Die Trueno-Brüder - unzähmbar? (3-teilige Miniserie)

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IM BETT MIT DEM EX von SHERI WHITEFEATHER

Als Carrie ihren Exmann Thunder wiedersieht, gerät ihr Herz erneut in Gefahr. Denn noch immer ist er unglaublich attraktiv. Und er bittet sie, mit in sein Haus am Strand zu kommen. Drei Wochen Kalifornien – drei Wochen heiße Liebe. Wird ihr Glück mit Thunder dieses Mal halten?

UND WIEDER LODERT LEIDENSCHAFT von SHERI WHITEFEATHER

Sie hat ihn geliebt – und an eine andere verloren. Doch jetzt steht Aaron frisch geschieden vor ihr. Obwohl Talia weiß, dass ihr seine Welt immer fremd blieben wird, ist sie machtlos gegen das Verlangen, das immer noch zwischen ihnen lodert. Darf sie es wagen, dem nachzugeben?

HEIßE KÜSSE AUF NACKTER HAUT von SHERI WHITEFEATHER

Julia will stark bleiben – doch vor den Verführungskünsten des attraktiven Dylan Trueno kapituliert sie. Als er ihr jedoch einen Heiratsantrag macht, zögert sie. Denn trotz der sinnlichen Nächte, die sie in seinen starken Armen genießt, hat er ihr nicht gesagt, dass er sie liebt ...


  • Erscheinungstag 16.05.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529471
  • Seitenanzahl 370
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

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Sheri WhiteFeather

Im Bett mit dem Ex

Er hat sie nie vergessen können: Carrie Lipton, seine schöne Exfrau. Und als Thunder zu Ermittlungen in ihre Heimatstadt zurückkehrt, will er endlich mit der Vergangenheit abschließen: Er muss Carrie wiedersehen, um herauszufinden, ob sie ihn noch liebt! Er lädt sie ein, mit ihm in sein Strandhaus in Kalifornien zu fliegen. Und genau wie damals erwacht zwischen ihnen flammendheißes Verlangen. Nacht für Nacht liegen sie einander in den Armen, bis Carrie ihm ein schicksalhaftes Geständnis macht...

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1. KAPITEL

Thunder Trueno hatte seine Exfrau Carrie Lipton seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Damals waren sie auf der Highschool und mit ihren achtzehn Jahren fast noch Kinder, die wegen des Babys geheiratet hatten – wegen eines Babys, das nie auf die Welt gekommen war. Carrie hatte eine Fehlgeburt erlitten und ihr gemeinsames Kind verloren.

Thunder sah stirnrunzelnd auf den mit Backsteinen gepflasterten Weg, der zu Carries Haustür führte. Carrie wohnte in einer Eigentumswohnanlage in derselben Wüstenstadt, in der sie beide aufgewachsen waren. Arizona war ein riesiger Bundesstaat, der für seine Naturwunder bekannt war – allen voran der Grand Canyon. Die ländlichen Gebiete zogen sich scheinbar endlos hin, so weit das Auge reichte, nur hier und da unterbrochen von verstreuten Ranches und vereinzelten friedlichen Ortschaften.

Thunder wohnte jetzt in Los Angeles und führte ein Leben, das die Vergangenheit komplett ausschloss. Zwar kam er ab und zu hierher zurück, um seine Familie zu besuchen, aber er hatte sich kein einziges Mal mit seiner Exfrau in Verbindung gesetzt.

Bis heute.

Immer noch stirnrunzelnd, drückte er auf den Klingelknopf. Er hatte vorher angerufen, um sie wissen zu lassen, dass er kommen und ihr einige Fragen zu einem Fall stellen würde, den er gerade bearbeitete und in dem es um eine ver misste Frau ging. Thunder war Mitbesitzer von „SPEC“, einer Detektei, die sich auf Personenschutz und detektivische Ermittlungsarbeit spezialisierte. Ihre Unterhaltung war –milde ausgedrückt, unangenehm und peinlich gewesen. Für Carrie war es eindeutig ein Schock gewesen, von ihm zu hören.

Als ein Mann die Tür öffnete, vertiefte sich Thunders Stirnrunzeln. Wer zum Teufel war das? Carrie war nicht verheiratet, und sie wohnte auch mit keinem Mann zusammen. Thunder wusste das, weil er sie am Telefon gleich danach gefragt hatte. Er hatte auf alles vorbereitet sein wollen, um zu wissen, was ihn erwartete, und weil er Überraschungen hasste. Und doch stand hier ein Mann in ihrer Tür..

Er war genauso hochgewachsen wie Thunder, war aber schlaksiger gebaut und hatte hellbraunes Haar und blaue Augen. Abgesehen von der Körpergröße hatten die beiden Männer nichts gemeinsam. Thunder war ein echter White Mountain Apache, dessen Augen fast so schwarz waren wie sein Haar, während der andere Mann so offensichtlich angloamerikanischer Herkunft war, wie es man nur sein konnte. Er trug einen Anzug, hatte seine Krawatte aber gelockert, was ein Zeichen dafür war, dass er es sich in Carries Wohnung ein wenig zu gemütlich machte.

Thunder wusste, dass es ihm egal sein sollte. Carries Leben ging ihn nichts mehr an. Und doch juckte es ihn in den Fingern, Mr. Gemütlich eins auf die Mütze zu geben.

„Wo ist Carrie?“, fragte Thunder, ohne sich vorzustellen.

Mr. Gemütlich verriet ihm seinen Namen auch nicht. Und er benahm sich keineswegs so, als müsste er sein Territorium verteidigen. Seine Antwort kam völlig gelassen. „Sie wollte kurz zum Supermarkt. Es wird nicht lange dauern, bis sie zurück ist.“

Thunder erwiderte nichts. Er war tatsächlich ein wenig zu früh gekommen, aber dem anderen Mann schien das nichts auszumachen. Seine entspannte Art ärgerte Thunder, obwohl er wusste, dass das albern war.

„Sie müssen der Exmann sein“, fuhr Mr. Gemütlich fort. „Carrie hat mir von Ihnen erzählt.“

Thunder kostete es große Anstrengung, sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen. „Sie hat Sie nicht erwähnt.“

Der andere Mann blieb völlig ungerührt. „Wir kennen uns noch nicht sehr lange.“

Bevor er Thunder hereinbitten konnte, waren Schritte auf dem Weg hinter ihnen zu hören. Thunder drehte sich um. Er spürte regelrecht, dass es Carrie war. Sein kleines Mädchen, das in Panik geraten war, als es herausfand, dass es schwanger war. Dasselbe Mädchen, das geweint hatte, als es das Baby verlor. Thunder fragte sich, ob sie Mr. Gemütlich davon auch erzählt hatte.

Carrie hielt mitten im Schritt inne. Stumm stand sie da und starrte Thunder an, die beiden Plastiktüten an sich drückend, als würden sie ihr Halt geben. Sie trug ein gepunktetes Sommerkleid und weiße Sandaletten. Ihr braunes Haar war lang und offen, genau wie er es in Erinnerung hatte, aber es wies hier und da rötliche Strähnen auf, die früher nicht da gewesen waren. Ihre Haut schimmerte golden in der Sonne. Carrie wurde schnell braun, was daher kam, dass ein wenig Cherokee-Blut in ihren Adern floss. Es war das Erste, was sie ihm gesagt hatte, als sie sich kennenlernten.

Ihr Gesicht verriet, dass sie reifer geworden war, und auch ihr Körper hatte sich verändert, wie Thunder feststellte. Ihre früher mädchenhaft schmalen Hüften waren nun weich gerundet.

„Du hast dich verändert“, begrüßte sie ihn schließlich.

