichts anderes übrig, als dich mit ihm zu treffen und ihm die Wahrheit zu sagen. Vielleicht hat er seine Einstellung inzwischen geändert.“

„Das glaube ich nicht. Jemand wie er ändert sich nicht.“

„Du kannst auch ziemlich dickköpfig sein, Ashleigh. Ich weiß, du hast es nicht leicht als alleinerziehende Mutter, aber manchmal werde ich das Gefühl nicht los, dass du dir mit deinem Starrsinn nur ins eigene Fleisch schneidest. Howard und du, ihr könntet schon längst verheiratet sein. Ich bewundere seine Geduld, wirklich.“

Ashleigh seufzte im Stillen, denn sie wusste, was als Nächstes kam – die Frage, warum sie die Hochzeit immer wieder hinausschob. Howard hatte bereits mehrmals versichert, dass er an Terry Vaterstelle vertreten wolle, doch jedes Mal, wenn er einen Termin vorschlug, vertröstete sie ihn. Warum, wusste sie selbst nicht so recht.

„Du liebst ihn doch, Ashleigh, oder?“

Sie sah ihre Mutter verständnislos an. „Wen?“, fragte sie.

„Howard natürlich. Wen sonst?“

Ashleigh schwieg. Was sollte sie darauf erwidern? Sie mochte Howard – sie mochte ihn sehr. Er war ein wundervoller Freund und hatte ihr, als sie zurückkam, geholfen, auf eigenen Füßen zu stehen, indem er ihr eine Teilzeitbeschäftigung als Einkäuferin für seine Kette von Antiquitätengeschäften anbot. Später bat er sie dann, seine Frau zu werden, und sie hatten sich verlobt, obwohl sie nicht sicher war, dass sie ihn liebte. Nach der Katastrophe mit Jake glaubte sie nicht mehr so recht an die Liebe. Es war besser – und bei Weitem nicht so gefährlich –, es bei Zuneigung und Freundschaft zu belassen.

„Howard versteht, dass ich mehr Zeit brauche, darüber haben wir gesprochen. Und er weiß, dass ich Terrys Schulbeginn abwarten möchte. Ich will dem Kind nicht zu viele Veränderungen auf einmal zumuten.“

„Schläfst du mit ihm?“

„Mum!“ Ashleigh wurde feuerrot.

Gwen verschränkte die Arme vor der Brust. „Ihr kennt euch jetzt drei Jahre. Wie lange hast du bei Jake gewartet?“

Darauf gab sie keine Antwort, sondern sah ihre Mutter nur finster an, aber Gwen ließ sich nicht einschüchtern. „Drei Tage, wenn ich mich recht erinnere.“

„Aus Fehlern lernt man“, erwiderte Ashleigh harsch.

„Liebling, ich will dich doch nicht kritisieren. Ich denke mir bloß, es wäre leichter für dich, Jake wiederzusehen, wenn Howard und du … Wenn ihr euch einig wärt. Ich möchte nur nicht, dass du das Gleiche durchmachst wie damals.“

„Keine Angst, das wird nicht passieren“, versicherte Ashleigh mit einer Zuversicht, die sie keineswegs empfand. „Da Jake darauf besteht, werde ich mich mit ihm treffen, aber von Terry sage ich nichts.“

„Früher oder später musst du es, Ashleigh. Vater und Sohn haben das Recht, sich kennenzulernen. Kannst du dir Jakes Reaktion vorstellen, wenn er von jemand anderem erfährt, dass der Kleine von ihm ist?“

„Oh ja, das kann ich sehr gut, Mum. Er wird außer sich sein, dass ich es gewagt habe, das Baby zu behalten, davon bin ich fest überzeugt. Ich kenne ihn – er wird mir nie verzeihen, nie!“ Sie biss sich auf die Lippen.

Einen Moment lang herrschte Schweigen. Schließlich griff Gwen in die Rocktasche und holte etwas hervor. „Hier ist seine Visitenkarte. Die Nummer, unter der du ihn anrufen kannst, steht drauf. An deiner Stelle würde ich nicht zu lange warten.“

Ashleigh betrachtete die Karte. Da stand es: Jake Marriott, Präsident, Marriott Architektenbüro.

