Entscheidung unter spanischer Sonne

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Übermütig wie in ihrer Studentenzeit genießen Kirstie und der Multimillionär Lucio ihre wiedergefundene Liebe in Spanien. Bis seine offenbar sehr "persönliche" Assistentin auftaucht ...


  • Erscheinungstag 30.08.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783745753608
  • Seitenanzahl 114
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Kirstie starrte das Telefon an. Sie musste diesen Anruf hinter sich bringen, es ließ sich nicht mehr länger hinauszögern – sie schuldete es Becky. Aber es war das Schwierigste, was sie je hatte tun müssen. Fünfzehn, fast sechzehn Jahre waren eine lange Zeit. Würde er sich überhaupt an sie erinnern?

Sie konnte sich so deutlich an Lucio Masterton erinnern wie an den Tag, an dem sie ihn verlassen hatte. Schwarze Haare, eins fünfundneunzig groß, unglaublich attraktiv, muskulöser Körper – damals hatte er Rugby gespielt – und die schelmischsten sepiabraunen Augen, die sie je bei einem Mann gesehen hatte. Mit einem Blick konnte er jede Frau verführen, ihre Knie weich werden und sie beten lassen, er möge sie mit in sein Bett nehmen.

Sie war eine der Glücklichen gewesen.

Zumindest hatte sie das geglaubt!

Als sie ernstere Bahnen hatte einschlagen wollen, hatte er sie aus seinem Leben geworfen. Lucio interessierte sich nur dafür, Millionär zu werden. Frauen waren zweitrangig.

Und jetzt musste sie mit ihm sprechen.

Mittlerweile war er nicht nur Millionär, er war Milliardär.

Aber, um ihm gegenüber gerecht zu bleiben, seinen rasanten Aufstieg verdankte er harter Arbeit. Glück hatte damit nichts zu tun. In all den Jahren hatte sie ihn im Auge behalten. Und trotz ihrer Verbitterung über die Art und Weise, wie er sie damals behandelt hatte, bewunderte Kirstie seine Unermüdlichkeit.

Den Klatschzeitungen zufolge war er einer der begehrtesten Junggesellen Europas. Oft wurde er mit einer wunderschönen Frau am Arm gesehen, aber zu Mrs. Masterton hatte er keine von ihnen gemacht.

Sie hob den Telefonhörer von der Gabel. Jetzt oder nie. Sie wählte die Nummer.

„LMT“, flötete eine weibliche Stimme, die Kirstie sofort unsympathisch war.

„Kann ich bitte mit Lucio Masterton sprechen?“

„Wer sind Sie?“

„Kirstie Rivers.“

„Von welcher Firma?“

„Der Anruf ist privat.“

„Es tut mir leid, Mr. Masterton nimmt keine persönlichen Anrufe entgegen, solange sie nicht auf der Genehmigungsliste stehen, und Ihren Namen kann ich dort nicht entdecken.“

Also gab es eine Liste mit all seinen derzeitigen Freundinnen? Interessant.

„Wenn das so ist, sagen Sie ihm, Kirstie Rivers von Venture Applications möchte ihn sprechen.“ Warum ihr dieser Name eingefallen war, wusste sie nicht, aber es schien zu funktionieren.

„In welcher Branche sind Sie tätig?“

Kirstie konnte kaum glauben, dass ihr all diese Fragen gestellt wurden. „Was soll das?“, fuhr sie wütend auf. „Lucio kennt mich. Und wenn Sie Wert auf Ihren Job legen, sollten Sie ihm jetzt sagen, dass ich am Telefon bin.“ Denn ein zweites Mal würde sie diese Tortur nicht durchstehen. Sie hatte all ihren Mut bereits beim ersten Mal zusammennehmen müssen.

„Masterton.“

Oh nein, die Sekretärin hatte sie ohne Ankündigung durchgestellt. „Lucio?“ Zu Kirsties größtem Entsetzen war ihre Stimme kaum mehr als ein heiseres Flüstern.