„Du dich auch“, erwiderte er. Sie hatte sich in eine Frau verwandelt, die ihm überall auffallen und die er sofort ansprechen würde. Bestenfalls, um mit ihr eine wundervolle Nacht zu verbringen. Als Teenager war Carrie hübsch gewesen, als erwachsene Frau war sie eine wahre Schönheit und sehr, sehr sexy. Ihre vollen Lippen schimmerten leicht von dem zimtfarbenen Lipgloss, das sie aufgetragen hatte. Die Wirkung, die sie auf Thunder hatte, war sensationell.

Er machte instinktiv einen Schritt auf sie zu, um ihr die Einkaufstüten abzunehmen. Erst dann wurde ihm bewusst, was er da tat. Er war hier nicht zu Hause, und Carrie war nicht seine Frau.

Als er zögerte und dem Mann in Carries Haus einen Blick zuwarf, begriff dieser endlich. „Oh, lass mich dir das abnehmen, Carrie.“ Er nahm die Tüten, und sie bedankte sich mit einem unsicheren Lächeln.

„Ich nehme an, du hast Thunder schon kennengelernt.“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, nicht offiziell.“

Sie stellte die beiden Männer einander vor. „Kevin Rivers. Thunder Trueno.“

Kevin nahm die Einkäufe auf einen Arm, damit er und Thunder sich höflich die Hand geben konnten. „Donner Donner?“, fragte er.

Offenbar sprach der blonde blauäugige Kevin außer englisch auch noch spanisch. „Thunder“ hieß Donner und „trueno“ bedeutete dasselbe auf Spanisch. „Mein wirklicher Name ist Mark, aber niemand nennt mich so.“ Nicht einmal seine Eltern. Sie waren es sogar, die ihm seinen Spitznamen gegeben hatten.

„Verstehe“, sagte Kevin. „Dann werde ich Sie auch nicht Mark nennen.“

Thunder versuchte, Kevins lässige Haltung einzuschätzen. Wollte er ihn, Thunder, wütend machen? Wollte er betonen, dass Carrie und er eine feste Beziehung hatten und dass er in ihrem Exmann keine Bedrohung sah?

Zum Teufel mit ihm!

Thunder wollte aber eine Bedrohung sein. Er wollte Carrie wieder in sein Bett bekommen – selbst nach zwanzig Jahren hatte sich daran nichts geändert.

„Wir können drinnen weiterreden“, schlug sie jetzt vor.

Sie ging den Männern voraus, Kevin folgte ihr auf den Fersen, und Thunder bildete das Schlusslicht. Er war wütend auf sich, weil er so heftig auf Carrie reagierte, und versuchte es zu verbergen, indem er sich scheinbar interessiert in der Wohnung umsah.

Die über zwei Etagen gehende Wohnung war in hellen Farben gehalten – Möbel aus hellem Rattan, hellbraune Teppiche und farbenfrohe Aquarelle an den Wänden waren die Hauptmerkmale ihrer Einrichtung. Der mit Gas betriebene Kamin im Wohnzimmer war mit weißen Ziegelsteinen eingefasst. Kevin ging in die Küche und stellte die Einkäufe auf den Küchentisch, dann kehrte er ins Wohnzimmer zurück und gab Carrie einen Kuss auf die Wange.

„Ich gehe jetzt besser“, sagte er zu ihr. „Kommst du nachher zu mir ins Motel?“

Sie nickte, und Thunder presste gereizt die Lippen zusammen. Wieder verspürte er den heftigen Wunsch, Kevin eine zu verpassen.

Der sah in diesem Moment zu ihm herüber. „War nett, Sie kennenzulernen, Thunder.“

Ja, klar doch. Der gemütliche Kevin ging ihm immer mehr auf die Nerven. Thunder nickte nur als Antwort, weil er sich nicht zutraute, mehr als ein Knurren herauszubringen.

Carrie begleitete Kevin bis zur Tür, aber sie hielten sich nicht lange miteinander auf. Ein paar schlichte Abschiedsworte, und Kevin war fort. Thunder konnte seine Exfrau nur anstarren. Eine peinliche Stille entstand. Carrie spielte in ihrer Verlegenheit mit einer Strähne ihres getönten Haares.

„Hör auf, mich so anzusehen“, sagte Carrie schließlich.

„Wie sehe ich dich an?“

„Als wäre ich noch mit dir verheiratet.“

„Du hättest mir am Telefon sagen sollen, dass Kevin hier sein würde.“

„Ich schulde dir keine Erklärungen.“

„Vielleicht nicht, aber ich habe dich vorhin gefragt, ob du mit jemandem zusammen bist. Du hättest ehrlich sein können.“

„Es ist nichts Ernstes.“

„Tatsächlich?“ Er wollte am liebsten drohend auf sie zugehen, um ihr Angst zu machen, allerdings auch, um ihr nah zu sein. „Was sollte dann der Spruch, dass du ihn nachher in seinem Motel besuchen sollst?“

„Ich muss nachher noch arbeiten. Ich leite das Motel meiner Eltern.“ Sie ging in die Küche und fing an, die Einkäufe einzuräumen.

Thunder folgte ihr. Er war noch nicht bereit, das Thema fallen zu lassen. „Das erklärt noch nicht, warum Kevin dort ein Zimmer hat.“

Sie öffnete den Kühlschrank und legte eine Tüte Äpfel hinein, danach ein Glas Mayonnaise und eine Dose Corned Beef. „Weil er dort absteigt, wenn er in der Stadt ist. Er ist Vertreter für ein Pharmaunternehmen.“

Thunder hob die Augenbrauen. „Du gehst mit einem Drogenhändler aus?“

„Sehr witzig.“ Sie war fertig mit dem Auspacken und holte eine Dose aus dem Schrank. „Möchtest du Kaffee?“

Er nickte und lehnte sich gegen die Küchentheke. „Warum hat er dich gebeten, nachher bei ihm vorbeizuschauen?“

Sie warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Wir wollen heute Abend während meiner Pause zusammen etwas essen.“

Er konnte nicht anders, er musste sie einem Verhör unterziehen, als wäre sie seine Frau und er hätte sie im Verdacht, ihn zu betrügen. „Schläfst du mit ihm?“

„Nicht, dass es dich irgendetwas anginge, aber nein, das tue ich nicht.“ Sie füllte die Kaffeemaschine mit Wasser. „Wir sind noch dabei, uns besser kennenzulernen.“

„Und er lässt es tatsächlich zu, dass du ihn hinhältst? Was für ein Schlaffi.“ Sie seufzte tief auf. „Du hast dich überhaupt nicht verändert.“

„Was soll das heißen?“

„Es soll Männer geben, die es schaffen, einfach nur mit einer Frau befreundet zu sein.“ Sie sah ihm in die Augen. „Davon hattest du nie auch nur eine Vorstellung.“

Er war betroffen. „Wir beide waren Freunde.“

„Nein, das stimmt nicht. Wir beide hatten nie mehr als Sex gemeinsam.“

Ihre Worte waren für ihn wie ein Schlag ins Gesicht. „Wir hatten mehr als das.“ Er sah ihr zu, wie sie Kaffee in den Filter füllte. „Wir hatten das Baby.“

Ihr wäre fast der Löffel aus der Hand gefallen. „Ich wurde schwanger, weil wir zusammen schliefen, nicht weil wir miteinander befreundet waren.“

