Im Bann zärtlicher Erinnerungen

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Fassungslos sieht Emily, wer das höchste Gebot für ein Dinner mit ihr bei der Krankenhausauktion abgegeben hat: ihr neuer Boss Lucas Cain, der, was niemand weiß, ihr Exmann ist! Einen Abend lang muss sie nun so tun, als hätte Lucas ihr damals nicht das Herz gebrochen …


  • Erscheinungstag 25.12.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751512428
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Oh nein! Das durfte auf gar keinen Fall wahr sein! Ihr Ex-Mann hatte doch nicht im Ernst ein so absurd hohes Gebot für eine Verabredung mit ihr abgegeben, oder?

Emily Stewart wäre nie auf die Idee gekommen, dass die Spendenaktion zugunsten der neurochirurgischen Abteilung des Memorial Children’s Hospital einen so katastrophalen Verlauf nehmen könnte.

Das konnte Lucas doch nicht machen!

Begeisterter Beifall brandete im großen Saal des Hotels auf, als der Auktionator die Summe verkündete. Emily allerdings hätte am liebsten laut „Nein!“ geschrien. Natürlich hatte sie nicht daran gedacht, ihren früheren Ehemann als potenziellen Gewinner des Abends mit ihr auszuschließen. Wieso auch – schließlich hatte sie ihn seit über fünf Jahren nicht mehr gesehen. Folglich hatte sie kaum damit rechnen können, dass er gerade an diesem Tag auftauchen und dann auch noch einen lächerlich hohen Preis für eine Verabredung mit ihr bieten würde.

Für Emily war klar gewesen, dass ihr Freund Meistbietender bei der Versteigerung sein würde. Insgeheim hatte sie sogar gefürchtet, dass außer Richard niemand Interesse an der Auktion hätte.

Wenn es doch nur so gewesen wäre …

Wieso hatte sie sich von Meghan überhaupt dazu überreden lassen, bei dieser Sache mitzumachen? Auf einer Bühne zu stehen und Männer anzuspornen, Geld für ein Date mit ihr zu bezahlen, passte ganz und gar nicht zu ihr. Aber da die Auktion für einen guten Zweck war, der Emily sehr am Herzen lag, hatte sie ausnahmsweise ihre Zurückhaltung über Bord geworfen und das Risiko einer Demütigung in Kauf genommen.

Hätte sie allerdings gewusst, dass Lucas auftauchen und mitbieten würde, hätte sie nie im Leben mitgemacht. Mit zusammengebissenen Zähnen zwang sie sich zu einem neutralen Lächeln. Das Publikum brauchte schließlich nicht zu merken, dass der Mann, der da gerade ein kleines Vermögen für ein Abendessen mit ihr ausgegeben hatte, ihr vor Jahren das Herz gebrochen hatte.

Damals, als es ihn nichts weiter als ein wenig Zeit gekostet hätte, mit ihr auszugehen, hatte er kein Interesse gehabt. Wieso also jetzt? Nach all den Jahren? Und wo sie gerade dabei war, interessante Fragen zu stellen: Warum, um alles in der Welt, hatte er den Job im Memorial Children’s Hospital angenommen? Manhattan war doch nun wirklich groß genug für sie beide. Obwohl keiner von ihnen weggezogen war, hatte sie ihn seit der Scheidung kein einziges Mal getroffen.

Bis letzten Monat. Seitdem sah sie ihn fast jeden Tag bei der Arbeit.

Geschäftstüchtig wiederholte der Auktionator noch einmal die Summe und fragte, ob jemand sie noch überbieten wolle. Emily warf Richard einen flehenden Blick zu. Auch wenn er nicht so wohlhabend war wie Lucas, wäre es durchaus im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten gewesen, ein höheres Gebot abzugeben. Wieso machte er Lucas nicht klar, dass sie nun zu ihm gehörte? Doch statt auf ihr stummes Flehen zu reagieren, zuckte Richard nur mit den Achseln und lächelte ihr amüsiert zu. „Es ist doch für einen guten Zweck“, schien sein Blick zu sagen.

Mit feuerroten Wangen und klopfendem Herzen betete Emily, dass er es sich noch einmal anders überlegte. Richard verdiente gut. Er konnte es sich leisten, mit Lucas mitzuziehen. Und als ihr Freund war er gewissermaßen dazu verpflichtet, oder etwa nicht?

