Julia Exklusiv Band 269

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EINMAL IST NICHT GENUG! von RICE, HEIDI
Frauenschwarm Mac Brody genießt sein Singledasein in vollen Zügen. Wunderbar also, dass Jane, seine Geliebte, sich ebenfalls nicht fest binden möchte! Alles ist herrlich unkompliziert - bis Jane schwanger wird und Macs Leben damit komplett auf den Kopf stellt …

FÜR IMMER NUR DU von KENNY, JANETTE
Kira schwebt auf Wolke sieben. Auf einer Karibikinsel verbringt sie leidenschaftliche Stunden mit dem reichen Hotelier André Gauthier. Schon beginnt Kira von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen, da beschuldigt André sie, ihn betrogen zu haben - mit seinem Erzfeind!

FALSCHE ZEIT, FALSCHER ORT - RICHTIGER MANN? von HARDY, KATE
Heiße Küsse im eisigen Norwegen! Auf einer Geschäftsreise gibt Lydia sich ihrem attraktiven Boss Jake hin. Eine Nacht in seinen Armen - weiter will Lydia nicht denken. Auch nicht daran, dass Jake kein Mann zum Heiraten ist. Darf Lydia trotzdem auf ein Happy End hoffen?


  • Erscheinungstag 26.02.2016
  • Bandnummer 0269
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707590
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Heidi Rice, Janette Kenny, Kate Hardy

JULIA EXKLUSIV BAND 269

1. KAPITEL

Jane Delamare war krampfhaft darum bemüht, ihren wild pochenden Herzschlag unter Kontrolle zu bringen, während sie die Ankunftsanzeige im Terminal Fünf von London Heathrow betrachtete und nach Flug 155 aus Los Angeles Ausschau hielt. Das Wort „Gelandet“ blinkte auf, woraufhin ihr Herz gleich wieder einen Satz machte.

Um Himmels willen. Reiß dich zusammen.

Jane schob die Hände in die Taschen ihrer abgetragenen Jeans und holte mehrmals tief Luft. Sie musste sich unbedingt beruhigen. Schließlich hatte sie eine Mission zu erfüllen – eine äußerst wichtige Mission – weshalb sie es sich nicht leisten konnte, einen Herzanfall zu erleiden. Das würde ihre Pläne mit Sicherheit in Gefahr bringen.

Wenn der Hollywood-Schwarm Cormac Brody die Ankunftshalle durchquerte, musste sie bereit sein, denn sie beabsichtigte, ihm eine Einladung zur Hochzeit ihrer besten Freundin zu überreichen und sicherzustellen, dass er auch wirklich kommen würde.

Daisy heiratete in zwei Wochen den millionenschweren Bauunternehmer Connor Brody, und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass ihr Verlobter sich mit seinem jüngeren Bruder versöhnte. Daher hatte Jane es sich zur Aufgabe gemacht, dafür zu sorgen, dass dieser zur Hochzeit kam – ob er nun wollte oder nicht.

Wie genau sie das anstellen sollte, wusste sie zwar noch nicht, aber sie war fest entschlossen, ihr Bestes zu geben. Daisy hatte ihr vor sechs Jahren geholfen, die schlimmste Phase ihres Lebens zu überstehen – als sie bereits geglaubt hatte, niemals mehr Gefühle für einen anderen Menschen empfinden zu können. Daher war sie ihr etwas schuldig.

Doch was, wenn sie scheiterte? Was, wenn Mac Brody mit einer ganzen Entourage von Bodyguards reiste und sie es nicht mal schaffte, in seine Nähe zu gelangen? Oder was, wenn er sich schlichtweg weigerte, die Einladung anzunehmen? Außerdem durfte sie nicht vergessen, dass es Ewigkeiten her war, seit sie sich das letzte Mal einem fremden Mann genähert, geschweige denn ihn zu etwas überredet hatte. Ihre Überzeugungskraft ging gegen null, was Männer anbelangte.

Sie war keine Verführerin – dazu fehlten ihr das Aussehen, die Attitüde und die geeigneten Kleider. Was bedeutete, dass sie an Mac Brodys guten Willen appellieren musste. Doch was sie bislang von ihm erfahren hatte, gab keinen Anlass zu großer Hoffnung.

Jane hatte vor zwei Wochen in Daisys heller Küche gesessen, als der Brief angekommen war … Und dieser Brief sagte alles über Mac Brody, Hollywood Superstar und irischer Bad Boy aus, was es zu wissen gab.

Also schön, er sah gut aus – wenn man denn auf groß, dunkelhaarig und gefährlich stand. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass sich unter der attraktiven Schale ein oberflächlicher, arroganter, selbstsüchtiger Egomane verbarg.

Janes Zorn erwachte von Neuem, als sie sich an Brodys Gefühllosigkeit erinnerte.

Daisy war so aufgeregt gewesen, so sicher, dass der Brief ein gutes Zeichen war. Doch dann hatte sie ihn aufgerissen und darin die Hochzeitseinladung gefunden – zusammen mit einer Nachricht von Brodys Agenten, in der dieser kühl mitteilte, dass Mr. Cormac Brody nicht an der Hochzeit teilnehmen werde und er Miss Daisy Dean darum bitte, von jeder weiteren Kontaktaufnahme abzusehen.

Daisy war in Tränen ausgebrochen, und Jane hatte kaum mit ansehen können, mit welchem Kummer Connor die knappen Zeilen gelesen hatte.

Welches Recht besaß Brody, ihre Freunde derart zu verletzen? Und was noch schlimmer war – er hatte ja nicht mal den Mumm, sich selbst die Hände schmutzig zu machen und ihnen persönlich zu schreiben.

Jane schob sich durch die wartende Menge und stützte sich auf der Absperrung ab. Sie ignorierte ihren wilden Herzschlag und beobachtete die erschöpft aussehenden Ankömmlinge des Transatlantik-Flugs, die nach und nach in die Ankunftshalle kamen. Wenn ihr Plan funktionieren sollte, musste es ihr gelingen, ihre Feindseligkeit zu verbergen. Doch was auch immer geschehen sollte, sie würde Brody nicht die Genugtuung bereiten, zu betteln.

Dann käme sich dieser schreckliche Mensch auch noch überlegen vor.

Als eine einsame Gestalt durch die Absperrung trat, kniff sie die Augen zusammen. Konnte das Brody sein? Falls ja, dann war er nicht das, was sie erwartet hatte. Gebeugte Schultern, gesenkter Kopf, die Hand um den Koffergriff gekrampft – der Mann schien sich redlich zu bemühen, um keinen Preis aufzufallen.

Und es funktionierte. Wäre seine Größe nicht gewesen, hätte ihm vermutlich niemand einen zweiten Blick geschenkt. Doch da bemerkte Jane, wie der Fremde sich bewegte, und wusste mit absoluter Sicherheit, dass es sich um Mac Brody handeln musste. Er hatte den gleichen geschmeidigen Gang wie sein Bruder Connor.

Entschlossen kämpfte sie sich durch die Menge, um ihn am Ausgang zu stellen – ihr Puls galoppierte bereits wieder davon.

Den Blick konsequent auf den grauen PVC-Boden gerichtet, blendete Mac Brody den lauten Geräuschpegel um sich herum aus und dehnte die Schultern, um Anspannung und Erschöpfung abzuschütteln.

Er hatte sich auf Flughäfen noch nie besonders wohl gefühlt, und mit Heathrow verband er einige besonders unangenehme Erinnerungen. Als er vor drei Jahren das letzte Mal hier gewesen war, hatten die Paparazzi bereits auf der Lauer gelegen. Es war nur eine Woche nach seiner öffentlichen Trennung von Supermodel Regina St. Clair gewesen und lediglich zwei Tage nachdem Gina ihre Geschichte an die Presse verkauft und ihn wie einen wahren Mistkerl dargestellt hatte, der jede Nacht eine andere Frau vernaschte.

Ginas übertriebene Fantasien hätten ja als witzig durchgehen können, wenn nicht etliche Leute sie geglaubt hätten. An jenem Tag hatte die Reportermeute Lunte gerochen, und sie verfolgte ihn seitdem auf Schritt und Tritt. Es hatte ihm noch nie behagt, im Fokus des Medieninteresses zu stehen, insofern war es eine harsche Lektion gewesen.

Mac schaute auf und suchte nach dem Ausgang. Als er weder Anzeichen von Reportern noch Fotografen entdeckte, seufzte er erleichtert. Zum Glück hatte er von frühester Kindheit an gelernt, sich praktisch unsichtbar zu machen – die Leute bemerkten ihn in einer Menge fast nie, es sei denn, er wollte bemerkt werden.

Als er das Schild sah, das ihm den Ausgang wies, wechselte er die Richtung, doch in diesem Moment trat eine kleine, zierliche Gestalt hinter einer Säule hervor und versperrte ihm den Weg.

„Was zum Teufel …?“ Er blieb abrupt stehen, um die junge Frau nicht umzurennen.

„Sie sind Cormac Brody.“ Ihre Stimme zitterte leicht, doch sie war laut genug, um Aufmerksamkeit zu erregen.

„Sprechen Sie leise“, befahl er ihr und suchte hektisch die Menge ab. Glücklicherweise schien niemand sie gehört zu haben.

„Es tut mir leid, Sie zu stören, aber ich muss Sie sprechen“, erklärte die Unbekannte höflich. Dennoch hörte er eine gewisse Schärfe heraus. „Es ist extrem wichtig.“

„Extrem wichtig, tatsächlich?“ Das hatte er schon etliche Male gehört. Innerlich formulierte er bereits eine entschiedene Zurückweisung, doch als sein Blick erst über ihre Figur glitt und sich dann auf ihr Gesicht richtete, wollte sie ihm einfach nicht über die Lippen kommen.

Wer auch immer die Frau war, sie sah verdammt hübsch aus.

In der abgetragenen Jeans und dem verwaschenen T-Shirt hätte sie eher wie ein Junge wirken müssen, doch irgendwie stand ihr das Outfit. Es schmeichelte ihren zarten Kurven – der schmalen Taille und den kleinen, aber festen Brüsten.

Und dann war da dieses herzförmige Gesicht.

Die großen, nicht ganz grünen, nicht ganz blauen Augen zogen die eigentliche Aufmerksamkeit auf sich, doch wenn man das weiche dunkelblonde Haar, den makellosen Teint und die sinnlichen Lippen hinzunahm – plus der Tatsache, dass sie nicht mal einen Hauch Make-up trug – so war die Wirkung absolut atemberaubend.

Mac fragte sich, ob sie ein Fan war. Hoffentlich nicht.

„Und was ist so extrem wichtig?“ Einen kurzen Augenblick konnte er ihr schenken – immerhin war er schon seit Ewigkeiten nicht mehr so fasziniert gewesen. „Ich habe im Moment nicht viel Zeit, Darling.“

Die großen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, was noch niedlicher aussah. „Hören Sie auf, mich so herablassend zu behandeln, Mr. Brody.“

Mac blinzelte überrascht. Mit dieser scharfen Reaktion hatte er nicht gerechnet. Sie war auf keinen Fall ein Fan. „Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie meinen Namen nicht so laut sagen würden“, erwiderte er mild, auch wenn es nun schon das zweite Mal war, dass er sie darauf aufmerksam machte. „Ich lege keinen Wert darauf, erkannt zu werden.“ Faszinierend oder nicht, allmählich wurde sie lästig.

