Julia Extra Band 368 - Titel 3: Mit Prinz Charming auf dem Traumschiff

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Es war einmal ein Prinz … der die junge Ärztin Kiki Fender heiß küsste und dann spurlos aus ihrem Leben verschwand. Doch an Bord eines Traumschiffs treffen sie sich wieder. Bleibt Prinz Stefano diesmal bei ihr, wenn die Uhren an Bord Mitternacht schlagen?


  • Erscheinungstag 17.06.2014
  • Bandnummer 0368
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706487
  • Seitenanzahl 113
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Dr. Kiki Fender blickte über das tiefblaue Mittelmeer zu den pastellfarbenen Häusern in der Ferne, die auf die Klippen getupft zu sein schienen, und lächelte.

Als sie vor Wochen an Bord gekommen war, hatte sie dafür keine Zeit gehabt, aber jetzt genoss sie den Anblick, während rundum die neuen Passagiere ihre Begeisterung kundtaten.

Die ersten Stunden, die das Kreuzfahrtschiff an der italienischen Küste entlangfuhr, fand sie immer am schönsten. Doch jetzt rief die Pflicht. Kiki strich sich die Haare aus der Stirn und machte sich auf den Weg zum Sanitätsbereich im Bauch des Schiffes. In den vier Monaten, die sie mittlerweile an Bord arbeitete, hatte sie ihren Lebensmut wiedergefunden, und dafür war sie dankbar.

Noch fünf Tage, dann wäre der Moment, auf den sie sich einmal so gefreut hatte, überstanden, und danach würde es noch einfacher werden.

Ein Deck tiefer versuchte Prinz Stefano Adolphi Augustus Mykonides nicht an das Schlimmste zu denken, während er seine bewusstlose Schwägerin in die stabile Seitenlage brachte. Erleichtert bemerkte er, dass ihre Lippen wieder eine normale Farbe annahmen, als sie freier atmen konnte.

Er hatte gehofft, dass Theros diese Woche mal ohne Probleme rumkriegen würde, da seine Frau Geburtstag hatte, aber offenbar ging das nicht. Er, Stefano, der ältere der beiden Söhne von Prinz Paulo von Aspelicus, einem kleinen, wohlhabenden Fürstentum im Mittelmeer, seufzte. Schließlich war es seine Schuld, dass sein Bruder sich – wieder einmal – danebenbenommen hatte.

Er warf Theros einen Blick zu. „Ruf im Schiffshospital an, und sag ihnen, dass wir einen Notfall haben“, wies Stefano ihn an.

Lautlos bewegte Theros die Lippen und stand wie erstarrt da, als er verständnislos zusah, wie seine Frau erneut blau anlief.

„Los!“, drängte Stefano. „Sag ihnen, dass sie eine allergische Reaktion auf Latex hat und Adrenalin braucht.“

Sein harscher Ton brachte Theros schließlich dazu, stolpernd aufzustehen und zum Telefon zu gehen, während Stefano sich mühte, Marla aus dem hautengen Gummianzug zu pellen. Ihr Atem kam stoßweise, und Stefano fluchte leise. Ein Glück, dass Theros wenigstens so geistesgegenwärtig gewesen war, ihn zu rufen.

Er musste ihr das gefährliche Kleidungsstück so schnell wie möglich ausziehen – ehe seine Schwägerin einen Atemstillstand erlitt –, aber das war gar nicht so einfach. Wenn er doch nur ein Skalpell hätte …

Zehn Türen entfernt lief Dr. Kiki Fender zur größten Suite an Bord und ging im Kopf durch, was sie über Latexallergien wusste. Eigentlich war sie für die Besatzung zuständig – nicht für die Passagiere – und hoffte inständig, dass ihr Chef dicht hinter ihr war, falls die Lage sich zuspitzte.

Sie wollte nicht gleich am Ablegetag einen Patienten verlieren, noch dazu einen mit königlichem Blut in den Adern – so etwas machte keinen guten Eindruck. Was für ein Pech, dass Will gerade bei einem Patienten war, als der Anruf gekommen war. So musste sie einspringen, bis er dazustoßen konnte.

