Ein Ausflug ins Glück

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Der reiche Kanadier Zac Lawson sieht aus wie ein Filmstar! Für einen wie ihn bin ich garantiert nicht schön genug, glaubt Rachel. Zu einem Wochenende auf dem Land lädt er sie bestimmt nur ein, weil er sich gern mit ihr unterhält. Doch dann geraten sie unterwegs in einen Schneesturm …


  • Erscheinungstag 19.02.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751513753
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das also war die romantische Vorweihnachtszeit! Strömender Regen, ein bitterkalter Wind und Passanten, die verbissen vor sich hinblickten und die Ellenbogen gebrauchten, um sich einen Weg durch das Gedränge zu bahnen. Stellte man sich so den Tag vor, an dem die Kinder das erste Türchen ihres Adventskalenders öffneten?

Rachel Ellington warf einen kurzen Blick in eines der Schaufenster, die sie täglich passierte. Darin stand ein riesiger Weihnachtsmann mit einem Sack voller bunt verpackter Geschenke, der den Betrachter breit angrinste. Schon seit Oktober stand er dort neben einer künstlichen Tanne mit Dekoschnee und grell blinkenden Lichtern.

Werde ich schon wie meine Mutter, die sich nach ihrer Kindheit zurücksehnt, weil man damals den Weihnachtsbaum erst kurz vor der Bescherung schmückte? fragte sich Rachel. Wünschte auch sie sich Zeiten zurück, in denen Süßigkeiten und ein kleines Spielzeug reichten, um Kinderaugen zum Leuchten zu bringen? Nach Zeiten, in denen Männer Frauen noch liebten, statt einzig und allein auf Sex aus zu sein?

Erschrocken über diese Gedanken, blieb sie abrupt stehen und zog sich damit den Unmut der Menschen zu, die direkt hinter ihr gingen. Schnell murmelte sie eine Entschuldigung und hastete weiter.

Was war nur in sie gefahren, woher kam diese Verbitterung? Über die Geschichte mit Giles war sie doch schon seit Monaten hinweg. Zugegeben, der Sommer war hart gewesen. Die ersten Wochen hatte sie es einfach nicht fassen können, dass sie von dem Mann, mit dem sie den Rest ihres Lebens hatte verbringen wollen, hintergangen worden war. Nur langsam war in ihr eine Erkenntnis gereift: Sie litt nicht an gebrochenem Herzen, sondern an gekränktem Stolz.

Diese Einsicht ließ sie an sich selbst zweifeln. Wie konnte sie eben noch bereit sein, sich für immer an einen Mann zu binden, und kurz darauf erleichtert aufatmen, weil er aus ihrem Leben wieder verschwunden war? Durfte sie ihren Gefühlen in Zukunft überhaupt noch trauen?

Die Tatsachen zu akzeptieren lernen war ein schmerzlicher Prozess gewesen. Sie hatte mehr geweint als geschlafen und stark abgenommen. Ohnehin schon nicht mit üppigen Rundungen bedacht, erschrak sie eines Morgens beim Blick in den Spiegel. Um nicht länger wie eine Bohnenstange auszusehen, schwelgte sie von Stund an in Pralinen, Sahnetorte und anderen Kalorienbomben. Jennie und Susan, ihre Mitbewohnerinnen, hatten ihr über den Rand ihrer Salatteller neidische Blicke zugeworfen, was Rachel weitaus besser getan hatte als das Mitleid davor.

Sie bog in die kleine Seitenstraße in Kensington ein, in der sie sich mit den Freundinnen aus der Studienzeit schon seit fünf Jahren eine Wohnung teilte. Regen peitschte ihr ins Gesicht, und der böige Wind blies sie fast um. Den fünfzehnminütigen Weg zwischen Arbeitsplatz und Zuhause, den sie sonst so genoss, hatte sie diesmal als reinste Tortur empfunden.

