Insel der erfüllten Träume

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Flitterwochen auf einer Jacht mit einem griechischen Millionär: für viele Frauen traumhaft, nicht für Jemma! Denn Leon Stephanades hat sie lediglich geheiratet, weil sie sein Kind erwartet. Liebe ausgeschlossen – bis sie eines Abends vor seiner Heimatinsel vor Anker gehen ...


  • Erscheinungstag 19.10.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733786724
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Am Montagmorgen war Josh um neun noch nicht im Büro. Das war ein sicheres Zeichen dafür, dass er ein himmlisch anstrengendes Wochenende hinter sich hatte.

Jemma musste lächeln und kümmerte sich weiter um die Morgenpost. Wahrscheinlich hatte Josh das Wochenende mit Cassie Drake verbracht. Die brünette Schönheit war jetzt bereits drei Monate mit Jemmas attraktivem Chef zusammen und hatte damit einen Rekord aufgestellt.

Normalerweise blieb Josh Tanner nur so lange bei einer Frau, wie er brauchte, um mit ihr ins Bett zu gehen. Zur Entschuldigung führte er gewöhnlich an, dass seine Langeweile-Schwelle besonders niedrig sei. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, es mit jeder Frau zu versuchen, die in seine Nähe kam.

Auch bei Jemma hatte er es versucht – allerdings ohne Erfolg. Sie machte sich nichts aus Männern, jedenfalls nichts aus solchen wie Josh. Wenn der eine Frau ansah, dann dachte er an Sex und an sonst nichts. Er war ein unverbesserlicher Schürzenjäger und gehörte damit zu den Männern, mit denen Jemma sich unter keinen Umständen einlassen wollte.

Denn ihr Vater war ebenfalls ein Schürzenjäger gewesen. Nur mit Widerwillen erinnerte sie sich heute daran, was seine männliche Eitelkeit ihrer Mutter angetan hatte. Nichts würde sie, Jemma, dazu bringen, denselben Fehler zu begehen wie ihre Mutter.

Natürlich hatte Josh bei ihr, Jemma, nicht gleich aufgegeben. Es hatte zwei Monate gedauert, ehe er sich geschlagen gegeben hatte. Und einen weiteren Monat, ehe sein Groll verflogen war. Seitdem waren fast zwei Jahre vergangen, und inzwischen war sie zu seiner wichtigsten Vertrauten geworden.

Deshalb wusste sie auch alles über Cassie und den Einfluss, den sie auf Josh ausübte. Offenbar genügte der Anblick ihrer attraktiven Rundungen, um seine Leidenschaft zu entfachen.

„Warum ausgerechnet sie?“, hatte er einmal gefragt. „Cassie ist überhaupt nicht mein Typ! Ich mag große und schlanke Frauen viel lieber. Frauen, die Beine bis zum Kinn und langes blondes Haar haben, in das ich mein Gesicht vergraben kann. Frauen, die so sind wie du.“

„Mein Haar ist nicht blond, sondern sandfarben.“

„Blond“, beharrte Josh. „Goldblond wie Honig.“ Er blickte sie verlangend an. „Ich brauche dich nur anzusehen, dann möchte ich …“

„Wenn du mich auch nur anrührst, werde ich es Cassie sagen“, drohte Jemma.

Das genügte, um seine Leidenschaft abzukühlen. „Was macht diese schwarzhaarige Hexe nur mit mir?“, fragte er und zog sich in sein Büro zurück.

Jemma kannte die Antwort auf die Frage, aber sie hatte sich gehütet, mit Josh darüber zu sprechen. Ihrer Ansicht nach hatte Josh Tanner, der blonde Frauenheld aus London, sein Waterloo erlebt. Und zwar durch eine Frau, die kein Geheimnis daraus machte, was sie von ihm wollte.