„Na gut. Wie du willst.“ Er ignorierte das plötzliche Gefühl der Leere in seiner Brust, den Schmerz, der immer auftauchte, wenn er an den Verlust des Babys dachte. Er wusste, dass auch Carrie um das Kind trauerte. Damals waren sie zuerst bei dem Gedanken, sie könnten Eltern werden, zu Tode erschrocken gewesen, aber nach nur wenigen Wochen hatten sie sich an die Vorstellung gewöhnt und sich gefreut. „Ich bin nicht gekommen, um alte Geschichten aufzuwärmen.“

Nein, dachte Carrie. Deshalb ist er bestimmt nicht hier. Er hatte sie aufgesucht, um sie wegen eines Falles zu befragen, an dem er gerade arbeitete. Sie war nicht überrascht, dass er für eine Detektei arbeitete. Carrie selbst war immer häuslich gewesen, ein Stubenhocker, aber Thunder hatte von Größerem geträumt und wollte die Welt verändern. Nach der Scheidung war er zur Armee gegangen und hatte sich beim Geheimdienst ausbilden lassen. Sie hatte auch gehört, dass er einige Male sehr gefährliche Aufträge angenommen hatte, nachdem er die Armee verlassen hatte. Alle wollten ihr ständig etwas über Thunder erzählen, was sich wohl kaum verhindern ließ, wenn man in einer Kleinstadt wohnte, in der jeder jeden kannte. Irgendwie dachten die Leute, dass Carrie etwas daran lag, über Thunder auf dem Laufenden gehalten zu werden. Und sie war zugegebenermaßen auch neugierig gewesen und wollte alles erfahren, was man ihr über ihn berichten konnte. Es war ihr nicht möglich gewesen, ihn zu vergessen.

Sie schenkte den Kaffee ein und versuchte, nicht an ihre Jugend zu denken oder nicht daran, wie er ihren Bauch gestreichelt und sie gefragt hatte, wie sie das Baby nennen sollten. Sie hatten sich für Tracy entschieden, wenn es ein Mädchen wurde, und für Trevor, falls sie einen Jungen bekamen.

Carrie hielt ihm den Kaffeebecher hin, und Thunder nahm ihn wortlos, wobei er sie immer noch mit einem beunruhigend intensiven Ausdruck in den großen dunklen Augen ansah. Er wirkte härter als früher und stärker, seine Gesichtszüge deuteten auf eine gewisse Strenge und Unnachgiebigkeit hin. Er war größer, breiter, muskulöser – mit anderen Worten, er war der Krieger geworden, zu dem er bestimmt gewesen war.

Schon bevor Carrie schwanger wurde, hatte er geplant, zur Armee zu gehen. Und später hatte er erwartet, dass sie seine brave kleine Ehefrau spielte, die irgendwo in einer Militärsbasis lebte und darauf wartete, dass er irgendwann von einem seiner abenteuerlichen Auslandseinsätze, bei denen kaum die Möglichkeit des Kontaktes nach Hause bestand, wieder zurückkam. Carrie hatte sich geweigert, und er war in ihrer kurzen, schwierigen Ehe nervös und gereitz geworden wie ein Tiger in einem Käfig.

Und trotzdem hatte er das Baby gewollt. Er hatte Vater werden wollen. Die Erinnerung daran tat Carrie mehr weh, als sie zugeben mochte. Dabei war sie doch angeblich schon längst über ihn hinweg, oder? Zwanzig Jahre waren schließlich eine lange Zeit. Ihr Kind wäre inzwischen erwachsen.

„Was ist das?“, unterbrach Thunder ihre Gedanken.

Sie blinzelte erstaunt und merkte erst jetzt, dass sie gerade dabei war, Milch mit Vanillegeschmack in ihren Kaffee zu gießen. Sie hielt den kleinen Becher hoch, um ihn Thunder zu zeigen. „Möchtest du mal probieren?“

„Nein.“ Er legte den Kopf leicht zur Seite. „Du hast schon immer gern genascht.“

„Ja, aber jetzt setzt sich leider jedes Gramm auf den Hüften ab.“

Er ließ den Blick langsam über sie gleiten. „Mir gefällst du so.“

Carrie rührte in ihrem Kaffee, um sich abzulenken, und versuchte, sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. „Ich habe das nicht gesagt, um Komplimente aus dir herauszukitzeln.“

„Das habe ich auch nicht angenommen.“

„Gut.“ Sie rührte angestrengt weiter, um seinem Blick nicht begegnen zu müssen. Schon als Teenager hatte er eine Art gehabt, sie anzusehen, dass ihr ganz heiß geworden war. Seine Taktik hatte ja auch funktioniert, besonders in der Nacht, als sie ihm ihre Jungfräulichkeit geschenkt hatte. Für Carrie war das erste Mal ein bisschen schmerzhaft gewesen, aber Thunder hatte sie danach behutsam im Arm gehalten und ihr versprochen, dass es immer besser werden würde.

Und da hatte er recht behalten. Je öfter sie mit ihm schlief, desto mehr verliebte sie sich in ihn. Wie dumm war sie gewesen! Am Ende hatte sie jedoch die Scheidung eingereicht. Es war ihre eigene Entscheidung gewesen, und es hatte ihr das Herz gebrochen, aber es hatte sie gleichzeitig gerettet. Nachdem sie das Baby verloren hatten, waren ihre Gefühle abgestumpft, und Carrie hatte nur noch Angst gehabt, mit einem Mann zusammenzubleiben, der nichts anderes im Sinn hatte als seinen gefährlichen Beruf.

Sie holte tief Luft, und Thunder fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Er trug es kürzer als früher, allerdings nicht so militärisch kurz, wie Carrie angenommen hatte.

„Bist du bereit?“, fragte er sie.

Sie nickte. Sie wusste, dass er seine Ermittlungen meinte. Thunder hatte ihr am Telefon gesagt, er wolle ihr einige Fragen über Julia Alcott stellen, eine Frau, die früher im Motel ihrer Eltern gearbeitet hatte.

Sie saßen am Küchentisch, und die Nachmittagssonne schien hell und freundlich durch ein Fenster herein.

„Wann hast du Julia das letzte Mal gesehen?“, begann er.

„Das ist zehn Jahre her. Damals arbeitete sie für meine Eltern.“

„Kanntet ihr euch gut?“

„Wir haben ein paar Mal miteinander gegessen. Wir waren uns nicht sehr nahe, aber ich mochte sie. Es war nett, mit ihr zu plaudern. Sie war recht reif für ihr Alter. Sie ist jünger als ich. Damals war sie erst achtzehn.“

„Und du warst achtundzwanzig.“

„Ja.“ Carrie nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. Thunder wusste genau, wie alt sie war, denn sie beide waren gleichaltrig. „Untersuchst du ihre Entführung?“ Sie hatte die Nachrichten darüber verfolgt und sich große Sorgen um das Mädchen gemacht. „Ich habe gehört, dass sie in Sicherheit sei. Ein Privatmann soll sie zwei Tage nach der Vermisstenanzeige gefunden haben.“

„Ich bin damit beauftragt, sie jetzt zu suchen.“

„Jetzt? Das ist doch sechs Monate her. Wurde sie wieder entführt?“

„Nein, aber sie und Miriam, ihre Mutter, haben die Stadt gleich nach der Rettung verlassen. Miriam ist spielsüchtig. Die Kredithaie, denen sie Geld schuldet, nahmen Julia als Geisel, um ihre Mutter zur Zahlung zu zwingen. Leider verriet Miriam der Polizei nicht, dass sie wusste, wer ihre Tochter entführt hatte. Stattdessen floh sie zusammen mit Julia, und das nur ein paar Tage, nachdem Dylan Julia zufällig in einem verlassenen Wohnwagen in der Nähe seiner Ranch gefunden hatte. Er war der Privatmann, der sie fand.“

„Dylan?“ Thunders jüngerer Bruder war als Kind kaum zu bändigen gewesen und hatte ständig in Schwierigkeiten gesteckt.