Als sie endlich die Tür zu der Parterrewohnung öffnete, war sie nass bis auf die Haut. Ihr war eiskalt, das Haar lag wie angeklatscht am Kopf, Wassertropfen liefen ihr übers Gesicht und in den Nacken, und wahrscheinlich war ihre Wimperntusche verschmiert. In der Vorfreude auf ein heißes Bad achtete sie nicht auf ihre Schritte, blieb an der Türmatte hängen, stolperte und wäre beinahe gefallen. Einen Moment lang blieb sie mit geschlossenen Augen mitten im Flur stehen. Der Tag war einfach nur schrecklich gewesen!

Rachel war Marktleiterin, liebte ihren Job, hatte eine blendende Karriere gemacht und verdiente ausgezeichnet. Die vergangene Projektwoche allerdings war wegen unhaltbarer Versprechungen in der Werbung nicht so erfolgreich verlaufen, wie es sich das obere Management vorgestellt hatte. Die Schuld am Misserfolg hatte man dann ihr in die Schuhe geschoben.

Ohne sich ihre Argumente auch nur anzuhören, hatte Jeff, ihr direkter Vorgesetzter, ihr eine Standpauke gehalten. Eigentlich hätte sie Anfang des kommenden Jahres seinen Posten übernehmen sollen, weil Jeff versetzt wurde. Das stand Rachels Meinung nach jetzt allerdings in den Sternen.

Sie hängte ihren tropfenden Mantel auf den Bügel und streifte sich die Schuhe, in denen das Wasser stand, von den Füßen. Wenn die Weihnachtszeit doch nur schon vorbei und Sylvester wäre! Rachel seufzte.

In der Adventszeit des vergangenen Jahres hatten Giles und sie sich auf dem offiziellen Weihnachtsempfang der Firma kennengelernt, und so war das Fest für sie unauslöschlich mit Herzklopfen, Schmetterlingen im Bauch und romantischen Dates verbunden.

„Hallo.“

Eine tiefe männliche Stimme schreckte Rachel aus ihren Gedanken auf, und erschrocken drehte sie sich um. In der offenen Wohnzimmertür stand ein fremder Mann, erschreckend groß und dunkelhaarig. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.

„Wer sind Sie? Was machen Sie in meiner Wohnung?“ In der Nachbarschaft war in der letzten Zeit mehrmals eingebrochen worden, und Rachel geriet in Panik. Krampfhaft umklammerte sie ihre Handtasche. Würde sie sich damit verteidigen können?

„Bitte beruhigen Sie sich!“ Der Fremde machte einige Schritte auf sie zu.

„Ich habe Pfefferspray dabei, und wenn Sie auch nur einen Zentimeter näher kommen, sprühe ich es Ihnen ins Gesicht“, log sie, denn außer ihrem Parfümzerstäuber hatte sie nichts dabei.

Da sie das Licht nicht eingeschaltet hatte und der Flur nur durch den Schein der Stehlampe im Wohnzimmer erhellt wurde, konnte sie die Gestalt des Mannes nur schemenhaft erkennen. Trotzdem war ihr klar, dass sie ihm kräftemäßig keinesfalls gewachsen war.

„Darf ich Ihnen einen Tipp geben?“, erkundigte er sich höflich. „Wenn Sie das nächste Mal Pfefferspray einsetzen wollen, kündigen Sie das bitte nicht an. Gerade der Überraschungseffekt ist nämlich der Trick bei der Sache.“

Als er langsam näher kam, hielt sie erstaunt den Atem an. Der Fremde glich eher einem Leinwandhelden als einem Einbrecher! Wie sie bereits schemenhaft ausgemacht hatte, war er groß und breitschultrig, sein schwarzes Haar, die gerade Nase und die sinnlich geschnittenen Lippen erkannte sie erst jetzt. Besonders seine Augen übten eine magische Wirkung auf sie aus, dunkelbraun und von dichten Wimpern umrandet, waren sie einfach faszinierend.

„Wenn Sie meinen …“, begann sie.