„Heirat, Kinder und alles, was dazugehört“, hatte Cassie erst kürzlich gesagt, als sie in Jemmas Büro auf Josh wartete, der sie zum Mittagessen ausführen wollte. „Ich bin es leid, mit den Männern nur noch herumzuspielen. In meinem Alter kann man sich das nicht mehr ohne Weiteres leisten.“

Cassie war zwar erst siebenundzwanzig Jahre alt, aber offenbar glaubte sie an das, was sie sagte.

„Ich habe also angefangen, mich nach einem geeigneten Kandidaten umzusehen“, fügte sie hinzu.

Und dieser Kandidat war Josh. Jemma fand das etwas seltsam, denn sie hatte ihren Chef nie für einen Mann gehalten, mit dem man eine Familie gründen konnte. Wahrscheinlich machte es Spaß, mit ihm ins Bett zu gehen, aber er war sicher kein Mann zum Heiraten.

„Ich habe Josh auf einer Party kennengelernt, zu der mich ein guter Freund eingeladen hat“, berichtete Cassie weiter. „Ich habe mich auf der Stelle in diesen selbstgefälligen Kerl verliebt und hätte blind sein müssen, wenn ich den lüsternen Ausdruck in seinen Augen nicht wahrgenommen hätte. Die Luft vibrierte fast zwischen uns, und Leon hat sich später sehr darüber amüsiert.“

„Leon?“

„Kennst du Leon Stephanades nicht?“ Jemma verneinte, und Cassie fuhr fort: „Du weißt nicht, was dir da entgangen ist, meine Liebe. Dürfte ich es wagen, meine Ziele so hoch anzusetzen, dann hätte ich ihn anstelle von Josh ausgesucht. Leon ist etwas ganz Besonderes. Er ist griechischer Abstammung und sehr reich. Und außerdem sehr auf seine Freiheit bedacht. Sein Vater hat bereits alles versucht, um ihn mit einem netten Mädchen aus Griechenland zu verheiraten, aber Leon weigert sich, darüber auch nur nachzudenken.“

Cassie lachte. „Es muss einen ziemlichen Skandal in der Familie gegeben haben. Jedenfalls hat ein Mädchen aus England, das außer einem hübschen Körper nichts anzubieten hat, keine Chance auf Heirat bei ihm. Also habe ich beschlossen, mich an Josh zu halten. Leon und ich sind immer noch gute Freunde, und das gefällt Josh natürlich überhaupt nicht.“

Sie verzog das Gesicht und fügte hinzu: „Josh ist furchtbar eifersüchtig auf Leon, denn er glaubt, dass zwischen uns einmal was war. Das ist natürlich absurd, aber vielleicht ist diese Eifersucht der Strohhalm, an den ich mich klammern kann. Dies und die Tatsache, dass er nicht genug von mir bekommen kann.“

Cassie seufzte schwer. „Leon behauptet, er würde uns zur Hochzeit ein Schwein aus purem Gold schenken – als Belohnung dafür, dass ich mir Josh Tanner geangelt habe. Das bedeutet, dass Leon meine Chancen nicht besonders hoch ansetzt. Trotzdem werde ich es weiter versuchen.“

Etwas in der Art musste Cassie auch Josh gesagt haben, denn wenige Tage später war Josh wütend in Jemmas Büro gekommen. „Ich werde niemals heiraten“, hatte er behauptet. „Nicht einmal, wenn man mir dafür ein Schwein aus purem Gold bietet.“

Bei der Erinnerung an Joshs zornige Miene musste Jemma wieder lächeln. In diesem Augenblick klingelte das Telefon, und Jemma nahm den Hörer ab. Gleich darauf hörte sie die mürrische Stimme ihres Chefs.

„Ich werde heute später kommen“, sagte er. „Ich habe ein schreckliches Wochenende hinter mir und bin gerade erst aufgewacht. Du musst die Stellung halten, bis ich da bin.“

„Was ist mit dem Termin um zehn?“, fragte Jemma und schaute auf die Uhr. Es war bereits zwanzig vor zehn, und Josh würde es auf keinen Fall pünktlich schaffen. „Immerhin kommt ein sehr hohes Tier von Leonadis“, fügte sie besorgt hinzu.