Erneut schaute er an ihr vorbei, um sicherzugehen, dass sie ihn nicht verraten und unerwünschte Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt hatte. „Verdammt.“

Die Fremde blickte ihn fragend an, dann begann sie sich langsam umzudrehen. Doch Mac packte sie an den Schultern und drängte sie gegen die Säule, um sie beide aus Pete Danners Blickwinkel zu manövrieren. Seine persönliche Nemesis. Jener Fotograf, der ihn vor drei Jahren wie ein Bluthund verfolgt hatte. Diese Erfahrung wollte er jetzt keinesfalls wiederholen.

„Bewegen Sie sich nicht!“, befahl er. Rasch stützte er seine Ellbogen neben ihrem Kopf ab und hielt sie mit seinem Körper gefangen. „Wenn der Mann dort drüben mich sieht, wird diese Reise eine einzige Qual.“

Jane sog scharf den Atem ein. Sie war so schockiert, dass sie ganz vergaß, wieder auszuatmen.

Was passierte hier?

In der einen Sekunde hatte sie noch in unglaublich blaue Augen geblickt und dabei festgestellt, dass Cormac Brody wesentlich attraktiver war, als erlaubt sein sollte, und mindestens genauso arrogant, wie sie befürchtet hatte. Im nächsten Moment presste er sie mit seinem harten, muskulösen Körper gegen die Säule.

Ihr wurde schwindlig. Mühsam erinnerte sie sich daran, dass sie atmen sollte. Mit dem nächsten Luftzug wurde ihr überdeutlich bewusst, dass sie jeden einzelnen Zentimeter seines Körpers spüren konnte.

„Was tun Sie da?“, keuchte sie.

So nah war sie einem Mann schon seit sechs Jahren nicht mehr gewesen. Eigentlich hätte sie den ganzen Flughafen zusammenschreien müssen. Doch neben dem Schock wurde sie von einer unbekannten Hitze erfasst.

Er rückte ein kleines Stückchen von ihr ab, wobei er immer noch über ihre Schulter blickte. Sie atmete noch einmal tief ein.

„Gott sei dank. Er ist weg.“ Sein warmer Atem streifte sanft ihr Ohr, was einen Schauer in ihr auslöste. „Ich schulde dir etwas, meine Schöne.“

„Ich … ich bekomme keine Luft“, stammelte sie.

Sein Blick richtete sich auf ihr Gesicht.

„Stimmt etwas nicht?“

Sie stimmen nicht, wollte sie ihn anschreien, doch sie brachte keinen Ton heraus. Erst musste sie aufhören, zu zittern.

Er neigte den Kopf. „Entspann dich, Darling.“

Ihr stockte der Atem, als er mit dem Daumen zärtlich über ihre Wange strich und dann die Finger in ihrem Haar vergrub. „Was hältst du davon, wenn wir das hier ausprobieren?“, murmelte er heiser, wobei ihr seine Lippen so nah waren, dass sie die frische Minznote seines Atems riechen konnte.

Dann senkte sich sein Mund auf den ihren.

Sobald seine festen Lippen die ihren berührten, spielte ihr Puls verrückt. Es war, als wäre sie von einem elektrischen Stromschlag erfasst worden.

Sie sollte ihn von sich stoßen. Doch als sie die Hände auf seine Brust legte, spürte sie das Beben seiner Muskeln unter ihren Fingern, und wie von selbst strich sie über seinen flachen Bauch. Ihre Lippen teilten sich, sodass seine Zunge ungehinderten Zugang hatte. Sie spürte ein loderndes Feuer in sich. Ihr Schoß pulsierte, und ihre Brustspitzen versteiften sich – jeder rationale Gedanke war dahin.

Im nächsten Moment schob er seine Hand unter ihr T-Shirt und streichelte die seidig glatte Haut darunter. Dann spürte sie es. Die harte Ausbuchtung, die sich gegen ihren Bauch presste.

Jane versuchte, seiner Nähe zu entkommen, und bemühte sich, die Kontrolle über ihren verräterischen Körper zurückzugewinnen. Da löste er sich von ihr.

„Whoa. Das war ganz schön heiß.“ Seine abgehackte Atmung stand der ihren in nichts nach. Er lehnte seine Stirn gegen ihre. „Wir hören besser auf, ehe die Dinge völlig außer Kontrolle geraten.“

Jane versteifte sich. Die Realität wirkte wie eine eiskalte Dusche auf ihre bis dato flammende Leidenschaft.

Was hatte sie getan? Nach sechs Jahren freiwilliger Enthaltsamkeit küsste sie einen völlig Fremden in aller Öffentlichkeit. Einen Fremden, den sie nicht mal mochte!

„Würden Sie bitte Ihre Hand entfernen?“, sagte sie. Dass er immer noch ihre Haut liebkoste, fand sie furchtbar peinlich. Sein Daumen lag direkt unterhalb ihrer Brust.

Er zog seine Hand zurück und legte sie auf ihre Hüfte. „Was hältst du davon, wenn wir uns einen Ort suchen, an dem wir das hier ungestört fortsetzen können?“

Hektisch zog sie ihr T-Shirt herunter. Ihre Wangen waren flammend rot. Hielt er sie etwa für eine Prostituierte?

Brody legte einen Finger unter ihr Kinn und hob es an, sodass sie ihn ansehen musste. „Stimmt etwas nicht?“

Natürlich stimmt etwas nicht. Ein Sexbesessener hat mich gerade angefallen!

Sie riss sich los. „Es ist a-alles in Ordnung“, stammelte sie. „Ich … ich habe etwas für Sie.“

Ein sinnliches Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich denke, das haben wir bereits festgestellt.“

Jane errötete noch mehr – und ihre Brustspitzen richteten sich auf. Verdammt sollte er sein. Wieso hatte er diese Wirkung auf sie? „Ich rede nicht von sexuellen Gefälligkeiten.“ Sie griff nach seinem Arm und drückte ihm den Umschlag in die Hand. „Das ist eine Einladung zur Hochzeit Ihres Bruders.“

Sofort versteifte er sich, und das Lächeln verschwand.

„Sie stammt von meiner besten Freundin Daisy, der Verlobten Ihres Bruders“, fügte Jane hinzu.

Ganz kurz glaubte sie, irgendetwas in seinen Augen aufflackern zu sehen. Doch es verschwand so schnell, dass sie nicht sicher war, ob sie es sich nicht nur eingebildet hatte.

„Ich habe keinen Bruder“, entgegnete er und zerknüllte die Einladung in seiner Hand.

Das war ein Szenario, mit dem sie nicht gerechnet hatte. „Natürlich haben Sie einen Bruder“, platzte sie heraus, wobei sie sich fragte, was zwischen diesem Mann und Connor vorgefallen war.

Er wirkte völlig ungerührt. Jane hatte sich zwar geschworen, nicht zu betteln, aber nach dem, was sie gerade getan hatte, schien es keine große Sache mehr. Sie holte tief Luft. „Bitte. Sie müssen kommen. Es ist wirklich wichtig.“

„Für mich nicht“, erwiderte er mit solcher Arroganz, dass sich ihr die Nackenhaare aufstellten. Er hielt die Einladung hoch. „Sie können Ihrer Freundin das hier zurückgeben und ihr sagen, dass ich nicht interessiert bin.“

„Wie können Sie nur so gefühllos sein?“, rief sie, ehe sie die Worte aufhalten konnte.

„Was geht Sie das an?“, schoss er zurück.

Bei seinem eiskalten Ton versteifte sie sich. „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Daisy meine Freundin ist“, verteidigte sie sich.

„Ich verstehe“, versetzte er. „War der Kuss Daisys Idee oder Ihre?“

Jane starrte ihn mit offenem Mund an. „Sie wissen doch wohl ganz genau, dass der Kuss Ihre eigene Idee war.“ Was warf er ihr denn vor? „Wissen Sie was, Mr. Brody?“ Zur Hölle mit der Bettelei, sie hatte die Nase gestrichen voll von Mac Brody und seinem monumentalen Ego. „Nur weil Sie reich und berühmt sind, haben Sie noch lange nicht das Recht, Ihre Familie wie Dreck zu behandeln. Daisy und Connor sind wundervolle Menschen, und sie verdienen verdammt viel mehr als Sie.“

„Ach, tatsächlich?“ Sein spöttischer Unterton machte sie wahnsinnig. „Wenn Sie mich für einen solchen Mistkerl halten, warum haben Sie mich dann geküsst?“

Wenn er nicht sofort aufhörte, von diesem Kuss zu reden, dann würde sie ihn verprügeln. „Da kannte ich Sie noch nicht. Jetzt schon.“

Um seine Mundwinkel zuckte es. Offensicht war er gegen Beleidigungen immun. „Dabei haben Sie das Beste noch gar nicht kennengelernt.“

Bei der lebhaften Erinnerung an seine Erektion wurde sie erneut rot. Trotzig schob sie das Kinn vor und ignorierte das merkwürdige Flattern in der Magengegend. „Ich denke, Sie überschätzen Ihre Anziehungskraft, Mr. Brody.“

Er lachte. „Aber Sie werden sich nie sicher sein, oder?“

Jane machte sich nicht die Mühe, ihm darauf auch noch eine Antwort zu geben. Dennoch verfolgte sie sein lautes Lachen, als sie wütend davonstürmte.

Was für ein arroganter, sexbesessener, rücksichtsloser Kerl!

Jane kochte vor Wut. Sie hatte völlig recht gehabt, was Mac Brody anging. Er hatte eine so wundervolle Familie wie Daisy und Connor und deren kleinen Sohn Ronan gar nicht verdient. Gott sei dank kam er nicht zu der Hochzeit. Es war eine wahre Erleichterung, dass sie diesen schrecklichen Mann niemals wiedersehen musste!

Macs Lächeln verblasste, als er der jungen Frau hinterhersah. Sein Blick richtete sich auf den Jeansstoff, der ihren Po umschmeichelte. Erneut spürte er ein Ziehen in den Lenden.

Er hätte sie nicht derart provozieren sollen. Aber als er erst gesehen hatte, wie sehr ihr Zorn ihre wundervollen blau-grünen Augen aufblitzen ließ, war das unvermeidbar gewesen. Genauso unwiderstehlich wie der Drang, sie zu küssen.

Himmel! Als er das panische Aufflackern von Verlangen in ihren ausdrucksvollen Augen gesehen hatte, hatte seine Lust das Kommando übernommen und sein Gehirn ausgeschaltet. Der Wunsch, sie zu schmecken, war einfach zu überwältigend gewesen.

Dennoch, Spontaneität war eine Sache, Leichtsinn eine ganz andere.

Kopfschüttelnd griff er nach seinem Koffer, den er im Eifer des Gefechts einfach abgestellt hatte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er die Hochzeitseinladung immer noch in der Hand hielt.

Er machte sich auf den Weg zum nächsten Mülleimer. Wie er ihr gesagt hatte, besaß er keinen Bruder mehr. Er brauchte keine Familie und hatte nicht die Absicht, die Hochzeit zu besuchen. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war, in ein Wespennest aus Emotionen zu stechen. Oder die quälenden Erinnerungen neu heraufzubeschwören, die er vor einem halben Leben begraben hatte.

