Julia Extra Band 491

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WEIHNACHTSWUNDER AUF VIER PFOTEN von JENNIFER FAYE

Milliardär Simon Ross hasst Weihnachten. Bis Hundedame Daisy und ihre Besitzerin, die hinreißende Konditorin Pepper, kurz vor den Feiertagen in sein Leben stolpern und ihn bezaubern. Dabei hat der freiheitsliebende Playboy geschworen, nie wieder sein Herz zu verschenken …

SCHENK MIR DEIN HERZ - FÜR IMMER! von SARAH MORGAN

Luca will nur eine Affäre, Tia echte Liebe. Aber als der heißblütige Italiener überraschend vor ihrer Tür steht, schafft sie es nicht, ihn fortzuschicken. Ihre Bedingung: kein Sex! Doch Zimtsternduft und Kerzenschein wecken in Tia mehr als weihnachtliche Gefühle …

PIKANTES GESTÄNDNIS AM HEILIGABEND von SOPHIE PEMBROKE

Ein letztes Familienweihnachtsfest für seinen kranken Vater zu inszenieren, das war Jacobs Plan. Stattdessen findet sich der Immobilientycoon allein mit seiner Ex auf einem schottischen Schloss wieder - eingeschneit! Und was Clara ihm offenbart, stellt seine gesamte Welt auf den Kopf …

ZÄRTLICHE KÜSSE UNTER DEM MISTELZWEIG von SUSAN CARLISLE

Lauren liebt ihre Arbeit und ihren kleinen Sohn - von Männern hat sie die Nase voll. Doch dann begegnet ihr der attraktive Promiarzt Paxton Samuels. Und als er sie unter dem Mistelzweig sanft in seine Arme zieht, flammt in ihr ein längst vergessenes Verlangen auf …


  • Erscheinungstag 13.10.2020
  • Bandnummer 491
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714918
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jennifer Faye, Sarah Morgan, Sophie Pembroke, Susan Carlisle

JULIA EXTRA BAND 491

JENNIFER FAYE

Weihnachtswunder auf vier Pfoten

Der süße Welpe in ihren Armen ist ihr einziger Trost. Denn Pepper weiß: Milliardär Simon Ross will nur mit ihr zusammenleben, weil sie ein Kind von ihm erwartet, nicht weil er sie liebt. Oder?

SARAH MORGAN

Schenk mir dein Herz – für immer!

Tia hat ihn damals einfach sitzenlassen! Doch Frauenschwarm Luca Zattoni ist wild entschlossen, seine Ex zurückzuerobern. Vielleicht hilft dabei die Magie der Heiligen Nacht?

SOPHIE PEMBROKE

Pikantes Geständnis am Heiligabend

Ist Weihnachten vielleicht doch das Fest der Liebe? Als Jacob plötzlich vor ihr steht, flammen in Clara die alten Gefühle wieder auf. Aber kann er ihr jemals verzeihen, was sie ihm all die Jahre verheimlicht hat?

SUSAN CARLISLE

Zärtliche Küsse unter dem Mistelzweig

Funkelnde Lichter, strahlende Kinderaugen: Gemeinsam mit der bezaubernden Lauren und ihrem kleinen Sohn erlebt Promiarzt Paxton Samuels das schönste Christfest seines Lebens. Bis die Vergangenheit ihn einholt …

PROLOG

Oktober …

Ross Tower, New York City

Konnte es wirklich wahr sein?

Eine Einladung zu einer der exklusivsten Partys in New York City. Besser ging es kaum noch.

Okay, eine Einladung war es nicht. Trotzdem war sie hier: unter Schauspielerinnen, Models, Politikern … Die Liste ließ sich fortführen. Auf welche Weise sie hierher geraten war, hatte nichts zu bedeuten, oder?

