Herzensbrecher - Rendezvous mit Happy End 1

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Romane aus dem CORA Verlag sind romantisch, sexy, aufregend und extravagant. Die kleine Auszeit vom Alltag für die selbstbewusste Frau … Happy End garantiert!

JULIA HERZENSBRECHER BAND 1

DIE STUNDE DES VERFÜHRERS von GREEN, ABBY
Champagner in der VIP-Lounge! Gefährlich nah kommt die junge Journalistin Alana dabei dem französischen Millionär Pascal Lévêque. Noch kann sie dem sexy Playboy widerstehen … bis sie für eine Reportage nach Paris muss. Heißen Küssen folgt eine heiße Nacht. Doch hat ihre Liebe eine Zukunft?

VERRÄTERISCHES HERZ von GEORGE, CATHERINE
Mit gebrochenem Herzen flieht Alicia Hals über Kopf aus der Flitterwochen-Suite! So schnell wie möglich muss sie Francesco vergessen! Was auch gelingt - bis ihr der attraktive Adlige unerwartet über den Weg läuft und fordert, dass sie zurück in sein toskanisches Castello kommt. Er will eine zweite Chance für ihre Ehe!

PALAST DER SINNLICHEN TRÄUME von HEWITT, KATE
Nie hat Lucy ihn vergessen: Scheich Khaled, der nach leidenschaftlichen Nächten einfach verschwand. Doch jetzt führt das Schicksal sie in sein fernes Wüstenreich. Mutig bittet sie Khaled um ein Wiedersehen. Und spürt sofort: Noch immer schwelt ein Feuer zwischen ihnen. Doch was wird geschehen, wenn der Prinz die Wahrheit über ihren kleinen Sohn erfährt?

ROMANA HERZENSBRECHER BAND 1

IM BANN DES STOLZEN GRIECHEN von WINTERS, REBECCA
Unwillkürlich hält Gabi den Atem an, als sie Andreas Simonides gegenübersteht. Eine Aura von Macht und Reichtum umgibt den attraktiven Geschäftsmann. Außerdem ist seine Ähnlichkeit mit den Zwillingen ihrer verstorbenen Schwester verblüffend. Gabi ist sicher, den Vater ihrer Neffen gefunden zu haben. Und verliert ihr Herz an den Mann, der unerreichbar für sie ist …

GLUT IN DUNKLEN AUGEN von REID, MICHELLE
Wie demütigend! Natasha erwischt ihren Verlobten Rico mit einer anderen! Und ausgerechnet dessen Halbbruder rettet sie in dieser Situation. Doch Leo Christakis ist ein Mann mit einer gefährlich erotischen Ausstrahlung, der Natasha mehr anbietet als eine Schulter zum Ausweinen. Hilflos vor Verlangen erkennt sie, dass er einen Plan verfolgt: mit ihr als seiner Geliebten!

WENN AUF KRETA DIE LIEBE ERWACHT von MOREY, TRISH
Nick Santos ist ihr neuer Boss! Alexandra fasst es kaum, als ihre große Liebe plötzlich vor ihr steht. Vor Jahren hat sie den faszinierenden Unternehmer im Urlaub auf Kreta kennengelernt und konnte ihn nie vergessen. Jetzt ist er in ihre Stadt gezogen, um eine andere zu heiraten. Aber warum küsst er Alexandra dann so leidenschaftlich?

BACCARA HERZENSBRECHER BAND 1

DIE NACHT MIT DEM WÜSTENPRINZEN von RADLEY, TESSA
Auf keinen Fall will Tiffany die glutvollen Blicke des attraktiven Gastes erwidern. Schließlich kellnert sie nur in dieser Bar, weil ihre Handtasche mitsamt Flugticket gestohlen wurde. Doch Scheich Rafiq erweist sich als Retter in der Not. Er schenkt ihr nicht nur den Heimflug, sondern auch eine wundervolle Liebesnacht. Die in jeder Hinsicht unvergesslich ist …

AUS PURER LIEBE? von GOLD, KRISTI
Prinzessin Raina und Scheich Dharr ibn Halim sind einander schon lange versprochen, verschwenden aber keinen Gedanken mehr an diese Pflichtehe. Als sie sich nach Jahren wiedersehen, ist da eine unbekannte erotische Spannung zwischen ihnen. Ungehemmt geben sie sich ihrem Vergnügen hin, das auch die Pflicht wieder in Erinnerung bringt …

GEHEIMNISVOLL WIE DER ORIENT von LAWRENCE, KIM
Die Wüste übt eine magische Faszination auf Molly aus - genau wie Tair Al Sharif. Wenn er sie anschaut, verspürt Molly wohlige Schauer. Dabei scheint er sie nicht einmal zu mögen. Was sie nicht weiß: Tair glaubt, dass sie eine Affäre mit seinem verheirateten Cousin hat. Und um die zu beenden, will er Molly selbst verführen …


  • Erscheinungstag 18.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733735340
  • Seitenanzahl 1344
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Kate Hewitt, Abby Green, Catherine George, Michelle Reid, Rebecca Winters, Trish Morey, Tessa Radley, Kristi Gold, Kim Lawrence

Herzensbrecher - Rendezvous mit Happy End 1

Abby Green, Catherine George, Kate Hewitt

JULIA HERZENSBRECHER BAND 1

IMPRESSUM

JULIA HERZENSBRECHER erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

Neuauflage in der Reihe JULIA HERZENSBRECHER
Band 1 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2009 by Abby Green
Originaltitel: „The French Tycoon’s Pregnant Mistress“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Kara Wiendieck
Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe JULIA, Band 1902

© 2009 by Harlequin Books, S.A.
Originaltitel: „The Italian Count’s Defiant Bride“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Kara Wiendieck
Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe JULIA, Band 1922

© 2009 by Harlequin Books, S.A.
Originaltitel: „The Sheikh’s Love-Child“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Kara Wiendieck
Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe JULIA, Band 1930

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733709839

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

„Nach diesem nervenaufreibenden Spiel lässt sich mit Sicherheit nur sagen, dass der Ausgang des Turniers noch völlig offen ist. Das war Alana Cusack mit einem Livebericht aus Croke Park. Ich gebe zurück ins Studio.“

Alana lächelte weiter in die Kamera, bis die Stimmen in ihrem Ohrhörer leiser wurden. Als sie sicher war, nicht mehr auf Sendung zu sein, reichte sie das Mikrofon an ihren Assistenten weiter. Sie vermied es, zu dem Fremden hinüberzusehen, der lässig gegen die Wand lehnte, die Hände tief in den Taschen seiner dunklen Hosen verborgen, der Kragen des schwarzen Mantels hochgestellt.

Er beobachtete sie. Er hatte sie bereits das gesamte Rugbyspiel Frankreich gegen Irland beim Six Nations Turnier hindurch beobachtetet. Er hatte sie nervös gemacht und abgelenkt. Und sie hatte keine Ahnung, warum.

Lügnerin! Sie wusste genau, warum. Als ihre Blicke sich das erste Mal zufällig begegnet waren, hatte es sich angefühlt, als habe sie jemand in den Magen geboxt. Ein seltsames Gefühl des Wiedererkennens hatte sich in ihr ausgebreitet. Etwas Vergleichbares hatte sie noch bei keinem Mann empfunden.

Nicht einmal bei ihrem Ehemann.

Das Gefühl war so stark, dass sie unwillkürlich erneut lächeln musste und fragend eine Augenbraue hochzog. Seine Augen jedoch funkelten auf eine mehr als eindeutige Weise auf.

Natürlich kannte sie den Fremden nicht. An einen so attraktiven Mann hätte sie sich erinnert. Das markante Gesicht hatte sie noch nie gesehen, auch den sinnlichen Mund mit den vollen Lippen nicht.

Bestimmt war er Franzose. Er hatte auf einem der Plätze gesessen, die für VIPs reserviert waren. Unmittelbar unterhalb der Presseloge. Wieder und wieder war ihr Blick wie magisch von ihm angezogen worden. Zu ihrem größten Entsetzen hatte er sich auch während des Spiels ständig zu ihr umgewandt und ihr direkt in die Augen geschaut.

„Soll ich dich mitnehmen, Alana?“, riss Derek, der Kameramann, sie aus ihren Gedanken.

„Nein“, erwiderte sie rasch. Der Fremde war aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Panik stieg in ihr auf. Vielleicht stand er direkt hinter ihr … „Ich muss heute Abend noch zu einem Familiendinner, deshalb bin ich mit meinem eigenen Wagen hier.“

„Dann gibt es für dich auch keine rauschende Party, auf der die Franzosen bis in die Morgenstunden ihren Sieg feiern?“

Alana verzog das Gesicht, froh und erleichtert, eine Entschuldigung zu haben. „Mir bleibt nur Zeit, kurz vorbeizuschauen und mein Gesicht zu zeigen, damit Rory glücklich ist.“

Schulterzuckend wandte Derek sich ab, dann blieb er noch einmal stehen und drehte sich um. „Gute Arbeit, Alana.“

Das Kompliment freute sie sehr. Derek war ein echter Veteran des Fernsehens. Sie hatte so hart gearbeitet, um sich ein Minimum an Respekt zu verdienen. Sie lächelte. „Danke!“

Er zwinkerte ihr zu und ging. Alana schaute sich noch ein letztes Mal um, ob sie auch nichts hatte liegen lassen, dann machte sie sich auf den Weg aus dem Stadion. Nach wenigen Schritten hielt sie inne und stieß einen leisen Fluch aus. Sie hatte ihren Laptop in der Presseloge vergessen.

Sie machte kehrt. Gleich darauf richteten sich die Härchen in ihrem Nacken auf. Mit heftig pochendem Herzen wirbelte sie herum … und wurde enttäuscht: Der Mann war nicht da. Anscheinend war ihm das Warten zu langweilig geworden, und er war gegangen. Sie befahl sich, endlich mit ihrem kindischen Verhalten aufzuhören. Wie hatte sie nur auf die lächerliche Idee verfallen können, zwischen ihnen bestehe eine geheime Verbindung?

Er glaubte schon, sie sei ihm entwischt, als er für einen Moment auf das Spielfeld hinuntergeschaut hatte. Das Gefühl von Panik, das sich in ihm ausbreitete, behagte ihm überhaupt nicht.

Aber sie war noch da.

Pascal Lévêque lehnte sich mit vor der Brust verschränkten Armen gegen die Wand und genoss die bezaubernde Aussicht. Ein in die Höhe gereckter, äußerst wohlgeformter Po, umschmeichelt von einem engen kurzen Rock. Die Besitzerin hatte sich nach vorne gebeugt und zerrte eine Tasche unter einem Stuhl hervor. Sein Blick glitt an sehr langen Beinen entlang nach unten, dann wieder nach oben. Schmale Knöchel, ungemein hübsche Schenkel, die in perfekt gerundete Hüften übergingen. Er fragte sich, ob sie Strümpfe trug. Der Gedanke entfachte ein Feuer tief in seinem Innern.

Was, so überlegte er weiter, hatte sie nur an sich, dass ihn wie magisch anzog? Warum war er hier geblieben, wenn er doch längst hätte woanders sein sollen?

Niedlich.

Das war es, sie war niedlich. Angefangen bei der hochgeschlossenen gestreiften Bluse mit Krawatte, bis zu den vernünftigen flachen Schuhen. Die Haare hatte sie zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengebunden. Es fiel ihm leicht, sich vorzustellen, wie sie mit einem offenen schulterlangen Bob aussehen würde.

Doch seit wann machte er sich etwas aus niedlich? Stand er nicht auf verführerische sinnliche Frauen? Frauen, die ihre wunderschönen kurvigen Körper in enge Designerkleider hüllten, die seine Fantasie anfachten und seine Sinne in Aufruhr versetzten? Frauen, die sich nicht davor fürchteten, ihre Waffen einzusetzen, um ihm zu gefallen?

Die Frau vor ihm hingegen schlüpfte gerade in einen unförmigen schwarzen Mantel. Der Anblick löste widersprüchliche Gefühle in ihm aus: Ärger, Leidenschaft und Verwirrung. Welcher Teufel ritt ihn da, dass er eine kleine Fernsehansagerin so ungeniert anstarrte?

Gleich würde sie sich umdrehen, und er würde ihr Gesicht sehen können. Dann würde er feststellen, dass sie nicht halb so verführerisch aussah, wie er es sich einbildete: mit rosigen Wangen, vollen Lippen und braunen Rehaugen unter dunklen Brauen, die einen überaus reizvollen Kontrast zu ihren blonden Haaren bildeten.

Nein, sie würde sich umdrehen, und er würde sehen, dass sie eine dicke Make-up Schicht aufgetragen hatte. In ihren Augen würde Wiedererkennen aufflackern – hatte sie ihm nicht schon vorhin einen dieser schüchtern-koketten Blicke geschenkt?

Gerade als er sich eine Entschuldigung zurechtlegte, mit der er sein merkwürdiges Verhalten vor sich selbst rechtfertigen konnte, wandte sie sich tatsächlich um. Pascal öffnete den Mund. Doch plötzlich war sein Kopf völlig leer.

Für Alana gab es keine Vorwarnung, womit oder mit wem sie konfrontiert werden würde. Der attraktive Fremde stand vor ihr. Nur ein paar Meter entfernt. Schaute sie an.

Sie befanden sich ganz allein in einem Stadion für achtzigtausend Zuschauer. Doch ihr war es, als schrumpfe der riesige Raum auf vier Quadratmeter zusammen. Das Blut in ihren Adern schien schneller zu pulsieren, ihr Herzschlag beschleunigte sich.

Er hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt, die Hände tief in die Hosentaschen geschoben. Sein Mantel betonte die breiten Schultern, die bronzefarbene Haut. Doch es waren seine Augen, die ihren Blick gefangen hielten. Groß, dunkel, intelligent. In ihnen schimmerte eine so heiße und erotische Sinnlichkeit, dass es ihr den Atem raubte.

„Entschuldigen Sie, kann ich Ihnen irgendwie helfen? Suchen Sie vielleicht jemanden?“ Seit wann klang ihre Stimme so dunkel und samtig wie die einer Jazzsängerin?

„Sie starren mich an.“

Innerlich zuckte Pascal unter seinem anklagenden Tonfall zusammen, aber er musste sich noch immer von dem Schock erholen, den ihr Anblick in ihm ausgelöst hatte. Seine Hoffnung, sie erweise sich als hässlich, war in tausend Scherben zersplittert. Ihr Teint wirkte sehr hell, die Wangen hingegen gerötet. Lag das an dem kalten Wind … oder an etwas anderem? Ihre Augen schimmerten in einem einzigartigen Grün. Ihre Lippen waren tatsächlich voll und sinnlich, jedoch nicht geschminkt, wie er es sich vorgestellt hatte. Noch nie war er einer Frau begegnet, deren natürliche Schönheit ihn so in ihren Bann zog.

„Wie bitte?“ Alana wirkte irritiert. Bestimmt war ihre Vermutung richtig. Er war bloß ein Tourist auf der Suche nach ein bisschen Spaß. Er hatte ihrem Lächeln eine gänzlich falsche Bedeutung zugemessen. Pech, für diese Art Spaß war sie nun mal nicht zu haben.

„Wenn ich mich recht erinnere, haben auch Sie mich angestarrt.“ Trotzig hob sie den Kopf. „Ich dachte, ich würde Sie kennen. Doch das war ein Irrtum. Verzeihen Sie also, falls ich Sie zu falschen Annahmen verleitet habe. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe zu arbeiten.“

Der Mann lächelte herausfordernd. „Das habe ich gesehen. Ich habe Sie während des Interviews mit dem Manager des irischen Teams beobachtet. Und Sie haben mich angestarrt.“

„Nicht mehr, als Sie mich.“ Verzweifelt versuchte sie, ihre wirbelnden Gedanken unter Kontrolle zu bringen.

Unvermittelt funkelten seine Augen auf, und Alana erkannte, dass sie in der Falle saß. Der Platz zwischen den Stuhlreihen war viel zu schmal, als dass sie ungehindert an ihm hätte vorbeikommen können. Auf einmal fühlte sie sich bedroht. Sie presste das Laptop enger gegen die Brust und hoffte, er verstand die Botschaft. „Dieses Gespräch führt zu nichts“, fuhr sie ihn so unwirsch an, wie ihre Furcht es zuließ. „Ich muss zurück zu meiner Arbeit, und wahrscheinlich gibt es auch für Sie einen aufregenderen Ort als ein verwaistes Stadion.“

Nach einer langen Pause, trat er einen Schritt beiseite und bedeutete ihr mit einer huldvollen Geste, sie solle an ihm vorbeigehen. Mit zusammengebissenen Zähnen folgte sie seiner Aufforderung. Während sie sich an ihm vorbeipresste, war sie sich seiner Größe, mindestens einsfünfundneunzig, des breiten muskulösen Oberkörpers und des berauschenden Dufts, der von ihm ausging, überaus bewusst.

Ein Duft wie nach Sex.

Oh, verflixt, was war denn nur los mit ihr? Seit wann glaubte sie, Sex riechen zu können? Und seit wann glaubte sie zu wissen, wie Sex roch? Eine seltsame Schwäche überkam Alana, doch glücklicherweise war sie bereits an ihm vorbei. Hastig legte sie die letzten Schritte in Richtung Aufzug zurück, der sie nach unten und hoffentlich zurück in die Realität bringen würde.

Ihre stillen Gebete fanden kein Gehör. Plötzlich spürte sie erneut seine Gegenwart. Er sagte kein Wort, als die Lifttüren sich öffneten und sie die Kabine betraten. Alana drückte auf den Knopf und sandte ein Stoßgebet gen Himmel, die Fahrt möge wenigstens nicht lange dauern.

Das Gefühl, auf engstem Raum mit ihm eingeschlossen zu sein, war so überwältigend, dass sie geradezu aus dem Lift stürzte, kaum dass die Türen sich öffneten. Sie konnte ihren Wagen schon sehen … da hörte sie die Schritte des Fremden hinter sich.

Es fiel ihm nicht schwer, sie einzuholen. „Wissen Sie, es gibt tatsächlich einen aufregenderen Ort, an dem ich sein sollte. Haben Sie vielleicht Lust, mich zu begleiten?“

Der Fremde war atemberaubend attraktiv. Alana konnte es nicht fassen. Sie wusste, dass sie nichts Besonderes war. Sie sah aus wie eine Million andere Frauen auch. Was, um alles in der Welt, wollte der Mann von ihr? Jeder konnte sehen, dass er in einer anderen Liga spielte. In ihrem Kopf begannen Alarmglocken zu schrillen.

Ein eleganter dunkler Lexus hielt neben ihnen. Offenbar sein Wagen – sein von einem Chauffeur gelenkter Wagen.

„Es tut mir leid, Mr. …?“

„Lévêque.“

„Mr. Lévêque.“ Selbst sein Name besaß einen erotischen Klang. Zielstrebig. Wichtig. „Ich muss zurück zu meiner Arbeit“, wiederholte sie. „Genießen Sie Ihr Wochenende. Hier in Dublin gibt es viele nette Frauen.“ Die nicht so blöd sind, vor diesem Traummann davonzulaufen, meldete sich eine spöttische Stimme in ihrem Kopf. Doch als sie sich endlich umwandte und zu ihrem Wagen hastete, redete sie sich ein, wie stolz sie auf sich war. Er hatte nicht sonderlich enttäuscht gewirkt. Ja, er hatte nicht einmal versucht, ihre Meinung zu ändern. Er war bloß ein reicher Tourist, der auf die Insel gekommen war, um sich das Spiel anzusehen. Und mit Rugbyfans kannte sie sich aus. Einst hatte sie dazugehört, aber das war lange her.

„Alana, du kannst jetzt nicht gehen!“

„Ich muss nach Hause, Rory. Mein Bruder feiert seinen vierzigsten Geburtstag.“

Ihr Chef ignorierte ihren Einwand, nahm ihre Hand und zog Alana zurück in die Menschenmenge, die sie gerade mühsam hinter sich gelassen hatte.

„Alana, du musst ihn kennenlernen. Immerhin interviewst du ihn morgen. Er hat höchstpersönlich nach dem Spiel angerufen und hat explizit nach dir gefragt … wahrscheinlich hat er deine Reportage gesehen oder so, aber wen interessiert das? Hast du auch nur eine Ahnung, was das für ein Knaller ist? Er ist ein wichtiger Sponsor des Six Nations Turniers … lebt ziemlich zurückgezogen … Milliardär.“

Immer wieder wurde Alana von den anderen Partygästen angerempelt, während sie Rory zu folgen versuchte. Sie verstand nur die Hälfte von dem, was er ihr sagte. Irgendetwas über ein Interview? Das war nichts Ungewöhnliches. Fast jeden Tag führte sie eins oder mehrere. Warum veranstaltete er bei diesem ein so großes Theater? Flüchtig warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. Die Überraschungsparty fing in einer halben Stunde an. So lange dauerte die Fahrt zum Haus ihrer Eltern.

Plötzlich blieb Rory stehen und wandte sich um. Er musterte sie besorgt. „Schade, dass du dich nicht mehr herausgeputzt hast. Du hättest dir wirklich ein bisschen Mühe geben können, Alana!“, sagte er missbilligend.

Allmählich wurde sie wütend. Wieso erwarteten die Menschen immer, dass sie noch dieselbe wie früher war? „Rory, ich bin für eine Familienfeier angezogen, erinnerst du dich? Nicht für die Party des französischen Teams.“

Die Siegesfeier fand im Ballsaal des luxuriösen Four Season-Hotels in der Innenstadt von Dublin statt. Die meisten Frauen trugen äußerst figurbetonte, zumeist glitzernde Kleider. Ihr Kleid war hingegen sehr schlicht. Und das war auch besser so. Sie besaß zu viele unschöne Erinnerungen an Designerkleider, die zu eng, zu schmal, zu … alles waren.

Rory legte beide Hände auf ihre Schultern, als wäre sie ein kleines Kind. „Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig dieser Mann ist. Abgesehen von seiner Rolle beim Six Nations Turnier, ist er Vorstandsvorsitzender einer der größten Banken der Welt. Ich stelle dich ihm vor, dann kannst du gehen, okay?“

Wieder fasste er sie an der Hand. Bevor Alana noch Einspruch erheben konnte, zog er sie auf einen Mann zu, der ihnen den Rücken zuwandte. Er trug einen dunklen Anzug und war umgeben von offensichtlichen Bewunderern und Frauen in aufreizenden Kleidern. Plötzlich wurden Alanas Knie weich. Noch bevor sie bei der Gruppe angekommen waren, begann ihr Herz schneller zu schlagen. Und es wurde noch schlimmer, als Rory ihr ins Ohr flüsterte: „Sein Name ist Lévêque. Pascal Lévêque.“

„Ich glaube, ich habe Sie bei der Berichterstattung im Stadion gesehen“, sagte er unschuldig, als seien sie einander nie begegnet.

Zum zweiten Mal an diesem Tag schaute Alana in seine braunen Augen. Augen, die ihr nicht mehr aus dem Sinn wollten. Ihr Mund wurde trocken, ihre Hände feucht. Sie verstand nicht, warum dieser Mann eine solche Reaktion bei ihr auslöste. Andere Männer flirteten mit ihr, baten um Verabredungen, und sie lehnte ohne mit der Wimper zu zucken ab.

Schweigen senkte sich über sie, bis Rory sie unauffällig anstupste. Mechanisch reichte Alana ihrem Gegenüber die Hand. „Ja, wahrscheinlich.“

Pascal Lévêque ergriff ihre Hand, doch anstatt sie zu schütteln, neigte er den Kopf. Sein Blick hielt den ihren gefangen. Alles geschah wie in Zeitlupe. Alana wusste genau, was er vorhatte. Trotzdem sandte der angedeutete Handkuss einen Schauer über ihren Körper. Sie versuchte, sich ihm zu entziehen, aber er gab sie nicht frei. Langsam richtete er sich wieder auf. Sie spürte, wie er mit dem Zeigefinger über die sensible Haut an der Innenseite des Handgelenks strich. Erst danach ließ er sie los. Die flüchtige Berührung übte eine unglaubliche Wirkung auf Alana aus.

Er unterbrach den Augenkontakt, was Alana sich seltsam leer fühlen ließ. Rory murmelte etwas davon, dass er Drinks für alle holen wolle, und verschwand in der Menge. Auch der Rest des Pascal eben noch umgebenden Grüppchens schien sich in Luft aufzulösen.

„Wie ich sehe, hatten Sie Zeit, sich umzuziehen“, wandte er sich wieder an Alana. „Sagen Sie, zählt die Party immer noch als Arbeit?“

„Natürlich habe ich mich umgezogen“, fuhr sie ihn wütend an. „Das hier ist eine Party! Und ja, es ist Arbeit.“

Er ließ seinen Blick über sie wandern, über ein dem Anlass angemessenes, wenn auch unspektakuläres Kleid. Schwarz, hochgeschlossen, mit passendem Jackett.

„Sie haben sich auch umgezogen“, sagte sie. Auf einmal fühlte sie sich merkwürdig verunsichert. Denn im Gegensatz zu ihr, die sie in der Menge unterging, gelang es ihm, trotz der vielen anderen, einen schwarzen Anzug tragenden Männer, herauszustechen.

Bevor sie wusste, was sie tat, hob sie die Hand und strich sich eine vorwitzige Haarsträhne, die sich aus ihrem französischen Zopf gelöst hatte, hinter das Ohr zurück. Eine nervöse Angewohnheit. Die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, verfolgte er die Bewegung. Alana errötete. Verdammt! Er sollte doch nicht ahnen, dass er ihr so zusetzte!

„Stimmt es, dass Sie nach mir für ein Interview verlangt haben?“

Nonchalant zuckte er die Schultern. „Ich empfinde es als sehr ermüdend, aber hin und wieder ist es notwendig, den Wünschen der Presse nachzugeben. Also, ja, ich habe um Sie als Partnerin gebeten … in der Hoffnung, dass es, wenn Sie die Fragen stellen, für mich eine erfreulichere Erfahrung als sonst wird.“

Seine Augen funkelten heiß und sinnlich. Aber Alana konzentrierte sich ganz auf sein selbstherrliches Verhalten. Sie lächelte zuckersüß. Dummerweise erwiderte er das Lächeln, worauf sich ein Feuer tief in ihrem Innern entzündete. Sie ignorierte die Reaktionen ihres Körpers. „Mr. Lévêque. Wenn Sie glauben, dass ich, weil ich eine Frau bin, meine Fragen auf Ihre Lieblingsfarbe beschränke, befinden Sie sich auf dem Holzweg.“ Sie würde, nahm sie sich in diesem Moment fest vor, wenn nötig die ganze Nacht aufbleiben und diesen Mann recherchieren.

„Und wenn Sie glauben, dass ich, weil Sie eine Frau sind, Ihnen Ihre Fähigkeiten abspreche, befinden Sie sich im Irrtum. Mein Interesse, mich von Ihnen interviewen zu lassen, ist allein beruflicher Natur. Ich habe mir Ihre Arbeiten angesehen und bin sehr beeindruckt.“

Einen Moment war Alana sprachlos. Sie verspürte das Bedürfnis, sich sofort zu entschuldigen. Fast glaubte sie, sie habe sich das erotische Funkeln in seinen Augen nur eingebildet. Vielleicht hatte es von seiner Seite aus doch nie zweideutige Anspielungen gegeben?

„Nun, ich … Das ist … Ich dachte …“

Er unterbrach ihre gestotterte Entschuldigung. „Wie schon erwähnt, sind meine Interessen rein beruflicher Natur … zumindest was das Interview angeht. Jedoch …“ Er hielt inne und machte einen Schritt auf sie zu. Die Luft zwischen ihnen schien sich elektrisch aufzuladen. Wieder funkelten seine Augen verheißungsvoll auf. Und diesmal war sie sich sicher, dass damit nur eines gemeint sein konnte. „Ich kann nicht versprechen, dass mein Interesse sich anschließend nicht auch auf andere Bereiche ausweitet.“

Wie schon im Stadion, überkam Alana das Gefühl, der Raum um sie herum begänne zu schrumpfen. Adrenalin strömte durch ihre Adern.

„Mr. Lévêque. Es tut mir sehr leid, aber …“

„Sind Sie verheiratet?“, fragte er rasch.

„Ja“, erwiderte sie automatisch. Ein Schatten huschte über sein Gesicht. Sie trat einen Schritt zurück. Was richtete der Mann nur in ihrem Kopf an? „Nein. Ich meine, ich war verheiratet.“ Sie biss sich auf die Unterlippe und schaute sich verstohlen im Saal um. Wo blieb nur Rory mit den Drinks? Zögernd blickte sie zurück zu Pascal. Ein feines Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

Sie atmete tief ein. „Mein Ehemann ist vor achtzehn Monaten gestorben.“

Pascal öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch in diesem Moment wurden ihre Gebete endlich erhört. Rory kehrte mit drei Gläsern in den Händen zurück. Er reichte Alana einen Sektkelch mit Champagner, Pascals Getränk sah eher wie Whiskey aus. Plötzlich überfiel sie heiße Panik. Sie stellte ihr Glas so heftig auf einem Tischchen neben sich ab, dass die perlende Flüssigkeit über den Rand schwappte. Dann zog sie ihr Handy aus der Handtasche.

Zehn Anrufe in Abwesenheit. Innerlich aufstöhnend, wandte sie sich an Rory. „Ich muss gehen.“ Ein rascher Blick zu Pascal. „Es tut mir leid, ich werde bereits bei einer anderen Veranstaltung erwartet.“

Ohne auf Rorys wenig subtile Mimik zu achten, wich sie weiter vor den beiden Männern zurück. Sie stieß mit jemandem zusammen und murmelte, ohne wirklich hinzusehen, eine Entschuldigung. Eine weitere Strähne löste sich aus ihrem Zopf. Hastig strich sie sie hinters Ohr.

„Es war schön, Sie kennenzulernen, Mr. Lévêque. Ich freue mich auf das Interview.“ Lügnerin!

Er sah ihr nach, das feine rätselhafte Lächeln umspielte noch immer seine Mundwinkel. Schon jetzt konnte sie die vielen Frauen ausmachen, die sich hinter ihm aufgebaut hatten und nur auf ihren Moment warteten, wieder in seine Nähe zu preschen.

„Ich auch“, sagte er mit samtiger Stimme und hob sein Glas. „Á demain, Alana.“ Bis morgen.

Es fiel Pascal nicht leicht, unbekümmert Konversation zu machen, während die stärkste Lust, die er jemals empfunden hatte, noch immer durch seine Adern kreiste. Selbst das Wissen, dass sie nicht verheiratet war, trug nichts zu seiner Beruhigung bei. Zu sehr beschäftigte ihn die Frage, wohin sie wohl gegangen sein mochte … und zu wem. Vielleicht zu einer Verabredung?

„Also, weshalb möchten Sie unbedingt von Alana Cusack interviewt werden?“ Ihr Chef Rory Hogan, Leiter der Sportabteilung bei einem nationalen TV Sender, lachte nervös. Das unterwürfige Verhalten des anderen Mannes ärgerte Pascal. Vor allem, weil es ihm ein paar unangenehme Wahrheiten vor Augen hielt. Anstatt Alana Cusack auf der Fahrt hierher einfach zu vergessen, hatte er einige Anrufe getätigt, um herauszufinden, wer sie war. Und darüber hinaus hatte er sie anschließend auch noch als Interviewpartnerin verlangt!

„Ich habe mich für sie entschieden, weil sie die beste Reporterin des Senders ist.“

Rorys ohnehin schon gerötetes Gesicht wurde noch eine Spur röter. „Ja, sie ist gut. Tatsächlich hat sie uns alle überrascht.“ Er sah sich einen Moment um, dann rückte er näher an Pascal heran.

Pascal widerstand dem Drang zurückzuweichen. Rory wurde von Minute zu Minute betrunkener.

„Die Sache ist die, wir haben ihr überhaupt nur wegen ihrer Vergangenheit eine Chance gegeben.“

Das weckte Pascals Interesse. Trotzdem bemühte er sich, reichlich gelangweilt zu klingen. „Was meinen Sie damit?“

Rory lachte und machte eine weit ausholende Geste. „Sehen Sie all die Frauen, die hier herumlaufen?“

Pascal brauchte gar nicht erst hinzuschauen. Sie lauerten ja geradezu darauf, sich an ihn heranpirschen zu können. Anlässe wie dieser zogen immer eine besondere Sorte Frauen an: erpicht auf eine Ehe mit einem millionenschweren Sportler und den Lebensstil, den sein Einkommen ihnen garantierte.

„Nun, Alana gehörte dazu. Tatsächlich war sie die unangefochtene Königin. Wissen Sie, sie hat Ryan O’Connor geheiratet.“

Unwillkürlich sog Pascal scharf die Luft ein. Selbst er hatte von dem legendären irischen Fußballspieler gehört. Hervorragender Spieler, doch abseits des Spielfeldes machten immer wieder Skandale die Runde. Frauen, Alkohol, wilde Partys. Er versuchte, sich Alana in dieser Szene vorzustellen. Es gelang ihm nicht. Vor seinem geistigen Auge tauchte ein Bild von ihr auf, gekleidet in ein züchtiges schwarzes Kleid, hochgeschlossen und bis zu den Knien reichend. Irgendetwas passte hier nicht zusammen.

Rory plauderte unterdessen ungeniert weiter. „Ihre Hochzeit war die größte, die Irland seit Jahren gesehen hatte. Zwei Prominente vor dem Traualtar. Die irische Mannschaft gewann in Serie. Alana war ihr Glücksbringer. Sie ist zu allen Spielen mitgekommen. Es war eine großartige Party, eine fantastische Zeit … und dann hat sie alles ruiniert.“ Er errötete. „Ich meine, ich weiß, dass sie nicht persönlich dafür verantwortlich ist, aber …“

„Was soll das heißen?“ Fieberhaft versuchte Pascal, sich daran zu erinnern, was er über Ryan O’Connor gehört hatte.

