Ein zarter Kuss weckt süße Träume

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Herzklopfen, Begehren, Eifersucht - ein einziger Kuss hat zwischen Zak und Michelle alles verändert! Hat aus ihrer schon ewig währenden Freundschaft eine stürmische Affäre gemacht. Doch während Zak das neue erotische Knistern genießt, bringt es Michelle total durcheinander. Denn sie ist sieben Jahre älter als Zak und überzeugt, dass sie "vernünftig" bleiben muss. Wegen ihrer Familien, für die sie schließlich fast wie Geschwister sind. Und wegen ihrer Freundschaft, die womöglich zerbricht, wenn Zaks Liebe sich als Strohfeuer erweist. Aber Zak gibt nicht auf - und überrascht Michelle mit der Erfüllung eines gemeinsamen Traums ...


  • Erscheinungstag 06.05.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716899
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Michelle Howard betrat den zweiten Stock im Haus ihres Bruders in Riverside, Kalifornien, als ihre Nichte Lynette die Tür des Gästezimmers am Ende des Flurs hinter sich schloss.

„Tante Michelle! Was machst du denn hier?“, fragte Lynette vorwurfsvoll.

Offenbar hat sie angenommen, sie wäre mit Zak allein im Haus, dachte Michelle. „Ich wollte dich gerade dasselbe fragen! Deine Mutter sagte, du hättest heute Vormittag Kurse am College.“

„Donnerstags nur einen, und der beginnt erst um elf.“

Michelle sah zur Uhr. „Dann musst du dich beeilen, wenn du es noch rechtzeitig schaffen willst!“

Lynette hob trotzig das Kinn. „Vielen Dank, aber ich weiß schon, was ich tue.“

Lynettes Eltern, Graham und Sherilyn, hatten sich darüber beklagt, dass sich ihre Tochter im Laufe des Sommers sehr zu ihrem Nachteil verändert habe. Sie fanden den Umgang mit ihr schwierig, da sie sich ständig angegriffen fühlte und aggressiv reagierte. Jetzt wusste Michelle, was sie gemeint hatten. Lynette wirkte wie ausgewechselt. Früher war sie immer höflich und hilfsbereit gewesen.

„Entschuldige, meine Liebe. Ich hatte mir nichts dabei gedacht. Tut mir leid.“ Unter dem einen Arm zwei Eisbeutel und das Blutdruckmessgerät, umarmte Michelle ihre Nichte mit dem freien Arm.

Lynette reagierte kaum.

Verwirrt trat Michelle einen Schritt zurück. „Sherilyn bat mich, nach deinem Onkel Zak zu sehen, während sie ein paar Einkäufe erledigt.“

„Ich bin gut imstande, ihn zu pflegen!“

„Das bezweifle ich nicht, Lynette. Aber deine Mutter hat Angst um ihren Bruder und möchte, dass ich mir ein Bild von seinem Gesundheitszustand mache.“

„Sie hätten ihn doch nicht aus dem Krankenhaus entlassen, wenn es ihm nicht gut genug ginge“, wandte Lynette ärgerlich ein. „Ich bin fast neunzehn. Trotzdem halten mich alle noch für eine Jugendliche. Du kannst Gift darauf nehmen, dass meine Eltern Zak nie so behandelt haben wie mich!“ Ihre braunen Augen funkelten zornig.

Michelle zuckte zusammen. So kannte sie Lynette noch gar nicht. „Das liegt wohl eher daran, dass dein Onkel Zak schon neun Jahre alt war, als mein Bruder deine Mutter geheiratet hat.“

Und selbst mit neun hatten für Zak eigene Regeln gegolten. Michelle konnte sich noch gut an die Zeit erinnern. Ihr Bruder Graham hatte sich damals sehr um Sherilyns jüngeren Bruder Zak bemüht und es vermieden, sich wie ein Stiefvater aufzuspielen. Es hatte sich gelohnt. Inzwischen verstand er sich ausgezeichnet mit seinem Schwager Zak.