Schnell hatte sie die üblichen Einmalhandschuhe gegen latexfreie ausgetauscht und sich vorgenommen, in Zukunft generell dazu überzugehen, da Allergien allgemein auf dem Vormarsch waren. Adrenalin hatte sie auch dabei, dazu den Epi-Pen, mit dem die Impfung im Notfall schneller ging.

Hoffentlich waren die Atemwege nicht schon völlig zu, bis ihr Chef mit dem Notfallkoffer da war.

Als die Tür geöffnet wurde, beachtete Kiki den verstörten Mann in glänzender schwarzer Gummiunterwäsche nicht und eilte auf die Frau am Boden zu. Ein zweiter Mann mit dunklen Haaren mühte sich gerade, ihr die hautengen Latexleggings abzustreifen.

Irgendetwas an ihm kam ihr bekannt vor, aber sie hatte jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Die Frau war bereits bewusstlos, ihre Haut fleckig und gerötet.

Kiki kniete sich neben sie. „Atmet sie noch?“, fragte sie.

„Gerade eben.“

Kiki warf dem Mann einen besorgten Blick zu und hatte das Gefühl, einen Schlag in den Magen zu bekommen, als sie ihn erkannte.

Was, zum Teufel, hatte Stefano Mykonides auf ihrem Schiff zu suchen? Jetzt nicht, ermahnte sie sich und wählte eine geeignete Stelle, um der Frau das Adrenalin zu verabreichen. Dann suchte sie nach Anzeichen, ob die Atmung sich verbesserte. Meist erholten Allergiepatienten sich bei dieser Art der Behandlung erstaunlich schnell, weil das Medikament die allergische Reaktion sofort unterband.

Aber ein kleiner Teil ihres Gehirns war auch mit dem Gedanken beschäftigt, dass der Stefano, den sie kannte, keinen Dreier mit einer Mieze im Gummianzug gebraucht hätte.

Jetzt kamen auch ihr Chef und die Schwester mit einer Trage dazu, und Stefano wandte sich zu ihr um.

„Ich erwarte, dass kein Wort davon bekannt wird.“

Kiki sah den raschen Puls an seiner Halsschlagader und reagierte unwillkürlich auf ihn – was ihren Ärger nur verstärkte. Wütend sah sie ihn an und versuchte, ihre Verachtung nicht zu zeigen. Typisch. Da kämpfte eine Frau um ihr Leben, und er dachte nur daran, den guten Namen der Mykonides zu schützen.

Bezüglich des guten Namens hätte sie einiges zu sagen, nickte aber nur. „Natürlich, Eure Hoheit.“

Stefano war gerade dabei, Marlas rechten Fuß aus dem Anzug zu befreien. Kiki Fender war hier, und sie so zu sehen … als Lebensretterin, dynamisch und selbstbewusst, wie er sie kannte … Er erinnerte noch ganz andere Dinge, aber sicher nicht an die Frau, die ihn jetzt voller Verachtung musterte und Eure Hoheit nannte.

Ehe er antworten konnte, stöhnte Marla leise und regte sich, und Stefano seufzte erleichtert auf, während Kiki sich vorbeugte.

„Sie sind okay“, sagte sie beruhigend. Dann sah sie Stefano fragend an. „Wie heißt sie?“, fragte sie leise.

„Marla“, erwiderte Stefano und war erleichtert, als sich der Gummianzug mit einem letzten Schnalzen von ihrem Fuß löste. Rasch schob er den Anzug unter einen Stuhl, als weitere Sanitäter eintrafen.

Kiki hatte ihn beobachtet und verdrehte die Augen angesichts der Prioritäten, die er setzte. Dann wandte sie sich wieder ihrer Patientin zu. „Ich werde Ihnen jetzt einen Zugang am Arm legen, Marla, nur für alle Fälle, aber Sie scheinen sich gut zu erholen.“

Ohne Probleme setzte Kiki die Nadel und war erleichtert.

„Wie gesagt, das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme“, wandte sie sich an die benommene Frau, während sie das Klebeband befestigte, „falls wir noch mehr Medikamente geben müssen oder Sie eine Infusion brauchen.“ Insgeheim hielt Kiki das für unnötig, die Patientin hatte sehr gut auf die erste Dosis reagiert – offenbar war das Schlimmste überstanden.

