Geborgen in den Armen des sexy Bodyguards

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VERBOTENE KÜSSE IN NEW YORK von SUSAN MEIER
Das Letzte, was Charlotte braucht, ist ein sexy Bodyguard! Aber bis geklärt ist, ob sie wirklich die Milliardenerbin ist, besteht dieser Jace MacDonald darauf, sie Tag und Nacht zu bewachen. Was zwei Wochen in New York bedeutet – genug Zeit, ihm gefährlich nahezukommen …

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BERAUSCHEND WIE DIE LIEBE von MIRANDA LEE
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EIN ENGEL ALS BODYGUARD von ELIZABETH OLDFIELD
Der reiche Architekt Lorcan hat sein Herz an die bildhübsche Jessica Pallister, die Leibwächterin seiner kleinen Tochter, verloren. Die Wochen auf Mauritius mit dieser hinreißend zärtlichen Frau sind wie ein Traum für ihn. Aber warum zögert sie, seinen Heiratsantrag anzunehmen?


  • Erscheinungstag 01.06.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751522557
  • Seitenanzahl 538
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

Verbotene Küsse in New York erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Christina Seeger
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2020 by Linda Susan Meier
Originaltitel: „The Bodyguard and the Heiress“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 498 - 2021 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Elke Schuller-Wannagat

Umschlagsmotive: izusek / iStock

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2023 .

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783751522663

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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1. KAPITEL

„Fahr nach Pennsylvania, hieß es“, murrte Jace MacDonald vor sich hin, während er durch den knöcheltiefen Matsch der Baustelle stapfte.

„Sag ihr, dass sie zu den Erben von Mark Hinton gehört“, zitierte er seinen Auftraggeber weiter. „Dann setzt du dich mit ihr ins Flugzeug nach New York und sorgst für ihre Sicherheit, bis die Ergebnisse der DNA-Tests vorliegen.“

Sein Fuß sank beim nächsten Schritt tief ein, und Jace stöhnte laut. Jetzt war der italienische Schuh beim Teufel! Charlotte Fillion hatte einen wichtigen Posten in einer großen Baufirma, aber leider befand sie sich im Augenblick nicht im Büro, sondern auf dieser gottverlassenen Baustelle.

Zum Glück war es nicht mehr weit zu dem riesigen angerosteten Wohnwagen, in dem sie momentan arbeitete. Er machte die letzten Schritte, kratzte sich ungefähr ein halbes Kilo Dreck von den Schuhen und öffnete die Tür des Wagens.

Der Geruch von feuchtem Holz und abgestandenem Kaffee schlug ihm entgegen. Im vorderen Bereich des düsteren Trailers standen zwei Schreibtische. Niemand saß daran, und es war ganz still.

„Hallo? Jemand da?“, rief Jace.

Ein Stuhl schrammte über den Boden in einem abgetrennten Raum gleich hinter dem Eingangsbereich. Und dann stand die Frau, die er suchte, plötzlich vor ihm.

In ihrer Baustellenkluft sah sie ganz anders aus als die elegante Geschäftsfrau auf dem Foto im Jahresbericht ihrer Firma. Aber trotz Jeans, kariertem Arbeitshemd und robusten Schuhen handelte es sich unverkennbar um Charlotte Fillion.

„Sie wünschen?“, fragte sie knapp und sah ihn eindringlich an.

Groß, schlank, blauäugig … Kühl wie ein Schluck frischen Wassers. Eine Göttin in Jeans.

Sein Herz setzte einen Schlag lang aus, um dann umso heftiger zu pochen. Es war lange her, seit Jace sich auf Anhieb zu einer Frau hingezogen gefühlt hatte. Fast hatte er schon vergessen, wie sich das anfühlte. Doch er verdrängte die Empfindung sofort. Er hatte die Liebe seines Lebens bereits gefunden.

Zumindest hatte er das geglaubt! Aber während eines Militäreinsatzes in Afghanistan hatte ihn Mary Beth mit seinem besten Freund betrogen …

„Ich bin Jace MacDonald“, stellte er sich vor. „Mir gehört die Firma Global Security. Ich bin von den Nachlassverwaltern Mark Hintons zu Ihnen geschickt worden.“

Charlotte Fillion lachte. „Da haben Sie mich also doch noch gefunden.“ Sie drehte sich um und ging in ihren kleinen Arbeitsraum zurück.

Verwirrt folgte Jace ihr. „Sie wissen also von dem Nachlass? Dass Mark Hinton Ihr Vater war?“

„Natürlich weiß ich das. Meine Mutter musste mich zwar allein großziehen, aber sie hat mir nie verheimlicht, wer mein Erzeuger war.“ Sie setzte sich auf einen Drehstuhl und blickte gelassen zu Jace hoch. „Wir haben es bloß nicht der ganzen Welt verkündet, weil der Mann ein einziges Problembündel war und uns nur Scherereien bereitet hätte.“

Nun sie nahm ein Klemmbrett und las, was auf dem befestigten Blatt stand.

„Der Mann war nicht problematisch, sondern reich“, hielt Jace dagegen.

„Egal, wie Sie es nennen, wir hätten Probleme gehabt.“ Sie hob den Blick nicht von ihrem Text. „Wir hätten mit Leibwächtern, Entführungsversuchen und Morddrohungen rechnen müssen. Das wollten wir nicht. Das wollen wir noch immer nicht.“

„Tja, dann wappnen Sie sich besser mal, denn Sie stehen kurz davor, einen ordentlichen Teil seines Gelds zu bekommen.“

„Das ist mir völlig egal, Mr. MacDonald. Was sagen Sie nun?“

Jace blickte sie verblüfft an. Würden alle Erben Mark Hintons sich als so widerborstig erweisen? Leni Long, die erste Tochter, die sie ausfindig gemacht hatten, hatte auch zuerst ihren Anteil nicht haben wollen, und jetzt machte Charlotte Fillion dasselbe Spielchen?

„Ich sage, Sie sind verrückt, Miss Fillion. Aber es ist nicht mein Job, das mit Ihnen zu besprechen. Diese Aufgabe fällt an Danny Manelli, den Anwalt, der den Nachlass verwaltet. Und egal, ob Sie das Geld nehmen oder nicht, Sie müssen einige Papiere unterzeichnen.“

„Na schön.“ Sie hielt ihm die Hand hin. „Her damit.“

„Sie können die Papiere erst dann unterzeichnen, wenn Sie bewiesen haben, dass Sie eine Erbin sind.“

„Gut, ich rufe meine Mom an und bitte sie, mir sofort meine Geburtsurkunde herzubringen.“

„Wir haben bereits eine Kopie Ihrer Geburtsurkunde“, sagte Jace. „Zusätzlich brauchen wir unanfechtbare Beweise in Form von DNA-Proben.“

„Wollen Sie gleich einen Abstrich machen?“

Er sah sie überrascht an. „Sind Sie immer so pragmatisch?“

Charlotte warf das Klemmbrett auf den Schreibtisch. „Ich habe acht Wochen Zeit, um dieses Gebäude hier fertigzustellen. Und wissen Sie, wie das Wetter in Pennsylvania im April ist? Unvorhersehbar, das ist es. Daher möchte ich keine einzige Minute vergeuden mit sinnlosen Diskussionen, schon gar nicht mit irgendeinem dahergelaufenen Großstädter! Ich habe zu tun.“

Jace musste lachen. Wenn Charlotte Fillion in Rage geriet, war sie umwerfend. Ihre Stirn war gerunzelt, ihre Augen blitzten. Der Anblick brannte sich ihm förmlich ins Gedächtnis, und er wusste, er würde wieder lachen, wenn er sich daran erinnerte. Eine Frau wie sie hatte er noch nie kennengelernt.

