Heiße Küsse unter griechischer Sonne ...

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Glitzerndes Meer, prickelnder Champagner, ein heißer Kuss. Damit will Nikolaos die bildhübsche Emily auf seiner Jacht verführen - und gleichzeitig entlarven. Er ist sicher: die junge Frau, die sich so fürsorglich um seinen kranken Vater kümmert, hat nur eins im Sinn: sein Geld!


  • Erscheinungstag 09.07.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751515214
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Emily erkannte ihn sofort. Nicht nur deshalb, weil sein Vater ihn so gut beschrieben hatte, sondern weil er deutlich aus der wartenden Menge am Venizelos-Flughafen von Athen herausstach. Kein Wunder bei einer Körpergröße von über einem Meter achtzig, einer auffallend männlichen Figur und einem Gesicht, das dem eines gefallenen Engels glich. Ein Blick genügte, um ihn als den Typ Mann zu identifizieren, der bei Frauen heiß begehrt war.

Wie auf Zuruf trafen sich ihre Blicke und hielten einander scheinbar eine Ewigkeit fest. Zumindest lange genug, um ihre Wangen zum Glühen zu bringen. Dann nickte er kurz, als wäre er sich seiner Wirkung auf sie deutlich bewusst, und kam auf sie zu.

Erst jetzt konnte sie seine gesamte Gestalt sehen: die schmalen Hüften, die in engen Jeans steckten, die schwarze Lederjacke über den breiten Schultern und den starken Kontrast zwischen seiner sonnengebräunten Haut und dem strahlend weißen Hemd. Während er näher kam, bemerkte sie auch seinen markanten Kiefer und den Dreitagebart.

Als er sie erreicht hatte, blieb er vor dem Rollstuhl ihres Begleiters stehen und sagte mit wohlklingend tiefer Stimme: „Entgegen aller Voraussicht hast du es also heil zurückgeschafft. Wie war der Flug?“

„Lang“, erwiderte Pavlos, der alte Mann an Emilys Seite, und klang genauso erschöpft, wie er sich fühlen musste. Nicht einmal die Schmerzmittel, die er sich in der komfortablen Ersten Klasse hatte geben lassen, konnten seine Leiden mindern. „Sehr lang. Aber wie du siehst, habe ich meinen Schutzengel dabei.“ Damit griff er nach ihrer Hand und drückte sie freundschaftlich. „Emily, meine Liebe, ich freue mich, dir meinen Sohn Nikolaos vorstellen zu können. Niko, dies ist meine Krankenschwester Emily Tyler. Ich mag mir nicht vorstellen, was ich ohne sie getan hätte.“

Erneut ruhte Nikolaos Leonidas’ Blick auf ihr, und auf seinem Gesicht spiegelten sich gleichermaßen Bewunderung und Arroganz wider. „Yiasu, Emily Tyler“, begrüßte er sie.

Obwohl ihre lange Hose und der Pullover Emilys Figur vollständig verdeckten, fühlte sie sich unter seiner interessierten Musterung fast nackt. Seine Augen waren nicht braun, wie die seines Vaters, sondern eher dunkelgrün und hatten einen ungeheuer intensiven Ausdruck.

Sie schluckte ein paarmal trocken. „Yiasu“, brachte sie mühsam heraus.

„Sie sprechen ein wenig Griechisch?“

„Ganz wenig“, bestätigte sie bescheiden. „Das gerade eben umfasst praktisch mein vollständiges Vokabular.“

„Habe ich mir fast gedacht.“

Dieser Kommentar hätte abwertend geklungen, wenn er nicht von einem breiten, charmanten Lächeln begleitet worden wäre, das Emilys Knie weich werden ließ.Was war bloß los mit ihr? Mit ihren siebenundzwanzig Jahren hielten sich ihre erotischen Erfahrungen zwar in Grenzen, dennoch würde sie sich nicht als völlig unschuldig bezeichnen. Für sie zählten keine Äußerlichkeiten, sondern die inneren Werte, und in dieser Hinsicht schien Nikolaos Leonidas nur wenig bieten zu können.

Das Verhalten seinem Vater gegenüber bestätigte diesen Eindruck nur noch. Er machte keinerlei Anstalten, den alten Mann zu umarmen oder auf irgendeine Art zu berühren, die einem Vater-Sohn-Verhältnis angemessen wäre. Stattdessen kommandierte er einen Flughafenangestellten herbei, der sich um den überladenen Gepäckwagen kümmern sollte.