Jemand schob die Trage herbei, und Stefano stand auf.

„Hier, mein Bademantel“, sagte er und gab ihn Kiki, die die nackte Patientin damit zudeckte.

Kiki nickte dankbar, nicht nur, weil Marla jetzt bedeckt war, sondern weil er jetzt nicht mehr so nahe war und sie wieder Raum zum Atmen hatte.

Schon immer hatte Stefano sie nervös gemacht, aber nach dem, was sie durchgemacht hatte, hatte sie eigentlich gedacht, immun gegen ihn zu sein. Aber darüber würde sie sich später Gedanken machen.

„Hallo, Will“, begrüßte Kiki den Schiffsarzt, der ihr Vorgesetzter war und sich jetzt neben sie kniete. „Das ist Marla. Schwere Reaktion auf Latex. Wir haben den Auslöser entfernt.“ Kiki warf Stefano einen ironischen Blick zu, ehe sie sich wieder ihrem Chef zuwandte.

Dr. Wilhelm Hobson griff nach Marlas Handgelenk und fühlte den Puls. „Du hast ihr Adrenalin gegeben?“

„Vor zwei Minuten.“ Kiki war jetzt mit dem Zugang fertig.

Marla stöhnte und schlug die Augen auf. „Wo bin ich?“

„Alles in Ordnung, Marla, Sie sind in Ihrer Kabine. Ruhen Sie sich noch ein bisschen aus, bald geht es Ihnen wieder besser.“ Mitleidig legte Kiki ihre Hand auf die der Patientin. Wilhelm und sie betrachteten den Ausschlag auf Marlas Arm, der zusehends verblasste. „Patientin reagiert gut.“

Will nickte und notierte Puls, Dosis und Zeit des Zwischenfalls, während Kiki Marlas Blutdruck maß. Er war sehr niedrig, aber das war zu erwarten gewesen.

„Schock“, erklärte die Schwester und verkabelte das EKG. Die beiden Ärzte legten eine Infusion, um den Blutdruck zu stabilisieren.

Als Will sich sicher war, dass die Patientin versorgt war, stand er auf und drehte sich zu den beiden Männern in der Kabine um. Das wird gut, dachte Kiki und hörte genau zu, auch wenn sie den Blick nicht von der Patientin ließ.

„Wer ist für diese Frau verantwortlich?“, wollte Will wissen. Seine Stimme klang sehr ernst. Aber das war er ohnehin immer.

Voller Erleichterung hatte Stefano beobachtet, wie Marla wieder zu sich gekommen war, und nahm jetzt seine Umgebung wahr. Kiki kniete bei Marla auf dem Boden und ignorierte ihn. Der Arzt – ein kräftiger, blonder Mann mit südafrikanischem Akzent – wirkte kompetent und strahlte eine natürliche Autorität aus.

Dann sah er zu Theros hinüber. Sein Bruder stand still da, wusste nicht, wohin mit den Händen, und wurde sich gerade seiner lächerlichen Gummishorts bewusst. Er bewegte die Lippen, brachte aber kein Wort heraus, wie es bei ihm in Stresssituationen üblich war.

Stefano seufzte und trat vor. Natürlich trug er die Verantwortung. Die hatte er seit Theros’ Unfall vor vielen Jahren. Obwohl er nur eine Badehose trug, verspürte er keinerlei Unsicherheit. Kühl betrachtete er den Arzt. „Ich.“

Kiki zuckte zusammen und merkte, dass sie etwas anderes gehofft hatte. Aber das durfte keine Rolle spielen. Sie hatte immer schon zu viel von ihm erwartet. Er war ein Prinz, der Versprechungen machte, die er dann nicht hielt.