„Wer spricht da?“ Im Gegensatz zu ihr war sein Tonfall rau und ungeduldig. Sie erinnerte sich gut an diese Stimme. Dunkel und samtig sandte sie ein Zittern durch den Körper jeder Frau, die ihr lauschte.

Kirstie räusperte sich, setzte sich ein wenig gerader hin und straffte die Schultern. „Kirstie Rivers.“

Schweigen!

Oh verflixt! Er hatte sie vergessen! Das würde nicht einfach werden. Sie konnte sich genau vorstellen, wie er die Stirn runzelte, wie sich seine dunklen Augen zu schmalen Schlitzen verengten, während er sein Gedächtnis durchforstete.

Sollte sie ihn aufklären oder warten, was seine Suche zutage förderte?

Zehn, neun, acht, sieben …

„Kirstie!“

Er hatte sie nicht enttäuscht. Aber lächelte er bei der Erinnerung? Oder hatte er weiterhin die dichten Augenbrauen zusammengezogen? Mit neunzehn war er einer der attraktivsten Jungen am College gewesen, aber mit vierunddreißig war er unwiderstehlich.

Immer wieder hatte sie seine Fotografien in Zeitungen studiert. Wenn er im Fernsehen über seine aktuellen Projekte sprach, hatte sie seiner tiefen samtigen Stimme gelauscht, und die Erinnerung an die Leidenschaft breitete sich wie ein Lauffeuer in ihren Adern aus. Es war verrückt, das wusste sie, aber sie konnte nichts dagegen tun. Er war der erste Mann, in den sie sich verliebt hatte, und ihr erster Liebhaber gewesen. Nicht ihr einziger, obwohl Kirstie sich seit ihm nur auf wenige hatte einlassen können, aber keiner von ihnen hatte an Lucio Masterton herangereicht.

„Welchem Anlass verdanke ich das Vergnügen?“

Vergnügen! Welch unglückliche Wortwahl! Vergnügen würde das Letzte sein, an das er denken würde, wenn er erfuhr, was sie ihm zu sagen hatte. Ein Kloß bildete sich in Kirsties Magen, und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sag, was du ihm zu sagen hast, befahl sie sich streng. Sonst wirst du es niemals tun.

Seit Jahren hatte sie den Anruf vor sich hergeschoben, doch Becky hatte immer beharrlicher darauf bestanden. Jetzt war die Zeit gekommen, ihre Chance, um … was zu tun? Um etwas richtigzustellen. Es klang so einfach, aber wie würde Lucio es aufnehmen? Sie hatte keine Ahnung.

„Wie geht es dir?“, fragte sie.

„Ich bin sicher, du hast nicht angerufen, um mit mir über meinen Gesundheitszustand zu sprechen“, erwiderte er brüsk. „Ich bin ein viel beschäftigter Mann, Kirstie. Es ist schön, von dir zu hören, aber ich muss in zwei Minuten in einem Meeting sein. Vielleicht können wir uns demnächst abends auf einen Drink treffen und über die alten Zeiten reden. Wie wäre es mit Donnerstag?“

„Nein!“ Kirstie wusste, wenn sie es ihm jetzt nicht sagte, würde sie es nie tun. Ihr Mut würde sie endgültig verlassen, und sie würde ihre Tochter enttäuschen. Zudem wollte sie sein Gesicht nicht sehen, wollte seine Wut nicht unmittelbar spüren. Sie wollte die Sicherheit des Telefons zwischen ihm und sich.

„Was meinst du? Nein, nicht am Donnerstag? Oder nein, du willst mich nicht treffen?“

„Ich meine, ich muss jetzt mit dir sprechen.“ Hörte er den schrillen Unterton in ihrer Stimme? Ahnte er, wie trocken ihr Mund war? Es war so furchtbar. Kein Wunder, dass sie den Augenblick immer wieder hinausgezögert hatte. „Du hast eine Tochter, Lucio.“ Da, sie hatte es gesagt! Nicht ganz so, wie sie es beabsichtigt hatte, aber endlich hatte sie das Geheimnis enthüllt.