„Nachdem wir die Formalitäten hinter uns gebracht haben, sollten wir uns auf den Weg machen“, schloss Nikolaos knapp und ging zielstrebig voran in Richtung Ausgang. Emily und Pavlos folgten ihm schweigend.

Erst als sie den bereitstehenden Mercedes erreicht hatten, zeigte Nikolaos die erste Spur von Mitgefühl. „Nicht!“, protestierte er und hielt Emily davon ab, dem alten Mann aus dem Rollstuhl zu helfen. Überraschend behutsam hob er seinen Vater auf den Arm, setzte ihn auf der Rückbank des Wagens ab und breitete eine Decke über seine Beine.

„Das hättest du nicht tun müssen“, blaffte Pavlos und versuchte, sich seine Schmerzen nicht allzu deutlich anmerken zu lassen.

Ruhig betrachtete Nikolaos das verzerrte Gesicht seines Vaters. „Scheinbar doch. Oder hätte ich vielleicht daneben stehen sollen, wenn du einfach auf die Nase fällst?“

„Mir ist es lieber, ich stehe auf meinen eigenen Beinen – ohne fremde Hilfe.“

„Dann hättest du eben besser auf dich aufpassen müssen, als du fort warst“, antwortete Nikolaos ungerührt. „Oder besser gleich zu Hause bleiben sollen, anstatt vor deinem Ableben noch Alaska einen Besuch abzustatten.“

Am liebsten hätte Emily diesem unmöglichen Kerl einen Tritt vor das Schienenbein versetzt, aber sie begnügte sich mit einem vernichtenden Blick. „Unfälle geschehen eben, Mr. Leonidas“, sagte sie scharf.

„Ganz besonders, wenn ein Sechsundachtzigjähriger plötzlich auf Weltreise geht.“

„Es war wohl kaum seine Schuld, dass dieses Schiff auf Grund gelaufen ist. Außerdem war er nicht der einzige Passagier, der verletzt wurde. Unter den gegebenen Umständen und gerade hinsichtlich seines stolzen Alters hat Ihr Vater sich hervorragend gehalten. Und mit ein wenig Ruhe und der richtigen Physiotherapie wird er sich schon bald gut erholen.“

„Und wenn nicht?“

„Dann müssen Sie sich vermutlich zusammenreißen und sich endlich wie ein anständiger Sohn aufführen!“

Verwundert blinzelte er, und Emily fiel auf, wie lang und dicht seine dunklen Wimpern waren. „Krankenschwester und Familientherapeutin in einer Person“, spottete er. „Was haben wir für ein Glück!“

„Nun, Sie haben mir schließlich eine Frage gestellt.“

„Und Sie haben mir eine Antwort gegeben.“ Er gab dem Flughafenangestellten ein Trinkgeld, schlug die Kofferraumklappe zu und öffnete dann galant die Beifahrertür. „Steigen Sie ein! Wir können unsere Unterhaltung später fortsetzen.“

Wie erwartet, war sein Fahrstil sportlich. Dennoch fühlte sie sich sicher. Schon nach einer guten halben Stunde erreichten sie die von Grün umsäumten Straßen von Vouliagmeni, dem exklusiven Vorort von Athen direkt am Saronischen Golf. Pavlos hatte Emily die Ostküste der athenischen Halbinsel begeistert und in schillernden Farben beschrieben.

Nachdem sie eine Weile an der Küstenstraße entlanggefahren waren, lenkte Nikolaos den Wagen durch ein schmiedeeisernes Tor, das sich mithilfe einer Fernbedienung lautlos öffnete.

Zwar hatte Emily am Rande mitbekommen, dass Pavlos ein wohlhabender Mann war, aber auf diesen Luxus, der sich vor ihren Augen präsentierte, war sie nicht vorbereitet. Langsam fuhren sie mit dem riesigen Mercedes die Auffahrt entlang. Sie passierten einen kleinen Pinienwald, und bald wurde der Blick frei auf ein wahres Traumhaus.

Inmitten gepflegter Ländereien, erhob sich ein gigantisches, blendend weißes Gebäude mit Türmchen, Erkern und Balkonen. Vom blau gedeckten Dach bis hin zu den großzügigen Außenterrassen verfügte es über einen außerordentlich eleganten Baukörper. Es war strahlend schön und bildete einen herrlichen Kontrast zu dem ergrauten Septemberhimmel, der von einem bevorstehenden Sturm kündete.