„Sie müssen sich eine Vertretung beschaffen, denn ich bringe Sie nach New York, Miss Fillion, koste es, was es wolle.“

„Das werden Sie nicht schaffen, Jungchen.“

„Ach, Sie halten mich für einen Grünschnabel?“ Jace setzte sich auf den schäbigen Stuhl vor dem Schreibtisch. „Lady, ich bin ausgewiesener Experte, was Sturheit und Willenskraft betrifft. Wollen Sie mich zum Wettkampf herausfordern? Dann geben Sie mal Ihr Bestes.“

„Ich kann die Polizei rufen und Sie wegen unbefugten Zutritts festnehmen lassen.“

„Dann müssen Sie denen erklären, warum Sie sich weigern, nach New York zu fliegen und Milliarden Dollar aus dem Nachlass Ihres Vaters zu akzeptieren.“

Sie runzelte die Stirn und sagte nichts. Ausnahmsweise …

„Sie halten die Identität Ihres leiblichen Vaters geheim, und das seit Jahren.“ Nun stand er auf und lehnte sich über den Schreibtisch. „Ihnen ist doch klar, was passiert, wenn ich verlauten lasse, dass Sie Mark Hintons Erbin sind. Dann schwirren Hunderte von Reportern hier auf Ihrer Baustelle herum wie Wespen um die Marmelade.“

Böse funkelte sie ihn an.

„Ach, Schätzchen, dieser Blick schüchtert vielleicht Kerle ein, die Dreck schaufeln und Mörtel an Wände klatschen. Bei mir haben Sie da weniger Glück. Meine Sicherheitsfirma habe ich nach einem ausgiebigen Militäreinsatz in Afghanistan gegründet …“

Ja, nachdem er den Schock überwunden hatte, beim Heimkommen Mary Beth in Daves Armen vorzufinden. Danach hatte er sich zwei Wochen lang täglich fast ins Koma getrunken … Aber dann hatte Jace sich aufgerafft und die Firma Global Security gegründet, so wie er es lange geplant hatte.

„Ich habe mich um Rockstars gekümmert, die so high waren, dass sie nicht mal ihren eigenen Namen wussten“, berichtete Jace mit ausdrucksloser Miene. „Ich musste mich mit Damen der Gesellschaft abgeben, die Wutanfälle hinlegten, und mit total verwöhnten, ungezogenen Sprösslingen von Milliardären.“

So nah, wie er ihr jetzt war, konnte er Charlotte Fillions Parfüm riechen. Ein faszinierender, sehr femininer Duft. Aber auch das verführerischste Parfüm würde ihn nicht davon abhalten, seinen Job zu erledigen! Jace bedachte die blonde Schönheit mit einem strengen Blick.

„Also, Miss Fillion, wenn Sie sich mit mir anlegen wollen, müssen Sie sich mehr ins Zeug legen, als mich nur böse anzufunkeln.“

Charlotte hielt dem Blick des fremden Manns stand, schluckte dabei aber unwillkürlich. Der Typ war wirklich umwerfend attraktiv. Obwohl – oder weil – er so finster dreinsah.

Seine Augen waren dunkel wie der Himmel in einer sternenlosen Nacht. Die schwarzen Haare und das markante Gesicht ließen ihn streng erscheinen, sein grimmiger Blick schüchterte weniger nervenstarke Menschen vermutlich ziemlich schnell ein. Seine Vorfahren stammten mit Sicherheit aus Schottland – schließlich hieß er MacDonald. Wahrscheinlich hatten sie Jahrhunderte zuvor ähnlich grimmig gewirkt, als sie an der Seite von Braveheart gegen die Engländer losstürmten …

Aber sie ließ sich von ihm nicht ins Bockshorn jagen! Sie hatte nicht Karriere gemacht, indem sie auf das verzichtete, was sie wollte.

„Okay, Sie haben also ein Druckmittel, nämlich die Drohung, mich der Presse auszuliefern.“ Betont lässig lehnte sie sich zurück. „Ich muss aber einen Job erledigen. Ich enttäusche nicht, ich liefere Leistung. Da wir hier eine Pattsituation haben, möchte ich einen Kompromiss vorschlagen.“

Jace MacDonald setzte sich wieder.

Sie lächelte. An manchen Tagen machte es sie fast schwindelig, wie einfach sie Leute dazu brachte, zu tun, was sie wollte. „Geben Sie mir so viel Zeit, wie ich brauche, um einen Bauleiter herzubestellen.“

„Haben Sie denn keinen hier?“, wollte er wissen.

„Leider nicht. Sonst wäre ich ja nicht da“, erklärte sie. „In unserer Firma sind gerade alle vollauf beschäftigt.“

Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht, und sie nutzte die Gelegenheit, ihn genauer anzusehen. Schwarzer Mantel, schwarzer Anzug, weißes Hemd – vermutlich aus Seide – und eine dezent gemusterte Krawatte, definitiv aus Seide.

Vermutlich trug er teure italienische Schuhe … und hatte sie draußen im Dreck ruiniert. Der Gedanke amüsierte sie.

Jace MacDonald atmete tief durch. „Ihnen ist klar, dass ich Sie so lange im Auge behalten muss? Zu Ihrer Sicherheit.“

„Warum das? Meine Männer sind einzig daran interessiert, dass ich ihnen Jobs verschaffe, damit sie ihre Kinder durchbringen.“

„Egal! Die Nachlassverwalter haben bestimmt, dass die Erben, sobald wir sie aufgespürt haben, einen Leibwächter zur Seite gestellt bekommen.“

„Ich brauche keinen“, beharrte Charlotte.

„Ich habe die Regel nicht aufgestellt, sondern der Anwalt. Und mit gutem Grund. Bei der ersten Erbin hat es ein Missgeschick gegeben. Sie war allein in einem Café, und dort hat jemand sie heimlich fotografiert, ihr Telefon ausspioniert, herausgefunden, wer sie war … und dieses Wissen an die Zeitungen verkauft.“

„Erste Erbin? Heißt das, ich habe eine Schwester?“, fragte Charlotte verblüfft und setzte sich kerzengerade hin.

„Lesen Sie keine Zeitung? Es stand doch in allen Blättern.“

„Ich arbeite zwölf Stunden am Tag und habe keine Zeit für Klatschgeschichten. Meine Informationen hole ich mir im Internet. Tratsch interessiert mich nicht. Dass mein Vater gestorben ist, musste meine Mutter mir berichten. Gelesen hatte ich nichts davon.“

„Sie haben sogar zwei Geschwister“, erklärte Jace MacDonald. „Bisher haben wir aber nur Sie und das jüngste der Kinder Hintons gefunden. Leni Long, sechsundzwanzig, Sozialarbeiterin.“

„Ich habe eine Schwester“, wiederholte Charlotte verwundert.

„Halbschwester“, verbesserte er sie. „Haben Sie nie daran gedacht, zu checken, ob Ihr Vater andere Kinder hatte?“

„Wie denn? Hätte ich die Geburtenregister sämtlicher Staaten durchgehen sollen, um zu sehen, ob sein Name irgendwo auftaucht?“, konterte sie sarkastisch.

„So haben die Nachlassverwalter jedenfalls Sie gefunden.“

„Ich habe Ihnen doch schon meine Geburtsurkunde als Nachweis angeboten, dass ich tatsächlich Mark Hintons Tochter bin, aber das genügt ja anscheinend nicht. Nein, es muss ein DNA-Test sein.“

„Betrüger können sehr leicht Geburtsurkunden fälschen und einen Teil des Erbes einfordern. DNA schließt solchen Betrug aus.“

„Ich bin keine Schwindlerin“, hielt sie fest.

„Ich weiß das, und Sie wissen das. Trotzdem gibt es allgemeingültige Vorschriften.“

„Na, fabelhaft.“ Charlotte seufzte entnervt, doch dann sah sie Jace erwartungsvoll an. „Erzählen Sie mir mehr über meine Schwester.“

„Sie lebt teils in New York mit ihrem Partner Nick Kourakis, teils in ihrem Heimatort, einer Kleinstadt in Kansas, die sie mit ihrem geerbten Geld auf Vordermann bringt.“

„Sie renoviert eine ganze Stadt?“, hakte sie nach.

„Ja, die liegt ihr am Herzen, weil sie dort aufgewachsen ist. Sie ist einer der nettesten Menschen, die ich jemals getroffen habe“, schwärmte Jace MacDonald.