„Ich bin Zac Lawson“, unterbrach er sie in einem Ton, als würde sein Name alles klären. „Jennies Cousin“, ergänzte er, als Rachel ihn lediglich fragend ansah. „Jennie hat Sie und Susan doch angerufen, um mich anzukündigen, das hat sie mir bestätigt.“

„Ich arbeite und war heute zu beschäftigt, um mein Handy abzuhören.“ Von oben herab sah sie ihn an.

In Wahrheit hatte sie es vor ihrer Besprechung mit Jeff auf stumm geschaltet, in ihre Handtasche gesteckt und es hinterher völlig vergessen. Trotzdem brauchte dieser Zac Lawson nicht mit ihr zu sprechen, als sei sie ein begriffsstutziges Kind.

„Dann erkläre ich es Ihnen“, fuhr er in jenem ruhigen, geduldigen Tonfall fort, der ihr so gegen den Strich ging. „Ich heiße also Zac Lawson und bin Jennies Cousin. Bis Jennie elf und ich sechzehn wurden, waren wir beide unzertrennlich, doch dann wanderten meine Eltern nach Kanada aus, und wir haben uns nie wieder gesehen. Jetzt bin ich für drei Wochen auf Geschäftsbesuch hier in England, und Jennie hat darauf bestanden, dass ich gleich am ersten Tag hierherkomme und wir zusammen essen.“

Zac Lawson war also Kanadier, das erklärte den sexy Akzent, der ihn noch attraktiver machte. Noch attraktiver? Rachel runzelte die Stirn. Mit Männern seines Schlages hatte sie doch abgeschlossen, für ihren Geschmack waren sie zu gut aussehend und arrogant, um beständig zu sein.

„Gleich nach meiner Ankunft bin ich daher mit dem Taxi zu Jennie ins Büro gefahren. Sie gab mir ihren Wohnungsschlüssel und meinte, der Jetlag sei in einer gemütlichen Wohnung besser zu überwinden als im Hotel. Wahrscheinlich hatte sie recht, denn ich habe den ganzen Tag tief und fest geschlafen.“ Er reckte sich.

„Prima.“ Rachel rang sich ein Lächeln ab, besann sich dann aber plötzlich auf ihre Pflichten als Gastgeberin. „Darf ich Ihnen jetzt vielleicht einen Kaffee oder Tee anbieten?“ Sie ging zum Schalter, knipste die Flurbeleuchtung an – und bemühte sich, ihre Überraschung zu überspielen.

Hatte sie Jennies Cousin schon im Halbdunkel als attraktiv eingeschätzt, wirkte er bei hellem Licht geradezu atemberaubend. Erste Silberfäden durchzogen sein dunkles Haar an den Schläfen und machten ihn noch charismatischer. Und seine Augenfarbe war auch im Hellen faszinierend und einmalig, denn das tiefe Braun wies goldene Sprenkel auf. Seine Kleidung und die goldene Rolex am Handgelenk zeugten von Geschmack und Geld.

Im Vergleich mit ihm kam Rachel sich wie eine aus dem Wasser gezogene Straßenkatze vor. Trotzdem lächelte sie tapfer und ignorierte Schüttelfrost und die kleine Pfütze, in der sie mittlerweile stand. „Wir haben, glaube ich, auch Kognak, auf alle Fälle aber Wein im Hause, wenn Ihnen das lieber ist.“ So souverän sie sich auch zu geben versuchte, ein Niesanfall machte den beabsichtigten Effekt zunichte.

„Ein heißes Getränk wäre angebrachter, besonders für Sie.“ Wieder sprach er zu ihr, als müsse er ein bockiges Kind beschwichtigen. „Was halten Sie davon, wenn ich uns einen Kaffee mache, während Sie sich erst einmal abtrocknen und umziehen?“

Es wäre das Vernünftigste, das musste Rachel widerwillig zugeben, denn mittlerweile schlugen ihr vor Kälte die Zähne aufeinander. Was musste dieser weltgewandte Kanadier nur von ihr denken? Schon in normalem Zustand fand sie sich mit ihrem braunem Haar und den blauen Augen ausgesprochen nichtssagend, im Moment jedoch musste sie einfach unmöglich aussehen.