„Dylan ist kein Detektiv. Er fand sie nur zufällig im Wohnwagen. Aber jetzt ist er seit Monaten auf der Suche nach ihr, und er hat einen Tipp bekommen, dass man einen Killer auf Julia und ihre Mutter angesetzt hat.“

Carrie versuchte sich vorzustellen, wie Dylan heute aussehen mochte. Er war neun Jahre alt gewesen, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte – ein rauflustiger Junge, der gefährliche Kunststücke auf seinem Pferd ausprobierte, und den seine Eltern in einen Boxklub gesteckt hatten, wo er seine überflüssige Energie abreagieren sollte. „Hat die Polizei die Entführer festgenommen?“

„Das FBI arbeitet daran, aber es gibt nicht genügend Beweise, um sie festzunageln. Wir versuchen, Julia und ihre Mutter zu finden, bevor es der Killer tut und sie endgültig zum Schweigen bringt.“ Thunder stieß einen lang gezogenen Seufzer aus. „Die Polizei braucht ihre Aussagen.“

Carrie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Ihr Leben war schlicht und bodenständig, während Julias Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt worden war. „Glaubst du, Julia und ihre Mutter wissen, dass man einen Killer auf sie angesetzt hat?“

„Nein, aber sie sind sich darüber im Klaren, wie gefährlich die Kredithaie sind. Allein das reicht schon, um sie in Angst und Schrecken zu versetzen, vermute ich.“ Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Der Profikiller ist erst ins Spiel gekommen, nachdem Dylan herausfand, wer die Entführer waren. Deswegen tut er auch alles, was er kann, um Julia und Miriam zu finden und in Sicherheit zu bringen.“

„Dein Bruder fühlt sich also verantwortlich für sie?“

„Ja.“ Thunder trank seinen Kaffee. „Erzähl mir alles, was du über Julia weißt. Auch dann, wenn es dir unwichtig vorkommt.“

„Sie arbeitete als Zimmermädchen, und für eine Achtzehnjährige war sie wirklich sehr sorgfältig in allem, was sie tat. Sie hatte gerade die Highschool abgeschlossen.“

„Wie lange war sie bei euch angestellt?“

„Etwa ein Jahr lang.“

„Hast du sie je wiedergesehen, nachdem sie gegangen war?“

„Nein, ich habe nur gehört, dass sie irgendwo als Kellnerin arbeitete.“

Er setzte das Gespräch fort, konzentrierte sich aber auf persönlichere Themen. „Worüber habt ihr gesprochen?“

„Typische Frauenthemen, nehme ich an.“

„Männer?“

„Manchmal sprachen wir über ihren Freund. Ich erinnere mich nicht mehr an seinen Namen, aber sie war ziemlich außer sich, als er Schluss mit ihr machte.“

„Er heißt Dan Myers. Ich habe schon mit ihm gesprochen. Er ist jetzt verheiratet und hat zwei Kinder und scheint recht zufrieden zu sein.“

„Freut mich für ihn.“ Carrie gab sich Mühe, nicht sarkastisch zu klingen, aber Thunder war wirklich der letzte Mensch, mit dem sie sich über Ehe und Kinder unterhalten wollte. „Ich sagte ihr, dass es besser für sie wäre, wenn sie noch ein wenig wartete, bis sie älter wäre und den richtigen Mann gefunden hätte. Dass sie mit achtzehn zu jung für eine dauerhafte Beziehung war.“

Er presste kurz die Lippen zusammen und sagte dann: „Und als was fungiertest du? Als Stimme der Erfahrung?“

„Ja, genau.“ Sie hielt seinem Blick trotzig stand. „Ich habe gelernt, meine Männer vorsichtig auszuwählen.“

Thunder verzog den Mund zu einem trockenen Lächeln. „Und ich habe gelernt, ohne besondere Vorsicht an hübschen Blondinen Spaß zu haben. An Brünetten und Rothaarigen übrigens auch.“

Am liebsten hätte sie ihn jetzt rausgeschmissen, aber sie würde nicht zulassen, dass er ihr anmerkte, wie verärgert sie war. Sie legte so viel Sarkasmus in ihre Stimme, wie sie nur konnte. „Du schläfst also mit jeder Frau, die dir über den Weg läuft und einigermaßen gut aussieht? Was für eine Überraschung!“

Er antwortete nicht, aber sein Lächeln verschwand, und der Blick aus seinen dunklen Augen trieb Carries Blutdruck in die Höhe. Sie hasste es, daran erinnert zu werden, wie sehr sie ihn geliebt hatte und wie stark er sie in jeder Hinsicht beeinflusst hatte. „Können wir wieder zu Julia zurückkommen?“, fragte sie.

„Sehr gern sogar.“ Sein Ton klang ein wenig drohend. „Deswegen bin ich schließlich hier. Hatte sie Freunde hier in Arizona oder in einem anderen Bundesstaat?“

„Du meinst Leute, mit denen sie jetzt versuchen könnte, Kontakt aufzunehmen?“ Carrie schüttelte den Kopf. „Sie hat nie welche erwähnt.“

„Was ist mit ihren Zukunftsplänen? Hat sie je darüber geredet, was sie in ihrem Leben erreichen wollte? War sie daran interessiert, aufs College zu gehen?“

„Ich erinnere mich nicht, aber ich weiß, dass ihr die Gegend hier gefiel. Sie fühlte sich wohl und schien nicht die Absicht zu haben, woanders hinzuziehen.“

„Warum sagst du das?“

„Weil ihre Mutter und sie ständig umzogen, als Julia noch klein war. Und weil sie bei den Brentwood-Ställen ein Pferd für sich gemietet hatte. Sie sparte jeden Penny, den sie entbehren konnte, um sich den Luxus gönnen zu können. Das Reiten und das Leben in der Natur machten ihr viel Spaß.“

„Das haben auch alle anderen Kollegen gesagt, mit denen ich geredet habe. Aber in den vergangen paar Jahren hatte sie kein Pferd mehr.“ Er runzelte die Stirn. „Soweit ich weiß, muss sie das Reiten aufgegeben haben, um ihrer Mutter helfen zu können. Miriam war ständig verschuldet.“

„Wegen ihrer Spielleidenschaft?“

Er nickte.

Carrie dachte an Thunders Bruder und die Tatsache, dass er Pferdetrainer war. „Kannte Dylan Julia schon, bevor sie entführt wurde und bevor er sie rettete?“

„Nein. Er hat ein paarmal für die Brentwood-Ställe gearbeitet, aber nicht zu der Zeit, als Julia dort lebte.“

„Warum ist nicht er es, der mich zu dem Fall befragt?“, fragte sie.

„Weil er unterwegs ist und die Orte absucht, wo Julia und Miriam gelebt haben.“ Thunder hielt inne. „Ich möchte auch mit deinen Eltern reden.“

„Sie sind nicht in der Stadt.“

„Wann kommen sie zurück?“

„Am Samstag.“

„Das ist gut. Bis dahin werde ich noch hier sein.“ Er leerte seine Tasse. „Wo sind sie hingefahren?“

„Nach Las Vegas. Wenn sie wieder zurück sind, werde ich einen kleinen Urlaub nehmen.“

Er stand auf. „Und wohin soll es gehen?“

„Nirgendwohin.“ Sie stand ebenfalls auf und antwortete ihm nur nach einem kurzen Zögern. Es ging ihn nichts an, was sie in ihrem Leben tat. „Ich werde mich nur um einige Dinge im Haus kümmern, die erledigt werden müssen.“

„Klingt ja ziemlich langweilig.“

Carrie zuckte die Achseln. Manchmal war ihr Leben wirklich eher langweilig. Aber es war wenigstens sicher. Sie ging keine Risiken ein. Das erste und einzige Risiko, das sie je gewagt hatte, war ihre Heirat mit Thunder gewesen. Und sie war aus ihren Fehlern klug geworden. Sein Selbstbewusstsein und seine stolze, unnachgiebige Haltung hatten ihr damals das Herz gebrochen.