„Tja, sie hat ihn vor die Tür gesetzt. Und das völlig grundlos. Danach hat Ryan den Boden unter den Füßen verloren. Irlands Glückssträhne war vorbei. Ein paar Tage vor der Scheidung ist er ja dann bei dem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Wir haben ihr schließlich den Job gegeben, weil sie sich unglaublich hartnäckig darum beworben hat. Außerdem hat sie wirklich Ahnung von der Sportlandschaft. Es liegt ihr sozusagen im Blut. Schon ihr Vater hat für das irische Rugbyteam gespielt.“

Pascal versuchte noch immer, die Alana, die er kennengelernt hatte, mit den Frauen auf der Party und deren dünnen Kleidchen, die wenig der Fantasie überließen, unter einen Hut zu bekommen. Dann fiel ihm die Szene von vorhin wieder ein, wie sie hastig vor ihnen zurückgewichen war, eine vorwitzige Haarsträhne aus ihrem Zopf gelöst, die Wangen ganz reizend gerötet. Dieser Anblick hatte sein Verlangen über alle Maßen aufglühen lassen. Es war, als habe er einen geheimen Blick auf sie erhaschen können, wie sie im Moment der Leidenschaft aussehen würde.

Doch die Vorstellung, dass sie einst eine Partymaus gewesen war, erfüllte ihn mit Abscheu. Allerdings hatte sie mit ihm definitiv nicht geflirtet. Sie schien nicht einmal gewusst zu haben, wer er war. Vielleicht war aber auch genau das ihre Taktik: sich erobern zu lassen. In diesem Fall, schwor er sich, würde er mit ihr spielen, um herauszufinden, wie weit sie gehen würde, und sich verabschieden, sobald er genug von ihr hatte. Eines jedoch wusste er mit Sicherheit: Der Wunsch, sie zu verführen, war so stark, dass er alles andere in den Hintergrund drängte.

Am nächsten Tag betrachtete Alana in der Damentoilette des Senders kritisch ihr Spiegelbild. Nervös strich sie über die perfekt liegenden Haare. Sie beugte sich vor und kontrollierte das Make-up. Sie hatte ein bisschen mehr als gewöhnlich aufgelegt, um die dunklen Ringe unter ihren Augen zu verbergen. Es war sehr spät gewesen, als sie endlich nach Hause gekommen war. Dann hatte sie Pascal Lévêque einer Internetrecherche unterzogen.

Die Tatsache, dass sie nicht lange hatte suchen müssen, sprach für sich. Er gab nur selten Interviews – das letzte war zwei Jahre her. Er war Vorstandsvorsitzender der Bank Lévêque und hatte diese Position bereits in erstaunlich jungen Jahren erreicht. Mitte bis Ende dreißig hatte er ein Konglomerat aus kleineren, antiquiert arbeitenden Banken ins einundzwanzigste Jahrhundert geführt, indem er sie der Bank Lévêque hinzugefügt und sein Stammhaus damit zu einer der einflussreichsten Banken der Welt gemacht hatte.

Über seine Kindheit und Familie hatte sie so gut wie nichts gefunden. Die einzige Information besagte, dass er als uneheliches Kind in einem Pariser Vorort aufgewachsen war. Über seinen Vater war nichts bekannt.

Alana gab es auf, die hektische Röte ihrer Wangen mit Puder zu kaschieren. Wenn sie noch mehr Make-up auftrug, sah sie wie ein Clown aus.

Dafür hatte sie eine Vielzahl von Informationen über sein Privatleben gefunden. Bild um Bild zeigte ihn mit jeweils einer anderen atemberaubenden Schönheit im Arm. Offensichtlich flirtete und feierte er mit den bekanntesten Schauspielerinnen, Models und It-Girls der Welt. Jedoch schien er nie ein zweites Mal mit derselben Frau auszugehen.

Der Mann war ein Verführer, ein Playboy. Und Alana Cusack, ein Mädchen aus der Mittelklasse mit durchschnittlich hübschem Gesicht und Körper, spielte nicht in seiner Liga. Nicht einmal ansatzweise.

Er war reich. Er besaß Macht. Er war erfolgreich. Er spielte nur, um zu gewinnen. Er war der Inbegriff dessen, was sie sich geschworen hatte nie wieder Teil ihres Lebens werden zu lassen.

Sie packte ihre Make-up-Utensilien zusammen und warf ihrem Spiegelbild einen letzten kritischen Blick zu. Der dunkelblaue Hosenanzug und die cremefarbene Seidenbluse wirkten geradezu provozierend professionell. Und mit ein bisschen Glück hatte Pascal Lévêque eine der Frauen auf der Party gestern Nacht verführt und längst vergessen, dass er an ihr interessiert gewesen war.

„Am besten, wir fangen gleich an, okay?“

Alana sprach forsch und blickte kaum von ihren Notizen auf, als Pascal ins Studio geführt wurde. Doch sie spürte deutlich, wie die Atmosphäre sich änderte. Die Luft wirkte auf einmal wie elektrisch aufgeladen. Nicht einmal bei den besten Sportlern der Welt hatte sie ein so mit Händen greifbares Charisma wahrgenommen.

Beim Vorgespräch hatte einer seiner Berater sie gewarnt, Fragen nach seinem Privatleben zu stellen. Auch seine Beziehungen und Affären waren tabu.

Sie fühlte eher, als dass sie sah, wie er sich ihr gegenüber setzte. Die Stimmen und Geräusche der Menschen um sie herum verrieten ihr, dass Licht und Kamera bereit gemacht wurden. Wieder hatte sie das Glück, heute mit Derek arbeiten zu können. „Noch ein paar Minuten“, sagte er. „Ich muss noch einmal die Scheinwerfer checken.“ Alana murmelte eine Antwort. Die Verzögerung ärgerte sie. Sie wollte das Interview so schnell wie möglich hinter sich bringen.

„Spät geworden gestern Nacht?“

Hastig schaute sie sich um, ob jemand außer ihr die Worte gehört hatte. Niemand reagierte. Der intime Tonfall, den er angeschlagen hatte, behagte ihr gar nicht. Es war, als bestände zwischen ihnen eine alte Vertrautheit, von der keiner etwas wusste. Dabei waren sie einander erst vor weniger als vierundzwanzig Stunden zum ersten Mal begegnet.

„Nein“, erwiderte sie frostig. „Nicht besonders. Und bei Ihnen?“ Warum hatte sie das gefragt? Sie hätte sich ohrfeigen können!

„Ich bin früh zu Bett gegangen und habe von Ihnen in Ihrer hochgeschlossenen Bluse geträumt.“ Unverhohlen ließ er seinen Blick über ihren Körper wandern. „Heute eine Variation des Themas, wie ich sehe. Besitzen Sie für jeden Tag der Woche ein anderes Outfit?“

Flüssiger Honig breitete sich tief in ihrem Innern aus. Dass er sich erdreistete, mit ihr zu flirten, empörte sie so sehr, dass sie keinen Ton herausbrachte.

„Okay, Alana, wir können jetzt.“

Dereks Stimme übertönte das Rauschen ihres Blutes in ihren Ohren. Pascal schenkte ihr ein unschuldiges Lächeln. Alana riss sich zusammen und fand zurück zu ihrer scheinbar kühlen Selbstsicherheit. Und nach den ersten Fragen, die Pascal lässig und gewitzt beantwortete, begann sie sich ein wenig zu entspannen. Sie entwickelte ein System, mit dem sie arbeiten konnte: Sie musste nur jeden Blickkontakt vermeiden.

Eine Weile ging alles gut, doch dann sagte Pascal plötzlich: „Ich habe nicht das Gefühl, dass Sie wirklich an dem Interview interessiert sind.“

Sie hob den Kopf. „Wie bitte?“

Seine Augen blitzten auf, ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Ich spüre keine Verbindung.“

Alana ahnte, dass alle Anwesenden sie nun aufmerksam anstarrten. Am liebsten wäre sie aufgestanden und gegangen oder hätte zu einer kräftigen Ohrfeige ausgeholt, um das selbstgefällige Grinsen aus seinem Gesicht zu vertreiben. „Es tut mir leid. Was kann ich tun, damit Sie sich besser … verbunden fühlen?“

Sein Blick sprach Bände. „Augenkontakt würde helfen.“

Sie hörte ein leises Kichern aus dem Hintergrund. Altvertrauter Schmerz brandete in ihr auf. Immer wieder wurde sie daran erinnert, dass die Menschen sie scheitern sehen wollten. Sie lächelte freundlich. „Natürlich.“

Von da an bekam das Interview eine völlig neue Wendung. Denn da sie ihn nun ansehen musste, konnte sie auch die Wirkung nicht mehr verbergen, die er auf sie ausübte. Und das wusste er ganz genau. Alana kämpfte sich durch ein paar weitere Fragen, doch mit jeder wurde sie tiefer in einen sinnlichen Abgrund gezogen.

Irgendetwas musste sie tun, um ihm zu entkommen. In ihrer Verzweiflung wich sie vom Skript ab. „Wie kommt es, dass sich ein Junge aus der Pariser Vorstadt so für Rugby interessiert? Sagt man nicht gemeinhin, dass dies ein Spiel der Mittelschicht ist?“

Pascals PR-Berater verkrampfen sich, doch sie schritten nicht ein. Anders als bei anderen Prominenten, billigten sie ihrem Auftraggeber offenbar zu, sich selbst aus der Affäre zu ziehen. Zum ersten Mal ließ Pascal sich mit der Antwort Zeit. Er schaute sie an. Ein Gefühl der Furcht stieg in Alana auf. Dann lächelte er gezwungen, aber das Lächeln erreichte nicht seine Augen. „Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.“

Alana nickte nur schwach. Sie bedauerte jetzt schon, das Thema angeschnitten zu haben.

„Es ist der Verdienst meines Großvaters“, sagte Pascal nach langem Schweigen.

„Ihr Großvater?“ Sie vermied es, auf ihre Notizen zu blicken. In ihnen stand ohnehin nichts über einen Großvater.

Er nickte. „Mit fünfzehn wurde ich zu ihm nach Südfrankreich geschickt.“ Er zuckte die Schultern, der Ausdruck in seinen Augen blieb unlesbar. „Ein Teenager und die Vorstädte von Paris sind keine gute Kombination.“

Der Schatten, der über sein Gesicht huschte, weckte in ihr den Wunsch zu sagen: „Ist schon okay, Sie müssen nicht antworten“. Diese Feststellung verunsicherte sie. Normalerweise scheute sie sich nicht, unbequeme Fragen zu stellen. Aber Pascal sprach bereits weiter, als nehme er nichts von der Spannung wahr, die zwischen ihnen herrschte.

„Er war sehr aktiv in Rugby League, der französischen Variante des Spiels. Er hat die Liebe zu diesem Sport in mir geweckt.“

Nun hegte Alana keine Zweifel mehr, dass sie auf sehr persönliches Territorium vorgedrungen war. Das Funkeln in seinen Augen sagte ihr, dass sie mit dem Feuer spielte, wenn sie weiterhin Fragen in diese Richtung stellte. Auf einmal jedoch überkam sie das übermächtige Bedürfnis, die Gefahr herauszufordern.

„Haben Sie auch selbst gespielt?“

„Ich habe herausgefunden, dass ich das Talent besaß, meinen Kopf zu benutzen und viel Geld zu verdienen. Sich im Schlamm zu wälzen, überlasse ich den Profis.“

Alana errötete bis in die Haarspitzen. War das eine Anspielung, dass sie angefangen hatte, schmutzig zu spielen? Um sich zu sammeln, schaute sie auf ihre Notizen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie all ihre vorbereiteten Fragen bereits gestellt hatte. Schon wollte sie das Interview beenden und sich bei Pascal für seine Zeit bedanken, da überraschte er sie erneut.

„Jetzt habe ich auch eine Frage an Sie.“

„Ach ja“, stieß sie ein wenig schrill hervor.

„Darf ich Sie heute Abend zum Dinner einladen?“

Alana erstarrte. Dann wich der Schock heißer Wut, dass er sie vor dem gesamten Team gefragt hatte. Die Kamera lief noch. Es war, als hielten alle im Studio die Luft an und warteten gespannt auf ihre Antwort. Sie versuchte, die Angelegenheit mit einem Lachen aus der Welt zu schaffen. „Ich fürchte, Mr. Lévêque, mein Chef sieht es gar nicht gern, wenn ich Berufliches mit Privatem vermische.“

Rory stürzte vor, während er dem Team gleichzeitig bedeutete, die Aufzeichnung zu beenden. „Unsinn, Alana, das hier ist doch etwas ganz anderes. Ich bin sicher, du freust dich darauf, Mr. Lévêque zu zeigen, wie dankbar wir sind, dass er in seinem Terminkalender die Zeit für das Interview gefunden hat.“

Entspannt lehnte Pascal sich im Sessel zurück. „Heute ist mein letzter Abend in Dublin. Aber wenn Sie Nein sagen, Alana, verstehe ich das natürlich.“ Er stand auf und schaute Rory an. „Können Sie die Kassette mit der Aufnahme bitte in mein Hotel schicken? Bestimmt ist alles in Ordnung, trotzdem möchte ich gerne einen Blick darauf werfen.“

Mit anderen Worten, wie Alana Rorys gequältem Gesichtsausdruck entnahm, konnte Pascal dem Sender jederzeit das Recht entziehen, das Interview auszustrahlen. Auch sie erhob sich. „Das wird nicht nötig sein, Mr. Lévêque. Es wäre mir ein Vergnügen, mit Ihnen zu Abend zu essen.“

2. KAPITEL

„Ich mag es nicht, manipuliert zu werden, Mr. Lévêque.“

Pascal betrachtete Alanas Profil. Sie saß so weit entfernt von ihm wie möglich auf der Rückbank seines Wagens. Ihre zu einer schmalen Linie zusammengepressten Lippen weckten in ihm den Wunsch, ihr zu zeigen, wie sehr sie es vielleicht doch schätzen könnte. Er wusste, dass auch sie die prickelnde Spannung zwischen ihnen spürte. An einem Punkt des Interviews, als sie die Kühnheit besessen hatte, nach seiner Vergangenheit zu fragen, hatten ihre Blicke sich getroffen und gefangen gehalten. In ihren Augen hatte er ihr Verlangen lesen können, so gerne sie ihm das auch verborgen hätte.

„Ich würde es lieber einen zarten Schubs nennen.“

Sie warf ihm einen raschen Seitenblick zu und gab einen erstickten Laut von sich. „An Ihrer Drohung, dem Sender die Rechte an dem Interview zu verweigern, kann ich nichts Zartes finden, Mr. Lévêque!“

„Das könnte ich immer noch tun“, erwiderte er gedehnt. Wie aufs Stichwort wandte Alana sich ihm mit blitzenden Augen zu. Adrenalin strömte durch seine Adern. Er war es so leid, dass niemand wagte, ihm zu widersprechen – bis auf die grünäugige Hexe.

„Handhaben Sie Ihre Geschäft immer auf diese Weise?“, zischte sie.

Sofort rückte Pascal näher an sie heran. Sie atmete seinen herben Duft ein, der ihr bereits jetzt viel zu vertraut vorkam.

„Die Gefühle, die Sie in mir wecken, haben nichts Geschäftliches an sich. Und normalerweise brauche ich keine Drohungen auszusprechen, um eine Frau zum Dinner mit mir zu überreden. Sagen Sie mir, Alana, warum wollten Sie nicht mit mir ausgehen?“

Und warum waren Sie so erpicht darauf? hätte sie ihn am liebsten angeschrien. Verlegen rang sie die Hände im Schoß. Pascal sah die Bewegung, und bevor sie ihn stoppen konnte, hatte er ihre Hände ergriffen und verschränkte ihre Finger mit seinen. Sogleich überkam Alana eine seltsame Mischung aus wohliger Freude und heißem Verlangen.

„Ich … mag Sie nicht einmal.“

„Sie kennen mich nicht gut genug, um zu wissen, ob Sie mich mögen oder nicht. Und die Energie, die zwischen uns pulsiert, hat nichts mit mögen zu tun.“

Es war vielmehr Lust.

„Ich …“

Alana senkte verlegen den Blick, sah ihre kleinen Hände zwischen seinen großen bronzefarbenen. Der Anblick ließ sie an andere Körperteile denken – ihre Beine zwischen seinen auf zerwühlten Bettlaken. Mit übermenschlicher Anstrengung entzog sie ihm ihre Hand und schaute ihn an. Auf ihrem Gesicht, das wusste sie, würde er ihr Entsetzen lesen können. Sie fühlte sich gehetzt und gejagt. Bei Ryan hatte sie nie dieses Verlangen, dieses erregende pure Verlangen empfunden. Doch die Wunde, die er in ihrer Seele hinterlassen hatte, war immer noch frisch. Zu frisch.

Pascal musterte sie eindringlich, doch die Atmosphäre hatte sich bereits geändert. Das Prickeln war nicht mehr so intensiv wie noch vor wenigen Augenblicken. Er streckte die Hand aus und schob eine vorwitzige Strähne hinter ihr Ohr zurück.

„Ich mag es, wenn Sie Ihr Haar offen tragen.“

„Pascal …“

Er verspürte einen kleinen Triumph, als sie ihn unbewusst beim Vornamen nannte und nicht beim steifen „Mr. Lévêque“ verharrte. Er ließ seine Hand sinken. „Alana, es ist nur ein Dinner. Wir essen, wir reden, und dann bringe ich Sie nach Hause.“

Der Wagen wurde langsamer und hielt vor einem bekannten Nobelrestaurant. Alana überdachte seine Worte, seinen beschwichtigenden Tonfall und schwor sich insgeheim, ein Taxi nach Hause zu nehmen. Anschließend brauchte sie ihn nie wiederzusehen.

Sie war sich der Aufmerksamkeit bewusst, die Pascal und sie unter den anderen Gästen erregten, als sie dem Kellner zu ihrem Tisch folgten. Auch wenn die Gesellschaft viel zu exklusiv war, als dass auffällig die Hälse gereckt wurden, kündete ein anschwellendes Tuscheln vom allgemeinen Interesse.

„Keine Sorge, Alana“, sagte Pascal, als sie einander gegenüber Platz genommen hatten. „Ich gebe mich keinerlei Illusionen hin. Für Sie fällt dieses Abendessen in die Kategorie Arbeit.“

Sie gab keine Antwort.

„Ich mache das an Ihrem Beharren fest, mich in meinem Hotel zu treffen. An Ihrer Weigerung, sich zu Hause abholen zu lassen. An der Tatsache, dass Sie noch dieselben Kleider wie bei dem Interview heute morgen tragen.“

Die Art und Weise seiner Aufzählung, die nicht nur von guter Beobachtung zeugte, sondern auch von der Fähigkeit, die richtigen Schlüsse zu ziehen, ließ sie sich sehr verletzlich fühlen. „Ich hatte keine Zeit, mich umzuziehen. Und Ja, ich halte das hier für Arbeit.“ Sie beugte sich ein wenig vor. „Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich im Zentrum des öffentlichen Interesses stand. Ich habe mir geschworen, es nie wieder so weit kommen zu lassen. Mit Ihnen hier zu sein, mit Ihnen gesehen zu werden, könnte mich in eine heikle Lage bringen. Ich möchte nicht, dass man denkt, wir hätten ein romantisches Date.“

„Mit wem verabreden Sie sich dann, Alana?“

„Mit niemandem.“

„Aber Sie waren mit Ryan O’Connor verheiratet.“

„Zweifellos mussten Sie nicht tief graben, um das herauszufinden.“

„Nicht tiefer, als Sie in meinem Leben.“

„Das waren ganz normale Vorbereitungen für ein professionelles Interview.“

„Muss ich Sie daran erinnern, dass Ihre Fragen dennoch nicht dem abgesprochenen Skript gefolgt sind?“

Das Blut schoss ihr in die Wangen. „Ihnen muss doch klar sein, dass Sie, wenn Sie sich der Presse öffnen, das Risiko eingehen, genau diese Fragen gestellt zu bekommen.“

Pascal nickte einmal, doch der eisige Ausdruck in seinen Augen blieb. „Natürlich. So naiv bin ich nicht. Aber von Ihnen hatte ich das nicht erwartet.“

Schuldgefühle überfielen sie. Er hatte nämlich recht. Bei jedem anderen Menschen, der ihr gefühlsmäßig nicht so zusetzte, hätte sie niemals unabgesprochene Fragen gestellt. Einzig ihre Reaktion auf ihn hatte sie veranlasst, ihn zu irgendeiner Antwort zu provozieren, die sein Interesse an ihr abkühlen lassen würde. Sie fragte sich, an welcher Oberfläche sie eigentlich mit ihren Fragen gekratzt hatte.

Gerade als sie antworten wollte, trat eine Kellnerin an ihren Tisch und nahm ihre Bestellungen auf. Sobald sie wieder alleine waren, beugte auch Pascal sich vor. „Sie können sich einreden, dass Sie wegen der Arbeit hier sind, Alana, aber ich finde Arbeit als Gesprächsthema ungemein langweilig. Viel lieber würde ich mich über andere Dinge unterhalten.“

„Und die wären?“

„Zum Beispiel wohin Sie gestern Abend so dringend verschwinden mussten, wenn Sie doch keine Verabredungen haben.“

Alles in Alana versteifte sich, doch dann geschah etwas Seltsames. Gegen ihren Willen schmolz der Widerstand in ihrem Innern. Also erzählte sie ihm von dem vierzigsten Geburtstag ihres Bruders. Und das führte dazu, dass sie auch von ihren anderen sechs Geschwistern berichtete. Und von ihren Eltern.

„Und alle sind glücklich verheiratet und haben Kinder?“

Unwillkürlich musste sie lächeln, als sie Pascals entsetzten Gesichtsausdruck sah. Sie wusste, wie schwer es den meisten Menschen fiel, die Größe irischer Familien als normal zu begreifen. Sie nickte trotz der Schuldgefühle, die sich mal wieder in ihr ausbreiteten. Sie war die Anomalie in ihrer Familie. „Alles in allem habe ich fünfzehn Nichten und Neffen. Und meine Eltern sind in der Tat seit über fünfzig Jahren glücklich verheiratet.“

Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Das wievielte Kind sind Sie?“

„Ich bin das Nesthäkchen. Mein jüngster Bruder ist zehn Jahre älter als ich. Deshalb habe ich mich trotz meiner vielen Geschwister immer wie ein Einzelkind gefühlt. Solange ich zurückdenken kann, gab es fast immer nur meine Eltern und mich, weil die anderen schon aus dem Haus waren.“

Der Gedanke an Vater und Mutter ließ sie verstummen. Ihre Eltern waren nicht mehr die Jüngsten. Vergangenes Jahr hatte ihr Vater sich einer dreifachen Bypassoperation unterziehen müssen. Ihre älteren Geschwister waren mit ihren eigenen Familien beschäftigt, sodass vor allem sie sich um ihre Eltern gekümmert hatte. Nicht, dass ihr das etwas ausmachte. Doch sie spürte immer deutlicher, dass ihre Eltern sich um sie sorgten und dass sie nichts lieber wollten, als dass auch sie endlich den Partner fürs Leben fand. Vor allem nach Ryans Tod.

Alana trank einen Schluck Kaffee und wich Pascals eindringlichem Blick aus. Es schien, als könne er ihre Gedanken lesen. Sie hoffte, der Kaffee würde die Wirkung des Weins abmildern, den sie zum Essen getrunken hatte. Es war ihr verblüffend leicht gefallen, sich mit Pascal zu unterhalten. Er war ein guter Zuhörer, charmant, interessiert. Interessant.

Doch mit seiner nächsten Frage bereitete er ihrer Entspanntheit ein jähes Ende. „Was ist dann passiert? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihnen der Entschluss, die Scheidung einzureichen, leicht gefallen ist. Nicht bei diesem familiären Hintergrund.“

Seine scharfe Beobachtungsgabe traf wie ein Pfeil mitten in ihr Herz. Dabei wusste er nicht einmal die Hälfte. Ihre eigene Familie kannte nicht die ganze Wahrheit.

„Ich möchte lieber nicht über meine Ehe sprechen.“

Pascal war versucht, Alana zu drängen, doch er sah auch, wie verkrampft sie auf einmal wieder dasaß. Während des Essens hatte sie sich mehr und mehr entspannt. Andauernd hatte er sich ermahnen müssen, nicht den Blick zu den sanften Rundungen ihrer Brüste, die sich so reizvoll unter der feinen Seidenbluse abzeichneten, wandern zu lassen. Er konnte immer noch nicht einschätzen, warum sie so versessen darauf war, ihren Körper zu verbergen. Seltsamerweise ließ ihr Verhalten sein Interesse an ihr nicht erlahmen. Das Gegenteil war der Fall.

Aber wenn er sie jetzt bedrängte, würde er sie verlieren. Alana Cusack stellte hohe Anforderungen an seine Geduld. Also sagte sie mit einem offenen Lächeln: „Kein Problem.“

Pascal ignorierte Alanas Proteste und bestand darauf, sie nach Hause zu bringen. Ihr kleines Cottage lag nur zehn Minuten vom Restaurant entfernt in einem der ältesten Viertel Dublins. Nur mit Mühe gelang es dem Fahrer, den großen Wagen durch die kleinen Gässchen zu steuern. An dem Platz vor ihrem Häuschen war endgültig Schluss. Parkende Autos machten jedes Weiterkommen unmöglich.

Alana ergriff die Initiative und sprang aus dem Wagen. Doch Pascal reagierte blitzschnell und folgte ihr den schmalen Fußweg zur Haustür.

Vor der Tür blieb sie stehen und wandte sich zu ihm um. Furcht legte sich über sie – mehr vor sich selbst als vor ihm. Ein heller Mond schien vom Himmel, die Luft an diesem Februarabend war kühl. Sie hob den Kopf und schaute in Pascals dunkles Gesicht. Wenn er sie jetzt küsste, so viel ahnte sie, würde sie nicht mehr die Kraft aufbringen, ihn aufzuhalten.

Plötzlich zog er sich zurück. Unwillkürlich machte Alana eine Bewegung auf ihn zu. Seine Augen blitzten auf; ihre Reaktion war ihm nicht entgangen – und er wusste sie richtig einzuschätzen.

Bevor sie ein Wort sagen konnte, hatte er ihre Hand ergriffen und an seine Lippen gehoben – genauso wie gestern Nacht auf der Party. Die altmodische Geste berührte und verwirrte sie. In ihrem Innern befand sich alles in wildem Aufruhr. Verlangen und Widerstand stritten um die Vorherrschaft. Und dann wandte Pascal sich um und ging zurück zu seinem wartenden Wagen. Entgegen aller Vernunft hörte Alana sich seinen Namen rufen. Er blieb stehen und drehte sich halb zu ihr um.

„Ich … ich wollte mich für das Dinner bedanken.“

Er kehrte zu ihr zurück. Einen Moment glaubte sie, er würde sie nun doch küssen. Panik und Vorfreude stiegen in ihr auf, aber er streckte nur die Hand aus und strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Auch das hatte er schon einmal getan. Im Wagen, auf dem Weg ins Restaurant. Diesmal jedoch überkam sie der Wunsch, ihre Wange gegen seine Handfläche zu schmiegen. Doch da hatte er seine Hand schon zurückgezogen.

„Gern geschehen, Alana. Wir werden uns wiedersehen, das verspreche ich Ihnen.“

Damit wandte er sich abermals um und schlenderte zum Wagen. Diesmal stieg er ein. Mit offenem Mund sah Alana dem abfahrenden Wagen nach.

Ihr blieb keine andere Wahl, als sich die Wahrheit einzugestehen. Sie konnte sich noch so oft einreden, dass sie nicht an ihm interessiert war. Doch das war eine Lüge. Mit spielerischer Leichtigkeit durchbrach er die Mauer, die sie nach Ryans Tod um ihre Gefühle errichtet hatte. Ja, sie empfand sogar Enttäuschung, dass der Mann, den sie kaum vierundzwanzig Stunden kannte, sie zum Abschied nicht geküsst hatte. Die Fassade kühler Gelassenheit, hinter der sie sonst all die bitteren Enttäuschungen und zerbrochenen Träume verbarg, befand sich ernsthaft in Gefahr, zu zerbröckeln.

Am nächsten Morgen, als Alana in ihrer winzigen Küche stand und eine Tasse Tee trank, glaubte sie, sich wieder völlig unter Kontrolle zu haben. Sie brauchte sich nur umzusehen. Hier, in ihrem Cottage, das war die Wirklichkeit. Mehr hatte sie sich nach Ryans Tod nicht leisten können. Ihr Exmann hatte ihr nämlich keine Millionen vererbt, auch wenn alle anderen fest davon überzeugt waren.

In Wahrheit sammelte sie noch immer die emotionalen und finanziellen Scherben ein, die fünf Jahre Ehe hinterlassen hatten. Die seelischen Narben mochten eines Tages heilen, dank des finanziellen Desasters würde sie jedoch noch sehr lange Zeit sehr hart arbeiten müssen. Ryan hatte einen riesigen Schuldenberg angesammelt. Und da sie bei seinem Tod noch nicht geschieden waren, war der auf Alana übergegangen. Der Verkauf des luxuriösen Hauses in einem der gehobenen Stadtteile Dublins hatte die Schulden nicht einmal annähernd getilgt.

Alana verzog das Gesicht, trank den letzten Schluck Tee und spülte die Tasse aus. Stolz war keine gute Eigenschaft, das wusste sie. Aber nur damit hatte sie sich einen Rest Würde bewahren können. Keiner Menschenseele hatte sie den katastrophalen Zustand ihrer Ehe anvertraut. Niemand wusste von dem Tag, als sie in ihr Schlafzimmer gekommen war und Ryan mit drei Frauen im Bett erwischt hatte – Callgirls, wie sich später herausstellte. Alle vier hatten Kokain genommen. Er war so high, er hatte nicht einmal bemerkt, dass sie es nicht in seinem Schlafzimmer trieben. Zu diesem Zeitpunkt schliefen sie bereits seit drei Jahren in getrennten Betten.

An diesem Tag reichte sie die Scheidung ein.

Aber ihr gerissener Noch-Ehemann sorgte dafür, dass alles so aussah, als habe Alana ihn kaltherzig aus dem Haus geworfen. Sie ahnte nichts von seinen Hintergedanken, als er ihr anbot, statt ihrer auszuziehen. Dabei hätte sie es besser wissen müssen.

Es fiel ihr nicht leicht, sich das Scheitern ihrer Ehe einzugestehen. Es ihrer Familie anzuvertrauen, empfand sie als unmöglich. Der Gesundheitszustand ihres Vaters war damals sehr kritisch, ihre Mutter krank vor Sorge. Wie hätte sie ihre Eltern mit ihren dummen Problemen belasten können? Zum gleichen Zeitpunkt wurde bei einer ihrer älteren Schwestern Brustkrebs diagnostiziert. Alana, als einzige der Geschwister kinderlos, war ins Haus ihrer Schwester gezogen, um ihrem Schwager während Màires Chemotherapie mit den drei Kindern zu helfen.

So waren ihre eigenen Probleme immer weiter in den Hintergrund gerückt. Damals war sie froh gewesen, nicht ständig an die bevorstehende Scheidung denken zu müssen. Jeden noch so kleinen Versuch ihrer Familie, sie danach zu fragen, hatte sie beschämt abgeblockt.

Genau diese Tatsache hatte Pascal gestern intuitiv begriffen. Es war nicht leicht, die Einzige in einer Familie zu sein, die Pech in der Liebe hatte. Anscheinend besaß sie so gut wie keine Menschenkenntnis, vor allem nicht, wenn es um Männer ging.

Alana schlüpfte in ihren Mantel und schnappte sich die Schlüssel. Sie weigerte sich, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Wohin das führte, wusste sie nämlich genau. Am Ende stand die Frage, was passieren würde, wenn sie Pascal doch wiedersah.

Sechsunddreißig Stunden. Pascal stand am Fenster seines Büros im Pariser Vorort La Défense und schaute blickleer auf den Grande Arche, die moderne Variante des Triumphbogens, hinaus.

Seine Gedanken an Alana Cusack nahmen in seinem Kopf Ausmaße an, die sonst für Zahlen und Fakten reserviert waren. Normalerweise konnte er Privatleben und Arbeit recht gut trennen. Bisher war keine Frau jede wache Sekunde in seinem Denken präsent gewesen. Er sehnte sich nach Vergnügen, nicht nach einer festen Bindung. Er liebte seine Freiheit, die Aufregung der Jagd, der Eroberung.

Aber jetzt erfüllte eine grünäugige Hexe in hochgeschlossenen Kleidern, die impertinente Fragen stellte, sein Blut mit heftig pulsierendem Verlangen. Er musste sich so schnell wie möglich wieder von ihr befreien. Bestimmt wurde seine Leidenschaft nur dadurch angefacht, dass sie sich so unnahbar gab. Dadurch erschien sie ihm faszinierender als jede andere Frau.

Ungeduldig fuhr Pascal mit einer Hand durch sein dunkles Haar. Schluss jetzt! Er wandte dem Ausblick den Rücken zu und rief seine Sekretärin ins Büro. Sie hörte seinen Anweisungen aufmerksam zu und notierte die Details. Und sie war professionell genug, um sich nicht anmerken zu lassen, wie ungewöhnlich seine Wünsche diesmal waren.

Denn das waren sie.

„Jemand hat etwas für dich abgegeben, Alana. Es liegt auf deinem Schreibtisch.“

„Danke, Sophie!“ Sie blickte von ihren Notizen auf, um sich bei der Aushilfskraft mit einem freundlichen Lächeln zu bedanken. Ihr Lächeln verschwand, als sie Sophies verschmitzten Gesichtsausdruck bemerkte.

Mit einer unguten Vorahnung öffnete sie die Tür zu ihrem Büro. Auf dem Schreibtisch lag ein riesiger Blumenstrauß. Notizblock und Stift glitten ihr aus den Fingern. Ihre Hände zitterten, als sie die Karte zwischen den Blüten hervorzog.

Hastig schloss sie die Tür. Dann riss sie den Umschlag auf und nahm die sehr edel und teuer wirkende Karte heraus. Darauf stand in wunderschöner Schrift nur ein einziges Wort: „Ich …“

Verwirrt starrte sie die Karte an. Zunächst hatte sie befürchtet, Pascal habe ihr die Blumen geschickt. Doch die Karte verriet nichts; jeder hätte sie geschrieben haben können.

Den Rest des Tages war Alana nervös und angespannt. Sie verließ das Büro erst, als sie sicher war, dass alle anderen bereits nach Hause gegangen waren.

Am nächsten Morgen, als sie zur Arbeit kam, begrüßte Sophie sie abermals mit einem: „Da liegt etwas für dich auf dem Schreibtisch.“

Alana glaubte, ihr Herz bliebe stehen. Sie kam sich vor wie in einer Zeitschleife gefangen. Sie hastete in ihr Büro und knallte die Tür hinter sich zu. Wieder ein wunderschöner riesiger Blumenstrauß. Sie griff nach der Karte. Auf dieser stand: „werde …“

Am Ende der Woche saß Alana vor dem Tisch in ihrem Wohnzimmer und fühlte sich ganz benommen. Der Duft der Blumen hing schwer in allen Räumen des Cottages. Aufgereiht auf dem Tisch vor ihr lagen fünf Karten. Fünf Tage, fünf Sträuße, eine Botschaft.