„Danke für das Angebot, ich nehme es gerne an“, erwiderte sie so würdevoll wie möglich. „Kaffee und Zucker finden Sie in der Küche im Oberschrank, auf der Kommode unter der Haube steht ein Napfkuchen, Teller und Becher …“

„Machen Sie sich keine Sorgen, ich finde mich schon zurecht. Ich würde Ihnen dringend ein heißes Bad empfehlen.“

Das klang ja richtig fürsorglich – und statt ihm seinen Vorschlag als Einmischung auszulegen, empfand Rachel seine Anteilnahme als wohltuend. Was war nur los mit ihr, wurde sie vielleicht ernsthaft krank? Mit kurzem Nicken flüchtete sie ins Bad.

Sie verzichtete auf ein zeitraubendes Bad, duschte dafür so heiß, sie es nur ertragen konnte, föhnte ihr Haar und legte Mascara und Lidschatten auf. Dann huschte sie im Bademantel über den Flur in das Schlafzimmer, das sie sich mit Jennie teilte. Da Susan schnarchte, hatte man sich darauf geeinigt, ihr das kleinste Zimmer allein zu überlassen.

Rachel verschwendete keine großen Gedanken an ihre Garderobe, sondern holte sofort Jeans und einen warmen Pullover aus dem Schrank. Ihr dichtes braunes Haar ließ sie einfach offen auf die Schultern fallen. Weshalb sollte sie sich auch Mühe mit ihrem Aussehen geben? Was Zac Lawson über sie dachte, war ihr schließlich völlig egal.

An dem gemeinsamen Essen musste sie wohl allein schon aus Höflichkeit teilnehmen, anschließend würde sie jedoch Müdigkeit vortäuschen und sich in ihr Zimmer zurückziehen. Auf Small Talk konnte sie, besonders nach diesem Tag, gut und gern verzichten.

Als sie den Flur betrat, stieg ihr Kaffeeduft in die Nase. Als wäre er hellsichtig, öffnete Zac in diesem Moment die Wohnzimmertür. „Alles fertig“, verkündete er und wies auf den Tisch. „Milch und Zucker habe ich auch gefunden.“

„Ehrlich? Ich trinke meinen Kaffee aber schwarz.“ Sie setzte sich und genoss, ihn mit ihrer herausfordernden Bemerkung für einen Moment aus der Fassung gebracht zu haben. Das konnte ihm nur guttun, denn für ihren Geschmack war er im Umgang mit Frauen viel zu selbstherrlich.

Auch als sie den Kuchen anschnitt und ihr Stück ebenso groß ausfiel wie seins, irritierte sie ihn sichtlich. Erstaunt zog er die Brauen hoch. „Gehören Sie zu den seltenen Frauen, die keine Probleme mit der Figur haben? Können Sie Kuchen statt Salatblättern essen und trotzdem wie ein Model aussehen?“

Sie und ein Model? Anscheinend wollte sich dieser Zac Lawson über sie lustig machen. „Da ich einen ganz normalen Job verrichte, habe ich es nicht nötig, übertriebenen Wert auf mein Aussehen zu legen“, erwiderte sie kühl und griff zur Kuchengabel. „Was machen Sie denn beruflich?“

Auch Zac genehmigte sich einen herzhaften Bissen, bevor er antwortete. „Wir besitzen in Kanada ein Familienunternehmen, in das ich gleich nach meinem Diplom eingestiegen bin. Wir produzieren Glas.“

„Wirklich? Was für ein schönes altes Handwerk!“ Unwillkürlich regte sich ihre Neugier, denn sie hatte Zac irgendwo im Management der IT-Branche vermutet.