Sie war klug geworden und würde nie wieder dieselben Fehler machen.

2. KAPITEL

Einige Tage später saß Carrie an der Rezeption der „Lipton Lodge“, während Thunder im Büro mit ihren Eltern sprach. Sie waren schon seit einer Ewigkeit dort, wie ihr schien.

Sie sah nervös auf ihre Uhr. Es war erst eine Dreiviertelstunde vergangen, aber das war schon lange genug. Carrie konnte sich nicht vorstellen, dass sie die ganze Zeit über Julia Alcott redeten. So gut hatten Carries Eltern Julia gar nicht gekannt. Nach der Entführung hatten Daisy und Paul Lipton sich allerdings kaum vom Fernseher fortbewegt in ihrer Sorge um die junge Frau, die einmal für sie gearbeitet hatte. Auch Carrie war bestürzt gewesen. Solche Dinge passierten einfach nicht in Cactus Wren County.

Sie sah gedankenverloren aus dem deckenhohen Fenster. Cactus Wren war nach dem Kaktuszaunkönig benannt, einem kleinen Singvogel, der mehrere Nester baute, aber nur in einem lebte, während er die anderen zum Schein benutzte.

Carrie kannte sich gut darin aus, aus Selbstschutz ihre Gefühle zu verbergen. Sie ging mit Männern wie Kevin im Grunde nur zum Schein aus. Und wie ihre Beziehungen zu vielen anderen Männern war auch die Beziehung zu Kevin gerade zu einem Ende gekommen.

Und warum? Weil Kevin keine Herausforderung für sie darstellte. Er brachte ihr Blut nicht in Wallung, er weckte in ihr keine Sehnsucht nach mehr – wie es Thunder leider tat –der Teufel sollte diesen Mann holen! Also hatte sie Kevin offen gesagt, welche Wirkung Thunder selbst nach so vielen Jahren immer noch auf sie hatte, und was tat Kevin?

Genau wie Carrie es vermutet hatte, ließ er sie kampflos gehen. Natürlich hatte er ihr seine Freundschaft angeboten und seine Unterstützung, wenn sie jemals seine Hilfe brauchen sollte. Aber das milderte Carries Enttäuschung über Kevin nicht besonders und auch nicht ihre Wut auf Thunder. Er war einfach wieder in ihr Leben geplatzt und hatte einen Aufruhr verursacht wie ein menschlicher Wirbelsturm. Und obwohl sie wusste, dass es Wahnsinn war, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als eine heiße Affäre mit ihrem Exmann zu beginnen und ihn dann hochkant aus ihrem Bett zu werfen.

Aber so wie sie Thunder kannte, wäre ihm das völlig egal. Er würde gar nicht wissen wollen, ob sie mit ihm schlief, weil sie sich ein für alle Mal von ihm befreien wollte. Die Hauptsache für ihn war, dass er selber dabei Spaß hatte. Nein, sie würde nicht mit ihm schlafen, auch wenn die Vorstellung noch so verführerisch war.

Die Bürotür wurde geöffnet, und Carrie hörte Stimmen. Sie drehte sich um und sah ihre Eltern mit Thunder auf sich zukommen. Der Anblick war ihr so vertraut, dass sich ihr Herz schmerzhaft zusammenzog. Daisy und Paul hatten Thunder wie einen Sohn geliebt.

Carries Mutter hatte sich bei ihm eingehakt. Sie war eine mittelgroße, ein wenig pummelige, hübsche Brünette, die sich modisch kleidete und für ihr Leben gern plauderte. Carries Vater war hochgewachsen, schlank und zurückhaltend. Sein schütteres dunkles Haar war mit grauen Strähnen durchzogen, seine Haut braun gebrannt von der Sonne. Obwohl zu einem Viertel Cherokee, besaß er kein amtliches Dokument, das seine indianische Abstammung bescheinigte.

Thunder sah auf und bemerkte Carries Blick. Daisy gab seinen Arm frei und streichelte ihn freundlich. Es schien ihm nichts auszumachen, denn seine Mutter gehörte auch zu den Frauen, die erwachsene Männer gern bemutterten.

„Hast du einen Moment Zeit?“, fragte er Carrie.

„Natürlich hat sie Zeit“, antwortete Daisy für sie. „Sie hat sich eine Pause verdient.“

Carrie hätte ihrer Mutter am liebsten widersprochen, aber sie wollte nicht, dass Thunder den Eindruck bekam, sie hätte Angst davor, mit ihm allein zu sein. Ihr Vater war leider auch keine Hilfe, also blieb ihr nichts übrig, als sich zu fügen.

„Wir können doch nach draußen gehen.“ Carrie hielt ohne weitere Worte auf die Glastür zu, die auf die Straße führte, doch Thunder kam ihr zuvor und öffnete sie. Carrie war die ganze Zeit bewusst, dass ihre Eltern ihnen nachsahen.

Sobald sie und Thunder auf dem Weg standen, der zu den Motelzimmern führte, sah er sie mit leicht zusammengekniffenen Augen an. Das Frühlingswetter war angenehm und nicht zu heiß, aber die grelle Sonne blendete ihn.

„Wie wäre es mit einer Limonade?“, schlug er vor.

„Klingt gut.“ Ihre Kehle fühlte sich plötzlich ganz rau an. Wenn Thunder ihr so nahe war, reagierte ihr Körper wie immer auf jene vertraute unvernünftige Art, von der sie Kevin leider erzählt hatte.

Sie gingen zum nächsten Trinkautomaten. Thunder warf einige Münzen ein und wählte einen Traubensaft für Carrie und eine Limonade für sich.

Carrie sah ihn gereizt an.

„Was ist?“

„Du hast mich nicht einmal gefragt, was ich haben möchte“, fuhr sie ihn an.

„Ich weiß, was du haben willst.“

„Mein Geschmack könnte sich ja inzwischen etwas geändert haben.“

„Dann nimm meine Limo.“ Er drückte ihr die Dose in die Hand.

Carrie reichte ihm den Traubensaft, obwohl sie wusste, dass Thunder ihn verabscheute, weil er ihn an Hustensaft erinnerte. Thunder trank trotzdem davon, ohne das Gesicht zu verziehen. Carrie folgte seinem Beispiel und wartete darauf, dass er etwas sagte. Er leerte zuerst die Dose, zerdrückte sie und warf sie in den Recyclingbehälter gleich neben dem Automaten.

„Ich habe deine Eltern zum Abendessen eingeladen“, erklärte er schließlich.

Sie war so erstaunt, dass sie sekundenlang schwieg. „Warum?“, fragte sie dann.

„Weil meine Mutter mich darum gebeten hat. Sie will deine Eltern wiedersehen.“

Du meine Güte, dachte Carrie. „Wann? Und wo?“

„Morgen auf der alten Farm.“

Auf der uralten Farm war Thunder aufgewachsen. Carrie erinnerte sich an die Mesquitebäume mit ihrem bizarren Astgewirr, den von Lehmziegelwänden umgebenen Innenhof und die verwitterte Scheune.