Doch als er bereits den Arm ausstreckte, um die Einladung wegzuwerfen, hielt er plötzlich inne. Er hob den zerknüllten Umschlag etwas näher zu sich heran und atmete den ganz leichten Duft ein, den sie darauf hinterlassen hatte. Seife und Wildblumen. Verlangen durchströmte ihn. Ein Verlangen, das er schon viel zu lange nicht mehr verspürt hatte.

Er begehrte sie. Das konnte er zugeben. Nach diesem atemberaubenden Kuss bestand sowieso keinerlei Zweifel daran. Sie war nicht annähernd so kultiviert – oder so willig – wie die Frauen, mit denen er normalerweise ausging, aber aus irgendeinem Grund faszinierte sie ihn. Und das geschah nur äußerst selten.

Nachdenklich starrte er auf den Umschlag. Vielleicht lag ihr Reiz darin, dass sie so anders war. Außerdem verkörperte sie etwas, was ihm schon seit Ewigkeiten nicht mehr begegnet war – eine echte Herausforderung.

Dabei kannte er nicht mal ihren Namen.

Mac fluchte leise, dann steckte er die Hochzeitseinladung in seine Hosentasche.

2. KAPITEL

Während die S-Bahn durch die westlichen Vororte von London ratterte, spielte Jane in Gedanken immer wieder die peinliche Begegnung mit Mac Brody durch.

Als sie zwanzig Minuten später an der Ladbroke Grove Station ausstieg und bis zum Ende der Portobello Road ging, gestand sie sich endlich die Wahrheit ein. Mac Brody mochte ja ein arroganter Frauenheld sein, gegen den Casanova wie ein Waisenknabe wirkte, aber er war nicht der Einzige, den in dieser Sache Schuld traf. Sie selbst hatte einen mindestens ebenso großen Anteil an dem Debakel dieses Morgens.

Rasch eilte sie an Daisys Boutique Funky Fashionista vorbei und warf nur einen ganz kurzen Blick in das Schaufenster, das sie am Vortag mehrere Stunden lang sorgfältig dekoriert hatte. Auf ihre Arbeit war sie durchaus stolz, dennoch wurde sie in diesem Augenblick von einem furchtbar schlechten Gewissen überfallen.

Wie hatte sie bloß so leichtsinnig und unverantwortlich handeln können? Warum musste sie eine derartige Katastrophe anrichten?

Sie rieb sich die Wange an der Stelle, an der Brodys Bart sie gekratzt hatte. Wenn sie ganz ehrlich war, dann musste sie zugeben, dass ein Blick von ihm gereicht hatte – bei der ersten Berührung seiner Lippen waren ihre guten Absichten vergessen gewesen. Von diesem Zeitpunkt an hatte allein die Ekstase regiert.

Aber wie hatte sie sich ausgerechnet ihn aussuchen können? Einen Mann mit der moralischen Integrität einer Ratte?

Frustriert schob sie die Hände in die Hosentaschen und bog in die Straße Colville Gardens ein.

Vergiss den dummen Kuss.

Es war nicht wichtig. Es durfte nicht wichtig sein. Mac Brodys gefährlicher Sex-Appeal und sein verteufelt gutes Aussehen mussten jeder Frau, die sich ihm auf zweihundert Meter näherte, den Kopf verdrehen – und sie war ihm noch deutlich näher gekommen. Das war alles.

Jane seufzte schwer, als Mrs. Valdermeyers Häuschen in Sicht kam. Das schlichte Gebäude wirkte direkt neben Daisys und Connors eleganter viktorianischer Villa wie eine armselige Hütte.

Im Moment wollte sie sich einfach nur in ihrem Zimmer, das sie bei Mrs. Valdermeyer zur Untermiete bewohnte, verkriechen und den Rest des Tages mit der Buchhaltung der Boutique verbringen. Vielleicht half ihr das ja, um sich einzureden, dass dieser Morgen so gar nicht stattgefunden hatte.

Sie nahm die erste Stufe. Dann blieb sie stehen.

„Verdammt“, fluchte sie. Es durchschnitt den friedlichen Sommernachmittag wie ein Messer.

Es ging nicht. Vor sechs Jahren hatte sie sich geschworen, immer für das geradezustehen, war sie getan hatte. An diesem Morgen hatte sie eine Sache so richtig vermasselt und dabei zwei Menschen im Stich gelassen, die sie liebte.

Auch wenn sie vielleicht auf mildernde Umstände plädieren konnte, sie war es Daisy schuldig, ihr alles zu beichten und sich zu entschuldigen.

„Ich bin so froh, dass du vorbeikommst.“ Daisy strahlte sie über die Schulter hinweg an, während sie sie durch die pompöse Eingangshalle ihres Heims führte. „Der Stoff für mein Brautkleid ist endlich eingetroffen. Er ist absolut wundervoll – du musst ihn dir anschauen!“

„Toll“, entgegnete Jane und bemühte sich, zumindest ein bisschen Begeisterung vorzutäuschen, während sie die helle, freundliche Küche der Villa betraten. „Wo ist Ronan?“, wechselte sie das Thema und hoffte, auf diese Weise das Unvermeidliche zumindest noch ein wenig hinauszögern zu können.

„Er hält sein Mittagsschläfchen. Der kleine Rabauke.“ Daisy füllte am Spülbecken den Wasserkessel. „Übrigens müssen wir uns jetzt endlich über dein Brautjungfernkleid unterhalten.“ Sie gab zwei Teebeutel in die bereitstehenden Becher. „Ich werde dich keinesfalls in Jeans und T-Shirt hinter mir den Gang zum Altar hinabschreiten lassen …“

Als ihr Blick auf Janes Gesicht fiel, verstummte sie abrupt. „Was ist mit deinem Gesicht passiert? Hast du eine Sonnenallergie?“

Jane presste die Hände auf die Wangen. „Ähm … vielleicht.“ Himmel, konnte dieser Tag noch schlimmer werden?

„Warte, ich gehe eine Salbe holen“, sagte Daisy.

Jane hob eine Hand. „Mach dir keine Umstände. Wirklich, es tut überhaupt nicht weh.“ Sie holte einmal tief Luft, fest entschlossen, ihr Geständnis abzulegen, ehe ihrer Freundin noch weitere Details auffielen. „Ich habe etwas Leichtsinniges und völlig Unverantwortliches getan, und ich …“

„Leichtsinnig und unverantwortlich?“, unterbrach Daisy sie. „Du? Das glaube ich nicht“, schnaubte sie. „Du bist die vorsichtigste Person, die ich kenne.“

Bis vor ein paar Stunden hat das ja auch noch gestimmt.

„Ich habe heute Morgen Cormac Brody am Flughafen Heathrow getroffen und versucht, ihm die Hochzeitseinladung zu geben“, platzte sie heraus, ehe sie völlig den Mut verlor.

Daisy blinzelte. „Du hast Mac getroffen? Connors Bruder? Aber …“ Ihre Stimme versagte. Ganz offensichtlich fehlten ihr die Worte.

„Ich hatte diese dumme Idee, dass ich ihn dazu überreden könnte, zu kommen“, erklärte Jane und rang dabei die Hände. „Ich weiß doch, wie sehr du wünschst, dass er bei eurer …“

„Warte, warte“, unterbrach Daisy sie von Neuem. „Noch einmal von vorn, bitte.“

„Wie bitte?“

„Willst du mir ernsthaft sagen, dass du den ganzen weiten Weg nach Heathrow zurückgelegt hast, um den attraktiven, charmanten und unglaublich erotischen Mac Brody, den Filmstar, zu treffen? Aus freien Stücken?“

War das etwa ein Lächeln auf Daisys Lippen?

„Na und?“

Daisy kicherte. „Das ist fantastisch!“ Ihre Freundin umrundete die Frühstücksbar und ließ sich auf den Stuhl neben Jane fallen. „Jetzt erzähle mir alles darüber. Kein Detail ist zu unbedeutend.“

„Was ist denn in dich gefahren?“ Jane witterte eine Falle, aber sie wusste nicht, wo.

„Oh, komm schon. Ist er in Fleisch und Blut genauso höllisch sexy wie in seinen Filmen?“

Jane wurde rot. „Das kannst du mich nicht fragen. Du bist quasi eine verheiratete Frau.“ War denn gar keine Frau gegen Mac Brodys Charme gefeit?

„Ich mag quasi eine verheiratete Frau sein“, versetzte Daisy, die kein bisschen reumütig klang, „aber ich bin nicht blind, oder? Außerdem muss er mir gefallen – in rein ästhetischer Hinsicht – denn schließlich sehen Connor und er sich zum Verwechseln ähnlich.“

Sobald Daisy die Worte ausgesprochen hatte, fiel auch Jane die Ähnlichkeit auf. Mac Brodys Züge waren vielleicht ein bisschen feiner als die von Connor, und seine Augenfarbe war noch ein wenig intensiver, das Blau noch strahlender, doch ansonsten teilten die beiden Männer dieselbe keltische Schönheit. Warum bemerkte sie das erst jetzt, wo Daisy sie darauf aufmerksam gemacht hatte?

Vielleicht lag es daran, dass Connors Aussehen niemals ihren Puls zum Rasen gebracht hatte, so wie es sein Bruder tat.

Rasch zwang sie sich dazu, diese Überlegungen beiseitezuschieben. Sie konnte es sich jetzt nicht leisten, zu hyperventilieren.

„Es spielt keine Rolle, wie er aussieht“, erklärte sie so nüchtern wie möglich. „Der Punkt ist, dass er sich geweigert hat, zu eurer Hochzeit zu kommen – er meinte sogar, dass er keinen Bruder habe.“ Jane machte eine kurze Pause. „Und da sind irgendwie alle Sicherungen bei mir durchgebrannt, und ich habe eine riesige Dummheit gemacht. Ich wollte mich bei dir und Connor entschuldigen. Denn jetzt besteht überhaupt keine Chance mehr, dass er kommt.“

„Wofür willst du dich entschuldigen? Wir wussten doch bereits, dass er nicht kommen würde“, entgegnete Daisy so sachlich, dass Jane sich fragte, ob ihre Freundin Valium geschluckt hatte. „Wir haben diesen Brief von seinem Agenten erhalten, erinnerst du dich?“

„Ich weiß, ich war dabei. Du warst unheimlich enttäuscht und hast geweint.“

Daisy winkte ihren Einwand beiseite. „Am Anfang vielleicht. Aber nachdem ich in Ruhe darüber nachgedacht hatte, war mir klar, dass ich viel zu optimistisch an die ganze Sache herangegangen bin. Connor hat sich genauso starrsinnig und dumm verhalten, als ich ihm zuerst begegnete. Nach den schrecklichen Dingen, die die beiden als Kind erlebt haben, ist es kein Wunder, dass Mac so reagiert.“ Daisy seufzte schwer. „Es wundert mich wirklich nicht, dass er behauptet, keinen Bruder zu haben.“

Welche schrecklichen Dinge?

Die Frage brannte Jane auf der Zunge, doch sie beherrschte sich. Mac Brody hatte in einem Punkt recht gehabt: Das alles ging sie nichts an, und sie hatte schon genug angerichtet.

„Ich bin sicher, dass Mac genauso sehr eine Familie braucht, wie Connor es getan hat“, fuhr Daisy fort. „Aber wahrscheinlich wird es noch eine Weile dauern, bis er das erkennt.“

Jane fragte sich spontan, ob der Mann, der sie mit solchem Selbstbewusstsein geküsst hatte, jemals in seinem Leben einen anderen Menschen gebraucht hatte. Doch auch diese Überlegung äußerte sie nicht laut.

