In seidenen Fesseln

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Gefesselt, erregt, atemlos vor Lust: Zoes heimliche Fantasie! Und unerfüllt - bis sie einen Langstreckenflug antritt. An Bord der Maschine: der umwerfende Australier Colin Cannon. Ein Mann mit einer Seidenkrawatte und dem Talent, sie erotisch einzusetzen ...


  • Erscheinungstag 11.04.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733767655
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Denk nur – dies ist dein letzter Flug als unverheiratete Frau.“

Zoe Smythe versuchte die Bemerkung ihrer Freundin Erica zu ignorieren und begrüßte weiterhin die Erste-Klasse-Passagiere an Bord des Flugzeugs, das von Atlanta nach Sydney fliegen sollte. „Willkommen an Bord … Guten Abend … Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?“

In vertraulichem Ton fragte Erica: „Wirst du etwas Wildes und Ausgefallenes während deines Aufenthaltes in Sydney unternehmen, wenn ich weg bin?“

Zoe lachte trocken. „Wohl kaum. Ich habe genug zu tun, ich muss schließlich noch jede Menge Entscheidungen für die Hochzeit treffen.“

„Das hört sich nicht gerade nach Vergnügen an“, stellte Erica fest und stieß Zoe den Ellbogen in die Rippen. „Willkommen im Eheleben.“ Sie lachte über ihren eigenen Scherz. „Ich schlage vor, dass wir in den zwei Tagen, die ich da bin, uns ordentlich einen genehmigen und uns im Wellnessbad des Hotels einnisten.“

„Hört sich gut an.“

„Vielleicht haben wir Glück, und unsere Masseuse ist ein großer, strammer Australier.“

„Möglich.“ Zoe verkniff sich ein Grinsen. Sie wusste, dass Ericas Ehe erotisch gesehen nicht der Knaller war.

„Im Ernst, du wirst mir auf dieser Route fehlen.“

„Danke, aber eine Inlandsroute ermöglicht es mir, öfter zu Hause zu sein.“

„In ein paar Jahren wechselst du wieder zurück“, prophezeite Erica ihr.

Zoe machte im Scherz ein finsteres Gesicht und wandte sich wieder den Passagieren zu. „Willkommen an Bord … Guten Abend … Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?“

„Ja, danke.“

Beim Klang des australischen Akzents schaute Zoe auf und blickte in die klarsten und grünsten Augen, die sie je gesehen hatte. Der Mann, dem diese Augen mit den langen Wimpern gehörten, war groß und hatte kurzes blondes Haar. An seinem markanten Kinn sprossen frische Bartstoppeln. Zoe hielt angesichts der männlichen Ausstrahlung dieses Fremden den Atem an. Der Ledermantel, den er gerade auszog, hatte die Farbe von gebranntem Ocker und erinnerte sie an die karge Landschaft des australischen Outbacks. Unter dem Mantel trug er einen makellosen grauen Geschäftsanzug. Der Hemdkragen war allerdings offen und die Krawatte gelockert.

Ein Cowboy und Unternehmer? Wie faszinierend. „Hatten Sie einen angenehmen Aufenthalt in Atlanta, Sir?“, erkundigte sie sich und nahm seinen Mantel sowie sein Jackett entgegen.

„Ja, danke“, erwiderte er lächelnd. „Aber es ist immer schön, wieder nach Hause zu kommen und im eigenen Bett zu schlafen.“

Das war eine harmlose Bemerkung, die sie als Flugbegleiterin oft genug von Reisenden zu hören bekam. Doch irgendetwas an der Art, wie er das sagte, ließ vor ihrem geistigen Auge Bilder entstehen von diesem großen Mann, wie er nackt in seinem aus rohen Stämmen selbst gezimmerten Bett lag. Zoe nahm sich zusammen. Was war los mit ihr?

