Erst zur Party - dann ins Bett?

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Eigentlich wollte Corrine auf der Wohltätigkeitsveranstaltung einen Mann ersteigern, der sie zu einer Party begleitet. Dass sie mit dem attraktiven Kent im Bett landet, war nicht geplant. Erst recht nicht, dass sie sich in ihn verliebt. Denn für sie zählt nur der Job …


  • Erscheinungstag 21.12.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724672
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Lust war kein Gefühl, das Corrine Martin sich gern eingestand. Es passte nicht zu ihrem sorgfältig kultivierten Image – kühle Eleganz vom Scheitel ihres blonden Haars bis zu den aus ihren goldfarbenen Sandaletten herausschauenden Zehen. Bisher war es ihr gelungen, ihre Lust auf Kent Pearson zu ignorieren – bis heute Abend.

Vielleicht lag es an seinen zauberhaften grünen Augen. Oder vielleicht war sie es einfach nur leid, dass er durch sie hindurchsah, als gebe es sie gar nicht. Was immer auch der Grund sein mochte, heute Abend hatte sie alle Vorsicht in den Wind geschlagen und Kent Pearson für drei geschäftliche Verabredungen „erworben“.

Natürlich hatte sie nur für seine Dienste als Begleitservice geboten. Sie hatte sogar eine stichhaltige Entschuldigung dafür. Für die geschäftlichen Veranstaltungen, bei denen ihre Teilnahme erwartet wurde, benötigte sie einen Begleiter.

Der Ballsaal im „Walt Disney Dolphin Hotel“ war in eine altmodische Auktionshalle verwandelt worden. Das heute Abend eingenommene Geld sollte an eine wohltätige Organisation in Orlando gehen, die sich um Obdachlose kümmerte. Dies war das erste Jahr, dass Corrine sich an einer solchen Auktion beteiligte. Sie hatte mitgeboten und Kent Pearsons Dienste erworben.

Obwohl sie in den vergangenen fünf Monaten bei einem Ausbildungsprojekt zusammengearbeitet hatten, kannte sie ihn nicht besonders gut. Er gehörte zu den wenigen Männern, die sich für die Auktion zur Verfügung gestellt hatten, und vertrat die Firma „Corporate Spouses“, bei der er Teilhaber war. Die Firma bot Kurse in Umgangsformen an und vermittelte Begleitungen zu geschäftlichen Veranstaltungen.

Corrines Chef, Paul Sterling, Geschäftsführer von „Tarron Enterprises“, hatte im Jahr zuvor ebenfalls eine Begleitung gewonnen. Corrine war Pauls Assistentin gewesen, bis er zum Firmenpräsidenten ernannt worden war und sie ins mittlere Management befördert hatte. Corrine liebte die Herausforderung, die ihr neuer Posten mit sich brachte.

Aber sie musste ihrem Boss beweisen, dass sie nicht Gefahr lief, sich nur auf ihren Job zu konzentrieren. Außerdem hatte sie das Bedürfnis, sich in Erinnerung zu rufen, dass sie noch immer eine Frau war.

Kent Pearson ließ sie sich verwegen und lebendig fühlen. Es gefiel ihr nicht, aber sie wusste, dass sie damit fertig werden und ihr Leben wieder in den Griff bekommen musste. Sie strebte sie einen Posten als Vizepräsidentin an und wusste, sie würde ihre Arbeit nur dann zur vollsten Zufriedenheit erledigen können, wenn sie nicht durch private Probleme abgelenkt wurde.

„Tanzt du mit mir, Corrine?“, fragte Kent, der neben sie getreten war. Sein Smoking war ganz offensichtlich maßgeschneidert und ließ ihn aussehen, als beruhe das Gerücht, er sei adliger Abstammung, auf Wahrheit.

„Warum?“, entgegnete sie. Im Umgang mit Männern war sie nie besonders gewandt gewesen. Sie machten sie nervös. Wahrscheinlich wegen ihrer Erfahrungen mit Pflegeeltern während ihrer Teenagerjahre.