Kiki wollte nichts weiter hören. „Okay, Ginger“, wandte sie sich an die Schwester, „lass uns Marla auf die Trage legen und in den Sanitätsbereich bringen. Ich will sie noch weiter unter Beobachtung haben.“

Fünfzehn Minuten später lief Stefano vor dem Fenster der Kabine seines Bruders hin und her. „Zieh endlich diese lächerlichen Shorts aus“, stieß er wütend hervor. Stefano war frustriert, weil sein Bruder immer wieder in unmögliche Situationen geriet, aus denen er ihn dann herausboxen durfte. Warum muss immer ich mich damit abplagen? fragte er sich, obwohl ihm der Grund dafür hinlänglich bekannt war.

Mit sieben hatte Stefano Theros aus einem Meerwasserpool gezogen und ihn wiederbelebt. Unglücklicherweise war aber durch den Sauerstoffmangel ein Teil von Theros’ Hirn in Mitleidenschaft gezogen worden. Seitdem war er nie wieder derselbe gewesen und zu einem attraktiven, aber kindischen Mann herangewachsen.

Das hielt Theros nicht davon ab, sich in immer neue Zwangslagen zu manövrieren, aus denen Stefano ihn dann retten musste.

„Probleme. Du ziehst sie förmlich an. Ist Sex mit deiner Frau so langweilig, dass du sie in diesen lächerlichen Latexanzug stecken und damit ihr Leben riskieren musstest?“

Theros rang die Hände. „Nein, nein, einer ihrer Freunde hat ihr das Ding zum Geburtstag geschenkt … Wir haben rumgealbert und gelacht. Plötzlich konnte sie nicht mehr atmen. Ich wusste nicht, dass Marla allergisch auf Gummi reagiert.“

„Latex.“ Stefano ballte die Fäuste, um nicht die Geduld zu verlieren. Sein Vater hatte recht gehabt, als er Stefano getadelt hatte, weil er damals nicht schneller Hilfe geholt hatte. Vielleicht wäre Theros’ Hirn dann nicht geschädigt worden.

Er trug schwer an seiner Schuld, die er nicht abschütteln konnte. Seine Aufgabe war es, Theros und damit die Familie davor zu schützen, der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden. Die letzten Jahre war ihm das gut gelungen – weil er bereit gewesen war, die Aufgabe zu übernehmen, egal, wie sehr sie sein eigenes Leben einschränkte.

Die Entscheidung, Medizin zu studieren, war durch seine Schuldgefühle beeinflusst worden. Niemals wieder wollte er sich in einer Notsituation derart hilflos fühlen. Wider Erwarten war die Medizin dann tatsächlich zu seiner wahren Berufung geworden, die ihm dabei geholfen hatte, seinen Frieden zu finden.

Sein Vater, Kronprinz Paulo III. von Aspelicus, hatte eine Pflegekraft angeheuert, die sich um Theros gekümmert hatte, solange Stefano bei einem medizinischen Kongress in Australien gewesen war, und zu jedermanns Erstaunen hatte sein einfältiger kleiner Bruder die große Liebe gefunden.

Prinz Paulo hatte Stefano sofort aus den Armen von Dr. Kiki Fender zurückbeordert – aber da war es schon zu spät gewesen.

Theros war durchgebrannt. Dann hatte Stefano auch noch einen Autounfall gehabt, und es hatte Monate gedauert, bis er wieder auf die Beine gekommen war.

Zu aller Erleichterung hatte Theros’ Frau sich als kompetent und vernünftig erwiesen, und unter ihrer Anleitung war auch Theros vernünftiger geworden, aber selbst sie machte manchmal Fehler. Deshalb hatte Stefano keinerlei Hoffnung, je ganz aus seiner Verantwortung entlassen zu werden. Theros würde ihn immer brauchen, sodass er, Stefano, einer so intelligenten und anspruchsvollen Frau wie Kiki, die das Leben eines Prinzen mit all seinen Zwängen nicht kannte, keine Zukunft bieten konnte.

Im harten Licht der Realität hatte Stefano sich gesagt, dass er das, was zwischen ihm und Dr. Fender in Australien gewesen war, vergessen sollte. So war es für alle Seiten besser.

Aber offenbar hatte sie ihm nicht verziehen, dass er nicht wiedergekommen war.

Theros hustete und holte Stefano damit in die Gegenwart zurück. Sein Bruder brauchte Zuspruch. Stefano sah ihn an, damit er ihm zuhörte und den Ernst der Situation begriff.