„Deine Eltern haben meiner Familie gefehlt“, sagte er ernst. „Sie wollten in Verbindung bleiben, aber nach der Scheidung …“

Sein Satz blieb unbeendet, die Bedeutung war Carrie trotzdem klar. Er selbst hielt das Ganze sicher für keine besonders gute Idee, genauso wenig wie Carrie. Sie hatten damals auf der Farm geheiratet, und ein Wiedersehen dort würde sie alle nur in Verlegenheit bringen.

„Unsere Eltern kamen sehr gut miteinander aus“, bemerkte sie.

„Ja.“ Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar. „Ich soll dich ebenfalls einladen. Du fehlst meinen Eltern auch.“

Carrie senkte betroffen den Blick. Sie hatte die Truenos genauso sehr ins Herz geschlossen. „Wirst du denn da sein?“

Er nickte. „Mom würde mich teeren und federn, wenn ich nicht auftauche.“

„Und was ist mit Dylan?“

„Er ist seit gestern wieder in der Stadt, also wird er wohl auch kommen.“

„Ich möchte alle gern wiedersehen.“

„Dann sage ich also meiner Mutter, dass du einverstanden bist.“ Er lächelte ein wenig. „Ich weiß nicht, wie mein Vater es mit einer so herrischen Frau aushält.“

Carrie musste auch lächeln. „Auf die gleiche Weise wie mein Vater.“

„Arme Kerle.“

„Thunder!“ Sie sah ihn übertrieben streng an, und beide lachten.

Dann erwischte sie ihn wieder dabei, wie er ihr einen seiner leidenschaftlichen Blicke zuwarf, und spürte, wie ihr heiß wurde. Sie nahm einen Schluck von ihrer Limonade, um sich abzukühlen, aber es half nicht viel.

Carries Exmann hatte es offenbar darauf abgesehen, sie zu verführen.

Am Montag fuhr Carrie mit ihrem eigenen Wagen zum Haus der Truenos. Sie parkte auf der kiesbestreuten Auffahrt gleich hinter dem Wagen ihrer Eltern. Unter den anderen Autos bemerkte sie einen großen schwarzen Jeep mit kalifornischem Nummernschild.

Sie strich sich nervös die weiße Spitzenbluse glatt, unter der sie ein türkisfarbenes T-Shirt trug. Dazu hatte sie Jeans und Cowboystiefel kombiniert.

Bei den Truenos sah alles fast so aus wie früher, und das weckte unzählige Erinnerungen in ihr. Das Haus war erbaut worden, bevor Cactus Wren ein eigenständiger Verwaltungsbezirk geworden war. Die nächsten Nachbarn waren auch heute immer noch sehr weit entfernt. Carrie sah zu den Bäumen auf, die ihren Schatten auf sie warfen. Sie mussten sechs bis neun Meter hoch sein. An ihrem Hochzeitstag hatte man sie mit silbernen Bändern geschmückt.

Carrie schüttelte hastig die Erinnerung von sich ab und ging mit entschlossenen Schritten auf die Veranda zu, die das ganze Haus umgab. Als sie an die Tür klopfte, schlug das Herz ihr bis zum Hals.

Margaret Trueno öffnete ihr.

Sie stieß einen kleinen Freundschrei aus, bat Carrie herein und umarmte sie herzlich. Margaret hatte um die zehn Kilo zugenommen, und ihr schulterlanges Haar war mit grauen Strähnen durchsetzt. Sie duftete süß und erdig wie die Kräuter, die sie in der Küche auf dem Fensterbrett zog.

Sekundenlang sahen die beiden Frauen sich stumm an, dann sagte Margaret: „Du bist so schön wie eh und je.“

Carrie lächelte. „Du auch, Margaret.“

„Ach, ich bin schon weit über sechzig.“

„Wir werden alle nicht jünger.“

Margaret nickte, und Carrie erinnerte sich, wie sehr Thunders Mutter sich immer gewünscht hatte, Großmutter zu werden.

„Ist das unser Mädchen?“, fragte eine männliche Stimme.

Nolan Trueno kam zu ihnen. Thunders Vater war ein kräftiger, attraktiver Mann, dem man ansah, dass sein Leben im Freien ihn gesund erhalten hatte. Er trat auf Carrie zu und küsste sie auf die Wange. Er und seine Frau waren in einem Indianerreservat aufgewachsen, aber sie hatten es verlassen, damit Nolan eine staatliche Universität besuchen und seinen Abschluss in Biologie machen konnte. Später hatten sie dann die Ranch gekauft, wo sie ihre beiden Söhne großgezogen und Reitpferde gehalten hatten.

„Ich habe auf dich gewartet“, sagte Nolan jetzt zu Carrie. „Ich wollte den Grill nicht anzünden, bevor du hier bist. Dein Dad und die Jungs sind hinten im Garten.“

„Und meine Mutter?“

„In der Küche“, warf Margaret ein. „Sie hilft mir bei den Salaten und Beilagen.“

Sie begleiteten Carrie in den Innenhof. Thunder stand sofort auf, um sie zu begrüßen, und Carrie atmete unwillkürlich schneller. Hinter ihm lag der hübsche Steingarten mit dem Gartenpavillion, in dem sie ihr Ehegelübde abgelegt hatten. Carrie wandte hastig den Blick ab.

Thunder stellte sie Dylan vor, und sie suchte nach Anzeichen des Jungen, der er einmal gewesen war. Aber sie sah nur einen dunkeläugigen Mann mit kantigem Kinn und markanten Wangenknochen, um die ihn jeder Schauspieler beneidet hätte. Er trug das Haar lang, und seine Sachen waren ein wenig staubig, als hätte er den Tag in der Scheune verbracht. Dylan war genauso hochgewachsen wie sein Bruder, allerdings nicht ganz so kräftig. Sein Körper war schlanker, geschmeidiger, nervöser. Sie nahm an, dass er immer noch boxte, um überschüssige Energie loszuwerden.

„Du siehst gut aus, Carrie“, sagte er lächelnd und nahm sie bei den Händen. Offenbar machte es ihm nichts aus, vor seinem Bruder schamlos mit ihr zu flirten.

Er sieht nicht nur umwerfend aus, er besitzt auch noch Sinn für Humor, dachte sie, denn es war offensichtlich, dass er es darauf anlegte, seinen Bruder auf die Palme zu bringen. „Danke, Dylan, du auch.“

Thunder schob seinen Bruder etwas unsanft beiseite, und Dylan zwinkerte ihr amüsiert zu. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie gefährlich das alles war. Thunder war entschlossen, sein Terrain abzustecken, und es war klar, dass er sie noch immer als seinen Besitz betrachtete. Aber das musste natürlich noch längst nicht bedeuten, dass er auch bekommen würde, was er wollte.

Thunder hörte den Gesprächen um sich herum nur mit halbem Ohr zu. Die Mütter plauderten während des Essens über alles, was in den letzten Jahren vorgefallen war. Die Väter schienen sich auch gut zu unterhalten. Was ihre geschiedenen Kinder anging …

Carrie war gerade dabei, ihren Maiskolben mit Butter zu bestreichen, und Thunder überlegte angestrengt, wie er an sie herankommen könnte. Er wollte diese erotische Frau selbst nach zwanzig langen Jahren wieder in sein Bett bekommen, und dagegen konnte und wollte er sich nicht wehren.

Warum sollte er auch gegen die starke Anziehung ankämpfen? Warum sollte er sich mit dem Versuch, sich von ihr fernzuhalten, verrückt machen? Er hob den Blick und ertappte Dylan dabei, wie er ihn nachdenklich ansah. Sein jüngerer Bruder hob sein Bierglas zu einem unausgesprochenen Toast, als wollte er Thunder damit Glück bei seiner Exfrau wünschen.

