Ein Single Dad zum Vernaschen

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Das ist Kieras Dad? Dass Sasha mit ihm über den Job seiner Teenie-Tochter in ihrer Konditorei redet, ist selbstverständlich. Aber je intensiver sie mit dem sexy Zahnarzt spricht, desto stärker wird ein süßer Wunsch in ihr: ihn auch ohne Worte ganz nah zu spüren …


  • Erscheinungstag 20.02.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521420
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das kühle Februarwetter mit leichtem Regen trug nicht gerade dazu bei, Sasha Manning zu beruhigen. Sie hatte schlicht den Überblick verloren, wie oft sie schon auf die Wanduhr geschaut hatte. Heute, eine Woche vor dem Valentinstag, war der Tag der feierlichen Eröffnung ihrer Konditorei gekommen, Sasha’s Sweet Shoppe. Ihre Patisserie und Boulangerie lag an der Main Street und damit mitten im Geschäftsviertel von Wickham Falls. Der Bürgermeister und einige Mitglieder des Stadtrates und der Handelskammer hatten versprochen, um zehn Uhr zum Eröffnungsfoto vorbeizukommen.

„Du kannst ruhig weiter auf die Uhr starren, aber davon geht die Arbeit nicht schneller von der Hand.“

Sasha drehte sich zu ihrer Mutter um. Charlotte Manning hatte ihr in den vergangenen vier Monaten unermüdlich geholfen, obwohl sie vor fast einem Jahr einen leichten Herzinfarkt erlitten hatte. Sasha war sich darüber im Klaren, dass es so nicht weitergehen konnte, weshalb sie vor ein paar Tagen ein Schild mit einem Stellenangebot ins Fenster gehängt hatte. Sie suchte eine Teilzeitkraft.

„Hoffentlich sagen sie den Termin wegen des Wetters nicht ab.“ Sie hatte es kaum ausgesprochen, da klopfte der Fotograf an die Ladentür. Sasha presste kurz die zittrigen Handflächen aneinander und machte ihm auf.

„Guten Morgen, Jonas.“

„Guten Morgen, Sasha. Guten Morgen, Charlotte.“

Jonas Harper arbeitete sowohl für die Stadt als auch für die Lokalzeitung „The Sentinel“, stellte seine Fototasche auf den Fußboden und ging zum Glastresen voll bunter Gebäckkreationen. „Oha, die sind viel zu schön zum Essen.“

Sasha lächelte den Mann mit dem dunklen, grau durchwirkten Pferdeschwanz an. Er traf den Nagel auf den Kopf, denn sie hatte die vergangenen zwei Tage damit zugebracht, eine ansehnliche Mischung aus Törtchen, Keksen und Pies zusammenzustellen. An diesem Morgen hatte sie noch zusätzlich Weizen- und Roggenbrote und Pumpernickel gebacken. „Schau mal, ich habe Kostproben für dich und die anderen.“

Jonas zog den Reißverschluss seines knallgelben Regenponchos auf. „Kann ich den irgendwo aufhängen?“

Charlotte trat vor und streckte die Hand aus. „Ich mach das schon.“

Sasha beobachtete ihre Mutter, wie sie Jonas den Poncho abnahm und ihm dabei ein strahlendes Lächeln schenkte. Mit sechsundfünfzig war Charlotte weiterhin eine sehr attraktive Frau – trotz allem, was sie während ihrer Ehe mit einem Mann durchgestanden hatte, dem sie es nie hatte recht machen können. Inzwischen war sie verwitwet, ihr blondes Haar schimmerte silbern, und um ihre blauen Augen lagen einige Fältchen.

Um die täglichen Streitereien ihrer Eltern nicht mitanhören zu müssen, hatte sich Sasha allzu oft das Kissen über die Ohren gezogen. Als jüngstes von drei Kindern – und einziges Mädchen – hatte sie dem Tag entgegengefiebert, an dem sie Wickham Falls verlassen konnte. Ihre Brüder hatten dies bereits getan, indem sie sich fürs Militär verpflichtet hatten. Zehn Jahre waren vergangen, seitdem Sasha Wickham Falls ihre Heimat genannt hatte, aber nun war sie zurückgekehrt, um zu bleiben.