„Höre ich ein höheres Gebot? Kommt schon, Leute. Seht euch diese wunderhübsche Frau an. Was könnte es Schöneres geben, als einen ganzen Abend mit ihr zu verbringen?“ Aufmunternd sah der Auktionator ins Publikum.

Doch natürlich gab niemand mehr ein Gebot ab. Wenn nicht einmal ihr Freund mitbot, wieso sollte sich dann jemand anderes in Unkosten stürzen?

Das Ganze war so unglaublich erniedrigend!

„Da ich keine weiteren Gebote mehr höre, geht die Verabredung – zum Ersten, zum Zweiten und …“ Der Auktionator machte eine theatralische Pause. „… zum Dritten – an den jungen Mann mit der Nummer 146!“

Na großartig. Lucas hatte also den Abend mit ihr ersteigert. Starr vor Entsetzen verließ Emily die Bühne, um der nächsten Kandidatin Platz zu machen. In wenigen Minuten würde sie gemeinsam mit ihrem Gewinner für ein Foto posieren müssen.

Wie konnte er ihr das nur antun? Hatte er nicht schon genug Schaden angerichtet? Nein, schlicht und ergreifend nein! Sie würde auf keinen Fall mit Lucas essen gehen. Schon der Gedanke daran ließ eine unangenehme Übelkeit in ihr aufsteigen. Sie würde während des Fototermins gute Miene zum bösen Spiel machen und sich dann aus der Verpflichtung freikaufen, indem sie die Spende übernahm.

Schade nur, dass Lucas so viel geboten hatte. Sie würde sich im nächsten Monat schmerzlich einschränken müssen, um den Betrag anzusparen. Doch das war es wert.

Warum hast du das getan? Am liebsten hätte sie ihm diese Frage laut entgegengeschrien. Die zahlreichen Besucher in dem luxuriösen Saal verschwammen vor ihren Augen, und sie sah nur noch ihn. Lucas, der sie so entwaffnend anlächelte, als wäre alles in bester Ordnung. In seinem Smoking sah er so unverschämt gut aus, dass Emily ihm mit dem größten Vergnügen den Hals umgedreht hätte.

Ihre Scheidung hatte bei ihm offensichtlich keine Spuren hinterlassen. Sie dagegen hatte lange gebraucht, um darüber hinwegzukommen. Damals war für sie eine Welt zusammengebrochen. Aber sie hatte es überlebt und war sogar gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Während und vor allem am Ende ihrer Ehe mit Dr. Lucas Cain hatte sie einige wichtige Lektionen fürs Leben gelernt.

Weshalb musste er gerade jetzt wieder in ihr Leben treten? Nur mit Mühe hatte sie es geschafft, über ihn hinwegzukommen. Hatte sich ein neues Leben am Children’s aufgebaut, einen netten neuen Freund gefunden, und nun kam Lucas und brachte wieder alles durcheinander.

Richard Givens, besagter neuer Freund, war Apotheker und arbeitete in der Nähe ihrer Klinik. Im Augenblick scherzte er unbekümmert mit seiner Tischnachbarin, obwohl er gerade seine Freundin an einen Fremden verloren hatte, wenn auch nur für einen Abend. Allerdings hatte er auch keine Ahnung, dass Lucas ihr Ex-Mann war. Niemand im Children’s wusste das, denn Emily hatte nach der Scheidung ihren Mädchennamen wieder angenommen und niemals erwähnt, dass sie den neuen Chef der Kinder-Neurochirurgie kannte.

Ob sie um eine Versetzung bitten sollte? Aber sie liebte ihre Arbeit als Stationsschwester in der Neurochirurgie. Je länger sie darüber nachdachte, desto wütender wurde sie auf ihn. Wie hatte er es nur wagen können, an ihre Klinik zu kommen, sodass sie nun über einen Wechsel nachdenken musste? Dabei hatte sie seinetwegen schon einmal einen Traumjob aufgegeben.