Resigniert sah sie auf. „Wahrscheinlich hast du recht, Mum. Macht es dir was aus, auf Terry aufzupassen, wenn ich jetzt gehe?“

Gwen lächelte aufmunternd. „Natürlich nicht, Liebes. Geh nur, dann hast du es hinter dir. Ich drücke die Daumen, dass alles gut abläuft. Du weißt, es ist das einzig Richtige.“

Eine halbe Stunde später, als Ashleigh vor dem palastartigen Hotel stand, fragte sie sich, ob sie wirklich das Richtige tat. Sie hatte Jake nicht angerufen und ihren Besuch angekündigt – aus Feigheit, wie sie wohl wusste, obgleich sie sich einredete, dass sie ihm nicht den Vorteil geben wollte, sich auf die Begegnung vorzubereiten.

Sie betrat das Hotel und ging an die Rezeption, wo ihr eine Angestellte höflich mitteilte, dass sie Mr. Marriott von ihrer Ankunft informieren würde, dann schlug sie ihr vor, in der Piano-Lounge auf ihn zu warten.

Ashleigh entschied sich für die Lobby-Bar, von wo sie die Fahrstühle im Auge behalten konnte. Sie setzte sich auf einen der Hocker und bestellte ein Mineralwasser. Ihre Kehle war wie ausgetrocknet, doch als der Barmann das Glas vor sie hinstellte, brachte sie keinen Schluck hinunter. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.

Dann öffnete sich eine der Fahrstuhltüren, und Jake kam in die Empfangshalle. Ashleigh stockte der Atem, als sie die hochgewachsene Gestalt erblickte: Er sah noch besser aus, als sie ihn in Erinnerung hatte. Sie starrte ihn an, unfähig, den Blick abzuwenden.

Seine Größe und der durchtrainierte Körper des geborenen Athleten gaben ihm etwas Stolzes, fast Aristokratisches. Er trug den maßgeschneiderten Anzug mit einer natürlichen Eleganz, um die ihn jeder Mann beneiden konnte. Das leicht gewellte schwarze Haar, weder zu lang noch zu kurz, fiel ihm ein wenig in die Stirn und sah aus, als hätte er statt einer Bürste die Finger benutzt, um es in Ordnung zu bringen.

Ashleigh verspürte ein Ziehen in der Brust. Ihn wiederzusehen war schmerzhafter, als sie gedacht hatte.

Sie erinnerte sich so gut an sein Gesicht und kannte jede Linie seines Körpers: die breiten Schultern, die schmalen Hüften, die langen Glieder. Wie oft hatte sie die Narbe an seiner rechten Augenbraue geküsst! Aber als er jetzt auf sie zukam, wusste sie, dass er dennoch ein Fremder für sie geblieben war.

Er hatte es nicht anders gewollt.

„Hallo, Ashleigh.“

Die tiefe Stimme mit dem leicht britischen Akzent – wie oft hatte sie sich danach gesehnt, sie wieder zu hören!

„Hallo, Jake.“ Sie sahen sich an, dann senkte sie die Lider. Wie sollte sie ihm jemals sagen, dass er einen Sohn hatte?

„Du siehst gut aus. Nicht mehr so mager wie früher.“

Ashleigh presste die Lippen aufeinander. „Deine Vorstellungen von einem Kompliment sind wie immer etwas ausgefallen.“

„Und du bist noch genauso empfindlich wie damals.“ Sein Blick ruhte einen Moment auf dem Ausschnitt ihrer Bluse. „Ich finde, es steht dir. Du warst immer viel zu dünn.“

„Daran muss das Zusammenleben mit dir schuld gewesen sein.“ Sie wandte sich ab und griff nach dem Glas Mineralwasser. Warum hatte sie das gesagt? Warum ließ sie ihre Bitterkeit so deutlich erkennen?

Er setzte sich auf den Hocker neben ihr und winkte dem Barmann, dann drehte er sich zu ihr. „Das ist durchaus möglich“, sagte er.