„Aber genug davon.“ Daisy tätschelte Janes Knie, während die Aufregung in ihre Stimme zurückkehrte. „Was hältst du von ihm?“

„Was ich von ihm halte? Das ist doch völlig egal!“ Es mochte ja sein, dass Mac Brody doch nicht so ein Mistkerl war, wie sie geglaubt hatte. Vielleicht besaß er seine Gründe für die Art und Weise wie er Connor behandelte. Aber welche Rolle spielte es, was sie über ihn dachte, wo sie ihn doch ohnehin nie wiedersehen würde?

„Jane.“ Daisy warf ihr einen ungläubigen Blick zu. „Das Blush Magazine hat Cormac Brody zum Sexiest Man des Monats gekürt. Wir sind uns bereits einig, dass er absolut umwerfend ist. Und wenn man den Klatschkolumnen glauben darf, ist er zurzeit Single.“ Sie seufzte schwer. „Auf diesen Mann müsstest selbst du reagieren!“

Allmählich erkannte Jane die Falle, die Daisy ihr gestellt hatte. Sie errötete.

„Irgendetwas ist geschehen!“, rief Daisy nun triumphierend aus. „Du wirst rot, und das tust du sonst nie.“

„Nichts ist geschehen“, widersprach Jane, deren Wangen tatsächlich brannten.

Daisy schnappte hörbar nach Luft. „Du hast ihn geküsst!“, erklärte sie mit beängstigender Gewissheit.

Jane starrte sie mit offenem Mund an. Was war sie? Eine Gedankenleserin?

„Das ist keine Sonnenallergie auf deiner Wange, da hat dich Macs Bart gekratzt“, verkündete Daisy völlig euphorisch. „Ich muss es wissen, denn so habe ich auch jedes Mal ausgesehen, wenn Connor mich geküsst hat. Außerdem hast du Mac nach einem Transatlantikflug abgefangen, das heißt, er hatte keine Zeit zum Rasieren.“

Nicht nur eine Gedankenleserin, sondern ein verdammter Sherlock Holmes!

„Es war ein Fehler“, versetzte Jane rasch, die nach einem verzweifelten Befreiungsschlag Ausschau hielt. „Er musste sich vor einem Reporter verstecken und dann …“ Dann was? Dann hatte er sie halb besinnungslos geküsst, sodass sie nicht mehr klar denken konnte? „Es hatte keinerlei Bedeutung.“

„Unsinn“, entgegnete Daisy. „Er ist der erste Mann, den du seit Tony geküsst hast. Das heißt, dass es eine megagroße Bedeutung hat.“

Jane zuckte zusammen, als sie den Namen ihres Exfreundes hörte. „Das hat absolut nichts mit Tony zu tun. Ich bin schon seit Jahren über ihn hinweg.“

„Das weiß ich.“ Daisy ergriff Janes Hand und drückte sie sanft. „Aber was ist danach geschehen, Jane? Und was ist mit den vergangenen sechs Jahren, in denen du für das, was damals passiert ist, gebüßt hast?“

„Ich weiß nicht, was du meinst.“ Jane versuchte, ihre Hand wegzuziehen, doch Daisy ließ es nicht zu.

„Und ob du weißt, was ich meine“, widersprach sie seufzend. „Wann hast du das letzte Mal ein Kleid getragen?“

„Ich mag keine Kleider. Sie stehen mir nicht.“

„Und wann hast du dich das letzte Mal geschminkt? Bist abends in der Stadt ausgegangen? Hast mit einem attraktiven Mann geflirtet?“ Daisy hielt inne, ihr Griff verstärkte sich. „Warum schämst du dich dafür, Mac Brody geküsst zu haben? Der Mann ist der Traum jeder Frau. Es ist doch ganz natürlich, dass du ihn küssen willst.“

Abrupt verstummte Daisy und legte den Kopf leicht schief. Einen Sekundenbruchteil später hörte Jane Ronans kräftiges Schreien über das Babyfon hinweg.

„Ich gebe ihm besser schnell etwas zu trinken“, sagte Daisy und deutete dabei mit dem Finger auf Jane. „Aber du bleibst schön hier. Sobald ich Ronan gestillt habe, unterhalten wir uns über dein Brautjungfernkleid.“ Sie grinste ihre Freundin an. „Und falls ich Mac Brody irgendwann kennenlernen sollte, werde ich ihm meine ewige Dankbarkeit aussprechen, weil er dich im wahrsten Sinne des Wortes wachgeküsst hat.“

Jane atmete hörbar aus, als Daisy aus der Küche eilte, um sich um ihren Sohn zu kümmern.

Als ob Mac Brodys Kuss ihr nicht schon genug Anlass zur Panik gegeben hätte! Daisys offene Worte gaben ihr quasi den Rest. Erschöpft verschränkte Jane die Arme auf der Frühstücksbar, legte den Kopf auf den Händen ab und kniff die Augen zusammen, während sie Ronans Weinen zuhörte und sich krampfhaft bemühte, all die widersprüchlichen Gefühle auszublenden, die ihr durch den Kopf gingen.

Was, wenn Daisy recht hatte? Ja, sie hatte die Ereignisse vor sechs Jahren überlebt, aber konnte sie sich wirklich rühmen, darüber hinweg zu sein, wenn sie sich seitdem nur noch versteckte?

Es war doch kein Wunder, dass Mac Brodys Kuss sie derart schockiert hatte. Sechs Jahre lang hatte sie so getan, als besäße sie keinerlei Sexleben, und nun demonstrierte er ihr innerhalb von einer Sekunde, was sie all die Jahre verpasst hatte. Gleichzeitig zwang er sie, sich einzugestehen, was aus ihrem Leben geworden war. Es war nicht nur reguliert und bis ins Kleinste geordnet, nein es war einfach erschreckend langweilig und öde.

Sie starrte aus dem Fenster auf die Trauerweide im Garten und bemerkte die Reste des Frühstücks, das Daisy und Connor an diesem Morgen auf dem Terrassentisch geteilt hatten. Urplötzlich verspürte sie einen scharfen Stich des Neids.

Im vergangenen Jahr war sie Zeugin geworden, wie Daisy ihr großes Glück fand, aber hatte sich niemals eingestanden, dass sie sich dasselbe wünschte.

Vielleicht war es an der Zeit, den nächsten Schritt zu tun und endlich zuzugeben, dass Überleben allein nicht genug war.

Jane spürte, wie sie bei dem Gedanken daran von einer Aufregung erfasst wurde, die sie längst verloren geglaubt hatte.

Sie musste es ja nicht übertreiben – sie konnte immer noch praktisch und vernünftig bleiben.

Aber warum sollte sie Daisy nicht erlauben, ihr ein Brautjungfernkleid zu schneidern? Bislang hatte sie sich dagegen gewehrt, denn sie fürchtete sich vor dem, was dabei herauskommen würde. In Anbetracht von Daisys extravagantem Modegeschmack und ihrem Eifer, Jane wieder „auf den Markt“ zu bringen, schien eine gewisse Vorsicht vollkommen gerechtfertigt gewesen zu sein.

Doch jetzt hatte sie nicht mehr dieses Gefühl. Sie musste endlich aufhören, feige zu sein, und anfangen, ihr Leben wieder aus dem eingefahrenen Trott zu bringen, an den sie sich in den vergangenen Jahren so gewöhnt hatte. Schließlich reichte es, Daisy unmissverständlich klarzumachen, dass das Kleid nicht allzu gewagt sein durfte.

So schwer konnte das doch wohl nicht sein, oder?

3. KAPITEL

„Daisy, ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Jane starrte ihr Spiegelbild an. Bronzefarbener Satin schmiegte sich schimmernd um Kurven, von denen sie bis vor fünf Sekunden nicht gewusst hatte, dass sie sie besaß. „Ich könnte genauso gut splitterfasernackt sein. So kann ich keinesfalls in die Kirche gehen. Der Pfarrer bekommt einen Herzinfarkt!“

Daisy lachte. „Der Pfarrer bekommt keinen Herzinfarkt.“ Sie legte den Kopf schief, ganz so, als müsse sie noch einmal darüber nachdenken, dann bückte sie sich und richtete den Saum des Kleids. „Aber es könnte sein, dass er einen Annäherungsversuch startet. Immerhin ist er Franzose.“

Der Schock ließ ganz allmählich ein wenig nach, doch Jane konnte immer noch nicht darüber lachen.

„Ich habe tatsächlich ein richtiges Dekolleté“, murmelte sie ungläubig und blickte auf die sanfte Rundung ihrer Brüste, die sich deutlich unter dem gewagt tiefen Ausschnitt des Kleides abzeichnete.

„Ich habe dir doch gesagt, dass dieser Push-up BH seine Vorteile hat“, entgegnete Daisy. Sie richtete sich wieder auf und seufzte zufrieden. „Meine Arbeit ist getan. Du siehst sensationell aus.“ Sie lächelte. „Die große Frage ist nur – wie fühlst du dich? Gefällt es dir?“

Jane drehte sich auf den Zehenspitzen und warf einen raschen Blick über die Schulter auf den ebenso gewagten Rückenausschnitt des Kleids. Sie holte tief Luft und stieß sie sehr langsam wieder aus.

Noch nie hatte sie etwas derart Schönes getragen – oder etwas derart Freizügiges. Dieses Kleid war nicht nur gewagt, es war geradezu schockierend.

Sehr aufmerksam betrachtete sie noch einmal ihr Spiegelbild. Daisys Stylistin hatte ihre wilden blonden Locken zu einem eleganten Bob gebändigt und ihren ziemlich gewöhnlichen Zügen mit Wimperntusche, Lidschatten und Lipgloss einen exotischen Touch verliehen. Das bronzefarbene Kleid betonte ihre schlanke Figur.

Zum ersten Mal im Leben fühlte Jane sich richtig sexy. Die Frage war nur, ob sie auch den Mumm besaß, diese Sache durchzuziehen?

„Ich komme mir wie eine völlig andere Person vor“, gestand sie wahrheitsgemäß.

„Anders gut? Oder anders schlecht?“

Die Emotionen schnürten ihr die Kehle zu, als sie dem Blick ihrer Freundin im Spiegel begegnete. „Sagen wir mal verängstigt, aber aufgeregt.“

Daisy grinste. „Aufgeregt ist gut.“ Sie berührte Janes Arm. „Und verängstigt war zu erwarten. Du wirst sie alle umhauen.“ Sie holte ein Taschentuch aus ihrem Morgenmantel und drückte es Jane in die Hand. „Aber denk dran, dass es nicht erlaubt ist, die Braut zu überstrahlen, und du darfst nicht weinen, denn sonst läuft dir die Wimperntusche herunter, und du siehst aus wie ein Waschbär.“

Jane konnte nun doch ein kleines Kichern nicht unterdrücken. „Das ist gut zu wissen.“

Hatte sie sich jemals zuvor so jung und frei gefühlt?

Jane umklammerte den Brautstrauß und versuchte die Tränen der Rührung zurückzudrängen, während sie krampfhaft versuchte, sich auf die Stimme des Pfarrers zu konzentrieren, der mit starkem französischem Akzent sprach. Der schwache Duft von Orchideen und Lilien lag in der Luft, als Daisy Connors Hand hielt und sein Ehegelübde mit klarer, fester Stimme ablegte.