Josh fluchte; offensichtlich hatte er die Verabredung vergessen. „Auch das noch!“, rief er. „Jemma, du musst versuchen, den Termin abzusagen. Vielleicht erreichst du den Mann noch, bevor er sein Büro verlässt. Entschuldige dich für mich. Und wenn diese Hexe auftaucht, mit der ich bisher zusammen war, kannst du ihr sagen, dass ich zur Hölle gefahren bin. Sie soll nicht versuchen, mir zu folgen.“

„Wen meinst du?“, fragte Jemma mit gespielter Unschuld. „Cassie?“

Doch Josh hatte bereits aufgelegt. Jemma blickte einen Moment auf den Hörer in ihrer Hand und versuchte, aus Joshs letzter Bemerkung schlau zu werden. Dann zuckte Jemma die Schultern und legte ebenfalls auf. Offenbar hatte das Bett der beiden Liebenden plötzlich Dornen bekommen.

Jemma suchte die Nummer der Leonidas Corporation heraus und wählte. Während sie darauf wartete, dass jemand abnahm, fiel ihr plötzlich ein, dass sie keine Ahnung hatte, wie der Geschäftsführer hieß, mit dem sie sprechen sollte. Josh hatte den Termin am letzten Freitag selbst gemacht und ihr nur gesagt, dass er den Mann nicht leiden könne.

„Allerdings ist er an meinem Angebot interessiert, und ich bin auf das Geschäft angewiesen“, hatte Josh hinzugefügt. „Also werde ich ihn wohl hofieren müssen.“

Jemma fragte sich, warum Josh auf den Mann so schlecht zu sprechen war, denn normalerweise brachte ihr Chef seinen Kunden keine persönlichen Vorbehalte entgegen. Tatsächlich machte er ihnen sogar gern den Hof, wenn daraus ein Geschäft entstand.

„Leonidas Corporation.“

Jemma blinzelte. „Ja“, erwiderte sie und fragte sich verzweifelt, wie sie die Situation erklären sollte, ohne wie ein Dummkopf zu wirken. Sie sagte, wer sie war und warum sie anrief, und fügte hinzu: „Ich hoffe, Sie erwischen den Geschäftsführer noch, bevor er das Gebäude verlässt.“

„Ich fürchte, es ist bereits zu spät“, erwiderte die Frau am anderen Ende der Leitung. „Ich kann Sie jedoch mit seiner Sekretärin verbinden.“

„Vielen Dank.“ Während Jemma wartete, blickte sie erneut zur Uhr. Es war bereits kurz vor zehn. „Verdammter Josh“, sagte sie leise.

„Sekretariat Stephanades“, hörte sie wenig später wieder eine Frauenstimme. „Was kann ich für Sie tun?“

Stephanades? Wo hatte sie, Jemma, diesen Namen schon gehört? Ach, darüber konnte sie nach dem Gespräch nachdenken. „Mr Stephanades hat für zehn Uhr einen Termin mit Mr Tanner, aber leider ist Mr Tanner aufgehalten worden“, sagte sie. „Ist es zu spät, um Mr Stephanades eine unnötige Anfahrt zu ersparen?“

„Wenn ich bereits hier stehe, ist es wohl zu spät.“ Von der Bürotür her erklang eine tiefe Stimme mit einem schönen griechischen Akzent.

Erschrocken blickte Jemma auf, und dann begann ihr Herz schneller zu schlagen. Etwa zwei Meter von ihr entfernt stand einer der attraktivsten Männer, die sie je gesehen hatte.

Er lehnte am Türrahmen und hatte die Hände in die Hosentaschen seines dunkelsilbergrauen Anzugs gesteckt. Dadurch spannte sich das Jackett über der kräftigen Brust unter einem makellos weißen Hemd. Der Mann war groß und hatte kurz geschnittenes, leicht gelocktes Haar. Seine Gesichtszüge waren markant und kräftig, die Haut straff und sonnengebräunt. Er musterte Jemma amüsiert und lächelte dabei leicht anzüglich.