Ashleigh sah auf: Hörte sie einen Anflug von Bedauern in seiner Stimme? Sie wartete, bis er seine Bestellung aufgegeben hatte, bevor sie weitersprach. „Meine Mutter hat mir gesagt, weshalb du nach Sydney gekommen bist.“

Jake nickte, ohne zu antworten. Als der Barmann den Drink brachte, hob er das Glas an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck. Sein Gesicht verriet nicht die kleinste Gefühlsregung – es war, als hätte er sich hinter einer unsichtbaren Mauer verschanzt.

„Warum hast du mir damals gesagt, dass deine Eltern beide tot sind?“, fragte sie, als sie die Stille nicht länger ertrug.

„Es schien das Einfachste zu sein.“

„Ich verstehe. Mich anzulügen, ist dir noch nie schwergefallen.“

Schweigend sah er sie an, dann sagte er: „Vielleicht überrascht es dich, aber ich habe es nicht gern getan. Ich war nur der Meinung, es wäre weniger kompliziert, als alles zu erklären.“

Verständnislos sah sie ihn an. Was meinte er? Was gab es da groß zu erklären? Nach einer Weile fragte sie: „Wann bist du angekommen?“

„Vor zwei Wochen. Ich dachte, ich warte bis nach der Beerdigung, bevor wir uns treffen. Außerdem wollte ich wissen, ob er mir etwas hinterlassen hat.“ Er stellte das Glas auf die Theke zurück.

Ein Anflug von Bitterkeit in seiner Stimme ließ Ashleigh aufhorchen. Es klang fast so, als wäre zwischen ihm und seinem Vater nicht alles zum Besten gewesen. Sie war versucht, die Hand auf seinen Arm zu legen, um ihrem Mitgefühl Ausdruck zu verleihen, aber sie umklammerte ihr Glas und hielt sich zurück. Sie wusste, dass er es nicht gewollt hätte: Sie und er waren nicht im Guten auseinandergegangen.

„Und hat er? Ich meine, dir etwas hinterlassen?“

Jake lachte zynisch. „Nichts, das mir etwas bedeutet.“ Er drehte sich zu ihr, und in seinen schwarzen Augen glitzerte es kalt. Sie spürte, wie ihr eine Gänsehaut über den Rücken lief und wandte sich ab. Sie suchte nach Worten und fand keine. Etwas, das sie nicht verstand, schwebte plötzlich in der Luft. Nervös drehte sie an dem Strohhalm. „Es … es ist bestimmt nicht leicht für dich“, sagte sie unsicher.

Schweigend betrachtete er ihre Hände. Sie wusste nicht, welche Überwindung es ihn heute Nachmittag gekostet hatte, seinen Stolz zu vergessen und bei ihren Eltern vorbeizuschauen. Als ihre Mutter ihm mitteilte, dass Ashleigh erst abends nach Hause kommen würde, hätte er am liebsten auf sie gewartet, hatte dann aber darauf verzichtet. Mrs. Forresters Unbehagen war ihm nicht entgangen, und er hatte sie lediglich gebeten, ihre Tochter von seinem Besuch zu informieren, ohne sicher zu sein, dass sie es auch tun würde. Nach allem, was Ashleigh ihren Eltern von ihm erzählt haben musste, hätte er es ihr nicht einmal übel nehmen können.

Er musste Ashleigh unbedingt wiedersehen – wenn auch nur, um sich erneut bewusst zu machen, was er verloren hatte.

„Nein, es war nicht leicht“, erwiderte er auf ihre Bemerkung. Nur mühsam konnte er das Bedürfnis unterdrücken, sie in die Arme zu reißen.

Sie sah fantastisch aus.

Aus der Achtzehnjährigen mit dem knabenhaften Körper, der ihm so gut gefallen hatte, war eine betörend schöne Frau geworden, und sein Verlangen nach ihr war stärker denn je.

Warum konnten sie sich nicht erst jetzt begegnet sein? Alles wäre so einfach, wenn ihre gemeinsame Vergangenheit nicht zwischen ihnen stünde. Nein, dachte er, nicht unsere, meine Vergangenheit war an allem schuld. Und ich habe sie immer noch nicht bewältigt.

Er warf einen verstohlenen Blick auf Ashleighs Hand: Anscheinend war sie nicht verheiratet, denn sie trug keinen Ring.

„Deine Mutter hat sich nicht verändert“, sagte er.