Ich habe eine Halbschwester, dachte Charlotte überwältigt. Sie war allein mit ihrer Mutter in einem weitläufigen Farmhaus aufgewachsen und hatte sich oft sehr einsam gefühlt. Wie sehr hatte sie sich jemanden gewünscht zum Ballspielen oder für Erkundungszüge in den Wald hinter der Scheune. Manchmal hatte sie so getan, als würde sie eine Schwester haben. Manchmal war die älter und klüger als sie, manchmal war sie jünger und brauchte guten Rat. Aber immer war sie ihre beste Freundin und Gefährtin.

Sie und Leni Long hatten also eine gemeinsame Kindheit verpasst. Und wie wäre es jetzt, eine erwachsene Schwester zu haben? Eine, die verstand, dass es kein Vergnügen war, als Mark Hintons Tochter aufzuwachsen …

„Sie könnten mit mir nach New York fliegen und vermutlich heute noch mit ihr zu Abend essen“, meinte Jace MacDonald.

Das klang ausgesprochen verführerisch. Aber sie hatte einen Job zu erledigen!

„Nein, wir warten auf meine Vertretung“, erklärte sie sachlich. „Es kann einige Tage dauern, bis jemand zur Verfügung steht.“

„Aha. Dann lasse ich mich hier einige Tage häuslich nieder“, verkündete Jace MacDonald. „Besser gesagt, ich folge Ihnen auf Schritt und Tritt.“

Während er aufstand, hörte man, wie die Tür geöffnet wurde.

„Charlotte?“, rief jemand.

„Hier drinnen“, rief sie zurück.

Kurz darauf erschien einer ihrer Baggerfahrer und zuckte sichtlich zurück. „Oh, Entschuldigung. Ich wusste nicht, dass Sie jemand vom Management zu Besuch haben.“

„Er ist nicht vom Management, Aaron, sondern …“

Oh, verdammt! Der Typ war viel zu gut angezogen, um ihn als Arbeiter vorzustellen. Und er würde ihr wie ein Schatten folgen, hatte er angedroht. Da gab es nur eine Art Person, bei der das nicht verdächtig war.

„Mr. MacDonald ist mein … neuer Assistent“, behauptete Charlotte und lächelte.

Aaron strahlte. „Ach, haben Sie die Direktoren dazu gebracht, das Portemonnaie aufzumachen?“

„Sogar weiter als erhofft. Man schaue sich nur mal den Anzug an“, meinte sie und wies auf Jace.

„Ja, so was sollte man hier besser nicht tragen. Komm morgen lieber in Jeans, Kumpel“, empfahl Aaron.

Charlotte lehnte sich zurück und lachte. Vielleicht würde sich alles hier doch nicht so schlecht entwickeln wie befürchtet.

Jace blickte sie finster an, und eine Sturzwelle von Verlangen überfiel sie ganz unvermittelt. Ihre Hormone, die sie sonst streng im Zaum hielt, spielten anscheinend verrückt. Kein Wunder, denn dieser Mann war umwerfend attraktiv. Dazu war er genauso widerborstig und schroff wie sie selbst. Sie schätzte es, wenn ein Mann sie gleichberechtigt behandelte. Sie durfte es sich nur nicht anmerken lassen.

Ja, er hatte in der kurzen Zeit ihres Gesprächs schon etliche positiven Eigenschaften erahnen lassen. Leider würde er ihr in den kommenden Tagen wie ein Schatten folgen, da musste sie ihre dummen Gefühle wohl besser in den Griff kriegen!

Aber was, wenn ausgerechnet Jace der Mann war, von dem sie schon so lange träumte – der einzig Richtige? Bei dem Gedanken stockte ihr der Atem.

„Charlotte, hallo?“ Aaron schnippte mit den Fingern. „Ich wollte Sie eigentlich was wegen dem Areal am Teich fragen.“

Sofort riss sie sich zusammen. Es ging nicht an, dass ihr heißer Leibwächter … Oh, verdammt! Jace war ihr vom Nachlassverwalter ihres reichen, lieblosen, gemeinen Vaters geschickt worden. Er war ihr nicht zufällig über den Weg gelaufen, er war nicht vom Schicksal gesandt. Nein, er arbeitete für ihren Vater. Indirekt zumindest.

Es würde ganz schön kalt in der Hölle werden müssen, bevor sie sich mit einem Angestellten ihres verstorbenen Vaters einließ!

Egal wie dunkel, geheimnisvoll und umwerfend sexy dieser Angestellte auch war.

Schade. Aber mit jemandem, der ihren Vater gekannt und womöglich geschätzt hatte, wollte sie absolut nichts zu tun haben. Schließlich war Mark Hinton daran schuld, dass ihre Mutter in den vergangenen achtundzwanzig Jahren solch ein trauriges Leben geführt hatte!

2. KAPITEL

Nachdem Aaron seine Information erhalten hatte und gegangen war, fragte Jace: „Was sollte das? Ich bin nicht Ihr Assistent.“

„Mir ist nichts anderes eingefallen, um Ihre Anwesenheit zu erklären.“

Jace runzelte die Stirn, dann nickte er. Zum Glück war Charlotte Fillion nicht damit herausgeplatzt, was er tatsächlich war. Ihre Erklärung war immerhin einleuchtend, also hatte es keinen Sinn, darüber zu streiten.

„Na gut“, stimmte er zu.

Sie seufzte erleichtert. Anscheinend hatte sie befürchtet, er würde sich querstellen. Aber er war hier, um ihr die jetzige Situation zu erleichtern, nicht um alles noch schwerer zu machen. Also zügelte er seine Gereiztheit.

„Ich habe da ein paar Fragen“, informierte sie ihn und sah ihn argwöhnisch mit ihren strahlend blauen Augen an.

„Dann mal raus damit.“

„Was genau macht ein Bodyguard?“

„Allgemein gesagt bewahrt er die Klienten davor, umgebracht zu werden. In Ihrem Fall soll ich vor allem die Medien abwehren und checken, ob jemand in Ihrem persönlichen Umfeld zu viel Interesse an Ihnen zeigt.“

„Und was heißt das, Mr. MacDonald?“

„Nennen Sie mich doch bitte Jace. Und es heißt, dass ich prüfe, ob sich jemand von der Presse an Menschen in Ihrer Umgebung heranmacht, um von denen Informationen über Sie zu bekommen.“

„Das ist lächerlich.“

„Momentan stimme ich Ihnen zu, denn niemand weiß, wer Sie sind. Die Presse hat noch keinen Schimmer, dass sie an Ihnen interessiert sein sollte, Miss Fillion.“

„Nennen Sie mich doch bitte Charlotte“, sagte sie im selben Tonfall wie er eben. „Sie werden mir also auf Schritt und Tritt folgen, Jace?“

„Ja, und Ihre Leute im Auge behalten, damit keiner auf dumme Gedanken kommt.“

„Wo werden Sie heute Nacht schlafen?“, erkundigte sie sich.

„Wo werden Sie denn heute Nacht schlafen, Charlotte?“

„Ich habe ein Haus. Ein sehr sicheres. Sie finden gewiss ein Hotel.“

Er lehnte sich an den Schreibtisch und kam ihr dabei ziemlich nahe. So kühl und selbstbewusst wie sie sich gab, machte es ihm richtig Spaß, sie ein bisschen zu nerven.

„Hotel kommt für mich nicht infrage“, informierte er sie.

Ihr Gesicht wurde finster wie eine Gewitterwolke. Auch wenn es Spaß machte, sollte er sie nicht länger ärgern. Jace wusste aus erster Hand, was passieren konnte, wenn man mit einem Klienten eine zu persönliche Beziehung anfing. Hier ging es um immens viel, daher musste er besonders aufmerksam und vorsichtig sein.

„Ganz ehrlich, Charlotte, Hotel steht nicht zur Diskussion. Ich komme zu Ihnen ins Haus. Da werde ich aber eher nicht schlafen, sondern bestenfalls Nickerchen auf demjenigen Ihrer Sofas machen, das der Haustür am nächsten steht.“

Charlotte überlegte und sah dabei nicht aus, als wäre sie mit seinem Vorschlag einverstanden.