„Warum nennst du ihn ständig meinen Onkel? Wir sind doch gar nicht wirklich verwandt.“

Lynette, Lynette!

Endlich begann Michelle, das ungewohnte Verhalten ihrer Nichte zu begreifen. Der Übergang vom Teenager zur Erwachsenen war nun mal eine verwirrende, schmerzliche Zeit.

„Du weißt, dass ich recht habe, Tante Michelle! Erst haben seine Eltern Zak verlassen, dann hat er jahrelang in Pflegefamilien gelebt, bis ihn meine Großeltern adoptiert haben. Kurz danach sind sie bei einem Unfall ums Leben gekommen. Als ich in den Kindergarten kam, ging Zak schon zur höheren Schule. Ich habe nur sehr wenig von ihm zu sehen bekommen.“

„Trotzdem gehört er zur Familie und ist dein Onkel. Zak und ich haben großes Glück gehabt, eine Schwester und einen Bruder zu besitzen, die uns nach dem Tod unserer Eltern ein sicheres Zuhause geboten haben.“

Ebenso selbstverständlich hatte Sherilyn Zak am Vortag aus dem Krankenhaus zu sich nach Hause geholt, damit er sich in Ruhe erholen konnte. Michelle nahm an, dass er wie jeder Genesende persönliche Zuwendung gut brauchen konnte. Außerdem ging er dadurch mehreren Frauen aus dem Weg, die sich, Sherilyns Worten nach zu urteilen, alle darum bemühten, die eine zu werden. Zak schätzte seine Unabhängigkeit und hatte bisher keine Ambitionen entwickelt, eine eigene Familie zu gründen.

„Wieso bist du eigentlich nicht bei der Arbeit, Tante Michelle?“

„Ich habe gerade einen Pflegeeinsatz in Murrieta beendet.“

Ihr Patient, der Golfprofi Mike Francis, hatte sich bei einem schweren Autounfall ein Bein gebrochen und war daher auf Hilfe angewiesen gewesen. Inzwischen war er wieder gesund und hatte Michelle eingeladen, ihn nach Australien zu einem Golfturnier zu begleiten. Hinter der arroganten Fassade des gut aussehenden Golfers verbarg sich echter Charme, und er brachte Michelle oft zum Lachen. Außerdem war sie noch nie in Australien gewesen. Die Vorstellung, Queensland und das Große Barrier-Riff zu erkunden, faszinierte sie sehr.

Doch obwohl Michelle vorsichtshalber einen Pass beantragt hatte, hatte sie sich noch nicht fest entschieden mitzufahren. Sie vermutete, dass Mike immer seine geschiedene Frau lieben würde, auch wenn er mit ihr, Michelle, einen neuen Anfang wagen wollte. Als seine Krankenschwester hatte sie ihn gut genug kennengelernt, um zu wissen, dass er eine solche Verbindung nicht leichtfertig eingehen würde. Wenn sie nicht bereit war, eine ernsthafte Beziehung mit ihm aufzunehmen, war es besser, auf die Reise zu verzichten.

„Wie grantig ist der Patient denn heute Morgen?“, fragte Michelle, um Lynette etwas aufzuheitern.

„Er schläft und möchte nicht gestört werden.“ Lynette wollte offensichtlich nicht, dass sie sich für Zak interessierte. Irgendwann in diesem Sommer war sie erwachsen geworden.

„Jetzt bin ich wach“, sagte eine Männerstimme, die eine ganze Oktave tiefer klang als vor zwei Jahren, als Michelle sie bei der Beerdigung ihres Ehemannes Rob zum letzten Mal gehört hatte.

Überrascht drehte sie sich um. „Zak!“

Er lehnte im Türrahmen am Ende des Flurs. Da Michelle ahnte, welche Anstrengung es ihn kostete, sich aufrecht zu halten, eilte sie auf ihn zu.

„Also habe ich mich doch nicht verhört“, sagte er, als sie näher trat. „Wir haben uns ja ewig nicht gesehen, Michelle.“

Plötzlich wusste sie, warum ihre Nichte sich so radikal verändert hatte.