Und, okay, zufällig gehörte sie zum Servicepersonal. War eigentlich kein Gast. Aber es handelte sich trotzdem nicht um eine beliebige Feier, sondern um Simon Ross’ Party im obersten Stockwerk des mächtigen Wolkenkratzers. Sie unterdrückte einen Entzückensschrei und hätte sich am liebsten selbst gekniffen, um sicher sein zu können, dass sie nicht träumte.

Nur mit Mühe widerstand Pepper M. Kane diesem Drang. Schließlich hatte sie diese erstklassige Chance an Land gezogen, und sie würde nichts tun, was den Ruf ihrer kleinen Konditorei schädigen könnte. Wenn sie hier einen guten Eindruck hinterließ, öffneten sich ihr endlose Verbindungen und Möglichkeiten.

Gegen Ende der Party hatte sie zahllose Visitenkarten ausgeteilt. Ihre Wangen schmerzten vom immerwährenden Lächeln. Und ihre Füßen schmerzten dank der High Heels, die sie anstelle der gewohnten flachen Schuhe getragen hatte. Sie konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen, sich aufs Sofa zu kuscheln und einen alten Schwarzweißfilm aus ihrer stetig wachsenden Sammlung anzuschauen.

Ein paar Gäste waren immer noch da, und natürlich der Gastgeber, der überaus sexy Gastgeber. Sie ließ den Blick durch den geräumigen Konferenzsaal schweifen. Da drüben stand er höchstpersönlich, mehr als ein Meter achtzig hoch gewachsene, dunkle, sexy Männlichkeit.

Sie erinnerte sich noch sehr gut an ihre erste Begegnung im vergangenen Sommer. Eines Morgens in aller Frühe hatte Simon Ross ihren Laden betreten. Es war ein Tag wie jeder andere, als ihr Leben ganz ohne Blitz, Donner oder Erdbeben auf den Kopf gestellt wurde. Denn Simon Ross war in ihr Leben getreten und versetzte ihr Herz in Unruhe.

Pepper erinnerte sich ziemlich deutlich an diesen speziellen Morgen. Sie hatte am Verkaufstresen gearbeitet, als er vor die Vitrine trat und die Backwaren musterte, von Croissants über Donuts bis zu Keksen und allem anderen. Er diskutierte mit ihr über ihre Auswahl an Donuts. Und dann bestellte er zwei Kaffee und zwei Kirschtaschen. Als er bezahlt hatte, reichte er Pepper den zweiten Kaffee und die zweite Kirchtasche. So etwas hatte noch niemand je für sie getan, und sie war ehrlich gerührt.

Der Mann hatte ein Tausend-Volt-Lächeln, das den Zuckerguss von Peppers Schoko-Muffins schmelzen konnte. Und er hatte diese verträumten espresso-braunen Augen, aus den sie den Blick kaum lösen konnte. Mit seinem perfekten Aussehen und dem Designer-Anzug hätte er die Titelseite jeder beliebigen Illustrierten, jedes Liebesromans zieren können.

Je länger sie mit ihm redete, desto deutlicher spürte sie, dass ihn etwas belastete. Sie las Schmerz in seinen Augen. Es rührte sie an, und obwohl sie Fremde waren, lud sie ihn, da ihre Angestellten alles im Griff hatten, dazu ein, Platz zu nehmen und seinen Kaffee mit ihr zusammen zu trinken.

Zu Anfang sagte er nicht viel, doch nach und nach vertiefte sich das Gespräch. Und dann offenbarte er, dass er gerade die Nachricht vom Tod eines Jugendfreundes erhalten hatte. Auf Grund ihrer eigenen Erfahrung mit dem Verlust geliebter Menschen, nämlich ihrer Mutter und ihrer Großmutter, konnte sie ein wenig Trost spenden. Seit diesem Morgen hatte sie das Gefühl, ihm bedingt durch gemeinsamen Schmerz und getragen von Hoffnung eng verbunden zu sein.

Und so kehrte Simon mittlerweile seit fünf Monaten mindestens einmal pro Woche früh morgens auf einen großen schwarzen Kaffee und eine Kirschtasche mit ihr in ihrer Bäckerei ein. Pepper freute sich auf diese Gelegenheiten, bei denen sie über aktuelle Ereignisse, die Bäckerei oder Gott weiß was plauderten. Sie hatte einen neuen Freund gefunden, einen guten Freund.