„Wenn ein Mann dich zum Tanzen auffordert, Cori, ist ja oder nein die passende Antwort“, erklärte er, mit diesem Funkeln den Augen, das in ihr den Wunsch weckte, irgendetwas Schockierendes zu tun. Was mit der Grund war, warum sie für ihn mitgeboten hatte.

Sie seufzte und rief sich in Erinnerung, dass sie aus gutem Grund als „Eisprinzessin“ bekannt war. Das Leben war einfacher, wenn man Distanz wahrte. „Mein Name ist Corrine.“

„Ach ja?“ Er schob sich noch näher an sie heran in dem überfüllten Ballsaal. Seine Hand glitt ihren nackten Arm hinauf. Warum hatte sie auf Angelica Leone-Sterling gehört, ihre Freundin und die Frau ihres Chefs, und dieses trägerlose Kleid gekauft? Es passte nicht zu ihr, sie kam sich darin vor wie eine Schauspielerin, die gerade eine Rolle spielte.

Kents Hand war leicht rau. Ein prickelnder Schauer lief über ihren Arm und ihre Brust, und ihre Knospen richteten sich unter ihrem Spitzenkleid auf. Erschauernd trat sie einen Schritt zurück und entzog sich seiner Berührung. Kent hob eine Braue, verzichtete aber auf einen Kommentar.

„Ja“, erwiderte sie und wusste nur, dass sie etwas tun musste, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen, bevor sie ihre Pläne vergaß. Kent ist nur ein Sprungbrett für meinen Aufstieg auf der Karriereleiter, ermahnte sie sich.

„Tanzen wir?“, fragte er noch einmal.

Diesmal nickte sie. Sie nahm den würzigen Duft seines Rasierwassers wahr, als sie auf die Tanzfläche traten und er sie in die Arme zog.

Ich habe die Situation im Griff, sagte Corrine sich.

Aber als er die Arme um sie schlang und sie fest an seine Brust zog, hatte sie keineswegs mehr das Gefühl, die Situation Griff zu haben. Und wollte es auch gar nicht. Köstliche Empfindungen erwachten in ihr, und Wärme breitete sich in ihrem ganzen Körper aus.

Wieder erschauerte sie und versuchte, den Zauber seiner Berührung zu brechen, indem sie zu ihm aufschaute. Aber in seinen Augen stand ein Lächeln, das sie noch mehr in seinen Bann zog. Die sinnlichen Klänge eines Saxofons erfüllten den Raum, und dann begann die Sängerin, eine hochgewachsene Afroamerikanerin, mit sinnlich rauer Stimme etwas über Wünsche an einen Stern zu singen.

Corrine hatte ihre gesamte Kindheit damit verbracht, sich etwas zu wünschen, was sich nicht erfüllt hatte. Sie hatte geglaubt, darüber hinweg zu sein, aber die Versuchung, ihre Wange an Kents Schulter zu legen, war stark, und da erkannte sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Sie musste fort.

Sie entzog sich Kents Umarmung und eilte von der Tanzfläche. Was war los mit ihr heute Nacht?

Sie ging zur Bar und bestellte sich einen Whiskey pur. Sie brauchte etwas, das stark genug war, sie wieder zur Besinnung zu bringen. Vielleicht ließ sich ihre verrückte Stimmung der Tatsache zuschreiben, dass ihre beste Freundin, Angelica Leone-Sterling, gerade angekündigt hatte, sie sei schwanger.

Corrine wusste, dass sie selbst niemals Kinder haben würde. Sie würde bestimmt nicht etwas so Riskantes tun, wie Kinder in diese chaotische Welt zu setzen. Diese Welt, in der nichts für immer war und der Tod schnell und überraschend kam, ohne sich um die zu kümmern, die zurückblieben.

Verdammt, nun wurde sie gefühlsduselig. Vielleicht sollte sie lieber nichts trinken. Aber ehe sie ihren Whiskey wieder abbestellen konnte, spürte sie Kent Pearson hinter sich.

„Geben Sie mir auch einen Whisky“, sagte er zu dem Barkeeper.