Nun ergaben die Worte einen Sinn: „Ich werde Sie heute besuchen.“

Seit heute Morgen, seit der letzten Karte, hatte sich ein flaues Gefühl in ihrem Magen eingenistet. Kurz hatte sie daran gedacht, sich mit einer Freundin zu verabreden oder ins Kino zu gehen – alles, um heute Abend nicht zu Hause zu sein.

Das Klingeln ihres Telefons durchbrach die Stille. Alana zuckte zusammen. Ihr Herz pochte wie wild. „Hallo?“

„Was ist das für eine Geschichte mit dir und Pascal Lévêque?“

Alana ließ sich in die Sofakissen sinken. „Ailish.“ Ihre älteste Schwester.

„Also, was läuft da? Anscheinend hat einer der begehrtesten Junggesellen Frankreichs dich letztes Wochenende zum Essen ausgeführt.“

„Woher weißt du das?“

„Es steht heute in allen Klatschzeitungen.“

Alana unterdrückte ein Stöhnen und fragte sich, wie ihr das entgangen sein konnte. Irgendjemand musste die Story an die Presse weitergegeben haben. Genug Leute hatten gehört, wie er sie eingeladen hatte. Und man brauchte kein Genie zu sein, um sich zusammenzureimen, dass die Blumen von ihm stammten.

„Ich habe ihn interviewt, er hat mich zum Essen eingeladen, das ist alles. Zwischen uns läuft gar nichts.“

Ihre Schwester gab ein missbilligendes Schnauben von sich. „Ich hoffe nur, du lächelst nicht jeden Tag von den Titelblättern der Zeitungen, die neue Sexgeschichten von dir und diesem Casanova enthüllen. Ich meine, kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn Mom und Dad das erfahren? Es war schon schlimm genug, dich praktisch vor der gesamten Nation verteidigen zu müssen, als du Ryan vor die Tür gesetzt hast.“

Am ganzen Leib zitternd, stand Alana auf. Die Erinnerung an die besorgten Gesichter ihrer Eltern wurde wieder lebendig. „Ailish, was ich tue und mit wem ich mich treffe, geht dich überhaupt nichts an. Ich kommentiere ja auch nicht deine Ehe mit Tom.“

„Da gibt es auch nichts zu sagen“, erwiderte Ailish giftig. „Über uns spricht nicht ganz Irland beim Frühstück.“

Die Türklingel meldete sich. Automatisch setzte Alana sich in Bewegung, um zu öffnen. „Wie schon gesagt, es geht dich nichts an.“ Das Telefon zwischen Ohr und Schultern eingeklemmt, schob sie den Riegel zurück. „Ich bin eine erwachsene Frau und kann treffen, wen ich will, hingehen, wo ich will und Sex haben mit wem und wann immer ich will.“

Sie riss die Tür auf. Ihre Worte schwebten noch in der Luft. Vor ihr stand ein atemberaubend attraktiver Pascal Lévêque. Ihr Herz begann zu rasen. Während des Gesprächs mit ihrer Schwester hatte sie ihn ganz vergessen. Das schnurlose Telefon glitt ihr aus den Fingern und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden.

Pascal betrat wie selbstverständlich das Cottage, ließ die Tür ins Schloss fallen und bückte sich nach dem Telefon.

Aus dem Hörer drang eine verärgerte Stimme. „Alana? Alana!“

Alana konnte den Blick nicht von Pascal abwenden. Sie nahm das Telefon entgegen und sagte: „Ailish, ich habe gerade Besuch bekommen. Ich rufe dich zurück, okay?“

Worte hallten durch ihren Kopf. Jetzt ist es zu spät zu fliehen.

3. KAPITEL

Der Schock, ihm so unvermittelt gegenüberzustehen, verflüchtigte sich rasch. Alana verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete ihn mit düsterer Miene.

„Dieses Telefonat hätte ich nie führen sollen. Alles ist allein Ihre Schuld.“

Er neigte den Kopf ein wenig zur Seite. „Es tut mir leid. Aber ich habe nur den einen, wenn auch überaus faszinierenden Satz gehört. Ich weiß nicht, worin meine Schuld besteht. Denn ganz sicher hatten wir noch keinen Sex.“

Alana errötete bis in die Haarspitzen. „Wissen Sie, dass unser Dinner heute Thema Nummer eins in den Klatschblättern zu sein scheint?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, das wusste ich nicht. Aber natürlich waren wir nicht die einzigen Gäste im Restaurant. Vielleicht haben auch ein oder zwei Ihrer Kollegen im Studio gehört, dass ich Sie eingeladen habe.“

Alana lachte laut auf. „Ein oder zwei? Wie wäre es mit: Das gesamte Team war anwesend? Und obendrein ist es auch noch aufgezeichnet worden!“

Pascal schlüpfte aus seinem dunklen Mantel und zauberte von irgendwoher eine Flasche Wein hervor. Panik stieg in Alana auf. Abwehrend streckte sie die Hände aus, als könne ihn das aufhalten.

„Was tun Sie denn da? Hören Sie sofort auf, den Mantel auszuziehen! Sie können nicht hier bleiben.“ Sie schüttelte heftig den Kopf. „Und ganz sicher gehe ich nicht wieder mit Ihnen aus.“

„Wir müssen nicht ausgehen, Alana, aber ich bin extra aus Paris gekommen, um Sie zu sehen.“

Seine Stimme klang weich und samtig. Und doch bestimmt.

Sie schluckte. „Was wollen Sie?“

Pascal verbat sich, ihr die Wahrheit zu sagen. Er wollte sie nicht verschrecken. Denn was er am liebsten wollte, beinhaltete wesentlich weniger Kleider. Auch heute trug sie schwarz, statt der steifen Bluse gab es einen Rollkragenpullover, der sich perfekt an ihren Oberkörper schmiegte und ihn zum ersten Mal zumindest die Silhouette ihrer Brüste erahnen ließ. Sie besaßen die perfekte Form, eher klein, dafür herrlich rund. Nur allzu leicht konnte er sich vorstellen, wie sie sich in seinen Händen anfühlen würden, wie reife Pfirsiche, deren Knospen sich unter seinen sanften Liebkosungen verhärteten … Abrupt knallte er die Tür zu seiner überbordenden Fantasie zu.

„Was ich gerne möchte, ist, diese Flasche Wein mit Ihnen zu teilen und mich mit Ihnen zu unterhalten. Mehr nicht.“

Misstrauisch sah Alana ihn an. Dass er, ohne zu fragen, in ihre Wohnung eingedrungen war, behagte ihr gar nicht. Zögernd traf sie eine Entscheidung. „Also gut.“

Sonderlich begeistert wirkte sie nicht gerade, also verbarg Pascal das Gefühl von Triumph, das ihn nämlich durchaus durchströmte. Er reichte ihr den Wein und achtete darauf, dass ihre Hände einander nicht berührten.

Während Alana in die offene Küche ging, hörte sie, wie Pascal sich im Wohnzimmer bewegte. Verstohlen schaute sie zu ihm hinüber. Er trug dunkle Hosen und ein helles Hemd. Der oberste Knopf stand offen, als habe er eben seine Krawatte abgelegt. Er musste direkt von der Arbeit gekommen sein. In einem Privatjet? Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass er sich, wie ein Normalsterblicher, in einer Schlange vor dem Check-in-Schalter anstellte. Er gehörte zu den Menschen, die über das Rollfeld schlenderten und in einen eleganten schnellen Jet einstiegen.

„Wie ich sehe, haben Sie meine Blumen bekommen.“

„Ja, danke.“ Innerlich zuckte sie zusammen. Hatte er auch die Karten gesehen, die in der richtigen Reihenfolge auf dem Tisch lagen? „Sie hätten sie mir nicht schicken sollen. Im Sender herrschte ganz schöne Aufregung, die ich lieber vermieden hätte.“ Verflixt, wieso klang sie nur so zickig?

Pascal schaute sich um. Bestimmt war sie aus ihrer Ehe mit Ryan O’Connor anderes gewöhnt. Dieses winzige Cottage war ein weiteres Rätsel, das es zu ergründen galt. „Es tut mir leid, Sie in Verlegenheit gebracht zu haben. Ich wollte Ihnen nur zeigen, dass es mir ernst ist mit meinem Wunsch, Sie wiederzusehen.“

Endlich gelang es ihr, den Wein zu entkorken. Sie schenkte zwei Gläser ein und reichte eines an Pascal weiter.

Einen langen Moment sah er sie einfach nur an, dann hob er sein Glas. Ihr Herz pochte wild in Erwartung auf das, was er sagen würde.

Doch er meinte nur: „Santé.“

Alana stieß mit ihrem Glas gegen seines und erwiderte die irische Entsprechung: „Sláinte.“

Der Wein schmeckte samtig, dunkel und fruchtig. Definitiv ein edler Tropfen. Alana bedeutete Pascal, er solle auf dem Sofa Platz nehmen. Sie setzte sich in den Sessel ihm gegenüber. Die wenigen Lampen verbreiteten ein angenehm warmes Licht. Sie war immer noch wütend, dass er unangemeldet aufgetaucht war. Doch unter der Wut breiteten sich andere Gefühle aus. Aufregung. Freude.

Ihr Bauch gab ein grummelndes Geräusch von sich. „Haben Sie schon gegessen?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein.“

Alana stand auf. „Ich wollte mir gerade eine Kleinigkeit machen. Wenn Sie mögen, koche ich für Sie mit.“

„Das wäre toll. Ich bin am Verhungern.“ Er lächelte. Und einen Moment war es, als habe die Erde aufgehört, sich zu drehen.

Hastig griff Alana nach ihrem Weinglas und flüchtete in die Küche. Pascal blieb auf dem Sofa sitzen, einen Arm über die Rückenlehne gelegt, als sei er hier zu Hause. Sie wickelte Fisch in Alufolie und schob ihn in den Ofen. Dann setzte sie Kartoffeln auf. Als sie ins Wohnzimmer zurückkam, schaute Pascal gerade ihre CD-Sammlung durch.

Der Anblick bescherte ihr einen Augenblick der Klarheit. Was tat sie hier eigentlich? Sie sollte ihn doch aus dem Haus jagen, nicht für ihn kochen! Aber es hatte sich so natürlich angefühlt, ihn zu fragen, ob er mit ihr essen wolle. Außerdem waren die Blumen, die er ihr geschickt hatte, wirklich wunderschön. Nach dem heutigen Abend würde sie ihn ohnehin nie wiedersehen – was konnte ein kleines Essen da schon schaden?

Zufrieden, eine Rechtfertigung für ihr Verhalten gefunden zu haben, und fest entschlossen, dem seltsamen Gefühl tief in ihrem Innern keine weitere Aufmerksamkeit zu schenken, empfand sie die Tatsache, dass er zielsicher ihre Lieblings-CD aufgelegt hatte, eher als beruhigend denn erschreckend.

„Ich hoffe, die Musik stört Sie nicht?“

Sie schaute zu Pascal hinüber, der vor ihrer Stereoanlage kniete. Unter dem Hemd zeichnete sich deutlich sein breiter Rücken ab. Sie schüttelte den Kopf. Auf einmal fühlte ihr Mund sich doch ziemlich trocken an.

„Nein … nein.“ Hastig trank sie noch einen Schluck Wein. Oh Gott!

Lächelnd räumte Alana nach dem Essen die leeren Teller ab. Während des Essens hatten sie sich über Filme, Bücher, Frankreichs Politik, das Six Nations Turnier und Rugby unterhalten. Voller Stolz erzählte sie von ihrem Vater, der für die irische Nationalmannschaft gespielt hatte. Auch in Pascals Augen vermeinte sie etwas aufblitzen zu sehen. Er hatte ihr zwar erzählt, dass er nicht selber spielen würde, insgeheim fragte sie sich jedoch, ob er nicht zumindest früher Ambitionen in diese Richtung gehegt hatte.

Aus der Küche zurückgekehrt, setzte sie sich wieder auf ihren Sessel und zog die Füße an. Ihre Schuhe hatte sie längst ausgezogen. Sie fühlte sich energiegeladen und aufgekratzt, als könne sie die ganze Nacht aufbleiben.

Zu ihrer größten Überraschung blickte Pascal auf seine Armbanduhr. Dann trank er den letzten Schluck Wein und stand auf.

„Ich fürchte, ich muss jetzt gehen.“

Auf einmal kam sie sich sehr dumm vor. Dabei sollte sie doch erleichtert sein, ihm rasch seinen Mantel holen und ihm eine gute Heimreise wünschen. Warum nur beschlich sie bei dem Gedanken ein Gefühl der Leere? Der alte Schmerz, wieder einmal eine Situation falsch eingeschätzt zu haben, flammte in ihr auf.

„Oh, natürlich. Ich vermute, Sie sind geschäftlich hier? Und müssen weiter zu einem anderen Termin?“

Pascal schüttelte den Kopf und trat einen Schritt auf sie zu. Zurückweichen konnte sie nicht, der Sessel stand unmittelbar hinter ihr. Ihr Herz klopfte so laut in ihren Ohren, dass sie befürchtete, er müsse es auch hören.

„Das ganze Wochenende über jagt ein Meeting das nächste. Allerdings in Paris. Die nächste Flugfreigabe darf ich nicht versäumen, sonst komme ich morgen früh zur ersten Sitzung zu spät.“

Eine Erkenntnis begann sich in Alanas Gehirn durchzusetzen. Pascal war lediglich für ein paar Stunden nach Dublin gekommen. Nur um sie zu sehen. Es fiel ihr schwer, das zu begreifen.

„Ich … ich …“

Er schenkte ihr ein sehr sexy Lächeln. „Es war die Sache wert, Alana. Die ganze Woche über habe ich an Sie gedacht. Ich kann Sie einfach nicht vergessen.“

„Ich …“ Ihr wollte nichts Sinnvolles einfallen. Pascal kam noch einen Schritt näher.

Er stand jetzt so nahe vor ihr, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm in die dunklen Augen zu sehen. Sie spürte, wie er einen Finger unter ihr Kinn legte, wie er mit dem Daumen die weiche Haut ihrer Wange streichelte.

Sein Duft hüllte sie ein, weckte ein Verlangen in ihr, wie sie es noch nie in ihrem Leben empfunden hatte.

„In den vergangenen Tagen“, sagte er leise, und seine Stimme klang rau dabei, „habe ich mir fest vorgenommen, das nicht zu tun. Du berauschst meine Sinne in einem Ausmaß, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte. Die ganze Woche habe ich mich gefragt, wie es wohl sein würde.“

Sie schluckte. „Wie was sein würde?“ Aber sie kannte die Antwort bereits. Der Himmel allein mochte wissen, wie oft sie in den vergangenen Tagen daran gedacht hatte. Sie hatte es nur nicht wahrhaben wollen.

Als Pascal die Worte aussprach, durchflutete sie ungeheure Erleichterung.

„Dich zu küssen.“

Er hörte auf, ihre Wange zu streicheln. Sein Finger unter ihrem Kinn war die einzige Berührung zwischen ihnen. Dann neigte er den Kopf. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft spielten keine Rolle mehr, als Alana die Augen schloss und sie seine Lippen auf ihren spürte. Es war ein sanfter Kuss, vorsichtig, tastend. Und doch entzündete er ein Feuer wilder Sehnsucht in ihren Adern.

Als er sich langsam zurückzog, entrang sich ihrer Kehle ein überaus verräterischer Laut. Sie wollte mehr als diesen einen keuschen Kuss. Und er – offensichtlich – auch.

Denn als er diesmal ihre Lippen berührte, war von Zurückhaltung nichts mehr zu spüren. Pascal löste die Spange an ihrem Hinterkopf und fuhr mit einer Hand durch die nun offen fallenden, seidigen Strähnen. Den anderen Arm schlang er um ihre Taille und zog Alana enger an sich.

Das Gefühl, seinen Körper zu spüren, löschte ihr bewusstes Denken aus. Sie genoss es, die harten Muskeln seines Oberkörpers zu fühlen, die sich gegen ihre weichen Brüste pressten.

Ihre Körper schienen miteinander zu verschmelzen. Schließlich unterbrach Pascal den Kuss und schaute Alana aufmerksam an. In seinen dunklen Augen brannte dasselbe Verlangen, das auch tief in ihrem Innern loderte. Dass sie spürte, wie erregt er war, intensivierte das Gefühl noch. Gleichzeitig empfand sie Verwirrung.

Bevor sie etwas sagen konnte, legte Pascal einen Finger auf ihren Mund. Die Weichheit ihrer Lippen, ihr warmer Atem fachte sein Begehren noch weiter an. Beinahe hätte er laut aufgestöhnt, überwältigt von der Lust, hier und jetzt mit ihr zu schlafen. Aber er ahnte, dass sie ihn, wenn er sie jetzt bedrängte, sofort zurückweisen würde. „Nicht denken. Nicht sprechen. Nur fühlen.“

Als er sie diesmal küsste, war ihr Mund leicht geöffnet. Ihr Atem vermischte sich. Vorsichtig ließ Pascal seine Zunge in ihre seidige Höhle gleiten. Alana umklammerte seine Schultern fester. Natürlich war sie schon früher geküsst worden. Doch wenn Ryan sie geküsst hatte, dann ohne Zärtlichkeit und Finesse.

Dieser Kuss spielte in einer anderen Liga. Auf unglaublich erotische Weise ließ Pascal seine Zunge mit ihrer tanzen, ließ sie erkunden, nur um sich wieder zurückzuziehen, lud Alana ein, ihm zu folgen. Und das tat sie. Sie schlang die Arme enger um seinen Nacken, presste sich gegen seinen Körper und ließ auch ihre Zunge in seinen Mund gleiten. Ein leises Stöhnen war ihre Belohnung. Sie fühlte sich wahnsinnig sexy. Sie allein kontrollierte die Geschwindigkeit, die Bewegungen. Ganz sanft biss sie auf Pascals Unterlippe, liebkoste sie mit der Zunge, saugte an ihr, bevor ihre Zungen wieder zu ihrem sinnlichen Tanz zurückkehrten.

Er fuhr mit einer Hand unter ihr Top und streichelte die weiche Haut an ihrer Taille. Ihre Beine begannen zu zittern. Einen Moment hielt er inne, als warte er auf ein Zeichen der Erlaubnis. Sie gab es ihm und spürte, wie er lächelte.

Langsam ließ er seine Hand über ihren Rücken wandern. Mit geübtem Griff löste er den Verschluss ihres BHs. Alana spürte, wie der weiche Satinstoff über ihren Körper streifte. Sie war so verzaubert von dem Rausch der Lust, der sie umschlungen hielt, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, als dass Pascal ihre Brüste umfasste – was er auch sogleich tat. Das Gefühl war so atemberaubend erotisch, dass sie unwillkürlich aufstöhnte.

Alana stellte sich auf die Zehenspitzen, um seine Männlichkeit an dem empfindsamen Zentrum zwischen ihren Beinen zu spüren. Sie konnte nichts anderes tun, als in seine von Leidenschaft umwölkten Augen zu sehen und sich dem Gefühl hinzugeben, das er, während er mit den Daumen ihre verhärteten Knospen massierte, in ihr weckte.

Sie biss sich auf die Unterlippe und warf den Kopf in den Nacken. Da flüsterte Pascal ihr leise ins Ohr: „Ich möchte deine Brüste küssen, bis du nicht mehr klar denken kannst … bis du so feucht bist, dass in dich einzutauchen die einfachste Sache der Welt ist.“

Eine Million Gedanken wirbelten durch Alanas Kopf. Was geschah nur mit ihr? Sie sollte entsetzt sein, doch das war sie nicht. Nie in ihrem Leben hätte sie es für möglich gehalten, so empfänglich auf einen Mann zu reagieren. Und dabei hatten sie kaum mehr getan, als sie bereits als Teenager auf irgendeinem Rücksitz eines Wagens erlebt hatte.

Pascal sah, wie ihr Blick sich klärte. Er musste sich zurückziehen, auch wenn ihn das umbrachte. Geschickt schloss er den BH wieder, trat einen Schritt zurück und zog ihr Oberteil nach unten. Ihr Körper mit seinen sinnlichen Kurven war verführerischer, als er erwartet hatte. Es war ein Verbrechen, ihn unter dicker Kleidung in dunklen Farben zu verbergen.

Er legte eine Hand auf ihre Schulter und ignorierte sein brennendes Verlangen, das nach Erlösung schrie. „Ich muss jetzt gehen. Ich wünschte, es wäre nicht so, aber es ist unvermeidlich. Du könntest mit mir kommen?“, fragte er, merkte jedoch, wie Alana sich bereits versteifte. „Nein“, antwortete er für sie. „Dafür ist es zu früh.“

Dann ging er zum Stuhl hinüber, über dem sein Mantel hing, und zog ihn an. Sein Blick fiel auf den Tisch, auf dem die Kärtchen lagen, die jeden Blumenstrauß begleitet hatten. Ein seltsames Gefühl stieg in ihm auf. Noch nie hatte er so viel Aufwand betrieben. Er war es gewohnt, dass Frauen Ja sagten. Doch in letzter Zeit hatten seine Verabredungen ein Gefühl der Leere in ihm hinterlassen. Und Alana zu küssen hatte ihn sich wieder wie ein hormongesteuerter Teenager fühlen lassen!

Dankbar über die Distanz, beobachtete Alana, wie Pascal in seinen Mantel schlüpfte. Was hatte er da gerade mit ihr gemacht? Was dachte er sich eigentlich dabei, einfach in ihr Haus zu spazieren und ihre sorgsam eingerichtete Welt auf den Kopf zu stellen? Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

„Schau mich bitte nicht so an“, meinte er, als er ihren Blick sah.

„Ich will das nicht“, erwiderte sie angespannt. „Ich will dich nicht.“

Mit wenigen Schritten stand er wieder vor ihr. „Ich glaube, ich habe dir gerade bewiesen, dass du mich willst. Und ich will dich auch. Sehr sogar.“

Er griff nach ihrer Hand und ließ sie seine sinnliche Qual spüren. Alana errötete bis in die Haarspitzen.

„Zwischen uns existiert etwas ganz Besonderes, Alana. Und ich werde nicht zulassen, dass du mich zurückweist, nur weil du dich davor fürchtest.“

Hastig zog sie ihre Hand zurück, bevor seine offenkundige Erregung ihr jede Fähigkeit zum Denken raubte. „Ich habe keine Angst.“ Lügnerin! „Ich will das nur nicht. Wirklich nicht.“

„Wir sind bereits mittendrin. Es gibt kein Zurück mehr. Du hättest die Blumen nicht annehmen sollen.“ Er deutete auf einen der Sträuße. „Du hättest mich nicht in dein Haus lassen müssen, hättest mich gleich wieder fortschicken können.“

Ein mulmiges Gefühl stieg in ihr auf. Er hatte recht. Völlig kampflos hatte sie sich ergeben. Hatte sie denn gar nichts gelernt?

„Berichtest du von dem Spiel in Italien nächstes Wochenende?“

Sein abrupter Themenwechsel überraschte sie. „Ja, ja, das tue ich.“

„Ich besitze ein Apartment in Rom. Komm doch schon Freitagnacht und bleib das Wochenende. Ich muss mich auch bei dem Spiel blicken lassen. Außerdem sponsert meine Bank einen Wohltätigkeitsball am Samstagabend. Du könntest mich begleiten.“

Automatisch schüttelte Alana den Kopf. „Mein Flug für Samstagmorgen ist bereits gebucht. Ich fliege zusammen mit meinen Kollegen. Und man erwartet mich schon Sonntagmorgen zurück.“

„Und du tust immer, was man dir sagt?“, fragte er entwaffnend sanft.

So sanft, dass gegen ihren Willen schmerzhafte Erinnerungen in ihr aufstiegen. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie sich nicht um Regeln geschert hatte. Damals hatte sie Ryan kennengelernt und sich in den unkonventionellen jungen Wilden verliebt, für den sie ihn gehalten hatte. Aber sie hatte ihn völlig falsch eingeschätzt. Seine Leidenschaft hatte niemals ihr gegolten, sondern nur Geld und Ruhm.

Alana schaute auf. Gefangen zwischen zwei Welten, einer unsicheren Zukunft und einer schmerzhaften Vergangenheit, klammerte sie sich unwillkürlich an etwas, das sie in Pascals Augen zu sehen glaubte.

„Mein Flugzeug steht dir jederzeit zur Verfügung.“

„Das ist verrückt.“

„Jederzeit“, wiederholte er. „Ich würde gerne das Wochenende mit dir verbringen. Aber ich will dich zu nichts zwingen, was du nicht willst. Oder wozu du nicht bereit bist.“ Er reichte ihr eine Visitenkarte. „Hier sind all meine Telefonnummern, auch die meiner Assistentin. Wenn du nach Rom kommen möchtest, ruf sie einfach an. Sie kümmert sich um die Organisation.“

Alles in Alana rebellierte bei dem Gedanken, sich ihm ohne jede Gegenwehr zu ergeben. Doch ein anderer Teil von ihr sehnte sich danach, es einfach zu tun. Wollte sie wirklich ihr ganzes restliches Leben enthaltsam verbringen? Pascal, so viel hatte sie aus den Zeitungsartikeln gelernt, verbrachte immer nur wenige Wochen mit einer Frau. Vielleicht war es genau das, was sie brauchte. Eine kurze Affäre ohne Verpflichtungen.

Unterdessen stand Pascal schon in der Tür. Hastig folgte Alana ihm. Und bevor sie etwas sagen konnte, hatte er Alana fest in die Arme geschlossen und küsste sie leidenschaftlich. Wieder ließ er seine Zunge in ihren Mund gleiten, was ihren Herzschlag binnen Sekunden verdoppelte. Sie spürte bereits, wie jeder innere Widerstand dahinschmolz. Doch dann zog er sich auch schon zurück.

„Siehst du?“, war alles, was er zu sagen brauchte.

Wie auf ein magisches Zeichen hin tauchte ein schwarzer Wagen auf und hielt vor ihrem Haus. Pascal stieg ein, der Wagen fuhr davon.

Alana ballte die Hände zu Fäusten. Wilde unzusammenhängende Gedanken wirbelten durch ihren Kopf. Die Mauern, die sie so sorgfältig um ihre Gefühle errichtet hatte, waren allesamt eingestürzt. Nur eines wusste sie mit absoluter Sicherheit. Auf keinen Fall würde sie sein Angebot annehmen. Niemals.

Niemals, wiederholte eine spöttische Stimme in ihrem Kopf, als sie eine Woche später auf der Rückbank des eleganten Lexus saß. Es war Freitagabend, es herrschte nur wenig Verkehr. Die Fahrt zum Flughafen würde nicht lange dauern. Ihr blieb kaum Zeit, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken.

Ihre Tasche hatte sie gestern Nacht gepackt. Heute Morgen dann hatte sie ihren verdutzten Kollegen verkündet, dass sie nicht mit ihnen nach Rom fliegen würde.

Anschließend hatte sie Pascals Assistentin angerufen. Die Frau hatte um einige Informationen gebeten, um alles in die Wege zu leiten, und sie innerhalb von zehn Minuten mit den notwendigen Details zurückgerufen.

Und jetzt war sie hier.

Auf dem Weg nach Rom, um Pascal Lévêques neue Geliebte zu werden.

Und das vorherrschende Gefühl, das sie bei dem Gedanken empfand, war Vorfreude. Es ging nicht anders, sie musste es sich eingestehen. Jeden Tag hatte sie einen anderen Entschluss gefasst. Kaum hatte sie entschieden, sein Angebot eben niemals anzunehmen, ertappte sie sich dabei, wie sie, Löcher in die Luft starrend, sich an seinen wundervollen Kuss erinnerte.

Pascal rief sie jeden Abend an, erwähnte die Einladung nach Rom aber mit keinem Wort. Vielmehr wollte er wissen, wie ihr Tag war, und erzählte von seinem. Er war ein Meister darin, ihre abwehrende Haltung zu unterwandern, sodass sie sich gegen Ende der Woche schon auf seine Anrufe freute. Doch erst gestern Nacht, als sie aus einem unglaublich erotischen Traum aufwachte, war sie kurz entschlossen aufgestanden und hatte ihre Tasche gepackt.

Ein weiterer dunkler Wagen erwartete sie auf dem Rollfeld des Flughafens in Rom. Alana atmete noch einmal tief durch, dann schritt sie die Gangway hinunter. Sie trug noch das Outfit, in dem sie heute zur Arbeit gekommen war. Ein schwarzes Trägerkleid, darunter eine weiße Bluse mit einer kurzen Krawatte, Seidenstrümpfe und hohe Schuhe. Ihre Rüstung.

Und dann sah sie Pascal, der gerade aus dem Wagen stieg. In seinen Jeans wirkte er entspannt und atemberaubend attraktiv zugleich. Er machte keinen Versuch, sie zu berühren. Auf seiner Miene zeichnete sich kein Triumph ab, wie Alana erleichtert feststellte. Ansonsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und dem Piloten befohlen, sie sofort wieder nach Dublin zu fliegen.

Nachdem ihr Koffer verstaut war und sie im Wagen saß, gab Pascal dem Chauffeur ein Zeichen zum Losfahren.

Auf so kleinem Raum mit Pascal eingeschlossen zu sein, versetzte Alana in einen geradezu rauschhaften Zustand. Plötzlich empfand sie ihre Bluse und die Krawatte als unangenehm einengend.

Als sie Rom erreichten, begann Pascal, sie auf Sehenswürdigkeiten hinzuweisen. Seine Stimme klang tief und samtig. Das allein reichte aus, um eine Reaktion in ihrem Körper hervorzurufen. Die feinen Härchen auf ihrer Haut richteten sich auf. Gleichzeitig erlebte sie es als beruhigend, seinen Worten zu lauschen. Noch immer hatte sie ihn nicht direkt angesehen. Nun jedoch legte er eine Hand unter ihr Kinn und drehte ihren Kopf in seine Richtung.

Hatte sie auch nur den Hauch einer Ahnung, wie wunderschön sie aussah? Wusste sie, welche Wirkung sie in diesem Outfit auf ihn ausübte? Diese verdammte Bluse mit der verfluchten Krawatte hatte seine Fantasie die ganze vergangene Woche befeuert. Sie hatte die Augen weit aufgerissen, in ihren Tiefen vermeinte er Furcht zu erkennen.

„Danke“, sagte er leise.

Sie schluckte. „Ich weiß nicht, ob ich das Richtige tue.“

„Traust du deinem Urteilsvermögen nicht?“

Er spürte, wie sie sich versteifte. Woran hatte er da mit seinen Worten gerührt?

Sie griff nach seiner Hand, mit der er ihr Kinn umfasst hielt. „Genau das ist das Problem“, erwiderte sie hölzern. „Meine Menschenkenntnis lässt sehr zu wünschen übrig.“

Ihr Mann, überlegte er. Sie sprach über ihre Ehe. Am liebsten hätte er sie gefragt, was genau sie damit meinte. Aber irrelevante Details über die amouröse Vergangenheit seiner Geliebten hatten ihn noch nie interessiert. Deshalb schob er den spontanen Wunsch beiseite. Er wollte, dass sie sich allein auf ihn konzentrierte. „Alana“, sagte er und schob seine Finger zwischen ihre. „Was zwischen uns passiert, ist zu wichtig, als dass wir es ignorieren könnten. Vertrau mir … zumindest in dieser Hinsicht.“

Sie gab es auf, ihm ihre Hand zu entziehen. Und sie versuchte nicht länger, ihm nicht in die Augen zu sehen. Dunkel schimmerte in ihnen ein sehr sinnliches Versprechen.

Die Luft zwischen ihnen begann zu prickeln. Er hatte nicht übertrieben. Niemals zuvor hatte jemand solche Gefühle in ihr hervorgerufen. Vor langer Zeit hatte sie geglaubt, romantisch und naiv wie sie war, nur ihr Ehemann könnte solche Empfindungen in ihr wecken.

Vielleicht erhielt sie durch Pascal die Chance auf ein neues Leben. Eines ohne das Gefühl, für Ryans Tod Buße tun zu müssen.

„Wir sind da.“

Instinktiv verstärkte Alana ihren Griff um Pascals Hand. Er rührte sich nicht, ließ sie in aller Ruhe die Umgebung betrachten. Der Wagen stand in einer ruhigen Seitenstraße. Eine alte Treppe führte zu einem von dichtem grünen Laub umrankten Torbogen empor, hinter dem in einiger Entfernung eine imposante Tür zu sehen war.

Der Fahrer holte ihren Koffer und öffnete den Wagenschlag. Alana stieg aus. Die Nacht in Rom war angenehm kühl, ein zarter Blumenduft erfüllte die Luft. Pascal übernahm ihren Koffer und griff wieder nach ihrer Hand. Dann führte er sie die Treppe hinauf und schloss die Eingangstür auf.

Sie betraten einen luftigen Raum mit hohen Decken und großen Fenstern. Zu einer Seite hin öffnete er sich zu einer Küche, zur anderen ging er in einen Wohnbereich über. Die vorherrschende Farbe war Weiß. Nur Bilder an den Wänden und bunte Kissen sorgten für kleine Farbtupfer.

„Komm mit, ich zeige dir die oberen Zimmer.“

Schweigend folgte sie ihm eine weitere Treppe hinauf und dann in ein überaus luxuriöses Schlafzimmer. Der Teppich war so weich, dass sie nicht anders konnte und ihre Schuhe auszog.