Aus heiterem Himmel hatte er ihr dann angeboten, die Party zur Feier der Expansion von Ross Toys auszurichten. Zuerst war sie überrumpelt gewesen, denn sie hatte nicht gewusst, wie er mit Nachnamen hieß. Doch als sie erfuhr, dass er der Simon Ross von Ross Toys war, fiel ihr nichts mehr ein. Für Pepper war sein Angebot ein krönender Erfolg. Ross Toys war eines der größten Unternehmen im Lande.

Heute war Mr. Ross – sie bestand darauf, ihn für die Dauer der Party so anzusprechen – der Gastgeber, sie war die Bäckerin. An diesem Tag waren sie nicht die Freunde, die zusammen Kaffee tranken. Beide hatten ihre Aufgabe, mussten Erwartungen erfüllen. Die Eröffnung einer neuen Ladenkette, Ross’ Haustierparadies, war angekündigt worden. Reden wurden gehalten. Danksagungen wurden herausgegeben. Und Prognosen wurden gestellt, während Pepper und ihre Belegschaft das Büfett auffüllten.

Pepper hatte gerade ihren Angestellten geholfen, leere Tabletts in den Lieferwagen zu laden. Sie war mit dem eigenen Wagen gekommen, und bevor sie heimfuhr, musste sie noch aufräumen.

Sie eilte durch die Hintertür ins Gebäude und stoppte unvermittelt. Simon stand da, keine drei Meter von ihr entfernt. Er war kein x-beliebiger New Yorker Geschäftsmann, sondern zum begehrtesten Junggesellen der Stadt sowie zum Geschäftsmann des Jahres gekürt worden. Außerdem war er der Firmenchef und Gründer von Ross Toys, also eine verflixt gute Partie.

Im Augenblick war er mit einem Mann in schwarzem Anzug mit schwarzer Krawatte ins Gespräch vertieft. Bevor Pepper sich diskret an den Männern vorbeischlängeln konnte, fing Simon ihren Blick ein, nur für einen flüchtigen Augenblick, aber doch lange genug, um ihr Herz zum Rasen zu bringen. Hitze stieg ihr in die Wangen. Was war los mit ihr? Warum konnte sie ihn nicht wie jeden anderen Kunden behandeln?

Eine höhnische innere Stimme sagte ihr, dass er eben nicht nur ein Kunde war. Mittlerweile war er ein Freund. Und außerdem war er ein scharfer Typ. Pepper hatte nicht gewusst, dass ein Mann im Anzug so gut aussehen konnte.

Sie ging weiter zu den Büfett-Tischen, auf denen noch die feinen weißen Leintücher lagen. Sie hob einen Zipfel einer langen weißen Tischdecke an …

„Kann ich mit anfassen?“

Sie musste sich nicht umsehen, um zu wissen, dass diese tiefe, weiche Stimme zu niemand anderem als Simon gehörte. Ihr Magen flatterte vor Nervosität. Sie warf einen Blick über die Schulter, als Simon näher kam. „Vielen Dank. Aber ich habe alles im Griff. Musst du dich nicht von deinen Gästen verabschieden?“

Seine Miene verfinsterte sich.

„Verzeihung.“ Diesen scharfen Ton hatte sie nicht beabsichtigt. „Das sollte nicht so abweisend klingen. Ich möchte dich nur nicht deinen Gästen vorenthalten.“

„Sie sind inzwischen alle gegangen.“ Ein Lächeln breitete sich auf seinem schönen Gesicht aus, und ihr Herz schlug schneller. „Also sag schon, was kann ich tun?“

„Du kannst mir helfen, das Tischtuch zusammenzufalten.“

Er ging ans andere Ende des Tisches und ergriff das Tuch bei den Ecken. Pepper und er gingen aufeinander zu. Ihr Puls raste, ihre Knie wurden zu Pudding. Mit Mühe setzte sie einen Fuß vor den anderen und fragte sich die ganze Zeit, ob Simon ihr Herz hämmern hören konnte.