„Na los, Charlotte, geben Sie sich einen Ruck. Der Anwalt, Danny Manelli, nimmt es sehr genau. Ich muss ihm auf jeden Fall versichern, dass ich die Nacht im selben Gebäude verbringe wie Sie.“

„Dieser Manelli bestimmt also, wo’s langgeht?“

„Richtig, und er erwartet nun mal, dass ich auf Sie aufpasse. Dazu muss ich freilich nicht an Ihrem Bett sitzen und Ihnen beim Schlafen zusehen. Sobald Ihre Vertretung als Bauleiter aufkreuzt, können Sie und ich nach New York fliegen, wo der DNA-Test gemacht wird und Sie darüber informiert werden, was Ihr Vater alles besessen hat. Dann können Sie anhand dieses Wissens eine wohlüberlegte Entscheidung treffen. Falls Sie weiterhin das Erbe ablehnen, sind Sie dann wieder ganz auf sich gestellt.“

Charlotte stöhnte. „Auf was musste ich nicht schon alles verzichten, nur weil dieser Mann mein Vater war.“

„Verstehe. Aber man kann sich nur seine Freunde aussuchen, nicht seine Verwandten“, meinte er.

„Ach, taugt Ihre Familie auch nichts?“, fragte sie unverblümt.

Das gefiel ihm. Also vergalt er ihre Direktheit mit Ehrlichkeit. „Nein, meine Familie ist wunderbar. Unter meinen Klienten hat es allerdings schon etliche gegeben, die mir zu völlig neuen Erfahrungen verholfen haben, was verrückte Familien angeht.“

Lachend warf sie ihren Kuli auf den Schreibtisch. „Na gut, einverstanden. Es dauert ja nur einige Tage. Dann kann ich diesen Mann, der mein Vater war, ein für alle Mal aus meinem Leben streichen.“

„Es werden eher an die zwei Wochen werden“, dämpfte Jace ihren Optimismus. „Wir schicken Ihre DNA-Proben an drei verschiedene Labors, ohne Ihren Namen zu nennen, damit uns niemand Manipulationen unterstellen kann. Es kann eine Weile dauern, bis die Resultate vorliegen. In der Zwischenzeit werden Sie, wie ich Ihnen schon sagte, über das Vermögen Ihres Vaters detailliert unterrichtet. Damit Sie eine gut begründete Entscheidung treffen können.“

Sie seufzte entnervt. „Okay. Jetzt habe ich zu tun. Da Sie meinen Assistenten spielen, müssen Sie das Telefon beantworten, damit es echt wirkt. Setzen Sie sich vorne an einen der Schreibtische und vertreiben Sie sich irgendwie die Zeit bis zu einem Anruf.“

„Zum Beispiel, indem ich die Tür im Auge behalte“, schlug er vor.

„Genau.“ Sie lächelte breit. „Da sehen Sie, wie praktisch es ist, meinen Assistenten darzustellen. Da fällt es nicht auf, wenn Sie vor meinem Büro sitzen.“

Im Stillen gab er ihr Pluspunkte für die Idee und ging bereitwillig zum Eingangsbereich des Trailers.

„Also dann, auf gute Zusammenarbeit, Jace“, sagte Charlotte.

Von ihren Lippen klang sein Name fast wie ein Kosewort …

Nein, so etwas sollte er nicht denken. Hier ging es um einen Job, nicht um eine Flirtshow im Fernsehen. Einmal hatte Jace sich mit einer Klientin zu persönlich eingelassen, was ein großer Fehler gewesen war. Es hatte seinem Ruf beträchtlich geschadet, und war nur schwer wieder auszubügeln gewesen. Ein vernünftiger Mann schlug nicht zweimal den falschen Weg ein!

Da die italienischen Schuhe ihres Beschützers ohnehin ruiniert waren, zögerte Charlotte nicht, nach draußen auf die Baustelle zu gehen. Jace sah tatsächlich aus wie jemand vom Management, so wie er ihr folgte und alles genau in Augenschein nahm.

Ihm kam es dabei natürlich nur auf Schwachstellen in Hinblick auf ihre Sicherheit an. Besorgt hatte er ein Loch im Bauzaun betrachtet, und Charlotte hatte sich sofort vorgenommen, einen ihrer Leute loszuschicken, damit es geflickt wurde.

Sie wollte nicht mit einem Mann streiten, der brummig wie ein Bär war. Und ebenso kräftig. Sie selbst war einen Meter siebenundsiebzig groß, aber Jace überragte sie um mindestens zehn Zentimeter. Und er hatte Muskeln! Als er sich das Jackett ausgezogen hatte, hatte sie die unter dem Seidenhemd deutlich sehen können …

Ein Mann wie er machte sich vermutlich nichts aus hochgewachsenen, burschikosen Frauen, sondern stand mehr auf niedliche kleine Frauchen.

Zu blöd, dass sie ihm schon ihre schroffe Seite gezeigt hatte!

Charlotte schüttelte über sich den Kopf. Sie wollte sich nicht unerreichbare Dinge wünschen. Zwischen ihr und Jace MacDonald konnte keine romantische Beziehung entstehen. Da sie ihn gerade erst kennengelernt hatte, würde es nicht schwer werden, das zu akzeptieren. Sie musste nur verdrängen, wie attraktiv sie ihn fand …

Zurück im Wohnwagen setzte Jace sich wieder an den Schreibtisch im Vorraum. Sie ging in ihr winziges Büro dahinter und machte die nötigen Anrufe, um Ersatz für sich zu organisieren.

Außerdem informierte sie sich im Internet über Danny Manelli und die Anwaltsfirma, für die er tätig war. Dann rief sie ihn an und bat ihn, Jaces Geschichte zu bestätigen. Das tat er.

Also hatte alles seine Richtigkeit. Das hatte Charlotte im Grunde nicht bezweifelt, da sie ja wusste, dass sie Mark Hintons Tochter war. Aber sie würde nicht mit einem Fremden nach New York fliegen, ohne vorher Erkundigungen einzuholen.

Danach widmete sie sich der Aufgabe, ihr Projekt so umzustrukturieren, dass ihr Ersatz den Job hier problemlos übernehmen konnte. Als Vizepräsidentin und Planungsdirektorin hatte sie die Befugnis dazu – und die nötige Kenntnis.

„Gute Neuigkeiten“, verkündete Charlotte schließlich, während sie ins Vorzimmer ging. „Ich muss nur bis zum Ende der Woche bleiben, dann können wir abreisen.“

Jace stand auf. „Ihr Boss hat so schnell Ersatz für Sie gefunden?“

„Die Planungsdirektorin ist genial.“

„Die sind doch Sie selbst, oder?“

„Richtig.“ Sie lachte. „Und ich bin tatsächlich ein Organisationsgenie. Sowie für heute fertig.“

Sie zogen die Mäntel an, und verließen den Wohnwagen, den Charlotte gewissenhaft absperrte. Dann führte sie Jace zu ihrem Auto, einem großen, schwarzen Truck.

„Nettes Teil“, meinte Jace.

„Das habe ich mir zum Geburtstag geschenkt.“

„Oh, Sie haben Geschmack.“

Die meisten Männer fanden ihre Vorliebe für kraftvolle Motoren und Geschwindigkeit wenig feminin. Jace hingegen schien das zu bewundern.

Sofort rief sich Charlotte zur Ordnung. Jace war ein Mietling ihres Vaters und kam damit von vorneherein als Partner nicht infrage. Besser, sie machte diesem Gefühl der Anziehung gleich den Garaus.

„Das da ist meines.“ Er wies mit dem Kopf auf einen riesigen SUV.

„Dunkle Scheiben? Typisch Leibwächterauto. Total unauffällig!“

Ihr Sarkasmus prallte an ihm ab. „Ich fahre Ihnen nach“, informierte er sie trocken.

„Soll ich Ihnen meine Adresse geben, falls Sie mich aus den Augen verlieren?“, bot sie an.

„Ich habe Ihre Adresse“, erwiderte Jace.

„Also dann, bis gleich.“

Sie stieg ein und fuhr nach Hause. Ihr Haus war mittelgroß, modern, von ihr selber entworfen und unter ihrer Leitung gebaut worden. Außerdem hatte sie es komplett selbst eingerichtet.