Zwei Jahre waren eine lange Zeit. Zak war sieben Jahre jünger als Michelle und in den vergangenen zwei Jahren zum Mann herangereift. Mit seinen ein Meter achtzig, dem dichten schwarzen Haar und den ausgeprägt männlichen Zügen sah er absolut faszinierend aus. Statt wie früher eher zurückhaltend, wirkte er nun ausgesprochen sinnlich und anziehend. Ein Mann, mit dem man rechnen musste und dessen maskuliner Ausstrahlung sicher nur wenige Frauen widerstehen konnten.

Bis auf eine graue Trainingshose und den Verband um die Rippen war er nackt. Sein muskulöser Oberkörper war von der Arbeit unter der kalifornischen Sonne gebräunt. Mit seinen achtundzwanzig Jahren besaß Zak bereits eine eigene Baufirma, die „Sadler Construction Company“, in Carlsbad, einer Stadt am Meer ungefähr zwei Autostunden von Riverside entfernt.

Zak hatte schon früh begonnen, auf dem Bau zu arbeiten, und das Geld gespart. So hatte er sich ohne Grahams finanzielle Unterstützung das Studium zum Bauingenieur selbst finanziert. Aus den Erzählungen von Graham und Sherilyn wusste Michelle, dass er sich anschließend mit seinen früheren Arbeitskollegen zusammengetan und so eine eigene Firma gegründet hatte.

Michelle bewunderte ihn dafür, dass er wusste, was er wollte, und seine Pläne auch umsetzte. Aber bei dieser Begegnung beeindruckte sie vor allem die Wirkung, die er auf sie ausübte. Bisher hatte sie ihn nur als Sherilyns jüngeren Adoptivbruder gekannt. Jetzt nahm sie ihn zum ersten Mal als Mann wahr.

Obwohl es nicht leicht fiel, blieb Michelle gelassen. „Wie schön, dich wiederzusehen, Zak. Aber du sollst noch nicht aufstehen. Komm, leg dich wieder ins Bett. Ich habe dir frische Eisbeutel mitgebracht.“

„Genau das hat der Arzt angeordnet.“

Irgendetwas in seinem Tonfall bewirkte, dass Michelle die Knie weich wurden. Und das machte überhaupt keinen Sinn.

„Warum hast du es nicht mir gesagt?“ Lynette sah ihn wie gebannt an. „Ich hätte dir sofort Eis besorgt.“

Er zuckte die Schultern. Michelle beobachtete fasziniert das Spiel seiner kräftigen Muskeln.

„Das ist nett gemeint, Lynette, aber ich habe die Schmerzen erst bemerkt, als ich eben aufgewacht bin.“ Bisher hatte er nur Augen für Michelle gehabt, nun warf er Lynette einen Blick zu. „Wird es für dich nicht allmählich Zeit, zum College zu fahren? Bei den hohen Studiengebühren kannst du es dir nicht leisten, Unterricht zu verpassen.“

Lynette wurde aschfahl und sah Michelle feindselig an. Im nächsten Moment wandte sie sich ohne ein Wort um und ging zur Treppe.

Zak begab sich unverzüglich wieder ins Bett. Michelle merkte ihm an, wie schwer ihm jede Bewegung fiel.

„Bist du nicht ein bisschen zu hart mit Lynette umgesprungen?“, fragte sie. Dabei hasste sie es, in den Konflikt zwischen Zak und seiner Nichte hineingezogen zu werden.

„Nicht hart genug, würde ich meinen. Wenn du ein bisschen die Krankenschwester für mich spielst, erzähle ich dir, warum.“ Er lag mit geschlossenen Augen auf dem großen Gästebett und atmete nur sehr flach. Seine langen, dichten Wimpern beschatteten die Wangen, und auf seiner Stirn perlten feine Tröpfchen. Die dunklen Schatten auf seiner Oberlippe und am Kinn wiesen darauf hin, dass er zu den Männern gehörte, die sich eigentlich zweimal am Tag rasieren mussten. Wie Michelle ihn kannte, würde er sich diese Mühe nur selten machen. Egal. Jedenfalls sah er so unglaublich gut aus, dass ihr Herz wie wild zu pochen begann.