Wieder herrschte Schweigen.

Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf …

Dann explodierte die Welt.

2. KAPITEL

Je näher sie Lucios Haus kam, desto intensiver wurde das flaue Gefühl in Kirsties Magen. Lucio hatte auf einem Besuch bestanden. Er hatte das Gespräch weder am Telefon fortsetzen noch sich in einem Restaurant mit ihr treffen wollen, sondern in seinem Haus. Es war ein palastartiges Anwesen, das nur zu deutlich den Reichtum seines Besitzers verkündete!

„Ich kann das Meeting nicht absagen“, hatte er geknurrt, als er endlich verstand, dass sie die Wahrheit sagte. „Aber meine Verabredung zum Dinner heute Abend lässt sich verschieben. Um sieben Uhr in meinem Haus. Ich schicke dir einen Wagen.“

Dann war die Leitung tot.

Glücklicherweise war Becky selbst verabredet. Sie war nach der Schule gar nicht erst nach Hause gekommen, sondern gleich zu ihrer Freundin gegangen. Insofern bestand wenigstens keine Gefahr, dass Kirstie die Fragen ihrer Tochter beantworten musste, wenn der Wagen kam, um sie abzuholen.

Der Wagen war nichts Geringeres als ein Bentley! Sie hatte sich tief in die weichen Ledersitze sinken lassen und die Augen erst wieder geöffnet, als sie die Einfahrt zu Lucios Haus hinauffuhren, welches gut versteckt hinter hohen Bäumen lag. Kirstie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand. Vielleicht waren sie eine Meile gefahren oder hundert. Sie hatte sich tief in ihren Gedanken verloren. Angst war in ihr aufgestiegen. Am sehnlichsten wünschte sie sich, sie könnte die Zeit zurückdrehen.

Wäre Lucio heute ebenfalls ein erfolgreicher Geschäftsmann, wenn sie damals, ein paar Monate nach ihrer Trennung, an seiner Tür geklingelt und ihm gesagt hätte, dass sie schwanger war? Hätte er sie geheiratet und seine großen Pläne aufgegeben? Oder hätte er einfach nur das Unvermeidliche akzeptiert, wäre aber zu einem stets abwesenden Vater geworden, der vierundzwanzig Stunden am Tag arbeitete, um seine Firma aufzubauen? Oder – und das war der schrecklichste Gedanken von allen – hätte er sie einfach im Stich gelassen?

Ein grauhaariger Mann Mitte fünfzig mit einem freundlichen Gesicht, vermutlich Lucios Butler, öffnete die Wagentür und begrüßte sie. „Hier entlang“, sagte er, und sie folgte ihm zu einem Zimmer am anderen Ende des Hauses, von dem aus man einen Blick auf die Gärten werfen konnte. Es war ein großer Raum, wie es wahrscheinlich alle Räume in diesem Haus waren. Interessiert sah sie sich um. Nichts verriet ihr etwas über Lucio. Die Einrichtung war vollkommen unpersönlich. Wie konnte er an einem so seelenlosen Ort glücklich sein?

Sie stand am Fenster und hörte nicht, wie Lucio das Zimmer betrat.

„Willst du dich nicht setzen?“, fragte er so unvermittelt, dass sie zusammenzuckte.

Kirstie wandte sich um. Und zum ersten Mal seit sechzehn Jahren blickte sie erneut in diese sepiabraunen Augen, die einst die Macht besessen hatten, ein schier unglaubliches Verlangen in ihr zu entzünden. Sie hatte geglaubt, dieses Gefühl sei vor Jahren gestorben. Jetzt jedoch lief eine Welle der Erregung durch sie hindurch.