„Der Laden ist wirklich hübsch“, sagte Jonas. „Er erinnert mich an einige der kleinen Bäckereien, die ich in Paris gesehen habe.“

Sasha nickte lächelnd. Die mit Bildern von Kuchen, Muffins und Cupcakes bedruckte bunte Tapete bildete einen fröhlichen Hintergrund für den Glastresen und drei Bistrotische mit Stühlen. Sasha hatte auch eine French Press, einen Kaffeevollautomaten und einen Standmixer angeschafft, um verschiedene Kaffeespezialitäten anbieten zu können.

„Eine Boulangerie hatte ich tatsächlich bei der Planung im Kopf.“ Sie war zwar nie in Paris gewesen, hatte aber unzählige Berichte über die französische Backkunst gesehen und daher eine genaue Vorstellung davon, was ihre Patisserie anbieten sollte und wie sie die Räumlichkeiten einrichten wollte. Ihre Mutter hatte scherzhaft gemeint, dass die Einwohnerschaft von Wickham Falls möglicherweise gar nicht bereit war für ausgefallenes Feingebäck mit Namen, die sie gar nicht korrekt auszusprechen vermochte. Doch Sasha hatte sich nicht von ihrem Traum abbringen lassen, als erfolgreiche Konditorin noch einmal von vorn anzufangen.

Als Heranwachsende hatte sie lange nicht gewusst, was sie beruflich werden wollte, was sich erst allmählich geändert hatte, als sie nach Tennessee gezogen war, um eine Stellung als Gesellschafterin bei einer älteren Dame anzunehmen. Adele Harvey – eine ehemalige Englischlehrerin und zurückgezogen lebende Witwe eines vermögenden Grundstücksmaklers – war für Sasha die Großmutter geworden, die sie nie gehabt hatte.

Sasha hatte Adeles Gesuch im Internet entdeckt und sich beworben, obwohl sie über keinerlei Erfahrung verfügt hatte, abgesehen davon, gelegentlich die kleinen Kinder ihrer Nachbarn gehütet zu haben. Zwei Wochen nach ihrem Highschool-Abschluss war sie in einen Bus Richtung Memphis, Tennessee, gestiegen, um sich persönlich bei Mrs. Harvey und dem Anwalt der kinderlosen Witwe vorzustellen. Schon nach zehn Minuten hatte die ältere Dame ihr verkündet, dass sie sie engagierte. Und als Sasha Mitte August wieder nach Memphis reiste, tat sie es als Passagierin erster Klasse auf einem Direktflug. Ein Chauffeur holte sie am Flughafen ab und fuhr sie in einer Limousine zu ihrem neuen Zuhause.

Das Läuten der Türglocke riss Sasha aus ihren Gedanken. Langston Cooper kam herein, der Redakteur der Zeitung The Sentinel. Geboren in Wickham Falls hatte er den Ort verlassen, um eine Karriere als Journalist zu verfolgen. Über ein Jahrzehnt hatte er als Korrespondent für einen Nachrichtensender aus dem Mittleren Osten berichtet, bevor er in die Staaten zurückgekehrt war und sich einen Namen als Bestsellerautor gemacht hatte. Sein Lebensweg wies also Parallelen zu Sashas Fortgang auf, denn Langston hatte eine bekannte Sängerin geheiratet, doch die Ehe zerbrach, als Gerüchte aufkamen, dass sie eine Affäre mit einem Schauspieler hatte. Langston war daraufhin nach Wickham Falls zurückgekehrt, hatte die Lokalzeitung übernommen und es innerhalb von zwei Jahren geschafft, Auflage und Werbeeinnahmen des Blattes deutlich zu erhöhen.

Er nahm seine Baseballmütze ab und lächelte Sasha an. Als Kinder waren Langston und einer von Sashas Brüdern dicke Kumpel gewesen.