„Ich hoffe, du hast nichts dagegen“, erwiderte sie auf seinen fragenden Blick hin. „Aber die Dinger bringen mich noch um.“

Er schüttelte den Kopf. „Ganz und gar nicht.“ Er stellte ihren Koffer am Fußende des Bettes ab. „Das hier ist dein Zimmer, Alana.“ Er deutete über den Flur auf eine offene Tür. Dahinter war ein zweites, in wesentlich maskulineren Tönen gehaltenes Schlafzimmer zu sehen. „Dort schlafe ich.“ Er wandte sich wieder zu ihr um und steckte die Hände in die Hosentaschen. „Viel lieber würde ich dich bitten, das Bett mit mir zu teilen, aber diese Entscheidung liegt allein bei dir.“

Alana biss sich auf die Unterlippe. Er konnte unmöglich ahnen, wie wichtig es ihr war, dass er sie nicht drängte. „Danke. Ich weiß das zu schätzen.“

Er streckte die Hand aus. „Lass deine Sachen einfach hier stehen. Du musst hungrig sein. Gehen wir wieder nach unten, dann koche ich etwas für uns.“

Sie schlüpfte aus ihrem Jackett und spürte, wie ungezügelte Energie ihren Arm emporschoss, als Pascal ihre Hand ergriff. „Du kannst kochen?“

Ein verschmitztes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Pasta mit Tomatensauce bekomme ich ganz gut hin. Hast du Hunger?“

Genau in dem Moment gab ihr Magen ein grummelndes Geräusch von sich. Alana lächelte. „Großen.“

Nach dem Essen schlenderte Alana mit einem Glas Wein in der Hand durch das Wohnzimmer und sah sich die Bilder an den Wänden an. Eine Schwarz-weiß-Fotografie faszinierte sie besonders. Sie zeigte das von tiefen Linien durchzogene Gesicht eines alten Mannes, das ihr vage vertraut vorkam. In seinen dunklen Augen spiegelte sich ein solcher Reichtum an Emotionen, dass sie das Gefühl hatte, er trete durch das Bild hindurch mit ihr in Verbindung.

„Das ist mein Großvater.“

Pascal stand ein paar Meter hinter ihr. Nun wusste sie, weshalb ihr das Gesicht so bekannt vorgekommen war.

„Hast du die Aufnahme gemacht?“

Er schüttelte den Kopf. Instinktiv wusste er, dass Alana dieselben Dinge wie er in diesem Bild sah. Niemand sonst hatte so lange davorgestanden. Die Erkenntnis schnürte ihm die Brust zu. Ohne ihr in die Augen blicken zu können, sagte er mit rauer Stimme: „Nein. Meine Talente liegen in Zahlen und Fakten. Ein amerikanischer Fotograf hat das Foto während seiner Reise durch Südfrankreich gemacht. Nach dem Tod meines Großvaters habe ich ihn aufgespürt und ihn um einen Abzug gebeten.“

„Ihr müsst euch sehr nahe gestanden haben. Du hast einmal erwähnt, dass ihr viel Zeit miteinander verbracht habt.“

Pascal nickte nur, und Alana fragte nicht weiter nach. Sie verstand das Bedürfnis, gewisse Dinge für sich zu behalten. Sie setzte sich wieder in Bewegung, um auch die anderen Kunstwerke im Wohnzimmer zu bewundern.

Als sie sich schließlich wieder zu Pascal umdrehte, war ihr Weinglas leer. Eigentlich hatte sie ihn nach noch einem Schluck fragen wollen, doch bereits jetzt spürte sie die Wirkung des Alkohols. Eine sinnliche Sehnsucht pulsierte zwischen ihnen, schwer und träge. Zu viel, zu früh. Pascal trat auf sie zu, doch sie schüttelte rasch den Kopf. Sie war noch nicht bereit. In seinen Augen konnte sie lesen, dass er es längst wusste. Seine Voraussicht erschreckte sie. Sie war es nicht gewohnt, dass Menschen ihre Wünsche ahnten oder überhaupt wahrnahmen.

„Du musst müde sein.“

Sie zwang sich zu einem Lächeln. Sie war alles andere als müde. „Ich bin seit heute Morgen auf den Beinen. Ich denke, ich werde zu Bett gehen.“

Das Wörtchen allein gesellte sich zu der Sehnsucht, die noch immer zwischen ihnen schwebte. Tat sie das Richtige? Ihr Körper sagte Nein, aber ihr Kopf sagte Ja.

„Natürlich. Wann musst du morgen bei der Arbeit sein?“

Alana schaute auf die Uhr. „Ich treffe mich mit dem Team um die Mittagszeit im Stadio Flaminio. Anstoß ist dann um drei.“

„Mein Chauffeur wird dich hinbringen.“

„Bist du sicher? Ich kann auch ein Taxi nehmen.“

Er schüttelte den Kopf und nahm ihr das Weinglas aus der Hand. „Dors bien, Alana. Schlaf gut.“

4. KAPITEL

Schwer atmend erreichte Alana ihr Zimmer. Sie hastete ins angrenzende Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen schimmerten glasig. Himmel, was hatte sie gerade getan? Sie ließ den Kopf sinken und klammerte sich am Waschbecken fest.

Erst nach geraumer Weile kehrte sie ins Schlafzimmer zurück und redete sich ein, dass ihre Tasche auspacken genau das war, was sie jetzt tun wollte. Ein Seidenkleid glitt ihr aus den zitternden Fingern. Es war eines der wenigen Kleider, die sie aus der Zeit ihrer Ehe behalten hatte. Ryan hatte sich über sie lustig gemacht, als sie es zum ersten und einzigen Mal getragen hatte. Für seinen Geschmack war es viel zu bieder, Alana hingegen fand es recht freizügig. Bis jetzt.

Sorgsam hängte sie es auf einen Bügel in den Schrank, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, warum sie es überhaupt mitgebracht hatte.

Anstatt sich nun auszuziehen, setzte sie sich auf die Bettkante. Ihr Herzschlag wollte nicht zur Ruhe kommen. Es war, als wisse ihr Körper längst um das Unvermeidliche. Sie konnte es sich nicht länger verweigern.

Sie stand auf und ging zur Tür. Das einzige Licht kam von unten. Am Treppenabsatz blieb sie stehen. Pascal saß noch auf dem Sofa, die Beine vor sich ausgestreckt, ein Glas Wein in der Hand, und starrte nachdenklich vor sich hin. Beinahe hätte sie wieder kehrtgemacht, aber dann hob er den Kopf.

In seinen Augen schimmerte eine unausgesprochene Bitte. Geh nicht. Ihr wurde klar, dass sie gar nicht gehen konnte, selbst wenn sie gewollt hätte. Langsam schritt sie die Stufen hinunter. Je näher sie ihm kam, desto heißer loderte das Feuer in ihrem Innern.

Als sie unten angekommen war, stellte Pascal das Weinglas ab und erhob sich. Sie konzentrierte sich auf seine Augen. Dunkel und funkelnd.

„Ich konnte nicht schlafen.“

„Aber du warst doch erst zehn Minuten weg …“

„Ich weiß, dass ich nicht schlafen kann.“

„Was möchtest du, Alana?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich möchte … ich will …“ Sie wurde rot im Gesicht. „Du weißt, was ich will. Zwing mich bitte nicht dazu, es zu sagen.“

„Zeig mir, was du willst.“ Seine Stimme klang weich und sanft.

Zögernd machte Alana einen Schritt auf ihn zu. Endlich stand sie unmittelbar vor ihm. Sie wagte kaum zu atmen. Vorsichtig legte sie die Hände auf seine Schultern. Sie waren viel breiter und muskulöser, als sie sie in Erinnerung hatte. Noch ein winziger Schritt. Pascal rührte sich nicht.

Sie schaute zu ihm auf. „Kannst du nicht …“

„Ich soll dir die Entscheidung abnehmen, sodass du sie nicht zu treffen brauchst?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein. Ich muss wissen, dass du das wirklich willst. Ich möchte mir morgen keine Schuldzuweisungen und Anklagen anhören müssen.“

Verdammt! Aber Alanas Verlangen war größer als ihre Hemmungen. Sie drängte sich enger an ihn und schlang die Arme um seinen Nacken. Ihre Brüste pressten sich gegen seinen Oberkörper. Sie hörte, wie er scharf den Atem einsog. Das Geräusch freute sie sehr. Mochte er noch so kontrolliert wirken, sie ahnte, auf wie wackligen Füßen seine Selbstbeherrschung stand.

Sie fuhr mit den Fingern durch sein Haar, zog seinen Kopf zu sich herunter. Auf die Zehenspitzen gestellt, versuchte sie, ihn auf den Mund zu küssen. Plötzlich fühlte sie sich wieder ganz schüchtern. Letzten Endes küsste sie seine Nase, sein Kinn. Alana gab auf und ließ ihn los. Wie lächerlich sie sich aufführte! Bestimmt hatte er damit gerechnet, dass sie auf ihn zustolzieren würde, ihn rittlings aufs Sofa drücken und ihn nach allen Regeln der Kunst verführen würde.

„Es tut mir leid“, erklärte sie verlegen. „Es ist schon eine Weile her. Wahrscheinlich hast du etwas anderes erwartet.“

Sie wandte sich zum Gehen, doch er fasste sie am Handgelenk und hielt sie zurück. Sie taumelte gegen ihn. Mit der selbstsicheren Geschicklichkeit, an der es ihr mangelte, umfasste er ihren Kopf und zog Alana eng an sich.

„Ganz und gar nicht. Ich wollte nur sicher sein, dass du dafür bereit bist.“

„Vielleicht bin ich das nicht“, murmelte sie und verlor sich in den dunklen Tiefen seiner Augen.

„Ich denke, schon.“ Und dann neigte er den Kopf und küsste sie, genau so, wie sie es sich seit einer Woche erträumte. Wieder schlang sie die Arme um seinen Nacken, schmiegte sich an ihn.

Sie nahmen sich kaum Zeit, um Luft zu holen. Jede Schüchternheit war vergessen. Anfangs küssten sie einander noch langsam, sinnlich, tastend. Dann gewann der Kuss immer mehr Leidenschaft, die schließlich in ein glühendes Inferno überging.

Irgendwie, Alana hatte keine Ahnung, wie, hatte Pascal sie durchs Zimmer geschoben, sodass sie nun mit dem Rücken gegen eine Wand lehnte. Er hob den Kopf. Alana fühlte sich, als seien die Knochen in ihrem Leib geschmolzen.

Mit einem Finger fuhr er über ihre geröteten Lippen, ihr Kinn, ihren Hals, bis zu dem obersten Knopf ihrer Bluse. Ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen, nur um dann mit doppelter Geschwindigkeit wieder einzusetzen.

„Weißt du, was du mit diesem Outfit anrichtest?“

Sie schüttelte den Kopf. Alles, was sie wusste, war, dass sie sich so schnell wie möglich ausziehen wollte.

Er begann, ganz langsam ihre Krawatte zu lösen. „So sehr mich das alles auch anmacht“, flüsterte er. „Ich denke, ich werde es verbrennen müssen.“

„Zu Hause habe ich zehn ähnliche Kombinationen“, erwiderte sie.

„Dann wird es ein großes Feuer“, sagte Pascal ebenso sachlich und warf die Krawatte hinter sich. Anschließend widmete er sich der Bluse.

Alana legte den Kopf in den Nacken, um ihm den Zugang zu erleichtern. Er nutzte ihre verletzliche Lage aus und küsste sie sanft auf den Hals. Ein lustvolles Stöhnen entrang sich ihrer Kehle. Sie befand sich in einem Land voller Sinnlichkeit, von deren Existenz sie keine Ahnung gehabt hatte. Immer wenn sie andere Frauen von überwältigender Lust hatte erzählen hören, hatte sie insgeheim gedacht, sie würden ziemlich übertreiben. Jetzt wusste sie es besser.

Sie spürte Pascals wachsende Ungeduld, weil ihm das Vorderteil des Kleides im Weg war. „Wie ziehe ich dir das Ding aus?“, knurrte er.

Alana drehte sich zur Wand. „Reißverschluss. Auf der Rückseite.“

Sie hörte, wie er den Verschluss nach unten zog, dann wandte er sie wieder zu sich um. Er presste seine Lippen auf ihre und schob die Träger des Kleides über ihre Arme. Es glitt an ihrem Körper entlang zu Boden.

Jetzt war sie an der Reihe. Alana fuhr mit den Händen unter den Saum seines Kaschmirpullovers. Gehorsam hob er die Arme und zog ihn über den Kopf. Mit nackter Brust stand er nun vor ihr. Ihre Augen weiteten sich, als sie in dem schwachen Licht der Lampen die bronzefarbene Haut sah. Seidenweiche Härchen bedeckten seine Brustmuskeln, vereinigten sich dann zu einer feinen Linie, die über seinen Bauch und weiter nach unten führte.

Abermals zog Pascal sie an sich. Sie verlor sich in dem himmlischen Gefühl, seine nackte Brust zu berühren. Mit beiden Händen streichelte sie seinen Rücken, spürte die Wärme seines Körpers. Wieder bedeckte er ihren Hals mit leidenschaftlichen Küssen, während er kurz ihren Po umfasste, bevor er seine Hände zu der nackten Haut an ihren Beinen oberhalb der Strümpfe wandern ließ. Sofort zuckte er zurück und schaute mit glitzernden Augen nach unten.

„Mon Dieu.“

„Was?“, fragte sie verunsichert.

Ein Grinsen erhellte sein Gesicht. „Strümpfe. Richtige Strümpfe. Und ein Strapsgürtel.“ Was ihn noch mehr erregte, war die Vermutung, dass sie sich jeden Tag so anzog, nicht extra für ihn.

„Ich wusste doch, dass sich hinter der kühlen Fassade eine sehr sexy und sinnliche Frau verbirgt.“

Er küsste sie auf den Mund und machte mit den restlichen Knöpfen kurzen Prozess. Einen Moment schaute er ihr tief in die Augen, dann gesellte sich die Bluse zu dem Kleid auf den Boden.

Das Verlangen in seinen Augen ließ auch das Feuer in ihrem Innern heller auflodern. Ihre Brüste schienen gegen den weichen Satin-BH zu drängen, in den bereits hart aufgerichteten Knospen verspürte sie ein süßes Ziehen. Pascal ließ einen Träger über ihre Schultern gleiten, entblößte eine ihrer Brüste und hauchte einen sanften Kuss auf die Spitze.

„Weißt du noch, was ich dir gesagt habe?“, flüsterte er.

Sie nickte heftig. Die Erinnerung an seine Worte sandte eine Woge der Lust durch ihren Körper.

Da neigte er auch schon den Kopf und blies seinen warmen Atem auf die empfindsame Knospe, bevor er sie zärtlich in den Mund nahm. Alanas Kopf sank in den Nacken. Sie konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. Sie erkannte sich selbst kaum wieder.

Es schien eine direkte Verbindung zwischen ihren Brüsten und ihrem weiblichen Zentrum zu bestehen, denn die Gefühle, die Pascals Zärtlichkeiten in ihr auslösten, spürte sie vor allem dort. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie sich immer enger an ihn presste, suchend, sehnend, mehr wollend.

Mit seinem Mund bereitete er ihr die süßesten Qualen. Ihr stockte der Atem. Dann streckte er die Hand aus, hob ihr Bein an und legte es um seine Hüften. Mit der anderen Hand stützte er sie, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor. Seine Finger spielten mit dem Strapsgürtel. Er löste die Verschlüsse, fuhr mit der Hand zu ihrem Po, bevor er sie langsam zwischen ihre Beine gleiten ließ.

Unwillkürlich hielt sie den Atem an, als er ihr Höschen beiseite schob und sanft mit einem Finger in sie eintauchte. Und dann kannte er kein Erbarmen mehr. Unablässig verwöhnte er ihre Brüste mit Lippen, Zunge und Zähnen. Gleichzeitig hörte er nicht auf, wieder und wieder sehr sanft und geschickt in sie zu gleiten. Immer weiter reizte er sie, bis sie schließlich, als er mit dem Daumen einmal über die verborgene Perle ihrer Weiblichkeit strich, eine nie gekannte Ekstase erlebte. Sie konnte sich nur noch an ihm festklammern und die Wogen der Lust ihren Körper durchfluten lassen.

Ihr Bein glitt von seiner Hüfte. Alana fiel es schwer zu begreifen, was gerade mit ihr passiert war. Natürlich hatte sie über Explosionen der Leidenschaft gelesen, davon gehört. Aber …

„Alana, war das dein erster Orgasmus?“, fragte Pascal verwundert.

Sie zuckte innerlich zusammen. Für wie unerfahren und unreif musste er sie halten!

Er zog sie in seine Arme und hielt sie mit beruhigender Zärtlichkeit fest. Als spüre er ihre Anspannung, murmelte er: „Es gibt nichts, weswegen du verlegen sein müsstest. Ich empfinde es als Kompliment.“

Schüchtern und ein wenig ängstlich schaute sie ihn an. „Ich bin …“

„Sag es nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Du warst verheiratet. Hast du nie …?“

Diesmal schüttelte sie den Kopf. In ihrem Körper verebbten langsam die letzten Wogen. Sie fühlte sich immer noch ein bisschen so, als sei sie noch nicht wieder ganz auf der Erde gelandet. „Ryan … er hat mich nie so berührt. In den letzten drei Jahren unserer Ehe haben wir nicht mehr im selben Bett geschlafen.“

„Und ihr wart verheiratet für …“

„Fünf Jahre.“ Sie wollte jetzt nicht an Ryan denken. Sie wollte ein neues Leben anfangen. Ryan gehörte in die Vergangenheit.

„Alana …“

Sie legte einen Finger auf Pascals Lippen. „Bitte, ich möchte nicht mehr darüber reden, okay?“ Nach langem Schweigen nickte er. Alana seufzte erleichtert und stieß dann einen überraschten Laut aus, als Pascal sie in die Arme hob.

„Zeit, einen gemütlicheren Platz aufzusuchen. Zwar könnte ich es mir durchaus vorstellen, gleich hier und jetzt mit dir zu schlafen, aber ich denke, ich sollte dieser Versuchung widerstehen.“

Sie barg ihren Kopf an seiner Schulter, als er sie die Treppe hinauf und in sein Schlafzimmer trug.

Ein Teil von ihr wollte nichts lieber, als sich Pascal stürmisch und leidenschaftlich auf dem Boden im Wohnzimmer hinzugeben. Doch ein anderer Teil war ihm überaus dankbar, dass er sich so rücksichtsvoll verhielt.

„Ist das okay?“, fragte er.

Sie nickte. Zum ersten Mal seit langer Zeit war sie sich einer Sache völlig sicher. „Ja.“

Alana erwachte von dem aufregenden Gefühl, dass jemand sanft ihren Rücken streichelte. Pascal. Wärme breitete sich in ihr aus. Sie schlug ein Auge auf und sah, dass er sie lächelnd anschaute. Er wirkte voller Energie und sehr wach. Sein Duft stieg ihr in die Nase. Sexy. Die Wärme verwandelte sich in Hitze.

Die Erinnerungen an die vergangene Nacht kehrten zurück. Wie oft hatten sie sich geliebt? Wie oft hatte sie dank Pascal Erfüllung gefunden?

„Keine Schuldzuweisungen, keine Anklagen. Darüber waren wir uns einig, weißt du noch?“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Alana presste ihr Gesicht in das Kissen, damit er nicht sah, wie sie vor Verlegenheit errötete. Sie nickte. Dann spürte sie einen spielerischen Klaps auf den Po und merkte, dass Pascal sich vom Bett erhob.

„Komm schon, es ist Zeit aufzustehen. Der Wagen wird in einer halben Stunde hier sein.“

Erschrocken blickte Alana ihn an. „In einer halben Stunde?“ Fluchend setzte sie sich auf. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie gar nichts anhatte. Ihre Kleider lagen unten im Wohnzimmer. Sie saß in der Falle. Pascal stand zwischen ihr und der Tür zu ihrem Schlafzimmer. Noch war sie nicht so weit, bei Tageslicht nackt vor ihm herumzulaufen.

Amüsiert beobachtete er ihr Dilemma. Sie wickelte die Bettdecke um sich und marschierte an ihm vorbei.

Doch er hielt sie am Arm fest und zog sie an sich, um sie stürmisch zu küssen. „Noch darfst du die Decke benutzen, aber ich verspreche dir, im Nullkommanix wirst du dich mir nackt zeigen.“

„Niemals …“

Wieder küsste er sie auf seine unnachahmlich leidenschaftliche Weise. Und Alana wurde beschämt klar, dass sie in Kürze zu allen seinen Vorschlägen Ja sagen würde. Sie würde sogar nackt zu Arbeit gehen. Doch da unterbrach er den Kuss auch schon wieder und schob Alana sanft in Richtung Tür.

Während sie duschte, gab Alana sich ganz den Bildern hin, die vor ihrem inneren Auge auftauchten. Noch jetzt erschauerte sie, als ihr ein ganz bestimmter Moment wieder einfiel. Pascal hatte über ihr gekniet, ein feiner Schweißfilm glitzerte auf seiner Haut. Seine erregte Männlichkeit pulsierte an ihrem weiblichen Delta. Als wolle er sie wieder prüfen, hatte er gewartet, bis alles in ihr um Erfüllung flehte. Sie hatte sich ihm entgegengebogen, damit er endlich in sie eindrang, doch er rührte sich noch immer nicht. Schließlich hatte sie die Worte tatsächlich laut ausgesprochen. Erst dann war er langsam in sie eingetaucht.

Abrupt stellte Alana den Wasserstrahl auf eiskalt und ertrug die Tortur eine Minute. Irgendwie musste sie ihre überschäumenden Hormone unter Kontrolle bringen.

In der Halbzeitpause des Rugbyspiels kam Pascal zu ihr und nahm ihre Hand.

„Pascal, ich arbeite“, rief sie. Gerade hatte sie versucht, ein Interview mit dem Manager der englischen Mannschaft zu organisieren. „Du kannst nicht einfach herkommen und mich ablenken.“

Doch er ignorierte ihre Proteste und führte sie einen Flur entlang, bis sie einen kleinen Raum erreichten, in dem Putzsachen aufbewahrt wurden. Er schlüpfte hinein und schloss die Tür.

Ihr Körper reagierte bereits auf seine Nähe. Wie schnell, dachte sie noch, mir sein Duft vertraut geworden ist. In ihrem Kopf begannen nicht nur Alarmglocken zu schrillen, sondern Sirenen zu heulen und Warnlichter aufzublitzen.

Mit einer geschickten Bewegung löste er ihren Pferdeschwanz und ließ das Band in seiner Hosentasche verschwinden. Dann fuhr er mit den Händen durch ihr Haar und zerzauste es ein wenig. „Viel besser. Und jetzt …“

„Was?“

„Das.“ Er zog sie eng an sich und presste ungestüm seine Lippen auf ihre. Alana schlang die Hände um seine Taille, schob die Hände unter sein Hemd und streichelte seinen Rücken. Das Gefühl von Wärme breitete sich rasend schnell in ihr aus. Er öffnete bereits die Knöpfe an ihrer Bluse. Sie spürte die kühle Luft auf ihrer Haut, als er ihre Brüste umfasste. Die bereits verhärteten Knospen schienen gegen die Körbchen des BHs zu drängen. Hungrig erwiderte sie seine Küsse.

Auf einmal ein Geräusch – jemand versuchte die Tür zu öffnen. Der Bann war gebrochen. Rasch rief Pascal etwas auf Italienisch und machte sich daran, die Knöpfe ihrer Bluse wieder zu schließen. Alana hatte keine Ahnung, wie sie zurück zur Arbeit gehen und zwei zusammenhängende Sätze sprechen sollte.

Von dem restlichen Spiel bekam sie nicht wirklich viel mit. Irgendwie gelang es ihr, die anschließenden Interviews halbwegs anständig zu führen. Pascal wartete währenddessen auf sie, genauso wie er es bei ihrer ersten Begegnung in Dublin getan hatte.

Irgendwann war auch das letzte Interview geführt, der Rest des Wochenendes gehörte ihr.

Kurze Zeit später, auf der Rückbank von Pascals Wagen, zog er sie so nah an sich, dass sie praktisch auf seinem Schoß saß. Er küsste sie und sah sie fragend an.

„Bist du froh, dass du hier bist?“

Alana erwiderte den Blick. Ein seltsames Gefühl durchfuhr sie. Etwas schnürte ihr die Brust zusammen. Sie nickte. Dann neigte sie den Kopf und küsste ihn auf den Mund. Sie genoss die Freiheit, das tun zu dürfen. Binnen kürzester Zeit hatten sie eine Vertrautheit erreicht, die ihr vielleicht Angst machen würde, wenn sie genauer darüber nachdachte.

Sie hatte eine Affäre mit einem weltbekannten Playboy angefangen. Und diese Tatsache machte ihr Angst, bot ihr aber gleichzeitig Schutz. Illusionen brauchte sie sich gar nicht erst hinzugeben. Bald würde es auch schon wieder vorbei sein. Dann würde sie gehen und das Geschenk mitnehmen, das er ihr gemacht hatte: ein neues Leben. Mehr wollte sie nicht von ihm. So einfach war das.

Am Abend warf Alana einen letzten kritischen Blick in den Spiegel. Gerade als sie ihr Zimmer verlassen wollte, öffnete Pascal die Tür. Er blieb wie angewurzelt stehen und ließ seinen Blick hastig über ihren Körper wandern. Dann schlug er die Hände vor die Augen. „Ich glaube es nicht!“

Alana kam sich so dumm vor. Sie hätte das Kleid nicht anziehen sollen! Es war viel zu eng und viel zu freizügig. „Ich kann mich umziehen.“

Pascal rührte sich nicht.

Zögernd trat sie einen Schritt vor. „Sieht es wirklich so schlimm aus?“

Sie warf noch einen Blick auf ihr Spiegelbild, als Pascal ein Geräusch von sich gab, das ziemlich amüsiert klang.

Lachend nahm er die Hände vom Gesicht. „Es tut mir leid. Ich konnte nicht anders. So viel Haut zu sehen, hat mich einfach überrascht.“

Auf einmal musste auch sie lachen. Wütend war sie trotzdem. Sie schnappte sich ein Kissen vom Bett und warf es nach Pascal. Er fing es mit Leichtigkeit auf.

„Das Kleid ist atemberaubend“, sagte er.

„Nein, ist es nicht. Es ist …“

„Warum hast du es dann mitgebracht?“

Darauf wusste sie nichts zu erwidern. Pascal führte sie zu dem hohen Spiegel und drehte sie so, dass sie vor ihm stand. Seine Hände lagen auf ihren Hüften. Sie spürte seinen Körper hinter sich, groß und muskulös. In dem dunklen Anzug, den er trug, sah er atemberaubend gut aus. Sexy. Verführerisch.

„Schau dich an.“

Stattdessen schloss Alana die Augen. Ihre Wangen brannten vor Scham. Sie schüttelte den Kopf. „Ich hasse es, mich anzusehen.“

„Alana, schau dich an.“

Etwas in seiner Stimme brachte sie dazu, die Augen zu öffnen. Sie sah ein asymmetrisch geschnittenes Kleid aus schwarzer Seide, das ihr knapp bis zu den Knien reichte. Sie sah eine entblößte Schulter und die Andeutung der sanften Rundung ihrer Brust. Sie sah den Träger, der das Kleid auf ihrer anderen Schulter hielt, und die große rote Seidenblume, die daran befestigt war.

„Also, was stimmt nicht mit diesem Bild?“

Innerlich stöhnte Alana auf. Die Situation war ihr unendlich peinlich. Sie hätte eine Million Dollar gewettet, dass er keine seiner vorherigen Geliebten wegen ihres Kleides hatte beruhigen müssen.

Sie versuchte, sich umzudrehen. „Tut mir leid. Lass uns einfach gehen, okay?“

Aber er ließ sie nicht, sondern hielt sie weiter fest. Schlagartig änderte sich die Atmosphäre. Ein Prickeln lag in der Luft.

„Du bist wunderschön, Alana. Das Kleid steht dir ausgezeichnet. Es ist nicht zu freizügig. Eigentlich“, grummelte er mit gespielter Anzüglichkeit, „ist es nicht freizügig genug.“

Erst jetzt drehte er sie zu sich um. Er legte eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. „Was hat er dir angetan, Alana? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du schon immer so zurückhaltend warst.“

Plötzlich brannten Tränen in ihren Augen, ein dicker Kloß schnürte ihr die Kehle zu. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das war ich nicht. Er hat … er hat mir das Gefühl gegeben, billig zu sein. Das ist alles.“ Sie entzog sich seiner Umarmung und schaute auf ihre Armbanduhr. „Wir sollten jetzt wirklich gehen.“

Pascal hörte die verletzten Gefühle, die in ihrer belegten Stimme mitschwangen. Er sah ihr nach, wie sie aus dem Zimmer ging. Das Kleid umschmeichelte perfekt ihren wohlgerundeten Po.

Nach einem Moment folgte er ihr. Sie unterschied sich so sehr von allen anderen Frauen, die er kannte, er vermochte gar nicht zu sagen, welche Empfindungen das in ihm auslöste. Zweifellos, so beruhigte er sich, würde er sie in ein paar Wochen ansehen und sich fragen, weshalb er sich überhaupt zu ihr hingezogen gefühlt hatte.

Auf dem Wohltätigkeitsball, den seine Bank ausrichtete, fühlte Pascal sich extrem zu Alana hingezogen. In ihrem sexy Kleid erregte sie für seinen Geschmack viel zu viel Aufmerksamkeit. Nachdem er die letzten zwei Wochen damit verbracht hatte, sie aus ihrer hochgeschlossenen Uniform zu befreien, wollte er nun nichts lieber, als sie wieder darin zu verpacken.

Sein Bedürfnis, sie nicht von seiner Seite zu lassen, wurde noch dadurch verstärkt, dass ununterbrochen Geschäftspartner mit dem Vorwand zu ihm kamen, eine geschäftliche Kleinigkeit zu besprechen, in Wahrheit jedoch die Blicke kaum von Alana abwenden konnten. Alana jedoch schien davon überhaupt nichts mitzubekommen. Doch Pascal kannte sich bestens mit Frauen und ihren kleinen Tricks aus. Er war sich nur allzu bewusst, dass es ihre natürliche Schönheit war, die die Männer anlockte, die er allesamt für abgestumpfte Zyniker hielt. Aber war er denn so viel besser als diese Männer? Er hatte sie einfach nur zuerst gesehen.

Alle möglichen Gedanken wirbelten durch seinen Kopf. Unter anderem auch das Gefühl, er könne auf ihre offensichtliche Verletzlichkeit hereingefallen sein. Konnte sie denn wirklich so anders sein als andere Frauen?

Er murmelte etwas davon, ihnen Drinks zu holen, und ignorierte die Unsicherheit, die sofort in ihren Augen aufschimmerte. Er brauchte ein bisschen Zeit und Abstand.

Alana sah Pascal nach, wie er durch die Menge in Richtung Bar schritt. Unweigerlich fielen ihr dabei auch die kleineren Grüppchen Frauen auf, die ihn ebenfalls mit ihren Blicken verfolgten. Manche wandten sich mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihr um. Verunsichert ging sie auf eine Tür zu, die in einen kleinen idyllischen Garten führte.

Unwillkürlich stiegen Erinnerungen an ähnliche Situationen empor, die sie mit Ryan erlebt hatte. Kaum dass sie auf einer Party eingetroffen waren, hatte er sie keines Blickes mehr gewürdigt und sich auf direktem Weg zur Bar begeben. Den Rest des Abends hatte sie alleine verbringen dürfen, war schließlich alleine nach Hause gefahren und hatte morgens feststellen können, dass er die Nacht irgendwo anders verbracht hatte.

„Bella.“

Erschrocken wirbelte Alana herum. Ein Mann stand wenige Meter von ihr entfernt und musterte sie neugierig. Nervös blickte sie über die Schulter zurück in den Saal. Von Pascal war keine Spur zu sehen. Sie lächelte angespannt. „Es tut mir leid, ich spreche kein Italienisch. Außerdem warte ich auf jemanden.“

„Dann ist es ein glücklicher Zufall, dass ich Englisch spreche. Sie sind sehr hübsch.“

Alana errötete. „Vielen Dank.“ Der Mann war durchaus attraktiv, doch ging etwas vage Bedrohliches von ihm aus. Er machte ein paar Schritte auf sie zu und blockierte so ihren Weg zurück in den Saal.

„Bitte.“ Er bot ihr seine Hand. „Darf ich Ihren Namen erfahren?“

Sie sandte ein Stoßgebet zum Himmel, Pascal möge sie so bald wie möglich finden. Rasch schüttelte sie die dargebotene Hand. „Alana Cusack. Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Und jetzt entschuldigen Sie mich, mein Freund wird gleich hier sein.“

Sie drängte sich an dem Fremden vorbei, doch der streckte den Arm aus und hielt sie zurück.

„Aber ich habe Ihnen noch gar nicht meinen Namen genannt. Ich mag Ihren Akzent. Woher kommen Sie?“

Panik stieg in ihr auf. Sie fühlte sich in die Enge getrieben. „Ich will wirklich nicht unhöflich sein, aber ich möchte Ihren Namen nicht wissen, okay? Würden Sie mich jetzt bitte vorbeilassen?“

Nach einem schier endlosen Moment trat er beiseite, die Hände abwehrend erhoben. „Na, schön, dann gehen Sie halt. Ihr Pech.“

Alana nutzte die Gelegenheit und floh. Ihr Herz klopfte wie wild, und eine böse Vorahnung stieg in ihr auf. Sie kämpfte sich durch die Menschenmenge. Und dann sah sie Pascal. Der Partylärm verebbte zu einem Rauschen in ihren Ohren.

Er saß an der Bar und unterhielt sich mit einer Frau. Er wirkte nicht sonderlich in Eile, geschweige denn auf der Suche nach Alana. Die Frau sah extrem gut aus. Groß, blond, schlank. Sie trug ein glitzerndes Kleid mit einem sehr gewagten Schlitz, der ihre langen Beine perfekt zur Geltung brachte. Sie hatte eine Hand auf Pascals Hüfte gelegt und ihren Körper auf verführerische Weise in Position gebracht.

Alana fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Wieder war sie auf einen Mann hereingefallen, der nur für den nächsten Kick lebte, für die nächste Versuchung. Für die nächste Frau, die sich ihm an den Hals warf. Und dann sah sie, wie in Zeitlupe, dass Pascal seine Hand auf die der Frau legte. Gleich würde er sie an seine Lippen heben. Alana wusste es. Noch bevor sie sich umdrehen konnte, erreichte ihre Demütigung ihren traurigen Höhepunkt.

Pascal und die Frau wandten sich um, als hätten sie ihre Blicke quer durch den Raum gespürt. In den eisblauen Augen der Frau blitzte Triumph auf. In Pascals hingegen … Sie nahm sich nicht die Zeit, den Ausdruck zu lesen.

Erschüttert machte sie kehrt und stolperte auf Beinen wie aus Gummi durch die Menge in Richtung Ausgang.

5. KAPITEL

Auf der Treppe blieb Alana zitternd stehen.