Ihr ganzer Körper reagierte auf ihn. Es kostete sie all ihre Kraft, die Empfindungen zurückzudrängen. Dieser Mann gehörte nicht mehr zu ihr. Er hatte sie unglaublich tief verletzt. Er hatte ihr Leben ruiniert – zumindest hatte es eine Zeit gegeben, da sie das gedacht hatte.

Sie hatte sich nicht setzen wollen, doch ihre Knie fühlten sich weich an. Also ließ sie sich auf der Kante einer mit rotem Samt bezogenen Chaiselongue nieder. „Sag, was du zu sagen hast“, hörte sie sich selbst murmeln und stand wieder auf. Die Situation entwickelte sich nicht so, wie sie es geplant hatte. Sie hatte sich vorgenommen, vernünftig und gefasst zu sein, um ihm zu zeigen, dass nicht sie die Schuld an dem trug, was passiert war.

Lucio legte eine Hand auf ihre Schulter und zwang sie bestimmt, wieder Platz zu nehmen. Die Stelle, die seine Hand berührt hatte, brannte wie Feuer.

„Warum hast du mir verschwiegen, dass ich eine Tochter habe? Warum hast du mir nichts von deiner Schwangerschaft gesagt? Und warum erzählst du es mir jetzt? Brauchst du etwa Geld?“, fragte er verächtlich. „Der Lebensunterhalt einer Fünfzehnjährigen ist bestimmt nicht billig, und bald wird es Studiengebühren geben und …“

„Es geht nicht ums Geld“, unterbrach Kirstie ihn aufgebracht. „Wie kannst du es wagen, mir zu unterstellen, dass ich Geld von dir will?“

„Dann sag mir“, erwiderte er gereizt, das Gesicht zu einer Maske aus Eis und Zorn erstarrt, „warum du ausgerechnet diesen Moment gewählt hast, um mir zu gestehen, dass ich eine Tochter habe. Vorausgesetzt, natürlich, sie ist meine Tochter.“

Kirstie schnappte nach Luft. „Glaubst du wirklich, ich würde dich anlügen?“

„Es gibt Frauen, die das tun würden, wenn sie denken, es würde etwas für sie herausspringen.“

„Ich will nichts von dir“, schoss sie zurück. Ihr heftiger Herzschlag hallte als Echo laut in ihren Ohren. Wie konnte er annehmen, dass sie so kalt und berechnend war?

Breitbeinig und hoch aufgerichtet stand er vor ihr, die Arme vor der muskulösen Brust verschränkt, und erinnerte sie an einen despotischen stolzen König.

„Also, ich wiederhole die Frage, warum jetzt?“

Er klang, als würde ihn die Tatsache, dass er Vater einer Tochter war, nur mäßig interessieren. Allein der Gedanke brachte Kirsties Blut zum Kochen. „Willst du nichts über sie wissen? Willst du nicht wissen, wie sie heißt? Wie sie aussieht? Ob sie dir ähnlich ist?“ Was Becky nämlich durchaus war!

Ihre Augen besaßen dieselbe Form, sogar fast dieselbe Farbe. Sie hatten dieselbe Nase, denselben Mund. Es bestand nicht der geringste Zweifel, dass sie Lucios Tochter war. Er würde das selbst sehen, wenn …

„Natürlich will ich alles über sie erfahren“, sagte er sarkastisch. „Aber zuerst muss ich sicher wissen, dass sie meine Tochter ist. Jede andere Mutter wäre schon viel früher zu dem Vater gekommen. Sie hätte an seine Tür geklopft, kaum dass sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hätte. Warum hast du das nicht getan?“

Vor Verachtung blitzten Kirsties Augen düster auf. „Glaubst du wirklich, ich wäre noch einmal zu dir gekommen, nachdem du mich aus deinem Leben verbannt hattest?“

„Ich habe dich nicht verbannt“, grollte er. „Du hast mich verlassen. Ich hatte keine Zeit zum Heiraten, und das wusstest du.“

„Aber du hattest die Zeit, meinen Körper zu benutzen!“, schrie sie wütend.