Nervös fuhr Jane sich über den bronzefarbenen Satin ihres Kleides und fühlte ein Lächeln aufsteigen, ja sie ließ sich von der beschwingt feierlichen Atmosphäre anstecken. Vor sechs Jahren hatte sie aufgehört, an Happy Ends zu glauben, doch hier in dieser wunderschönen südfranzösischen Kapelle in Anbetracht der Liebe, die Daisy und Connor sich schworen, schien mit einem Mal alles möglich zu sein.

Jane runzelte die Stirn, als die melodiöse Stimme des Pfarrers von unterdrücktem Gemurmel und leisem Getuschel unterbrochen wurde. Sie spürte, wie sich ihre Nackenhärchen aufstellten und sie aus irgendeinem Grund das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Kurz riskierte sie einen Blick über die Schulter. Die meisten Gäste verrenkten sich den Hals, um irgendetwas im Eingangsbereich der kleinen Dorfkirche zu betrachten.

Sie hörte, wie Daisy neben ihr scharf den Atem einzog, während sich Janes Blick auf eine schattenhafte Gestalt an der Tür richtete. Im nächsten Moment wich das gesamte Blut aus ihrem Gesicht und strömte südwärts.

Er? Das konnte nicht sein!

Sie blinzelte heftig, denn sie war sicher, dass sie halluzinierte. Doch sie täuschte sich nicht. Der Mann, der in den vergangenen zwei Wochen die Hauptrolle in ihren nächtlichen Träumen gespielt hatte, starrte sie direkt an. Er neigte den Kopf leicht zum Gruß und ließ dann anerkennend seinen Blick über ihre Figur wandern.

„Connor, da ist Mac. Er ist gekommen.“ Jane hörte die Freude in Daisys gedämpfter Stimme, während sie selbst einen Schwarm Schmetterlinge im Bauch verspürte.

„Mein Gott.“ Connor klang genauso geschockt, wie Jane sich fühlte.

Der Pfarrer räusperte sich vernehmlich.

„Excusez-moi, monsieur“, wandte sich Daisy in fehlerhaftem Französisch an ihn. „Une momento s’il vous plaît, un personne tres important est arrive. Une momento.“

Sie griff nach Connors Hand. „Wir müssen ihn begrüßen.“

Jane stand da wie angewurzelt und beobachtete benommen, wie Daisy ihr Brautkleid raffte und mit Connor im Schlepptau den Gang hinuntereilte.

Daisy strahlte und küsste ihren zukünftigen Schwager auf beide Wangen. Jane sah, wie er erstarrte und dann nur ganz kurz seine Hand auf ihren Rücken legte. Als sie ihn endlich losließ, schüttelten sich die Brüder die Hände. Jane konnte zwar nicht hören, was die beiden redeten, aber sie wunderte sich über Macs angespannte Körperhaltung.

Als Daisy nach Macs Hand griff und ihn hinter sich her zum Altar zog, wurde Jane ganz heiß.

„Das haben wir nur dir zu verdanken“, flüsterte Daisy ein paar Sekunden später ihrer Brautjungfer ins Ohr. „Jane, ich glaube, du bist Connors Bruder Mac bereits begegnet.“

Sein Haar war kürzer, und er trug einen maßgeschneiderten grauen Anzug, worin er eigentlich weniger gefährlich hätte aussehen müssen. Er tat es nicht.

Trotzig reckte Jane das Kinn vor. „Hallo, Mr. Brody“, grüßte sie kühl, während sich die aufgeschreckten Schmetterlinge in ihrem Bauch gar nicht mehr beruhigen wollten.

„Jane ist der Name?“ Sein Blick glitt nach unten, wobei sich ihre Brustspitzen schmerzhaft aufrichteten. „Ein sehr hübscher Name“, murmelte er. „Er passt zu Ihnen.“

Der Pfarrer hustete jetzt laut, worauf Jane zusammenzuckte. Sie konnte gar nicht fassen, wie sie vergessen konnte, dass Daisys und Connors Trauung ja noch gar nicht beendet war!

Schnell richtete sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Brautpaar, das wieder seine vorherige Position einnahm. Sie bemühte sich, Macs beunruhigende Gegenwart an ihrer Seite zu ignorieren.

Doch es gelang ihr nicht wirklich. War das nicht der Mann, der sich noch vor zwei Wochen rundheraus geweigert hatte, zu der Hochzeit zu kommen? Was machte er hier?

Die Trauung dauerte nur noch wenige Minuten, doch es kam Jane wie eine halbe Ewigkeit vor. Nachdem der Pfarrer Daisy und Connor zu Mann und Frau erklärt hatte, riss Connor seine Frau in die Arme und küsste sie heiß und innig. Diese offene Liebeserklärung ließ Jane den Mann an ihrer Seite nur umso deutlicher wahrnehmen.

„Das sieht aus, als würde es Spaß machen.“ Das provokative Wispern über ihre Schulter hinweg durchbrach den spontanen Applaus der Gäste. „Was halten Sie davon, wenn wir das auch noch mal ausprobieren?“

Jane versteifte sich, als sein warmer Atem über ihren Nacken strich. Wie typisch. Während Daisy den Mann ihrer Träume gefunden hatte, wurde sie vom Teufel in Menschengestalt in Versuchung geführt.

Ihr Kopf schnellte herum. „Danke, nein“, entgegnete sie und bemühte sich, ihre Fassung zu wahren. „Einmal war mehr als genug für mich“, fügte sie spitz hinzu. Doch dabei senkte sich ihr Blick wie von selbst auf seinen Mund – und in diesem Augenblick meinte sie, jene sinnlichen Lippen wieder auf ihren zu spüren, auch wenn sie ein paar Schritte voneinander entfernt standen.

„Einmal ist nie genug, Jane“, raunte er, wobei er ihren Namen wie eine Liebkosung aussprach. Hektisch riss sie ihren Blick von seinem Mund los und schaute ihm wieder in die strahlend blauen Augen, in denen – sie könnte schwören – das Versprechen der ewigen Verdammnis lag. „Ganz besonders für uns beide.“

Darauf drehte sie ihm den Rücken zu, denn sonst wäre sie in Versuchung gewesen, ihm den Brautstrauß auf den Kopf zu schlagen. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, dann hätte sie vermutet, er wäre nur zu Daisys und Connors Hochzeit gekommen, um sie zu ärgern.

Als Connor endlich seine Frau losließ, streckte Daisy die Arme aus und zog Jane an sich. „Ich könnte vor Glück platzen“, wisperte sie ihr ins Ohr.

Jane erwiderte ihre Umarmung. Plötzlich standen Tränen in ihren Augen. „Du hast den besten Mann der Welt bekommen“, flüsterte sie zurück. „Beinahe hätte er dich sogar verdient.“

Connor lachte und zog Jane aus Daisys Armen in seine. „Du solltest mir nicht so schmeicheln“, murmelte er. „Ich könnte sonst noch auf die Idee kommen, dass du mich magst.“

„Na, jetzt wollen wir doch mal nicht übertreiben“, neckte sie ihn und genoss die entspannte Freundschaft, die sich im vergangenen Jahr zwischen ihnen entwickelt hatte.

Connor schmunzelte, als er sie losließ. „Als ob ich mich das trauen würde.“

Er streckte den Arm über ihre Schulter hinweg aus. Jane drehte sich um und sah, dass er nach Macs Hand gegriffen hatte. „Es ist unheimlich schön, dass du hier bist, Mac. Es ist zu lange her.“ Connors Stimme brach beinahe. „Viel zu lange.“

Mac löste den Handschlag als Erster. „Ja“, entgegnete er tonlos.

„Du kommst doch mit zum Empfang?“, fragte Connor und klang dabei sehr unsicher. „Daisy und ich möchten, dass du Ronan kennenlernst, unseren Sohn. Immerhin bist du sein Onkel.“

Macs Kiefer verkrampfte sich, sein Gesichtsausdruck wirkte beinahe wachsam. „Sicher, das würde ich um nichts in der Welt verpassen wollen“, erklärte er nach einer langen Pause, doch seine Antwort klang bestenfalls teilnahmslos.

Jane verspürte plötzlich ein ungutes Gefühl im Magen, was sich nicht besonders gut mit den Schmetterlingen vertrug, die darin ohnehin schon tanzten. Diesen kalten, abweisenden Ton kannte sie – genauso hatte er geklungen, als er ihr gesagt hatte, er hätte keinen Bruder.

Daisy trat auf Mac zu und umfasste seine Hand mit beiden Händen. „Du weißt gar nicht, wie viel uns das bedeutet, Mac“, sagte sie glücklich. „Es ist das allerschönste Geschenk für uns, dass du hier bist.“ Sie lächelte. „Connor und ich müssen noch die anderen Gäste begrüßen, deshalb lasse ich dich in Janes fähigen Händen. Sie kann dich reihum vorstellen und dir zeigen, wie du zum Schloss kommst.“

Nein, das kann sie nicht.

Jane warf Daisy einen entsetzten Blick zu. Während sie noch krampfhaft nach einer akzeptablen Ausrede suchte, nahm ihr Daisy den Brautstrauß ab und flüsterte ihr ins Ohr: „Stell dich nicht so an. Ich bin sicher, er beißt nicht.“ Nur mit Mühe unterdrückte sie ein Kichern. „Oder zumindest noch nicht jetzt sofort.“

Damit verschwanden Daisy und Connor, die rasch von der Menge der sie beglückwünschenden Hochzeitsgäste umringt wurden, und traten in den frühen Abendsonnenschein als Mann und Frau hinaus.

Jane schlang sich fröstelnd die Arme um die Taille. Sie liebte das Kleid, das Daisy für sie entworfen hatte, doch plötzlich fühlte sie sich vollkommen nackt darin. „Bis zum Château ist es nur eine zehnminütige Fahrt“, murmelte sie, ohne Mac dabei in die Augen zu schauen. „Ich kann Sie den wichtigsten Gästen vorstellen und Ihnen dann sagen, wie Sie fahren müssen.“

Bevor sie ihn in Richtung der Hochzeitsgesellschaft dirigieren konnte, hielt er sie am Arm zurück. „Die Vorstellungsrunde schenken wir uns einfach.“ Mit dem Daumen liebkoste er die Innenseite ihres Ellbogens, worauf sich ihr Puls sofort beschleunigte. „Sagen Sie mir am besten, wo das Schloss ist.“ Er hob eine Augenbraue und lächelte sie spöttisch an. „Sie würden doch nicht wollen, dass ich mich verirre, oder?“

Lachend hakte er ihren Arm bei sich unter und führte sie durch den Gang, wobei ihr der dezente Duft seines Aftershaves in die Nase stieg.

Eigentlich hätte sie sich wehren sollen, doch sie wollte ihm nicht zeigen, wie sehr seine Nähe ihr zu Kopf stieg. Deshalb konzentrierte sie sich darauf, zu atmen und darauf zu achten, dass sie mit ihren sündhaft hohen Schuhen nicht stolperte.

„Ich habe den ganzen Tag nichts gegessen und bin völlig ausgehungert“, bemerkte er lässig. Zu lässig.

Unwillkürlich begann sie zu zittern. Warum hatte sie das untrügliche Gefühl, dass Daisys und Connors üppiges Büffet nicht das Einzige war, worauf er Appetit hatte?