„Wenn ich bitte Ihre Bordkarte sehen dürfte, Sir, dann bringe ich Sie zu Ihrem Platz.“

Er gab ihr die Karte, und Zoes Puls beschleunigte sich, denn er saß in dem Bereich, für den sie zuständig war. Sie schaute auf seinen Namen – Colin Cannon – und reichte ihm die Bordkarte zurück. „Hier entlang, Mr. Cannon.“

Zoe spürte seinen Blick im Rücken, als der Mann ihr folgte, und war idiotischerweise froh, dass sie sich solche Mühe mit ihrem Äußeren gegeben hatte. Sie hatte sich für eine der raffinierteren Uniformen aus ihrer Arbeitsgarderobe entschieden, bestehend aus einem schwarzen Rock und einem dünnen taubengrauen Wickelpullover. Die braunen Haare hatte sie im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden. Sie tadelte sich im Stillen dafür, dass es ihr nicht egal war, wie sie für diesen Passagier aussah, denn das passte nicht zu einer Frau, die in einem Monat ihren Traummann heiraten würde.

„Da wären wir, Sir, Platz 4A. Mein Name ist Zoe, und ich werde mich während der ersten Hälfte dieses Fluges um Ihre Wünsche kümmern.“ Seine Nähe beunruhigte sie, und ihr Smalltalk schien ungewollt eine erotische Anspielung zu enthalten.

„Zoe … hübscher Name.“ Er krempelte sich die Hemdsärmel hoch und entblößte muskulöse, gebräunte Unterarme, auf denen seidige helle Härchen sprossen.

„D-danke. Möchten Sie einen Cocktail, bevor wir starten?“

„Ein Wodka auf Eis wäre toll.“

Zoe war erleichtert, die kleine Kombüse betreten zu können, um den Drink zuzubereiten. Zu ihrer Bestürzung pochte ihr Herz heftig, und ihre Wangen glühten.

„Du Glückliche“, meinte Erica. „Du kriegst immer die aufregenden Kerle ab.“

„Tauschen wir die Abschnitte“, schlug Zoe vor.

Erica stutzte. „Warum?“

Zoe suchte fieberhaft nach einem Grund. „Na ja, ich habe ein komisches Gefühl bei Mr. 4A.“

Erica lehnte sich zurück, um einen Blick auf den Gegenstand ihrer Unterhaltung zu werfen.

Zoe packte ihre Freundin am Arm. „Sieh nicht hin! Sonst weiß er, dass wir über ihn reden.“

Erica grinste. „Na und? Und was genau meinst du mit ‚komischem Gefühl‘? Wie ein Perverser sieht er nicht aus.“

„Ist er wohl auch nicht. Er ist … also, er ist …“

„Sexy.“ Erica schnappte nach Luft. „Du meine Güte – er gefällt dir!“

Zoe gab einen spöttischen Laut von sich. „Das ist doch albern. In einem Monat werde ich heiraten. Schon vergessen?“ Sie fühlte sich ein wenig durcheinander und berührte Ericas Arm. „Tu mir diesen Gefallen, ja?“

Erica zuckte die Schultern. „Meinetwegen. Aber ich warne dich, das Paar auf 8A und B scheint kurz vor der Scheidung zu stehen.“

Zoe nahm den Drink, den sie eingeschenkt hatte. „Danke. Ich serviere den hier noch, dann kümmere ich mich um dein streitendes Paar.“ Sie holte tief Luft und ging zu Colin Cannons Platz, wo er mit ausgestreckten Beinen saß.

Als er aufsah, ließ er seinen Blick von ihren Beinen langsam aufwärts gleiten, bis er Blickkontakt hergestellt hatte. Um sie herum schien ein Vakuum zu entstehen, und Zoes Ohren knackten, als verändere sich der Kabinendruck. Dieser Mann hatte etwas an sich, auf das sie, so verwirrend es war, heftig reagierte. Ein einziger Blick genügte, und ihr Atem ging schneller, während ihr Hals wie zugeschnürt war. Es war eindeutig die richtige Entscheidung gewesen, mit Erica die Abschnitte zu tauschen. Hier war etwas Unkontrollierbares im Spiel, das sie lieber nicht näher analysierte.