Wilder Wein rankte schattenspendend um die hohen Fenster, und vor dem Eingangsportal zierte ein steinerner Springbrunnen den Platz. Mehrere Pfauen stolzierten über den Rasen, kreischten oder putzten sich das Gefieder.

Emily blieb keine Zeit zum Staunen, da auf dem Vorplatz bereits der treue Butler Georgios mit einem Rollstuhl auf den Hausherrn wartete. Pavlos hatte oft von ihm gesprochen und ihn in den höchsten Tönen gelobt. Hinter Georgios stand ein jüngerer Mann, fast noch ein Junge, der sich gleich daranmachte, das Gepäck auszuladen.

Nikolaos und der Butler trugen Pavlos vom Auto zum Rollstuhl. Der alte Mann war erschreckend fahl im Gesicht und hatte die Lippen fest aufeinandergepresst.

Selbst Nikolaos schien besorgt zu sein. „Können Sie etwas für ihn tun?“, murmelte er, ohne Emily dabei direkt anzusehen, während Georgios den Rollstuhl über eine seitliche Terrasse ins Haus schob.

„Ich werde ihm ein Schmerzmittel verabreichen, und anschließend muss er sich dringend ausruhen“, gab sie zurück. „Die Reise war äußerst anstrengend für ihn.“

„Auf mich macht er nicht den Eindruck, als wenn er überhaupt reisen dürfte!“

„Stimmt. Angesichts seines Alters und seiner fortschreitenden Osteoporose wäre es für ihn besser gewesen, noch eine Woche länger im Krankenhaus zu bleiben. Doch er bestand darauf, nach Hause zu kommen, und wenn Ihr Vater sich etwas in den Kopf gesetzt hat, ist er nicht mehr von seinem Vorhaben abzubringen.“

„Erzählen Sie mir etwas Neues“, brummte er voller Ironie und streifte sein Jackett ab. „Soll ich nach dem Arzt schicken lassen?“

„Morgen früh, ja. Er wird mehr Medikamente benötigen, als ich mitbringen konnte, aber für heute kommen wir gut zurecht.“ Es fiel Emily schwer, professionell zu bleiben, da Nikolaos so dicht vor ihr stand, dass sie fast seine Körperwärme spürte. Schnell drängte sie sich an ihm vorbei und ging zum Haus. Nikolaos folgte ihr. In der Eingangshalle nahm sie sich ihre Reisetasche vom Gepäckstapel, der sich auf dem Marmorboden türmte. „Wenn Sie mir jetzt sein Zimmer zeigen würden, kann ich mich gleich um ihn kümmern.“

Nikolaos führte sie zu einem großen Apartment im Erdgeschoss. Hohe Flügeltüren in Wohn- und Schlafzimmer führten auf eine Terrasse in Richtung Meerseite. Pavlos saß noch immer im Rollstuhl, den Georgios am Wohnzimmerfenster abgestellt hatte. Er starrte wie gebannt in den Himmel, an dem sich dunkle Wolken türmten.

„Vor einigen Jahren, als ihm die Treppen zu viel wurden, hat er hier seine Privaträume einrichten lassen“, erklärte Nikolaos leise.

Emily warf einen kurzen Blick ins Nebenzimmer. „Was ist mit diesem Krankenhausbett?“

„Ich habe es gestern herbringen lassen. Vermutlich wird er mir deswegen den Kopf abreißen und sein gewohntes Bett zurückverlangen, aber ich hielt es unter den gegebenen Umständen für eine gute Idee – wenigstens fürs Erste.“

„Sie haben das Richtige getan. Es wird bequemer für ihn sein, selbst wenn er nur seine Nächte darin verbringen sollte. Je mobiler er bleibt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er bald wieder auf den Rollstuhl verzichten kann. Obwohl …“

Ihr Zögern verunsicherte Nikolaos. „Obwohl was? Sie sagten doch, sie erwarten einen guten Heilungsprozess? Haben Sie Ihre Meinung geändert?“

„Nein, nur …“ Wieder brach sie ab, denn schließlich unterlag sie der Schweigepflicht. Andererseits war Nikolaos der Sohn und hatte daher ein Recht auf gewisse Informationen. Sie durfte ihn nicht im Unklaren über den Gesundheitszustand ihres Vaters lassen. Pavlos’ Wohlergehen konnte davon abhängen. „Wie gut wissen Sie über den Gesundheitszustand Ihres Vaters Bescheid?“

„Ich weiß nur das, was er mir erzählt. Und das ist nicht allzu viel.“

So etwas hatte Emily schon erwartet. Es gibt kei nen Grund, meinen Sohn zu kontaktieren, hatte Pavlos gemeint. Ich kümmere mich um meine Angelegenheiten, und er sich um seine.