Sie ging auf ihn zu und legte ihre Wange an sein glatt rasiertes Gesicht. „Danke, dass du hergekommen bist.“

Langston drückte einen Kuss auf ihr Haar. „Hast du wirklich geglaubt, ich würde den großen Auftritt unserer Promipatissière verpassen?“

Sasha errötete bis unter die Haarwurzeln ihrer von Natur aus erdbeerblonden Locken, die sie nach ihrer Scheidung eine Zeit lang braun gefärbt hatte, um nicht von Paparazzi erkannt zu werden – die hatten sie erbarmungslos gejagt, als bekannt geworden war, dass sie nicht mehr mit dem umschwärmten Countrysänger Grant Richards zusammen war.

„Hast du vergessen, dass ich nicht die einzige Prominente in Wickham Falls bin?!“, fragte sie lächelnd. „Immerhin bist du ein New-York-Times-Bestsellerautor.“

Langston nickte. „Ich bin aber nicht hier, damit du über mich redest, sondern über dich. Nach den Fotos und Ansprachen würde ich gern einen Termin für ein Interview mit dir ausmachen.“

„Kannst du mich vielleicht in ein paar Wochen anrufen?“, fragte sie.

„Natürlich.“ Er küsste ihre Wange. „Erst einmal herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg.“

Sasha lächelte nervös, als sie den Bürgermeister, einige Vertreterinnen und Vertreter des Stadtrats und den Vorsitzenden der Handelskammer durch die Scheibe sah.

„It’s showtime, Natasha“, flüsterte Charlotte.

„Ja, Mama.“ Ihre Mutter war die Einzige, die sich weigerte, sie Sasha zu nennen – eine Abkürzung, die entstanden war, weil ihr drei Jahre älterer Bruder als Kind Natasha nicht hatte aussprechen können. Als er angefangen hatte, seine kleine Schwester Sasha zu nennen, war der Name geblieben.

Sasha ging zur Ladentür und öffnete sie.

Nachdem die Abgesandten der Stadt gegangen waren, seufzte Sasha hörbar. Allen hatten sie einen kleinen weißen Karton mit verschiedenen Minicupcakes mitgegeben, und zwar in den Geschmacksrichtungen Red Velvet mit roter Bete, Pumpkin Spice, Zitrone-Limette und Schoko-Nuss. Cupcakes waren definitiv ihre Spezialität.

Sie schob die Hände in die Taschen der pinkfarbenen Tunika mit ihrem Namen und dem Logo des Geschäfts über dem Herzen. „Auch wenn Bürgermeister Gillespie etwas weit ausgeholt hat, finde ich, dass die Eröffnung gut lief.“

„Es lief sehr, sehr gut!“, stimmte Charlotte ihr zu. „Jonas hat tolle Fotos vom Laden geschossen, und wenn Langston dich erst interviewt hat, wirst du der Nachfrage nach deinen Cupcakes kaum nachkommen können.“

Sasha zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Sie wollte in ihrer Patisserie und Boulangerie keineswegs nur Cupcakes verkaufen, sondern auch Kuchen- und Brotspezialitäten sowie besondere Desserts auf Bestellung. Wickham Falls war zwar nicht Nashville, dessen war sie sich bewusst, aber sie wollte der Einwohnerschaft der Kleinstadt keinesfalls Kreationen von minderer Qualität anbieten.

Die Türglocke läutete, und es strömten immer mehr neugierige Kundinnen und Kunden herein. Das frische Brot war mittags ausverkauft.

„Kann ich dir helfen?“, fragte Sasha ein hübsches junges Mädchen mit großen dunklen Augen und akkurat geflochtenen, schulterlangen Minizöpfen.

„Ja. Ich möchte mich um die Stelle als Teilzeitverkäuferin bewerben.“

„Gehst du noch nur Schule?“

„Ja, Ma’am. Ich habe bis zwölf Unterricht, also bin ich ab eins verfügbar.“

Sasha wollte das Mädchen nicht gleich abschreiben, obwohl sie eher an eine reifere Person gedacht hatte. „Wie heißt du?“

„Kiera Adams. Mein Vater ist Dwight Adams“, sagte sie stolz.

Als Kiera den Namen ihres Vaters nannte, erkannte Sasha, dass sie die Tochter des Zahnarztes vor sich haben musste. „Weiß dein Vater, dass du dich um den Job bewirbst?“ Sie wollte keinen Ärger mit den Eltern bekommen.