Hastig senkte sie die Lider. Makellos, dachte sie benommen. Sein Äußeres ist absolut makellos.

Sie spürte, dass ihr Puls raste, und erkannte intuitiv, was mit ihr geschah. So muss es sein, sagte sie sich, als sie erneut zu dem Mann hinüberschaute: Anziehung. Dunkel, heiß und erregend.

Jemma atmete tief durch und versuchte, sich zusammenzureißen. Bei der Bewegung hoben und senkten sich ihre Brüste unter dem weißen Seidentop, und sie sah, dass der Mann diese Bewegung verfolgte. Die Knospen ihrer Brüste wurden steif, und sie errötete. Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte sie sich, sie besäße so etwas wie einen Büstenhalter.

„Miss Davis, sind Sie noch am Apparat?“, erkundigte sich die Sekretärin am anderen Ende der Leitung. Sie schien von Jemmas langem Schweigen ziemlich überrascht zu sein.

„Ich …“ Jemma befeuchtete die Lippen. „Die Angelegenheit hat sich erledigt“, sagte sie und legte den Hörer auf, ohne den Blick von dem Besucher zu wenden.

Er lächelte, und das verlieh ihm eine noch sinnlichere Note. Jemma hatte das Gefühl, alle ihre Sinne wären bis zum Zerreißen gespannt.

„Sollen wir jetzt gleich gehen, oder brauchen Sie noch einen Moment, um sich zu erholen?“

„Wie bitte?“ Sie schaute verständnislos drein. „Wohin sollen wir denn gehen?“

„In mein Apartment“, erwiderte er, stieß sich vom Türrahmen ab und zog die Tür ins Schloss. „Ich muss schon sagen“, fuhr er fort, bevor Jemma etwas erwidern konnte, „ich bin in meinem Leben schon einige Male eindringlich gemustert worden, aber noch nie mit einer solchen Offenheit. Ich finde das sehr schmeichelhaft.“

Jemma schloss kurz die Augen und spürte, dass sie noch tiefer errötete.

„Es tut mir leid“, antwortete sie leise und stand auf. „Sie haben mich überrascht, Mr …“ Wie war noch sein Name? Seine Sekretärin hatte ihn nur einmal genannt, und in ihrer Aufregung hatte Jemma ihn wieder vergessen.

„Stephanades“, half er aus. „Leon Stephanades. Zu Ihren Diensten, Miss …“

Leon. Sein Vorname war Leon. Jemma zählte bis zehn, um zu verhindern, dass sie den Namen laut wiederholte.

Sie richtete sich gerade auf. „Davis“, erwiderte sie und versuchte, kühl zu wirken, wusste jedoch, dass ihr gerötetes Gesicht alles über ihren Gemütszustand verriet. „Es tut mir leid, dass Sie sich vergeblich herbemüht haben, Mr Stephanades.“ So ist es besser, dachte Jemma, während sie starr auf das linke Ohrläppchen des Besuchers blickte. „Leider wurde Mr Tanner aufgehalten, sodass er den Termin nicht einhalten kann. Ich hoffte, Sie noch in Ihrem Büro zu erreichen, aber wie Sie bereits richtig bemerkt haben, war es zu spät.“ Sie lächelte gezwungen.

Er ließ den Blick über ihre Figur gleiten. „Wie schön.“

Meine Güte! Erschrocken bemerkte Jemma, dass sich die Spitzen ihrer Brüste erneut aufrichteten. Sie blickte irritiert auf die Schreibtischplatte. „Wenn Sie einen Moment warten wollen, werde ich in Mr Tanners Kalender nachsehen, für wann wir einen neuen Termin vereinbaren können.“

„Ich habe eine bessere Idee“, entgegnete er. „Gehen Sie mit mir essen, dann werden wir die Sache bei einem kleinen Imbiss und einem Glas Wein besprechen.“