Mit durchdringendem Blick sah Nikolaos sie an. „Was wollen Sie mir mitteilen, Emily? Wird er sterben?“

„Tun wir das nicht alle, früher oder später?“

„Spielen Sie keine Spielchen mit mir! Ich habe Ihnen eine direkte Frage gestellt und erwarte eine klare Antwort darauf.“

„In Ordnung. Sein Alter wird ihm zum Verhängnis. Obwohl er es niemals zugeben würde, ist er ziemlich gebrechlich. Er könnte jederzeit einen Rückfall erleiden.“

„Das sehe ich selbst, also was verbergen Sie noch vor mir?“

Pavlos ersparte ihr eine Antwort darauf. „Was habt ihr beide da zu tuscheln?“, rief er gereizt.

Mit einem entschuldigenden Blick auf Nikolaos antwortete Emily: „Ihr Sohn erklärte mir gerade, dass Ihnen das Krankenhausbett möglicherweise missfallen könnte, das er gestern für Sie herbringen ließ. Er glaubt, Sie halten es für eine unnötige Einmischung in Ihre Angelegenheiten.“

„Recht hat er damit“, wetterte Pavlos. „Meine Hüfte ist verletzt, nicht mein Gehirn. Noch entscheide ich selbst, was ich brauche und was nicht.“

„Dafür bin ich jetzt da.“

„Sagen Sie mir nicht, was ich zu tun habe, Mädchen. Das lasse ich mir nicht gefallen.“

„Natürlich tun Sie das“, entgegnete Emily ungerührt. „Schließlich haben Sie mich dafür eingestellt.“

„Genauso leicht kann ich Sie auch wieder entlassen und in das nächste Flugzeug nach Vancouver setzen.“

Sie ignorierte diese leere Drohung und unterdrückte ein Lächeln. Erschöpfung und Schmerzen hatten an Pavlos gezehrt, aber morgen früh würde er ganz sicher wieder besserer Stimmung sein. „Natürlich, Mr. Leonidas“, gab sie gleichmütig zurück und schob den Rollstuhl dann in Richtung Schlafzimmer. „Und bis dahin lassen Sie mich meine Arbeit machen!“

Nikolaos hatte die Gelegenheit genutzt, um lautlos zu verschwinden. Unerklärlicherweise war Emily enttäuscht darüber, und dieses Gefühl ärgerte sie zutiefst. Wenigstens war der treue Georgios geblieben und half, wo er konnte. Pavlos bekam noch ein leichtes Abendessen serviert und lag schon bald vorbereitet für die Nacht im Bett. Draußen war es in der Zwischenzeit stockfinster geworden.

Damaris, die Haushälterin, brachte Emily in das für sie vorgesehene Quartier im ersten Stock: eine traumhaft eingerichtete Suite, ganz in den Farben Blau und Elfenbein gehalten. Emily fühlte sich gleich heimisch, obwohl sie sich eine derart luxuriöse Ausstattung zu Hause natürlich nicht leisten konnte. Marmorböden, teure Teppiche und kostbare Antiquitäten verliehen den Räumen eine stilvolle Atmosphäre.

Zwischen zwei Türen, die auf einen Balkon führten, stand ein eleganter Schreibtisch, und vor dem offenen Kamin befand sich eine gemütliche, hell bezogene Sitzecke. Exklusive Lampen mit Milchglasschirmen spendeten warmes Licht, und frische Lilien in einer hohen Vase verbreiteten einen angenehmen Duft.

Am schönsten jedoch war das einladende riesige Himmelbett im Schlafzimmer, bezogen mit feinstem Leinen. Die lange, anstrengende Reise und die Sorge um ihren Patienten hatten Emily sehr viel Energie gekostet. Sie wünschte sich nichts mehr, als ihren Kopf auf die weichen Kissen zu betten, sich unter die große Decke zu kuscheln und endlich die Augen zu schließen.