Der Mann servierte ihre Drinks. Kent zahlte für sie mit, bevor sie dazu kam, ihr Portemonnaie herauszunehmen.

„Hier ist das Geld für meinen Drink“, sagte sie, als der Barkeeper weitergegangen war.

„Ich sehe, dass du neben einem Begleiter auch Unterricht in Umgangsformen brauchst.“

„Wieso das denn?“, fragte sie. Sie wusste, dass sie Manieren hatte. Mrs. Tanner, eine ihrer Pflegemütter, hatte ihr Benehmen eingepaukt, als sie acht Jahre alt gewesen war. Corrine glaubte nicht, dass sie diese Lektionen je vergessen würde.

„Weil du nicht weißt, wie man Danke sagt. Ich will dein Geld nicht.“

Sie steckte den Schein in ihre mit Perlen bestickte Abendtasche. Wer als Kind auf milde Gaben angewiesen gewesen war, dem fiel es später schwer, von anderen etwas anzunehmen. Und Kent war nicht ihre Verabredung für heute Abend, er war der Mann, den sie ersteigert hatte. So gesehen, hätte sie vielleicht sogar auch seinen Drink bezahlen sollen. „Ich nutze andere Leute nicht gern aus.“

„Das hast du auch nicht getan.“

Sie nippte an ihrem Getränk. Der Whiskey brannte in ihrer Kehle, aber sie verzog nicht den Mund. Kent hielt sein Glas mit einer unbewussten Anmut, angesichts derer Corrine sich richtig ungeschickt vorkam. Sie stellte ihr Glas auf das Tablett eines vorübergehenden Kellners und sah, dass Kent das Gleiche tat.

„Was sollte das eben auf der Tanzfläche?“, fragte er schließlich.

Sie zuckte mit den Schultern. Sie dachte gar nicht daran, ihm zu verraten, dass er sie überrumpelt hatte. Dass der reiche Junge, der es gewohnt war, zu gewinnen, die Barriere überwunden hatte, von der sie geglaubt hatte, sie würde sie vor jedem Mann beschützen. „Ich hatte einfach keine Lust zu tanzen.“

Wieder sah er sie mit hochgezogener Augenbraue an.

„Das ist das Blasierteste, was ich je jemanden tun sehen habe“, sagte sie.

„Was?“

„Diese herablassende Art, wie du die Brauen hochziehst.“

Er tat es wieder. „Es beschäftigt dich?“

„Das sagte ich doch gerade.“

„Gut“, sagte er und streichelte mit den Fingerspitzen ihre Wange.

„Wieso gut?“, fragte sie und versuchte, an etwas anderes zu denken als an den Schauer, der sie überlief.

„Weil du mir viel zu distanziert erscheinst.“

„Ich habe mein Leben fest im Griff. Etwas, das du schätzen solltest.“

„Tue ich auch. Es macht mir nur Spaß, dich aus deiner Kuschelecke herauszunerven.“

„Kent, um auch nur die geringste Chance zu haben, bei unseren drei geschäftlichen Verabredungen miteinander auszukommen, darfst du eins auf keinen Fall vergessen.“

„Und was wäre das?“ Er legte seine Hand auf ihren Ellbogen und führte sie sanft von der Bar fort, an der sich die Leute drängten.

Sie wartete, bis sie wieder sein ungeteiltes Interesse hatte. „Dass ich das Sagen habe, wenn du meinen Begleiter spielst.“

„Was hat dich denn auf die Idee gebracht?“

„Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, es war, als ich den Scheck ausschrieb, um dich zu kaufen.“

„Sagtest du, mich kaufen?“, fragte er.

„Hast du etwas mit den Ohren? Dann sollte ich dich vielleicht lieber umtauschen.“

„Du spielst mit dem Feuer, Cori.“

Warum musste er sie mit diesem lächerlichen Kosenamen ansprechen? Niemand hatte ihr je einen Kosenamen gegeben. Von ihren ersten Pflegeeltern war sie Corrine Jane genannt worden. Danach hatte sie dafür gesorgt, dass niemand erfuhr, dass sie einen zweiten Vornamen hatte. Wenn Kent sie Cori nannte, war es, als sähe er in ihr das einsame kleine Mädchen, das sie gewesen war. Und das gefiel ihr überhaupt nicht.