„Darf ich Ihnen ein Taxi rufen, Madam?“

„Ja, bitte“, erwiderte sie dem freundlichen Portier. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie fahren sollte – ihre Sachen befanden sich in Pascals Wohnung. Sie wollte nur noch weg von hier.

„Sie braucht kein Taxi, sie gehört zu mir. Könnten Sie bitte meinem Fahrer Bescheid sagen?“, meldete sich eine vertraute Stimme hinter ihr. Wut klang in ihr mit. Alles in Alana versteifte sich.

Pascal legte die Hand auf ihren Arm und zwang Alana, sich umzudrehen. Der Zorn in seinen Augen entfachte auch welchen in ihr. Dass der Portier bereits losgelaufen war, um den Auftrag auszuführen, machte die Sache nicht besser.

„Ich glaube, ich habe ein Taxi bestellt. Trotzdem vielen Dank für dein Angebot.“

„Was, zur Hölle, ist da drinnen passiert?“

„Wieso? Du hast eine bessere Partie entdeckt und entschieden, ihr nachzujagen. Mich hast du ohne mit der Wimper zu zucken einem … einem schmierigen Widerling ausgeliefert.“

„Wovon sprichst du? Hat dich jemand belästigt? Hat dir jemand etwas getan?“

„Nein“, fuhr sie ihn wütend an, während sie erfolglos versuchte, sich aus seinem Griff zu winden. „Nicht, dass dir das überhaupt aufgefallen wäre. Aber da du nun schon einmal hier bist, kannst du mir die Schlüssel zu deinem Apartment geben. Ich würde gerne meinen Koffer packen. Wenn du nach Hause kommst, bin ich längst weg. Versprochen. Bestimmt möchtest du die Wohnung heute Nacht für dich haben.“

„Wie kommst du denn darauf? Ich bin zur Bar gegangen, um für dich und mich Drinks zu holen. Und als ich mich umgedreht habe, warst du weg. Ich habe dich gesucht, und als ich dich endlich wiederfinde, läufst du weg, als sei der Teufel hinter dir her.“

Er hatte nach ihr gesucht? Schon wollte sie sich entschuldigen, da fiel ihr die andere Frau wieder ein. Er und sie wirkten viel zu vertraut miteinander. Sie kannte Pascal erst seit zwei Wochen. Konnte sie ihm wirklich vertrauen?

„Deine charmante Begleiterin sieht das bestimmt anders. Sie schien zu glauben, dass du sehr interessiert an dem bist, was sie dir zu bieten hat.“

Mit Schrecken erinnerte Pascal sich an das, was das englische Model Cecilia Hampton ihm in der Tat angeboten hatte. Wie eine Kletterpflanze hatte sie sich an ihn geheftet und in dieser lächerlichen leisen Kleinmädchenstimme zu ihm gesprochen – ein beliebter Trick, um einen Mann zu zwingen, näher zu kommen. Gleichzeitig hatte sie ihm ihre falschen Brüste praktisch unter die Nase gehalten.

In diesem Moment hielt sein Wagen vor der Treppe. Mit einem erleichterten Seufzer führte er Alana die letzten Stufen hinunter und bugsierte sie in den Wagen. Er gab ihr gar nicht erst die Chance, es sich anders zu überlegen.

Kaum dass der Wagen sich in Bewegung setzte, entwand sie Pascal ihren Arm. Ihre Haut prickelte, wo seine Hand sie berührt hatte. „Wie kannst du es wagen? Ich will sofort aussteigen.“

Sie beugte sich vor, um den Fahrer zu bitten anzuhalten. Doch Pascal zog sie so energisch zurück, dass sie gegen ihn fiel. Mit der anderen Hand drückte er auf den Knopf, der die getönte Scheibe zwischen dem Fahrer und ihnen herauffahren ließ.

Sofort schien ein elektrisches Prickeln in der Luft zu liegen. Alana war sich überaus bewusst, dass sie praktisch über seinem Schoß lag. Sein Körper fühlte sich stark und warm an, unverkennbar seine Erregung. Es machte sie ganz krank, dass er sein Verlangen so leicht von einer Frau auf die nächste übertragen konnte.

„Findest du nicht, dass an diesem Bild etwas nicht stimmt?“, fragte sie, während sie versucht, Abstand zwischen sich und ihn zu bringen.

„Oh, doch“, knurrte er. „Du trägst viel zu viele Kleider, und ich will dich jetzt.“

„Du willst doch gar nicht mich!“, rief sie. „Du willst sie.“

Mit einer Leichtigkeit, die sie erschreckte, hob Pascal sie hoch und drehte sie um. Jetzt saß sie wirklich auf seinem Schoß, die Knie rechts und links von seinen Beinen auf der Rückbank. Die Hände an ihre Hüften gelegt, hielt er sie fest. Seine harte Männlichkeit presste gegen ihre empfindsamste Stelle.

Unvermittelt flackerte Verlangen in ihr auf. Er hob eine Hand, um den Verschluss des Kleides zu lösen, der unter der roten Seidenblume verborgen war. Wenn sie ihm das erlaubte, würde sie bis zur Taille nackt sein.

„Wage es ja nicht!“ Sie fing seine Hand, doch es gelang ihm problemlos, sich ihrem Griff zu entziehen. Er öffnete den Verschluss, das Kleid glitt ihr bis zur Taille hinunter. Rasch bedeckte Alana ihre Brüste mit den Händen. In diesem Moment fuhr der Wagen um eine Kurve, sodass sie gegen Pascal gepresst wurde. Unwillkürlich versuchte sie, sich abzufangen, was nur zu Folge hatte, dass sie seine Erregung noch deutlicher spüren konnte.

Sie hörte, wie er einen tiefen Seufzer ausstieß. Auf seinem Gesicht lag ein seltsam verletzlich wirkender Ausdruck, der sie augenblicklich in seinen Bann zog.

„Alana, bitte, glaub mir: Falls ich mich jemals in der unglücklichen Lage befinde, dass Cecilia Hampton auf meinem Schoß sitzt, kann ich dir versichern, dass sie bestimmt nicht dasselbe fühlt wie du jetzt.“

Er legte eine Hand auf ihren Nacken. Sie wollte sich ihm entziehen, aber er war zu stark für sie. Seine Stimme klang samtig, vernünftig und oh, so sexy. „Ich habe dich gesucht, aber ich konnte dich nirgends finden. Also bin ich zurück an die Bar gegangen, weil ich dachte, dort würdest du mich am ehesten vermuten. Dann ist Cecilia gekommen. Wenn du uns ein paar Sekunden länger beobachtet hättest, anstatt Hals über Kopf zu flüchten, hättest du gesehen, wie ich mich ihrer sehr unwillkommenen Umarmung entledigt habe.“

Alana schaute ihn an. Er sah aufrichtig aus. Hatte sie die Situation falsch eingeschätzt? Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass sie ihm gerne glauben wollte. Und das erschreckte sie zutiefst. Allerdings gelang es ihr im Moment spielend, jeden Gedanken an mögliche Konsequenzen beiseite zu schieben. Das Verlangen, das er in ihr geweckt hatte, war zu groß.

Langsam ließ Pascal seine Hand von ihrem Nacken über ihre Schulter zu ihren Händen wandern. Eine raffinierte Liebkosung, und sie zog die Hände zurück und gab den Blick frei auf ihre sinnlichen Brüste. Lächelnd umfasste er ihr Gesicht und küsste sie auf den Mund.

Kurz darauf spürte er, wie ihr Widerstand schmolz. Sie ließ sich gegen ihn sinken, bewegte die Hüften. Er intensivierte den Kuss. Dann zog er sich zurück, legte eine Hand unter ihre Brust und liebkoste die Spitze mit der Zunge. Alana bog sich ihm entgegen.

Fieberhaft küsste sie sein Gesicht, seinen Mund, den Hals. Sie zerrte an seinem Hemd. Knöpfe sprangen auf, seine Fliege verschwand irgendwo zwischen den Polstern. Blind tastete sie nach der Gürtelschnalle und öffnete sie ungeduldig.

„Du bist das Feuer in meinem Blut, Alana. Ich will keine andere Frau, nur dich.“

Seine Worte ließen die Glut in ihrem Innern heller auflodern. Wieder küsste sie ihn stürmisch. Erst als sie hörte, wie er den Reißverschluss seiner Hose öffnete, hielt sie einen Moment inne.

Langsam schob Pascal ihr Kleid nach oben und hakte die Hände in den Bund ihres Höschens. Er zog, dann das Geräusch von reißendem Stoff. Es kümmerte sie nicht. Sie wollte ihn in sich spüren. Sofort.

Als habe er ihr unausgesprochenes Flehen gehört, hob er sie hoch und dirigierte sie an die richtige Stelle. Als Alana langsam die Hüften senkte, drang er problemlos in sie ein.

Das Gefühl war so intensiv, dass sie ein wilder Orgasmus durchzuckte. Wellenartig breitete sich Ekstase in ihr aus, sie hieß ihn willkommen, gab ihn wieder frei. Sie erbebte einmal, zweimal, wieder und wieder, bis sie erschöpft den Kopf an seiner Schulter barg.

„Oh, Gott, es tut mir leid …“

Pascal küsste sie zärtlich, bevor er seine Zunge in ihren Mund gleiten ließ. Sie konnte ihn immer noch hart und aufregend in sich spüren. Und unglaublicherweise erwachte ihr Körper zu neuem Leben. Ohne das Plateau der Lust verlassen zu haben, durchflutete sie berauschende Erregung.

„Wir haben gerade erst angefangen.“

Und dann, wie ein teuflischer Magier, begann Pascal, sich in ihr zu bewegen. Er trieb sie bis an die Grenzen der Erfüllung, nur um dann innezuhalten und das Spiel abermals von vorne zu beginnen. Erst als er spürte, dass er sich nicht länger zurückhalten konnte, überließ er sich seinem Verlangen. Seine Bewegungen wurden stürmischer, der Rhythmus schneller.

Alana keuchte auf. Der Höhepunkt, der ihren Körper erbeben ließ, war so intensiv, dass sie Pascal fest in die Augen sehen musste, um nicht den Kontakt mit der Realität zu verlieren.

Er hielt sie in seinen Armen, bis die Schauer nachließen, die ihren Körper durchliefen. Noch immer waren sie körperlich miteinander verbunden. Und in diesem Moment konnte sie sich nicht vorstellen, jemals wieder von diesem Mann getrennt zu sein. Bei ihrem Ehemann hatte sie nicht einmal ansatzweise solche Gedanken gehabt – nicht einmal in den ersten Tagen ihrer Ehe, als es noch Hoffnungen und Träume auf eine glückliche Zukunft gab.

Etwas Außerordentliches war gerade passiert, so wenig es ihr auch behagte, es sich einzugestehen.

Als sie bei seiner Wohnung ankamen, trug Pascal sie sofort nach oben und ließ ihnen ein heißes Bad ein. Dann liebten sie sich in der luxuriösen Wanne. Schließlich, sie lag noch selig, glücklich, erschöpft im heißen Wasser, stand Pascal auf und hielt ihr einen flauschigen Bademantel hin.

„Raus aus der Wanne, ma chérie.“

Alana erhob sich und griff nach dem Bademantel. Blitzschnell zog er ihn zurück.

„Pascal, bitte.“ Sie stöhnte auf und bedeckte ihre Brüste mit den Händen. Natürlich war das unsinnig, immerhin hatten sie sich gerade geliebt. Trotzdem schoss ihr das Blut in die Wangen.

„Lass mich dich ansehen“, bat er.

Das Verlangen in seinen Augen machte sie mutig. Behutsam stieg sie aus der Wanne und stellte sich neben ihn. Als sie die Hände sinken ließ, wanderte sein Blick über ihren Körper, verharrte an Stellen, die sie noch nicht einmal selbst so eingehend betrachtet hatte.

Erst nach einigen Minuten sah er ihr wieder in die Augen. Pascal legte den Bademantel über ihre Schultern und knotete den Gürtel um ihre Hüften. Dann kämmte er ihr feuchtes Haar mit den Händen zurück und fuhr mit einem Finger über ihre Wange.

„Ich könnte schon wieder mit dir schlafen, gleich hier, auf dem Boden …“ Er hielt inne, um die verstörende Tatsache zu begreifen, dass er tatsächlich schon wieder Lust verspürte. Das Wissen machte ihn vorsichtig. „Aber dafür ist später noch Zeit.“

„Zeit“, wiederholte Alana. Auf einmal wollte auch sie nichts sehnlicher, als jetzt sofort auf dem harten Badezimmerboden Liebe mit ihm zu machen. Ein erotisches Bild blitzte vor ihrem inneren Auge auf: Sie kniete vor ihm und verwöhnte ihn mit dem Mund. Woher kam dieser Wunsch? Bei Ryan hatte sie so etwas nie gemacht. Und bislang hatte sie das nicht einmal für sonderlich erotisch gehalten. Aber den Gedanken, Pascal Lust zu bereiten, empfand sie als extrem reizvoll.

„Ja, Zeit. Lass und etwas essen und Wein trinken.“ Seine Worte unterbrachen den Strom sinnlicher Bilder, die sich vor ihr entfalteten. Pascal nahm ihre Hand und führte Alana ins Wohnzimmer. Eine Flasche Wein und zwei Gläser standen schon bereit.

Er schenkte den Wein ein und verschwand dann in die Küche. Sie folgte ihm und schaute zu, wie er eine Pastete in den Ofen schob. Er trug Jeans und ein schlichtes Hemd, das er nicht zugeknöpft hatte. Sie genoss den Blick auf die dunklen Härchen auf seiner Brust und den flachen muskulösen Bauch.

„Es tut mir leid, dass ich vorhin einfach so weggelaufen bin“, setzte sie an. „Normalerweise verhalte ich mich nicht so. Nächstes Mal …“

Abrupt hielt sie inne, als ihr bewusst wurde, was sie hatte sagen wollen. Nächstes Mal … gab es denn eines?

„Was ich meinte, war …“

Pascal zog sie in eine Arme. „Nächstes Mal lasse ich dich nicht aus den Augen. Dann kommt es gar nicht erst zu Missverständnissen, okay?“

Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie nickte nur.

Alana blickte durch das Flugzeugfenster hinab auf die italienische Hauptstadt, die kleiner und kleiner wurde. Die Erinnerung an die vergangene Nacht zauberte reizvolle Röte auf ihre Wangen. Unglaublich. Die Fantasie, die sie im Badezimmer gehabt hatte, war Realität geworden. Innerlich stöhnte sie auf. Seit sie Pascal getroffen hatte, schien sie ständig erregt zu sein.

Sie befand sich allein an Bord seines Jets, das sie nach Dublin zurückbrachte. Pascal nahm einen Linienflug nach Paris. Ihre Proteste hatte er einfach ignoriert. Er habe sie einfliegen lassen, also fliege er sie selbstverständlich auch wieder zurück. Ende der Diskussion.

Schließlich wandte sie den Blick von der spielzeugartig wirkenden Landschaft ab und ließ den Tag Revue passieren. Pascal hatte darauf bestanden, dass sie sich Rom ansahen, womit sie auch den späten Vormittag zugebracht hatten.

Später, als sie nach dem Besuch am Trevi-Brunnen und Lunch in einem winzigen italienischen Restaurant wieder in seiner Wohnung ankamen, hatte sie ihre Tasche gepackt. Pascal sah ihr dabei zu.

„Es gibt hier noch so viel mehr für dich zu sehen. Aber dafür gibt es ein anderes Mal“, meinte er lächelnd.

Seine Worte weckten Wünsche, von denen sie genau wusste, dass sie unerfüllt bleiben würden. Hastig drängte sie sie zurück. „Oh, ja, klar. Ich bin sicher, dass ich irgendwann einmal nach Rom zurückkehren werde.“

Es war die Art und Weise, wie sie „ich“ sagte, das spürte sie, die seine Aufmerksamkeit erregte.

„Ich meinte“, fügte er hinzu, „wenn du wieder mit mir hier bist.“

„Das brauchst du wirklich nicht zu sagen“, erklärte sie so gelassen wie möglich.

„Was soll das heißen?“

Sie lachte auf, was selbst in ihren Ohren aufgesetzt klang. „Es ist überhaupt nicht nötig, dass du so tust, als ob du mich wiedersehen willst.“ Die Heftigkeit ihrer Worte erschreckte sie. „Ich weiß doch genau, was zwischen uns läuft. Und ich möchte dir sagen, dass es für mich okay ist.“

„Und was genau läuft zwischen uns?“

„Wir haben eine Affäre.“

Verwundert zog er die Augenbrauen hoch. „Ach, so denkst du also darüber?“

Alana zuckte zusammen. Seine bisherigen Geliebten waren bestimmt viel zu erfahren und klug, als dass sie es überhaupt angesprochen hatten. Plötzlich flammte Wut in ihr auf. Warum verhielt er sich so? Begriff er denn nicht, dass sie ihm nur einen Gefallen tun wollte?

Alana verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir wissen beide, dass es eine Affäre ist. Ich würde es begrüßen, wenn wir ehrlich damit umgehen könnten. Wenn du mir jetzt sagst, dass es zwischen uns vorbei ist, habe ich kein Problem damit.“

Pascal rührte sich nicht. Wahrscheinlich war er es nicht gewöhnt, dass seine Geliebten den Ton angaben.

Langsam ging Pascal auf sie zu. Alana wich keinen Zentimeter zurück. Warum nur überkam sie das ungute Gefühl, einen schlafenden Drachen geweckt zu haben?

„Ich gebe zu, dass deine Ehrlichkeit etwas sehr Erfrischendes an sich hat.“

„Ach ja?“, fragte sie.

Er nickte. Er stand jetzt so nahe vor ihr, er brauchte nur die Hand auszustrecken, dann würde er sie berühren.

„Ja, wir beide wissen, dass, wenn die Zeit kommt, wir ohne ein Wort des Bedauerns, ohne einen reumütigen Blick zurück, auseinandergehen werden.“

„Genau.“ Alana nickte heftig. „Ich wollte nicht unhöflich klingen, aber die Sache ist die, dass ich eben schon einmal verheiratet war. Diese Erfahrung will ich auf gar keinen Fall wiederholen, nicht einmal in Form einer festen Beziehung – mir ist klar, dass du mir das nicht einmal ansatzweise angeboten hast.“ Sie hielt inne und verfluchte sich, weil sie sich so unbeholfen anhörte. „Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass ich nicht auf der Suche nach einem Partner bin.“

„Du sprichst also von einer Affäre ohne Verpflichtungen. Unwiderruflich vorbei, sobald wir uns langweilen.“

Wieder nickte sie. Sie wusste, dass es bis dahin nicht lange dauern würde. Ein Mann von Pascals unersättlichem Appetit hielt es mit jemand wie ihr nicht lange aus. Nicht, wenn es auf der Welt noch so viele wunderschöne Frauen zu erobern gab.

Jetzt hob er den Arm und legte eine Hand auf ihren Nacken. Seine Augen schimmerten dunkel, unlesbar. Sein Gesicht wirkte hart, sodass Alana es am liebsten gestreichelt hätte, damit es seinen ernsten Ausdruck verlor.

„Dann sollten wir wohl das Beste aus der Zeit machen, die uns bleibt, n’est-ce pas?“

„Wie meinst du das?“

„Ich meine, Alana, dass wir viel zu viel Zeit mit Reden verschwenden, wenn wir uns doch von Rom und diesem Wochenende auf sehr viel angenehmere Weise verabschieden könnten.“ Er zog sie in seine Arme und presste seine Lippen auf ihre.

„Aber dein Flugzeug … wir müssen los“, stieß sie, nach Luft ringend, hervor.

Er schüttelte den Kopf. „Meine Crew ist an Planänderungen im letzten Moment gewöhnt.“

Seine Worte verletzten sie so sehr, dass sie einen Moment glaubte, ihr Herz müsse ausgesetzt haben. Sie machten ihr klar, dass sie wirklich nur eine von vielen war. Dabei war es doch genau das, was sie wollte. Und als er den Kopf neigte, den Kuss fortsetzte und die Knöpfe an ihrer Bluse öffnete, wusste sie, dass sie ihn nicht zurückhalten konnte. Denn wenn sie das tat, würde er wissen, dass ihre Bekundungen bloß auf Sand gebaut waren.

Selbst jetzt, da sie endlich in seinem Jet saß, kribbelte ihr Körper noch von ihrem leidenschaftlichen Liebesspiel. Unter sich sah sie braune Erde hinweggleiten. Seufzend ließ sie den Kopf gegen den Sitz fallen und schloss die Augen. Sie spielte mit dem Feuer, das wusste sie.

Während sein Privatjet Alana rasch und auf angenehme Weise nach Dublin flog, wurde Pascal in dem Linienflieger nach Paris daran erinnert, wie weit er es gebracht hatte. Nicht, dass er seine Herkunft wirklich vergessen hätte. Dazu war er zu dicht daran gewesen, seine Zukunft gänzlich aufs Spiel zu setzen – und zu verlieren. Nur knapp war er einem Leben voller Verbrechen, Drogen und Hoffnungslosigkeit entronnen.

So bitter es klang, erst der Tod seiner Mutter hatte ihn gerettet. Denn nachdem sie nicht mehr für ihn sorgen konnte, war er zu seinem Großvater geschickt worden.

Am Charles de Gaulle Flughafen in Paris angekommen, kämpfte Pascal sich durch eine Menschenmenge nach draußen. Sein Wagen erwartete ihn. Erleichtert ließ er sich auf die Rückbank sinken.

Warum fiel ihm ausgerechnet jetzt seine Vergangenheit ein? Seit Jahren hatte er nicht mehr daran gedacht.

Alana.

Diese Frau berührte etwas in ihm, was noch keiner anderen zuvor gelungen war. Sie weckte ein Gefühl, das er nicht zu benennen mochte, so verzweifelt er sich auch bemühte.

Als sie ihm vor wenigen Stunden mitgeteilt hatte, dass sie von ihrer kurzfristigen Affäre rein gar nichts erwarte, hätte er jubeln sollen. War das nicht die Art von Liaison, die jeder Mann sich insgeheim immer wünschte?

Er wusste, dass sie jedes Wort ernst meinte. Sie hatte nicht versucht, ihn mit einer Art umgekehrter Psychologie zu irgendeinem Zugeständnis zu zwingen.

Und er, dem diese Fantasie auf dem Silbertablett serviert wurde, fühlte sich ganz und gar nicht erleichtert. Weshalb hatte ihn unvermittelt das Bedürfnis überfallen, sie nicht gehen zu lassen?

Irgendwie hatte Alana ihn dazu gebracht, die Grundfesten seines Lebens zu hinterfragen. Endlich meldete sich sein Verstand zu Wort. Anziehungskraft. Das musste es sein. Eine seltene Form der Lust. Seinen Körper hatten schon viele Frauen verzaubert, seinen Geist bisher noch keine.

Okay, sie war also nicht auf der Suche nach einer festen Beziehung – er auch nicht. Er war es nur nicht gewohnt, derjenige zu sein, dem das Ultimatum gestellt wurde. Das war alles.

Pascal entspannte sich.

„Du weißt, dass wir uns nur Sorgen um dich machen.“

„Ich weiß, Mum, ich weiß.“ Noch immer im Mantel, ließ Alana sich auf ihre Couch sinken.

„Er scheint sehr nett zu sein. Außerdem ist er ziemlich einflussreich, oder?“

Alana unterdrückte ein Lächeln. Nett traf es nicht einmal ansatzweise. „Mach dir keine falschen Hoffnungen. Zwischen uns ist nichts Ernstes.“

Ihre Mutter lachte. „Vielleicht verstehe ich diese modernen Beziehungen nicht mehr. Aber, Liebes, ich weiß, wie schwer es für dich nach Ryans Tod war. Es ist okay, wieder einen Mann in dein Herz zu lassen. Es ist genug Zeit vergangen. Niemand erwartet, dass du den Rest deines Lebens um ihn trauerst.“

Plötzlich fühlte Alana sich sehr einsam und verlassen. Ihre Eltern hatten nie wirklich akzeptiert, dass sie die Scheidung eingereicht hatte. Die Erkenntnis, dass eines ihrer Kinder es nicht schaffte, eine glückliche Ehe zu führen, war zu schmerzhaft für sie. Und weil Ryan auf so tragische Weise verunglückt war, bevor die Scheidung rechtskräftig wurde, hatten ihre Eltern weiterhin an ein Märchen glauben können. War es da verwunderlich, dass sie ihnen nie ihre wahren Gefühle und innersten Gedanken anvertraut hatte?

Sie wechselten noch einige Worte, dann beendeten sie das Gespräch, ohne dass ihre Mutter Pascal noch einmal erwähnte. Kopfschüttelnd schaltete Alana ihr Handy aus, bevor ihre Schwester Ailish, die bestimmt dasselbe Klatschmagazin gelesen hatte wie ihre Mutter, sie mit einem weiteren giftigen Anruf überraschen konnte.

Die Zeitungen überschlugen sich mit Meldungen über Pascal und sie. Am Flughafen von Dublin hatten sogar Reporter auf sie gewartet. Es war naiv von ihr gewesen, auch nur für eine Sekunde zu glauben, die Menschen würden sich nicht für seine neueste Eroberung interessieren.

Warum musste sie sich ausgerechnet auf jemanden einlassen, der so sehr im öffentlichen Interesse stand, dass Ryan O’Connor neben ihm wie ein Mauerblümchen aussah? Hoffentlich konnte sie Pascal bald in die Augen schauen, ohne dass sofort heißes Verlangen in ihr aufflammte.

6. KAPITEL

Drei aufregende Wochen voller Leidenschaft später musste Alana sich eingestehen, dass ihr Wunsch nicht so bald in Erfüllung gehen würde. Sie stand in der Presseloge und schaute zum VIP Bereich hinunter. Ein Gefühl des Déjà-vus überkam sie, als sie Pascal entdeckte, der sie aufmerksam beobachtete. Sie schnitt eine Grimasse und konzentrierte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Spiel Irland gegen England.

Ihr Herz klopfte schnell, das Blut rauschte ihr in den Adern. Dass ihr während der vergangenen Tage oft übel gewesen war, schob sie auf die Tatsache, dass sie noch immer vor Verlangen brannte, so oft sie ihn sah. Mit dieser Erklärung fiel es ihr auch leichter, zu verdrängen, dass sie heute Morgen, auf dem Weg zur Arbeit, einen Schwangerschaftstest gekauft hatte.

Nein, sie würde jetzt weder an ihre überfällige Periode noch an den Test denken. Es war schlicht unmöglich. Nur eine leise Stimme in ihrem Kopf beharrte darauf, dass es eben doch eine Möglichkeit war.

Während ihrer Ehe mit Ryan hatte sie nie auch nur einen Gedanken an Verhütungsmittel verschwendet. Dass sie nicht schwanger wurde, gehörte zu ihren Hauptproblemen. Alana jedoch hatte sich untersuchen lassen. Mit ihr, wurde ihr versichert, sei alles in Ordnung. Ryan hingegen hatte sich geweigert, zum Arzt zu gehen.

Nach dem Spiel kam Pascal zu ihr in die Presseloge. „Ich wurde eingeladen, an der Podiumsdiskussion teilzunehmen. Man will von mir wissen, was ich über den Fortgang des Turniers denke. Ich glaube, sie findet irgendwo hier statt.“

„Okay“, erwiderte Alana atemlos. Warum nur empfand sie in seiner Gegenwart alles so viel intensiver? „Ich muss einige Interviews führen, anschließend zurück ins Studio. Wir sehen uns dann später.“

Er nickte und beugte sich zu ihr herunter. „Ich möchte dich küssen, bis du in meinen Armen kommst, aber ich glaube, du würdest es mir übel nehmen, wenn ich das vor den versammelten Presseleuten versuchen würde.“

Alana focht einen kurzen Kampf mit sich aus, ihn seinen Vorschlag nicht doch in die Tat umsetzen zu lassen. Hastig schüttelte sie den Kopf, erleichtert und enttäuscht zugleich, als er einen Schritt zurücktrat.

Seufzend sah sie ihm nach. Sie steckte wirklich in Schwierigkeiten. Und möglicherweise lauerten noch mehr Schwierigkeiten auf sie. Schwierigkeiten, die Pascal Lévêque überhaupt nicht gefallen würden.

In diesem Moment gab der Kameramann ihr das Zeichen, das alles für die erste Aufzeichnung bereit war. Rasch packte sie ihre Sachen zusammen und eilte hinunter auf das Spielfeld.

Als endlich das letzte Interview anstand, war Alana ziemlich erschöpft. Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie aufblickte und sah, mit wem sie würde sprechen müssen. Sean Donohoe, ein alter Saufkumpane von Ryan.

Wie Ryan hielt ihn seine Ehe nicht davon ab, ein ausschweifendes Leben mit allerlei Seitensprüngen zu führen. Sean schenkte ihr ein schmieriges Lächeln, das Alana ignorierte, während sie ihre Fragen sortierte.

Sie waren schon fast am Ende des Interviews angelangt, als Sean leise sagte: „Wie man so hört, hast du dir schon den nächsten Kerl geangelt, kaum dass der arme Ryan unter der Erde liegt.“

„Wie bitte?“

„Jeder weiß, dass du es kaum erwarten konntest, ihn loszuwerden. Wie eine Weihnachtsgans hast du ihn ausgenommen. Und jetzt scheint es, als hättest du dein Glück gemacht, nicht wahr? Zum einen gehört dir Ryans Geld, zum anderen frisst dir einer der reichsten Männer der Welt aus der Hand …“

„Entschuldigung, Sean“, fiel sie ihm rasch ins Wort. „Mein Ehemann ist vor über anderthalb Jahren gestorben. Und was ich mit meinem Leben mache, ging und geht dich nichts an.“ Der boshafte Ausdruck in Seans Augen ließ sie innerlich zusammenzucken. Gleichzeitig spürte sie, wie etwas in ihr erwachte, etwas, das sie lange unterdrückt und unter Verschluss gehalten hatte. Die Wahrheit.

„Du allein trägst die Schuld an seinem Tod“, fuhr Sean ungerührt fort. „Du bist verantwortlich dafür, dass sich das irische Team nie von seinem Verlust erholt hat. Wenn du ihn nicht aus dem Haus geworfen hättest, als er am verletzlichsten war …“

Es geschah aus reinem Reflex. Alana lachte. Sie musste tatsächlich lachen. Und es fühlte sich so gut an, dass sie gar nicht erst versuchte, wieder aufzuhören. Lange genug hatte sie als Sündenbock für Ryan O’Connor hergehalten, jetzt war die Zeit für die Wahrheit gekommen.

Sie machte einen Schritt nach vorne und stieß einen Finger gegen Seans breite Brust. Es fühlte sich herrlich an, dass er erste Anzeichen von Nervosität zeigte.

„Lass uns ein paar Dinge ein für alle Mal klären, ja?“ Sie wartete eine Antwort gar nicht erst ab. „Mein Ehemann war ein Lügner, ein Betrüger, ein Schürzenjäger und ein Spieler. Und ich bin nicht die Einzige, die das weiß. Mein einziger Fehler war, dass ich so lange den Mund gehalten und der Welt erlaubt habe, weiter an den heiligen Ryan zu glauben. Er hat mir das Leben zur Hölle gemacht. Und du warst daran beteiligt. Ich weiß über dich Bescheid, Sean Donohoe. Meinst du nicht, die Menschen da draußen oder zumindest deine Frau würde interessieren, von deinen Saufgelagen mit irgendwelchen Huren zu hören …“

„Halt den Mund, du kleine Schlampe.“

Der drohende Tonfall und der wutentbrannte Ausdruck auf Seans Gesicht ließen Alana einen Schritt zurückweichen. Jemand stürzte auf Sean zu und sprach beruhigend auf ihn ein.

Plötzlich kehrte die Realität zurück. Hatte sie das wirklich gerade alles gesagt? Sie schaute sich zu dem Kameramann um. Es war nicht Derek, sondern ein neuer, sehr junger, der sie mit ängstlichen Augen ansah. Derek wäre klug genug gewesen, die Kamera anzuhalten.

„Bitte, sag mir, dass du das nicht aufgenommen hast?“

Der Junge schluckte, lief rot an und nahm die Kamera von der Schulter. „Ich …“

Alana legte eine zitternde Hand an ihre Wange. Mit der anderen umklammerte sie noch immer das Mikrofon. „Oh, Gott.“

Eine leise, unheilvoll klingende Stimme drang an ihr Ohr. „Gut gemacht, Cusack. Jetzt bist du erledigt.“

Sie ließ die Hand sinken und sah Sean nach, der vom Feld spazierte. Er hatte gar nicht viel tun zu brauchen. Nach seinem ersten provozierenden Kommentar hätte sie das Interview abbrechen sollen. Ähnlich verletzende Äußerungen hatte sie seit Ryans Tod immer wieder zu hören bekommen. Doch erst heute war in ihr das Bedürfnis erwacht, sich zu verteidigen.

Über das provisorische Studio, das für die Analyse nach dem Spiel auf dem Feld aufgebaut worden war, senkte sich tödliche Stille. Unmittelbar daneben führte Alana ihre Interviews, die der Runde über einen Bildschirm eingespielt wurden.

Pascals Miene wirkte wie zu Stein erstarrt.

Als Alana spätabends endlich die Tür zu ihrem Cottage aufschloss, fühlte sie sich völlig erledigt. Zurück im Sender, war sie sofort in Rorys Büro zitiert und auf der Stelle gefeuert worden. Ihr Ausbruch war live im Fernsehen ausgestrahlt worden. Und dann war da noch Pascal. Während der Sendung hatte er sich zurückgehalten, im Anschluss jedoch hatte er sich um das Ansehen des Turniers besorgt gezeigt – natürlich auch im Hinblick auf das Image seiner Bank, immerhin einer der Hauptsponsoren, der ein sich rasch ausweitender Skandal alles andere als gut gefiel.

Zumindest hatte Rory ihr das erzählt, als er ihren Vertrag zerriss.

Alana sank auf ihre Couch und ließ die Ereignisse der letzten Stunden Revue passieren. Sie fühlte sich elend. Eine Woge der Übelkeit stieg in ihr auf. Sie schaffte es gerade noch bis ins Badezimmer.

Erst jetzt fiel ihr der Test wieder ein. Sie holte ihn aus der Handtasche und ging zurück ins Bad.

Schlimmer konnte der Tag ja nicht werden.

Und dann wurde er es doch.