Das Licht der untergehenden Sonne verlieh dem Abend einen goldenen Glanz, als Macs schicker Sportwagen in die Auffahrt des Châteaus einbog und hinter einer ganzen Schlange von Fahrzeugen parkte. Zwischen den dichten Eichenbäumen erhaschte Jane einen Blick auf das barocke französische Schloss, das mitten auf einer Bergkuppe thronte.

Nicht zum ersten Mal an diesem Tag dachte Jane an Schlösser und Prinzen und an längst vergangene Zeiten. Daisy und Connor hatten aus ihrer Hochzeit ein wahrhaft magisches Ereignis gemacht. Mühsam unterdrückte sie ein sehnsuchtsvolles Seufzen. Genug Träumereien. Unter den derzeitigen Umständen war das nicht angebracht.

Verstohlen blickte sie auf den Mann neben sich. In den zwanzig Minuten, die sie von der Kirche hierher gebraucht hatten, war Mac Brody merkwürdig still gewesen. Keine Neckereien, keine Provokationen, wie sie eigentlich erwartet hatte.

Seine Hände krampften sich jetzt so fest um das Lenkrad, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ganz so als wappne er sich für das, was vor ihm lag.

Warum hatte er beschlossen, hierherzukommen, wenn es eine solche Qual für ihn war?

Mac zog die Handbremse an. „Von hier aus müssen wir zu Fuß gehen.“ Um seine Mundwinkel zuckte es, als er auf ihre Füße blickte. „Glauben Sie, dass Sie den Kies bewältigen werden in diesen Schuhen?“

Vermutlich war er an Frauen gewöhnt, die einen Marathon in High Heels laufen konnten, doch seine Bemerkung klang eher amüsiert als abfällig, weshalb Jane sein Lächeln erwiderte. „Zweihundert Meter dürfte ich darin schon schaffen. Falls nicht, ziehe ich sie einfach aus. Obwohl Sie mir dann versprechen müssen, Daisy nichts davon zu verraten.“

„Warum das?“, fragte er, und seine tiefe irische Stimme strich sanft über ihre nackte Haut.

„Daisy hat mein Brautjungfernkleid entworfen. Offensichtlich ist diese Kreation ohne High Heels nicht perfekt. Wenn ich sie ausziehe, wird sie mir vorwerfen, ich würde die Wirkung ruinieren.“ Entsetzt verstummte sie. Warum hatte sie die Aufmerksamkeit auf das Kleid gelenkt? Es war ja beinahe so, als warte sie auf ein Kompliment, was ganz sicher nicht der Fall war!

Sein Blick wanderte genüsslich über ihre Figur. „Daisy ist verdammt talentiert“, murmelte er, als er ihr wieder in die Augen schaute. „Sie sehen umwerfend aus.“

Ihre Wangen färbten sich glühend rot, und ihr Herz pochte plötzlich wie verrückt, während ihr das leise Kompliment eine Gänsehaut über den Körper schickte.

Na, wunderbar, Jane. Jetzt kommst du dir wieder splitterfasernackt vor.

4. KAPITEL

Wo in aller Welt steckte sie?

Mac suchte sicher schon zum fünftausendsten Mal den großen Ballsaal des Barockschlosses ab und trank dabei einen weiteren Schluck seines lauwarmen Orangensafts. Er blickte auf die Uhr. Vor über drei Stunden war sie direkt nach ihrer Ankunft mit der Entschuldigung verschwunden, ihre Schuhe wechseln zu wollen. Seitdem hatte er nichts mehr von ihr gesehen. Er hatte das ganze verdammte Schloss inklusive seiner zwei Ballsäle abgegrast. Mehrmals war er über die äußere Terrasse gewandert, die von zahlreichen Laternen beleuchtet wurde, und durch den Bankettsaal, in dem ein opulentes Büffet aufgebaut war, um schließlich auch noch ein gutes Dutzend kleinerer Salons auf der Suche nach ihr zu durchstreifen. Die Hochzeitsfeier war nun in vollem Gang, und die gut dreihundert Gäste schienen sich prächtig zu amüsieren. Alle außer ihm. Er hatte sich nicht mehr so angespannt gefühlt seit seiner allerersten Theaterinszenierung am Broadway.

Das Schloss war brechend voll. Himmel, wie konnte ein einziges Paar nur so viele Freunde und Bekannte haben? Zumal keiner von ihnen ein Problem damit zu haben schien, Mac anzusprechen und ihn nach seiner Beziehung zu Connor zu befragen. Das hieß, keiner außer der Frau, wegen der er extra hierhergekommen war.

Reiß dich zusammen, Mann.

Er lehnte sich gegen die Wand und zwang sich zur Ruhe. Während er die Tänzer beobachtete und vergeblich darauf wartete, ein Stück bronzefarbenen Satin aufblitzen zu sehen, überfiel ihn dennoch die Frage, die er sich schon den ganzen Abend lang stellte.

Was zum Teufel hatte ihn nur dazu getrieben, hierherzukommen?

Die Schuld an dieser vollkommen verrückten Entscheidung trug ganz allein die unauffindbare Miss Jane. Sie hatte ihn verzaubert und gegen seinen Willen in ihren Bann gezogen wie eine verdammte Sirene. Seit er sie in Heathrow geküsst hatte, war es ihm nicht gelungen, sie wieder aus seinen Gedanken zu vertreiben. Und als er an diesem Morgen nach einem neuerlichen erotischen Traum, mit ihr in der Hauptrolle, aufgewacht war, hatte er beschlossen, dass es höchste Zeit war, zu handeln.

Er war nicht besessen von Sex, und er ließ ganz sicher nicht zu, dass eine Frau, die er kaum kannte, in seine Träume eindrang. Deshalb hatte er eine letzte kalte Dusche genommen, die Hochzeitseinladung hervorgekramt und seinen First-Class-Flug nach L. A. am Abend in einen Flug nach Nizza am Vormittag umgebucht.

Als er dann in der Kirche aufgetaucht war, hatte sie kein bisschen erfreut gewirkt. Doch genau in dem Moment, als er glaubte, eine Nähe zu ihr entwickelt zu haben, als sie im Auto saßen und er das Verlangen in ihren unglaublichen blau-grünen Augen erkannte, genau in diesem Moment war sie einfach verschwunden.

Nachdem er nun einen Abend voll sinnlosen Small Talks mit Leuten verbracht hatte, die er nicht kannte, nachdem er stundenlang wie ein Narr herumgelaufen war und nach jemandem gesucht hatte, der sich in Luft aufgelöst zu haben schien, und nachdem er sorgsam darauf geachtet hatte, seinem Bruder und seiner neuen Frau aus dem Weg zu gehen, nach all diesen Anstrengungen war er nicht nur ernsthaft sauer auf sich selbst, sondern vor allem auf sie.

Er hätte schon vor Stunden gehen sollen. Doch er hatte sich nicht dazu bringen können. Er konnte Jane nicht den Rücken kehren. Nicht ein zweites Mal. Was auch immer sie vor zwei Wochen mit ihm angestellt hatte, er musste herausfinden, wohin es führte. Heute Nacht. Er hielt es keine Minute länger aus, dass sie ständig seine Gedanken beherrschte – zumal er jetzt auch noch von ihrem Anblick in diesem umwerfenden Kleid gequält wurde!

Frustriert stellte er sein Glas auf dem Tablett eines vorbeieilenden Kellners ab und suchte noch einmal den Saal mit Blicken ab. Eines war sicher – sobald er die kleine Miss Jane Wie-auch-immer-ihr-Name-war zu fassen bekam, würde sie ihm nicht mehr so leicht entwischen.

Sein Kopf schnellte herum, als er einen Schimmer Gold am anderen Ende des Ballsaals entdeckte. Er kniff die Augen zusammen und blickte in die Eingangshalle hinüber, wo sich sein Blick auf eine wilde Mähne blonder Locken richtete, die im Kerzenlicht schimmerten.

Hab ich dich.

Sofort bahnte sich Mac seinen Weg durch den Saal. Dass er gelegentlich mit Tänzern zusammenstieß, war ihm völlig egal, denn sein Blick war bei jedem Schritt ausschließlich auf seine Beute gerichtet.

„Jane, da bist du ja. Gott sei dank, hab ich dich gefunden.“ Daisy strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht, das von Champagner und Aufregung ein wenig gerötet war. „Connor kann mich jede Minute entführen“, kicherte sie. „Sobald wir Ronan ins Bett gebracht haben. Wo ist übrigens Mac? Connor macht sich schon Gedanken, dass er gegangen sein könnte, ohne sich zu verabschieden.“

„Warum sollte er das tun?“, entgegnete Jane und versuchte dabei, nicht schuldbewusst zu klingen.

Sie hatte ihn bereits vor einigen Stunden praktisch sich selbst überlassen, was sie nicht besonders stolz machte. Doch als er sie auf diese Weise angesehen hatte, als könnte er durch ihre Kleider hindurchblicken, da waren all die Unsicherheiten dieses vermaledeiten Kusses zurückgekehrt, und sie war in Panik geraten.

Sie hatte ihn nicht bewusst gemieden. Na ja, zumindest nicht direkt.

Der Plan war gewesen, sich ein Paar Schuhe anzuziehen, in denen sie auch laufen konnte, um dann wieder zu ihm zu gehen – immerhin hatte Daisy sie gebeten, sich um ihn zu kümmern. Doch als sie aus ihrem Zimmer zurückgekommen war, da war er von einer Gruppe besonders hartnäckiger Teenagerinnen belagert worden, und direkt danach unterhielt er sich mit Daisys wunderschöner Freundin Joannie, einer wahren Salonlöwin. Soweit Jane es beurteilen konnte, war er nicht einsam gewesen, weshalb sie auch kein schlechtes Gewissen zu haben brauchte.

„Mac wirkte wie vor den Kopf gestoßen, als er Connor in der Kirche gegenüberstand“, erklärte Daisy, die sich den Hals verrenkte, um in den Ballsaal zu blicken. „Der arme Kerl, ich glaube, er ist noch nicht bereit für all das hier.“ Sie schaute Jane an und grinste. „Außerdem war spätestens in dem Moment klar, als er einen Blick auf dich in diesem Kleid geworfen hat, dass er nicht nur gekommen ist, um unsere Hochzeit zu besuchen.“

„Wie meinst du das?“, fragte Jane, deren Stimme vor Aufregung zitterte. Mac Brody konnte doch nicht ernsthaft den langen weiten Weg auf sich genommen haben, nur um sie zu sehen? Daisy musste verrückt sein.

„Nun komm schon“, empörte sich ihre Freundin. „Tu doch nicht so unwissend. Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass du mir nicht die ganze Wahrheit über diesen Kuss erzählt hast. Wie heiß war der eigentlich?“

„Sei nicht albern“, entgegnete Jane, deren Herzschlag schon wieder völlig verrückt spielte. „Es war keine große Sache.“ Sie hätte Daisy niemals von diesem dummen Kuss erzählen dürfen. Ihre hoffnungslos romantische Freundin interpretierte schon wieder viel zu viel darin hinein – und jetzt fing sie selbst zu allem Überfluss auch noch an, dasselbe zu tun.

„Das kannst du deiner Großmutter erzählen“, versetzte Daisy wenig überzeugt. Sie seufzte theatralisch, hakte sich bei Jane unter und senkte ihre Stimme zu einem leisen Wispern. „Jane, Baby. Egal was du dir hinsichtlich dieses Kusses eingeredet haben magst, die Sache ist die: Der Mann ist hier, er ist unglaublich sexy und ganz eindeutig an dir interessiert. Also, warum versteckst du dich vor ihm?“

„Ich verstecke mich doch gar nicht!“, widersprach Jane heftig.