Ihre Hand zitterte ein wenig, als sie ihm den Drink hinstellte, denn dabei berührten sich ihre Finger, und ein elektrisierendes Gefühl schoss ihren Arm hinauf. Zoe hatte im selben Moment ein merkwürdiges Déjà-vu-Erlebnis, aber sie wusste nicht, warum. Sie wollte es auch lieber nicht wissen.

„Mr. Cannon, wie sich herausgestellt hat, bin ich doch nicht für diesen Abschnitt zuständig“, sagte sie.

Er wirkte enttäuscht. „Habe ich Sie verschreckt?“

Zoe schluckte. „Es hat nichts mit Ihnen zu tun, Sir.“

Er schien ihr nicht zu glauben, hob aber sein Glas. „Na dann, Cheers.“

Sie ging mit einem Gefühl des Bedauerns davon – als würde sie sich etwas entgehen lassen, das ihr Leben verändern konnte. Etwas Wundervolles … oder etwas Gefährliches. Als sie einen Blick über die Schulter warf, stellte sie fest, dass der Australier mit den blonden Haaren ihr mit seinen intensiven grünen Augen hinterherschaute.

Zoe drehte sich wieder um und setzte ein Lächeln auf für das junge Paar, vor dem Erica sie gewarnt hatte. Und tatsächlich redeten Jill und Jeremy Osbourne in einem derart stichelnden Ton miteinander, der für den vor ihnen liegenden langen Flug nichts Gutes verhieß. Noch schlimmer war jedoch, dass sie dazu entschlossen schienen, Zoe in ihre Zankereien mit hineinzuziehen.

„Was halten Sie von einer Frau, die dreiundzwanzig Paar Designerschuhe für eine zehntägige Reise einpackt?“, wandte Jeremy Osbourne sich in spöttischem Tonfall an sie.

„Ist es Ihre erste Reise nach Australien?“, erkundigte Zoe sich fröhlich.

„Ja“, antworteten die beiden missmutig im Chor.

„Ich wollte nach Hawaii“, sagte die Frau in vorwurfsvollem Ton. „Ich dachte, diese Reise würde ein Abenteuer werden“, konterte ihr Mann. „Und ich soll dir glauben, dass diese Reise nichts damit zu tun hat, dass dein größter Kunde in Sydney ist?“

„Mit meinem Gehalt bezahlst du immerhin deine Schuhe!“

„Sydney ist eine romantische Wahl für die zweiten Flitterwochen“, versuchte Zoe die beiden zu beruhigen.

„Sind Sie verheiratet?“, wollte Jill Osbourne wissen.

„In einem Monat“, antwortete Zoe lächelnd.

„Da haben Sie ja noch Zeit, es sich zu überlegen“, meinte die Frau.

„So toll ist die Ehe nämlich auch wieder nicht“, pflichtete ihr Mann ihr bei und schüttelte seine Zeitung.

Die Spannung zwischen den beiden war unübersehbar, und sie wussten genau, wie sie sich gegenseitig triezen und auf die Palme bringen konnten. Der schwere Rotwein schien die ewigen Streitereien noch anzufachen. Zoe fragte sich, warum die beiden verheiratet blieben, wenn sie sich gegenseitig so erbittert provozierten. Wenn sie und Kevin jemals so stritten …

Sie schüttelte den Kopf. Zwischen Kevin und ihr würde es nie so weit kommen. Oder?

Sie waren seit fast sechs Jahren zusammen, davon die Hälfte verlobt. Sie kannten einander so gut, dass es ihr manchmal vorkam, als wären sie bereits verheiratet. Das war beruhigend und angenehm, deshalb konnte sie sich auch nicht vorstellen, dass sie aufeinander losgingen wie dieses Paar. Die beiden steckten alle um sich herum an und säten …

… Zweifel.