Ein schneller Blick in den Schrank verriet ihr, dass man ihre Kleider bereits ausgepackt hatte. Im Badezimmer standen ihre Kosmetikartikel aufgereiht, daneben hing ein kuscheliger Bademantel, und auf dem Bett war ein Nachthemd ausgebreitet. Alles sah so verlockend aus, doch Emilys Wunsch nach einer baldigen Nachtruhe rückte durch Damaris’Worte in weite Ferne: „Ich habe ein Bad für Sie eingelassen, Despinis Tyler. Das Abendessen wird um neun Uhr im Gartensalon serviert.“

Ganz offensichtlich war das tägliche Tagesprogramm in der Leonidas-Residenz genauso elitär wie die Villa selbst. Am liebsten hätte Emily sich einfach ein Sandwich auf ihr Zimmer bestellt, aber das stand einfach nicht auf der Karte …

Kurz nach neun folgte Emily im Erdgeschoss dem Klang leiser Musik. Nur wenig später stand sie in einem zauberhaft ausgestatteten Raum, in dem eine Tafel für zwei gedeckt war. Kerzenlicht flackerte und brach sich in den Kristallgläsern, die neben einem mit Champagner bestückten Eiskübel standen.

Der eigentliche Glanzpunkt aber war Nikolaos’ Erscheinung. In legerer Kleidung, die vermutlich trotzdem teurer war als die Monatsmiete für Emilys Stadthaus, lehnte er lässig an einer antiken Anrichte.

Emily dagegen war ganz und gar nicht in ihrem Element. Sie hoffte inständig, ihre Unsicherheit würde ihm nicht auffallen. Immerhin war sie erleichtert, dass ihre unerwartete Abendbegleitung nicht im Maßanzug erschienen war.

„Ich wusste nicht, dass Sie mir beim Abendessen Gesellschaft leisten“, sagte sie unumwunden, trotz der inneren Unruhe, die Nikolaos’ Anblick in ihr auslöste.

Schweigend öffnete er den Champagner, schenkte ein und reichte ihr ein Glas. „Ich glaube nicht, dass ich eine Einladung brauche, um am Tisch meines Vaters zu sitzen.“

„Das wollte ich damit nicht sagen. Natürlich haben Sie jedes Recht …“

„Wie nett von Ihnen“, fiel er ihr ins Wort, und Emily seufzte hörbar.

„Ich wollte nicht unhöflich sein, Mr. Leonidas.“ Nach dem langen Tag hatte sie wirklich keine Lust mehr, sich um Nichtigkeiten zu streiten. „Ich bin nur überrascht, das ist alles. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass Sie in Athen leben.“

„Das tue ich auch. Übrigens, wir Griechen haben es nicht so mit Formalitäten, deshalb lass uns doch zum Du übergehen! Ich bin Niko, so nennt mich hier jeder.“

Emily wäre gerne per „Sie“ geblieben, trotzdem nickte sie zustimmend. Ohne die förmliche Anrede fehlte ihr der gewünschte Abstand. Wie sollte sie sich jetzt noch normal verhalten?

„Sprachlos, Emily?“, erkundigte er sich, und in seinen grünen Augen blitzte es spöttisch auf. „Oder hat es dich so verunsichert, dass wir zusammen essen werden?“

„Ich bin nicht verunsichert“, antwortete sie automatisch. „Ich habe mich lediglich gefragt, warum du nicht nach Hause gefahren bist. Ganz offensichtlich legen Pavlos und du keinen gesteigerten Wert darauf, Zeit miteinander zu verbringen.“

„Nichtsdestotrotz bin ich sein Sohn, und wenn ich eine Nacht unter seinem Dach verbringe, ist das meiner Ansicht nach kein Hausfriedensbruch. Außerdem will ich mich in dieser Situation zur Verfügung halten, das empfinde ich als meine Pflicht. Hast du ein Problem damit?“

Selbst wenn, hätte sie es niemals zugegeben. „Ganz und gar nicht, solange du mich nicht bei meiner Arbeit störst. Es gibt schließlich einen Grund für meine Anwesenheit hier.“

„Und der wäre genau?“

„Was soll die Frage? Du weißt sehr gut, warum ich hier bin.“

„Mein Vater scheint momentan praktisch abhängig von dir zu sein. Mir ist auch klar, dass er ein gebrechlicher alter Mann ist, der obendrein außerordentlich reich ist.“