„Tut mir leid.“ Jemma versuchte, Haltung zu wahren, obwohl ihr Körper immer noch heftig auf die Anwesenheit dieses Mannes reagierte. „Jemand muss im Büro sein, solange Mr Tanner nicht da ist.“

„Schade“, erwiderte Leon Stephanades sanft, und Jemma schaute hoch. Dieses Mal errötete sie nicht mehr; an seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass sie dieselbe Anziehungskraft auf ihn ausübte wie er auf sie. „Ich fahre an diesem Nachmittag für mindestens eine Woche zurück nach New York. Das ist sehr lange, wenn man diese Angelegenheit in der Zwischenzeit in der Schwebe lassen muss.“

Jemma war der Doppelsinn dieser Worte nicht entgangen. Bevor sie antworten konnte, wurde die Tür aufgerissen, und Cassie stürmte herein.

„Wo ist dieser widerliche Kerl, der mir …“ Sie hielt mitten im Satz inne. Sie hatte Leon Stephanades entdeckt, und ihre Augen leuchteten auf. „Leon!“, rief sie aus und warf sich ihm in die Arme.

In diesem Moment fiel es Jemma wie Schuppen von den Augen. Natürlich. Leon war der gute Freund, mit dem Cassie auf der Party gewesen war und wo sie Josh kennenlernte.

Die gegenseitige Zuneigung Leon Stephanades’ und Cassies ließ sich an der Art erkennen, wie Cassie sich vor einigen Augenblicken in seine Arme geworfen hatte und er Cassie nun an sich zog und sie auf beide Wangen küsste. Das sieht nach mehr als guter Freundschaft aus, fand Jemma. Josh schien gute Gründe zu haben, auf Leon Stephanades eifersüchtig zu sein.

Doch ehrlicherweise musste sie zugeben, dass sie ebenfalls eifersüchtig war. Erschrocken ließ sie sich auf ihren Schreibtischstuhl fallen und versuchte, das Gefühl zu unterdrücken, das sie zu überwältigen drohte. Am liebsten hätte sie Cassie die Augen ausgekratzt.

„Wie steht es um dein Liebesleben?“, fragte Leon Stephanades Cassie neckend.

Cassie verzog das Gesicht und legte ihm die Arme um den Nacken. „Nicht so gut, dass deine Gegenwart nicht willkommen wäre“, antwortete sie. „Die ist sogar mehr als willkommen, Leon.“

„Dann behandelt Tanner dich also schlecht?“ Er zog missbilligend die Brauen hoch.

„Ich hasse ihn!“

Leon runzelte die Stirn. „Ist es so schlimm?“

„Allerdings“, sagte Cassie, löste sich von Leon und wandte sich Jemma zu. „Wo ist er?“, fragte sie. „Schmollt er in irgendeiner Ecke vor sich hin?“

Jemma wollte antworten, aber in diesem Moment klingelte das Telefon. Sie nahm den Hörer ab und meldete sich.

„Hast du ihn erreicht, bevor er wegging?“ Es war Josh, und sein Ton war ziemlich barsch und laut.

Jemma drückte den Hörer fester ans Ohr. Keinesfalls sollten die beiden in ihrem Büro mitbekommen, dass sie mit Josh sprach.

„Nein“, erwiderte sie vorsichtig. „Kann ich später zurückrufen?“

„Was? Wieso? Also, Jemma …“ Josh verstummte. Wenig später sagte er gedämpften Tones: „Oh, ich verstehe. Er ist da?“

„Ja.“

„Verdammt!“

Es entstand eine kurze Pause.

„Halt ihn auf, damit ich mich bei ihm entschuldigen und mit ihm über den Auftrag verhandeln kann“, befahl Josh dann.