„Marla hätte sterben können.“ Einen kurzen Moment schwieg er. „Einer von euch muss immer einen Notfall-Impfstift, wie die Ärztin ihn hatte, bei sich tragen, falls sie je wieder mit dem Stoff in Berührung kommt.“ Eindringlich sah Stefano seinen Bruder an. „Du bist ihr Mann, und es ist deine Pflicht, auf sie aufzupassen. Hast du verstanden?“

„Ja, Stefano.“ Theros kaute auf seiner Unterlippe. „Aber der Arzt hat gesagt, dass sie wieder in Ordnung kommt? Sie kann doch heute wieder aus der Krankenabteilung raus?“

Es war nicht verwunderlich, dass Theros eine irrationale Angst vor Krankenhäusern hatte.

Stefanos Wut schwand. „Im Moment kann nichts passieren“, sagte er sanft.

Theros zog seine Badehose an und reichte Stefano die Latexshorts. „Und morgen geht es ihr wieder gut, nicht? Wir wollen in Neapel den Vesuv besteigen. Du kommst mit.“

„Mein Bein schmerzt ein bisschen.“ Warum musste sein Bruder auch so unternehmungslustig sein? Zu Hause in Aspelicus, einem Inselreich vor Griechenland, wäre alles viel einfacher. Dort gab es viel, um das Stefano sich kümmern müsste. Aber sein Vater hatte ihn gebeten, auf der kurzen Kreuzfahrt, die Theros seiner Frau geschenkt hatte, auf den kleinen Bruder aufzupassen.

Bei den Ausflügen konnte er einen Mann mitschicken. Dann hatte er ein bisschen Zeit für sich selbst und könnte seine Bekanntschaft mit Dr. Fender auffrischen.

Jetzt, wo er Kiki so unerwartet wiedergesehen hatte, gab es ein paar Dinge, die er klären wollte. Aber erst musste er sich bei ihr für sein Verschwinden entschuldigen.

Das Problem war, dass er die Frau, die er in Australien zurückgelassen hatte, nicht hatte vergessen können. Nur zu gut wusste er, wie unklug es war, eine Frau zu lieben, die nicht verstand, wie königliche Familien zu leben hatten. Als Erbe war er derjenige, der gerufen wurde, wenn es in seiner Heimat eine Krise gab.

Trotzdem ärgerte er sich über die kaum verhohlene Verachtung, die er in ihren blauen Augen gesehen hatte.

Welch Ironie des Schicksals: Wenn er sie schon wiedersehen sollte, dann wäre eine andere Szene ihm lieber gewesen.

Kiki war immer noch atemberaubend schön, aber vorhin hatte der blanke Hass in ihren Augen gestanden.

Sie war selbstbewusst und geradeheraus, ganz anders als die Frauen, die er zuvor kennengelernt hatte. Auf dem Kongress, bei dem er sich über neue Operationsmethoden für sein kleines Inselkrankenhaus weiterbilden wollte, hatte er sich sofort zu der jungen Ärztin hingezogen gefühlt. Was war das für eine Woche gewesen!

Stefano musste zugeben, dass er in der kurzen Zeit ihres Zusammenseins völlig den Kopf verloren hatte. Und ihr war es genauso gegangen. Sie waren in eine glühende Affäre voller unerwarteter Nähe geschlittert und hatten ihre gemeinsame Zeit voll ausgekostet.

Bis eine neue Krise seines kleinen Bruders ihn gezwungen hatte, sofort nach Hause zu fliegen.

Die letzten Monate hatte Stefano sich von einem Unfall erholt – hatte eine Reha gebraucht, nachdem er fast das Bein verloren hätte. Er hatte sich kaum selbst im Spiegel ansehen können, geschweige denn sich einer Frau zeigen.

Aber jetzt hatte er keine Entschuldigung mehr, und er schämte sich für sein Verhalten Kiki gegenüber.

Als er schließlich versucht hatte, wieder mit Kiki in Kontakt zu treten, war sie unauffindbar gewesen.