Erschrocken schnappte sie nach Luft. „Willst du damit andeuten, ich wäre hinter seinem Geld her?“

„Ist dem so?“

„Selbstverständlich nicht“, zischte sie. „Aber scheinbar ist das der Grund, warum du dich hier zur Verfügung hältst.Es geht nicht um deinen Vater, sondern darum, mich im Auge zu behalten, damit ich mich nicht über seine Konten hermache.“

„Im Augenblick ist mein Vater nicht in der Lage, um auf sich selbst aufzupassen. Und wenn dir meine Art der Fürsorge nicht passt, tut es mir leid!“, sagte er schneidend. „Vielleicht betrachtest du es mal von meiner Warte aus? Mein Vater kommt mit einer bildhübschen Frau her und vertraut ihr praktisch sein Leben an. Sie kommt um die halbe Welt gereist und unterschreibt einen Pflegevertrag, obwohl es hier in Griechenland auch nicht an fähigen Krankenschwestern mangelt. Also, mal ehrlich! Wärst du an meiner Stelle nicht auch misstrauisch?“

„Nein“, erwiderte sie hitzig. „Bevor ich voreilige Schlüsse ziehe, würde ich mir die Referenzen dieser Person ansehen. Falls dann noch Zweifel bestehen, würde ich die ehemaligen Arbeitgeber anrufen und mir bestätigen lassen, dass die jeweilige Person auch wirklich die ist, die sie vorgibt zu sein.“

„Kein Grund, gleich aufbrausend zu werden. Ich schlage einen Waffenstillstand vor, den wir mit diesem Champagner aus dem erlesenen Weinkeller meines Vaters besiegeln sollten.“

Emily stellte ihr Glas so abrupt ab, dass der Champagner über den Rand schwappte. „Wenn du glaubst, ich würde jetzt noch mit dir anstoßen oder mich überhaupt mit dir an einen Tisch setzen, hast du dich geschnitten! Lieber verhungere ich!“

Sie machte auf dem Absatz kehrt, um den Raum zu verlassen. Doch Niko kam ihr zuvor und warf die Tür mit einer energischen Handbewegung ins Schloss. „Es tut mir leid, wenn ich dir in meinem Bestreben, für meinen Vater zu sorgen, zu nahe getreten bin“, sagte er schnell. „Glaub mir, das gefällt mir ebenso wenig wie dir.“

„Ach, wirklich?“ Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu. „Ich bin es nicht gewohnt, wie eine Kriminelle behandelt zu werden.“

Gleichgültig zuckte er die Achseln. „Wenn ich dich beleidigt habe, entschuldige ich mich dafür. Aber Vorsicht ist besser als Nachsicht.“

„Was genau soll das bedeuten?“

„Dass mein Vater schon zuvor das Opfer von Leuten geworden ist, die ihn übervorteilen wollten.“

„Vermutlich wäre das nicht passiert, wenn seine Beziehung zu dir stimmen würde“, gab sie zu bedenken.

„Möglicherweise, andererseits hatten wir nie eine typische Vater-Sohn-Beziehung.“

„So viel habe ich schon mitbekommen, aber vielleicht solltet ihr jetzt aufhören, euch gegenseitig das Leben schwer zu machen. Er braucht die Gewissheit, sich auf dich verlassen zu können.“

„Wenn er es nicht könnte, wäre ich doch gar nicht hier.“

„Würde es dich umbringen, ihm das ins Gesicht zu sagen?“

Sein Lachen klang hölzern. „Nein, aber vermutlich würde ihn der Schock umbringen, mich das sagen zu hören.“

Unwillkürlich fragte Emily sich, warum die beiden sich so distanziert verhielten. „Hat einer von euch eine leise Ahnung davon, wie tragisch es ist, wenn man den Zeitpunkt verpasst, um sich zu sagen, wie sehr man sich liebt? Ich weiß, wovon ich rede!“

Niko schlenderte zum Fenster und starrte in die Dunkelheit. „Wir sind nicht wie andere Menschen.“

Autor

Catherine Spencer

Zum Schreiben kam Catherine Spencer durch einen glücklichen Zufall. Der Wunsch nach Veränderungen weckte in ihr das Verlangen, einen Roman zu verfassen. Als sie zufällig erfuhr, dass Mills & Boon Autorinnen sucht, kam sie zu dem Schluss, diese Möglichkeit sei zu verlockend, um sie verstreichen zu lassen. Sie wagte...

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