Kiera schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Ich dachte, ich erzähle es ihm, wenn Sie mich eingestellt haben.“

Sasha unterdrückte ein Lächeln, denn dem jungen Mädchen fehlte es offensichtlich nicht an Selbstvertrauen. Daraufhin sagte sie zu Charlotte: „Mama, könntest du bitte vorn die Stellung halten, während ich mich mit Miss Adams unterhalte?“

Charlotte nickte. „Natürlich.“

Sasha führte Kiera nach hinten, wo sie einen Bereich für ihr Büro abgeteilt hatte. „Bitte, setz dich, Kiera. Ich möchte, dass du ein Bewerbungsformular ausfüllst, bevor wir ausführlicher miteinander sprechen.“

Das Schild Aushilfe gesucht hing seit drei Tagen im Fenster, und Kiera war die Erste, die sich daraufhin gemeldet hatte. Sasha glasierte ein paar Dutzend Cupcakes, während Kiera ihre Angaben machte.

„Ich bin fertig, Miss …“

„Du kannst mich Sasha nennen“, sagte sie, als Kiera verstummte.

Sie nahm dem Mädchen das Blatt aus der Hand und überflog, was darauf stand. Kiera war sechzehn Jahre alt und besuchte die Highschool. Sie stand jeden Nachmittag und samstags ganztägig zur Verfügung. Im vorigen Sommer hatte sie als Empfangskraft in der Praxis ihres Vaters erste Erfahrungen in der Arbeitswelt gesammelt.

Sasha erklärte, dass sie Kiera, falls sie sie einstellte, jeden Nachmittag von Dienstag bis Freitag brauchen würde, möglicherweise auch ein oder zwei Samstage im Monat. „Würde sich das negativ auf deine schulischen Leistungen auswirken?“

„Nein, Ma’am, ganz sicher nicht.“ Kiera lächelte bescheiden. „Als ich noch in New York zur Schule gegangen bin, habe ich an vielen Kursen auf Collegeniveau teilgenommen.“

Es war das dritte Mal, dass die Tochter des Zahnarztes sie als Ma’am angeredet hatte, wodurch sich Sasha sogleich viel älter als zweiunddreißig fühlte. „Du bist die Erste, die sich auf den Aushang gemeldet hat, und ich werde deine Bewerbung berücksichtigen. Ich möchte noch ein paar Tage abwarten, und falls sich sonst niemand bewirbt, melde ich mich bei dir, ja?“

Kiera stand auf. „Heißt das, dass ich den Job dann bekomme?“

Sasha hatte das Gefühl, gerade in Zugzwang geraten zu sein. „Ich will offen sein, Kiera. Du gehst noch zur Schule, und ich möchte nicht schuld sein, wenn sich deine Noten verschlechtern. Deshalb möchte ich erst mit deinem Vater reden.“

Kiera steckte sich mehrere Zöpfe hinters Ohr. „Ich habe nichts dagegen, Miss Sasha.“ Sie zögerte. „Rufen Sie mich an, falls Sie sich gegen mich entscheiden?“

„Ich schicke dir eine E-Mail.“

Kiera hob ihren Rucksack auf. „Danke.“

Sasha lächelte. „Gern geschehen. Ah, ich habe noch ein paar Kostproben für dich. Bist du allergisch gegen Schokolade?“

Ein Lächeln glitt über das Gesicht des Mädchens. „Zum Glück nicht. Ich liebe Schokolade.“

Sasha zog die Nase kraus. „Das ist auch meine Schwäche.“ Sie nahm einen rot-weiß gestreiften Karton und füllte ihn mit Cookies, klassischen Brownies, einem Becher Schokomousse mit Schlagsahne und dem letzten Stück Schoko-Nuss-Käsekuchen. „Lass es dir schmecken. Und danke für deine Bewerbung.“

Kiera strahlte über das ganze Gesicht. „Danke, Miss Sasha.“

Dwight Adams hob den Kopf, als es an seiner Bürotür klingelte und Kiera hereinkam. Dass seine Tochter ihn in der Praxis besuchte, überraschte ihn angenehm. Sie ließ ihren Rucksack auf den Teppich fallen und stellte einen rot-weiß gestreiften Karton auf den Schreibtisch, als Dwight aufstand, um Kiera zu umarmen.