Er war in seinem ersten Ausbildungsjahr als pädiatrischer Neurochirurg gewesen, als sie sich kennengelernt hatten. Um Arbeit und Privatleben zu trennen, hatte sie kurz vor ihrer Hochzeit die Stelle gewechselt. Natürlich war es ein Fehler gewesen, Lucas zu heiraten. Alle hatten sie gewarnt: ihre Eltern, ihre Freunde, sogar seine eigenen Eltern und seine Freunde. Kaum jemand hatte ihrer Ehe eine Chance gegeben, denn sie, Emily, war viel zu jung und Lucas viel zu unreif gewesen. Außerdem hatten sie kaum Gemeinsamkeiten gehabt und stammten aus vollkommen unterschiedlichen Schichten.

Emily, Spross einer bürgerlichen Mittelstandsfamilie aus Brooklyn, war das nette Mädel von nebenan gewesen. Lucas hingegen war mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Mund geboren worden und entstammte altem Geldadel, der ein sorgenfreies, luxuriöses Leben garantierte.

Natürlich hatte Emily alle gut gemeinten Warnungen in den Wind geschlagen. Sie war unsterblich verliebt gewesen und hatte ernsthaft geglaubt, ihren Traummann gefunden zu haben. Auch wenn sie erst einundzwanzig gewesen war.

Gerade als sie ihre Ausbildung zur Krankenschwester beendet und erst wenige Wochen gearbeitet hatte, war ihr Lucas über den Weg gelaufen und hatte mit seinem jungenhaften Charme ihr Herz im Sturm erobert. Ihre Romanze war stürmisch gewesen; schon nach wenigen Wochen hatten sie geheiratet und waren zusammengezogen. Emily hatte darauf bestanden, dass sie in ihrem kleinen Apartment in der Nähe der Klinik lebten, anstatt in das geräumige Penthouse seiner Eltern in der Park Avenue zu ziehen. Unabhängigkeit war ihr schon immer sehr wichtig gewesen.

Fest entschlossen, alle Schwarzmaler eines Besseren zu belehren, hatte sie trotzig an ihrer Beziehung zu Lucas festgehalten. Auch dann noch, als längst offensichtlich war, dass Lucas’ Verliebtheit nur ein Strohfeuer gewesen war.

Natürlich war ihr von Anfang an klar gewesen, dass er während seiner Facharztausbildung beruflich sehr eingespannt sein würde. Trotzdem hatte sie gehofft, er würde zumindest gelegentlich den Wunsch verspüren, etwas Zeit mit seiner jungen Ehefrau zu verbringen. Am Ende ihrer kurzen Ehe, als sie sich kaum noch sahen, hatte Emily sich gefragt, ob Lucas überhaupt bemerken würde, dass sie seiner Bitte nachgekommen und ausgezogen war.

Doch offenbar hatte er es durchaus wahrgenommen, denn schon wenige Tage später hatte er die Scheidung eingereicht. Wegen unüberbrückbarer Differenzen und weil er grundlos verlassen worden war.

Aber wer, bitte schön, hatte hier wen verlassen? Sie hatte ihn von ganzem Herzen geliebt, hatte alles darangesetzt, dass ihre Ehe funktionierte – und er hatte sie abgestreift wie einen alten Hut.

Sie war in eine tiefe Depression versunken, denn noch nie hatte etwas sie so geschmerzt wie das Scheitern ihrer Ehe. Lucas hatte ihr das Herz gebrochen. Für immer.

Und nun, da sie sich gerade wieder zurück ins Leben gekämpft hatte, erschien er auf der Bildfläche und machte Schwierigkeiten? Das würde sie nicht zulassen! Innerlich kochte sie vor Wut. Er durfte ihren inneren Frieden auf keinen Fall noch einmal zerstören.

Wenn sie ehrlich war, musste sie jedoch zugeben, dass von ihrem inneren Frieden nichts mehr übrig war, seit sie erfahren hatte, wer der künftige Chefarzt der Neurochirurgie werden würde.

Doch sie war fest entschlossen, dagegen anzukämpfen und sich ihr Leben nicht noch einmal von Lucas zerstören zu lassen. Niemals wieder würde sie ihm so viel Macht einräumen. Stattdessen würde sie ihm einfach aus dem Weg gehen und den Kontakt auf das absolut notwendige Mindestmaß reduzieren.

Leider schien Lucas andere Pläne zu haben … wie sich an diesem Abend gezeigt hatte.

Unauffällig musterte Emily ihren Ex-Mann und überlegte, ob es wirklich sein konnte, dass man einen Menschen hasste, den man einmal mehr als alles andere auf der Welt geliebt hatte.