Und als sie die Stoffbahn an den Kanten zusammenlegten, streiften sich ihre Finger. Das Erwachen ihrer Sinne lenkte ihren Blick auf seinen Mund, auf seinen äußerst küssenswerten Mund. Mit der Zungenspitze befeuchtete sie ihre Lippen.

Eine endlose Sekunde lang hielten sie beide inne. Es war, als stünde die Zeit still. Ein Energiestoß ging durch Peppers Körper.

Sie hob das zusammengelegte Tischtuch an. „Mr. Ross, ich glaube, Ihre Veranstaltung war ein großer Erfolg.“

Er zog eine Braue hoch. „Seit wann siezt du mich?“

Sie sah sich kurz um. „Jemand könnte uns hören.“

„Und das wäre ein Problem für dich?“

Er hatte recht. Sie steigerte sich zu sehr in Etikette und Anstandsregeln hinein. Trotzdem vergewisserte sie sich noch einmal, ob nicht noch einer der anderen Servicekräfte in der Nähe war.

„Meinen Glückwunsch zur neuen Ladenkette.“ Sie nahm Simon das Tischtuch ab und verstaute es in einer Kiste. „Deine Gäste waren offenbar begeistert von der Idee.“

„Danke. Jetzt dauert es nicht mehr lange. Der erste Laden eröffnet kurz vor Weihnachten.“

„Darf ich dich etwas fragen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Nur zu.“

„Wenn du so tierlieb bist, dass du sogar eine Ladenkette für Tierbedarf eröffnest, warum hast du dann kein eigenes Haustier?“

Simon wollte nicht an die Zeit zurückdenken, als er sich nichts sehnlicher als einen kleinen Hund gewünscht hatte. Aber die Tür zur Vergangenheit war einen Spaltbreit aufgestoßen worden, und jetzt quollen die Erinnerungen heraus und bestimmten sein Denken.

Er dachte an den kleinen schwarzen Welpen, den er so sehr ins Herz geschlossen hatte. Die Hündin der Nachbarn hatte geworfen. Und Clay, sein bester Freund, hatte ihm einen Welpen angeboten. Heimlich hatte er den Hund mitgenommen nach Hause. Niemand sollte davon wissen, denn wenn sie nichts wussten, konnten sie ihm die Freude nicht verderben.

Doch zwei Tage später fand sein Vater es heraus, und Simon musste einen hohen Preis bezahlen. Geistesabwesend rieb er seinen rechten Arm. Er verbot sich, weiter darüber nachzudenken, nicht bereit, seine grauenhafte Vergangenheit zu offenbaren, nicht einmal dieser wunderbaren Frau an seiner Seite.

„Es handelt sich um eine klassische Tierhandlungskette, sondern um Läden für Haustierspielzeug.“

„Und da besteht ein Unterschied?“

Er nickte. „Wir verkaufen kein Futter oder Haustierbedarf. Wir schneiden unser Angebot auf den Unterhaltungswert für die vierbeinigen Freunde unserer Kunden zu.“ Seine Miene verdüsterte sich. „Und ich besitze kein Haustier, weil es mir so gefällt.“

„Verzeihung. Ich wollte dir nicht zu nahetreten.“

Simon räusperte sich. „Ich finde, wir können heute Abend beide ganz zufrieden sein. Hast du sämtliche Visitenkarten verteilt?“

„Beinahe.“ Sie zog etwa ein Dutzend Karten aus ihrer Tasche.

„Bald wirst du reichlich zu tun haben.“

„Das hoffe ich.“

„Glaube mir. Ich sage dir eine strahlende Zukunft voraus.“ Er lächelte sie an.