„Ich werde schon aufpassen, dass ich mich nicht verbrenne“, entgegnete sie ruhig. Obwohl es nichts gab, dessen sie sich bei Kent noch sicher war. Sie kannten sich jetzt seit beinahe einem Jahr, und sie fühlte sich noch immer nicht ganz wohl in seiner Nähe.

„Wie?“

Warum hatte sie damit angefangen? Sie wusste, sie musste jetzt auf der Stelle den Rückzug antreten, bevor sie etwas wirklich Dummes tat und ihm sagte, sie fürchte sich vor dem Feuer in seinen Augen.

„Indem ich das Feuer meide“, sagte sie und wandte sich zum Gehen.

„Und was ist, wenn das Feuer dich nicht meidet?“

Sie tat, als habe sie ihn nicht gehört, und ging weiter durch den Saal zu ihrem Tisch. Sie sagte sich, sie habe Kent nicht gerade herausgefordert, wusste aber, dass es doch so war, und ein Teil von ihr erschauerte in Erwartung dessen, was er als Nächstes tun würde.

Kent folgte Corrine lieber nicht. Sie hatte seine Begierde geweckt, und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Sein Verstand sagte ihm, dass Corrine eine Kundin war und er es dabei belassen sollte, aber es reizte ihn über die Maßen, all ihre Geheimnisse zu ergründen. Dann würde es nichts mehr geben, wohinter sie sich verbergen konnte.

Er machte einen Bogen um den Tisch seiner Teilhaberin. Angelica Leone-Sterling strahlte, wie es typisch war für frisch Verheiratete. Überraschender für Kent war, dass Paul ebenso strahlte. Obwohl sie sich nicht mit denselben Leuten unterhielten, bemerkte Kent, dass sie sich zärtlich an den Händen hielten.

Für einen Moment fühlte er sich sehr einsam, und das, obwohl er vier Schwestern und liebevolle Eltern hatte. Es war das gleiche Gefühl, das ihn mit sechzehn gequält hatte, als ein Autounfall, bei dem sein Zwillingsbruder gestorben war, sein Leben verändert hatte. Aber er hatte gelernt, mit diesem fehlenden Teil von sich selbst zu leben. Und bis heute Abend hatte er nicht erkannt, dass er nicht wirklich damit lebte, sondern seinen Kummer über den Verlust einfach immer unterdrückt hatte.

Auch jetzt wollte er darüber nicht nachdenken. Er musste sich mit seichten Flirts zufriedengeben, statt sinnvolle Unterhaltungen zu führen. Aber schließlich wusste er, dass alles im Leben ein Tauschgeschäft war.

Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann. Er hatte ein Treuhandvermögen, von dem die meisten Leute nur träumen konnten. Und an den meisten Tagen genügte ihm das auch. Aber heute nicht. Heute Abend erhob sein ganz persönlicher Dämon seinen hässlichen Kopf, und Kent kämpfte, um seine joviale Haltung zu bewahren. Lieber hätte er sich in eine dunkle Ecke zurückgezogen, bis die Veranstaltung vorbei war und er gehen konnte.

Er hätte Corrine nie zur Bar folgen und sie zu einem Drink einladen sollen. Er hätte nicht mit einer Frau tanzen sollen, die er so sehr begehrte wie Corrine. Eine Frau, deren Parfüm er überall wieder erkennen würde, weil es seine Sinne reizte.

Seine Reaktion auf Corrine war ihm erst recht keine Hilfe. Er glaubte sie immer noch in seinen Armen zu spüren. Sie hatte geradezu perfekt hineingepasst, und er hatte ihren Kopf an seine Schulter ziehen und sie die ganze Nacht so halten wollen.

Diese Frau brauchte jemanden, der sie in den Arm nahm, selbst wenn sie das nie zugäbe. Leider konnte er nicht dieser Jemand sein. Der Schwur, den er mit einundzwanzig getan hatte, nie eine feste Bindung mit einer Frau einzugehen, hinderte ihn daran, aber er wollte Corrine Martin dennoch in Erinnerung bringen, dass sie eine Frau war. Da war etwas in ihren kühlen grauen Augen, das in ihm den Wunsch weckte, sie aufzurütteln.