Sie wandte den Blick ab, als sie merkte, wie anziehend sie ihn fand.

Wie hatte das passieren können?

Lynettes Worte fielen ihr wieder ein: Warum nennst du ihn ständig meinen Onkel? Wir sind gar nicht wirklich miteinander verwandt.

Bei der Erinnerung wurde ihr ganz heiß. Merkwürdig. Mit einem Schulterzucken schob sie die Gedanken beiseite und widmete sich ihrer Aufgabe.

Sie legte die Eisbeutel an Zaks linke Seite. Auf einer Baustelle hatte sich eine schwere Kranlast gelöst und ihm mehrere Rippen gebrochen und die linke Lunge eingedrückt.

„Ah, das tut gut“, sagte er leise.

Michelle maß seinen Blutdruck und hörte ihn mit dem Stethoskop ab. Als sie sich über ihn beugte, löste sich eine Strähne ihres schulterlangen aschblonden Haars und kitzelte ihn an der Wange. Zak öffnete die Augen und musterte Michelle aufmerksam. Er ließ sich Zeit und schien alle Einzelheiten in sich aufzunehmen: die sanften Linien ihres Gesichts, den ausdrucksvollen Mund, die fein geschwungenen Augenbrauen und die langen dunklen Wimpern.

„Du hast noch immer die gleichen blauen Augen, aber du wirkst nicht mehr wie vom Schmerz gezeichnet. Wie schön, dass du offenbar das Schwerste hinter dir hast, Michelle.“

Seine Worte trafen sie direkt ins Herz, und sein intensiv forschender Blick verunsicherte sie. Um zu verbergen, wie nah ihr die Begegnung ging, nahm sie Zuflucht zu ihrer professionellen Rolle, stand auf und packte die Manschette und das Blutdruckmessgerät wieder ein. „Ja, danke, Zak. Mir geht es wieder sehr gut. Aber du machst deiner Schwester zurzeit große Sorgen. Du darfst deine Verletzung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Du hättest vorhin nicht ohne Hilfe aufstehen sollen.“

„Ich hatte meine Gründe.“

Sie maß seinen Puls. „Und ich meine.“

„Ja, Schwester“, neckte er sie.

In dieser Stimmung fand Michelle Zak unwiderstehlich. Es kostete sie einige Anstrengung, wenigstens den Anschein von Gelassenheit zu erwecken. „Du hättest hinfallen und dich noch einmal verletzen können. Dein Körper lügt nicht.“

Er seufzte frustriert. „Du hast recht. Mir geht es ziemlich schlecht. Wann, glaubst du, kann ich wieder arbeiten?“

Michelle ließ seinen sonnengebräunten kräftigen Arm los. Dabei fielen ihr seine sauberen Hände und Fingernägel auf. Trotz der Arbeit auf dem Bau war er schon immer sehr gepflegt aufgetreten. Und er duftete ausgesprochen gut.

Hör auf damit, Michelle! Wie kannst du nur?

„Ich bin kein Arzt, aber ich würde sagen, in etwa drei bis vier Wochen, sofern keine Komplikationen auftreten.“

„Ich muss unbedingt vorher wieder nach Hause.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an die Kommode. „Das geht nur, wenn dir jemand hilft.“

„Stimmt.“ Ungeniert taxierte er sie von Kopf bis Fuß.

Michelle war schlank und trug zur beigefarbenen Leinenhose eine hellgrüne kurzärmelige Bluse. Unter Zaks Blick wurde ihr ganz warm, und ihr Puls spielte verrückt. Sie atmete absichtlich lang und tief, aber es half nichts. Von Moment zu Moment wurde sie nervöser.