„Ich glaube, das ist keine besonders gute Idee“, erwiderte Jemma und vermied es, die beiden Besucher anzusehen. „Wir sind nicht allein.“

Sie hörte nicht, was Josh darauf erwiderte, denn inzwischen war Cassie zum Schreibtisch gekommen und blickte sie drohend an. „Ist das Josh? Gib ihn mir!“, forderte sie und versuchte, Jemma den Hörer abzunehmen. Die hielt ihn eisern fest. „Gib mir den Hörer!“, verlangte Cassie. „Josh wird sich wundern über das, was ich ihm noch zu sagen habe!“

„Ich will sie nicht sprechen!“, rief Josh.

„Gib her, Jemma!“ Cassie zerrte wütend an der Telefonschnur und bemühte sich nun vehement, Jemma den Telefonhörer zu entreißen. „Es wird Zeit, dass dieser Kerl endlich begreift, was Sache ist.“

„Wirf sie aus dem Büro, Jemma!“, brüllte Josh am anderen Ende der Leitung.

„Das geht nicht“, sagte Jemma und stand auf, um Cassie zurückzuhalten.

Josh fluchte lautstark, während Leon Stephanades die Szene mit unverkennbarem Amüsement beobachtete.

Jemma verabscheute ihn in diesem Moment. Die ganze Angelegenheit war einfach lächerlich. Es war ihr zuwider, daran beteiligt zu sein, und dieser Mensch machte sich auch noch über sie lustig!

Er schaute sie an, und als sich ihre Blicke trafen, veränderte sein Gesichtsausdruck sich plötzlich. An die Stelle von Amüsement und Belustigung trat etwas so Elementares, dass es Jemma fast den Atem verschlug.

Josh schimpfte, und Cassie tobte, aber plötzlich hatte Jemma das Gefühl, sie wäre mit Leon Stephanades allein im Büro. Am meisten verwirrte sie, dass er ebenso zu fühlen schien wie sie und dieses Gefühl nicht einmal zu verbergen versuchte.

Plötzlich ging alles sehr schnell. Cassie gelang es endlich, Jemma den Hörer zu entreißen, dann hörte Jemma, wie Cassie in den Hörer rief: „Du kannst machen, was du willst, du gemeiner Kerl. Das ändert nichts an der Tatsache, dass du der Vater meines Kindes sein wirst.“

Im nächsten Augenblick ließ Cassie den Hörer fallen und kippte um. Leon gelang es, sie vor einem harten Sturz auf den Boden zu bewahren; er fing sie auf. Durch den neben dem Schreibtisch liegenden Telefonhörer hörte Jemma Josh immer noch fluchen, aber an seiner erstickten Stimme erkannte sie, dass er mindestens ebenso schockiert war wie sie, Jemma. Hastig bückte sie sich und hob den Hörer auf.

„Josh … Josh, beruhige dich bitte.“

„Diese Hexe hat mich gefangen, Jemma“, sagte er daraufhin heiser. „Sie hat die Falle absichtlich gelegt.“

„Wie auch immer, im Moment braucht Cassie Hilfe, Josh. Wir sprechen später über eure Probleme, okay?“

„Okay. Rufst du zurück?“

„Tu ich“, antwortete sie und legte den Hörer auf.

Danach feuchtete Jemma ein Tuch an, füllte ein Glas mit Wasser und ging in Joshs Büro. Dort hatte Leon Stephanades Cassie inzwischen auf das Ledersofa gelegt. Er kniete daneben, hielt ihr die Hand.

Jemma kniete sich neben ihn und reichte ihm das Tuch. Er nahm es schweigend und legte es auf Cassies Stirn.

Kurz darauf schlug Cassie die Augen auf und blickte Leon verzweifelt an. „Meine Güte, Leon“, flüsterte sie. „Was soll ich nur tun?“

„Nichts“, erwiderte er. „Solange es dir schlecht geht, wirst du brav hier liegen bleiben. Danach werde ich dich nach Hause fahren.“

Cassie hatte nun Tränen in den Augen. „Ich habe es nicht absichtlich getan“, behauptete sie.

„Nein?“ Das war alles, was Leon sagte, aber Cassie war anzumerken, dass seine Andeutung sie traf – und zutraf. Sie schlug die Hände vors Gesicht und begann bitterlich zu weinen. „Nein?“, wiederholte er hart.