„Ja, klar“, höhnte Daisy. „Wenn das der Fall ist, dann frage ich mich, warum du dir kein Glas Champagner besorgst und dich an den Mann ranschmeißt, ehe es eine andere tut? Weißt du, Jane, wenn man vom Pferd fällt, sollte man sich gleich wieder in den Sattel schwingen“, riet sie. „Und eines garantiere ich dir: Wenn Mac nur annähernd so gut im Bett ist wie Connor, dann …“

Jane errötete bis zu den Haarwurzeln.

Oh je, das war wirklich mehr Offenheit, als sie vertragen konnte.

„Sprich leiser, Mrs. Brody.“ Connors tiefer irischer Akzent überraschte sie beide. „Es sind Kinder anwesend.“

Janes Röte vertiefte sich noch, als Connor seiner Frau einen Kuss auf die Schläfe hauchte. Ihr kleiner Sohn Ronan, der bereits im Schlafanzug steckte, lag wohlig in seinem Arm.

Daisy klimperte wild mit den Wimpern und wirkte kein bisschen verlegen. „Du meine Güte“, stöhnte sie, „wenn ich gewusst hätte, dass du ein solcher Spießer bist, hätte ich dich niemals geheiratet.“

Connor schlang seinen freien Arm um ihre Hüfte und zog sie an sich. „Tja, zu spät. Du hast bereits versprochen, mich zu lieben, mich zu ehren und mir zu gehorchen, mein Engel. Und dein Sohn und ich haben das schriftlich.“

Daisy lachte und sah dabei ganz wie eine überglückliche Braut aus. „Habe ich wirklich gesagt, ich würde dir gehorchen? Bestimmt nicht!“

Jane war die ganze Turtelei unangenehm, denn sie kam sich wie ein Störenfried vor. Was schon merkwürdig war. Connor und Daisy hielten sich nie zurück und flirteten die ganze Zeit in aller Öffentlichkeit. Monatelang hatte Jane das nicht gestört. Also warum machte ihr es jetzt etwas aus?

„Schnell, lass los, Connor.“ Daisy befreite sich aus der Umarmung ihres Mannes und glättete ihr Brautkleid. „Dreh dich nicht um“, wisperte sie Jane zu und schaute ihr dabei über die Schulter, „etwas Großes, Dunkles und Gefährliches kommt auf dich zu.“

Jane wusste ganz genau, wen Daisy damit meinte. Sie spürte bereits die Hitze seines Blickes, der sich in ihren Rücken brannte.

Ihr stockte der Atem, als sie sah, wie er sich unbeirrt seinen Weg durch die Menge bahnte – dieser ein Meter neunzig große Mann, der so muskulös und so unglaublich sexy war. Seine blauen Augen fixierten sie mit einer Intensität, die ihren Puls Purzelbäume schlagen ließ.

Als er erkannte, wer neben ihr stand, verlangsamte er den Schritt. Im ersten Moment glaubte Jane, einen Ausdruck des Erschreckens über sein Gesicht huschen zu sehen, aber als er schließlich bei ihnen ankam, war der Ausdruck verschwunden.

„Hallo.“ Er nickte grüßend, doch das Wort klang angespannt. Als sein Blick auf das kleine Baby in Connors Arm fiel, schien er regelrecht zu erstarren.

„Darf ich dir deinen Neffen vorstellen, Mac?“ Connor strich sanft über Ronans weiche Locken. Der Kleine war müde und hatte den Kopf gegen die Schulter seines Vaters gelegt. „Das ist unser Sohn, Ronan Cormac Brody.“

Mac starrte das Baby weiterhin an. „Ronan heißt er?“, murmelte er schließlich, wobei die Worte kaum über die Tanzmusik hinweg zu hören waren. Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Hübscher Bengel.“

Connor seufzte schwer. „Danke.“ Die Traurigkeit und Resignation in seiner Stimme brachen Jane das Herz. Hatte Mac überhaupt bemerkt, wie der Zweitname des Kleinen lautete? Und warum verhielt er sich so abweisend? Es war beinahe so, als hätte er sich in seine ureigene Welt zurückgezogen.

„Er ist furchtbar müde, weil er schon viel länger wach ist als normalerweise“, schaltete sich Daisy ein, die versuchte, die Spannung mit einem breiten Lächeln zu vertreiben. Sie warf Connor einen vielsagenden Blick zu. „Wir sollten ihn ins Bett bringen.“ Dann wandte sie sich wieder an Mac. „Wir sind so froh, dass du gekommen bist, Mac. Wir hätten heute Abend gern mehr Zeit mit dir verbracht, aber wir verstehen es natürlich, wenn das alles ein bisschen viel für dich auf einmal ist.“

Jane wartete darauf, dass Mac es leugnete. War er Connor und Daisy etwa den ganzen Abend lang bewusst aus dem Weg gegangen? Und wenn ja, warum? Doch er leugnete es nicht, genau genommen gab er überhaupt keine Erklärung ab.

Daisy ergriff seine Hand und drückte sie. „Unser Haus in London steht dir jederzeit offen. Wann immer du bereit dazu bist.“

„Danke“, erwiderte er endlich, wobei sein Blick ganz kurz Connor und das Baby streifte. „Es war eine Freude, euch beide zu treffen, und euren Sohn.“

Sein Ton erinnerte Jane an die höfliche, distanzierte Art, in der er mit den Gästen draußen vor der Kirche gesprochen hatte. Sie wusste mit absoluter Sicherheit, dass er nicht die Absicht hegte, Daisys Einladung anzunehmen.

Nachdem sich die beiden Brüder steif voneinander verabschiedet und Mac Daisys Umarmung erduldet hatte, blickte Jane dem davongehenden Paar hinterher.

Sie litt unsagbar mit ihren Freunden. Nur deshalb fasste sie den Mut, die Frage zu stellen, die ihr schon den ganzen Tag auf der Seele brannte.

„Warum haben Sie Ihre Meinung geändert? Wieso sind Sie gekommen?“ Er hatte Daisy und Connor mit seinem distanzierten Verhalten verletzt. War ihm das überhaupt klar? „Denn es ist absolut offensichtlich, dass Sie die Hochzeit Ihres Bruders gar nicht feiern wollen.“

Sein Kiefer verkrampfte sich, und er runzelte die Stirn. Jetzt wirkte sein Gesicht nicht mehr ausdruckslos. Im Gegenteil. Er schien zu kochen. „Finden Sie das?“, fauchte er voller Sarkasmus.

Jane wollte gerade kontern, was in aller Welt mit ihm los sei, doch ehe sie auch nur ein Wort äußern konnte, hatte er sie bereits am Handgelenk gepackt und zerrte sie in den Ballsaal. Er bahnte sich den Weg durch verschiedene Paare, die eng aneinandergeschmiegt tanzten, und schleifte sie hinter sich her, während sie immer noch zu schockiert war, um einen Ton herauszubringen.

„Was tun Sie da?“, stammelte sie schließlich und bemühte sich dabei, mit seinen langen Schritten mitzuhalten und nicht über den Saum ihres Kleides zu stolpern.

Entweder hatte er sie nicht gehört, oder es war ihm egal. Jedenfalls ging er kein bisschen langsamer. Plötzlich war sie nicht mehr geschockt, sondern furchtbar wütend. Die Leute starrten sie bereits an! Entschlossen griff sie nach seiner Hand und versuchte, seinen Griff zu lockern, doch er packte nur noch fester zu. Als sie das Ende des Ballsaals erreichten, drängte er sie durch eine Flügeltür, die auf einen abgeschiedenen Balkon führte. Warme Nachtluft traf auf ihre nackte Haut, als er die Tür hinter ihnen zufallen ließ. Der laute Knall hallte durch das Tal und übertönte die Tanzmusik.

Jane stieß mit dem Rücken gegen die Steinmauer. Ein Schauer jagte durch ihren Körper, denn plötzlich hatte sie das Gefühl, sich einem ungebändigten Tiger gegenüberzusehen.

„Sind … Sie komplett verrückt geworden?“, stotterte sie.

„Wie lange braucht man, um ein Paar Schuhe zu wechseln?“, zischte er mit gefährlich leiser Stimme. „Ich habe jetzt drei Stunden lang überall nach Ihnen gesucht!“

Jane sog hörbar Luft ein. Sein Vorwurf erstaunte sie so sehr, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Sie konnte sich unmöglich geschmeichelt fühlen. Das wäre der helle Wahnsinn. Nein, das flüchtige Gefühl musste etwas anderes gewesen sein.

„Sie sollten sich um mich kümmern, erinnern Sie sich? Was Sie nicht tun sollten, war, sich wie ein verängstigtes kleines Schulmädchen vor mir zu verstecken.“

Okay, das war nicht schmeichelhaft, sondern beleidigend.

„Ein was …?“, keuchte sie. Für wen hielt er sich eigentlich? Er hatte sie gerade vor aller Augen wie einen Sack Kartoffeln durch den Ballsaal geschleift! „Sie haben schon genug Aufmerksamkeit bekommen“, fauchte sie wütend zurück. „Da haben Sie mich nicht auch noch gebraucht.“

„Verdammt. Sie haben sich tatsächlich vor mir versteckt? Warum, zur Hölle?“ Jetzt klang er gleichermaßen fassungslos und zornig.

Sie reckte das Kinn vor und bemühte sich redlich, nicht zu erröten. „Ich habe mich nicht vor Ihnen versteckt, Sie eingebildeter Idiot.“ Doch das war eine Lüge, und er wusste es auch.

Mac packte ihren Arm und zog sie auf die Zehenspitzen. „Welches Spielchen treibst du da?“ In seiner Wut war er zum Du übergegangen. Er legte einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. „Zuerst küsst du mich so heiß, dass ich nicht mehr klar denken kann, dann rennst du weg. Und jetzt tust du dasselbe schon wieder.“ Er forschte in ihrem Gesicht nach einer Erklärung. Dabei sah er sie so eindringlich an, dass ihr ganz heiß wurde. „Hör auf, dich so rar zu machen. Es besteht kein Grund dazu“, murmelte er, wobei seine Lippen nur Millimeter von ihren entfernt waren. „Glaub mir, meine ungeteilte Aufmerksamkeit ist dir bereits sicher.“

Zitternd legte sie ihre Hände flach gegen seine Brust. Sofort schlang er einen Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Durch den dünnen Stoff ihres Kleides konnte sie jeden einzelnen Muskel seines Körpers fühlen.

„Ich will deine ungeteilte Aufmerksamkeit nicht“, erwiderte sie verzweifelt, doch ihre Worte waren nicht mehr als ein Hauch und klangen dementsprechend unglaubwürdig.

„Ach, tatsächlich?“, versetzte er und vergrub seine Finger in ihrem Haar. „Warum beweist du es mir dann nicht?“

Sie hörte ihren eigenen gebrochenen Seufzer, ehe sich sein Mund auf ihren senkte.

„Küss mich“, drängte er heiser.

Wie von selbst schlangen sich ihre Arme um seinen Nacken, und Jane verschwendete keinen weiteren Gedanken an Widerstand. Stattdessen gab sie sich der wilden, verrückten Ekstase hin. Ihre Zungen begegneten sich in einem überaus erotischen, amourösen Tanz.