Sie versuchte, sowohl die Türklingel als auch den Klopfer zu ignorieren, die beide mit ausdauernder Vehemenz betätigt wurden. Nur der Gedanke an die Nachbarn, die den Krach ja auch hören mussten, brachte sie dazu, vom Sofa aufzustehen und die Tür zu öffnen. Sie wusste auch so, wer der Besucher war.

Pascal stürmte ins Haus und baute sich zornig vor ihr auf.

„Was, zur Hölle, war das denn?“

Alana taumelte zum Sessel hinüber. Wenn sie stehen blieb, befürchtete sie, sie würde ohnmächtig werden. „Das war ich, und ich habe endlich vor allen Leuten meine dreckige Wäsche gewaschen. Vor der gesamten Nation, um genau zu sein.“

Pascal blickte zu ihr hinunter. „Und vor dem gesamten Publikum des Six Nations Turnier. Während wir hier so nett plaudern, wird die Nachricht auch in anderen Ländern ausgestrahlt.“

Alana zuckte zusammen.

„Also?“, fragte er und setzte sich aufs Sofa. „Willst du mir nicht erzählen, was passiert ist?“

Schulterzuckend schaute sie ihn an, ohne ihn wirklich zu sehen. „Sean hat mich provoziert. Seit Monaten höre ich mir gehässige Kommentare an, wie grausam ich Ryan behandelt habe. In Wahrheit war alles genau so, wie ich gesagt habe.“

Pascal fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Das ist doch verrückt. Was du gesagt hast …“

„Ist wahr.“ Allmählich ließ der Schock nach, das Leben kehrte in sie zurück. Dieser Mann und seine Sorge um das Ansehen seiner blöden Bank waren der Grund, dass sie ihren Job verloren hatte.

Sie stand auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin gerade nicht wirklich in der Stimmung, meine Vergangenheit mit dir zu diskutieren. Würdest du bitte gehen? Ich glaube, für einen Tag hast du genug angerichtet.“

Auch Pascal erhob sich. „Ich?“ Er deutete auf seine Brust. „Ich bin nicht derjenige, der einer nationalen Trauergemeinde die rosarote Brille heruntergerissen hat. Was auch immer dein verstorbener Ehemann für ein Mensch gewesen sein mag, Alana, dir muss doch klar sein, dass es einen passenderen Zeitpunkt gegeben hätte, das zu verkünden.“

„Glaubst du wirklich, meine kleine Ansprache war geplant? Es ist einfach passiert. Sean hat mich provoziert.“

„Mag sein, aber du hast einen Sturm entfesselt!“

In seinen Ohren hallten noch die Stimmen der anderen Bankvorstände nach, die wissen wollten, was, um alles in der Welt, sich auf der Grünen Insel ereignet hatte. Wieso, fragten sie, hatte ein einziges Interview ausgereicht, um ein berühmtes Rugbyturnier zu einer kümmerlichen Nebenvorstellung zu degradieren? Und was er eigentlich gegen die Auswirkungen zu tun gedenke, die jetzt schon auf dem Aktienmarkt sichtbar waren?

Auf einmal fühlte Alana sich unendlich müde. „Die Lage wird sich schon wieder beruhigen. In nächster Zeit wird mich ohnehin niemand zu Gesicht bekommen. Der Sender hat mich gefeuert.“

„Gefeuert?“

Sie nickte. Plötzlich wurde ihr schwindelig. Rasch ließ sie sich in den Sessel sinken. Sofort kniete Pascal an ihrer Seite und legte seine Hände auf ihre Knie.

„Was ist los?“, fragte er.

„Nichts“, erwiderte sie und widerstand dem Drang, eine Hand auf ihren Bauch zu legen. „Abgesehen davon, dass ich keinen Job mehr habe und Ende des Monats obdachlos sein werde.“

„Wovon sprichst du, Alana? Was du sagst, ergibt überhaupt keinen Sinn.“

„Ohne einen Job werde ich das Haus nicht mehr halten können. Die Kreditrate für diesen Monat ist bezahlt, aber danach …“

Pascal erhob sich. Auf einmal wirkte er sehr distanziert. „Wie ist das möglich? Du musst doch ein Vermögen geerbt haben?“

Seine Kälte berührte etwas tief in ihrem Innern. Zum ersten Mal hatte sie das Bedürfnis, einem anderen Menschen die ganze Wahrheit zu erzählen.

„Nein, das ist nur ein Gerücht. Ryan hat alles verspielt. Zusammen mit Sean und anderen hat er unglaublich kostspielige Wochenendausflüge nach Las Vegas und anderswohin gemacht. Sie haben Privatjets gechartert, in den besten Hotels gewohnt … Alkohol, Drogen, Frauen, Glücksspiel. Als Ryan starb, beliefen sich seine Schulden auf knapp eine Million. Niemand wusste davon. Wenn ich nicht unser Haus in Dalkey hätte verkaufen können, hätte ich einen Offenbarungseid leisten müssen. Mit meinen Ersparnissen, und das war nicht viel, habe ich dieses Cottage gekauft. Gott sei dank habe ich mit der Bank einen Kredit aushandeln und so Ryans Gläubigern ihr Geld zurückzahlen können. Aber ohne Job kann ich die Raten nicht mehr bezahlen.“

„Ich rede mit Rory.“

Alana schüttelte den Kopf. „Nein, das würde alles nur noch schlimmer machen.“

„Was ist mit deiner Familie? Weiß wenigstens die Bescheid?“

Die Frage versetzte ihr einen Stich. „Nein“, gestand sie und stand auf. Sie hielt es nicht mehr aus, still sitzen zu bleiben, während er sie einem Kreuzverhör unterzog. „Sie … sie haben ihre eigenen Sorgen. Meine Eltern sind schon alt. Ich will sie nicht mit meinen Problemen belasten.“

„So siehst du deine Ehe?“

Die Art und Weise, wie Pascal die Frage stelle, sehr sanft und verständnisvoll, ließ Alana sich noch verletzlicher fühlen. Irgendwie musste sie die Distanz wahren. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis er die Nase voll von ihr und ihrem verpfuschten Leben hatte.

„Lange Zeit habe ich sie so gesehen, ja. Deshalb bin ich auch so fest entschlossen, denselben Fehler kein zweites Mal zu begehen.“

„Und du glaubst, dass das gerade hier passiert? Dass ein Fehler begangen wird?“

Verwirrt schüttelte Alana den Kopf. Meinte er ihn und sie? „Ich … Wovon sprechen wir jetzt? Die Sache mit uns ist etwas ganz anderes.“

Pascal machte einen Schritt auf sie zu, worauf sie panisch zurückwich. Im Augenblick fühlte sie sich so verletzlich und verwundbar, wenn er sie jetzt berührte … Unvermittelt stieß sie gegen die Theke ihrer Küche. An ihrer Hand spürte sie einen kleinen Gegenstand. Instinktiv versuchte, ihn so unauffällig wie möglich hinter ihrem Rücken zu verbergen. Sie wusste genau, was sie da ertastet hatte. Erst vor wenigen Minuten, als die Türklingel sie aus dem Bad gerufen hatte, hatte sie ihn dort abgelegt.

Pascals Blick erhaschte die abrupte Bewegung. „Was war das?“

„Nichts.“

„Weshalb versteckst du es dann vor mir?“

„Das tue ich gar nicht.“

„Dann zeig es mir.“

„Das ist nichts, nur Abfall.“ Verzweiflung hatte sich in ihre Stimme geschlichen. Zu viel war in den letzten Stunden passiert, als dass sie jetzt die Kraft besessen hätte, auch noch damit fertig zu werden. Hastig wirbelte sie herum und packte das kleine Stäbchen, um es in den Mülleimer zu werfen. Doch bevor ihr das gelang, hatte Pascal seine Arme um ihre Taille geschlungen. Er zog sie an sich und entwand es ihr.

Alana schloss die Augen. Ihr Atem klang laut in ihren Ohren. Sie konnte sich genau vorstellen, wie er zu begreifen versuchte, was genau er da in Händen hielt.

Sie spürte, wie sein Körper sich versteifte. Sein Griff um ihre Taille lockerte sich. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis er in dem Gegenstand einen Schwangerschaftstest erkannte.

Abrupt, so abrupt, dass Alana stolperte, ließ Pascal sie los. Er betrachtete noch immer das Stäbchen. Erst nach schier endloser Zeit schaute er Alana an. Es kostete sie all ihre Selbstbeherrschung, nicht unter seinem finsteren Blick zusammenzucken.

Er drehte sich um und machte ein paar Schritte zurück ins Wohnzimmer. „Und, wolltest du dieses kleine Geheimnis auch für dich behalten? Eine weitere Last alleine schultern?“

Schmerz wallte in ihr auf. „Ich habe den Test kurz bevor du gekommen bist gemacht. Meine Periode ist überfällig … In letzter Zeit war mir morgens ein bisschen flau. Natürlich hätte ich dir davon erzählt.“

„Ach, wirklich?“ Seine Stimme hätte Milch sauer werden lassen können. „Es fällt mir schwer, dir das zu glauben. Gerade wolltest du ihn noch wie ein Stück Müll wegwerfen. Vielleicht hast du ja schon entschieden, was du mit unserem Baby machen willst?“

Unserem Baby.

Die schlichten Worte, in denen Bekenntnis und Akzeptanz mitschwangen, gingen Alana durch Mark und Bein. Instinktiv legte sie ihre Hände auf den noch flachen Bauch. „Selbstverständlich habe ich noch nichts entschieden, und ganz sicher nicht, was du andeutest. Und ich wollte es dir sagen. Es ist nur … Ich hatte doch auch noch keine Zeit, alles zu begreifen.“

Wieder stieg eine Woge der Übelkeit in ihr empor. Ihr wurde schwindelig. Worte hallten in ihrem Kopf: Arbeitslos. Obdachlos. Schwanger. Sie taumelte.

Einen leisen Fluch ausstoßend hastete Pascal auf sie zu. Er fing sie auf und führte sie zur Couch.

„Wann hast du zum letzten Mal etwas gegessen?“

Sie wusste es nicht. Er fluchte ein zweites Mal. „Sag mir nicht, dass du den ganzen Tag nichts zu dir genommen hast.“

Er ging in die Küche hinüber, öffnete den Kühlschrank und inspizierte die übrigen Schränke. Nach einiger Zeit kehrte er mit einem Sandwich zurück. Er reichte ihr den Teller und sah zu, wie sie das Brot aufaß.

Nachdem sie fertig war, stellte er den Teller fort und begann, in ihrem kleinen Wohnzimmer auf und ab zu gehen. Mit einer Hand fuhr er sich durchs zerzauste Haar. Das Hemd hing ihm halb aus der Hose, der oberste Knopf stand offen. Er wirkte mitgenommen. Plötzlich wirbelte er zu ihr herum. Überrascht zuckte sie zurück. Schuldgefühle machten sich in ihr breit. Ihr Blick war fest auf seinen Po gehaftet gewesen. Wie konnte sie jetzt nur an so etwas denken?

„Wann, glaubst du, ist es passiert?“, fragte er und setzte sich neben sie. „Wir haben doch immer aufgepasst.“

„Das haben wir auch“, erwiderte sie knapp. Doch dann erinnerte sie sich an den Rücksitz seines Wagens in Rom. Das Blut schoss ihr in die Wangen. Sie hob den Kopf, konnte jedoch den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten. Aber es schien, als könne er ihre Gedanken lesen.

„Ja, da war dieses eine Mal. Und im Bad anschließend.“ Schon damals war ihm kurz durch den Kopf gegangen, dass er keinen Schutz verwendet hatte. Aber zum ersten Mal in seinem Leben war ihm die Erfüllung seines Verlangens wichtiger gewesen als der Gedanke an Verantwortung. Und in den folgenden Tagen hatte er überhaupt nicht mehr daran gedacht. Mehr als seine Sorglosigkeit überraschte ihn jedoch die Gelassenheit, mit der er die Neuigkeit nun zur Kenntnis nahm. Tatsächlich empfand er ein Gefühl von Richtigkeit. Es musste sein Großvater gewesen sein, der ihm dieses Gefühl vermittelt hatte. Die Sehnsucht nach einer eigenen Familie.

Gleichzeitig stieg die Erinnerung an seine Kindheit in ihm auf. Wie es war, immer nur Ablehnung und Zurückweisung zu erfahren. Stärker als alles andere erwachte in Pascal der Wunsch, diesem Kind, seinem Kind, ein liebevolles Umfeld zu schenken, wie er es nie gekannt hatte.

„Also gut“, sagte sie. „Es ist passiert. Es war dumm und verantwortungslos, aber wir beide wissen, wie du zu diesen Dingen stehst.“

„Tun wir das?“, fragte er überrascht.

„Ja! Ich glaube kaum, dass dich die Vorstellung glücklich macht, mit einer schwangeren …“ Sie verstummte.

„Geliebten?“, fragte er tonlos.

„Ich hasse das Wort. Ich bin nicht deine Geliebte.“

„Was bist du dann? Na los, sag es, Alana.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin deine aktuelle Gespielin. Die zwischen der letzten und der nächsten.“

Seine Miene verhärtete sich, seine dunklen Augen blitzten auf. „Von mir aus. Aber jetzt bist du meine schwangere Gespielin, was die Dinge grundlegend ändert.“

„Willst du etwa allen Ernstes behaupten, dass du mit der Situation glücklich bist?“

„Glücklich nicht, nein“, stieß er hervor. „Aber woher willst du wissen, dass ich mir nicht schon immer Kinder gewünscht habe?“

„Hast du?“, schoss sie zurück.

Jetzt war es an Pascal zurückzuweichen. Er fühlte sich in die Ecke gedrängt, und das gefiel ihm überhaupt nicht. Der Nachmittag hatte eine fast surreale Wendung genommen, als habe er eine Art verrückten Zeitsprung gemacht. Er befand sich in einem kleinen Cottage mitten in Dublin – zusammen mit einer Frau, die sein Leben völlig auf den Kopf stellte. Gerade hatte sie ihm eröffnet, dass sie schwanger war. Und er war immer noch hier. Er lief nicht, so schnell ihn seine Beine tragen konnten, vor ihr davon, was in etwa dem Bild entsprach, das er sich für vergleichbare Szenarien immer ausgemalt hatte.

Stattdessen schaute er sie an und versuchte die goldenen Strähnen zu ignorieren, die sich aus ihrem festen Zopf gelöst hatten. Selbst jetzt begehrte er sie – mehr denn je. „Ja“, erwiderte er abgelenkt. „Natürlich will ich Kinder haben.“ Irgendwann. „Was ist mit dir?“

Wieder sah er, dass sie die Hand auf ihren Bauch legte, als wolle sie ihr ungeborenes Kind beschützen. Ihr Kind … sein Kind. Der Gedanke schnürte ihm fast die Brust zu.

„Ja, ich habe mir immer Kinder gewünscht. Wir, ich und Ryan, haben es lange versucht, aber ohne Erfolg. Damals war ich froh darüber, denn kein Kind verdient es, in eine Ehe voller Heuchelei, wie der unseren, geboren zu sein.“

„Und was ist mit uns? Was haben wir?“

Sie sah ihm in die Augen, und Panik breitete sich in ihr aus. Er war eine Million Mal mächtiger als Ryan. Er war kalt und distanziert. Und sie ahnte, wie es sein würde, sich mit ihm anzulegen – diesen Kampf würde sie niemals gewinnen.

„Wir haben einfach nur ein Baby. Ich werde dich nicht heiraten, Pascal.“

„Mir war nicht bewusst, dass ich dir einen Antrag gemacht hätte“, sagte er mit seidenweicher Stimme.

Alana wurde rot. „Nun, ist das nicht … arbeiten Leute wie du nicht so?“

Er warf den Kopf in den Nacken und lachte, aber Alana wusste, dass er nicht wirklich amüsiert war. „Wofür hältst du mich? Einen Masochisten? Warum sollte ich eine Frau ehelichen wollen, die mich nicht heiraten will?“

Und die ich auch nicht heiraten will, hätte er der Vollständigkeit halber hinzufügen sollen. „Damit du die Kontrolle über unser Baby hast.“

„Oh, aber ich werde Kontrolle haben, Alana, genau wie du. Dafür brauchen wir nicht verheiratet zu sein. Mein Name wird auf der Geburtsurkunde stehen. Und ich erwarte, an jedem Schritt beteiligt zu sein.“

„Aber …“ Alanas Kehle war wie ausgedörrt. „Aber wie soll denn das funktionieren?“

Pascal streckte die Hand aus und streifte mit einem Finger über ihre Wange, ihren Hals entlang bis zu der kleinen Kuhle zwischen ihren Schlüsselbeinen.

„Das ist doch ganz einfach. Erstmal kommst du mit mir nach Paris. Dann können wir alles Weitere in Ruhe besprechen.“

7. KAPITEL

Drei Tage später sah Alana ein, dass ihr kaum eine andere Wahl blieb. Nicht, dass es ihr dadurch in irgendeiner Weise besser ging. Aber was hätte sie anderes tun können? Ihre Familie reagierte bestürzt auf ihre Enthüllungen. Das ganze Land war entsetzt.

Das Beste, was sie tun konnte, war Irland verlassen. Leider würde ihr das nur mithilfe der Person gelingen, der sie am allerwenigsten gegenübertreten wollte. Pascal. Indem sie zustimmte, mit ihm nach Paris zu kommen, erklärte sie sich stillschweigend auch einverstanden, auf unbestimmte Zeit zu bleiben – bis die Wogen geglättet waren oder sie einen neuen Job gefunden hatte.

Trotzdem zögerte sie und las mit wachsendem Grauen die schrecklichen Geschichten, die jeden Tag in den Zeitungen standen. Auch ihr kleines Cottage wurde von unzähligen Reportern belagert.

Schließlich kämpfte Pascal sich mit versteinerter Miene durch die Meute. „Das ist ja lächerlich! Irgendwann wirst du das Haus verlassen müssen. Oder willst du von Luft und Wasser leben?“

Noch nie hatte Alana sich so verloren, so in ihrer Existenz bedroht gefühlt. Sie war eine Gefangene im eigenen Haus! Selbst wenn Ryan wieder einen seiner Aussetzer hatte, hatte er ihr das Gefühl, frei zu sein, nie nehmen können. Pascal hingegen verhielt sich wie ein Elefant im Porzellanladen und trat ihr Unabhängigkeitsbedürfnis geradezu mit Füßen.

„Bitte“, flehte sie ihn an. „Ich komme schon irgendwie zurecht.“

„Wie denn? In diesem Land wirst du vorerst keinen Job finden. Ich bin aus Sorge um dich und deine Familie bis jetzt geblieben. Aber ich muss zurück nach Frankreich.“ Er deutete auf die Fenster. Sie konnte das Lärmen der Medienleute hören. „Bist du wirklich bereit, es mit denen ganz alleine aufzunehmen?“

Mit einem Mal war es um ihre Fassung geschehen. „Das ist alles deine Schuld! Wenn du mich nicht verfolgt hättest, wenn du nicht so scharf auch mich gewesen wärst …“

Weiter kam sie nicht, weil er mit zwei großen Schritten bei ihr war und sie an sich zog. Sie hatte ihn noch nie so wütend gesehen.

„Ich wollte dich, ja, aber das beruhte auf Gegenseitigkeit. Ich bin nicht der Grund, dass deine Ehe gescheitert ist. Und ich bin nicht der Grund, dass du nicht früher die Wahrheit gesagt hast. Und ich bin auch ganz sicher nicht dafür verantwortlich, dass du jetzt damit herausgerückt bist.“

Alana schluckte, als sie zu ihm aufsah. Ihr Körper reagierte bereits auf seine Nähe. Sie widerstand dem Wunsch, sich an ihn zu schmiegen.

Denn das Problem war, dass er natürlich der Grund war. Er hatte sie verändert. Seit sie einander begegnet waren, hatte etwas in ihr zu schmelzen begonnen. „Es tut mir leid“, sagte sie leise, ernüchtert. „Es ist nicht deine Schuld.“

„Verdammt richtig! Ich habe mir nichts vorzuwerfen! Wenn überhaupt, dann bist du schuldig, weil du diese Gefühle erst in mir geweckt hast!“

Einen Moment sah er ihr tief in die Augen, dann zog er Alana noch enger an sich und presste seine Lippen auf ihre. Und sie tat nichts, um ihn aufzuhalten. Seit dem Zwischenfall hatte er sie nicht mehr berührt. Sie brauchte seine Leidenschaft, brauchte ihn so sehr, dass nichts anderes mehr wichtig war.

Schließlich ließ er sie los, und Alana sog hörbar die Luft ein. Sie war irritiert, dass er ihr selbst in dieser Situation mit nur einem Kuss den Verstand rauben konnte.

Als er sprach, sickerte etwas Eiskaltes in Alanas Bauch. Seine Stimme klang so reserviert und unnahbar, als könne er die Leidenschaft, die sie gerade eben noch bei ihm wahrgenommen hatte, mit einem Knopfdruck ausschalten. „Hast du schon vergessen, dass du mit meinem Kind schwanger bist? Und schon allein das ist ausreichend, dass ich dich beschütze – ob es dir gefällt oder nicht. Hier geht es nicht mehr nur um uns, Alana.“

Schon am Morgen des nächsten Tages stand sie am Fenster von Pascals Penthouse ganz in der Nähe der Champs-Elysées in Paris. Der Blick über die Dächer auf den Arc de Triomphe in einiger Entfernung war atemberaubend.

Seufzend wandte sie sich ab. Gleich nach ihrer Ankunft hatte Pascal ihr ihr zukünftiges Schlafzimmer gezeigt. Offensichtlich hegte er nicht die Absicht, das Bett mir ihr zu teilen, was Alana sich besorgt fragen ließ, welche Rolle sie in seinem Leben eigentlich spielen sollte.

Seither hatte sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. Gestern Abend hatte er sich mit der Begründung, er müsse noch arbeiten, zurückgezogen. Und heute Morgen war er bereits in sein Büro gefahren, bevor sie aufgestanden war. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel, darauf eine lange Liste mit Namen und Telefonnummern seiner Assistenten.

Falls du etwas brauchst, ruf einfach an. Wenn du einkaufen willst, ich habe ein Konto auf deinen Namen eingerichtet. Mein Assistent wird dir die notwendigen Kreditkarten bringen. Bitte, fühl dich ganz wie zu Hause. Ich komme erst spät zurück, warte nicht auf mich.

Pascal

Tja, da saß sie nun. Schwanger mit Pascal Lévêques Kind, dem von ihr selbst entfachten Sturm in Irland entronnen und praktischerweise auf der Seitenauslinie geparkt, um … ja, um was eigentlich?

„Ich habe Morgen früh einen Termin bei einer Frauenärztin für dich gemacht. Du musst anfangen, an dich und das Baby zu denken.“

Alana erstarrte. Als ob sie an etwas anderes dachte! Sie hatte ihn kaum zu Gesicht bekommen, hatte Paris der Länge und Breite nach allein zu Fuß erkundet und jetzt kam er, am Ende einer langen einsamen Woche, nach Hause und erteilte ihr Befehle!

„Ich habe bereits eine sehr gute Ärztin in Dublin.“

Ein Muskel zuckte in Pascals Wange. Alana beschwor sich zu ignorieren, wie sexy er in dem dunklen Anzug aussah. Aber ihn eine Woche nicht zu sehen, ihn eine Woche nicht zu berühren, stellte ihr Vorhaben vor ungeahnte Herausforderungen. Hatte sie sich den leidenschaftlichen Kuss an ihrem letzten Tag in Irland vielleicht nur eingebildet? War ihre Affäre in Wahrheit längst vorbei? Hatte ihre Schwangerschaft seine Lust abkühlen lassen?

„Sie ist die beste Ärztin in ganz Paris. Und wer hat etwas davon gesagt, dass du das Baby in Dublin zur Welt bringst? Du lebst jetzt hier, Alana.“

„Ich glaube nicht, dass wir das schon ausreichend besprochen haben. Ich beabsichtige durchaus, mein Kind zu Hause zu bekommen. Soweit es mich angeht, bin ich nur solange hier, bis sich die Wogen in Irland geglättet haben.“

„Du meinst unser Baby.“

„Ich meine mein Baby. Schließlich führen wir keine Beziehung! Ich habe kein Problem damit, dich an allem zu beteiligen, aber die Entscheidungen über meinen Körper und wie meine Schwangerschaft verläuft, treffe allein ich.“

„Die medizinische Versorgung in Frankreich gehört zu den besten der Welt.“

„Das mag ja sein. Aber wenn ich mein Baby zur Welt bringe, möchte ich die Unterstützung meiner Familie im Rücken haben. Hier kenne ich niemanden.“

Ihre Hand, beobachtete Pascal, lag wieder schützend auf ihrem Bauch. Sie trug Jeans und ein T-Shirt, unter dem sich der BH abzeichnete – weiß und schlicht und zugleich erotischer als jede sündige Reizwäsche. In seinen Adern brannte ein Feuer, das nur die Frau vor ihm löschen konnte. Und war sein Hunger gestillt, dauerte es nie lange, bis sein Appetit aufs Neue erwachte.

Genau deshalb hielt er sich nun zurück. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken. Alana war nicht mehr bloß seine Geliebte oder Gespielin auf Zeit, sie war die Mutter seines ungeborenen Kindes.

Mit schwangeren Frauen kannte er sich nicht aus. Also hatte er das getan, was er für das Beste hielt: ihr ein bisschen Freiraum gegeben – und sich selbst auch, wie er unumwunden zugab.

Er hatte sich in die Arbeit gestürzt, damit ihm keine Zeit zum Nachdenken blieb. Das Wissen um seine Vaterschaft weckte allerhand seltsame Gefühle in ihm, nicht zuletzt den Wunsch, ein guter Ernährer und Beschützer zu sein. Aber wie lange würde er an seinen guten Absichten festhalten können, wenn Alana so vor ihm stand, barfuß, die Haare offen, wild und sexy wie in seinen erotischsten Fantasien?

„Die Unterstützung deiner Familie? Bislang hast du ihnen noch kein einziges deiner Probleme anvertraut! Und dass du schwanger bist, wissen sie auch nicht!“

„Ich werde es ihnen erst sagen, wenn die ersten drei Monate um sind. Bis dahin kann alles Mögliche passieren. Es ist noch zu früh, vielleicht …“

Pascal schob ihre Befürchtungen mit einer ungeduldigen Handbewegung beiseite. „So etwas darfst du nicht sagen, nicht einmal denken. Mit diesem Baby ist alles in Ordnung.“ Der Drang, sie und das Baby zu beschützen, wallte so stark in ihm auf, dass er tatsächlich ein bisschen schwankte. Erschrocken wich Alana einen Schritt vor ihm zurück.

Er zwang sich zu einem ruhigen Tonfall. „Willigst du wenigstens ein, eine Erstuntersuchung machen zu lassen?“

Alana atmete tief durch. Sie fühlte sich überfordert, unglaublich verletzlich und … krank vor Heimweh. Tränen brannten in ihren Augen, und ein dicker Kloß schnürte ihr die Kehle zu. Und jetzt trat Pascal auch noch auf sie zu. Wenn er sie berührte, würde sie sofort anfangen zu weinen.

„Was ist los, Alana? Du kommst mir so … unruhig vor.“

Beinahe hätte sie gelacht – unruhig? Seit sie diesem Mann begegnet war, hatte sie sich wie eine gespannte Sprungfeder gefühlt. Schwach schüttelte sie den Kopf und versuchte, ihre Emotionen unter Kontrolle zu bringen.

Er stand so nahe vor ihr, dass sie seinen Duft einatmen konnte. Die Luft zwischen ihnen begann zu prickeln. Das war das Merkwürdigste überhaupt: Je näher er kam, desto besser ging es ihr.

„Alana, ich kann doch sehen, dass etwas nicht stimmt.“

Sie machte eine Handbewegung, die ihre gesamte Umgebung einschloss. „Was, um alles in der Welt, könnte denn nicht stimmen, Pascal? Binnen einer Woche habe ich meinen Job verloren, herausgefunden, dass ich schwanger bin, mein Haus verlassen und dann … dann lässt du mich eine Woche ganz allein, und ich bin einfach …“ Sie konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Heiße salzige Perlen liefen ihr über die Wange.

Sie sah nur Pascals Umrisse, spürte dann aber, wie er sie in die Arme schloss. Er hielt sie so zärtlich, dass sie nur noch heftiger weinen musste. Lange. Sie weinte sehr lange. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie in all der Zeit ihrer Ehe und selbst nach Ryans Tod nie geweint hatte. Nicht einmal auf der Beerdigung. Der Schmerz der Vergangenheit, den sie tief in ihrer Seele eingeschlossen hatte, schien sich jetzt Bahn zu brechen und vereinigte sich mit ihrer Furcht vor der Zukunft und um ihr Baby. Ihr gemeinsames Baby.

Ohne dass sie wusste, wie Pascal es angestellt hatte, fand sie sich nun auf dem Sofa im Wohnzimmer sitzend wieder und versuchte, ihr tränenfeuchtes Gesicht mit den Händen trocken zu reiben. Einen schönen Anblick bot sie bestimmt nicht. Pascal reichte ihr ein Taschentuch. Sie wandte sich von ihm ab und putzte sich beschämt die Nase. Nicht einmal vor ihrer eigenen Mutter hatte sie jemals so bitterlich geweint.

„Es tut mir leid“, schniefte sie. „Ich weiß nicht, was da über mich gekommen ist.“

Pascal ergriff ihre Hände und drehte sie vorsichtig zu sich.

„Nein, ich bin derjenige, dem es leid tut. Ich hätte dich nicht die ganze Woche über allein lassen dürfen.“

„Unsinn. Du hattest zu tun. Ich verstehe das“, fuhr sie ihn hektisch an. Hauptsache, er verfiel nicht auf den Gedanken, sie habe ihn vermisst!

Einen Moment presste er die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. „Ich habe mir Arbeit gesucht, um nicht nach Hause kommen zu müssen.“

Heißer Schmerz brandete in ihr auf. Sie wollte kaum glauben, dass Pascal sich so gemein verhielt. So also fühlte es sich an, wenn das Ende kam. Sie versuchte, ihm ihre Hände zu entziehen, aber er ließ sie nicht los. „Pascal …“

„Bitte, ich möchte es dir erklären.“

Oh, Gott! Das musste sie verhindern. Jedes seiner Worte würde sich doch nur wie ein Messerstich in ihre Seele bohren. „Nein, das ist wirklich nicht nötig“, stieß sie rasch hervor. „Ich verstehe schon. Ist schon in Ordnung.“

„Alana, tais-toi!“

Seine Miene wirkte so ernst und finster, dass sie verstummte.

„Ich habe es vermieden, mit dir allein zu sein, weil ich, wenn ich für mehr als zwei Minuten in deiner Nähe bin, dich ins Bett tragen möchte. Mein Verlangen ist so stark, ich habe Angst, dir in deinem Zustand wehzutun.“

Ihrem Zustand? Einen Moment wusste sie gar nicht, was er meinte. Ihr Herz klopfte wie wild vor Freude. Er begehrte sie immer noch. Dann jedoch fiel ihr Blick auf seine ernste Miene. Er fürchtete, er könne ihr wehtun?

Der harte Kloß in ihrer Kehle schmolz endgültig. Vertraute Wärme breitete sich in ihrem Innern aus. „Oh.“

„Genau. Oh.“

„Nun, ich glaube nicht …“ Hoffentlich bemerkte er nicht, wie peinlich ihr das war. „Soweit ich weiß, ist es okay. Ich meine, viele Menschen wissen in diesem Stadium nicht einmal, dass sie schwanger sind.“ Ihre Wangen wurden ganz warm. Sie wünschte sich so sehr, er würde sie wieder küssen, berühren und mit ihr schlafen.

„Wie fühlst du dich jetzt?“

Ich möchte dir die Kleider vom Leib reißen und auf der Stelle Liebe mit dir machen. Die Worte hallten in Alanas Kopf. Eine kleine Schweißperle rann das Tal zwischen ihren Brüsten hinab. „Gut. Sehr gut. Seit einer Woche habe ich mich morgens nicht mehr übergeben. Wenn es dabei bleibt …“

Pascal stand auf und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. „Siehst du, genau das meine ich. Du musst dich untersuchen lassen.“

Als er sie anschaute, war jedes Verlangen aus seinen Augen verschwunden. Alana hingegen fiel es umso schwerer, ihre Sehnsucht zu kontrollieren. War das schon ein Nebeneffekt der Schwangerschaft? So wie ihre Brüste, die sich ganz empfindsam und schwer anfühlten? Wenn ja, wie sollte sie dann die kommenden acht Monate überstehen?

„Also, bist du einverstanden, morgen zu der Ärztin zu gehen?“

Alana nickte bloß. Sie hörte ihm nur halb zu. Ihre Gedanken kreisten ausschließlich um die Tatsache, dass er sie noch immer wollte, sich nur zurückgehalten hatte.

In dieser Nacht schlief sie zum ersten Mal seit einer Woche ruhig und friedlich.

„Die Ärztin hat gesagt, es ist okay!“

Innerlich zuckte sie zusammen. Sie hatte doch nicht ohne Einleitung damit herausplatzen wollen!

Pascal wandte sich zu ihr um. „Was ist okay?“, fragte er mit funkelnden Augen.

Verlegene Röte breitete sich auf ihren Wangen aus. Doch sie hielt seinem Blick stand. „Wenn wir … du weißt schon …“

„Uns lieben?“, vervollständigte er ihren Satz mit Unschuldsmiene.

„Ja“, stieß Alana hervor und wünschte inständig, sie würde nicht so von ihrer Sehnsucht beherrscht, von ihrem Verlangen nach diesem Mann, nach seinem Körper und den Gefühlen, die nur er in ihr wecken konnte. Die Ärztin hatte darauf hingewiesen, dass gesteigertes sexuelles Verlangen ein ganz normales Resultat der hormonellen Umstellung war. Aber Alana wusste, dass die Schwangerschaft ihre Lust nur noch ein bisschen intensivierte. Beherrschen können hatte sie ihre Leidenschaft schon vorher kaum.

Pascal streichelte mit einem Finger Alanas Wange. Er sah, wie ihre Pupillen sich weiteten, was einen sehr ungebührlichen Effekt auf seinen Körper hatte.

„Lass uns heute Abend essen gehen.“ Irgendwie musste er es schaffen, seine glühende Begierde zu zügeln. Sie war schwanger, verdammt noch mal!

Und dann schmiegte sie auch noch vertrauensvoll ihre Wange gegen seine Hand. Sofort wurde seine Begierde erneut angefacht.