„Wenn ich mich recht erinnere, hattest du ebenso viel Spaß wie ich.“ Sein provozierender Blick forderte sie heraus, ihm auch in diesem Punkt zu widersprechen.

Natürlich wusste er, dass sie das nicht konnte. Sie hatten nicht genug voneinander bekommen können. Bei dem Gedanken daran schoss ihr das Blut in die Wangen. Damals hatte sie blind auf Lucios Liebe zu ihr vertraut. Bis er sie eines Besseren belehrt hatte! „Ich hatte Spaß, ja, aber ich dachte auch, du liebst mich. Mir war nicht klar, dass du deinen Plan, Millionär zu werden, noch mehr geliebt hast. Damit konnte ich nicht mithalten, nicht wahr? Aber du hast mir ein bleibendes Andenken hinterlassen.“

„Und du hast noch nicht einmal den Anstand besessen, mich einzuweihen“, erklärte er eisig. „Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob du nicht versuchst, mich irgendwie hinters Licht zu führen.“

Kirstie hob ihre Handtasche vom Boden auf, kramte nach einem Foto und hielt es Lucio direkt vor sein Gesicht. „Schau sie dir an, und sag mir noch einmal, dass sie nicht deine Tochter ist.“

Schweigend betrachtete Lucio das Bild so lange, dass Verwirrung in ihr aufstieg. „Was ist los? Willst du die Ähnlichkeit nicht wahrhaben?“

Lucio atmete schwer, und seine Augen blickten hart und vollkommen emotionslos, als er sie endlich wieder ansah. „Ich vermute, du hast meiner Tochter viele Lügen über mich erzählt.“

„Was?“, fuhr sie ihn an. „Warum hätte ich das tun sollen?“ Jetzt war es also schon seine Tochter! Immerhin hatte er wohl akzeptiert, dass sie die Wahrheit sagte.

„Sag du es mir. Hat sie nie nach mir gefragt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nie ihren Vater treffen wollte.“

„Natürlich hat sie gefragt. Aber denkst du wirklich, ich hätte ihr gesagt, dass ihr Vater sich immer mehr für Geld als für eine Familie interessiert hat? Was glaubst du, welche Komplexe das in ihr ausgelöst hätte?“

„Das weißt du nicht mit Sicherheit.“

„Ach nein? Dann sag mir doch, wie du reagiert hättest, wenn ich schwanger an deine Tür geklopft hätte?“

Er antwortete nicht, stattdessen betrachtete er wieder das Foto. „Was hast du ihr von mir erzählt?“, fragte er etwas ruhiger.

„Nicht viel. Ich habe ihr gesagt, dass ich dich damals geliebt habe. Ich wollte nicht, dass sie glaubt, ich hätte nur aus wildem Verlangen mit dir geschlafen. Aber ich habe ihr auch gesagt, dass ich heute nicht mehr weiß, wo du lebst.“

„Aber du hättest mich jederzeit ausfindig machen können – so wie du es jetzt getan hast.“

„Das hätte ich tun können.“

„Warum hast du es nicht?“

Kirstie starrte ihn an, ein heißes Feuer loderte in ihren Augen. „Ich war mir nicht sicher, ob du überhaupt von ihr erfahren wolltest. Schließlich bin ich allein dir doch schon zur Last gefallen. Vielleicht hättest du sogar behauptet, ich wäre absichtlich schwanger geworden, um dich zu zwingen, mich zu heiraten. Weißt du, Lucio, ich habe einsehen müssen, dass ich dich überhaupt nicht kannte. Und das Risiko, ein zweites Mal aus deinem Leben hinausgeworfen zu werden, wollte ich wirklich nicht eingehen.“

Lucio erwiderte nichts, sondern blickte sie nur aus schmalen Augen an, bis sie es nicht länger ertragen konnte. Kirstie schüttelte den Kopf und stand auf. Und sie wäre auch aus dem Zimmer marschiert, hätte er sie nicht am Arm festgehalten und zu sich herumgedreht.