Sie ist eine Kundin, ermahnte er sich. „Hände weg von deinen Kundinnen“ war sein Leitspruch, aber heute Abend hatte er Mühe, sich daran zu halten. Vielleicht war dies der Tatsache zuzuschreiben, dass er sich hatte beschwatzen lassen, bei dieser Wohltätigkeitsveranstaltung auf die Bühne zu gehen, obwohl er sich geschworen hatte, dergleichen nie zu tun.

Das Problem war, dass er noch nie einer Herausforderung hatte widerstehen können. Er war nicht sicher, wann es begonnen hatte, aber er erinnerte sich, dass er sich mit sechs Jahren zum ersten Mal einen Arm gebrochen hatte, als sein älterer Cousin Thomas ihn aufgefordert hatte, auf einen Baum zu klettern. Mit fünfunddreißig müsste er alt genug sein, um es besser zu wissen, aber er liebte die prickelnde Erregung, die damit einherging, etwas zu riskieren.

Eine Wette hatte zu seiner Teilnahme an der Versteigerung geführt. Und obschon er nicht der einzige Mann auf der Bühne gewesen war, war es trotzdem demütigend, sich so darzubieten.

Angelica blickte auf, als er sich näherte, und lächelte ihn an. Sie hatte sich sehr verändert seit ihrer zweiten Heirat im vergangenen Jahr. Sie war glücklicher und eher bereit, etwas zu wagen. Ihre Freundschaft hatte mit ihrer ersten Ehe mit Kents bestem Freund, Roger, begonnen. Er und Roger waren Zimmerkameraden gewesen – zuerst auf der Militärakademie, später dann auf dem College. Sie hatten sich näher gestanden als Brüder.

Kent trat an den Tisch und machte Konversation.

„Möchtest du tanzen?“, fragte er Angelica nach ein paar Minuten, um unter vier Augen mit ihr reden zu können. Und auch, um die Erinnerung an Corrine Martin in seinen Armen auszulöschen.

„Ich weiß nicht. Deine Technik muss sich sehr verschlechtert haben. Ich sah, wie Corrine dich vorhin stehen ließ.“

Na wunderbar. Er hatte vergessen, dass man sich bei diesen Anlässen immer auf dem Präsentierteller befand. Gewöhnlich liebte er die Aufmerksamkeit und die Blicke. Aber mit Corrine in seinen Armen hatte er vergessen, dass ihnen alle zusahen, und hatte sich ganz den Empfindungen hingegeben, die sie in ihm weckte.

Was war heute Abend nur mit den Frauen los? „Die Antwort, die ich will, ist ja oder nein.“

Angelica seufzte. Er wusste, sie würde dem Geschehenen auf den Grund gehen wollen, und wahrscheinlich wäre es besser gewesen, sie bei ihrem Mann am Tisch sitzen zu lassen. Aber er musste mit seiner besten Freundin reden und ihr zu der Schwangerschaft gratulieren, die sie soeben angekündigt hatte. Er wollte sie warnen, dass man vorsichtig sein musste, wenn man kurz davor war, alles zu erreichen.

Er würde ein wachsames Auge auf Angelica haben und dafür sorgen, dass ihr nichts geschah. So viel war er Roger schuldig – immerhin hatte Roger ihm das Leben gerettet. Der Druck, den er in seinen Nackenmuskeln spürte, nahm noch etwas zu.

„Ja. Ich glaube, sie spielen unser Lied“, sagte sie.

Die Band hatte „I’ve Got a Crush on You“ zu spielen begonnen. Es war das Lied, zu dem sie bei ihrer ersten Hochzeit vor so langer Zeit getanzt hatten. Und im Lauf der Jahre hatte dieses Lied ihnen zu überleben geholfen. Kent hatte Angelica im Arm gehalten, als sie nach Rogers am Jahrestag ihrer Hochzeit bei diesem Lied geweint hatte.