Ihr wurde flau im Magen. Kein Mensch hatte das Recht, so sexy zu lächeln. Wovon redeten sie überhaupt? Sie brauchte eine Sekunde, dann hatte sie ihre Gedanken wieder beisammen.

Sie sah ihn an, viel, viel länger, als nötig gewesen wäre. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. „Ich … Ich möchte dir dafür danken, dass du mich … meine Bäckerei engagiert hast.“

Ach, warum stolpere ich über meine Zunge? Es ist ja nicht so, dass ich ein Date mit ihm hätte oder so.

Er lächelte. „Kein Grund, mir zu danken. Ich wollte die Beste. Und du bist die Beste.“

Heiß stieg ihr die Röte ins Gesicht. Sie hob den Blick. „Danke. Ich sollte jetzt lieber gehen.“ Sie stockte kurz. „Du hast sicher noch Pläne.“

Sie hätte gern gefragt, ob er eine Freundin hatte, aber es ging sie nichts an. Und er sollte bloß nicht denken, sie würde ihn anbaggern; das wäre das Ende ihrer unbefangenen Freundschaft. Außerdem war Freundschaft das Äußerste, was sie irgendwem zu bieten hatte. Die Vorstellung, jemanden in ihr Herz zu lassen und womöglich noch einen Menschen zu verlieren, machte ihr Angst.

„Ausnahmsweise habe ich heute nichts vor.“

Sie sah ihn überrascht an. „Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie es wäre, ein Unternehmen dieser Größenordnung zu führen. Meine kleine Bäckerei hält mich doch schon von morgens bis abends auf Trab. Es ist sicher eine Ausnahme, dass du heute nichts mehr zu tun hast, oder?“

Er lächelte. „Da hast du recht. Hast du denn heute Abend noch etwas vor?“

„Nein.“ Das Wort war ihr entschlüpft, bevor sie es verhindern konnte.

Simon hob die Kiste auf. „Ich bringe die Sachen zu deinem Wagen. Wie wäre es, wenn wir dann gemeinsam etwas essen gehen?“

Pepper schluckte: „Du meinst als eine Art Geschäftsessen?“

Er rückte näher an sie heran und sagte mit gedämpfter erotischer Stimme: „Ich hatte eher etwas Privateres im Sinn. Ist das ein Problem?“

War das eine letzte Warnung? Da sie beide aus völlig verschiedenen Welten stammten, wäre ein Nein sicher klug gewesen. Doch Simon zog sie an wie kein anderer Mann in ihrem Leben.

„Ich geh gern mit dir essen.“

Er senkte die Stimme. „Du hast keine Ahnung, wie lange ich dich schon einladen will.“

„Tatsächlich?“

Er nickte. „Du faszinierst mich.“

Ein Prickeln lief über ihren Rücken. „Warum hast du mich dann nicht gefragt?“

Er stellte die Kiste auf einem Tisch ab. „Es war nie der richtige Zeitpunkt. Ich war zu sehr mit den Plänen für dieses neue Projekt beschäftigt, und du hattest genug in deiner Bäckerei zu tun.“

Vorsichtig streckte er die Hand nach ihr aus und streichelte mit dem Daumen sanft ihre Wange. „Du bist so schön.“

Pepper schmiegte sich in seine Berührung. Er sah ihr in die Augen, als bräuchte er diese Verbindung dringender als die Luft zum Atmen. Und dann senkte er den Blick ein wenig. Ihr Herz hüpfte vor freudiger Erwartung. Gleich würde er sie küssen.

Ihr stockte der Atem. Als Simon den Kopf senkte, gab sie sich ganz dem Augenblick hin. Sie schloss die Augen. Und dann schmiegte sie sich in seine Arme. Sie legte die Hände flach auf seinen muskulösen Oberkörper und ließ sie langsam hinauf zu seinen Schultern gleiten.

Der Kuss, zunächst zärtlich, wurde leidenschaftlicher. Sein Mund bewegte sich auf ihrem, seine Zunge erforschte ihren Mund, und Pepper überließ sich der Ekstase.

Krach!