Es war das erste Mal seit sechzehn Jahren, dass sie ihm so nahe war, so nahe, dass sie seinen Duft riechen konnte.

„Wag es ja nicht, nach der Bombe, die du gerade hast platzen lassen, wieder davonzulaufen“, zischte er. „Ich kann die Jahre nicht rückgängig machen, aber vielleicht kann ich die verlorene Zeit wiedergutmachen. Ich will meine Tochter treffen. Und ich denke, jetzt wäre eine gute Gelegenheit. Ich fahre dich zurück zu deinem Haus und …“

„Nein!“

Lucio runzelte die Stirn und intensivierte den Griff um ihren Arm. „Was soll das heißen, ‚Nein‘?“

„Becky ist nicht zu Hause. Sie übernachtet bei einer Freundin.“

Lucio fiel es schwer nachzuvollziehen, warum Kirstie sich entschieden hatte, ihm seine Tochter so lange zu verheimlichen. Und noch mehr verwirrte es ihn, dass sie es ihm jetzt sagte. Warum? Warum nach fünfzehn Jahren? Warum nicht nach einem, nach zwei oder vielleicht auch nach drei Jahren? Warum überhaupt? Was war der Auslöser gewesen, dass sie ihn jetzt gesucht hatte?

Mit einem kurzen Anruf hatte sie sein Leben auf den Kopf gestellt. Er hatte alle seine Ziele erreicht. Der Erfolg seiner IT-Firma war sogar noch phänomenaler, als er es sich je hatte vorstellen können. Und er hatte es ganz allein geschafft. In der Geschäftswelt wurde er respektiert. Er führte ein gutes Leben. Und jetzt hatte Kirstie alles ins Chaos gestürzt.

Und es war viel schlimmer als jedes geschäftliche Problem, mit dem er je konfrontiert worden war. Er hatte eine Tochter! Und sie war fünfzehn Jahre alt. Fünfzehn! Den aufregendsten Teil ihres Lebens hatte er bereits verpasst. Er war nicht dabei gewesen, als sie ihr erstes Wort gesagt oder ihre ersten Schritte getan hatte. Und er hatte nie gehört, wie sie ihn Daddy gerufen hatte.

Er schloss die Augen und ließ Kirstie los. Sein Herz fühlte sich schwer an in seiner Brust. Was hatte sie ihm angetan? Er war sich bewusst, dass er sie damals verletzt hatte, als er ihr sagte, er wolle sie nicht heiraten. Aber sie musste doch gewusst haben, dass er sie niemals fortgeschickt hätte, wenn er gewusst hätte, dass sie von ihm ein Kind erwartete!

Als er das Foto gesehen hatte, hatte er sofort gewusst, dass sie seine Tochter war. Es war, als würde er eines der Kinderbilder seiner eigenen Mutter in Händen halten. Das Mädchen hatte dieselben dunklen Haare, dasselbe Lächeln. Er fragte sich, wovon Becky die Abkürzung war. Vielleicht Rebecca, was ihm viel besser gefiel. Der Name klang reifer, erwachsener. Becky war der perfekte Name für ein Kind, aber damals war er nicht Teil ihres Lebens gewesen. Lucio hatte das Gefühl, für ihr neues gemeinsames Leben brauchte sie einen passenden Namen. Seine Tochter würde von nun an Rebecca heißen.

„Wann kann ich sie dann sehen?“, fragte er verärgert.