„Der kanadische Zweig unserer Familie führt den Betrieb schon seit über hundert Jahren“, bestätigte er. „Und wir besitzen immer noch unsere eigene Firma, während ehemalige Konkurrenten schon längst von großen Konzernen geschluckt wurden. Die Aufrechterhaltung der Familientradition war auch der Grund, weshalb meine Eltern wieder zurück nach Kanada gingen.“ Er schenkte sich Kaffee nach.

„Damals war ich, wie bereits gesagt, gerade sechzehn, und mein Großvater hatte den ersten Herzinfarkt erlitten. Aus diesem Grund bat er meinen Vater, der wegen eines Familienstreits nach England ausgewandert war, die Vergangenheit auf sich beruhen zu lassen und nach Kanada zurückzukehren. Mein Vater als einziges Kind tat das ohne langes Zögern, und wir gingen zurück.“

„Worüber hatten die beiden sich denn gestritten?“, fragte Rachel spontan, errötete jedoch sofort. Wie konnte sie nur so indiskret sein! „Entschuldigung, das geht mich natürlich nichts an“, setzte sie sofort hinzu.

„Ich erzähle es Ihnen gern, es ging um meine Mutter“, erwiderte er unbeschwert. „Mein Vater traf sie während ihres Urlaubs in Kanada und verliebte sich Hals über Kopf in sie. Mein Großvater war strikt gegen diese Verbindung, weil er seinen Sohn und Erben lieber mit der Tochter eines engen Geschäftsfreundes verheiratet gesehen hätte. Glücklicherweise war die Zeit der arrangierten Ehen längst vorbei. Doch mein Großvater war und ist ein alter Sturkopf und wollte einfach nicht akzeptieren, dass sein Sohn sich seinen wohldurchdachten Plänen widersetzte.“

„Er lebt noch?“

„Ja, trotz mehrerer Herzattacken, die er sich nach Meinung meiner Großmutter allein durch seinen Jähzorn eingehandelt hat. Jedenfalls entzweiten sich Vater und Sohn über die Geschichte, mein Vater folgte meiner Mutter nach England, wo sie heirateten. Es sollte fünfundzwanzig Jahre dauern, bis mein Großvater und mein Vater wieder miteinander redeten. Wir Lawsons haben eben unseren eigenen Kopf, das scheint uns im Blut zu liegen.“ Zac lächelte entwaffnend.

Das hätte Rachel nie bezweifelte. Allein Zacs energisches Kinn deutete darauf hin, dass er aus demselben Holz wie sein Großvater geschnitzt war.

Sie schauderte, aber nicht vor Kälte, denn es war behaglich warm in dem kleinen Wohnzimmer, das nur von der Stehlampe und dem Gaskamin beleuchtet wurde. Das Spiel der Flammen warf geheimnisvolle Schatten auf Zacs Gesicht, und Rachel musste sich zwingen, ihn nicht dauernd anzusehen. Jennies Cousin hatte eine äußerst beunruhigende Wirkung auf sie. Er strahlte eine eigenartige Faszination aus, die sie nicht beschreiben, aber der sie sich nicht entziehen konnte.

„Sie sind also wegen Ihrer Firma hier in England?“, fragte sie, als sie das Schweigen nicht länger ertrug.

Er nickte und wollte antworten, doch in dem Moment klingelte sein Handy. „Stört es Sie, wenn ich das Gespräch annehme?“, erkundigte er sich.

„Natürlich nicht.“ Sie stand auf, um zu gehen.

„Nein, bleiben Sie bitte hier“, winkte er ab und nahm den Anruf an. „Hallo, Sarah, wie sieht es aus bei uns zu Hause?“

Sprach er etwa mit seiner Freundin? Rachel murmelte eine Entschuldigung und verschwand in der Küche. War er vielleicht sogar verheiratet? Er trug zwar keinen Ring, aber das sagte heutzutage ja gar nichts.