Charlotte stellte den Truck in der Garage ab, Jace parkte in der Auffahrt. Während sie zur Haustür ging und die Zahlen des Sicherheitscodes eintippte, bückte Jace sich und zog etwas unter der Hollywoodschaukel heraus, die hier auf der Veranda stand.

War das etwa eine Bombe? Weil schon jemand herausgefunden hatte, wer sie war?

Ihr Herz pochte wie rasend. All das Gerede über Bodyguards und Leute, die hinter ihr her waren, hatte bei ihr doch gewisse Befürchtungen ausgelöst. Die wollte sie sich freilich nicht anmerken lassen.

Zum Glück hielt Jace nur eine Reisetasche hoch. „Jemand von meinen Leuten hat mir die hierhergebracht“, erklärte er.

„Was ist denn da drin?“, erkundigte sie sich.

„Arbeitsschuhe, Arbeitshemden, Jeans. Ein paar Notizblöcke und Stifte, damit ich wie ein richtiger Assistent aussehe … und mein Laptop, damit ich Arbeit erledigen kann.“

„Sehr effektiv“, lobte sie beeindruckt.

„Ach ja? Ich habe Sie und Ihre Leute beobachtet, Charlotte. Sie sagen: ‚Springt!‘, und die fragen nur: ‚Wie hoch?‘. Wir sind definitiv zwei vom selben Schlag.“

Ein Lächeln zuckte um Charlottes Mund. Er war also auch kompetent und herrisch. Es war irgendwie sexy, dass Jace ganz cool so tat, als wäre das völlig normal.

Da musste sie aufpassen, nichts Blödes zu tun, wie zum Beispiel plötzlich atemlos zu stottern, oder – Gott bewahre – zu flirten anzufangen.

Sie warf Jacke und Aktenkoffer auf einen Sessel im Flur und informierte Jace: „Die Schlafzimmer sind hinten im Haus rechts. Ihr Zimmer ist gleich das erste. Es hat ein eigenes Bad. Ich vermute, Sie wollen sich gleich umziehen?“

Er brummelte etwas und ging den Flur hinunter.

Charlotte schloss kurz die Augen. Warum nur musste er so umwerfend attraktiv sein? Und so groß. Männer waren selten größer als sie. Und nun war einer der wenigen großgewachsenen, sympathischen und wirklich gutaussehenden Männer ausgerechnet ein Helfershelfer ihres Vaters.

Leise seufzend ging sie in die Küche und suchte Zutaten für ein Abendessen zusammen: Nudeln, Käse und Milch, dazu etwas Salat. Einfach, aber lecker. Perfekt!

Als Jace vom Duschen kam, wollte sie wie nebenbei bemerken, dass sie inzwischen Essen gekocht hatte. Doch als sie sich zu ihm umdrehte, brachte Charlotte zunächst kein Wort über die Lippen. Jace sah einfach zu gut aus, so frisch aus der Dusche! Feuchtes dunkles Haar, ein enges T-Shirt, das seine breiten Schultern zur Geltung brachte, und legere Trainingshosen, die tief auf seinen schlanken Hüften saßen …

„Es gibt … Makkaroni mit Käsesoße“, brachte sie dann doch heraus.

„Die liebe ich“, erwiderte er. „Und ich kann mich nicht erinnern, wann das letzte Mal jemand für mich gekocht hat.“

Ihr wurde ganz warm ums Herz, weil jemand ihre minimalistische Häuslichkeit zu schätzen wusste, wo sie doch sonst immer als burschikos bezeichnet wurde.

„Haben Sie denn keine Mutter mehr?“, fragte Charlotte sanft.

Jace lachte leise. „Oh doch. Aber meine Großmutter lebt noch in Schottland, und mein Bruder ist vor zwei Jahren zu ihr gezogen, um sich um sie zu kümmern. Jetzt ist seine Frau schwanger, und meine Mutter fliegt jeden zweiten Monat zu ihnen zu Besuch.“

Eine eigene Frau hat er nicht erwähnt, stellte sie fest. Er trug auch keinen Ehering, aber das musste nicht unbedingt heißen, dass er nicht verheiratet war. Direkt fragen wollte Charlotte freilich nicht.

Sie deckten gemeinsam den Tisch und begannen zu essen.

„Köstlich“, sagte Jace nach dem ersten Bissen. „Das erinnert mich an die Schulzeit, als mein Mom mich mit diesem Gericht bestochen hat, meine Hausaufgaben zu machen.“

Charlotte lachte. „Meine hat mich damit belohnt, wenn ich zur Tanzstunde ausnahmsweise ein Kleid angezogen habe.“

„Ach, wie nett!“

„Ja, meine Mutter ist die netteste, beste Frau auf der ganzen Welt“, schwärmte sie.

„Dann sind wir beide Glückspilze, weil wir großartige Mütter haben.“

Sie nickte. „Wahrscheinlich sind wir beide auch deshalb so erfolgreich.“

„Deshalb und aufgrund harter Arbeit.“

„Das sagt nur jemand, dem der Erfolg nicht in den Schoß gefallen ist“, bemerkte sie.

Jace überlegte kurz. „Ja, ich musste durchaus kämpfen. Das mit dem Aufpassen ist nicht das Problem, das kann ich gut. Lernen musste ich, wie man Kunden beschafft – also die Marketingseite des Jobs.“

„Und das haben Sie geschafft“, meinte sie und stützte die Ellbogen auf.

„Ja, ganz nach dem Motto ‚Friss oder stirb!‘“

Charlotte verkniff sich ein Lachen. Schade, dass ich ihn so nett finde, wenn doch nichts aus uns werden kann, dachte sie wehmütig. Aber er würde sowieso kein Interesse an mir haben …

Nach dem Essen ging sie in ihr Arbeitszimmer, um am Rechner noch einige liegen gebliebene Arbeiten zu erledigen, während Jace die Küche aufräumte, noch einmal das Haus checkte – und sich dann vor den Fernseher setzte.

Als Charlotte fertig war, suchte sie Decken, Laken und Kissen heraus und brachte sie ihm ins Wohnzimmer. Es war mit modernen Möbeln eingerichtet, das Sofa war allerdings groß, weich und äußerst bequem, zum Schlafen also geeignet.

Charlotte wünschte Jace gute Nacht und zog sich zurück. Als sie unter der Dusche stand, wurde ihr plötzlich überdeutlich bewusst, dass sich ein Mann im Haus befand, der auf sie aufpassen sollte. Ihre Mom hatte ihr früher oft gesagt, ihr Dad würde sich nie blicken lassen, weil er Angst um sie beide hatte und sie nicht in Gefahr bringen wollte, entführt oder sogar umgebracht zu werden.

Als Kind hatte ihr das kein Kopfzerbrechen bereitet. Als Teenager hatte sie dann gemeint, er hätte sich zu leicht aus der Affäre gezogen. Was für ein Mann versteckte seine Geliebte auf dem platten Land weitab von allem, wo sie allein ein Kind großziehen musste? Nur ein Feigling – oder jemand ohne Gefühl!

Sie hatte immer gedacht, dass Mark Hinton beides sein müsste. Das half ihr dabei, seine Existenz zu ignorieren, und so hatte sich ihr Leben ziemlich normal angefühlt. Auch andere Kinder wuchsen ohne Vater auf. Charlotte hatte sich angespornt gefühlt, eifrig zu lernen, den Abschluss zu machen und in der Welt voranzukommen. Ja, sie war stolz auf ihre Leistungen und Erfolge.

Jetzt aber kam ihr alles irgendwie surreal vor. Von einem Tag auf den anderen wurde sie zur Erbin eines unverschämt reichen Mannes erklärt – und prompt schlief ein sexy Bodyguard auf ihrem Sofa!

Nach dem Duschen checkte Charlotte noch ihre E-Mails, dann legte sie sich ins Bett. Ich muss ja noch Mom benachrichtigen, was heute passiert ist, fiel ihr ein. Dass sie nach New York sollte, um zu beweisen, sie wäre Mark Hintons Tochter.

Das würde die Trauer ihrer Mutter bestimmt neu wecken, denn sie hatte diesen Mann so sehr geliebt, dass sie danach keine Beziehung mehr eingegangen war.