Auf den ersten Blick erschien Lucas wie der absolute Hauptgewinn. Aber Emily ließ sich nicht täuschen. Sie kannte seine Macken, wusste, dass sich hinter seiner attraktiven Fassade ein Mann verbarg, der überhaupt nicht in der Lage war, einen anderen Menschen zu lieben. Ein Mann, der nicht bei seiner Frau gewesen war, als sie ihn am meisten gebraucht hatte. Der sie in der schlimmsten Nacht ihres Lebens im Stich gelassen hatte.

War er bei der Arbeit gewesen? Oder bei seinen reichen Eltern? Oder hatte er eine Kneipentour mit seinen Kumpeln gemacht? Sie wusste nur eines: Er war nicht für sie da gewesen, als sie ganz allein in der Notaufnahme gelegen hatte und ihre Welt zusammengebrochen war.

„Du Glückspilz!“, flüsterte Meghan, Emilys beste Freundin. „Ich kann nicht fassen, dass Dr. Cain das Date mit dir ersteigert hat. Noch dazu zu einer so schwindelerregenden Summe. Anscheinend verströmst du irgendwelche Super-Pheromone. Ein paar Minuten lang sah es so aus, als würden er und Richard sich um dich prügeln.“

Auf diesen Gedanken war Emily allerdings nicht gekommen. Lucas hatte nie um sie gekämpft. Warum auch? Schließlich hatte sie sich ihm förmlich an den Hals geworfen. Genau genommen hatte er noch nie in seinem Leben für irgendetwas kämpfen müssen. Wann immer er etwas haben wollte, bekam er es auch. Serviert auf einem Silbertablett. Die Ehe mit ihr war vermutlich der einzige Makel in seinem ansonsten perfekten Lebenslauf.

Und was Richard betraf … Er war ein eher konfliktscheuer Mensch. Daher hatte es sie auch nicht sonderlich überrascht, dass er sich die Verabredung mit ihr von Lucas hatte vor der Nase wegschnappen lassen. Richard fand den Gedanken, für etwas zu bezahlen, das er auch kostenlos bekam, garantiert vollkommen abwegig. Es hätte Emily deshalb ungemein beeindruckt, wenn Richard sich Lucas entgegengestellt und um sie gekämpft hätte. Schade, dass diese Vorstellung völlig absurd war. Aber sie durfte nicht unfair sein. Für Richard war der Preis kein Betrag, den er aus der Portokasse bezahlte. Er arbeitete hart für sein Geld, genau wie Emily selbst. War das nicht einer der Gründe, weshalb ihre Beziehung so gut funktionierte? Weil sie beide ein ganz normales Leben führten?

„Du kannst ihn gerne haben“, murmelte Emily abfällig.

Verdutzt sah Meghan sie an. „Bist du blind? Dr. Cain ist der heißeste Kerl, den ich je gesehen habe. Alle Frauen hier im Saal beneiden dich!“

Emily rümpfte die Nase. „Also mein Typ ist er nicht.“

„Unsinn! Es gibt hier keine einzige Frau, die nicht auf ihn steht! Was willst du denn noch? Er ist groß, gut aussehend, ein bisschen verwegen.“

„Dann versuch du doch dein Glück bei ihm. Ich bevorzuge Richard.“

Diesmal war es Meghan, die die Nase rümpfte. „Richard ist nett, aber langweilig.“

Emily warf ihrer Freundin einen tadelnden Blick zu. „Richard ist loyal, attraktiv, klug, nett …“

„Emily, bitte! Du verdienst etwas Besseres als Richard.“ Meghan hatte nie verstanden, was Emily an Richard fand.

„Ich will aber keinen anderen“, widersprach Emily. Während ihrer Ehe mit Lucas hatte sie genügend Aufregung und Chaos gehabt. Partys und andere Vergnügungen waren ihr nicht wichtig. Sie fand es schön, nach der Arbeit in ihr gemütliches Apartment zu kommen, etwas Leckeres für sich und Richard zu kochen, ein wenig über den Tag zu plaudern und gelegentlich ins Kino zu gehen. Richard war ruhig, verlässlich und berechenbar und damit genau das, was sie brauchte: nämlich das Gegenteil von Lucas Cain.