Wenig später war Dylans nachdenkliche Miene finsterer geworden, und Thunder ahnte, dass sein Bruder sich jetzt Gedanken über den Fall machte, an dem sie gerade arbeiteten. Dylan hatte unzählige Kilometer zurückgelegt auf der Suche nach einem Hinweis und nach Menschen, die vielleicht wussten, wo Julia und Miriam sich versteckten. Aber seine Suche war bis jetzt erfolglos geblieben.

Nach dem Essen wusste Thunder es zu arrangieren, dass er mit Carrie allein blieb. Nicht, dass er sich dafür besonders anstrengen musste. Beide Elternpaare taten ihr Bestes, um die beiden allein zu lassen.

Und so gingen Thunder und Carrie zusammen zur Scheune. Die untergehende Sonne tauchte den Himmel in ein sanftes Rot, und Thunder musste daran denken, wie schön seine Heimat mit ihrer ländlichen Ruhe war. Was für ein Unterschied zum hektischen Los Angeles!

„Liegt Dylans Ranch in der Nähe?“, erkundigte sich Carrie.

Thunder runzelte die Stirn. Er hatte sich nicht mit ihr von den anderen entfern, um mit ihr über seinen Bruder zu sprechen. „Nein. Sie liegt auf der Westseite der Stadt in der Nähe des Flusses.“

„Und dort hat er Julia damals gefunden?“

„Ja.“ Sie gingen einen Weg entlang, der von stacheligen Büschen eingefasst war, einer der wenigen Pflanzen, die im trockenen Wüstenboden gediehen.

„Ich erinnere mich, dass Julia damals sehr hübsch war.“

Er sah sie verwundert an. „Und?“

„Und hat Dylan erwähnt, ob er sich zu ihr hingezogen fühlt?“

Thunder blieb stehen und schüttelte den Kopf. „Was hast du vor? Diese Sache in eine romantische Liebesgeschichte verwandeln? Sie war geknebelt und gefesselt, als Dylan sie fand, mit einem Seil um ihre Hand- und Fußgelenke und mit Schmutz im Gesicht und auf der Kleidung.“

Eine leichte Brise spielte mit Carries Haar. „Ich wette, er musste sie aus dem Wohnwagen hinaustragen.“

„Ich habe auch schon viele Opfer aus schwierigen Situationen auf meinen Armen forttragen müssen.“ Aber das einzige Mal, dass er sich wirklich dabei hilflos gefühlt hatte, war gewesen, als Carrie das Baby verloren hatte. Blutend und vor Schmerzen zusammengekrümmt, lag sie auf dem Bett, und er hatte nichts tun können, um ihr zu helfen. Er hatte nur den Krankenwagen rufen können. „Wollen wir jetzt das Thema wechseln?“

„Klar. Worüber möchtest du denn sprechen?“

„Über uns.“

Sie seufzte. „Es gibt kein ‚uns‘, Thunder.“

„Es könnte aber.“

Sie sah ihn misstrauisch an. „Was meinst du damit?“

„Ich will, dass du Kevin vergisst und mit mir nach Kalifornien kommst.“

Carrie schnappte empört nach Luft. „Einfach so? Ich soll mit meinem Exmann durchbrennen?“

„Nur für ein paar Wochen. Sagen wir für die Dauer deines Urlaubs.“

„Das ist verrückt“, sagte sie nur mit einem verächtlichen Lachen.

Sie waren bei der Scheune angekommen, und Thunder führte Carrie hinein. Das Gebäude beherbergte zurzeit nur zwei Wallache und einen Schäferhund, der hier sein Mittagsschläfchen hielt. Als er von Carrie und Thunder geweckt wurde und zu ihnen trottete, um sie zu begrüßen, streichelte Carrie ihm den Kopf. Alles, was sie jetzt von der Tatsache ablenken konnte, dass Thunder und sie hier allein waren, war ihr willkommen.

Aber Thunder gab nicht so schnell auf. Seine Nähe zu Carrie hatte in ihm wieder die Sehnsucht nach der Vergangenheit geweckt, nach all den Momenten der Leidenschaft, die sie geteilt hatten, als sie jung waren. Er wollte diese verbotenen Gefühle, diese wundervollen Augenblicke, in denen sie die ganze Welt um sich herum vergessen hatten, wieder aufleben lassen. „Wir könnten versuchen, Freunde zu werden.“

Sie richtete sich wieder auf und bedachte Thunder mit einem strengen Blick. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust, um ihm ihre Abwehr deutlich zu machen. „Du versuchst nur, mich ins Bett zu kriegen.“

Er lächelte frech. „Und? Ist es falsch, ein freundschaftlicher Liebhaber zu sein?“

Sie gab ihm einen spielerischen Stoß gegen die Schulter. „Du bist unverbesserlich.“

Er spürte ihren mädchenhaft sanften Schlag kaum. Carrie hatte nie gelernt, einen richtigen Boxhieb zustande zu bringen. „Ich bin nur ehrlich, Carrie. Das bin ich immer gewesen.“

„Ich gehe nicht mit dir ins Bett.“

Er nickte langsam. „Ich verstehe. Ist es wegen Kevin?“

„Das hat überhaupt nichts mit ihm zu tun. Kevin und ich sind nicht mehr zusammen.“

„Wirklich?“ Sein Selbstvertrauen nahm zu. „Und warum? Weil du inzwischen angefangen hast, dich wieder für mich zu interessieren?“

Sie knuffte ihn wieder. „Bilde dir bloß nichts ein!“

„Aber es stimmt doch.“ Er spürte instinktiv, dass er Fortschritte machte. „Wie wäre es damit, wenn wir uns zuerst darauf konzentrieren, Freunde zu werden, und dann abwarten, wohin uns das führt?“

„Und wenn es nirgendwohin führt?“

„Dann habe ich Pech gehabt. Ich bin bereit, das Risiko einzugehen.“ Er wurde ernst. „Ich meine es wirklich so, Carrie. Ich würde gern wieder mit dir befreundet sein. Unsere Trennung hat mir überhaupt nicht gefallen.“

„Ich werde darüber nachdenken.“

„Würde es helfen, wenn du weißt, dass ich ein Haus am Strand habe?“, fragte er und dachte an die vielen Bilder bei ihr zu Hause, die alle auf die eine oder andere Weise das Meer als Thema hatten. Sie musste das Meer lieben. Vielleicht konnte er sie so zu sich locken.

Sie sagte nichts, aber Thunder stellte sich vor, dass er sie mit dem versprochenen Blick auf das Meer in Versuchung gebracht hatte. Ohne ein Wort trat sie an die Pferdeboxen. Die Pferde steckten neugierig die Köpfe über die Holztüren. Der Hund trottete Carrie hinterher, und Thunder ging auch zu ihr. Er betrachtete Carrie gern. Es gefiel ihm, wie sie sich bewegte, wie ihre Hüften bei jedem Schritt hin und her wiegten.