Wie man derartig auf einen Mann fixiert sein konnte, der einen nicht wollte, das verstand Charlotte nicht. Immerhin bewahrte das warnende Beispiel ihrer Mutter sie davor, sich wegen Typen wie Jace zum Narren zu machen.

Die Zurückweisung durch ihren Vater tat ihr immer noch weh. Ihre Eltern hatten sich geliebt, da war sie sicher. Bis sie dann auf der Bildfläche erschienen war. Natürlich war nicht garantiert, dass ihre Eltern ohne sie glücklich zusammengeblieben wären, aber sie war fest überzeugt, dass ihr Vater keine Tochter gewollt hatte.

Genauer gesagt, hatte er wohl überhaupt keine Kinder gewollt, also auch ihre Halbgeschwister nicht! Ihre Halbschwester hatte ebenfalls bis vor Kurzem nicht gewusst, dass sie Hintons Erbin war, und das dritte Kind wusste es vermutlich immer noch nicht.

Charlotte seufzte. Wenn sie sich weitere Zurücksetzungen ersparen wollte, musste sie eine einfache Regel befolgen: Sie durfte sich auf keinen Fall mit dem Mann einlassen, der unten auf ihrem Sofa lag.

Egal, wie attraktiv er war.

3. KAPITEL

Am folgenden Morgen wachte Charlotte auf – und roch gebratenen Speck. Sofort fiel ihr ein, dass sie ja einen Hausgast hatte. Und alles andere kam ihr auch wieder in den Sinn. Sie war Mark Hintons Erbin.

In manchen Kreisen machte sie das anscheinend zum Promi. Also hatte sie jetzt einen waschechten Leibwächter, der ihr heute auf der Baustelle auf Schritt und Tritt folgen würde! Dabei musste sie noch Unmengen an Arbeit erledigen, bevor der legendäre Frühjahrsregen, den es hier in Pennsylvania gab, die Bautätigkeit nachhaltig behinderte.

Widerwillig stand sie auf und duschte, dann zog sie Jeans, ein Arbeitshemd und feste Schuhe an. So ging sie in die Küche.

Dort stand ihr atemberaubend gutaussehender Bodyguard an den Tresen gelehnt und trank Kaffee.

Charlotte genoss den Anblick einige herzklopfende Sekunden lang, dann räusperte sie sich und sagte heiser: „Guten Morgen.“

„Morgen. Möchten Sie Frühstück?“

„Danke, ich frühstücke nicht“, erwiderte sie.

„Sie haben aber Speck im Kühlschrank.“

„Ja, weil ich den gern auf Cheeseburgern esse.“

„Verstehe.“ Er nickte. „Dann können wir also sofort los?“

„Sobald ich Kaffee zum Mitnehmen in den Thermosbecher getan habe.“

Jace nahm einen Becher aus dem Schrank, füllte ihn mit Kaffee und reichte ihn ihr. Einfach so, ohne große Worte.

„Wir nehmen meinen Wagen“, bestimmte er.

„Ich muss mit Ihnen fahren?“, hakte sie nach.

„Sie müssen so ziemlich alles gemeinsam mit mir tun“, bestätigte er.

Nach einer beinah schlaflosen Nacht war sie zu müde, um zu streiten, also folgte sie ihm durch die kühle Aprilluft zu seinem Wagen.

„Meine Nachbarn werden denken, ich hatte einen Mann über Nacht bei mir“, bemerkte Charlotte, der das alles ziemlich verrückt vorkam.

Er öffnete ihr die Wagentür. „Das stimmt ja auch.“

Ihr Herz fing an zu flattern, weshalb sich Charlotte lieber eine Entgegnung verkniff.

Sie stiegen ein und fuhren gemeinsam zur Baustelle. Innerlich stöhnte Charlotte. Wie sollte sie auf der Baustelle einen ganzen Tag mit diesem Herzensbrecher im Schlepptau überstehen?

Jace blickte auf seine Uhr. Fünfzehn Minuten seit der Ankunft. Sie waren herumgegangen, hatten über Dreck konferiert und nun studierten sie still eine Landkarte.

Es würde ein langer Tag werden.

Endlich kam Charlotte zu einem Entschluss, teilte den ihren Männern mit, und dann ging es in den Wohnwagen. Während Charlotte telefonierte, wusch Jace die eklige Kaffeekanne gründlich aus und nahm den Kaffee aus der Aktentasche, den er sich mitsamt seinem Gepäck hatte liefern lassen. Weder wollte er an den Bakterien sterben, die sicher in dieser Kanne fröhliche Urstände feierten, noch war er bereit, die Plörre zu trinken, die Charlottes Firma den Untergebenen zugestand.

Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte durchdringend. Er nahm ab und sagte: „Kaiser und Barclay.“

„Ist da die Riverside Baustelle?“

Verdammt, woher soll ich das wissen? dachte Jace empört. Er kannte nur den Namen der Firma.

„Ich bin erst den zweiten Tag hier und muss mich noch zurechtfinden“, erklärte er beschwichtigend. „Was kann ich für Sie tun?“

„Ich muss Charlotte sprechen.“

„Einen Moment, ich verbinde.“ Er drückte den Pausenknopf und ging zur Tür von ihrem Büro. „Nehmen Sie bitte ab, da will Sie jemand sprechen.“

„Haben Sie nicht nach dem Namen gefragt?“, wollte sie wissen.

„Sie können von Glück sagen, dass ich nicht aufgelegt habe. Ihr Telefon draußen ist ein antikes Stück Müll.“

„Ja, weil wir hier auf einer Baustelle sind und teure Geräte im Nu kaputt sein könnten.“ Sie drückte den Gesprächsknopf an ihrem Gerät. „Ja, hier Charlotte Fillion.“

Als der Typ am anderen Ende sich meldete, fing sie zu strahlen an und lehnte sich bequem zurück. „Oh, hallo, Jim!“

Diesen Jim mochte sie offensichtlich. Vielleicht war es ein Freund, kein Kollege? Aber egal, das geht mich nichts an, sagte Jace sich streng.

Sie bedeutete ihm, die Tür zuzumachen, und er tat es, bevor er sich wieder daran machte, Kaffee zu kochen. Richtigen Kaffee.

Charlotte telefonierte immer noch. Na ja, mit einem Freund … Oder war er mehr als das? Hatte sie diesem Jim verraten, dass sie eine Tochter von Mark Hinton war? Oder noch schlimmer, womöglich vereinbarte sie gerade ein romantisches Treffen mit diesem Jim!

Ein seltsames Gefühl durchzuckte ihn, und kurz verkrampfte sich sein Magen.

Ich bin doch nicht etwa eifersüchtig? dachte Jace. Nein, bestimmt nicht. Er hatte seine Lektion gelernt. Mit Klientinnen ließ man sich nicht ein!

Aber er musste auf sie aufpassen, also ging er zu Charlotte ins Büro und setzte sich vor den Schreibtisch, obwohl sie noch immer telefonierte.

Sie sagte zu Jim etwas über dessen Rasentraktor, dann verabschiedete sie sich und versprach, ihn auf dem Laufenden zu halten.

Sie legte auf. „Was ist?“, fragte sie ungehalten.

„Was soll sein? Sie haben ein wie es schien privates Gespräch geführt, was ich auch einige Minuten dulden konnte, aber ich musste verhindern, dass Sie sich womöglich mit einem Typen zum Essen verabreden.“

„Sie hätten mich gern dabei beobachten dürfen, Jace. Vom Nebentisch aus. So ist das doch üblich, oder?“

„Ja“, gab er widerstrebend zu, pikiert, weil sie nicht behauptete, Jim wäre nur ein ganz flüchtiger Bekannter.