Was albern war, weil es die perfekte Ehe nun einmal nicht gab. Zoe akzeptierte Kevins Eigenheiten und umgekehrt. Es war doch nur gut, dass sie vor allem Freunde waren und erst an zweiter Stelle ein Liebespaar. Und es war gut, dass nicht in allen Dingen zwischen ihnen Einigkeit herrschte, denn es bedeutete, dass sie Kompromisse schließen mussten, statt wie dieses streitende Paar zu enden. Oder wie ihre Eltern.

Ihre Unsicherheit wurde verstärkt durch die Blicke des Australiers, die sie ständig spürte, während sie sich in der ersten Klasse bewegte, ganz besonders als sie in San Francisco zum Tanken landeten und die meisten Passagiere die Gelegenheit nutzten, um sich kurz die Beine zu vertreten. Er lief im Gang auf und ab und brauchte aufgrund seiner Größe fast den ganzen Platz für sich, da selbst die erste Klasse nicht für Leute von seiner Statur gebaut war. Zoe fragte sich, ob er möglicherweise irgendein Profisportler war. Colin Cannon entstammte jedenfalls einem ziemlich beeindruckenden Genmaterial, und obwohl er einen Anzug trug, sah er nicht aus wie ein Mann, der den Großteil des Tages hinter einem Schreibtisch verbrachte.

Ihre Blicke trafen sich, und ein sinnlicher Schauer überlief Zoe. Sie war sich seiner Nähe so bewusst, als säßen sie nebeneinander und als berührten sich ihre Knie. Es war seltsam, denn alle anderen im Flugzeug schienen zu Nebenfiguren in dem privaten kleinen Drama zwischen ihnen zu werden. Wie konnte sie sich derartig zu jemandem hingezogen fühlen, mit dem sie lediglich ein paar Worte gewechselt hatte?

Das war unmöglich, entschied sie und unterbrach den Blickkontakt. Es handelte sich um eine Illusion, ausgelöst durch die dünne Höhenluft, die Müdigkeit und die Nervosität wegen der unerledigten Hochzeitsdetails, um die sie sich noch kümmern musste. Zoe versuchte den Mann auf der letzten und längsten Etappe des Fluges aus ihren Gedanken zu verdrängen, während sie sich um die Passagiere in ihrem Abschnitt kümmerte, einschließlich des zänkischen Paares.

Als sie ihre Schicht irgendwo über dem Pazifischen Ozean beendete, waren die Osbournes gnädigerweise eingeschlafen, genau wie die meisten anderen Passagiere. Bis auf die einsame Leselampe über dem Sitz 4A war es dunkel in der Kabine. Der Australier schien in irgendeinen dicken gebundenen Bericht vertieft zu sein, in dem er gelegentlich eine Seite markierte.

Zoe hätte ihn gern gefragt, in welcher Branche er tätig war oder ob er vielleicht eine Decke brauchte, irgendetwas, um seinen angenehmen Akzent zu hören. Ein Kribbeln breitete sich in ihr aus, und sie fühlte sich trotz der vielen Sitzreihen zwischen ihnen magnetisch von ihm angezogen. Das war sehr befremdlich, da sie nie mit Passagieren flirtete oder die Gelegenheiten nutzte, die sich ihr bei unverheirateten und verheirateten Männern boten. Sie war Kevin stets treu gewesen und hatte eine Situation, die außer Kontrolle geraten konnte, nicht einmal in Betracht gezogen.

Bis zu diesem Zeitpunkt. Dieser Mann hatte etwas Unwiderstehliches an sich, sodass Zoe es halbwegs bereute, die Abschnitte mit Erica getauscht zu haben. Vielleicht hätte sie während des Fluges etwas über ihn erfahren, was ihn für sie weniger anziehend gemacht hätte. Er könnte verheiratet sein, ein Haus voller Kinder haben, in dunkle Geschäfte verwickelt oder ein Chauvinist sein oder fragwürdige Ansichten haben.

Als würde er ihre Aufmerksamkeit spüren, schaute er hoch und winkte sie lächelnd zu sich.