Er hatte es beim Krankenhaus in Sydney versucht, nachdem er sie unter ihrer alten Adresse nicht erreicht hatte – aber ohne Erfolg. Kiki war spurlos verschwunden, bis er sie auf diesem Kreuzfahrtschiff zufällig wiedergetroffen hatte.

Am folgenden Tag würde er die Geschichte zu Ende bringen, sich bei ihr entschuldigen und dann nach Hause fahren, um seine Pflichten zu erfüllen.

Doch erst einmal musste er seinem kindischen Bruder Mut machen. Theros spielte mit den Beinen des Latexanzugs, den er unter dem Stuhl entdeckt hatte, und sanft nahm ihm Stefano den Anzug aus der Hand. „Manos wird dich zum Vesuv fahren.“

„Oh, gut. Und Marla kommt auch mit.“

Theros sah zufrieden aus, und Stefano dachte, dass wenigstens einer von ihnen glücklich war.

Später am Nachmittag war Dr. Hobson bereit, Marla aus der Krankenstation zu entlassen.

„Sie können in Ihre Suite zurück.“ Kiki stützte die junge Frau. „Ihre Werte sind wieder in Ordnung und werden es auch bleiben, solange Sie sich von Latex fernhalten.“

Die arme Marla wurde rot. „Keine weiteren Geburtstagsgeschenke, die die letzten sein könnten.“

„Es war einfach Pech.“ Kiki dachte, dass auch sie gerade eine Pechsträhne hatte. „Alles kann Allergien auslösen, es hätten genauso gut Erdnüsse sein können.“

Marla lächelte. „Eigentlich bin ich sonst immer die Vernünftige. Danke.“

„Es war immerhin Ihr Geburtstag.“ Kiki grinste. „Jetzt wissen Sie wenigstens, dass Sie allergisch gegen Latex sind.“

Die junge Frau nickte und betrachtete den Notfall-Impfstift in ihrer Hand.

„Gehen Sie vorsichtig damit um“, warnte Kiki, „Sie können Probleme kriegen, wenn Sie an der falschen Stelle injizieren.“

Marla nickte.

„Da hat sie recht“, bestätigte Will. „Ich habe mal einen Mann gesehen, der sich das Ding aus Versehen in den Daumen gestochen hat. Das Mittel ist stark, und der Mann hat eine Blutvergiftung bekommen.“

Kikis Augen wurden groß. „Denken Sie nur, was eine rachsüchtige Frau damit alles anstellen könnte.“

Abwehrend streckte Will die Hände aus. „Bloß nicht.“

Kiki schüttelte amüsiert den Kopf. „Macht er Ihnen Angst, Marla?“

„Nur was meinen Mann angeht. Aber ich werde Theros nicht in die Nähe des Epi-Pens lassen. Ich kann in der Tat auch vernünftig sein.“

„Hoffentlich nicht zu sehr.“ Kiki lächelte. „Genießen Sie trotzdem noch Ihren Geburtstag.“

Kiki dachte, dass Marla nicht die Einzige war, der die Reise verdorben worden war. Ausgerechnet in dieser Woche, da ihre Gefühle ohnehin in Aufruhr waren. Kiki war fair genug, zuzugeben, dass sie Stefano eine Entschuldigung schuldete – aber dazu würde es nicht kommen. Sie verstand immer noch nicht, warum er seinen Bruder als Aufpasser begleitete, und das ausgerechnet auf ihrem Schiff – und es war hart, zu wissen, dass da irgendwo der Mann war, den sie nie hatte wiedersehen wollen.

Seufzend blickte Kiki zur Decke. Da oben war er irgendwo. Sie hätte sich für ihn vielleicht nicht gerade in einen Latexanzug gezwängt, wie Marla es für Theros getan hatte, aber sie hatte sich nach den leidenschaftlichen Nächten, die sie miteinander geteilt hatten, verzehrt.

Was nun allerdings ihre Entschuldigung anging, so schüttelte sie vehement den Kopf. Eher würde sie über Bord springen, als Stefano auch nur ein Wort des Bedauerns entgegenzubringen.