„Fein. Wenn er noch mal anruft, schlage ich ihm vor, mit mir essen zu gehen.“

„Nein, verdammt noch mal.“ Jace stand wütend auf. „Sie haben mir zugesichert, am Ende der Arbeitswoche mit mir nach New York zu kommen. Dieser Tag ist morgen. Wir haben keine Zeit, vorher noch Dates zu absolvieren.“

„Es wäre kein Date. Er ist nämlich mit meiner Freundin verheiratet.“ Sie blickte hoch und lächelte. „Und wir hätten mit den beiden essen gehen können und zum Spaß behaupten, Sie wären mein Date, Jace.“

Diese Idee schickte bei ihm einen Stromstoß an eine ganz und gar nicht passende Stelle. Jace atmete tief durch. „Mir egal, ob Sie mit einem Freund dinieren, Pizza mit dem ganzen Ensemble einer Broadwayshow genießen oder nur eine Ananas kaufen, ich muss auf Sie aufpassen. Im Moment soll niemand wissen, wer Sie sind. Keiner aus Ihrer Umgebung soll merken, dass sich in Ihrem Leben etwas entscheidend geändert hat. Also keine Dates und Verabredungen, wenn es sich vermeiden lässt.“

„Da haben Sie wohl recht“, gestand Charlotte ihm zu. Und seufzte.

„Natürlich habe ich das. Normalerweise arbeiten Sie bis zum Einbruch der Dunkelheit, setzen sich noch ein bisschen an den Computer, essen zu Abend und gehen ins Bett.“ Er wandte sich von ihr ab. „Sie wollen doch nur widerborstig sein, denke ich. Sie haben gar keine Zeit für Geselligkeit.“

Und schon hatte er den Raum verlassen.

„Dass ich keine Zeit habe, heißt nicht, dass ich nicht gern öfter Leute treffen würde“, rief Charlotte ihrem Aufseher nach, wobei ihr Herz wie wild pochte.

Sie sollte ihn vermutlich nicht so provozieren, aber er war einfach atemberaubend sexy, wenn er ein wenig zornig wurde …

Den Rest des Tages schaffte sie es, sich zurückzuhalten. Nach der Arbeit fuhren sie direkt nach Hause. Sie wollte wieder Abendessen machen, aber Jace bestand darauf, das zu übernehmen.

Also ging sie duschen und zog frische Sachen an. Dann ging sie in die Küche, in der es appetitlich duftete, was ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

Offensichtlich hatte Jace die Schweinskoteletts im Tiefkühler gefunden, sie in der Mikrowelle aufgetaut, und grillte sie gerade im Ofen.

Plötzlich ging langsam die vordere Haustür auf.

Jace, der die Tür ständig im Blickfeld hatte, fasste sofort nach hinten zum Hosenbund seiner Jeans. Sein Körper war gespannt wie eine Stahlfeder und von einem Augenblick zum andern alarmbereit.

Charlotte meinte, ihr Herz würde stehen bleiben.

Dann kam ihre Mutter herein, perfekt frisiert und adrett angezogen.

„Mom!“, rief Charlotte, bevor Jace womöglich die Pistole zog. „So eine Überraschung. Was führt dich zu mir?“

Ihre Mutter hielt einen Behälter mit Cupcakes hoch. „Ich habe heute gebacken.“

„Oh! Lecker!“

„Guten Tag, ich bin Penny Fillion, Charlottes Mutter“, stellte sie sich Jace vor und betrat lächelnd die Küche. „Es ist nett, eine Tochter zu haben, die essen kann, was sie will, ohne ein Gramm zuzunehmen. Da kann ich nach Herzenslust backen und muss nicht alles selber vertilgen.“ Sie musterte Jace lächelnd. „Und Sie sind?“

„Charlottes neuer Assistent“, antwortete er prompt.

„Mein Leibwächter, Jace MacDonald“, erklärte Charlotte zeitgleich. „Dads Nachlassverwalter haben mich aufgespürt.“

„Was, zum Teufel, soll das?“, wollte Jace wissen.

„Das hier ist meine Mutter. Sie lüge ich nicht an“, antwortete Charlotte. „Außerdem weiß sie, wessen Tochter ich bin. Da brauche ich doch nicht die Tatsache zu verstecken, dass man mich gefunden hat.“ Sie wandte sich an ihre Mutter. „Ich soll für etwa zwei Wochen nach New York, wo Beweise erbracht werden müssen, dass ich tatsächlich Erbin bin, bevor ich auf meinen Anteil am Vermögen verzichten kann.“

Penny setzte sich. „Zwei Wochen für die Beweise? Warum zeigst du ihnen nicht einfach deine Geburtsurkunde?“

„Das habe ich angeboten, aber sie wollen unbestreitbare Beweise. DNA-Tests.“

Jace lehnte sich an den Tresen. „Es geht um mehr. Im Testament hat Mark Prozeduren festgelegt, nach denen die echten Erben genauso getestet werden wie die angeblichen, die sich ja auch melden. So kann nachher niemand Einspruch gegen das Vorgehen erheben.“

Penny seufzte. „Ja, beim Planen war Mark immer sehr gut.“

„Mein aufrichtiges Beileid zu Ihrem Verlust“, sagte er ruhig.

Charlotte sah ihn überrascht an. Es war sehr einfühlsam von ihm, zu kondolieren. Ihr wurde ganz warm ums Herz.

„Ich danke Ihnen, Mr. MacDonald“, sagte Penny leise. „Das Leben geht weiter. Und dir, Charlotte, würde ich dringend raten, nicht deine Chancen wegzuwerfen, nur weil du deinen Vater nie ausstehen konntest.“

„Ich werfe meine Zukunft nicht weg“, widersprach Charlotte. „Ich beabsichtige weiterhin, CEO von Kaiser und Barclay zu werden. Das ist eine Zukunft, auf die ich stolz sein kann. Dafür arbeite ich, dafür habe ich Opfer gebracht. Es ist allein mein Erfolg.“

„Dein Vater hat aber, wie du ihm zugestehen musst, Anteil daran. Immerhin hat er die Farm für uns gekauft und Unterhalt für dich bezahlt.“

„Ja, aber das war ein Bruchteil von dem, was er hätte zahlen müssen, wenn er mich offiziell anerkannt hätte“, konterte Charlotte. „Und die Farm war doch nur dazu da, um uns vor der Welt zu verstecken.“

„Um uns sicher unterzubringen“, verbesserte ihre Mutter.

„Bla, bla, bla!“

„Ich kann diese Debatte nicht gewinnen“, erklärte sie dann Jace.

Der lachte. „Das habe ich mir schon gedacht.“

„Lassen Sie nicht zu, dass sie ein Vermögen wegwirft“, bat sie weiter.

„Das ist nicht meine Aufgabe. Ich muss nur auf sie aufpassen. Bitte, erzählen Sie niemandem, dass man Charlotte gefunden hat, Ms. Fillion. Hier in Pittsburgh ist das keine Schlagzeile wert, aber in New York gibt es genug Reporter, die ihre Seelen verkaufen würden für die Namen der Erben von Mark Hinton.“

„Erben? Mehrzahl? Wie viel Kinder gibt es denn?“, fragte ihre Mom erstaunt.

„Drei. Eins älter als Charlotte, eins jünger.“

„Oh“, war alles, was sie dazu sagte.

Charlotte brach es fast das Herz. Ihre Mutter hatte immer geglaubt – oder sich selber vorgemacht –, dass Mark sich ebenso sehr nach ihr verzehrte wie sie sich nach ihm. Ein jüngeres Kind bewies natürlich, dass er sich nach ihr noch mit einer anderen Frau eingelassen hatte.

„Wir haben das älteste Kind noch nicht gefunden“, erklärte Jace. „Das jüngere ist eine junge Frau namens Leni Long. Sie ist diplomierte Sozialarbeiterin in Kansas. Eine sehr nette Frau. Ich bin sicher, Charlotte wird sie mögen.“

„Es gibt also eine Schwester für dich, Charlotte! Das ist schön.“

„Ja, und ich hoffe, sie in New York zu treffen. Auch wenn ich meinen Anteil ausschlage.“

„Dann ist ja doch noch etwas Gutes bei all dem herausgekommen.“ Ihre Mom stand auf. „So, ich wollte nicht lange stören, sondern nur die Cupcakes bringen.“ Sie küsste Charlotte auf die Wangen. „Lass mich wissen, wie alles läuft.“

„Das mache ich“, versprach Charlotte und begleitete ihre Mutter nach draußen.

„Dieser Jace ist hinreißend“, bemerkte ihre Mutter verschwörerisch.