Es war nie etwas Sexuelles zwischen ihnen gewesen; stattdessen war sie wie eine Schwester für ihn geworden. Obwohl seine eigenen Schwestern ihn als kalt beschrieben hätten, hatten er und Angelica eine warme, herzliche Beziehung. Kent wusste, dass das so war, weil er in Rogers Schuld stand.

Roger hatte Kents geheime Sucht verschwiegen und ihn vom Rand des Abgrunds zurückgeholt. Dann hatte Kent Angelica kennen und schätzen gelernt.

Für einen Moment beschlich Kent Furcht um Paul und Angelica. Es schien fast so, als hätten sie zu viel. Kent hatte einen gesunden Respekt vor dem Gleichgewicht des Universums und der Tatsache, dass man nicht alles haben konnte. Er hoffte, dass Paul und Angelica die Ausnahme von dieser Regel sein würden.

„Ich gratuliere dir zu deiner Schwangerschaft“, sagte er, als er mit ihr tanzte. Sie waren seit mehr als zehn Jahren Partner in „Corporate Spouses“. Freunde waren sie sogar noch länger.

„Danke. Ich bin ein bisschen nervös deswegen.“

Ihr Geständnis ließ ihn die Warnung, die ihm auf der Zunge lag, verschweigen. Er konnte ihr nicht sagen, dass das Schicksal niemanden alles haben ließ, denn das wusste Angelica bereits.

„Ich werde dafür sorgen, dass du alles hast, was du brauchst, Kleines“, sagte er.

„Das ist lieb von dir, Kent. Aber ich denke, das ist jetzt Pauls Aufgabe.“

Er schluckte, als ihm bewusst wurde, dass das stimmte. Die einzige Frau, die er sich erlaubt hatte, gern zu haben, gehörte nun jemand anderem. Das ist gut so, dachte er. Ehrlich.

Er überlegte gerade, was er sonst noch sagen könnte, als er einen der Vizepräsidenten von „Tarron Enterprises“, Mark Sowieso, Corrine zur Tanzfläche führen sah. Es gefiel ihm nicht, dass die Hände dieses Manns so fest auf Corrines Hüften lagen.

Er manövrierte sich und Angelica näher an das Paar heran. Corrines Blick suchte seinen, und es sah aus, als wollte sie etwas von ihm. Er sah zu Mark und merkte, dass der Mann betrunken war. Kent wusste selbst am besten, wie zu viele Drinks das Weltbild eines Mannes verändern konnten.

„Hör mal, Kleines, hast du Lust, deine Macht als Ehefrau des Chefs zu nutzen?“, fragte er Angelica.

„Wie?“

„Ich werde Corrine abklatschen und sie von einem Mann erlösen, der einen über den Durst getrunken hat.“

„Und ich darf mit einem Betrunkenen tanzen. Mann, Kent, du verstehst es wirklich, ein Mädchen wunderbar zu unterhalten.“

„Wie du bereits sagtest, ist das nicht mehr meine Aufgabe.“

„Das stimmt. Wer ist es?“

„Ein gewisser Mark Sowieso, glaube ich.“ Er drehte sich so, dass Angelica Corrines Partner sehen konnte.

„Mark Jameson. Seine Frau hat ihn am Neujahrstag verlassen, und seitdem hat er sich sehr stark verändert.“

„Wirst du mit ihm fertig?“

„Kein Problem.“

Kent brachte sie geschickt in Marks und Corrines Nähe und tippte dem Mann auf die Schulter. „Darf ich?“

Marks Augen waren glasig, und er sah etwas verwirrt aus. Angelica trat in seine Arme, als Kent Corrine an sich zog. Er hörte Angelica in ihrem besänftigsten Tonfall reden, als sie die Führung übernahm und Mark diskret zum Rand des Parketts lotste.

„Danke. Dafür schulde ich dir etwas“, sagte Corrine.

„Und ich glaube, das werde ich jetzt gleich kassieren“, erwiderte Kent, obwohl er wusste, dass es klüger wäre, sie zu ihrem Tisch zurückzubegleiten und dann zu verschwinden.