„Nein“, erwiderte sie. „Mum ist immer noch die Gleiche.“

„Was macht dein Vater?“

„Er ist seit einem Jahr im Ruhestand und genießt seine Freiheit. Am liebsten spielt er …“ Abrupt brach sie ab, da sie fast Terry erwähnt hätte.

„Golf?“

„Ja“, stimmte sie erleichtert zu. Das hätte ins Auge gehen können.

Abwesend drehte Jake das leere Glas in den Händen. „Ich habe deinen Vater immer gern gemocht.“

Die Wärme in seiner Stimme bewegte sie tief. Ihre Familie hatte sie während der zwei Jahre in London einmal besucht, und Jake, der sich aufrichtig bemühte, sich den Forresters anzupassen, hatte sich mit ihrem Vater angefreundet. Offensichtlich war ihm dieser Umgang leichter gefallen als der mit ihrer Mutter oder ihren zwei lebhaften jüngeren Schwestern Mia und Ellie. Ashleigh wusste, dass ihre Angehörigen für Außenstehende etwas anstrengend sein konnten, denn sie machten aus ihrem Zusammengehörigkeitsgefühl kein Geheimnis. Es war etwas, das sie selbst ihr ganzes Leben lang als gegeben hingenommen hatte. Für Jake war es neu gewesen.

„Wie geht es deinen Schwestern?“, fragte er jetzt.

„Mia nimmt immer noch Schauspielunterricht und ist auf Rollensuche – mit mehr oder weniger Erfolg. Vor einem Monat bekam sie einen kleinen Part in einem Musical, und wir waren alle furchtbar stolz auf sie. Und Ellie …“ Sie lächelte, als sie an ihre jüngste Schwester dachte. Ellie war keine leibliche Schwester, die Forresters hatten sie als kleines Mädchen adoptiert. „Sie engagiert sich nach wie vor für den Umwelt- und Tierschutz. Im Moment arbeitet sie halbtags als Kellnerin in einem Café und verbringt jede freie Minute in einem Asyl für herrenlose Hunde.“

„Und wie sieht es bei dir aus?“, fragte er brüsk.

„Bei mir?“

„Ja, bei dir. Womit verbringst du deine Zeit?“

„Mit … mit nichts Besonderem. Ich bin Einkäuferin bei einem Antiquitätenhändler.“ Sie schob ihr Glas beiseite. „Howard Caule Antiquitäten.“

Jake gab dem Barmann ein Zeichen, neue Getränke zu bringen. „Der Name ist mir bekannt. Macht es dir Spaß?“

Ashleigh befeuchtete die trockenen Lippen mit der Zungenspitze. „Doch. Howard ist … nett. Wir sind gute Freunde.“

Jake verzog spöttisch die Mundwinkel. „Schlaft ihr miteinander?“

Sie zuckte zusammen und wurde glühend rot. „Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht.“

Er ließ sie nicht aus den Augen. Ashleigh spürte, wie ihr ein Kribbeln über die Haut lief. Seine Nähe und der Duft seines Rasierwassers verwirrten sie mehr, als sie sich eingestehen wollte. Er benutzte immer noch das gleiche, mit einem Hauch von Zitrone und einer exotischen Note.

„Ich frage ja nur. Du brauchst mir nicht gleich den Kopf abzureißen.“ Er lächelte ironisch.

Sie drehte ihm den Rücken zu und starrte in das Glas, das der Barmann ihr serviert hatte. Warum war sie bloß gekommen? Sie hätte wissen müssen, dass sie Jake nicht gewachsen war.

„Mein Privatleben ist allein meine Angelegenheit“, erwiderte sie schließlich abweisend.

Jake beugte sich vor und berührte ihre Wange mit der Fingerspitze. Seine Geste löste einen Sturm von Emotionen in ihr aus, als sie sich daran erinnerte, was sie einmal geteilt und dann verloren hatten.

„Ich dachte, wir könnten uns, während ich hier bin, ab und zu sehen“, sagte er. „Uns …“, er zögerte, „… wieder näherkommen?“

Ashleigh wurde erneut dunkelrot. Es war nicht schwer zu erraten, was er damit meinte: ein bisschen Sex hier und da, damit es ihm in Sydney nicht zu langweilig wurde, bevor er nach London zurückflog – zu der jetzigen Frau in seinem Leben.