„Was machst du denn hier?“

Kiera stellte sich auf Zehenspitzen und küsste ihren Vater auf die Wange. „Was ist aus ‚Schön, dich zu sehen‘ geworden?“

„Natürlich freue ich mich, dich zu sehen. Ich habe nur nicht damit gerechnet. Und wie bist du überhaupt hergekommen?“

„Ich habe Grammie gebeten, mich hier abzusetzen. Sie trifft sich zum Lunch mit dem Frauenausschuss.“

Dwight setzte sich hinter den Schreibtisch und musterte seine Tochter, die ein Abbild ihrer Mutter in dem Alter war, abgesehen von der Größe. Mit einem Meter achtundsechzig war sie zehn Zentimeter größer als ihre zierliche Mutter.

Kiera setzte sich und legte die Hände auf die Oberschenkel. „Ich habe mich um einen Job in der neuen Konditorei beworben.“

Er erstarrte. „Du hast was?!“

„Bitte reg dich nicht auf, Daddy.“

Er fuhr sich über das Gesicht. „Ich rege mich gar nicht auf, Kiera. Ich frage mich nur, warum du glaubst, dir einen Job suchen zu müssen, anstatt dich auf die Schule zu konzentrieren. Es kann nicht wegen des Geldes sein, denn ich habe ein Konto für dich eingerichtet.“

Kiera beugte sich vor. „Ich brauche etwas, um meine Collegebewerbung aufzupeppen, entweder mit einem Job oder gemeinnütziger Arbeit. Viele aus meinem Jahrgang haben sich schon bei der Kirche, im Rathaus und in Geschäften gemeldet. Und außerdem hat Miss Sasha gesagt, dass ich die Erste war, die sich beworben hat, deshalb habe ich gute Chancen, dass sie mich nimmt.“

„Warum willst du nicht hier arbeiten?“, fragte Dwight.

Im vorigen Sommer hatte Kiera bereits am Empfang ausgeholfen, denn die Ferien verbrachte sie bei ihrem Vater in Wickham Falls, während sie sonst bei seiner geschiedenen Frau Adrienne in New York gelebt hatte. Zwar besuchte Dwight seine Tochter mehrmals im Jahr, dennoch plagten ihn Gewissensbisse, weil seine Ehe gescheitert war und Kiera als Scheidungskind aufwachsen musste.

Doch letzten Sommer hatte sich die Lage grundlegend verändert, als Kiera erklärt hatte, nicht länger bei ihrer Mutter und ihrem Stiefvater leben zu wollen, sondern bei ihrem Vater und ihrer Großmutter in Wickham Falls. Adrienne war schließlich damit einverstanden gewesen, wenn auch unter der Bedingung, dass Kiera im Juli mit ihr Urlaub machte.

„Das sieht nicht gut aus, Daddy. Ich kann doch nicht schreiben, dass ich für den Zahnarzt Dwight Adams gearbeitet habe, ohne dass die Frage auftaucht, ob wir nicht vielleicht miteinander verwandt sind. Miss Sasha hat gesagt, dass sie mit dir reden möchte, bevor sie sich entscheidet. Sie will nicht, dass ich mich in der Schule verschlechtere, falls sie mich einstellt.“

„Gute Einstellung.“ Dwight gefiel es, dass Kieras mögliche Chefin sich darüber Gedanken machte.

Obwohl er nur fünf oder sechs Jahre älter sein musste als Natasha Manning und gleichzeitig mit zweien ihrer älteren Brüder die Highschool besucht hatte, war Dwight als Heranwachsender nicht groß in Kontakt mit ihr gewesen. Er hatte dafür umso mehr von Sasha gehört, als sie als Patissière prominent geworden war und dann den erfolgreichen Countrysänger Grant Richards geheiratet hatte. Dwight war wie die meisten in der Stadt überrascht gewesen, dass sie nach Wickham Falls zurückgekehrt war, um in einem der leer stehenden Läden an der Main Street eine Konditorei einzurichten.