„Was möchtest du?“

Was für eine Frage! „Lauf nicht wieder davon.“

Sie blickte auf, offenkundig überrascht. „Hast du Probleme mit dem Ego?“

„Denkst du, ich bin so oberflächlich?“

„Ja.“

Kent lachte. Es gab einen Teil von ihm, der oberflächlich war, und er tat sein Bestes, um dafür zu sorgen, dass die Leute nur diese Seite von ihm sahen.

„Vielleicht möchte ich dich einfach nur für die drei Minuten oder so, die das Lied noch dauert, in den Armen halten.“

„Sag so etwas nicht.“

„Es ist die Wahrheit.“ Himmel, er wünschte, es wäre anders, aber sein Körper hatte bereits den Entschluss gefasst, bei Corrine auf gar keinen Fall den Grundsatz „Hände weg von Kundinnen“ zu beherzigen. Sie rief Gefühle in ihm wach, die er vor langer Zeit aus seinem Inneren verbannt hatte. Nichts würde wieder normal sein, bis er ihr kühles Äußeres durcheinandergebracht hatte. Bis ihr blondes Haar auf seinem Kissen ausgebreitet war und er auf intimste Weise mit ihrem schönen Körper vereint war.

„Wir haben ein Arbeitsverhältnis, Kent. Es kann nichts anderes sein.“

„Dessen bin ich mir bewusst“, gab er zurück. Er hatte mit Corrine an den neuen Kursen für „Tarron Enterprises“ gearbeitet.

„Warum hast du heute Abend für mich geboten?“, fragte er. Es war ganz und gar untypisch für die Corrine, so wie er sie kannte. Sie hatte nicht nur ihm, sondern auch den meisten anderen Mitarbeitern die kalte Schulter gezeigt. Sie war umgänglich und höflich, wahrte aber stets Distanz. Die einzige Person, die seines Wissens nach ihre Barrieren überwunden hatte, war Angelica. Aber Angelica konnte ja auch sehr gut mit Menschen umgehen.

„Du sahst so einsam aus dort oben.“

Er hörte auf zu tanzen und senkte seinen Blick auf sie. Dies war nun schon das zweite Mal heute Abend, dass sie einen solchen Vorstoß bei ihm wagte. „Du meinst, es war Mitleid, was dich dazu motivierte?“

„Nun … ja.“

„Darling, ich glaube mich zu erinnern, dass eifrig geboten wurde, bevor du mich schließlich bekamst.“

„Dann halt fest an dieser Erinnerung“, entgegnete sie lachend.

Er stimmte in ihr Lachen ein, obwohl sie sich auf seine Kosten amüsierte. Es war etwas Warmes, nahezu Anbetungswürdiges in ihren Augen, das in ihm den Wunsch weckte, sie zu beschützen. Ungefähr so wie vorhin, als er merkte, dass sie auf der Tanzfläche gefangen war. Aber wenn man mal von Angelica absah, war er nie irgendjemandes Beschützer gewesen. Und sie war sicher vor ihm, weil er sich nicht in sie verlieben konnte. Außerdem hatte er sich anfangs nur um sie gekümmert, weil er eine Schuld zurückzahlen wollte. Geschäfte waren das Einzige, worin er immer gut gewesen war.

Er war vom Wesen her ein Einzelgänger, und er wollte sich nicht zu sehr mit Corrine einlassen. Er ließ die Arme sinken, und die Musik endete eine Sekunde später. In ihren Augen stand Verwirrung. Er wusste, er musste fort, bevor er der Versuchung erlag, zu nehmen, was sie anzubieten hatte. Denn die Frau, die er gerade in den Armen gehalten hatte, besaß eine Weichheit, die sie normalerweise vor der Welt verbarg.

Und diese Weichheit sprach alles Maskuline in ihm an. Corrine weckte den Wunsch in ihm, sie zu verteidigen und zu beschützen. Vor allen, außer vor ihm selbst. Denn Kent Pearson war kein Frauenheld.

Das hatte er auf die harte Tour gelernt.