„Ja … in etwa“, gestand Cassie schluchzend.

Jemma war schockiert. Dass eine Frau ihren Bettpartner durch eine Schwangerschaft an sich zu binden, praktisch durch seine Vaterschaft zur Ehe zu erpressen versuchte, erschien ihr einfach ungeheuerlich.

Leon Stephanades sah Jemma an. „Tun Sie nicht so pikiert, Miss Davis“, sagte er verächtlich. „Das weibliche Geschlecht – und zu dem gehören Sie ja wohl auch – greift des Öfteren zu diesem Trick. Besonders, wenn es sich um Männer wie Tanner handelt.“ Er zögerte, bevor er hinzusetzte: „Oder um einen Mann wie mich.“

Sie antwortete nicht, sondern stand auf und ging zurück in ihr Büro. Leon Stephanades’ Worten zufolge musste sie sich dafür schämen, eine Frau zu sein. Jedenfalls schämte sie sich für Cassie, die sie einmal dafür bewundert hatte, dass sie so offen über ihre Absichten sprach.

Und Josh? Jemma setzte sich hinter ihren Schreibtisch und fragte sich, was sie für Josh empfand.

Er tat ihr leid. Zum ersten Mal in diesen zwei Jahren, in denen sie so oft erlebt hatte, wie er die Frauen zur Befriedigung seiner Triebe benutzt hatte, tat er ihr aufrichtig leid.

Das Telefon klingelte, und in den nächsten Minuten musste Jemma sich auf geschäftliche Dinge konzentrieren. Als sie den Hörer auflegte, kam Leon Stephanades in ihr Büro.

„Sie hat sich beruhigt“, berichtete er. „Wenn sie sich etwas frisch gemacht hat, werde ich sie nach Hause fahren.“

Jemma nickte stumm und vermied es, ihn anzublicken. Der Abscheu über das, was Cassie getan hatte, kehrte schlagartig zurück. Leon beobachtete Jemma einen Moment, dann schloss er die Tür zu Joshs Büro und kam hinüber zum Schreibtisch.

„Ist alles in Ordnung?“, erkundigte Leon sich.

„Ich kann kaum glauben, dass Cassie dazu fähig war, es absichtlich zu tun“, sagte sie.

„Frauen können sehr rücksichtslos sein, Miss Davis“, erwiderte er. „Wenn es um ihren Vorteil geht, sind sie zu allem fähig. Das müssten Sie eigentlich wissen. Für naiv halte ich Sie nicht gerade.“

„Vielen Dank.“ Sie lächelte gequält. „Vorurteile halten die Welt zusammen, nicht wahr?“

„Meine Welt schon“, antwortete er ironisch.

Seine Welt. Was bildete sich dieser Mann eigentlich ein? Glaubte er, dass alle Frauen so waren wie Cassie?

„Gut“, sagte Jemma und stand auf. „Ich werde versuchen, mich demnächst an Ihre Worte zu erinnern, und einen Bogen um die Welt machen, in der Sie leben.“

„Das wäre sehr schade“, bemerkte er leise.

Als ihre Blicke sich trafen, stockte Jemma erneut der Atem. Nein! rief ihre innere Stimme. Lass nicht zu, dass dies geschieht. Denk an Cassie. Sie liebt Josh, deshalb will oder wollte sie ihn durch eine Schwangerschaft fest an sich binden. Denk auch an Josh. Leon Stephanades gehört zu derselben Sorte Männer. Er ist ein rücksichtsloser, selbstsüchtiger Schürzenjäger.

Leon streckte den Arm aus und berührte Jemmas Lippen mit den Fingerspitzen. Es war, als hätte er ihr einen elektrischen Schlag versetzt.