„Und mein Leibwächter!“, entgegnete Charlotte knapp. „Sowie Handlanger meines Vaters.“

„Den Hass auf deinen Vater solltest du endlich überwinden, Kind.“

„Ich hasse ihn nicht, er bedeutet mir nichts. Du findest das wohl traurig, Mom, aber mir hilft es, dass ich ihn sozusagen in eine Schachtel gepackt habe und nicht brauche.“

Sie verabschiedeten sich, und Charlotte begab sich in die Küche zurück.

„Ich mag Ihre Mutter“, bemerkte Jace.

„Das tut jeder, weil sie so nett ist.“

Jace servierte das Essen. Sie aßen schweigend, wobei Charlotte an ihre Mutter dachte. Ob sie sich ihretwegen Sorgen machen musste? Marks Tod war schlimm genug für sie gewesen. Nun wusste sie, dass sie vergebens gehofft hatte, seine einzig wahre Liebe zu sein.

Aber das war kein Thema, über das sie mit Jace sprechen wollte. Er war ihr Leibwächter, nicht ihr Freund. Und sobald die Sache mit der Erbschaft rechtlich geregelt war, würde er spurlos aus ihrem Leben verschwinden.

Also sagte Charlotte nach dem Essen gleich gute Nacht und zog sich in ihr Schlafzimmer zurück.

4. KAPITEL

Jace wachte gut gelaunt auf und wurde richtig fröhlich beim Gedanken, dass sie heute nach New York abreisen würden, sobald Charlottes Schicht zu Ende war. Ihr beim Arbeiten zuzusehen, war verräterisch interessant gewesen, obwohl es an sich eine öde Aufgabe war, ihr ständig zu folgen. Jace streckte sich auf dem Sofa, auf dem er die Nacht verbracht hatte, lang aus und blickte nachdenklich zur Decke.

Diese Frau war wirklich klug. Kein Wunder, dass ihre Leute wie Wachs in ihren Händen waren. Wenn sie ihnen einen Auftrag gab oder eine Aufgabe zuteilte, dann war es stets das Richtige. Es war fast schade, sie von ihrer Arbeit wegzuholen, aber es musste sein.

Und er selbst würde in seinem angestammten Hoheitsgebiet sein, wo er alles kontrollieren konnte, was sie tat. Dann würde sein Leben wieder in gewohnten Bahnen verlaufen. So wie vor dem Tod von Mark Hinton.

Sobald er an Marks Tod dachte, runzelte Jace die Stirn. Marks Jacht hatte in der Karibik Feuer gefangen. Er hatte noch einen Notruf abgesetzt, außerdem hatte er natürlich ein Rettungsboot zur Verfügung. Aber als die Rettungsmannschaft eintraf, konnte sie Mark nicht finden, und von dem Rettungsboot fehlte ebenfalls jede Spur. Aber nach einer gründlichen Suche, einer entsprechenden Frist und ungezählten juristischen Formalitäten hatte man Mark Hinton schließlich offiziell für tot erklärt.

Wie schon so oft, wenn Jace früh am Morgen seinen Gedanken nachhing, überkam ihn ein ungutes Gefühl, wenn er an Marks Tod dachte. Was, wenn das nur inszeniert gewesen war? Eine Chance für Mark, frei zu sein?

Aber nein, so etwas kam nur in Romanen vor, nicht im richtigen Leben!

Entschlossen setzte sich Jace auf. Die Arbeit rief! Doch genau in diesem Augenblick betrat Charlotte plötzlich das Wohnzimmer und Jace blieb wie versteinert auf dem Sofa sitzen. Ihm stockte der Atem, und alle Gedanken an Mark waren wie weggeblasen.

Sie trug ein hellblaues Kleid, eleganten Schmuck und hochhackige Schuhe. Die blonden Haare umrahmten lockig ihr schönes Gesicht, das Kleid brachte ihre perfekte Figur bestens zur Geltung. Sie sah so ungewohnt feminin aus, dass Jace gar nicht aufhören konnte, sie anzustarren.

„Warum so aufgebrezelt?“, fragte er heiser.

„Sie haben doch nicht angenommen, ich würde auf unbestimmte Zeit nach New York reisen, ohne vorher meinen Boss persönlich davon zu informieren?“, erwiderte sie und befestigte einen Ohrring im Ohrläppchen. „Ich muss mir einen guten Grund für meine Reise nach New York einfallen lassen, während Sie duschen.“

„Sie werden mich zwingen, einen Anzug zu tragen, richtig?“, brummelte er.

„Keine Ahnung. Wichtiger ist doch, wie ich erklären soll, dass ich mit meinem neuen Assistenten, der mich eigentlich nur bei der Arbeit unterstützen soll, aus persönlichen Gründen nach New York reise“, entgegnete sie.

Da hatte sie allerdings recht! Trotzdem zog Jace kurz darauf nur widerstrebend den Anzug an, in dem er von New York angereist war. Zumal er dazu die Arbeitsschuhe tragen musste, da die italienischen Slipper ja im Schlamm der Baustelle ruiniert worden waren. Er konnte nur hoffen, dass Charlottes Arbeitgeber darüber hinwegsehen würde …

Schweigend fuhren sie nach Pittsburgh. In der Parkgarage sah Jace sich, ganz Leibwächter, genau um. Im Lift war er mit Charlotte allein. Zuerst schwiegen sie weiterhin.

„Das Essen gestern war sehr lecker“, bemerkte sie endlich.

„Oh, danke!“ Wenn sie plaudern wollte, war er gern dazu bereit. „Wirklich toll waren aber die Cupcakes Ihrer Mutter. Und Sie haben ja vorgestern auch ganz großartig gekocht.“

„Ja, Makkaroni. Die sind doch kinderleicht. Sie hingegen können richtig kochen.“

„Wenn Sie erst mal Milliardärin sind, können Sie einen echten Spitzenkoch engagieren. Einen, der kocht wie ich“, meinte er scherzend.

„Dann kann ich ja gleich Sie nehmen.“

Erstaunt sah er sie an. „Heißt das, Sie nehmen das Geld an, Charlotte?“

„Nein. Aber netter Versuch.“

„Ich wollte Sie nicht dazu bringen, dass Sie zugeben, das Geld zu wollen. Ich verstehe durchaus, warum Sie es ablehnen. Sie sind in Ihrem Beruf echt gut.“

Charlotte war sichtlich überrascht. „Oh, danke für das Kompliment, Jace!“

Als sie seinen Namen sagte, mit dieser warmen Stimme, wurde ihm wieder ganz anders. Nicht einmal Mary Beth hatte er auf den ersten Blick derartig anziehend gefunden …

Sie war eine dunkelhaarige Schönheit mit einem Herz aus Gold gewesen, und er hatte sie zuerst gemocht, bevor er sich in sie verliebt hatte. So sollte es sein: Gefühle sollten mit der Zeit wachsen und einen nicht überfahren wie ein Expresszug.

Die Beziehung mit Mary Beth hatte dann ja leider übel geendet. Sie hatte ihm das Herz gebrochen. Später hatte er sie einmal mit ihrem Mann und ihrer süßen kleinen Tochter auf der Straße gesehen, und da war er ein bisschen aus der Spur geraten. Er hatte seiner damaligen Klientin sein Herz ausgeschüttet – und anschließend mit ihr geschlafen.

Einige Zeit später, als die Klientin von ihrem Vater enterbt worden war, hatte sie ein Enthüllungsbuch geschrieben, um zu beweisen, dass sie selber Geld verdienen konnte. Darin hatte sie auch die Sache mit ihm ausführlich geschildert – und das höchst reißerisch. In ihrer Darstellung wirkte Jace wie ein gefährlicher Stalker, was seinem guten Ruf als Leibwächter natürlich extrem schadete. Etliche Klienten mit jungen Ehefrauen oder erwachsen...

Autor

Susan Meier
Susan Meier wuchs als eines von 11 Kindern auf einer kleinen Farm in Pennsylvania auf. Sie genoss es, sich in der Natur aufzuhalten, im Gras zu liegen, in die Wolken zu starren und sich ihren Tagträumen hinzugeben. Dort wurde ihrer Meinung nach auch ihre Liebe zu Geschichten und zum Schreiben...
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