„Komm schon, Emily. Du willst doch nicht bestreiten, dass Lucas Cain in einer anderen Liga spielt als Richard!“

„Natürlich nicht. Richard ist um Klassen besser.“

„Hast du getrunken?“ Verwundert sah Meghan sie an.

Emily lachte. „Weil ich meinen Freund attraktiver finde als den neuen Chefarzt?“

„Tust du das denn?“, vernahm sie da eine ihr nur allzu vertraute Stimme hinter sich. In Sekundenbruchteilen stand jeder einzelne Nerv in Emilys Körper unter Strom, ihr wurden die Knie weich, ihre Hände zitterten, und ihr Herz raste. Sie wollte ihn nicht ansehen, wollte nicht mit ihm sprechen – und drehte sich trotzdem zu ihm um. Aus der Nähe sah er noch besser aus als von Weitem. Wieso war das Leben nur so ungerecht? Hätte er nicht auch älter und weniger attraktiv werden können?

Er hatte sie fortgeschickt und, ohne mit der Wimper zu zucken, die Scheidung eingereicht.

Er war ein kalter, herzloser Mensch, der ihr nichts bedeutete. Trotzdem zitterte sie am ganzen Körper, und ihr Magen revoltierte.

„Wie bitte?“

„Findest du den Mann, der am Anfang mitgeboten hat, attraktiver als mich?“ Lucas’ blaue Augen funkelten provozierend. Er wusste ganz genau, dass er der Schwarm aller Frauen war und nur mit den Fingern zu schnipsen brauchte, um jede von ihnen zu bekommen. Für ihn war es unvorstellbar, dass es irgendeinen Mann auf der Welt geben könnte, den Emily attraktiver fand als ihn. Er war wirklich ein Mistkerl.

„Natürlich finde ich Richard attraktiver, Dr. Cain“, erklärte Emily betont förmlich. „Schließlich sind wir seit fast einem Jahr ein Paar.“

„Fast ein Jahr?“ Spöttisch zog er eine Augenbraue hoch und musterte sie ungeniert. „Beeindruckend. Manche Ehen dauern nicht so lange.“

Seine unverschämte Bemerkung verschlug Emily den Atem. Mühsam beruhigte sie sich, bevor sie antwortete: „Stimmt. Leider geschieht es viel zu oft, dass Menschen, die einfach nicht füreinander bestimmt sind, heiraten. Meistens sind sie einfach noch zu jung, um es besser zu wissen. Oder es stellt sich heraus, dass einer von beiden die Sache nicht so ernst genommen hat. Meiner Erfahrung nach sind Menschen, die solche schlechten Erfahrungen gemacht haben, bei ihren folgenden Beziehungen deutlich wählerischer.“

Zufrieden stellte Emily fest, dass er bei ihren Worten ein wenig zusammengezuckt war. Diese Runde ging eindeutig an sie.

„Bestimmt haben Sie recht“, erwiderte Lucas und wandte sich dann mit seinem legendären Lächeln an Meghan. „Hallo. Ich bin Dr. Lucas Cain. Ich arbeite mit Emily zusammen im Children’s.“

Er hörte sich so nett und so unglaublich höflich an. Wie gebannt hing Meghan an seinen Lippen und schaffte es kaum, einen zusammenhängenden Satz herauszubringen. Diesen Effekt hatte Lucas schon immer auf Frauen gehabt. Selbst auf Emily. Aber das war Vergangenheit. Inzwischen war sie immun gegen ihn und seinen Charme. Zumindest hoffte sie das.

„Ich … ich … auch …“, stotterte Meghan. „Ich meine, ich arbeite auch dort.“

Interessiert sah Lucas sie an. „Auch in der Neurochirurgie? Genau wie Emily?“

Ihren Namen aus seinem Mund zu hören hatte einen verstörenden Effekt auf Emily. Dieser verfluchte Mistkerl. Wieso war er zurück in ihr Leben gekommen?