„Ich weiß nicht“, erwiderte sie, und ihre Augen blickten genauso eisig wie seine. „Ich habe ihr nicht gesagt, dass ich heute mit dir spreche.“

„Sag mir, wenn ich mich irre, aber war es nicht meine Tochter, die mich hat treffen wollen?“

„Ja“, erwiderte Kirstie. „Aber ich wollte erst selbst mit dir reden, um sicher zu sein, dass sie in deinem Leben willkommen ist.“

„Du hast daran gezweifelt? Du warst dir nicht sicher, ob ich zu meiner eigenen Tochter stehe? Für was für einen Menschen hältst du mich eigentlich?“ Er wartete eine Antwort gar nicht erst ab. „Wo ist sie, Kirstie? Ich will, dass du sie herholst, und zwar sofort!“

Aber Kirstie schüttelte den Kopf. „Ich muss den richtigen Zeitpunkt abwarten, um ihr alles zu erzählen. Ich rufe dich in ein paar Tagen wieder an.“

Lucio starrte sie nur entsetzt an. „So lange werde ich nicht warten“, sagte er. „Morgen! Du wirst sie morgen Abend hierher bringen, und das ist mein letztes Wort!“

3. KAPITEL

Den ganzen folgenden Tag über dachte Kirstie darüber nach, wie sie ihrer Tochter am besten sagte, dass sie endlich ihren Vater gefunden hatte und, was noch wichtiger war, sie ihn gleich heute Abend treffen würde.

Bald musste Becky von der Schule nach Hause kommen. Kirsties Herz schlug heftig. Sie hatte den ganzen Vormittag über nicht arbeiten können, sondern alle geschäftlichen Angelegenheiten an ihren Assistenten delegiert.

Sie leitete ihre Softwarefirma von zu Hause aus, nur auf diese Weise war es möglich gewesen, zu arbeiten und sich gleichzeitig um Becky zu kümmern.

Heute war ein glücklicher Tag für ihre Tochter, also würde auch sie glücklich sein. Sie duschte ausgiebig, bürstete ihr schulterlanges braunes Haar, bis es glänzte, schlüpfte in ein weiches grünes Kostüm und zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen.

Als Becky nach Hause kam, bemerkte sie nichts von der inneren Anspannung ihrer Mutter. „Du siehst gut aus, Mum. Gehst du aus?“

Kirstie nahm ihre Tochter in die Arme. „Wir beide werden ausgehen. Aber erst muss ich dir etwas Wichtiges sagen.“

Tränen schimmerten in Beckys Augen, als Kirstie mit ihrem Bericht endete. „Endlich treffe ich meinen Vater! Wie ist er? Erzähl mir alles von ihm!“

Aber es gab nicht mehr viel, was Kirstie ihr sagen konnte. Schließlich hatte sie Lucio nur für einige wenige Monate gekannt. Heute war er ein anderer Mann.

Trotzdem fragte sie sich unwillkürlich, warum er nie geheiratet hatte. Vielleicht hatte er erkannt, dass die Frauen an seiner Seite ihn nicht für das liebten, was er war. Denn stets erweckte er den Eindruck, dass es nur das Geld war, was ihm am meisten auf der Welt bedeutete. Natürlich machte er seinen Freundinnen kostbare Geschenke, aber lieben konnte er sie nicht. So gesehen führte er ein trauriges Leben. Dennoch empfand sie kein Mitleid mit ihm, er selbst hatte sich sein Leben so gewählt.

Becky war ungemein beeindruckt, als Lucios Bentley, komplett mit Chauffeur, bei ihnen vorfuhr. „Wow, Mum, er muss sehr reich sein. Ich kann es kaum abwarten, meinen Freundinnen davon zu erzählen.“

Warte, bis du das Haus siehst, dachte Kirstie.

Tatsächlich war Becky sprachlos, als sie die Einfahrt entlangfuhren und das Haus in Sicht kam.

Autor

Margaret Mayo
Margaret Mary Mayo wurde am 7. Februar 1935 in der Grafschaft Staffordshire, England, geboren und hat diese Region noch nie verlassen. Sie hatte nie vor Autorin zu werden, obwohl sie das Lesen liebte. Nachdem ihre beiden Kinder, Adrian und Tina, geboren waren und schließlich zur Schule gingen, nahm sie ihre...
Mehr erfahren