Kiera zeigte auf den Pappkarton. „Sie hat mir ein paar Kostproben mitgegeben. Ich wollte sie in den Pausenraum stellen, bis mir einfiel, dass Miss Chambers Diät macht, deshalb nehme ich sie mit nach Hause zu Gram …“ Sie brach ab, als ihr Handy klingelte, holte es aus der Jackentasche und starrte aufs Display. „Das ist Miss Sasha. Sie hat gesagt, sie würde mir eine E-Mail schicken, wenn sie mich nicht nimmt.“

Dwight deutete auf das Telefon in Kieras Hand. „Willst du nicht rangehen?“ Er bemerkte ihren angespannten Gesichtsausdruck, als sie das Handy an ihr Ohr hielt. Ihre Miene veränderte sich jedoch schnell.

„Ja. Ich bin gerade bei ihm.“ Kiera reichte ihm das Telefon. „Sie möchte dich sprechen.“

Er nahm das Handy. „Hallo.“

„Dr. Adams, hier ist Sasha Manning. Ihre Tochter hat sich als Verkaufshilfe in meiner Boulangerie und Patisserie beworben. Eigentlich wollte ich zwar weitere Bewerbungen abwarten, aber ich habe mich nun doch schon entschieden, sie zu nehmen. Ich brauche nur Ihre Bestätigung, dass sie den Job auch wirklich mit der Schule vereinbaren kann, ohne dass sich ihre Noten verschlechtern.“

Dwight lächelte. Dass seine Tochter ihre guten Zensuren behielt, hatte für ihn Priorität, damit sie Zugang zu einem College ihrer Wahl hatte. Offensichtlich war Sasha derselben Meinung. Sie sprachen über die Konditionen des Stellenangebots. Dwight war damit einverstanden, dass Kiera den Job im Backshop annahm, betonte aber, dass sie aufhören müsste, sobald ihre schulischen Leistungen nachließen.

„Das verstehe ich, Dr. Adams. Wenn Sie einverstanden sind, kann sie schon morgen anfangen. Ich brauche noch ihrem Impfnachweis und ihre Sozialversicherungsnummer.“

„Das kann ich Ihnen später vorbeibringen. Wann schließen Sie?“

„Um achtzehn Uhr, aber ich bleibe noch länger im Geschäft. Passt Ihnen das?“

Dwight nickte. „Ja.“ Seinen letzten Patienten an diesem Tag erwartete er um halb sechs. Dann würde er nach Hause fahren und die Dokumente holen. „Ich bin wahrscheinlich kurz nach Ladenschluss bei Ihnen.“

„In Ordnung.“ Sie schwieg einen Moment. „Danke, Dr. Adams. Wenn ich das sagen darf, Ihre Tochter ist eine Freude.“

Dwight sah Kiera an und zwinkerte ihr zu. „Ich bin vielleicht voreingenommen, aber ich stimme Ihnen zu. Sie ist etwas ganz Besonderes.“

„Also sehen wir uns heute Abend?“

„Ja“, bestätigte er.

„Dr. Adams, könnten Sie vielleicht noch etwas Zeit für mich mitbringen? Ich möchte mich mit Ihnen gern auch über etwas anderes unterhalten.“

Er fragte sich, was das sein mochte. „Ja“, sagte er. Seine Neugier war geweckt. Er beendete das Gespräch und gab Kiera das Handy zurück. „Es sieht so aus, als wärst du engagiert.“

2. KAPITEL

Sasha unterdrückte ein Keuchen, als sie Dwight Adams später am Abend die Tür zu ihrem Laden öffnete, denn sie fand ihn mehr als attraktiv – ausgesprochen schön. Alles faszinierte sie – sein schmales, ebenmäßiges Gesicht, sein schwarzer Teint, seine großen dunklen Augen und sein Lächeln, bei dem sich Grübchen in den Wangen bildeten. Sein raspelkurzes grau meliertes Haar kontrastierte ungewöhnlich zu seinem glatten Gesicht. Ganz in Schwarz gekleidet – Bomberjacke, Sweatshirt, Jeans und Doc-Martens-Stiefel –, verkörperte er einen dunkel-geheimnisvollen, hochattraktiven Mann.