Meghan nickte eifrig. „Ja, ich betreue einige Ihrer kleinen Patienten.“

Lucas schenkte ihr ein so strahlendes Lächeln, dass Emily fast ein wenig Mitleid mit Meghan hatte. Sie konnte es ihrer Freundin nicht übel nehmen, dass sie von Lucas fasziniert war. Wie sollte man auch einem Mann widerstehen, der verführerischer als jeder Hollywood-Star war? Meghan konnte schließlich nicht wissen, dass er ein Herz aus Eis und eine pechschwarze Seele hatte. „Deshalb kamen Sie mir gleich so bekannt vor.“

Verlegen schlug Meghan die Augen nieder. „Ich schätze, Sie haben gehört, was ich vorhin über Sie gesagt habe?“

Oje, ihre beste Freundin flirtete mit ihrem Ex-Mann.

Emily wollte nur noch nach Hause. „Entschuldigt mich.“ Gerade als sie sich an Lucas vorbeidrängte, kam der Fotograf auf sie zu.

„Hallo!“, begrüßte er sie überschwänglich. „Bitte stellen Sie sich für das Gewinner-Foto nebeneinander.“

Emily biss die Zähne zusammen und blieb neben Lucas stehen.

Tadelnd sah der Fotograf sie an. „Sie müssen schon ein bisschen lächeln, junge Dame. Schließlich haben Sie gerade mehr Geld für unseren guten Zweck eingespielt als alle anderen zusammen.“

Er hatte recht. Genau darum ging es. Emily seufzte und zwang sich, an ihre kleinen Patienten zu denken, die von dieser Spendengala profitieren würden.

Überraschenderweise stutzte Lucas ein wenig. Die Bitte des Fotografen hatte ihn offenbar überrumpelt. Zögernd legte er den Arm um Emilys Taille und lächelte etwas gezwungen in die Kamera.

Emily versuchte auszublenden, dass er sie berührte, und zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln. Der Fotograf drückte mehrmals auf den Auslöser und bedankte sich dann, bevor er sich an Meghan wandte. „Nun sind Sie dran, Lady. Wo ist der Glückliche, der einen Abend mit Ihnen gewonnen hat?“

Schnell winkte Meghan den Börsenmakler heran, der die Verabredung mit ihr ersteigert hatte. Die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich nun auf das neue Paar, sodass Emily und Lucas etwas im Abseits standen.

Finster funkelte sie ihn an. „Herzlichen Glückwunsch. Du hast mal wieder gewonnen.“

2. KAPITEL

Das erste Treffen mit Emily war ganz und gar nicht so verlaufen, wie Lucas es sich erhofft hatte. Andererseits, was hatte er denn eigentlich erwartet? Eigentlich musste er dem Himmel danken, dass sie ihm keine Szene gemacht hatte. Ihrem Blick hatte er unmissverständlich entnommen, dass sie ihn am liebsten geohrfeigt hätte. Oder Schlimmeres.

„Ich habe das Gefühl, Sie und Emily haben sich irgendwie auf dem falschen Fuß erwischt“, bemerkte Meghan, die sich nach ihrem eigenen Fototermin wieder zu Lucas gesellt hatte. Verwundert blickte sie ihrer Freundin nach, die überstürzt das Weite gesucht hatte. „Das ist vollkommen untypisch für Emily. Normalerweise kommt sie mit fast jedem gut aus. Sie ist der netteste und aufgeschlossenste Mensch, den ich kenne.“

Meghan konnte schließlich nicht wissen, dass nicht ihre erste, sondern vielmehr ihre letzte Begegnung alles andere als optimal verlaufen war.

Lucas schloss die Augen und holte tief Luft. Er glaubte, noch einen Hauch von Emilys Parfum wahrzunehmen. Schon damals hatte sie mit Vorliebe einen dezenten Vanilleduft getragen. Und immer, wenn Lucas der Geruch von Vanille in die Nase stieg, musste er an Emily denken.

Seit ihm die Stelle im Children’s Hospital angeboten worden war, dachte er fast ununterbrochen an seine Ex-Frau. Vermutlich weil er wusste, dass er sich dem schlimmsten Fehler seines Lebens stellen musste, falls er den Job annahm.

Die Leitung der pädiatrischen Neurochirurgie war sein Traumjob. Trotzdem hatte er gezögert. Wegen der Frau, die gerade fortgegangen war – genau wie vor fünf Jahren. Nicht, dass er es nicht verdient hatte, verlassen zu werden. Ihm war klar, dass sie allen Grund dazu gehabt hatte. Dennoch hatte er nicht damit gerechnet, dass sie ihre Ehe einfach aufgab.

Er hatte sich gründlich geirrt.