Pepper fuhr zurück. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie presste eine Hand auf ihre empfindlichen Lippen, während sie den Blick durch den Konferenzsaal schweifen ließ und nach dem Ursprung des Lärms suchte. Dann entdeckte sie die Kiste auf dem Boden. Sie mussten sie angestoßen haben, als sie sich küssten.

„Mist!“

„Keine Sorge. Ich helfe dir beim Aufräumen.“

Gemeinsam ließen sie sich auf die Knie nieder. Pepper richtete die Kiste mit dem verbleibenden Inhalt auf. Simon reichte ihr die verstreuten Teile. Blitzschnell war die Unordnung beseitigt.

Als beide sich wieder aufgerichtet hatten, beugte Simon sich vor und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen, nur kurz, aber er ließ keinen Zweifel daran, dass die Chemie zwischen ihnen stimmte, knisternd, leicht entflammbar.

Pepper schluckte, ihr Herz hämmerte. Sie folgte Simons Bewegungen mit dem Blick. Sie musste etwas sagen. Ja, sie durfte sich nicht anmerken lassen, dass seine Berührung sie bis ins Innerste erschüttert hatte.

Sie riss sich zusammen und lächelte ihn an. Er durfte einfach nicht sehen, wie sehr er ihr unter die Haut ging. „Wofür war das denn?“

Er lächelte sie an. Es war ein träges Lächeln, das nur ein bisschen von seinen regelmäßigen weißen Zähnen zeigte. Ihr wurde flau im Magen. Kein Mann hatte das Recht, so gut auszusehen.

Seine Stimme hatte ein volles Timbre. „Ich brauchte etwas, was mir bis zum Nachtisch über die Runden hilft.“

Jetzt flirtete er wieder mit ihr, und es gefiel ihr, er gefiel ihr. Und wie er sie ansah, es war, als liebte er sie mit Blicken. Sie war nicht mehr das Aschenputtel, sie war zur Märchenprinzessin erblüht.

Ihr Blick folgte den scharfen Konturen seines Gesichts, den breiten Schultern und der muskelbepackten Brust. O ja, er war eindeutig ihr Prinz.

1. KAPITEL

Sieben Wochen später …

Märchen haben einen Haken …

Sie endeten im wahren Leben nicht immer mit: „… und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.“

Pepper spähte durch das weihnachtlich dekorierten Schaufenster der kleinen Konditorei und entdeckte keine Reporter. Sie atmete erleichtert auf. Es war das erste Mal seit Wochen. Sieben ganze Woche plus einen Tag wurde sie nun schon von den Paparazzi verfolgt.

Und sie hatte es satt.

Aber endlich hatte sie Ruhe.

Letztendlich hatte sie nichts Falsches getan, außer, dass sie mit einem Mann im Bett gewesen war, von dem sie glaubte, dass er … Na, egal, was sie geglaubt hatte, denn sie hatte sich geirrt, was ihn, den gemeinsamen Abend, sie beide betraf. Und jetzt wollten die Journalisten einen Kommentar.

Sie hatte die Tage gezählt, seit ihre Nacht der Leidenschaft in einem Morgen der Reue übergegangen war. Fünfzig Tage waren vergangen, seit sie in Simon Ross’ Armen gelegen hatte. Neunundvierzig Abende, seit sie die herrlichste Nacht mit ihm verbracht hatte. Und sieben lange Wochen, seit ihr Leben nicht mehr ihr Leben war.

Und ein ganzes Leben, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte.

Nicht, dass Simon ihr fehlte. Überhaupt nicht.

Gleich am Morgen, nachdem ihr Märchen begonnen hatte, hatte sich ihr Leben in einen Albtraum verwandelt. Ein Fotograf hatte sie entdeckt, als sie in den frühen Morgenstunden Simons Haus verließ. Woher er wusste, dass sie von allen Wohnungen in dem Hochhaus ausgerechnet aus Simons Apartment kam, war ihr ein Rätsel. Vielleicht hatte der Portier geplaudert oder ein neugieriger Nachbar, der scharf auf schnelles Geld war, oder womöglich hatte jemand gesehen, wie sie sich nach Simons großer Bekanntgabe küssten.