Er wandte sich zum Gehen.

„Ist das die Revanche?“, fragte Corrine.

Er blieb stehen und nahm ihren Ellbogen, um sie von der Tanzfläche zu führen. Noch nie zuvor hatte er so seine Manieren vergessen. Er war stolz darauf, in jeder Situation ein Gentleman zu sein, etwas, das seine Eltern ihm eingepaukt hatten, seit er zum ersten Mal den Unterschied zwischen Jungen und Mädchen bemerkt hatte.

Am Kent der Tanzfläche blieb er stehen und wandte sich ihr zu, um ihr für den Tanz zu danken. Aber diese grauen Augen von ihr ließen die Worte ungesagt verstummen.

„Es tut mir leid“, sagte er.

Und dann ging er weg von ihr und wusste, dass es mehr erfordern würde als die Worte „Hände weg von Kundinnen“, um ihm dieses Mal zu helfen. Denn da war etwas an Corrine Martin, das in ihm den Wunsch weckte, alle Regeln und im Leben gelernte Lektionen zu vergessen. Doch er war alt genug, um vernünftig zu bleiben.

2. KAPITEL

Corrine bewerkstelligte es, Kent bis zu ihrer ersten offiziellen Verabredung aus dem Weg zu gehen. Sie korrespondierte sogar mit ihm per E-Mail, statt ihn anzurufen. Seine letzte Mail war so kurz gewesen, dass es schon an Schroffheit grenzte, aber das störte Corrine nicht. Sie bereute den Impuls, der sie veranlasst hatte, für ihn mitzubieten, und wünschte, sie könne die Uhr zurückdrehen und es rückgängig machen. Obwohl sie wusste, dass Zeitreisen nicht existierten, wünschte sie, sie könne sogar noch weiter zurückgehen als bis zu Kent Pearsons Erscheinen in ihrem Leben und einige grundlegende Veränderungen vornehmen.

Heute war ein sonniger Samstag im März, und Paul Sterling, Präsident von „Tarron Enterprises“, veranstaltete seine alljährliche Betriebsfeier auf seiner Jacht, die in West Palm Beach vor Anker lag. Es war eine zweistündige Fahrt von Orlando, und Kent würde Corrine abholen.

Sie hatte vorgeschlagen, ihn dort zu treffen, aber er hatte ihr kurz per E-Mail mitgeteilt, er hole sie um zehn Uhr ab. Um fünf vor zehn fuhr er vor, und als er aus seinem Wagen stieg und auf ihre Tür zuging, wünschte sie erneut, sie hätte nie für ihn geboten. Plötzlich hatte sie Herzklopfen und war schrecklich aufgeregt.

Sie hatte keine Zeit für so etwas. Sie hatte nur eine Begleitung zu gesellschaftlichen Veranstaltungen gewollt, weil sie dort immer als Einzige allein erschien. Dadurch fiel sie auf, und sie hasste es, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie hielt sich lieber im Hintergrund.

Ihr war klar, dass sie die zweistündige Fahrt zur Küste wahrscheinlich nicht überstehen würde, wenn sie nicht irgendetwas hatte, um sich abzulenken. Es klingelte an der Tür, und sie blickte sich fieberhaft um in ihrem gepflegten Haus. Als ihr Blick auf ihren Laptop fiel, nahm sie ihn und ihre lederne Aktentasche und ging zur Tür. Arbeit war ihre Rettung gewesen, seit sie vierzehn war. Sie hatte schon früh erkannt, dass es bei der Arbeit nicht darauf ankam, woher man kam, sondern nur, wie gut man war in seinem Job.

Autor

Katherine Garbera

Katherine kann sich nichts Schöneres vorstellen, als zu schreiben. Jedes Buch gibt ihr die Gelegenheit, die unterschiedlichen Verhaltensmuster der Menschen hervorzuheben. Leidenschaftliche Liebesromane zu verfassen, bedeutet für sie die Verwirklichung eines Traumes.

Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann, den sie in "Fantasyland" kennenlernte, und den beiden gemeinsamen Kindern in Florida.

...
Mehr erfahren