„Du hast zugenommen, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe. Das steht dir gut, Michelle.“ Beim Klang seiner tiefen, etwas heiseren Stimme bekam sie eine Gänsehaut. „Nimm dir einen Stuhl, und setz dich zu mir. Ich will etwas mit dir besprechen.“

Zak hatte gar nichts Besonderes gesagt oder getan, und doch fühlte sie sich in dieser Intimität, als würde sie gleich ersticken. Sie war allein mit ihm in dem kleinen Raum, er lag dicht neben ihr im Bett, so nah und so …

Michelle hatte angenommen, ihre Schuldgefühle darüber, dass sie bei Robs Beerdigung Rob und Zak miteinander verglichen hatte, wären längst vergangen. Denn inzwischen hatte sie sich längst wieder mit anderen, zum Teil sehr attraktiven Männern verabredet. Einer davon war Mike. Aber warum dachte sie dann jetzt nicht an ihn?

„Okay, gleich.“ Am Bett stand ein unberührtes Tablett. „Du hast offenbar nicht gefrühstückt, Zak. Soll ich dir etwas anderes besorgen? Vielleicht Eis oder Obst?“

„Ich glaube, die Medikamente haben mir den Appetit verdorben.“

„Dann brauchst du ein Präparat gegen Übelkeit.“

„Vergiss das jetzt, Michelle!“, forderte er. „Ich muss unbedingt etwas mit dir besprechen, ehe Sherilyn wieder hier ist.“

Michelle fühlte sich in alte Zeiten zurückversetzt. Als sie beide viel jünger gewesen waren, hatte Zak sie zu seiner Vertrauten erkoren. Weil er denken sollte, dass sie sich in seiner Gesellschaft so locker fühlte wie eh und je, tat sie ihm den Gefallen und zog sich einen der Rattanstühle heran. „Was gibt’s denn?“

Er lag wieder mit geschlossenen Augen da und wirkte so erschöpft, als ob ihn das Sprechen angestrengt hätte. Kein Wunder, wenn ihm so schlecht war, dass er nicht einmal etwas essen mochte.

„Es geht um Lynette.“

Michelle erinnerte sich, wie ungern Lynette weggegangen war. „Sie wäre lieber hiergeblieben, um dich zu versorgen.“

„Hm.“ Zak räusperte sich. „Vor drei Wochen hat sie ihren Eltern weisgemacht, dass sie bei ihrer Freundin Jennifer übernachten würde, und ist stattdessen nach Carlsbad gefahren. Dort ist sie mithilfe meines Reserveschlüssels, den ich für Notfälle bei ihren Eltern deponiert habe, in mein Apartment eingedrungen und hat auf mich gewartet. Als ich mittags nach Hause kam, saß sie dort in einem sehr knappen Bikini, den ihr bestimmt nicht ihre Mutter gekauft hat. Ich war, gelinde gesagt, ziemlich schockiert.“

„Das kann ich mir vorstellen“, flüsterte Michelle. „Ich fürchte, sie himmelt dich schon seit Jahren an.“

Er schnitt ein Gesicht. „Den ganzen Sommer über hat sie immer wieder versucht, mit mir zu flirten. Trotzdem hatte ich nicht damit gerechnet, dass sie so weit gehen würde, mich verführen zu wollen.“

Michelle stockte der Atem.

„Auf meine Aufforderung, sich etwas überzuziehen und nach Hause zu fahren, erklärte Lynette, Jennifer würde ihr ein Alibi verschaffen. Dann umarmte sie mich, erinnerte mich daran, dass wir keine leiblichen Verwandten sind, und wollte wissen, ob ich mich freue, sie zu sehen.“

Michelle schloss die Augen.

„Ich habe mich aus der Umarmung gelöst und gesagt, dass ich zurück zur Baustelle müsse. Dann habe ich die Sachen eingesammelt und zusammengepackt, die Lynette überall in der Wohnung verstreut hatte, und sie nach Hause geschickt. Um der Aufforderung Nachdruck zu verleihen, habe ich gedroht, ihren Eltern alles zu erzählen, falls sie nicht innerhalb von zwei Stunden zu Hause eintreffen würde.“

„Und? Hat sie getan, was du wolltest?“

„Ja.“

„Warum hast du es trotz dieser Vorgeschichte zugelassen, dass Graham und Sherilyn dich nach deiner Entlassung aus dem Krankenhaus bei sich aufgenommen haben? Soweit ich gehört habe, gibt es mehrere Frauen, die sich liebend gern um …“

„Ich möchte eine Fachkraft“, fiel er ihr ins Wort. „Als Krankenschwester weißt du viel besser, welche Pflege ich brauche.“

Zak hatte recht. Seit seine linke Lunge wieder arbeitete, hätte er zum Beispiel regelmäßig Atemübungen machen sollen.