Dann hatte Simon angerufen. Als Erstes kam ihm eine Bitte um Entschuldigung über die Lippen.

Das Herz war ihr bleischwer geworden. Es lag auf der Hand, dass er ihre gemeinsame Nacht bereute, und alles, was ihrer Meinung nach zwischen ihnen gewesen war, erwies sich als nichts weiter als pure Einbildung ihrerseits. Doch dann schickte er ihr einen Link zu einer Webseite mit einem Foto, auf dem sie sich nach der Party küssten, und ihr wurde klar, wofür er sie um Entschuldigung bat.

Milliardenschwerer Junggeselle mit seiner neuen Liebe!

Die Schlagzeile war empörend. Wie hatte ihre kurze Beziehung zur Presse durchsickern können?

Zu diesem Zeitpunkt war ihr klar, dass sie einen Schlusspunkt ziehen musste, bevor Simon es tat. Sie erklärte ihm, dass sie sich einfach von der Situation hatten hinreißen lassen und dass es vorbei war. Er hatte kein Wort gesagt. Offenbar war er der gleichen Meinung. Das war’s dann. Keine Diskussionen. Nichts. In der Nacht hatten sie sich geliebt, am nächsten Morgen war es vorbei.

Die Reporter wussten nicht, dass sie nichts weiter als eine kurze Affäre mit Simon gehabt hatte. Sie erwog, den Fotografen zu sagen, dass sie ihre Zeit vergeudeten, doch ihr verletzter Stolz und ihr wundes Herz bewirkten, dass sie die Worte tief in sich verschloss.

Nur eine Liebesnacht, dann Hochzeitsglocken!

Mal im Ernst, wer dachte sich diese unverschämten und völlig falschen Schlagzeilen aus?

Peppers Freunde fühlten mit ihr. Und rieten ihr, die positiven Seiten zu sehen: Die Bäckerei florierte besser denn je. Sie hatten recht. Ihr Geschäft blühte.

Milliardenschwerer Junggeselle orientiert sich neu …

Eben noch spekulierten die Reporter mit einem Foto, das ganz eindeutig nicht Simon und sie abbildete, über eine bevorstehende Hochzeit, im nächsten Moment hieß es, er habe sich neu orientiert. Diesmal zeigte das Foto aber unverkennbar Simon. Eine Woche nach der Party war er auf der Premiere eine Broadway-Show mit einer langbeinigen Blondine im Arm abgelichtet worden. Als Pepper das Foto sah, weigerte sie sich, sich den scharfen Schmerz einzugestehen.

So viel dazu, dass ihr besonderer Abend Simon etwas bedeutet hätte. Pepper biss die Zähne zusammen. Zu seinem eigenen Glück war Simon schon lange nicht mehr morgens bei ihr in der Bäckerei aufgetaucht. Sonst hätte sie ihm womöglich den Kaffee ins Gesicht geschüttet.

Und der Teil von ihr, der sein strahlendes Lächeln vermisste und sein Flirten, das ihr das Gefühl gab, die schönste Frau auf der Welt zu sein? Nun, den brachte sie zum Schweigen. Simon war es nicht wert, vermisst zu werden. Simon Ross wurde seinem Ruf als bindungsunwilliger Playboy gerecht.

Die leichten Kopfschmerzen, die sie schon ein paar Tage hatte, schob sie auf die allgemeine angespannte Situation. Nicht nur, dass sie unter Liebeskummer litt …

Zusätzlich zu dem Ärger mit Simon hatte eine Straße weiter eine neue Bäckerei eröffnet. Und ihr Geschäft war spontan eingebrochen. Neugierig auf das Angebot des neuen Ladens wanderten viele Kunden ab.