Kiki war froh, als Ginger anbot, Marla zurückzubegleiten. Sie wollte nicht mehr da hoch. Dafür waren die vielen Wochen, in denen sie erfolglos versucht hatte, Stefano zu erreichen, nachdem sie entdeckt hatte, dass sie schwanger war, zu demütigend gewesen.

Als er sich nicht mehr gemeldet hatte, war sie am Boden zerstört gewesen, dazu war die Schwangerschaftsübelkeit gekommen, sodass sie die ersten Wochen gar nichts unternommen hatte. Nachdem das erste Drittel der Schwangerschaft rum war, war es Kiki besser gegangen, und sie hatte akzeptiert, dass Stefano nicht zurückkommen würde. Ganz offenbar war sie nicht gut genug für seine Königliche Hoheit gewesen.

Nun, sie und ihr Baby würden auch ohne ihn zurechtkommen. Schließlich war sie ihr ganzes Leben lang unabhängig gewesen. Mit drei älteren Schwestern, die sie nicht brauchten, und ihren sehr beschäftigten Eltern, die beide Ärzte und früh gestorben waren, war sie immer auf sich gestellt gewesen. Die Einzigen, denen sie nahestand, waren ihr großer Bruder Nick und später für kurze Zeit Stefano. Daher hatte sie sich nach dem anfänglichen Schock auch sehr auf das Baby gefreut.

Doch nach achtzehn Wochen, nachdem sie schon begonnen hatte, winzige Babysachen zu kaufen, hatte sie Unterleibsschmerzen bekommen und das Baby verloren. In fünf Tagen hätte es zur Welt kommen sollen, und wenn das Datum erst einmal rum war, könnte sie weiterleben. Das hatte sie sich selbst versprochen.

Es war eine gute Entscheidung gewesen, auf das Schiff zu gehen und neu anzufangen.

Wilhelm kam zurück. „Marla scheint eine nette Frau zu sein.“

„Finde ich auch.“

„Die Episode bringt unsere königlichen Passagiere allerdings ziemlich in Verlegenheit.“

„Gewaltig“, bestätigte Kiki. „Ich wette, ihr Schwager hasst das.“

Obwohl sie nur kurz zusammen gewesen waren, hatte Kiki begriffen, wie sehr Stefano die Presse und das Thema seiner königlichen Herkunft verabscheute. Damals hatte sie ihn gut verstanden, auch wenn sie wenig von einem Leben in der Öffentlichkeit wusste. Es hatte sie auch nicht weiter interessiert, Hauptsache, sie konnten zusammen sein.

Kiki konzentrierte sich wieder auf Marla und Theros. „Marla hat heute Geburtstag, und sie sind erst seit einem Dreivierteljahr verheiratet. Theros hat sich die Kreuzfahrt gewünscht.“

Will zuckte die Achseln. „Und warum ist dann sein Bruder dabei? Er ist der Thronerbe, für einen Aufseher ein bisschen überqualifiziert, oder?“

Kiki dachte nach. „Jedem ist der Ruf seiner Familie wichtig, einer königlichen Familie wahrscheinlich erst recht.“ Sie wusste nicht, wen sie damit überzeugen wollte, Will oder sich selbst. „Marlas Mann hatte offenbar schon Pech mit der Presse.“

„Pech, ja?“ Will winkte Ginger zum Abschied zu, ehe er die Praxis für den Tag schloss.

Kiki griff nach ihrer Tasche, aber Will hob die Hand.

„Eine Sekunde noch.“

Kiki sah sich um, und ihr sank das Herz in die Hose. Das hatte sie befürchtet.

Will kratzte sich am Kopf. „Was läuft da zwischen euch beiden?“

„Uns beiden?“, versuchte Kiki auszuweichen. Sie hatte doch so aufgepasst, sich nichts anmerken zu lassen.

Autor

Fiona McArthur

Fiona MacArthur ist Hebamme und Lehrerin. Sie ist Mutter von fünf Söhnen und ist mit ihrem persönlichen Helden, einem pensionierten Rettungssanitäter, verheiratet. Die australische Schriftstellerin schreibt medizinische Liebesromane, meistens über Geburt und Geburtshilfe.

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