Zum Abend sollte es die Lasagne geben, die Jennie vorbereitet hatte – zum Glück reichte sie auch für vier Personen. Rachel holte die Form aus dem Kühlschrank, schaltete den Herd ein und stellte sich die Zutaten für den Salat bereit.

Sie versuchte, die Ohren zu verschließen und das Gespräch nicht zu belauschen, doch Zacs tiefes, warmes Lachen war bis in die Küche zu hören. Schnell schaltete sie den Mixer ein, um die Erdbeeren für das Dessert zu pürieren.

„Sie hätten ruhig im Wohnzimmer bleiben können, ich habe lediglich mit meiner Sekretärin in Kanada gesprochen.“ Zac stand im Türrahmen.

Seine Sekretärin? Sprach ein Boss so mit seiner Sekretärin? Aber vielleicht vermischte Zac Lawson ja gerne Privates mit Beruflichem? So, wie Giles, der mit seiner Sekretärin geschlafen hatte, die pikanterweise jedoch auch seine Ehefrau gewesen war. Eine Tatsache, die er leider zu erwähnen vergaß, als er ihr, Rachel, einen Heiratsantrag machte.

Erst Melanie, seine Frau, die eines Abends vor ihrer Tür stand, klärte sie darüber auf. Melanie hatte über entfernte Bekannte von Giles’ Eskapaden erfahren und war in Rachels Augen eine nette Frau und für Giles viel zu schade. Acht Jahre hatte sie es schon mit ihm ausgehalten, obwohl er sich schon mehrere Seitensprünge erlaubt hatte. Wie Melanie mit der Untreue ihres Mannes leben konnte, war Rachel ein Rätsel.

Ohne auf Zacs Bemerkung einzugehen, drehte sie ihm den Rücken zu und ging zur Spüle. „Ich habe heute Küchendienst und muss noch das Geschirr vom Frühstück abwaschen“, erklärte sie und ließ Wasser ein. „Machen Sie es sich doch im Wohnzimmer gemütlich, Jennie muss jeden Moment kommen.“

Zu ihrem Schrecken griff er nach dem Geschirrtuch. „Ich helfe Ihnen.“

„Nein, lieber nicht, das kann ich besser.“

„Was kann man beim Abtrocknen denn falsch machen? Haben Sie Angst, ich zerbreche die Gläser?“, fragte er amüsiert.

Rachel kam sich ziemlich albern vor, wollte aber um keinen Preis der Welt nachgeben. Diese Küche war ihr Reich, und sie brauchte keinen zweiten Giles, der ihr stets nur Vorschriften machen wollte. So stellte sie sich taub und griff demonstrativ zur Spülbürste. Erleichtert hörte sie, wie Zac die Küche verließ.

Doch je mehr sie über die Situation nachdachte, desto unmöglicher fand sie ihr Verhalten. Sie hatte Jennies Cousin beleidigt, was nie ihre Absicht gewesen war, doch Zac war ihr in der engen Küche einfach zu nahe gekommen.

Kurz entschlossen ging sie ins Wohnzimmer. Zac stand am Fenster und blickte in die Dunkelheit.

„Ich möchte mich entschuldigen. Ich war unhöflich zu Ihnen, aber …“

„Aber aus irgendeinem Grund haben Sie etwas gegen mich“, führte er ihren Satz zu Ende, drehte sich um und sah ihr in die Augen. „Habe ich recht?“

„Ich … ich weiß es nicht …“

„Wie sollten Sie auch. Sie wissen absolut nichts über mich und können sich daher auch kein Urteil erlauben.“ Er lächelte kühl. „Eine Bitte habe ich jedoch an Sie, lassen Sie sich heute Abend Jennie gegenüber nichts von Ihren Aversionen anmerken. Sie hat sich so auf unser Wiedersehen gefreut, und nichts soll diese Freude trüben.“

Sie biss sich auf die Lippe. Wie konnte er es wagen, ihr in ihrer eigenen Wohnung Verhaltensmaßregeln zu geben? Glücklicherweise hörte sie in diesem Moment, wie die Flurtür geöffnet wurde, und gleich darauf stand Jennie im Zimmer.