Zoe blieb nichts anderes übrig, als zu ihm zu gehen. Ihr Herz schlug bei jedem Schritt schneller. Sie blieb vor seinem Sitz stehen und beugte sich zu ihm herunter, um die anderen Passagiere nicht zu wecken. „Ja, Mr. Cannon?“

„Ich störe Sie nur ungern, Zoe, aber ich habe etwas in meinem Jackett vergessen und weiß nicht, wo Sie es aufgehängt haben.“

Er duftete angenehm nach irgendeinem nicht identifizierbaren Gewürz. „Ich werde es für Sie holen“, versprach sie.

„Danke.“ Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, das auch seine sexy Augen erreichte und ihre Bedenken, er könnte eventuell gefährlich sein, postwendend zerstreute.

Durch den Gang zur Garderobe entkam sie seinem Blick und fand Gelegenheit, ihre Fassung wiederzugewinnen. Sie benahm sich wie ein Schulmädchen, und das sah ihr überhaupt nicht ähnlich. Sie legte die Hand an ihre Stirn, die sich warm anfühlte. Vielleicht brütete sie eine Krankheit aus. Ein wenig Schlaf und zwei Aspirin sollten helfen.

Zoe fand Mr. Cannons Jackett und legte es sich über den Arm. Dabei fiel etwas aus der Brusttasche und landete neben ihrem Fuß. Es handelte sich um ein schwarzes Schmuckkästchen. Sie hob es auf und schaute sich um, ob sie unbeobachtet war. Sacht strich sie über den Samt und widerstand dem Impuls hineinzusehen. Möglicherweise befand sich ein Verlobungsring darin? Das war nicht unwahrscheinlich, da Mr. Cannon keinen Ehering trug.

Der verrückte, unsinnige Anflug von Eifersucht auf die unbekannte Frau brachte sie wieder zurück in die Wirklichkeit. Sie sollte sich lieber Gedanken über den Verlobungsring an ihrem Finger machen, statt über die möglichen Liebesbeziehungen eines ihr völlig fremden Mannes.

Angewidert von sich selbst schob sie das Kästchen wieder in die Tasche und brachte ihm das Jackett. Er bedankte sich und zog aus einer anderen Tasche einen Handcomputer. „Ich hasse dieses Ding“, sagte er, „aber ich kann ohne nicht leben.“

Offenbar hatte er gar nicht das im Sinn gehabt, was immer in dem Schmuckkästchen sein mochte – und sie sollte es auch nicht weiter interessieren.

„Mr. Cannon, die Crew wechselt nun. Falls Sie also keinen weiteren Wunsch mehr haben, verabschiede ich mich jetzt von Ihnen.“

Sein Blick verriet Neugier. „Sie haben Feierabend?“

Bestürzt über die Reaktion ihres Körpers auf sein Interesse, befeuchtete sie sich die Lippen. „Ja. Genießen Sie den restlichen Flug.“

Sie richtete sich auf und ging zu der Stewardess, die ihren Abschnitt übernehmen würde. Erica gesellte sich mit skeptischer Miene zu ihnen. „Du meine Güte, dieser Aussie ist ein Traumtyp, Zoe, aber anscheinend etwas langweilig. Dich hat er allerdings genauer beobachtet …“

„Ist mir gar nicht aufgefallen“, sagte Zoe unbekümmert.

Erica musterte sie neugierig. „Wenn du meinst. Wie war das verheiratete Paar?“

„Wundersamerweise sind die beiden noch immer verheiratet.“ Zoe nahm ihre Umhängetasche aus ihrem Spind. Obwohl es albern war, freute sie sich, dass Colin Cannon nicht versucht hatte, sich an die temperamentvolle blonde Erica heranzumachen. Ein Mann, der beliebig flirtete, war er also nicht.

Nicht, dass das eine Rolle spielte.

Wenige Minuten später machte sie es sich auf dem ihr zugewiesenen Sitz in der Economy Class bequem, wo sie die verbleibenden sechs Stunden des Flugs verbringen würde.