„Sherilyn erzählte, dass du gerade eine Pause zwischen zwei Einsätzen machst. Deshalb bin ich mit zu ihnen gekommen. Ich wollte dich persönlich bitten, mich in meiner Wohnung zu versorgen, bis ich wieder arbeiten kann.“

Was?

„Die Kosten, die die Kasse nicht übernimmt, bezahle ich aus eigener Tasche. Eigentlich müsste es dich reizen, eine Weile bei mir zu wohnen, denn mein Apartment liegt direkt am Strand. Vom Schlafzimmer aus blickst du hinaus über den Pazifik, und du kannst so oft schwimmen gehen, wie du willst. Wann hast du zuletzt einen unbeschwerten Tag am Strand verbracht, im Wasser geplanscht und dir einen Sonnenbrand geholt?“

Michelle schwieg, damit Zak nicht merkte, welches Gefühlschaos seine Worte in ihr ausgelöst hatten.

„Durch den Krankenhausaufenthalt musste ich meine Firma viel zu lange unbeaufsichtigt lassen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass ich wieder zu Hause bin, wo mich mein Assistent jederzeit persönlich sprechen kann. Auch wegen Lynette ist es besser, wenn du mitkommst. Sie würde jede andere Krankenschwester austricksen. Dagegen wird sie so etwas wie neulich nicht wieder wagen, solange du im Haus bist. Ich hoffe sehr, dass sie möglichst bald am College einen netten jungen Studenten kennenlernt und den Vorfall mit mir als Lernerfahrung ad acta legen kann. Ich möchte ihr nicht wehtun, aber wenn sie mich dazu zwingt, werde ich es müssen.“

Michelle zuckte zusammen. Zak machte keine leeren Drohungen. Bei ihm wusste man immer, woran man war. Lynette hätte schon vor drei Wochen wissen müssen, was die Uhr geschlagen hatte. Dass sie stattdessen an diesem Morgen den Unterricht geschwänzt hatte, um ihren Onkel zu umgarnen, zeigte, wie verzweifelt sie sich um seine Aufmerksamkeit bemühte.

„Bisher hat es in unserer Familie keine Konflikte gegeben“, fuhr Zak fort. „Ich möchte, dass das so bleibt.“

„Natürlich.“

„Graham und Sherilyn habe ich erzählt, dass ich dich überreden will, mich zu Hause zu pflegen. Offenbar sind sie froh darüber. Jedenfalls haben sie mich gedrängt, dich zu fragen.“

„Ja, wir finden die Idee ausgezeichnet.“ Sherilyn hatte unbemerkt das Gästezimmer betreten. „Niemand kann dich besser versorgen als Michelle. Sie hat viel Erfahrung mit solchen Verletzungen.“

Sherilyn trat an Zaks Bett und strich ihm besorgt über die Stirn. Dann fiel ihr Blick auf das Frühstückstablett. „Hast du immer noch keinen Appetit?“

„Das wird sich bessern, sobald ich seinen Arzt gesprochen habe, damit er ihm etwas gegen Übelkeit verschreibt.“ Kaum waren ihr diese Worte entschlüpft, da wusste Michelle, dass sie die Aufgabe übernehmen würde.

In den Augen der Familie gab es keinen Grund, abzulehnen, und was Lynette betraf, brauchte Zak Unterstützung. Denn wenn seine Nichte ihm weiter nachlief, konnte es böse Folgen für sie alle haben.