„Okay, wohin?“

„Du darfst entscheiden. Ich muss noch einmal ins Büro und ein paar Unterlagen holen. In einer Stunde bin ich zurück.“

„Du hast wo einen Tisch reserviert?“

Alana schaute von ihrem Reiseführer auf. Pascals ungläubige Reaktion vermochte sie nicht so ganz einzuordnen. „In einem Restaurant namens Lapérouse.“

Seine Miene nahm einen verzweifelten Ausdruck an. „Machst du das mit Absicht?“

„Mit Absicht?“, wiederholte sie verwirrt. „Warum? Die Beschreibung klang nett. Es ist eines der ältesten Restaurants in Paris.“ Sie hielt ihren Reiseführer hoch.

Pascal nahm ihr das Buch aus der Hand und legte es auf den Tisch. „Ich kenne das Restaurant … beziehungsweise ich weiß, wofür es berühmt ist.“

„Weil Émile Zola und Victor Hugo schon dort gegessen haben?“

„Etwas in der Art“, murmelte er. „Du wirst schon sehen.“

Mittlerweile war es später Abend. Sterne funkelten im dunkelblauen Nachthimmel über Paris.

Trotz des gefütterten Mantels zitterte Alana ein wenig, als sie auf die Straße traten. Sie hatte sich umgezogen und trug nun ein schlichtes schwarzes Kleid. Pascal hatte sich für dunkle Hosen und einen schwarzen Kaschmirpullover entschieden.

Er hob die Hand, um ein Taxi anzuhalten. Als sie auf der Rückbank saßen, wurde Alana bewusst, dass ihr Erschauern gar nicht der Kälte geschuldet war. Seit ihrem Gespräch, dass es okay war, Sex zu haben, lag ein eindeutiges Prickeln in der Luft.

Alana wusste nicht, in welche Richtung ihre Affäre steuerte. Aber einer Sache war sie sich sicher. Irgendwann würde Pascals Interesse an ihr erlahmen, und schon bald – wahrscheinlich sobald die ersten Anzeichen der Schwangerschaft sichtbar wurden – würde er sich einer anderen Gespielin zuwenden. Was dann aus ihr wurde, welche Rolle sie in seinem Leben noch spielen würde, vermochte sie nicht einzuschätzen. Oh, sie war nicht so naiv, sich in ihn zu verlieben. Noch konnte sie voller Stolz behaupten, sie beschütze ihr Herz. Aber …

„Wir sind da.“

Pascal reichte ihr die Hand, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein, was ihren Gedankengang abrupt unterbrach. Und als er dann seine Finger mit ihren verschränkte, fiel ihr das Denken allgemein sehr schwer.

Sie standen vor einem reich verzierten Gebäude. Stuckornamente, Figuren und schmiedeeiserne Gitter vor Fenstern und Balkonen schmückten die Fassade. Hinter ihnen floss träge die Seine. Ein Wandgemälde zeigte aufwendig gekleidete Frauen, in den Fenstern standen alte Bücher und Flaschen.

„Das ist ja wunderschön“, sagte Alana.

Pascal gab einen undefinierbaren Laut von sich. Im Restaurant angekommen, nannte er an der Rezeption Alanas Namen und wechselte dann mit dem Verantwortlichen einige Worte. Der Mann sah Alana neugierig an, dann lächelte er. Ein Kellner kam und führte sie durch das Restaurant zu einer Seitentür. Dahinter befand sich ein Flur, von dem weitere Türen abgingen.

Der Kellner öffnete eine davon und bedeutete Alana einzutreten. Ihr stockte der Atem, als sie sah, was sie erwartete. Sie blickte in ein kleines privates Speisezimmer. Ein für zwei gedeckter Tisch stand in der Mitte. An der Wand hing ein übergroßer Spiegel, unter dem ein Sofa mit Kissen aus Samt zum Verweilen einlud. Das ganze Zimmer war in dunklen Rottönen gehalten, was dem Raum eine sehr sinnliche Atmosphäre verlieh.

Kein Wunder, dass er so fassungslos reagiert hatte, als sie ihm den Namen des Restaurants genannt hatte. Ohne es zu wissen, hatte sie ihn in eine verführerische Szenerie wie aus einem vergangenen Jahrhundert gelockt.

„Was ist das für ein Ort?“

„Während der Kaiserzeit trafen sich hier die heimlichen Liebespaare der High Society. Schau mal dort.“ Er deutete auf unzählige Kratzer am Rand des Spiegels. „So haben die Frauen die Echtheit der Diamanten getestet, die ihnen ihrer Liebhaber geschenkt haben.“

Vor der Tür erklang ein diskretes Hüsteln. Pascal öffnete, und der Kellner überreichte ihnen die Speisekarten. Als er wieder gegangen war, bat Pascal sie, Platz zu nehmen. Der Tisch war so gedeckt, dass sie nebeneinander saßen.

„Gute Wahl“, meinte Pascal und lehnte sich lässig zurück.

„Du weißt ganz genau, dass ich keine Ahnung hatte, wie es hier aussieht.“

Er richtete sich wieder auf und ergriff ihre Hände. „Ich wollte dich nur aufziehen. Du hast einen Tisch im Restaurant reserviert. Ich bin derjenige, der nach diesem Zimmer verlangt hat.“

„Wirklich?“, fragte sie mit dünner Stimme.

„Ich habe viel vom Lapérouse gehört, bin aber noch nie hier gewesen. Insgeheim habe ich schon immer die Fantasie gehegt, herzukommen und es herauszufinden.“

„Ach ja?“ Alana konnte kaum noch atmen. Ihr Körper schien in Flammen zu stehen. Der Gedanke, eine von Pascals erotischen Fantasien zu erfüllen, war so berauschend, fast vergaß sie, dass sie in einem Restaurant saßen.

Wieder ertönte das diskrete Hüsteln. Pascal ließ ihre Hände los. „Entrez“, rief er, wandte jedoch keine Sekunde den Blick von ihrem Gesicht, während er die Bestellung aufgab.

Was genau sie anschließend aßen, vermochte Alana nicht mit Sicherheit zu sagen. Ihre Sinne wurden ganz von der Erfahrung in Anspruch genommen, mit Pascal in diesem Zimmer zu sein. Ihr war, als seien sie in einer anderen Welt. Trotzdem fühlte sie sich sicher und geschützt in ihrem Kokon aus Sinnlichkeit und Dekadenz. Sie hörte, wie der Kellner die Gänge ankündigte, Shrimps als Vorspeise, zum Hauptgang Schweinemedaillons, anschließend ein sündiges Schokolade-Pralinen-Sorbet. Aber erzählen, wie die Gerichte geschmeckt hatten, konnte sie nicht. Dafür wusste sie noch in allen Einzelheiten, wie Pascals Augen sich veränderten, wenn er lächelte, wie seine Gesten ein warmes Gefühl tief in ihr Inneres zauberten.

Schließlich räumte der Kellner den Tisch ab und brachte Kaffee und einen golden schimmernden Brandy für Pascal. Als er ging, rief Pascal ihm einige Worte auf Französisch nach. Der Kellner nickte, dann schloss er die Tür.

„Was hast du ihm gesagt?“

„Dass wir nach ihm rufen, wenn wir noch etwas brauchen.“

Er deutete auf eine Kordel an der Wand. Dabei streifte er ganz leicht mit dem Arm Alanas Brüste. Auf einmal fiel ihr das Atmen schwer.

„Bis wir an dem Band ziehen, werden wir ungestört sein.“

Sie schaute von der Klingel zu Pascal. Er rührte sich nicht. Sein Duft hüllte sie ein wie ein schwerer Mantel. Seine Gegenwart überwältigte sie. Die erotisch aufgeladene Atmosphäre in dem kleinen Zimmer berauschte ihre Sinne. Sie hob die Hand und fuhr durch sein Haar. Und dann hielt sie es nicht länger aus. Sie zog seinen Kopf zu sich und presste ihre Lippen auf seine.

Nach einer Woche ohne Zärtlichkeit reichte die unschuldige Berührung, um sie beide vor Leidenschaft glühen zu lassen. Ohne den Kuss zu unterbrechen, hob Pascal Alana in die Arme und trug sie zu der Couch hinüber. Sehr vorsichtig bettete er sie auf die Kissen.

Er schlüpfte aus seinem Pullover, unter dem er ein dunkles T-Shirt trug. Dann fuhr er mit einer Hand ihr Bein entlang. Sie bog sich ihm entgegen. Jede auch nur angedeutete Zärtlichkeit reichte aus, um ihre Haut kribbeln zu lassen.

Pascal zog ihr die schwarzen Stiefeletten und die Overknees aus, bevor er seine Hand ihr Bein entlang wieder nach oben wandern ließ. Dabei streifte er ihr Kleid über ihre Knie, ihre Oberschenkel. Als er ihr Höschen erreicht hatte, hielt sie ihn zurück.

„Das können wir nicht tun, nicht hier. Jemand könnte hereinkommen.“

Non. Die Kellner wissen es besser.“

Ihr Kopf sank in den Nacken. Pascal liebkoste ganz sanft die geheime Stelle zwischen ihren Beinen. Hilflos vor Lust presste sie sich gegen seine Hand, wollte mehr. Er neigte den Kopf und küsste sie leidenschaftlich. Plötzlich spürte sie kühle Luft auf ihrer Haut. Er hatte die Knöpfe an der Vorderseite des Kleides geöffnet, schob den Stoff beiseite und enthüllte ihre Brüste.

„Wunderschön“, murmelte er und zog den dunkelroten Satin-BH nach unten. Mit kreisenden Bewegungen massierte er die sich zunehmend verhärtenden Knospen. Alana biss sich auf die Lippe. Ihre Brüste reagierten fast schmerzhaft empfindsam.

Pascal legte eines ihrer Beine um seine Hüften, öffnete sie seinen Zärtlichkeiten. Noch immer streichelte er ihr weibliches Zentrum. Alana spürte, wie sie der Erfüllung immer näher und näher kam.

Es gelang ihr, die Hände zu heben und am Saum seines T-Shirts zu zerren. Sie wollte seine Haut auf ihrer fühlen.

Pascal verstand und streifte das lästige Kleidungsstück über den Kopf. Ein tiefes Stöhnen entrang sich ihrer Kehle, als er eine ihrer Brustspitzen in den Mund nahm und gleichzeitig das Höschen beiseiteschob und mit einem Finger vorsichtig in sie eintauchte.

Alana schrie auf. Sie konnte nichts dagegen tun, so gut fühlte es sich an. Sie umklammerte seine Schultern, wollte, dass er aufhörte und zugleich, dass diese süße Folter niemals endete. Ihre Hüften bewegten sich im Rhythmus seiner Hand. Doch so sehr sie auch dem Höhepunkt entgegensteuerte, es war nicht genug.

Mutig suchte sie seinen Blick. „Ich brauche mehr. Ich brauche dich.“

Pascal schaute in ihre grünen Augen, in denen er unbeschreibliche Sehnsucht lesen konnte. Auf einmal erkannte er, dass es unmöglich sein würde, der Versuchung nicht nachzugeben. Ihm war nicht ganz wohl dabei. Es hatte ihn so viel Kraft und Anstrengung gekostet, ein kultivierter feinsinniger Mensch zu werden. Doch er spürte, dass tief in seinem Innern ein ungezähmter Teil lauerte, den diese Frau nur allzu leicht zum Leben erwecken konnte.

Aufstöhnend streifte Pascal ihr den Slip über die Beine. Er küsste die Innenseiten ihrer Schenkel und zog den Reißverschluss seiner Hose herunter. Dann drehte er sie so, dass Alana bequem auf dem Sofa lag, ihre Beine um seine Taille geschlungen. „Bist du dir ganz sicher?“, fragte er. Als ob er sich jetzt noch zurückhalten konnte!

Alana spürte seine Männlichkeit an ihrem Delta pulsieren. Der erotische Duft von Erregung erfüllte ihre Sinne. Sie kam sich vor wie eine der Kurtisanen von damals.

Sie nickte. Und dann begann und endete ihr Universum.

Mehr brauchte er nicht. Pascal schob seine Hüften vor und tauchte tief in sie ein. Er hörte, wie sie leise aufstöhnte. Spürte, wie sie mit beiden Händen seinen Rücken umklammerte. Ihre Brüste erinnerten ihn an herrlich reife Pfirsiche, geborgen in einem Nest aus rotem Satin.

Zufrieden neigte er den Kopf und verwöhnte jede der Knospen, indem er sanft an ihnen saugte. Er spürte, wie Alana die Hüften bewegte, ihn die Muskeln in ihrem Innern fest umschlossen. Als er aufblickte, schaute sie ihn unverwandt an. Fast hätte er in diesem Moment jede Kontrolle über sich verloren.

Aber auch sie war der Erfüllung nahe. Ihr Körper erschauerte, ihre Wangen waren gerötet. Und dann schrie sie auf, während er seinen Rhythmus stetig steigerte. Kurz danach erlebte auch Pascal einen unbeschreiblichen Höhepunkt.

Anschließend, auf einen Ellenbogen gestützt, damit sie sein Gewicht nicht tragen musste, lag er ganz ruhig auf ihr und genoss es, noch immer mit ihr verbunden zu sein, während die letzten Wogen der Lust ihren Körper durchliefen.

Als er sich wieder halbwegs bewegen konnte, setzte er sich auf und zog Alana in seine Arme. Schweiß glitzerte auf ihrer Haut. Ihre Brüste berührten seinen nackten Oberkörper. Und unglaublicherweise erwachte seine Männlichkeit schon wieder zu neuem Leben.

Auch Alana spürte die Regungen seiner unteren Körperregion und rutschte neckend auf seinem Schoß hin und her. Pascal biss die Zähne zusammen. So gerne er sie auch wieder und wieder ins Paradies entführt hätte, sie mussten so schnell wie möglich das Restaurant verlassen. Abermals meldete sich jener wilde ungezähmte Teil von ihm, und das behagte ihm nicht. Wenn dieser Teil zum Vorschein kam, verlor er nur allzu leicht die Kontrolle über sich. Dann vergaß er, dass Alana nicht mehr nur seine Geliebte, sondern eben die Mutter seines Kindes war. Jedoch schien auch dieses Wissen sein Verlangen nicht sonderlich zu dämpfen.

Während er Alana in seinen Armen hielt, sich sein Herzschlag allmählich beruhigte, hatte er eine Vision von der Zukunft, deren Klarheit ihn fast erschreckte. Er verstand sofort die Bedeutung des Bildes, obwohl er bislang nicht geglaubt hatte, diesen Wunsch in sich zu haben. Das Chaos aus Empfindungen und Emotionen der letzten Wochen löste sich auf, als er seine Gefühle für Alana endlich begriff.

In diesem Moment änderte sich alles für ihn.

Im Taxi auf dem Weg nach Hause konnte Alana ihren Blick nicht von Pascal abwenden. Das Erlebnis im Restaurant – in einem privaten Hinterzimmer! – hatte sie als so intensiv empfunden, dass es ihr schwer fiel, die Geschehnisse in ihrer Gänze zu erfassen. Sie fühlte sich wie ein anderer, ein neuer Mensch.

Panik stieg in ihr auf. War es bereits zu spät? Hatte sie ihm ihr Herz schon zu weit geöffnet? Würde es ihre Seele auf ewig verletzen, wenn er sie jetzt verließ?

Sie hob eine Hand, um Pascals zerzaustes Haar zu glätten. Er fing ihre Hand und hauchte einen Kuss auf ihre Handfläche. Er schaute ihr in die Augen, doch sie vermeinte, eine gewisse Distanz wahrzunehmen.

Fast schien es ihr, als schäme er sich. Weil sie ein so ungehemmtes Verhalten gezeigt hatte? Innerlich zuckte sie erschrocken zusammen. Wann hatte sie eigentlich angefangen, ihn so gut zu kennen, dass sie nun genau wusste, dass sich etwas zwischen ihnen geändert hatte?

8. KAPITEL

Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Seit jenem Abend in dem Restaurant hatte Pascal sie kein einziges Mal mehr berührt.

Zwar ließ er sie nicht mehr alleine, sie kochten und aßen zusammen, aber die Mauer zwischen ihnen schien immer höher zu werden. Alana war zu verlegen und verunsichert, um ihn zu fragen, was los war. Gleichzeitig sehnte sie sich nach seiner Nähe. Aber die Angst vor seiner Reaktion, Angst vor Zurückweisung, verhinderte, dass sie den ersten Schritt machte.

Statt sich zu lieben, schienen sie jetzt nur noch miteinander zu reden. Über alles.

„Hast du schon darüber nachgedacht, was du tun willst?“

Pascals Frage riss sie aus ihren trüben Gedanken. Sie saßen in einem exklusiven Restaurant, nicht weit von seinem Apartment entfernt. Alana hob den Kopf. Wie immer weckte sein Anblick heiße Lust in ihr. Verzweifelt drängte sie das Gefühl beiseite.

„Ich werde Französischunterricht nehmen, um meine Sprachkenntnisse zu verbessern. Und ich möchte bald anfangen, nach einem Job Ausschau zu halten. Ich weiß, dass es hier englische Radiostationen und Fernsehsender gibt. Vielleicht können die eine Sportreporterin gebrauchen.“

„Ich werde auch die Augen offen halten. Und bestimmt hilft es, im Internet nach Jobangeboten zu suchen. Du darfst jederzeit den Computer in meinem Arbeitszimmer benutzen.“

Alana nickte. „Danke.“ Es überraschte sie, wie leicht es ihm fiel, sie ein autonomes Leben führen zu lassen. Allerdings war sie sich nicht ganz sicher, was sie eigentlich erwartet hatte.

Pascal schien ihre Verwunderung bemerkt zu haben. „Hast du etwa geglaubt, ich würde dir die Chance verweigern, wieder Arbeit zu finden? Unabhängig zu sein?“

Die Ironie seiner Worte entging ihr keineswegs. Noch nie in ihrem Leben war sie abhängiger gewesen als jetzt. „Ich weiß zu schätzen, dass du Ryans Schulden und meine Kreditraten bezahlst, während ich hier bin, aber das bedeutet nur, dass ich jetzt dir Geld zurückzahlen muss.“

Die Mühelosigkeit, mit der er ihre Finanzprobleme gelöst hatte, machte ihr gewaltig zu schaffen. Doch sie war einfach nicht in der Position, mit ihm darüber zu streiten.

„Du weißt genau, dass deine Schulden für mich nicht mehr als ein winziger Tropfen im Ozean sind. Du bist die Mutter meines Kindes. Ich habe mich dir gegenüber sehr verantwortungslos verhalten. Und ich trage zum Teil die Schuld daran, dass du deinen Job verloren hast. Deine Kredite zu zahlen ist das Mindeste, was ich tun kann. Also, bitte, erwähne es nie wieder. Außerdem erwarte ich nicht, dass du mir auch nur einen Cent zurückzahlst.“

Alana lächelte zerknirscht. „Ich habe ja auch nicht an Verhütung gedacht, Pascal, das lag nicht allein in deiner Verantwortung. Trotzdem möchte ich nicht undankbar erscheinen. Wir reden hier schließlich nicht über einen Kredit von ein paar hundert Euro.“ Sie zuckte die Schultern und wandte einen Moment den Blick ab. „Es ist nur … Ryan wollte nie, dass ich arbeite, obwohl ich einen Abschluss in Medienwissenschaften besitze. Ich denke immer, dass alles anders gekommen wäre, wenn ich gearbeitet hätte. Erst nach seinem Tod war ich zum ersten Mal unabhängig. Ich habe mir geschworen, nie wieder abhängig zu sein.“

„Und deshalb hast du dich nie jemandem anvertraut. Deshalb hast du so hart darum gekämpft, den Job im Sender zu bekommen.“

„Woher weißt du das?“

„Rory Hogan hat es mir erzählt.“

Alana presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. „Als er dir auch von meiner Ehe erzählt hat?“

Pascal nickte. „Warum hast du Ryan überhaupt geheiratet, Alana? Du musst doch gesehen haben, was für ein Mensch er ist.“

Sie wurde blass. Sie wollte wirklich nicht darüber reden. Ihre Wunden gingen immer noch zu tief. „Natürlich habe ich ihn geheiratet, weil ich ihn geliebt habe“, erklärte sie gepresst und wich Pascals Blick aus. „Wir haben uns auf einer Party kennengelernt. Ryan ist zu mir gekommen, und wir haben angefangen, uns zu unterhalten.“ Sie lächelte. Diesen Teil brauchte sie nicht zu beschönigen. „Er besaß, was man bei uns ein ‚flottes Mundwerk‘ nennt.“ Er hatte in ihr den Glauben geweckt, ihr eigenes Märchen, ihr Traum von einer glücklichen Ehe, wie ihn all ihre ihn Geschwister lebten, könne wahr werden. Nun, der Traum war schnell geplatzt, aber da war es bereits zu spät.

„Irgendwie glaube ich nicht, dass du mir die ganze Geschichte erzählst, Alana. Aber eines Tages wirst du das.“

Sein Blick war viel zu intensiv und weckte irrationales Vertrauen und Hoffnung auf eine Zukunft, die ihnen nicht gegeben war. Also tat sie das Einzige, was sie noch tun konnte, um sich zu schützen: Sie schlug zurück. „Und was ich mit dir, Pascal? Warum hat dich noch keine eingefangen? Bestimmt haben einige der Frauen, mit denen du ausgegangen bist, keine Skrupel, dich zu fragen, ob du sie heiraten möchtest.“

Das offensichtliche Desinteresse, mit dem sie ihre Frage stellte, ärgerte ihn – als sei es ihr in Wirklichkeit völlig egal, weshalb er bislang nicht geheiratet hatte. „So weit habe ich es nie kommen lassen“, erwiderte er kühl.

So weit? Oder so nah? ging es Alana durch den Kopf.

„Wir sind einander gar nicht so unähnlich“, fuhr Pascal fort. „Weil ich mit einer allein erziehenden Mutter aufgewachsen bin, sehe ich die Ehe nicht durch eine rosa-rote Brille.“

„Was meinst du damit?“, fragte sie verwirrt.

„Mein Vater war ein verheirateter Mann. Meine Mutter und er lebten in demselben Ort. Irgendwann begannen sie eine Affäre. Er hat ihr versprochen, seine Frau und Kinder für sie zu verlassen, aber er hat sein Versprechen nie gehalten. Schließlich ist sie nach Paris gegangen und hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, einen anderen Mann zu finden und zu heiraten. Aber eine Alleinerziehende wollte niemand. Nach ihrem Tod bin ich zu meinem Großvater gezogen. Mein Vater wohnte immer noch in dem Ort. Er wusste genau, wer ich war. Ein paar Mal sind wir uns auf der Straße begegnet. Er hat durch mich hindurchgesehen, als würde ich gar nicht existieren. Und zu Hause hat er dann auf glückliche Familie gemacht, mit seiner Frau und meinen drei Halbgeschwistern. Aus diesem Grund wollte ich nie heiraten. Wenn eine Ehe einen Mann dazu bringen kann, seinem eigenen Kind den Rücken zu kehren, seine Treuegelübde mit Füßen zu treten …“

Sie empfand großes Mitgefühl mit ihm. Am liebsten hätte sie die Hand ausgestreckt und ihm Trost gespendet. Doch sie hielt sich zurück. „Du würdest so etwas niemals tun“, sagte sie sanft. „Und es gibt viele Menschen mit Kindern, die einen neuen Lebenspartner treffen. Es ist traurig, dass das deiner Mutter nicht vergönnt war. Sie muss sich sehr einsam gefühlt haben.“

Pascal seufzte. Wieder flackerte der uneingestandene Wunsch nach einer Familie auf, den sein Großvater ihm eingepflanzt haben musste. Alana kam ihm zu nahe, sie verstand zu viel. Am liebsten hätte er sich sofort zurückgezogen, um seine Seele zu schützen. Aber er machte weiter, er schuldete es seinem Großvater und seinem Wunsch.

„Meine Mutter hat mir die Schuld an ihrem Schmerz und ihrer Einsamkeit gegeben“, erwiderte er. „Sie ist gestorben, als ich vierzehn war.“

„Das tut mir leid. Ganz gleich, wie schwierig eure Beziehung war, sie war deine Mutter. Bist du nach ihrem Tod zu deinem Großvater gezogen?“

Pascal nickte nur. Er fühlte sich nackt und ihren Beobachtungen hilflos ausgeliefert.

Ein Gedanke flammte in Alana auf, der sie schon seit Langem beschäftigte. „Was ist das für eine Verbindung zwischen dir, deinem Großvater und Rugby? Ich spüre, dass es eine gibt, aber du sprichst nie darüber.“

Wie damals bei dem Interview trat ein kalter Ausdruck in seine Augen, kalt und hart wie Stein. „Fragst du mich das als Reporterin?“

Alana setzte sich kerzengerade hin. Es verletzte sie tief, dass er nach der langen Zeit immer noch so schlecht von ihr dachte. „Natürlich nicht.“

Ihre Blicke trafen sich. Grüne Augen und braune Augen. Regungslos ließ Alana seine Musterung über sich ergehen. Und dann sah sie, wie seine Miene weicher wurde. Er streckte die Hand nach ihrer aus und drückte sie zärtlich. Die Geste ließ das Blut in ihren Adern schneller pulsieren.

„Es tut mir leid. Das war nicht fair.“ Einen Moment schaute er auf ihre verschränkten Hände, dann hob er den Kopf. „Die Wahrheit ist, dass das ein sehr persönliches Thema ist. Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen.“

Alanas gesamte Aufmerksamkeit war auf Pascal gerichtet. Die Welt außerhalb ihrer Zweisamkeit hatte aufgehört zu existieren. Ein Kellner versuchte verzweifelt, sich bemerkbar zu machen. Schließlich gab er auf und ging.

„Ich wollte dich nicht bedrängen. Wenn es dir schwer fällt, darüber zu reden …“

„Nein“, fiel er ihr ins Wort. Das Mitgefühl, das er in ihren Augen sah, erinnerte ihn an seinen heimlichen Wunsch. Wenn er halten wollte, was er sich nach jenem verheerenden Abend in dem verruchten Restaurant geschworen hatte, musste er ihr alles anvertrauen. „Das ist es nicht. Ich würde gerne morgen mit dir einen Ausflug machen. Dann erkläre ich dir alles.“

Sie nickte nur. Bei dem Gedanken, dass er sich ihr öffnen wollte, wurde ihr ganz warm ums Herz. Gleich darauf überkam sie das Bedürfnis, so schnell und so weit wegzulaufen, wie ihre Beine sie tragen konnten. Ihr Gespräch streifte Regionen, die auf eine tiefere Beziehung schließen ließen. Und doch empfand sie noch immer die Distanz, die Pascal seit einigen Tagen aufgebaut hatte. Diese Diskrepanz verunsicherte sie. In ihrem Kopf begannen alle Alarmglocken zu schrillen.

Am nächsten Tag war Alana ein einziges Nervenbündel. Sie erinnerte sich, wie sie gestern Abend in Pascals Apartment zurückgekommen waren. Wie sehr hatte sie sich gewünscht, er würde sie berühren, damit ihre Ängste und Unsicherheiten verschwanden. Doch Pascal verhielt sich reserviert und abweisend. Nach einem gemurmelten „Gute Nacht“ hatte er sich in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen.

Am Morgen jedoch wiederholte er, dass er gerne einen Ausflug mit ihr machen wolle.

Deshalb stand sie jetzt vor seinem Apartment auf dem Bürgersteig und wartete darauf, dass er den Wagen holte. Das Gefährt, das kurz darauf vor ihr hielt, konnte sie nur mit offenem Mund anstarren.

„Was ist los?“, fragte Pascal beim Aussteigen.

„Das ist nicht dein Wagen.“

„Ich besitze viele Autos“, erwiderte er amüsiert. „Aber du hast recht. Dieses hier ist neu.“

Panik breitete sich in Alana aus. Im Moment hätte sie alles dafür gegeben, seinen Porsche oder einen anderen schnellen Flitzer vor sich zu sehen.

„Aber das ist … das ist …“ Hilflos schaute sie ihn an.

„Ein Familienauto“, soufflierte er.

Genau das war es, was sie so perplex fixierte: eine brandneue Luxus-Familienkutsche.

Er hielt die Beifahrertür für sie auf. Sie stieg, ohne einen Blick auf die Rückbank zu werfen, ein. Sie wollte gar nicht wissen, ob er auch einen Kindersitz gekauft hatte. Als Pascal wieder hinter dem Steuer saß, spürte sie, dass er ihr einen fragenden Seitenblick zuwarf.

„Geht es dir gut? Ist die Übelkeit zurückgekehrt?“

Alana schüttelte den Kopf und nickte gleichzeitig. Sie hatte keine Ahnung, was genau mit ihr los war.

„Alles okay“, log sie.

„Ich habe den Wagen für dich gekauft. Du brauchst einen fahrbaren Untersatz.“

Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. Wie dumm von ihr! Natürlich war der Wagen nicht für sie beide gedacht. Pascal hatte ihn nicht als ein Symbol der Zusammengehörigkeit gekauft. Nein, damit wollte er vielmehr seiner Überzeugung Ausdruck verleihen, dass sie unabhängig sein sollte. Nach dieser Erkenntnis fiel ihr das Atmen gleich viel leichter. Und das leere Gefühl in ihrem Bauch rührte wohl nur von ihrer Erleichterung her.

„Wohin fahren wir?“, fragte sie.

„Du wirst schon sehen“, entgegnete er nur.

Die wunderschöne Pariser Innenstadt glitt an ihnen vorbei. Schließlich bog Pascal auf eine Autobahn ab, Lärmschutzwände blockierten die Sicht auf die Stadt. Zwanzig Minuten später verließen sie die Autobahn wieder. Und das Paris, in das sie jetzt kamen, unterschied sie grundlegend von dem Teil, den Alana bisher kennengelernt hatte.

Sie befanden sich in der Vorstadt. Straßen mit Schlaglöchern, baufällige Häuser und trostlos wirkende Wohnblöcke bestimmten das Bild.

„Bist du hier aufgewachsen?“

Er schaute sie nicht an. „In der Nähe, ja.“

Kleine Gruppen von Jugendlichen und Frauen mit ihren Kindern standen auf dem Bürgersteig, gingen ihren täglichen Beschäftigungen nach. In einem Schulhof spielten Kinder.

Endlich fuhr Pascal – vorbei an einem Wachmann – auf den Parkplatz eines gepflegt wirkenden Gemeindezentrums. Langsam stiegen sie aus. Pascal schwieg, doch Alana war sich bewusst, dass er jede ihrer Reaktionen sehr genau beobachtete. Plötzlich empfand sie es als extrem wichtig, dass sie seinen wie auch immer gearteten Test bestand.

Ein Grüppchen hoch aufgeschossener, äußerst muskulös wirkender Jugendlicher stürmte aus dem Gebäude. Sie begrüßten Pascal johlend und pfeifend – offensichtlich war das freundlich gemeint, denn Pascal grüßte lächelnd zurück. Die drei am bedrohlichsten aussehenden Jugendlichen musterten Alana mit finsteren Blicken, gingen um sie herum und kommentierten ihre Erscheinung.

Sie hatte keine Angst. Mit Pascal an ihrer Seite fühlte sie sich völlig sicher. Als einer der Jugendlichen ihr so nahe kam, dass sie einander berührten, spürte sie, wie Pascal sich ihm in den Weg stellen wollte. Rasch legte sie eine Hand auf seinen Arm und hielt ihn zurück. Sie befanden sich im Ghetto, dieser Ort gehörte den Jugendlichen, die sie einem Ritual unterzogen.

Unbeweglich hielt sie der Prozedur stand. Ein paar Sekunden später verflüchtigte sich die angespannte Atmosphäre. Die Jungs lachten, einer klopfte ihr sogar anerkennend auf die Schulter.

Auf dem Weg ins Gebäude warf Pascal ihr einen rätselhaften Blick zu, dann flüsterte er: „Der Anführer einer der berüchtigtsten Straßengangs von Paris hat dich soeben akzeptiert.“

Unwillkürlich überlief sie ein Schauer. Mitglied in einer Gang zu sein, konnte in dieser Gegend über Leben und Tod entscheiden. Plötzlich begriff sie, dass Pascals Umzug zu seinem Großvater sein Leben auf einschneidende Weise verändert haben musste.

Pascal ließ sie einige Minuten in der Obhut einer freundlichen älteren Frau zurück, die anscheinend als Köchin im Zentrum arbeitete. Als er zurückkehrte, trug er ein altes T-Shirt und eine Jogginghose. Begleitet wurde er von einem großen, kräftig gebauten Mann, in dem sie einen französischen Rugbystar erkannte, der kürzlich das Ende seiner Karriere verkündet hatte. Auch er erinnerte sich an Alana, die ihn beim letzten Six Nations Turnier interviewt hatte.

Auf dem Weg durch das Gebäude unterhielten sie sich angeregt über vergangene Zeiten. Sie kamen an einen Sportplatz, auf dem die Jugendlichen sich aufwärmten und einander Rugbybälle zuwarfen. Pascal und Mathieu, der ehemalige Spieler, schlenderten zu drei weiteren Trainern hinüber, besprachen sich kurz und teilten die Jungs in verschiedene Gruppen auf.

Die Köchin brachte Alana eine Tasse heiße Schokolade, mit der sie sich auf eine steinerne Bank neben dem Spielfeld setzte.

Einige Zeit später gesellte Pascal sich schwer atmend zu ihr. Seine schweißgetränkten Kleider hätten sie abstoßen sollen; stattdessen konnte sie nur an die harten Muskeln darunter denken. Es fiel ihr unglaublich schwer, den Blick von dem flachen Bauch abzuwenden. Das daran klebende T-Shirt enthüllte jedes Detail eines perfekten Six-Packs. Irgendwie musste sie die plötzlich aufwallende Lust ignorieren, sonst hätte sie Pascal gleich ins Innere des Gemeindezentrums gezerrt und ihn angefleht, auf der Stelle mit ihr zu schlafen.

In all der Zeit, die sie aus beruflichen Gründen mit Sportlern verbracht hatte, hatten verschwitzte schmutzige Männerkörper sie nie erregt. Schwangerschaftshormone. Das musste es sein.