Eigentlich hätte sie sofort einschlafen müssen, denn sie war müde und hatte Rückenschmerzen. Nur konnte sie ihren Verstand nicht abschalten und musste ständig an den Australier mit diesen grünen Augen denken, in denen unverhohlene sexuelle Neugier gelegen hatte, als er sie musterte. Das war einerseits schmeichelhaft, da sie sich lebendig und begehrenswert fühlte. Denn so sehr sie sich Kevins Liebe auch gewiss war – der leidenschaftliche Typ war er nicht. Sex rangierte irgendwo unterhalb von Football und dem Training für sein nächstes Langstreckenradrennen. Wegen ihres vollen Terminplans und der Hochzeitsvorbereitungen hatten sie seit Wochen nicht miteinander geschlafen, und Zoe redete sich ein, es sei in Ordnung, weil die Flitterwochen dadurch noch schöner werden würden.

Aber die Wahrheit lautete, dass sie einsam war, und Kevins mangelnde Aufmerksamkeit gab ihr das Gefühl, unzulänglich zu sein.

Ehe ihre Gedanken in diese gefährliche Richtung abdriften konnten, nahm sie sich den gebundenen Ordner mit den Details von „Kevins und Zoes Hochzeit“ vor. Er war voller Muster, Bestellformulare, Rezepte und Termine. Zu klären waren noch die Sitzordnung bei der Hochzeitsprobe und der Hochzeitsfeier, die Musik, die die Band spielen sollte, die Tischdekoration für den Tisch der Brautleute, die Geschenke für die Hochzeitsfeier und die Eheerlaubnis.

Genau wie noch ungefähr tausend weitere Einzelheiten.

Zoe nahm ihre Post, die sie mit einem Gummiband zusammenhielt, aus der Tasche. In letzter Zeit quoll ihr Briefkasten über von Broschüren von Fotografen, Partyservices, Floristen und Reisebüros. Dazwischen befanden sich Verträge, die durchgesehen und unterschrieben, Rechnungen, die bezahlt werden mussten. Sie sah die Umschläge durch, zog eine Rechnung vom Brautkleidergeschäft heraus, eine Reservierung für einen Limo-Service und den Vertrag mit dem Fotografen. Außerdem waren da noch Karten von Freunden und Verwandten, die nicht zur Hochzeit kommen konnten – die würden sie und Kevin später öffnen.

Bei einem Umschlag mit Absender in Jacksonville, Florida, hielt sie inne. War der etwa vom Covington Women’s College? Wahrscheinlich eine Ausgabe der Universitätszeitung, in der ihre bevorstehende Hochzeit bekannt gegeben wurde. Dankbar für ein wenig leichten Lesestoff öffnete sie den Umschlag. Doch statt der Zeitung fand sie einen Begleitbrief zu einem violetten Umschlag, der ihr vage bekannt vorkam. Neugierig las sie den Briefkopf: Dr. Michelle Alexander.

Zoe runzelte erstaunt die Stirn. Ein Brief von ihrer ehemaligen Dozentin?

Liebe Miss Smythe,

Sie haben in Ihrem letzten Studienjahr an meinem Kurs „Sexualität und Psyche“ am Covington Women’s College teilgenommen. Vielleicht erinnern Sie sich noch daran, dass eine der freiwilligen Arbeiten darin bestand, die eigenen sexuellen Fantasien niederzuschreiben und in einem Umschlag zu versiegeln, der Ihnen dann zehn Jahre später zugestellt werden sollte. Beiliegend finden Sie daher Ihren Umschlag, der, um die Anonymität zu wahren, sorgfältig mit einem Zahlencode versehen katalogisiert wurde. Ich hoffe, sein Inhalt wird Ihnen hilfreich sein, wo immer Sie zehn Jahre später sein mögen und wie auch immer Ihre Lebensumstände heute aussehen mögen. Falls Sie Fra gen haben, Sorgen oder ein Feed back, zögern Sie bitte nicht, Kontakt zu mir aufzunehmen.