„Merkwürdig, dass der Arzt dir kein Rezept gegen die Übelkeit mitgegeben hat.“ Michelle hob den Kopf und begegnete Zaks Blick. Er wirkte so zufrieden, dass sie plötzlich Angst bekam.

Auf keinen Fall darf er merken, wie anziehend ich ihn finde!

„Bitte bleibt wenigstens bis morgen“, bat Sherilyn. „Graham und ich würden meinen Bruder, den ich so selten zu sehen bekomme, gern noch einen Tag verwöhnen!“

„Ja, natürlich“, antwortete Michelle, ehe Zak etwas sagen konnte. „Er ist noch zu geschwächt, um die Fahrt durchzustehen. Außerdem bin ich heute Abend mit Mike zum Essen verabredet.“ Sie hoffte, dadurch, dass sie Mike erwähnte, Zaks Anziehungskraft etwas entgegenzusetzen. Entschlossen sprang sie auf, stellte den Stuhl zurück und nahm das Tablett. „Ich hole dir Eischips und Cola und rufe den Arzt wegen des Rezepts an, Zak.“

„Graham kann auf dem Heimweg bei der Apotheke vorbeifahren und das Medikament abholen. Er macht heute früher Schluss“, sagte Sherilyn.

Michelle war froh, dass ihr Bruder, ein erfolgreicher Patentanwalt, sich ihnen bald anschließen würde. Sie brauchte mehr Raum und Zeit, um ihre Gefühle zu ordnen und die Situation wieder in den Griff zu bekommen. Die Sache mit Lynette war schlimm genug. Dass Zak sie, Michelle, ins Vertrauen gezogen hatte und sie nicht mit Graham und Sherilyn darüber sprechen konnte, war angemessen, machte ihr die Sache aber nicht leichter.

Und ihre eigene Faszination für Zak musste sofort ein Ende finden!

Michelle stand schon im Flur, als sie ihn sagen hörte: „Cola klingt gut!“

Sie rief das Krankenhaus an, wurde mehrmals durchgestellt und weiterverbunden, bis sie endlich den Arzt, der Zak entlassen hatte, sprechen konnte. Nachdem sie ihm erklärt hatte, dass sie Zaks Krankenschwester war, diktierte er ihr seine Handynummer und trug ihr auf, sie dem Apotheker in Riverside zu geben. Dieser würde dann den Arzt zurückrufen, um zu erfahren, welches Medikament er Graham für Zak mitgeben sollte. Als Nächstes rief Michelle ihren Bruder an, gab ihm die Nummer des Arztes und überließ es ihm, sich um alles zu kümmern.

Anschließend holte sie einen Behälter mit zerstoßenem Eis und eine kalte Cola und ging wieder nach oben. Sherilyn saß auf der Bettkante und sprach mit Zak über seine neuesten Bauprojekte. Sobald Michelle den Raum betrat, verstummte er.

„Graham ist auf dem Weg zur Apotheke. Dein Medikament wird also bald hier sein.“

„Na endlich! Ein Glück!“, rief Sherilyn.

„Bis er hier ist, solltest du abwechselnd Eisstückchen und kleine Schlucke Cola zu dir nehmen, Zak. Aber erst mal setzen wir dich bequemer hin.“ Sie stellte die Sachen auf dem Nachttisch ab und zeigte ihm dann, wie er sich an ihrem Arm festhalten und sich mithilfe der Füße und vorsichtiger Hüftbewegungen aufrecht hinsetzen konnte, ohne den Oberkörper zu belasten.

Seit dem Abschluss ihrer Schwesternausbildung mit zweiundzwanzig und später der Weiterbildung zur Fachkrankenschwester für Orthopädie hatte Michelle im Krankenhaus und nach Robs Beerdigung in Privatwohnungen mit vielen männlichen Patienten jeden Alters gearbeitet. Teenager, alte Menschen und Athleten auf der Höhe ihres körperlichen Leistungsvermögens waren darunter gewesen. Mit einer Ausnahme hatte sie nie mehr als professionelles Interesse für sie empfunden. Daran hatte erst Mikes Entschlossenheit, eine persönliche Beziehung daraus zu machen, etwas geändert.