„Keine Fesseln“, sagte er leise. „Keine Verpflichtungen außer der, dass wir uns treu bleiben, solange wir zusammen sind. Wenn es vorbei ist, gehen wir als Freunde auseinander. Ich werde dein einziger Liebhaber sein und nur für dich da sein.“

Er strich langsam über ihre Lippen. Dann lehnte er sich über den Schreibtisch, zog Jemma heran und küsste sie. Es war ein fester, sicherer Kuss und so ausgesprochen sinnlich, dass Jemma einen Moment das Gefühl hatte, sie würde ohnmächtig.

„Denk darüber nach“, sagte Leon, nachdem er sie freigegeben hatte. „Ich setze mich nach meiner Reise mit dir in Verbindung und erwarte dann eine klare Antwort.“

Er richtete sich gerade auf, und während Jemma noch um Fassung kämpfte, verwandelte er sich wieder in den kühlen Geschäftsmann, der er zwischenzeitlich gewesen war. „Ich bringe unsere Cassie-Cassandra jetzt nach Hause. Sag Tanner bitte, dass ich eine Woche lang im Ausland sein werde. Wenn er mit mir ins Geschäft kommen will, sollte er nach meiner Rückkehr für mich bereitstehen.“

Er wandte sich um und ging zurück zu Joshs Büro. Bevor er die Türklinke drückte, drehte er sich noch einmal zu Jemma um.

„Sag ihm ebenfalls, dass er Cassandra mit Respekt behandeln soll. Sie ist auch nur ein Mensch, und Menschen sind fehlbar.“

2. KAPITEL

„Fehlbar?“, wiederholte Josh wütend. „Diese Hexe ist leider unfehlbar. Und sie scheut nicht davor zurück, die fürchterlichste Waffe einzusetzen, die die Menschheit kennt.“

„Ich soll dir sagen, dass sie sich wieder bei dir melden wird“, richtete Jemma aus. Allerdings sprach sie diese Worte nicht mit so viel Verachtung aus, wie Cassie es vor etwa zehn Minuten getan hatte, als sie mit Leon das Büro verließ.

„Ich will diese verfluchte Hexe nicht wiedersehen!“, rief Josh. Dann blickte er Jemma durchdringend an. „Hat sie zugegeben, dass sie absichtlich schwanger geworden ist?“

Jemma nickte. „Leon Stephanades hat ihr das Geständnis entlockt.“

„Wie schön, dass er dabei war“, bemerkte er bitter. „Weißt du, was ich glaube?“

„Nein.“

„Die beiden haben das gemeinsam geplant.“

„Wie bitte? Gemeinsam? Soll Leon Stephanades Cassie etwa den Rat gegeben haben, schwanger zu werden?“ Jemma schüttelte den Kopf. „Eher würde er sich die Kehle durchschneiden.“

„Donnerwetter! Enorm, deine Menschenkenntnis. Soweit ich weiß, hast du ihn erst heute kennengelernt.“

„Man braucht nicht lange, um zu wissen, zu welcher Sorte Mann er gehört“, erwiderte Jemma. „Ich habe dich seinerzeit auch gleich durchschaut.“

Josh sah sie nachdenklich an, einen Moment schien er seine eigenen Probleme vergessen zu haben.

„Weibliche Intuition?“, fragte er schließlich ironisch. „Ich hoffe, du warst vernünftig genug, Stephanades eine ähnliche Abfuhr zu erteilen wie mir“, fuhr er fort. „Dieser Kerl ist mindestens eine Nummer zu groß für dich. Er spielt nach anderen Regeln als unsereins.“

„Wie ich bereits sagte – du und er gehört demselben Typ Mann an“, entgegnete Jemma kühl. „Dem Typ Casanova.“

„Wie auch immer, Stephanades ist wesentlich reicher und mächtiger als ich“, sagte Josh.

Autor

Michelle Reid

Michelle Reid ist eine populäre britische Autorin, seit 1988 hat sie etwa 40 Liebesromane veröffentlicht.

Mit ihren vier Geschwistern wuchs Michelle Reid in Manchester in England auf. Als Kind freute sie sich, wenn ihre Mutter Bücher mit nach Hause brachte, die sie in der Leihbücherei für Michelle und ihre...

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