Mit herzlichen Grüßen

Dr. Michelle Alexander

Zoe lachte. Der Kurs „Sexualität und Psyche“ war von den Studentinnen „Sex für Anfänger“ genannt worden. Sie erinnerte sich noch gut an den Kurs, das Gekicher und die lehrreichen Vorlesungen der selbstbewussten und attraktiven Dozentin. Sie erinnerte sich auch noch an diese Aufgabe an die Studentinnen, ihre sexuellen Fantasien aufzuschreiben. Aber sie wusste nicht mehr, was sie damals geschrieben hatte.

Zoe fuhr mit dem Finger über den Umschlag und war plötzlich nervös. Sie stand kurz vor ihrer Hochzeit. War dies wirklich der geeignete Zeitpunkt, sich an die erotischen Fantasien zu erinnern, die sie einst beschäftigt hatten?

2. KAPITEL

Zoe betrachtete den Umschlag, in dem sich der Brief befand, den sie vor zehn Jahren an sich selbst geschrieben hatte, und spottete über ihre Ängste. Wovor fürchtete sie sich? Bei dem violetten Umschlag handelte es sich schließlich nicht um die Büchse der Pandora – er würde keine Kette unvorhergesehener Ereignisse in Gang setzen. Wahrscheinlich würde sie sich herrlich amüsieren über ihre naiven Vorstellungen von damals.

Sie betrachtete die Passagiere links und rechts von ihr – die Frau zur Linken war wach und las ein Buch. Die Frau zu ihrer Rechten hielt ein schlafendes Kleinkind auf den Armen. Da Zoe sich ungestört fühlte, riss sie den Umschlag auf und zog zwei gefaltete Briefbögen heraus. Die Handschrift gehörte ihr, sauber und leicht geneigt. Von Nostalgie getrieben las sie den Brief, der nur für ihre Augen bestimmt war.

Liebe Zoe,

ich bin’s, Dein zweiundzwanzigjähriges Ich, das Dir schreibt. Ich hoffe, es lief bisher gut in Deinem Leben, wenn Du das hier liest. Ich hoffe, Du bist mit einem großartigen Mann verheiratet und stehst kurz davor, eine Familie zu gründen. Ich sage das, weil ich hoffe, dass Du bis dahin die Welt und Dich selbst entdeckt hast und zufrieden mit Deinen Entscheidungen bist.

Dr. Alexander bat uns, unsere sexuellen Fantasien aufzuschreiben, weil sie der Ansicht ist, dass wir wissen müssen, was uns erregt, bevor wir es von unseren Partnern erwarten können. Und dass wir erst eine erfüllte dauerhafte Beziehung haben können, wenn unser Partner unsere geheimsten Fantasien kennt und versteht, ganz gleich, wie ausgefallen sie sein mögen. Sie sagt, die stärkste emotionale Verbindung kommt aus einer starken körperlichen Verbindung, die wiederum das Fundament ist für Vertrautheit und Treue. Wenn jemand alles, was er sich wünscht, von einem Menschen bekommt, hat er laut Dr. Alexander keinen Grund zum Fremdgehen.

Diese Vorstellung gefällt mir besonders gut, weil mir Treue sehr wichtig ist. Andererseits möchte ich nicht unglücklich mit jemandem zusammen sein, wie es bei meinen Eltern der Fall war. Streit ist ihre einzige Form der Kommunikation. Manchmal möchte ich sie fragen, warum sie zusammenbleiben, wenn sie sich doch ganz offensichtlich nicht ausstehen können. Ich hoffe, dass sie nicht meinetwegen zusammenbleiben, denn sie sind nicht glücklich, und wenn sie sich streiten, fühle ich mich mies.