Zak zu pflegen würde wieder etwas ganz anderes sein. Michelle wusste nicht, wie lange sie es schaffen würde, so zu tun, als bedeutete er ihr nichts Besonderes. Zumal ihre Hormone schon verrückt spielten, ehe ihr Einsatz überhaupt begonnen hatte!

Denn Zak war nicht nur ein besonders gut aussehender Mann. Attraktiv war er auch schon als Teenager gewesen. Nein, da kamen mehrere Faktoren zusammen: die Art, wie er sich bewegte, wie er sprach, seine eigenwilligen Ansichten …

Aus diesen und anderen, weniger offensichtlichen Gründen fand Michelle ihn sehr anziehend. Vermutlich ging es jeder Frau so, die ihn näher kennenlernte.

Unwillkürlich trafen sich ihre Blicke. „Du hast schon immer genau gewusst, was mir guttut.“ Zak trank einen Schluck Cola nach dem anderen.

Michelle blieb die Luft weg. Sicher war es am besten, mehr Abstand zu ihm zu halten. „Sherilyn und Graham sind für dich da, wenn du etwas brauchst. Deshalb fahre ich jetzt nach Hause. Ich muss noch eine Menge erledigen, ehe ich dich morgen früh abholen komme.“

Zak warf ihr einen vielsagenden Blick zu. „Vergiss den Badeanzug nicht!“

Michelle sah ihn wie benommen an.

„Wohin fahrt ihr denn?“

Niemand hatte Lynette kommen hören.

Sherilyn sah ihre Tochter bestürzt an. „Willst du nicht wenigstens erst Hallo sagen, Lynette?“

Zak hatte nur Augen für Michelle. „Ich nehme Florence Nightingale mit nach Hause. Technisch betrachtet wird zwar sie fahren, aber es läuft auf dasselbe hinaus.“

Michelle wusste, dass Lynette sie am liebsten zum Mond geschickt hätte. Die Ärmste! Welcher Student konnte es schon mit ihrem Onkel Zak aufnehmen?

„Michelle? Wann sollen wir wieder bei Zak Fieber messen?“

Michelle errötete, weil sie gar nicht gemerkt hatte, dass Sherilyn sie etwas fragte. „Am späten Nachmittag. Mit etwas Glück haben die Flüssigkeit und das Medikament bis dahin seine Übelkeit beseitigt. Wenn er noch erhöhte Temperatur hat, gebt ihm eine Tablette. Außerdem sollte er einmal pro Stunde mit Hilfe zur Toilette gehen oder einige Minuten im Zimmer auf und ab wandern. Ich bin morgen früh um neun wieder hier.“ Mit diesen Worten verließ Michelle das Zimmer.

„Dann gehst du besser zeitig zu Bett!“, rief Zak ihr nach und spielte damit unmissverständlich auf ihre Verabredung mit Mike an.

2. KAPITEL

„Vielen Dank für das Essen, Mike. Normalerweise würde ich dich hereinbitten, aber ich muss noch packen.“

Mike hatte den Arm auf die Lehne von Michelles Sitz gelegt und spielte mit ihrem langen Haar. Leider fand sie es kein bisschen erregend.

„Macht nichts, Michelle. Meine Großeltern besitzen ein Sommerhaus in San Clemente in der Nähe von Carlsbad. Dort können wir uns abends treffen, sobald dein Schwager eingeschlafen ist. Und bald fahren wir ja nach Australien.“

Seine Worte weckten Michelles Erinnerung an Zak. Ihr wurde heiß, als sie ihn im Geist so vor sich sah, wie sie ihn am Morgen erlebt hatte, und als ihr wieder einfiel, welche Gefühle er in ihr ausgelöst hatte. Einem Impuls folgend, lehnte sie sich zu Mike hinüber und küsste ihn auf den Mund. Ob sie ähnlich auf ihn reagieren würde wie auf Zak? Es war das erste Mal, dass sie in ihrer Beziehung zu Mike die Initiative ergriff.

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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