Als Mac sich schließlich von ihren Lippen losriss, atmete er genauso abgehackt wie sie. „Keine Spielchen mehr“, murmelte er.

Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und blickte sie glühend an. In seinen Augen lag dunkles Verlangen. „Ich bin hierhergekommen, weil ich dich will. Mein Hotel liegt unten im Tal. Wenn wir uns beeilen, sind wir in zehn Minuten dort.“

Während sie sein Gesicht erforschte, in dem sich die Begierde deutlich abzeichnete, versuchte sie, eine vernünftige Entscheidung zu treffen.

Mac hatte ein Feuer in ihr entfacht, das kurz davor stand, sich in ein flammendes Inferno zu verwandeln. Sie wollte weiter von ihm geküsst und berührt werden. Sie war es müde, immer Angst zu haben. Müde, sich die Art menschlichen Kontakt zu versagen, nach der jede Frau sich sehnte. Sie selbst hatte noch nie dieses Bedürfnis verspürt. Nicht mal bei Tony. Doch jetzt war es da.

Deshalb gab sie die einzige Antwort, die unter diesen Umständen sinnvoll war. „Ich nehme aber nicht die Pille.“

„Himmel, ich liebe praktische Frauen.“ Er lachte rau auf. „Mach dir keine Sorgen, ich bin vorbereitet …“

Er strich mit dem Daumen über ihren Hals und legte beide Hände auf ihre nackten Schultern. „Bist du dir sicher?“

Dass er fragte, obwohl es doch offensichtlich sein musste, wie sehr sie ihm verfallen war, gab ihr den Mut, den letzten Schritt über den Abgrund hinaus zu wagen.

Sie nickte.

„Dem Himmel sei dank“, stöhnte er und nahm ihre Hand. „Lass uns von hier verschwinden. Wir haben schon genug Zeit verschwendet.“

5. KAPITEL

Mac schaffte es in acht Minuten zum Hotel. Er fuhr den schnittigen Porsche wie ein Verrückter, während sich Jane zitternd am Türgriff festhielt. Der Duft von Leder und Mann benebelte ihre Sinne. Ganz bewusst schaute sie Mac nicht an, denn sie wollte weder an die Konsequenzen ihres Tuns noch an Vorsicht oder Vernunft denken.

Doch als sie durch die Hotellobby und die Treppe hoch zu seiner Suite eilte, um mit seinen langen Schritten mitzuhalten, da kam ihr ganz automatisch jener Sommer vor sechs Jahren in den Sinn. Was, wenn sie der Situation nicht gewachsen war? Wenn sie nicht damit umgehen konnte, was gleich passieren würde?

Sie betrat die Suite und erinnerte sich mühsam daran, dass sie nicht mehr das dumme, naive Mädchen von damals war. Nein, sie war erwachsen geworden. Hatte das Schlimmste überstanden und machte nun den nächsten Schritt. Diese Nacht mit Mac hatte rein gar nichts mit Liebe oder romantischen Träumen zu tun. Es war eine Nacht, bei der es ausschließlich um körperliches Vergnügen ging. Tony hatte ihr etwas genommen, was sie sich heute zurückholen würde. Nur das spielte in diesem Moment eine Rolle.

Mac fragte sie nicht um Erlaubnis – er zog sie einfach ins Schlafzimmer. Seit sie das Château verlassen hatten, war kein einziges Wort zwischen ihnen gefallen.

Ihr Puls hämmerte wie verrückt, als er das Jackett abstreifte und achtlos über einen Stuhl warf. Janes Blick richtete sich wie von selbst auf seine deutlich sichtbare Erregung.

„Was ist los?“

Ihr Blick schnellte wieder hoch. „Nichts“, murmelte sie hastig und kam sich wie eine Närrin vor, weil die Zweifel nun doch wieder massiv über sie hereinbrachen. Was, wenn sie einen Fehler beging? Wenn sie alles vermasselte?

Sie wusste so gut wie gar nichts über Sex. Hatte sechs Jahre lang mit keinem Mann geschlafen, und das bisschen, an das sie sich von ihrer kurzen Liaison her erinnerte, war sicherlich nicht die richtige Vorbereitung, um mit einem Mann wie Mac Brody ins Bett zu gehen.

Ein Mann, der vermutlich mehr heißen Sex gehabt hatte als sie warme Mahlzeiten.

Als er seine Hand auf ihre Schulter legte, zuckte sie zusammen.

„Ganz ruhig, Darling“, sagte er und strich mit dem Daumen über ihr Schlüsselbein. Dann hauchte er einen Kuss auf ihre Wange. „Entspann dich. Das hier wird für uns beide gut sein, das verspreche ich.“ Er nahm ihre Hand und führte sie zu dem Kingsize-Bett. „Komm, wir legen uns hin. Gehen es langsam und locker an. Ich werde nicht über dich herfallen. Das schwöre ich.“

Sie brachte keinen Ton heraus. Ihr Herz pochte wie verrückt. Wenn er doch über sie herfallen würde! Dann konnte sie die Sache hinter sich bringen, ehe sie völlig die Nerven verlor.

Er legte sich zu ihr aufs Bett, schob ihr Haar zurück und liebkoste die empfindsame Haut unterhalb ihres Ohrs. Der Kuss war nicht mehr als ein Hauch, dennoch löste er ein erregendes Prickeln in ihr aus und verlieh ihr die dringend notwendige Portion Mut, die sie brauchte.

Denk nur an den Moment, Jane. An nichts anderes.

Entschlossen tastete sie nach seinem Hemd, öffnete die Knöpfe und presste dann ihre Hände auf seine muskulöse Brust. Doch in diesem Augenblick schob er seine Finger unter die Träger ihres Kleids, streifte sie hinunter und enthüllte den Spitzen-BH, den sie darunter trug. Jane erstarrte.

Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie es durchziehen konnte.

Mac lehnte sich zurück. Er hob ihre Hand an und küsste ihre Fingerknöchel. „Okay, genug.“ Seine Stimme klang heiser, angespannt. „Du siehst aus, als würdest du dich zu Tode ängstigen. Was ist los?“

Jane schluckte krampfhaft. Jetzt verließ sie auch noch das letzte bisschen Courage. War es so offensichtlich? Dass sie in dieser Hinsicht eine totale Versagerin war?

„Können wir das Licht ausschalten?“, wisperte sie, denn sie wollte nicht, dass er sie nackt sah. Ihre Brüste waren zu klein, ihre Hüften schmal und knabenhaft.

Sanft umfasste er ihr Gesicht. In seinen Augen lag eine Zärtlichkeit, die sie nicht erwartet hatte. „Nein, das können wir nicht. Ich habe nicht zwei lange Wochen gewartet, um jetzt mit dir im Dunkeln zu schlafen.“

Sie wollte protestieren, doch er presste einen Finger auf ihre Lippen.

„Lass uns einen Kompromiss schließen.“

Er verließ kurz das Bett und schaltete das helle Deckenlicht aus. Nun brannte nur noch die Nachttischlampe und verströmte ein sanftes Licht. Dennoch wurde Jane von Panik überfallen, als er zu ihr zurückkehrte.

Da sie erwartete, er würde sie weiter ausziehen, kniff sie die Augen fest zusammen. Doch Mac ergriff ihre Hand und legte sie auf seine Brust.

„Was hältst du davon, wenn du das Tempo bestimmst?“

Jane öffnete überrascht die Augen. „Du hast nichts dagegen?“, flüsterte sie, dankbar für die Atempause, die er ihr gewährte.

„Warum sollte ich etwas dagegen haben?“, entgegnete er und lächelte sexy. „Das heißt, dass du die ganze Arbeit leisten musst.“

Daraufhin erwiderte sie sein Lächeln, und der beklemmende Druck in ihrer Brust ließ etwas nach. Vielleicht würde das hier doch keine totale Katastrophe werden.

Langsam streifte sie das Hemd von seinen Schultern. Der Anblick seiner Muskeln ließ ihr Verlangen neu erwachen. Langsam, aber stetig nahm es zu.

Er duftete fantastisch – nach Seife und Aftershave und – Mann. Mutig ließ sie ihre Fingerspitzen über seinen Waschbrettbauch gleiten, doch als sie an den Bund seiner Hose stieß, hielt sie inne. Sie konnte den Blick einfach nicht von der deutlichen Ausbuchtung losreißen, die noch größer geworden war.

Himmel, sie hatte geglaubt, dass sie mit ihm, mit dem, was zwischen ihnen geschah, umgehen konnte, aber war sie wirklich bereit dafür?

Mac griff nach ihrer Hand. „Jane, ist das dein erstes Mal?“

Als sie zu ihm aufschaute, bemerkte sie, dass er sie genau beobachtete. Sie wurde rot, so peinlich war ihr die Situation. „Natürlich nicht. Ich bin zweiundzwanzig“, erwiderte sie und hoffte, empört zu klingen.

„Aber du hast wenig Erfahrung, stimmt’s?“

Jetzt wäre sie am liebsten im Erdboden versunken. Sie versuchte, die Träger ihres Kleids hochzuschieben. Sie musste von hier weg, ehe sie alles noch schlimmer machte. Doch als sie sich aufsetzen wollte, hielt er sie am Handgelenk fest.

„Was soll das jetzt? Wohin willst du?“ Er klang sowohl amüsiert als auch verwirrt.

Jane versuchte, ihren Arm loszureißen, und wich dabei seinem Blick aus. „Du hast recht. Ich habe nicht besonders viel Erfahrung. Genau genommen, habe ich so gut wie gar keine“, gab sie zu. Was nützte es noch, es zu leugnen? „Nach all den Frauen, mit denen du geschlafen hast, wäre ich eine Riesenenttäuschung“, schloss sie niedergeschlagen.

So viel dazu, nur im Augenblick zu leben. Wie hatte sie nur annehmen können, das hier würde funktionieren?

Mac ließ ihr Handgelenk los, legte einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. „Sweetheart, du musst dir keine Sorgen darum machen, mich zu enttäuschen. Wenn ich noch erregter wäre, könnte ich mir ernsthaften Schaden zufügen.“

Sein trockener Humor milderte ein wenig den Schmerz und die Erniedrigung.

Er seufzte. „Das hier ist kein Test.“ Sanft streichelte er ihren zarten Brustansatz. „Ich werde dir danach keine Note geben.“ Ihre Brustspitze versteifte sich, als er seinen Daumen über den Stoff des BHs darum kreisen ließ. „Aber wenn du Angst hast, dann sollte ich vielleicht für eine Weile die Führung übernehmen?“

Plötzlich bekam sie keine Luft mehr. Der heisere Klang seiner Stimme hypnotisierte sie, und sie konnte sich ausschließlich auf die zärtliche Liebkosung seiner Finger konzentrieren.

„Ich zweifle, dass ich so umtriebig war, wie du denkst“, fuhr er sinnlich fort und zog dabei den Reißverschluss ihres Kleids hinunter. „Aber es sieht so aus, als hätte ich ein wenig mehr Erfahrung.“ Das sanfte Rascheln, mit dem das Kleid bis zu ihrer Taille hinabglitt, wirkte überlaut in der ohrenbetäubenden Stille.

„Leg dich zurück“, bat er leise und ließ dabei die Finger über den Vorderverschluss ihres BHs gleiten. Sie gehorchte zitternd.

Autor

Heidi Rice
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