Wie dem auch sei, allzu viele sexuelle Erfahrungen habe ich noch nicht. Ich bin zwar keine Jungfrau mehr, aber um ehrlich zu sein, war der Sex bisher eher enttäuschend. Jedes Mal, wenn ich mit einem Jungen geschlafen habe, hoffte ich, es würde so werden, wie ich mir Sex immer vorgestellt habe – überwältigend, wie eine Droge, ohne die man nicht mehr leben kann. Aber so war es nie.

Vielleicht liegt es an mir. Weil ich offen bin und meine Meinung sage, glauben die Männer wahrscheinlich, dass ich die Kontrolle haben will. Dabei habe ich noch nie jemandem erzählt, dass ich in Wirklichkeit gern die Kontrolle hergeben möchte. Denn insgeheim sehne ich mich danach, an ein Bett gefesselt zu werden … mit Handschellen … und auf sechs verschiedene Arten mit einem Mann zu schlafen.

Mit glühenden Wangen schaute Zoe von dem Brief auf. Die Worte bewirkten, dass sie unruhig auf ihrem Sitz hin und her rutschte. Es musste sie einige Überwindung gekostet haben, sie vor zehn Jahren niederzuschreiben. Und wenn sie sich recht erinnerte, war es auch eine große Erleichterung gewesen. Mit einiger Bekommenheit las sie weiter.

Es hört sich schmutzig an, deshalb habe ich das auch für mich behalten. Ich suche nicht nach jemandem, der mich misshandelt – einen solchen Mann will ich nicht. Aber ich hoffe, eines Tages dem Mann zu begegnen, der meine Fantasie mit mir teilt, jemandem, dem ich trauen kann, mir nicht wehzutun, der mich nicht verurteilt und schlecht von mir denkt, weil ich die dunkleren Seiten der Sexualität erkunden will, die Lust und den Schmerz. Jemand, der genau weiß, wann er aufhören muss – und wann die Grenzen überschritten sind. Jemand, der ebenfalls auf der Suche nach jenen tiefen Gefühlen und der physischen Verbundenheit ist, die Dr. Alexander beschreibt.

Wo immer Du also bist, Zoe, ich hoffe, Du hast diesen Mann gefunden. Um unser beider willen.

Mit klopfendem Herzen beendete Zoe die Lektüre dieser intimsten Offenbarungen, die beunruhigende Fragen aufwarfen. Zum Beispiel: Was, wenn die naive Studentin von damals sich besser kannte als die Erwachsene heute? Sie schlug die Hand vor den Mund, erschrocken über die prophetischen Worte, die sie als junge Frau geschrieben hatte.

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, erkundigte sich die Frau neben ihr freundlich.

Zoe stellte fest, dass ihre Sitznachbarin schön war. Sie hatte kurzes, stachliges schwarzes Haar mit einer pinkfarbenen Strähne und einer eigenartigen Augenfarbe. Violett vielleicht? Das war wegen des schwachen Lichts schwer zu sagen. „Ja, es geht mir gut, danke.“

„Ich hoffe, das sind keine schlechten Nachrichten.“ Die Frau deutete auf den Brief.

Zoe faltete ihn hastig zusammen und schob ihn wieder in den Umschlag. „Nein, nur ein Brief von einer alten Freundin.“

„Oh, wie schön. Ist es jemand, den Sie sehr vermissen?“

Zoe dachte über diese Frage nach und erinnerte sich an die junge Frau, die sie auf dem College gewesen war, voller Optimismus und Abenteuerlust, entschlossen, die Welt kennenzulernen und die Menschen, fest entschlossen auch, sich mit nichts weniger als dem vollkommenen Glück und der großen Liebe zufriedenzugeben.

Autor

Stephanie Bond
<p>Kurz bevor Stephanie Bond ihr Studium der Informatik abschloss, schlug einer ihrer Dozenten vor, es mit dem Schreiben zu versuchen. Natürlich hatte dieser eher akademisches Schreiben im Sinn, doch Stephanie Bond nahm ihn wörtlich und veröffentlichte ihre ersten Liebesromane. Nach dem großen Erfolg ihrer Bücher widmete sie sich ganz dem...
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