Aber es war richtig von ihr gewesen zu gehen.

Sie war so unglücklich gewesen, dass sie fast nur noch geweint hatte.

Nur wenige Monate mit ihm hatten ausgereicht, um sie in ein nervliches Wrack zu verwandeln. Er hatte vermutet, dass sie unter Depressionen litt, und vorgeschlagen, einen Psychiater aufzusuchen. Doch Emily war bei diesem Vorschlag nur erneut in Tränen ausgebrochen. In dieser Nacht hatte sie ihre Sachen gepackt.

Es hatte Lucas geschmerzt, dass seine Frau ihn verlassen hatte. Sehr sogar. Aber er war darüber hinweggekommen und hatte sein Leben weitergelebt.

Emily wiederzusehen war allerdings hart gewesen. Viel härter, als er gedacht hatte. Zwar wusste er nicht genau, was er von ihr erwartete, doch so konnte es nicht weitergehen. Wann immer sie sich in der Klinik trafen, zeigte sie ihm demonstrativ die kalte Schulter. Natürlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sie Freudensprünge machen würde, wenn er in ihrer Klinik auftauchte, aber er war immerhin ein exzellenter Neurochirurg. Und der Leiter ihrer Abteilung.

Das Scheitern ihrer Ehe lag fünf Jahre zurück. Konnten sie die Vergangenheit nicht einfach ruhen lassen? Immerhin waren sie beide darüber hinweg und hatten unabhängig voneinander ein neues Leben angefangen. Wo also lag das Problem? Es gab absolut keinen Grund für die Spannungen zwischen ihnen. Deshalb hatte er auch bei dieser lächerlichen Auktion mitgemacht. Na ja, mehr oder weniger.

Wenn er ehrlich war, musste er sich eingestehen, dass der Mann, mit dem Emily gekommen war, ihn mit seinen zögerlichen Geboten genervt hatte.

Was wollte Emily bloß mit so einem Typen? Sie hatte etwas Besseres verdient. Genau wie sie etwas Besseres verdient gehabt hatte als ihn.

Andererseits hatte sie ihren Freund vehement verteidigt. Vielleicht machte er sie also doch glücklich. Damit wäre er Lucas eindeutig überlegen, denn in diesem Punkt hatte er kläglich versagt.

Wie auch immer – es hatte Lucas geärgert, wie zurückhaltend Emilys Freund bei der Auktion gewesen war. Als sie dort oben auf der Bühne gestanden hatte, mit diesem leicht verunsicherten Blick, den man nur bemerkte, wenn man sie so gut kannte wie er, da hatte Lucas auf einmal das Bedürfnis verspürt, sie zu beschützen. Ohne lange nachzudenken, hatte er ein Gebot abgeben. Und als ihr dämlicher Freund dann nur sehr zögerlich nachgelegt hatte, war Lucas der Kragen geplatzt, und er hatte sein Gebot mehr als verdoppelt.

Auch wenn das taktisch gesehen kein geschickter Zug gewesen war, bedauerte er sein impulsives Handeln nicht. Dieser Typ sollte begreifen, dass eine Verabredung mit Emily jeden Cent wert war.

Diese Erkenntnis erschreckte Lucas zutiefst. Gedankenverloren sah er ihr nach, musterte ihre wohlgeformten Kurven, die von ihrem smaragdgrünen Kleid vorteilhaft betont wurden. Es hatte eine Zeit gegeben, da war sie abends so eng an ihn geschmiegt eingeschlafen, dass er mit jedem Atemzug ihren betörenden Duft inhaliert hatte. Heute hatte er noch nicht einmal mehr das Recht, auch nur flüchtig ihre Wange zu berühren. Lucas schluckte. Wieso dachte er über solche Sachen nach? Er hatte nicht mitgeboten, weil er einen Abend mit ihr verbringen wollte. Wirklich nicht. Er wollte lediglich, dass zwischen ihnen alles geklärt war. Vielleicht hatte sein Unterbewusstsein ihn genau deshalb ans Children’s geführt: damit er die Vergangenheit in Ordnung brachte und seine Beziehung zu Emily klärte und damit sie Freunde oder wenigstens Kollegen sein konnten.

Als Emily sich wieder an ihren Tisch setzte, empfing Richard sie mit säuerlicher Miene.