Sie drehte sich plötzlich zu ihm um. „Wie lange ist es her, dass du mit einer Frau zusammen gewesen bist?“

Thunder versuchte, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Ihre Frage gefiel ihm nicht besonders. Er führte zwar nicht Buch über seine Freundinnen, aber er achtete immer darauf, kein Risiko mit ihnen einzugehen. Er benutzte immer Kondome und ließ sich regelmäßig ärztlich untersuchen. „Darauf gebe ich dir keine Antwort.“

„Warum nicht? Weil es erst einen Monat her ist oder eine Woche oder ein paar Tage?“

„Ein paar Tage? Wie könnte das denn möglich sein? Ich habe schließlich hier geschlafen.“

„In der Scheune?“

„Im Haus meiner Eltern. Was denkst du denn?“

„Ich habe dich das gefragt, weil ich in Kalifornien nicht deiner gegenwärtigen Geliebten begegnen möchte. Ich will mich nicht mit irgendeiner hohlköpfigen Blondine in die Haare kriegen.“

Er musste lächeln. „Heißt das, dass du mitkommst?“

„Nein. Es heißt nur, dass ich die Situation einzuschätzen versuche.“

Er wurde ernst. „Es wird niemand eifersüchtig sein. Ich war noch nie mit einer Frau zusammen, der ich genug bedeutet hätte, um meinetwegen eine Szene zu machen.“ Er hielt inne und streckte dann impulsiv die Hand aus und strich Carrie sanft über die Wange. „Keine außer dir.“

„Und wohin hat es uns gebracht?“ Sie legte ihre Hand auf seine. „Wir haben alles verloren.“

„Aber dieses Mal bleiben wir gelassen, okay? Wir wollen nur Freunde sein.“

„Die miteinander schlafen, wenn du deinen Willen bekommen solltest.“

„Sex muss nicht unbedingt kompliziert zu sein.“ Er senkte den Kopf, um Carrie zu küssen, doch sie wich ihm aus und ließ ihn einfach stehen, während er sich fragte, welche Antwort sie ihm geben würde.

3. KAPITEL

„Dein Job wäre es eigentlich, mir diese fixe Idee auszureden, Mom“, sagte Carrie zu ihrer Mutter.

Daisy Lipton schüttelte den Kopf. Sie saß auf Carries Sofa und sah in ihrer hellen Leinenhose und dem kurzärmeligen Top, mit dem dezenten Make-up und dem elegant frisierten kastanienbraunen Haar sehr hübsch aus.

„Es ist doch nur ein Urlaub“, verteidigte sie sich.

„Mit meinem Exmann.“ Carrie war zu nervös, um sitzen zu bleiben. Sie stand neben dem Kamin, den sie selten benutzte.

„Es ist ein wenig spät für dieses Gespräch.“ Daisy nippte an ihrer Limonade. „Du hast Thunder doch schon gesagt, dass du mitkommen wirst.“

Und genau deswegen war Carrie jetzt auch ein wahres Nervenbündel und fragte sich, worauf sie sich da eingelassen hatte. „Er hätte nie wiederkommen dürfen.“

„Aber er ist gekommen, und du fühlst dich wieder zu ihm hingezogen. Wenn du nicht mit ihm gehst, wirst du es ein Leben lang bereuen.“

Carrie stieß einen gereizten Seufzer aus. „Auf wessen Seite stehst du eigentlich? Immer unterstützt du ihn.“

Daisy stellte ihr Glas auf den Kaffeetisch und betrachtete ihre manikürten Fingernägel. „Er hat dich geliebt, mein Kleines. Das weißt du.“

Carries Herz zog sich schmerzhaft zusammen. „Er hat es mir kein einziges Mal gesagt.“

„Aber du weißt, dass es wahr ist. Du weißt, wie viel du ihm bedeutet hast.“

„Ich wollte es von ihm hören.“

„Dann sag ihm das. Rede mit ihm und erklär ihm, wie du empfindest.“

„Nach all dieser Zeit?“

Daisy zuckte die Achseln. „Warum nicht? Außerdem glaube ich, dass er dich immer noch liebt.“

Du liebe Güte! Carrie starrte ihre Mutter fassungslos an. „Mutter, du siehst nur, was du sehen willst, nicht wahr?“

„Thunders Mutter sieht es auch. Margaret sagte mir, dass ihr Sohn ohne dich einsam gewesen ist.“

„Einsam?“ Carrie schnaubte geringschätzig. „Wann denn? In den kurzen Pausen zwischen seinen unzähligen Affären?“

„Margaret denkt, dass er nur deswegen so viele Frauen hatte, weil er nicht an dich denken will.“

„Sicher. Zwanzig Jahre läuft er allen möglichen Frauen hinterher, um eine kurze Ehe mit mir zu vergessen. Das war vielleicht kurz nach der Scheidung der Grund für seine Affären, aber im Lauf der Jahre hat er offenbar Gefallen an seinem neuen Leben gefunden.“

„Und jetzt will er Zeit mit dir verbringen.“ Daisy stand auf. „Geh einfach mit nach Kalifornien, Liebes, und gib ihm eine Chance.“

Carrie seufzte. Es hatte keinen Zweck, mit ihrer Mutter vernünftig reden zu wollen. „Es ist natürlich ein Vorteil, dass er am Strand wohnt.“

„Und dass er dich liebt.“

„Hör schon auf damit, Mom.“

„Aber ich habe recht, ob du es nun zugeben willst oder nicht.“ Daisy schenkte ihr ein strahlendes Lächeln und winkte ihrer Tochter ein letztes Mal zu, bevor sie die Wohnung verließ. Carrie begleitete sie bis zur Haustür und sah ihr nach.

In diesem Moment kam Thunder den Weg entlang und begegnete Daisy. Er begrüßte sie, wechselte ein paar freundliche Worte mit ihr und umarmte sie zum Abschied voller Zuneigung. Nachdem er sich von ihr getrennt hatte, ging er auf Carrie zu, die immer noch in der offenen Tür stand. Als er sie bemerkte und sie anlächelte, schlug ihr Herz schneller.

„Was machst du hier?“, fragte sie ihn gereizt.

„Ich sorge dafür, dass du nicht deine Meinung änderst.“

„Ich war kurz davor.“

Er kam näher und blieb vor ihr stehen, viel zu dicht, wie Carrie fand, weil sie plötzlich Schwierigkeiten hatte, ruhig zu atmen.

„Ich habe mir schon gedacht, dass du versuchen könntest, dich zu verdrücken.“

„Meine Mutter hätte eigentlich alles tun müssen, um es mir auszureden.“

„Das hast du doch nicht wirklich geglaubt?“ Er schob sie sanft ins Gebäude. „Sie will doch, dass wir beide wieder zusammenkommen.“

Carrie runzelte die Stirn. „Das hat sie dir gesagt?“

„Nein, aber es ist doch offensichtlich. Meine Mom will genau dasselbe.“ Er nahm ihre Hand und führte Carrie zur Treppe. „Lass uns hinaufgehen, damit du anfangen kannst zu packen“, fügte er schnell hinzu, bevor sie protestieren konnte.

„Verhältst du dich allen Frauen gegenüber so herrisch?“, fragte sie ihn empört. Trotzdem ging sie mit ihm die Treppe hinauf, ohne weitere Einwände zu machen – und hasste sich dafür.

„Du bist die Einzige, die mir je Schwierigkeiten bereitet hat.“ Sie erreichten ihre Wohnung und gingen in ihr Schlafzimmer, wo Thunder ihr ungemachtes Bett betrachtete. „Aber das ist okay. Ich liebe Herausforderungen.“

„Schön.“ Carrie zog energisch ihre Hand weg. „Weil ich nämlich vorhabe, dich auf Abstand zu halten.“

„Heißt das, du wirst nicht mit mir schlafen?“

„Bedaure, aber genau das heißt es.“ Sie öffnete den Schrank und holte ihren Koffer heraus. Packen musste sie wohl oder übel allmählich, da sie schließlich morgen schon nach Kalifornien abreisen wollten.

„Dann konzentrieren wir uns darauf, wieder Freunde zu werden.“ Er schenkte ihr ein unwiderstehliches Lächeln. „Während ich weiter versuche, dich zu verführen.“

Carrie wusste, dass sie verloren war und früher oder später mit Thunder im Bett landen würde, wahrscheinlich eher früher als später. Aber sie würde es auf keinen Fall zugeben. „I...

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