„Das ist unmöglich.“

„Warum?“ Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. „Bist du anderweitig gebunden?“

„Ja.“

Er warf einen Blick auf ihre Hand. „Ich sehe keinen Ring.“

„Und? Als ich mit dir zusammen war, hatte ich auch keinen, wenn du dich erinnerst.“ Sie funkelte ihn an. Er beachtete es nicht.

Sie hatte also Ersatz gefunden. Aus irgendeinem Grund war er davon ausgegangen, dass es nach ihm niemanden für sie gegeben hatte, eine Annahme, die, wie er wusste, an Arroganz grenzte. Schließlich hatte er sich in den viereinhalb Jahren auch keinen Zwang angetan. Das Problem war, dass er für keine ihrer Nachfolgerinnen auch nur annähernd das Gleiche empfunden hatte wie für sie.

„Vielleicht habe ich meine Einstellung von damals geändert“, sagte er.

„Wirklich? Leider ist es dafür viereinhalb Jahre zu spät.“ Sie stand auf, nahm ihre Handtasche und legte ein paar Geldscheine neben ihr Glas. „Ich muss gehen, ich werde erwartet.“

Er ergriff ihr Handgelenk und hielt es fest.

Ein Kribbeln lief durch ihren Arm, und die Berührung seiner schlanken Finger durchfuhr sie wie ein elektrischer Schock.

„Lass mich los, Jake“, sagte sie heiser. Ihre Knie waren plötzlich weich wie Butter. „Ich bin verlobt. Mit meinem Chef Howard Caule.“

Die Nachricht traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Einen Augenblick lang verstärkte er den Druck seiner Finger, dann ließ er ihr Handgelenk los.

„Noch bist du nicht verheiratet.“ Er warf ihr einen eindringlichen Blick zu.

Ashleigh war nicht sicher, ob die Worte eine Drohung oder eine Feststellung waren, und sie wollte es auch nicht wissen. Sie drehte sich um und verließ das Hotel.

Jake sah ihr nach. Ihm war, als greife eine eiskalte Hand nach seinem Herzen, um es ihm aus der Brust zu reißen.

2. KAPITEL

Die ganze Heimfahrt dachte Ashleigh nur daran, wie schmerzhaft das Wiedersehen mit Jake trotz der langen Trennung war.

Die Begegnung mit ihm hatte all das, was sie einmal geteilt hatten, mit einem Schlag wieder aufleben lassen. Jakes Küsse und Liebkosungen, die unglaublichen Höhepunkte, die sie in seinen Armen gekannt hatte … Er war ein unvergleichlicher Liebhaber gewesen, doch nicht ein einziges Mal hatte er gesagt, dass er sie liebte.

Und trotzdem war es hart gewesen, ihn abzuweisen, als er andeutete, sie könnten dort anknüpfen, wo sie vor viereinhalb Jahren aufgehört hatten. Natürlich kam das nicht infrage – zum einen war sie verlobt, zum anderen hatte sie einen Sohn. Seinen Sohn, von dem er nichts wusste und den er niemals hatte haben wollen. Das Kind, das sie hätte verbinden sollen, trennte sie mehr als die tiefste Schlucht.

„Mummy, Mummy!“, rief Terry, als sie die Haustür öffnete. Er lief auf sie zu und schlang beide Arme um ihre Taille.

Ashleigh beugte sich hinab und gab ihm einen Kuss. „Hallo, Liebling. Warum bist du noch nicht im Bett?“

Seine dunkelbraunen Augen strahlten. „Grandpa hat gesagt, dass ich dir den Fisch zeigen darf, den wir gefangen haben. Stimmt’s, Grandpa?“

Autor

Melanie Milburne

Eigentlich hätte Melanie Milburne ja für ein High-School-Examen lernen müssen, doch dann fiel ihr ihr erster Liebesroman in die Hände. Damals – sie war siebzehn – stand für sie fest: Sie würde weiterhin romantische Romane lesen – und einen Mann heiraten, der ebenso attraktiv war wie die Helden der...

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