„Wer war dieser Mann?“

Natürlich hätte sie auf diese Frage vorbereitet gewesen sein müssen, doch leider war sie es nicht. Sie war zu Richard zurückgeeilt, um nicht länger in Lucas’ Nähe sein zu müssen. Über Lucas sprechen wollte sie eigentlich nicht. Deshalb beugte sie sich zu Richard hinüber, küsste ihn auf die Wange und sagte: „Niemand, mein Schatz.“

Das war nicht einmal gelogen, denn Lucas war ein Niemand. Zumindest für sie. Er besaß keinerlei Bedeutung mehr, und daran würde sich auch niemals etwas ändern. Dieses Kapitel hatte Emily abgehakt.

„Er ist ganz offensichtlich an dir interessiert“, beharrte Richard mürrisch. Der Zwischenfall hatte ihm offenbar die Laune verdorben, was Emily gut verstehen konnte. Lucas hatte Richard an die Wand gespielt, und sämtliche Kollegen fragten sich garantiert, was das alles zu bedeuten hatte.

Sie rückte ein wenig näher an Richard heran. „Er ist neu in der Klinik und will sicher nur ein bisschen Aufmerksamkeit auf sich ziehen.“

Auch diese Erklärung schien Richard nicht zu überzeugen. Vielmehr schien er immer wütender zu werden.

„Indem er einen verrückt hohen Betrag dafür bietet, mit dir zusammen sein zu dürfen? Wieso sollte er?“

Sie konnte ihm schlecht erklären, dass Geld für Lucas bedeutungslos war. Natürlich hatte Lucas viel zu viel geboten. Trotzdem war es nicht besonders nett von Richard, anzudeuten, dass er es vollkommen abwegig fand, dass jemand solch einen Haufen Geld für einen Abend mit ihr ausgeben wollte. Sollte er als ihr Freund nicht finden, dass ihre Gesellschaft unbezahlbar war?

„Es ist doch für einen guten Zweck“, erinnerte sie ihn und versuchte, nicht zu gekränkt über seine wenig sensible Bemerkung zu sein.

Doch Richard war noch immer verstimmt. „Ich habe gesehen, wie ihr euch vorhin unterhalten habt. Muss ich mir Sorgen machen?“

Sie lachte. „Nein. Er ist ein grässlicher Typ. Wir standen nur wegen des Fotos nebeneinander. Das konnte ich ihm kaum verwehren, oder?“

Misstrauisch sah Richard sie an. „Obwohl du ihn nur wenige Minuten gesehen hast, bezeichnest du ihn als grässlich? Das passt gar nicht zu dir.“

„Ich bin ihm früher schon mal begegnet.“ Das war definitiv die Untertreibung des Jahrhunderts. „Er ist pädiatrischer Neurochirurg in meiner Abteilung. Genau genommen ist er sogar mein neuer Chef. Er hat vor einem Monat bei uns angefangen.“ Zweiundzwanzig Tage. Nicht, dass sie die Tage zählte …

Nervös sah Emily zu Lucas hinüber, der immer noch mit Meghan plauderte. Als er ihren Blick bemerkte, prostete er ihr von Weitem zu. Dieser Mistkerl.

Genervt verdrehte Emily die Augen, griff demonstrativ nach Richards Hand und drehte Lucas den Rücken zu.

Sie wollte ihn weder sehen noch daran erinnert werden, dass er anwesend war.

Leider wurde ihr dieser Wunsch im Laufe des Abends verwehrt. Richard hatte sich endlich beruhigt, und sie tanzten gerade zu einem langsamen Song, als der Moderator der Spendengala übertrieben aufgekratzt nach dem Mikrofon griff: „Leute, es ist jetzt an der Zeit, dass die edlen Spender ihre Verabredungen etwas besser kennenlernen. Und wie könnte das besser geschehen als bei einem gemeinsamen Tanz?“ Beifall brandete auf.

Autor

Janice Lynn

Janice Lynn hat einen Master in Krankenpflege von der Vanderbilt Universität und arbeitet in einer Familienpraxis. Sie lebt mit ihrem Ehemann, ihren 4 Kindern, einem Jack-Russell-Terrier und jeder Menge namenloser Wollmäuse zusammen, die von Anbeginn ihrer Autorenkarriere bei ihr eingezogen sind.

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