„Zac!“ Ihre Augen wurden groß vor Staunen, was Rachel nachvollziehen konnte. Dunkel, groß und gut aussehend, entsprach ihr Cousin genau dem Bild, das sie sich schon immer von ihrem Traummann gemacht hatte. Jennie stürmte auf Zac zu und küsste ihn mitten auf den Mund.

Sollte sie doch! Rachel murmelte etwas von einer Flasche Wein und verzog sich wieder in die Küche. Jennie war eine ausgesprochene Schönheit mit einer sinnlichen Figur und einem Augenaufschlag, der jeden Mann schwach werden ließ. Dennoch, oder gerade deswegen, waren ihre Beziehungen nie von Dauer, denn sie langweilte sich schnell. Im Moment war Jennie auch gerade einmal wieder solo.

Als Rachel ins Wohnzimmer zurückkehrte, saßen Cousin und Cousine eng nebeneinander auf der Couch. Sie unterhielten sich, lachten, und Jennie ließ auf eine Art die Wimpern sinken, die Rachel nur zu gut kannte: Jennie spielte ihre Paraderolle als Femme fatale, mit der sie bisher stets den gewünschten Erfolg erzielt hatte.

Normalerweise amüsierte sich Rachel über Jennies Künste, diesmal jedoch reagierte sie verärgert. Bemüht, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen, besann sie sich auf ihre Pflichten als Gastgeberin und schenkte gerade Wein ein, als auch Susan nach Hause kam und sich zu ihnen gesellte.

Susan war eine Schönheit ganz anderer Art, weißblond, mit zartem Gesicht, geistreich und charmant. Sie sagte stets die richtigen Dinge zur rechten Zeit, und schon bald lachten und spassten Zac, Susan und Jennie, als wären sie die dicksten Freunde.

Rachel schwieg, beobachtete die anderen und nippte gedankenverloren an ihrem Glas. Sie fühlte sich in die Kindheit zurückversetzt. Sie war die jüngste von drei Schwestern und von Geburt an eine Enttäuschung für ihre Eltern, weil diese auf den ersehnten Sohn gehofft hatten. Als wäre das nicht genug, entpuppte sich Rachel im Gegensatz zu ihren niedlichen blonden Schwestern und zum größten Entsetzen ihrer Mutter als hässliches Entlein.

Erst mit achtzehn Monaten wuchsen ihr die ersten Haare, die noch dazu braun waren. Ihre Mutter hatte sich nie mit dem Aussehen ihrer Jüngsten abfinden können, und entsprechend waren sich Lisa und Claire, die beiden Älteren, stets als etwas Besseres vorgekommen.

Rachel hatte erst als Studentin durch Jennie und Susan erfahren, wie schön Freundschaft war. Die drei hielten zusammen wie Pech und Schwefel, und nie würden sie einander im Stich lassen.

„Schon so spät! Ich muss mich ums Essen kümmern.“ Nach einem Blick auf die Uhr sprang Jennie vom Sofa auf. „Danke übrigens, dass du die Lasagne schon in den Ofen geschoben hast, Cinder.“

„Cinder?“ Zac blickte auf. „Was ist das denn für ein Spitzname?“

Da Jennie bereits zur Tür hinaus war, musste Rachel selbst die Frage beantworten. „Wie Cinderella habe ich zwei ältere Schwestern“, erklärte sie widerwillig.

Autor

Helen Brooks

Bereits seit über 20 Jahren veröffentlicht die britische Autorin unter dem Pseudonym Helen Brooks Liebesromane, unter ihrem richtigen Namen Rita Bradshaw schreibt sie seit 1998 historische Romane. Weit über 40 Bücher sowie einige andere Werke sind bisher unter dem Namen Helen Brooks erschienen, von Rita Bradshaw gibt es 14 Romane....

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