Früher hatte sie so gut wie nichts mit ihm zu tun gehabt. Sie hatte zwar gehört, wie einige Mitschülerinnen darüber tuschelten, wie toll Dwight aussah, aber mit anderen Mädchen über hübsche Jungs zu reden, war für Sasha nicht drin gewesen. Sie hatte nie eine Freundin zum Übernachten eingeladen, weil das, was im Haus der Mannings passierte, im Haus der Mannings bleiben sollte. Weder sie noch ihre Brüder hatten sich je Außenstehenden über die ausgesprochen toxische Beziehung ihrer Eltern anvertraut.

Sasha hatte nie verstanden, warum ihre Eltern überhaupt geheiratet hatten, denn sie waren in nichts einer Meinung, und doch hatten sie ihren dreißigsten Hochzeitstag gefeiert. Zwei Tage später war ihr Vater nur neunundvierzigjährig an einem Herzinfarkt gestorben, was inzwischen sieben Jahre zurücklag.

„Herzlichen Glückwunsch, Sasha. Sie haben es geschafft, Klasse nach Wickham Falls zu bringen!“, sagte Dwight, während er sich umschaute.

Sasha lächelte angespannt. Sie hatte über ein Jahr lang geplant, mehrere Monate auf die Genehmigung des Stadtrates gewartet und dann noch länger, bis der Laden nach ihren Vorstellungen renoviert war. „Finden Sie die Einrichtung nicht eigentlich zu schick?“

Dwight drehte sich um und begegnete ihrem Blick. „Überhaupt nicht. Es ist charmant und sehr einladend.“ Er lächelte. „Und mir gefällt die Alliteration in Sashas Sweet Shoppe. Jedes Wort beginnt mit s, das prägt sich sofort ein!“

Sie nickte. „Es hat ein Weilchen gedauert, bis mir ein passender Name eingefallen ist. Meine erste Wahl war ‚Sashas Patisserie‘ , aber ich habe meine Meinung geändert, weil ich den Leuten ja nicht erst erklären wollte, was eine Patisserie ist. Und das altmodisch geschriebene ‚Shoppe‘ gefällt mir.“

Dwight ging zum Glastresen und betrachtete die bunt dekorierten Gebäckstücke. „Wie lief denn die Eröffnung?“

Sasha stellte sich neben ihn. „Ich bin zufrieden. Ich habe viele Kostproben verteilt und hoffe, die Leute kommen wieder.“

Dwight warf Sasha einen Blick von der Seite zu. Wie die meisten in Wickham Falls hatte er vorm Fernseher gesessen und aus der Ferne mitgefiebert, als sie Kandidatin in einem Backwettbewerb wurde. Die Kamera schien die große, schlanke Konditorin mit den rotgoldenen Locken, den grünen Augen und dem ansteckenden Lachen zu lieben. Obwohl Sasha den Wettbewerb nicht gewonnen hatte, war sie der erklärte Publikumsliebling. Ihre Bekanntheit nahm weiter zu, während sie für verschiedene Prominente als Patissière arbeitete und einen populären Countrysänger heiratete. Dann verließ sie die Glitzerwelt urplötzlich, um an ihren Geburtsort zurückzukehren.

Dwight bemerkte den angespannten Zug um ihren Mund. Als jemand, der auch selbstständig war, vermutete er, dass sie sich Gedanken um die Zukunft ihres Geschäfts machte.

„Ich glaube, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich habe ein Stück Schoko-Nuss-Cheesecake gegessen und wollte sofort mehr.“

Sasha ließ zum ersten Mal ein echtes Lächeln aufblitzen. Ihr Mund wurde weich, und ihre Augen funkelten wie polierte Smaragde. „Aha! Ich werde die Rezeptur auf meine Käsekuchenliste setzen.“

Autor

Rochelle Alers
Seit 1988 hat die US-amerikanische Bestsellerautorin Rochelle Alers mehr als achtzig Bücher und Kurzgeschichten geschrieben. Sie hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den Zora Neale Hurston Literary Award, den Vivian Stephens Award for Excellence in Romance Writing sowie einen Career Achievement Award von RT Book Reviers. Die Vollzeitautorin ist Mitglied der...
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