Glücklicherweise bekam Pascal von ihren Problemen nichts mit, sondern begann die Geschichte dieses Gemeindezentrums zu erzählen und wie er und die anderen Trainer eine Rugby-Akademie für die benachteiligten Jugendlichen dieser Gegend ins Leben gerufen hatten. Es gab sogar Stipendien für diejenigen, die aufs College gehen wollten. „Ich habe Rugby schon immer geliebt. Der Sport war meine Chance, der Gesellschaft etwas zurückzugeben und den Menschen zu helfen, die nicht wie ich das Glück hatten, von hier flüchten zu können.“

„Ich habe dich beobachtet. Dein Talent auf dem Platz ist sogar mir aufgefallen. Warum bist du kein professioneller Spieler geworden?“

„Nachdem ich schon einige Jahre bei meinem Großvater gelebt habe, bin ich einem Rugbyscout aufgefallen. Aber mein Großvater wollte mich nicht zurück nach Paris gehen lassen.“

„Warum nicht?“

Pascal seufzte. „Zum einen wollte er nicht, dass ich wieder in der Vorstadt lande. Ihm war durchaus klar, dass ich es hätte schaffen können. Eine Weile hätte ich ein Star sein können. Doch irgendwann wäre mein Zeit abgelaufen. Und was dann? Wie wäre es dann weitergegangen? Jedenfalls habe ich in diesen Monaten auch entdeckt, dass ich ein gewisses Talent für Zahlen besitze. Mein Großvater hat mich gebeten, diesen Weg einzuschlagen: aufs College zu gehen und eine anständige Karriere anzustreben.“

„Du hast deine Liebe zum Rugby den Wünschen deines Großvaters geopfert?“, fragte sie ungläubig.

Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Spielfeld. „Auch diese Jugendlichen sind nicht dumm. Ich hoffe, dass ihnen das Beste aus beiden Welten zuteil wird. Für meinen Großvater hieß es leider nur entweder oder. Aber er war der Einzige aus meiner Familie, der sich je für mich interessiert hat. Ich konnte ihm nicht so einfach den Rücken kehren.“

Alana schüttelte den Kopf. Es fiel ihr schwer, das Ausmaß von Pascals Opfer zu begreifen. Ihr Ehemann hätte an so etwas nicht einmal im Traum gedacht.

„Die Wahrheit ist, dass ich, wenn ich nicht auf meinen Großvater gehört hätte, wahrscheinlich im Gefängnis gelandet wäre“, fuhr Pascal leise fort. „Die Gang, in der ich damals war, wurde immer krimineller, es waren Drogen im Spiel … wir waren die Schlimmsten der Schlimmsten, Alana. Im Vergleich dazu ist das, was die Jungs, die du hier siehst, in ihrer Freizeit treiben, eine Tee-Party für Mädchen. Lange Zeit gehörte ich nicht zum innersten Zirkel der Gang, doch das sollte sich ändern. Um meine Loyalität zu beweisen, hätte ich eine Mutprobe absolvieren müssen.“

„Was meinst du damit?“

„Eine Woche, nachdem ich zu meinem Großvater gezogen bin, wurde ein Mitglied einer rivalisierenden Gang erschossen. Wenn ich noch hier gewesen wäre, hätte die Gang mich für diese Aufgabe ausgewählt. Ich war an der Reihe.“

Alana griff nach seiner Hand. „Aber du hast es nicht getan, Pascal. Du bist rechtzeitig ausgestiegen.“ Ihr war eiskalt. Sie musste ihm zeigen, dass ihr Entsetzen nicht ihm galt.

Er hielt die andere Hand hoch, Daumen und Zeigefinger nur einen Zentimeter auseinander. „Ja. Aber ich stand so kurz davor. Und dieses Wissen ist schrecklicher, als du dir vorstellen kannst.“

„Das kannst du nicht mit Sicherheit sagen. Du weißt nicht, was du getan hättest, wie du dich entschieden hättest, wenn du wirklich in diese Situation gekommen wärst.“

Pascal sah sie an. Schon immer hatte er das Gefühl gehabt, dass in ihm ein wilder ungezähmter Teil von ihm existierte. Ein Teil, der fähig war, grauenhafte Dinge zu tun. Aber was war, wenn Alana recht hatte? Hätte er vielleicht wirklich eine andere Entscheidung getroffen? Hatte er all die Jahre eine Schuld für etwas mit sich herumgetragen, was er gar nicht getan hätte?

Blitzschnell entzog er ihr seine Hand und sprang auf. Ein Rugbyball flog auf sie zu, den er mühelos auffing. Unverwandt schaute er Alana lange an, dann drehte er sich um und lief zurück aufs Feld.

Alana fühlte sich emotional völlig erledigt. Sie konnte sich die Last, mit der Pascal all die Jahre gelebt hatte, nicht einmal ansatzweise vorstellen. Wie schmerzhaft musste es für ihn gewesen sein, seinen über alles geliebten Sport aufzugeben – für die Liebe einer Familie, die ihm erst so spät im Leben geschenkt worden war. Fortan hatte er all seine Energie in seinen Beruf gesteckt. Kein Wunder, dass er so viel erreicht hatte. Und doch war er darüber nicht verbittert, wollte anderen das zuteil werden lassen, was ihm verwehrt geblieben war.

Erst als die Dämmerung sich über die Pariser Vorstadt senkte, fuhren sie nach Hause zurück. Glücklicherweise hatte Pascal mit den Jugendlichen geduscht und sich umgezogen. Ihre Hormone hatten sich wieder einigermaßen beruhigt. In sich spürte sie ein Gefühl, das weiter und weiter an die Oberfläche drängte. Die Dinge, die er ihr vorhin gebeichtet hatte, ließ sie an ein wachsendes Vertrauen und größer werdende Intimität glauben. Nur traute sie sich immer noch nicht zu ergründen, was diese Veränderung für sie bedeutete.

Plötzlich müde geworden, unterdrückte sie ein Gähnen. Im Wagen herrschte freundschaftliches Schweigen. Sie fühlte sich sicher und geborgen. Unwillkürlich kuschelte sie sich tiefer in den Sitz. Und dann war sie auch schon eingeschlafen.

Sie merkte nicht, dass Pascal zu ihr hinüberschaute. Von dem zärtlichen Ausdruck in seinen Augen bekam sie nichts mit. Und dass er eine vorwitzige Strähne hinter ihr Ohr strich, musste Teil ihres Traums sein.

Pascal zwang sich, den Blick von der schlafenden Alana abzuwenden. Er konnte nicht fassen, dass er ihr so viel über sein Leben anvertraut hatte. Seltsamerweise war es ihm ganz leicht gefallen. Und sie hatte sich auch nicht entsetzt von ihm abgewandt; sie hatte ihn verstanden. Wie war das möglich?

Wieder sah er zu ihr hinüber. Ihr Anblick schnürte ihm die Kehle zu. Er wusste, dass er sie nie wieder gehen lassen wollte. Irgendwie musste er ihr zeigen, dass sie etwas verband, das über die körperliche Anziehungskraft hinausging.

Und um das zu erreichen, durfte er sie nicht mehr anrühren. Pascal verzog das Gesicht. Allein sie anzusehen, entfachte seine Lust. Dennoch musste er es schaffen. Er gab keine andere Möglichkeit, ihr seine Aufrichtigkeit zu beweisen.

Als Alana am nächsten Morgen aufwachte, stellte sie fest, dass sie nur noch ihre Unterwäsche trug. Die Uhr zeigte bereits zehn. Sie hatte den ganzen Abend und die ganze Nacht durchgeschlafen. Pascal hatte sie ausgezogen? Und sogar das hatte sie verschlafen?

Sie duschte und zog sich an. Wider Erwarten fand sie in der Küche keine Notiz vor. Erschrocken fuhr sie zusammen, als auf einmal die Tür zu Pascals Arbeitszimmer geöffnet wurde. Pascal stand auf der Schwelle. Er trug wieder sein übliches Outfit – nichts erinnerte mehr an den verschwitzen Sportler, der mit Ghettokindern Rugby spielte.

Unschlüssig verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Tut mir leid, dass ich eingeschlafen bin. Der gestrige Tag hat mich anscheinend mehr erschöpft, als ich gedacht habe. Das muss an der Schwangerschaft liegen.“

„Ich bin derjenige, der sich entschuldigen muss“, überraschte er sie. „Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass du den ganzen Tag auf einer kalten Bank sitzt. Du hättest dich erkälten können. Wir sollten unbedingt deine Ärztin aufsuchen. Nur für alle Fälle. Ich wollte sie gerade anrufen und fragen, wann sie einen Termin für uns hat.“

Alana konnte nicht anders, sie musste lachen. Die Anspannung, die sie gerade noch Pascal gegenüber empfunden hatte, war wie weggeblasen. „Das ist doch Unsinn, Pascal! Wir Iren sind abgehärtet und widerstandsfähig. Ein paar Stunden auf einer kalten Bank zu sitzen, wird weder frühzeitige Wehen, noch eine Lungenentzündung auslösen.“

„Trotzdem …“

Sie rollte mit den Augen, griff nach seiner Hand und legte sie auf ihre Stirn. „Hier, siehst du? Kein Fieber. Nicht krank.“

Seine Hand fühlte sich warm und stark an. Ihr Körper reagierte sofort. Hastig zog sie seine Hand von ihrer Stirn und trat einen Schritt zurück, um Distanz zwischen ihn und sich zu bringen. Auf Pascal schien die Berührung absolut keinen Eindruck gemacht zu haben.

Dafür wirkte er zufrieden und schien ihr endlich zu glauben, dass alles in Ordnung war. Er ging zurück in sein Arbeitszimmer. „Ich habe einige Besichtigungstermine für uns arrangiert“, rief er ihr über die Schulter hinweg zu.

Froh über die Ablenkung, folgte Alana ihm. „Termine? Was meinst du damit?“

Zum ersten Mal betrat sie sein Arbeitszimmer. Neugierig sah sie sich um. In Regalen, die vom Boden bis zur Decke reichten, stapelten sich unzählige Bücher. In einer Ecke stand ein größerer Tisch, an dem er manchmal Besprechungen abhielt, wie er ihr erzählt hatte.

Er war um seinen Schreibtisch herumgegangen und bedeutete ihr, vor dem Computerbildschirm Platz zu nehmen.

Ein wenig unsicher folgte sie der Aufforderung. Er drückte auf eine Taste, die Internetseite eines Immobilienmaklers erschien.

„Das alles sind Häuser und Apartments in und um Montmartre, die zum Verkauf stehen. Du hast erwähnt, dass du das Viertel magst.“

„Ich … ja, ich weiß, aber … ich verstehe nicht ganz. Warum soll ich mir die Bilder anschauen?“

„Ich glaube nicht, dass dieses Apartment der ideale Ort für ein Baby ist, meinst du nicht auch? Natürlich, es gibt den Aufzug, aber wir befinden uns immerhin im obersten Stockwerk. Außerdem ist es nicht kindgerecht ausgestattet.“

Alana zuckte zurück. Das flaue Gefühl in ihrem Magen meldete sich wieder. Sie konnte sich vorstellen, dass ihm ein Baby in seinem Apartment nicht passte. Alles in dieser Wohnung schrie: Junggeselle. Hier war kein Platz für ein Baby. Doch die Schnelligkeit, mit der er sie vertrieb, erschütterte sie so sehr, dass sie ihm nur zustimmen konnte. „Vermutlich hast du recht.“

„Gut. Deshalb habe ich für heute einige Besichtigungen verabredet, wenn das okay für dich ist?“ Er wartete eine Antwort gar nicht erst ab, sondern griff nach ihrer Hand und zog Alana aus dem Arbeitszimmer. „Jetzt solltest du aber noch frühstücken. Danach machen wir uns auf den Weg.“

Am Abend drehte Alana sich der Kopf. Sie hatte charmante Apartments im Art-déco-Stil im Latin Quarter gesehen, wunderschöne Stadthäuser in Montmartre mit idyllischen Gärten auf der Rückseite, luftige Studios in der Nähe des Eiffel-Turms. Alle hatten sie eines gemeinsam, sie waren luxuriös und unglaublich teuer. Als sie Pascal darauf ansprach, hatte er nur abgewunken und den Makler gefragt, wie man die Räumlichkeiten am besten kindersicher gestalten könne.

Anscheinend war er mehr als bereit, sich das neue Zuhause für sie und sein Kind etwas kosten zu lassen. Allerdings war Alana auch völlig klar, dass Pascal nicht mit einziehen würde. Von „wir“ war kein einziges Mal die Rede. Er fragte immer nur, ob ihr das Haus gefiel.

„Ich muss zu einem Geschäftsessen“, eröffnet er ihr, kaum dass sie in sein Apartment zurückgekehrt waren. „Ich würde dich ja bitten mitzukommen, aber du bist bestimmt zu müde.“

Fast hätte sie gelacht. In ihren Adern floss so viel Adrenalin, sie hätte einen Marathon laufen können. Den ganzen Tag über hatte Pascal geflissentlich darauf geachtet, Distanz zu ihr zu wahren. Als sie ihn einmal unabsichtlich berührt hatte, war er sogar zurückgeschreckt und hatte einen Schritt rückwärts gemacht, als könne er ihre Nähe nicht länger ertragen.

„Hast du das eigentlich schon einmal gemacht? Was die Wohnungssuche für uns angeht, bist du ziemlich gut vorbereitet.“

Er drehte sich zu ihr um und musterte sie misstrauisch. „Uns?“

Automatisch legte Alana eine Hand auf ihren Bauch. „Für mich und das Baby. Woher willst du wissen, ob ich überhaupt in Frankreich bleiben möchte, Pascal? Ich habe nie gesagt, dass ich hier leben will.“

„Unsinn. Du bekommst mein Kind. Ich erwarte, dass ich an jeder Entscheidung beteiligt bin.“

„Du meinst, solange wir am anderen Ende der Stadt wohnen?“

„Wovon sprichst du, Alana? Ich habe keine Zeit für diese Albernheiten.“

„Ich auch nicht.“ Tränen brannten in ihren Augen. In diesem Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass Pascal sein verwirrendes Verhalten aufgab und sie endlich in die Arme schloss. Dann sollte er eine Hand unter ihr Kinn legen und seine Lippen fest und leidenschaftlich auf ihre pressen, sodass sie nicht länger von diesen scheußlichen Gedanken an Einsamkeit und Verlassenwerden heimgesucht wurde.

Bevor Pascal etwas erwidern konnte, klingelte sein Handy. Fluchend zog er es aus der Tasche und sprach dann in schnellem Französisch auf den Anrufer ein.

Alana ging hinter ihm vorbei in die Küche. Nach ein paar Minuten folgte er ihr. Er sah müde und erschöpft aus. Sein Anblick schnürte ihr die Brust ein. Hastig schob sie das Gefühl von Sorge beiseite.

„Ich muss jetzt gehen. Das Dinner wurde vorverlegt. Wir sprechen morgen über alles.“

„Schön“, erwiderte sie betont fröhlich, wandte sich um und begann, wahllos Schränke und Schubladen zu öffnen. Als sie sich kurz darauf nach ihm umdrehte, war er fort.

9. KAPITEL

Sobald sie sich sicher war, alleine zu sein, kamen die Tränen. Während sie weinte, schimpfte Alana unablässig mit sich. Was war nur los mit ihr? Sie wollte Pascal, und doch wollte sie ihn wieder nicht. Sie wollte unabhängig sein, und wenn er ihr Wohnungen zeigte, in denen sie unabhängig leben konnte, wollte sie die auch nicht.

Dieses Gefühlschaos war einfach unerträglich. Sie wusste nur eins: dass in ihr ein Verlangen nach ihm aufflackerte, kaum dass sie in seiner Nähe war. Jede Nacht hatte sie erotische Träume von dem Abend in dem verruchten Restaurant. Würde er nur durch seine Küsse all ihre Unsicherheiten zum Verschwinden bringen können?

Auf einmal kam ihr die Idee, Pascal zu verführen. Allein der Gedanke ließ das Blut schneller durch ihre Adern kreisen. Wärme breitete sich tief in ihrem Innern aus.

Sie musste wissen, ob er sie nicht mehr attraktiv fand. Wenn das der Fall war, würde es die Dinge vereinfachen. Dann könnte sie nach Hause gehen und sich ihrem Schmerz stellen. Aber dazu brauchte sie Gewissheit.

Nachdem sie geduscht hatte, überlegte sie hin und her, was sie anziehen sollte. Während sie noch im Kopf ihre Outfits durchging, fand sie sich unversehens in Pascals Zimmer wieder. Sie öffnete seinen Kleiderschrank. Augenblicklich hüllte sein Duft sie ein. Ihr Puls und ihre Atmung beschleunigten sich. Verflixt, er musste nicht einmal als Person anwesend sein, um sie zu erregen.

Sie streckte die Hand aus und berührte seine Seidenkrawatten. Sie erinnerte sich an einen Film, in dem eine Frau, nur mit einer Krawatte bekleidet, auf ihren Mann gewartet hatte. Aber das traute Alana sich nicht. Also zog sie auch noch eines von Pascals Hemden vom Bügel.

Sie schlüpfte in das Hemd und band einen lockeren Krawattenknoten. Dann trug sie einen Hauch Make-up auf, gerade genug, um die Augen zu betonen. In letzter Sekunde zog sie auch noch ein Höschen an. Anschließend holte sie eine Flasche Wein und ein Glas aus der Küche und setzte sich ins Wohnzimmer.

Die Minuten verstrichen. Alanas Gefühlswelt änderte sich ständig. Von selbstbewusst zu trotzig, von unsicher zu allem bereit. Sie war fest entschlossen durchzuhalten. Selbst wenn Pascal sie zurückwies, war das immer noch besser, als diese kühle Distanz, die zwischen ihnen herrschte.

Alana machte sich eine Tasse heiße Schokolade. Sie öffnete die Flasche, damit der Wein atmen konnte. Sie schaute die Nachrichten im Fernsehen. Sie sah einen französischen Film, von dem sie kein Wort verstand. Das Hemd fühlte sich eng am Hals an. Sie öffnete den obersten Knopf und lockerte die Krawatte. Irgendwann stieg Müdigkeit in ihr auf. Lange Zeit kämpfte sie dagegen an, doch die Kissen waren so weich, und es fiel ihr immer schwerer, sich nicht hineinsinken zu lassen. Nur ein bisschen, nur kurz. Nur für zwei Minuten würde sie die Augen schließen. Zuversichtlich, sie würde Pascal schon hören, wenn er käme, überließ sie sich dem Schlaf.

Leise schloss Pascal die Tür zu seinem Apartment auf. Irgendetwas stimmte nicht. Im Wohnzimmer brannte noch Licht. Er schlich hinein und blieb wie angewurzelt stehen. Der Anblick raubte ihm den Atem. Alana lag schlafend auf dem Sofa. Sie trug eines seiner Hemden und eine Krawatte. Die langen nackten Beine hatte sie ausgestreckt, eine Hand lag auf ihrem Bauch, die andere neben ihrem Kopf. Das Bild strahlte eine völlige Unschuld aus … und war doch gleichzeitig so erotisch, dass ihm vor Lust ganz schwindelig wurde.

Vorsichtig näherte er sich ihr, er wollte den Zauber nicht brechen. Hatte sie sich für ihn so angezogen?

Alana glich der Fleisch gewordenen Versuchung. Ihre Lippen waren so weich, schienen ihn einzuladen, sich niederzubeugen und sie zu küssen. Es wäre so leicht. Er könnte neben ihr knien, seine Zunge in ihren Mund gleiten lassen, sie aufwecken, damit sie den sinnlichen Tanz erwiderte und das Spiel ihrer Zungen zu einem leidenschaftlichen Vorspiel wurde.

Pascal focht den härtesten Kampf seines Lebens mit sich aus. Die Erinnerung, wie er sie gestern Abend ausgezogen hatte, ohne sie auch nur ein einziges Mal unsittlich zu berühren, brannte noch frisch und quälend in seinem Gedächtnis. Doch sein Entschluss stand fest. Er konnte sie ein zweites Mal entkleiden, auch wenn es sich anfühlte, als würde es ihn umbringen. All seine Selbstbeherrschung beschwörend, hob er die schlafende Alana in die Arme.

Sie gab ein leises Geräusch von sich, ein Seufzen vielleicht, und kuschelte sich an ihn. Ihre Brüste drückten gegen seinen Oberkörper. Pascal erstarrte. Er biss die Zähne so fest zusammen, dass sein Kiefer schmerzte. Erregung flammte heiß in ihm auf. Er musste seine Lust besiegen. Für sein Seelenheil. Für Alana. Für sie beide.

Alana wusste, dass es einen Grund gab, weshalb sie sich aus diesem himmlischen Traum kämpfte. Sie fühlte sich so sicher und warm, am liebsten wäre sie für immer hier geblieben. Doch da war noch ein anderes Gefühl, ein Gefühl der Dringlichkeit, das ein Prickeln über ihren Körper sandte. Als sie endlich aufwachte, bemerkte sie, dass starke Arme sie trugen und ihr Kopf an einer muskulösen Brust ruhte. Pascal. Und in genau diesem Moment beugte er sich vor und ließ sie auf eine weiche Oberfläche sinken. Nein! Alles in ihr schrie auf. Er sollte sie nicht loslassen.

„Warte! Was tust du denn da?“, fragte sie schlaftrunken.

Tief und samtig drang seine Stimme an ihr Ohr. „Du bist gar nicht wach. Schlaf weiter.“

„Aber …“ Alana kämpfte gegen die Wogen der Müdigkeit, die sie zurück in ihren wundervollen Traum ziehen wollten. „Ich bin aufgeblieben, um dich zu verführen.“ Nur dank der Dunkelheit schaffte sie es, so ehrlich zu sein.

Sie spürte, wie Pascal sich versteifte. Nach langem Schweigen erwiderte er nebulös: „Du brauchst mich nur anzusehen, und ich bin verführt. Schlaf jetzt, Alana.“

Mit raschen Schritten durchquerte er ihr Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Auf einmal war sie hellwach. Du brauchst mich nur anzusehen, und ich bin verführt. Hatte sie das geträumt?

Sie schlug die Decke zurück und sprang aus dem Bett. Ihr Herz pochte wild, als sie auf der Schwelle zum Wohnzimmer haltmachte.

Pascal stand am Fenster, eine Hand tief in die Hosentasche gesteckt, in der anderen hielt er das Weinglas.

Als spüre er ihre Anwesenheit, versteifte sein Körper sich, noch bevor er sich umdrehte. Alana verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt, seine Miene wirkte finster. Davon durfte sie sich jetzt nicht aufhalten lassen.

„Was soll das heißen, ich brauche dich nur anzusehen, und du bist verführt? Wenn das stimmt, warum …?“ Obwohl sie aufgeblieben war, um ihn zu verführen, brachte sie es nicht über sich, die Worte auszusprechen.

„Warum ich nicht mit dir schlafe?“, fragte er barsch.

Alana nickte. Er stellte das Glas ab und steckte auch die andere Hand in die Tasche.

„Weil ich dir zu beweisen versuche, dass wir mehr haben können als nur … Lust, Verlangen, Sex.“

Diesmal schüttelte sie den Kopf und machte ein paar Schritte auf ihn zu. „Ich verstehe nicht, was du meinst.“

„Seit unserer ersten Begegnung gab es für uns nur körperliche Leidenschaft. Aber jetzt bist du schwanger. Wir bekommen ein Baby. Und ich wollte versuchen, unsere Beziehung auf eine andere Ebene zu führen. Die Gefühle, die du in mir auslöst … Der Abend in dem Restaurant … Es war nicht meine Absicht, es so weit kommen zu lassen, doch innerhalb von Sekunden konnte ich nicht mehr zurück.“

„Wovon sprichst du, Pascal? Unsere Beziehung auf eine neue Ebene führen? Wir sind doch nur … wir haben nur eine Affäre. Sobald sich die Dinge in Irland beruhigt haben, werde ich Paris verlassen.“

„Warum sagst du das immer wieder? Ich möchte weder von dir, noch dem Baby getrennt sein.“

Seine Worte ließen Verbitterung in ihr aufsteigen. „Und doch verbringst du den ganzen Tag damit, mir Wohnungen zu zeigen, in die du mich und unser Kind abschieben kannst.“ Wieder schüttelte sie den Kopf. „Das werde ich nicht zulassen, Pascal. Ich möchte lieber nach Hause zurückkehren, als für dich zur Verpflichtung zu werden.“

Pascal hatte sich auf sie zubewegt, jetzt blieb er abrupt stehen. Ein Ausdruck von Verzweiflung huschte über sein Gesicht. „Die Wohnungen, die wir uns heute angesehen haben, waren für uns drei bestimmt, nicht nur für dich und das Baby. Wie kommst du auf diese absurde Idee?“

In diesem Moment hätte er Alana mit einer Feder niederschlagen können, so schwach fühlte sie sich. Fassungslos schaute sie ihn an. Und er verstand.

„Hast du wirklich geglaubt, ich würde weiterhin hier wohnen und dich irgendwo anders einquartieren?“

„Ja, genau das habe ich gedacht. Wir haben nie darüber gesprochen, Pascal. Ich habe dir gesagt, dass ich keine Beziehung will.“

„Das war, bevor du schwanger wurdest. Die Dinge haben sich geändert.“

„Aber ich will das nicht!“, rief sie, als sie endlich begriff, was er beabsichtigte. „Der Wagen, die Wohnung … Du hast das die ganze Zeit über geplant, nicht wahr?“

„Einer von uns muss sich der Realität stellen, Alana. Sag du mir doch, wie du dir die Zukunft für dich, mich und unser Baby vorstellst.“

„Ich werde sobald wie möglich nach Hause gehen. Und du kannst uns jederzeit besuchen.“ Selbst in ihren Ohren klang ihre Stimme schrill und angespannt.

Genau das war das Problem. Sie wollte ihm ihre Gefühle nicht offenbaren, wollte selbst nicht darüber nachdenken, was sie eigentlich empfand. Aus dem Grund hatte sie sich ja auch so sehr nach dem körperlichen Kontakt gesehnt – um das Denken auszuschalten.

Die Leichtigkeit, mit der Pascal sie in sein Leben einband, machte ihr Angst. Er bedrohte die Grundfesten ihrer Existenz. Nach Ryans Tod waren ihr Unabhängigkeit und Freiheit das Wichtigste gewesen. Sich ein eigenes Leben aufzubauen hatte so lange gebraucht. Und jetzt drohte Pascal ihr all das wieder zu nehmen.

„Bald werde ich den Umfang eines gestrandeten Wals aufweisen. Willst du mir ernsthaft versichern, du bist dann immer noch glücklich, dass ich Teil deines Lebens bin? Und was ist, wenn das Baby da ist? Wenn es zu jeder Tages- und Nachtzeit weint, weil es Hunger hat – wirst du dann nicht bedauern, deine Unabhängigkeit aufgegeben zu haben? Oder vielleicht willst du dieses Apartment ja für eine andere Geliebte behalten?“

Blitzschnell umfasste Pascal ihre Arme. „Verdammt, Alana. Ich werde nicht stillschweigend in der Schublade verharren, in die du mich so gerne quetschen möchtest. Ich habe überhaupt nicht vor, mir eine andere Geliebte zu nehmen.“ Er lachte rau auf. „Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen werde, aber zum ersten Mal in meinem Leben habe ich sogar darüber nachgedacht zu heiraten. Du hast mir den Glauben geschenkt, mit uns könne es gut gehen – trotz unserer Vergangenheit. Dabei wusste ich ganz genau, dass die bloße Erwähnung dich schon in die Flucht schlagen würde. Deshalb wollte ich dir auf andere Weise zeigen, dass uns etwas ganz Besonderes verbindet, was nichts mit Sex zu tun hat. Ich bin bereit zu einer richtigen Beziehung, aber du gibst dem Gedanken an ein Familienleben ja nicht einmal eine Chance.“

Alana begann zu zittern. Seine Worte … Was sagte er da? „Aber du … du bist ein Playboy! Du magst es, Single zu sein. Du gehst keine Beziehungen ein. Wie kannst du das jetzt wollen?“ Eine spöttische Stimme meldete sich in ihrem Kopf und machte sich darüber lustig, dass tatsächlich Hoffnung in ihr aufkeimte.

„Du meinst, mit dir?“ Wieder lachte er harsch auf und ließ seinen Blick über ihren Körper wandern.

Sie glaubte, seine Worte hätten ihr Verlangen getötet, aber unter seinem forschenden Blick flammte die alte Sehnsucht mit unveränderter Kraft auf. Alana wehrte sich dagegen, kämpfte dagegen an. „In Wahrheit willst du das nicht!“

„Will ich nicht?“ Ein zynischer Ausdruck trat in seine Augen. „Du scheinst mich ja sehr gut zu kennen, Alana. Du denkst, dein runder Bauch würde mich abstoßen oder mein weinendes Baby würde mir auf die Nerven gehen oder ich würde es hassen, die Nachtschichten zu übernehmen, damit du einmal ausschlafen kannst. Du glaubst, ich würde das häusliche Leben schnell satt haben und mir eine neue Geliebte suchen. Aber da du mich ja so gut zu kennen scheinst, wirst du auch wissen, dass ich die Nase voll habe, mit dir zu streiten. Ich bin es leid, dir eine andere Seite von mir zu zeigen, wenn dich doch nur Sex interessiert. Für dich ging es nie darüber hinaus, oder?“

Noch bevor Alana seine Worte begreifen, geschweige denn in ihrem Kopf eine Antwort formulieren konnte, hatte Pascal die Hände nach der Krawatte ausgestreckt. Mit einer raschen Bewegung löste er den Knoten, dann kümmerte er sich um die Hemdknöpfe.

„Im Augenblick habe ich es sogar satt, mir zu verweigern, was du so großzügig anbietest.“

Und damit zog er Alanas halbnackten Körper an seinen und presste die Lippen stürmisch auf ihre. Ihre Welt wurde zu einem einzigen Feuerball. Und Alana erwiderte den Kuss, obwohl sie genau wusste, dass sie sich letzten Endes verbrennen würde. Ein winziger Teil ihres Verstandes flehte sie an, vernünftig zu sein und Nein zu sagen, aber ihr Körper wollte nichts davon hören. Ihre Hände tasteten bereits nach dem Saum seines Hemdes und zogen es aus dem Hosenbund. Wie sehnte sie sich danach, seine Haut zu fühlen! Ungeduldig zerrte sie an den Knöpfen. Irgendwie gelang es ihr, ihm das Hemd über die Schultern zu streifen. Es fiel zu Boden, wo es unbeachtet liegen blieb.

Schwer atmend hob Pascal den Kopf. „Du weckst etwas in mir … Etwas Wildes und Ungezähmtes aus meiner Vergangenheit.“

Mit einer Hand streichelte Alana seine Wange. „Das ist doch nichts Schlechtes. Deine Vergangenheit ist ein Teil von dir. Ich kann damit umgehen. Zeig mir, wie es sich anfühlt.“

Pascal hob sie in seine Arme und trug sie in ihr Schlafzimmer hinüber. Dort ließ er sie aufs Bett gleiten und zog seine restlichen Sachen aus. Nackt und sehr erregt stand er jetzt vor ihr.

Alana richtete sich auf und streckte die Arme nach ihm aus. Er trat ans Bett, sie schaute zu ihm auf, umfasste seine erregte Männlichkeit und umschloss sie sanft mit den Lippen.

Sie konnte fühlen, wie er versuchte, nicht jetzt schon die Kontrolle zu verlieren. Er legte eine Hand auf ihren Kopf und hielt sie zurück, ihm Erfüllung zu schenken. Dann hob er Alana mühelos zurück aufs Bett. Mit einer einzigen raschen Bewegung streifte er ihr das Höschen ab.

Pascal streichelte ihren schon leicht gerundeten Bauch, beugte sich vor und küsste zärtlich den Bauchnabel. Die Geste trieb Alana Tränen der Rührung in die Augen. Hastig, damit das Gefühl nicht überhand nahm, zog sie Pascal zu sich hinauf. Etwas Dunkles flackerte in seinen Augen auf, als wüsste er genau, weshalb sie es tat.

„Bitte“, flüsterte sie und legte die Beine um seine Hüften, öffnete sich für ihn. „Ich will dich jetzt.“

Einen Moment verharrte er über ihr. Sie wusste, dass er einen inneren Kampf mit sich ausfocht, ob er ihrem Wunsch entsprechen sollte. Endlich, als sie schon glaubte, ihn anflehen zu müssen, schob er eine Hand unter ihren Po und tauchte mit einem einzigen Stoß tief in sie ein. Alana schien es, als berühre er ihre Seele.

Sie schlang die Beine noch enger um seine Hüften, bewegte sich mit ihm, wenn er sich zurückzog, nahm ihn in sich auf, wenn er wieder zu ihr kam. Blind küsste sie jedes Fleckchen Haut, das sie erreichen konnte. Die Spannung in ihrem Innern wuchs, bis es kein Zurück mehr gab. Ihre Gefühle entluden sich in einem bunten Rausch der Sinne.

Sie legte eine Hand auf seinen Rücken und hielt ihn fest, während die Wogen der Lust ihren Körper durchliefen. Unmittelbar darauf spürte sie, wie auch ihn der Gipfel der Ekstase erreichte und er sich in ihr verströmte.

Erst nach geraumer Weile ließ Pascal sich auf die Seite gleiten. Keuchend rangen sie beide nach Luft. Als sich ihr Herzschlag endlich beruhigte, kuschelte sie sich an seine Brust und schlief auf der Stelle ein.

Sie wachte nicht einmal auf, als Pascal aufstand und die Decke über sie legte. An der Tür blieb er stehen und warf einen letzten Blick auf sie. Dann ging er mit düsterer Miene hinüber in sein eigenes Zimmer.

Als Alana am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich wohl und zufrieden. Ihr Körper prickelte an delikaten Stellen. Plötzlich erinnerte sie sich an die vergangene Nacht. Das behagliche Gefühl verschwand.

Sie brauchte gar nicht erst nachzusehen, sie wusste instinktiv, dass Pascal nicht bei ihr geschlafen hatte.

In der Wohnung war es völlig still. Sie stand auf, duschte und zog sich an. In der Küche lag eine Nachricht für sie.

Wir müssen reden.

Pascal.

Nackte Angst stieg in ihr auf, als sie sich die Details der gestrigen Unterhaltung ins Gedächtnis rief. Hatte er wirklich gesagt, dass er eine richtige Familie mit ihr gründen wollte? Er hatte darüber nachgedacht, ihr einen Antrag zu machen?

Das Gefühl von Panik kehrte zurück, stärker als jemals zuvor. Aufgewühlt griff sie nach den Schlüsseln zum Apartment und stürmte nach draußen. Vielleicht half ein Spaziergang, einen klaren Kopf zu bekommen.

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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