Der neue Laden zog alle Register mit Anzeigen, Radiowerbung und sonstiger Reklame. Er gehörte zu einer landesweiten Kette, die es sich leisten konnte, die Konkurrenz mit ihren Preisen zu unterbieten und aus dem Geschäft zu drängen. War das geschehen, schossen die Preise in die Höhe. Frechheit!

Doch Pepper gab nicht so schnell auf. Sie hatte alles, was sie besaß, in die kleine Konditorei gesteckt! Es war ihr Traum, ein Traum, um den es sich zu kämpfen lohnte, auch wenn sie dafür rund um die Uhr arbeiten müsste. Die Konkurrenz konnte die Preise nicht für immer niedrig halten. Das hoffte Pepper zumindest.

Inzwischen übernahm sie das Catering für jede noch so kleine Feier, die sie in ihren Kalender zwängen konnte. Es war anstrengend, doch ohne Fleiß kein Preis, wie ihre Großmutter immer gesagt hatte.

Weihnachten stand vor der Tür, ein Fest, das Pepper über alles liebte. Weihnachten war zauberhaft und brachte das Beste in den Menschen zum Vorschein. Sie waren ein bisschen netter zueinander, hielten einander die Tür auf, lächelten oder nickten einander zu. Für Pepper hätte das ganze Jahr über Weihnachten sein dürfen.

Jetzt wurde es beinahe Zeit, den Laden zu öffnen. Sie liebte die frühen Morgenstunden. Für sie war jeder Tag ein neuer Anfang mit neuen Möglichkeiten.

Sie schaltete die Stereoanlage ein, und aus den Boxen ertönte Michael Bublés tiefe Stimme mit einem Weihnachtssong. Pepper blickte hinaus in das Schneetreiben. Es war wirklich ihre Lieblings-Jahreszeit.

Am Tag zuvor war ein Sonntag gewesen, der einzige Tag in der Woche, an dem die Bäckerei geschlossen blieb. Sie hatte die freie Zeit genutzt, um alles weihnachtlich zu schmücken. Einen Großteil der Dekorationen hatte sie selbst gebacken oder gebastelt.

Sie blieb vor der Vitrine stehen und begutachtete ihr Werk. In den Hängeregalen an der Ziegelwand, wo normalerweise antikes Geschirr stand, hatte sie Lebkuchenfiguren aufgestellt, aufgepeppt mit roten Schleifen, Tannengrün, Tannenzapfen und hier und da einer Weihnachtssternblüte.

Während sie sich anschaute, was sie geleistet hatte, wurde ihr bewusst, dass das alles ihr Werk war. Sie hatte alles allein gemacht. Und sosehr sie diese Bäckerei auch liebte, würde sie sie doch aufgeben, wenn sie dafür ihre Familie zurückbekäme. Die Freude, die die Bäckerei in ihr Leben brachte, ersetzte ihr nicht die Familie, schon gar nicht in der Weihnachtszeit.

Allein durchs Leben zu gehen war nicht das, was sie von ihrer Zukunft erhofft hatte. Aber so war es nun mal. Jede Person, die ihr etwas bedeutete, war aus ihrem Leben gerissen worden.

Nach und nach hatte sie gelernt, ihre Gefühle vor anderen zu verschließen. Der Tod ihrer Großmutter war der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Das war’s. Damit war der Schutzwall geschlossen, den sie um ihr Herz gelegt hatte. Sie hatte genug von Liebe und Verlust.

Pepper drehte den Schlüssel im Schloss der Eingangstür. Sie lächelte, als erste Sonnenstrahlen den tintenschwarzen Himmel erhellten. In der Nacht war Schnee gefallen und hatte das Gras zugedeckt, aber nicht die Straße.

Langsam trat sie hinter den Tresen und wartete auf die ersten Kunden. Ihr Blick streifte den Plüschhund, den sie schon als kleines Mädchen besessen hatte. Als sie ein Kind war, lebten sie in einer Wohnung – einer kleinen Wohnung –, in der keine Haustiere erlaubt waren. Und sie hatte sich so schmerzlich einen Hund gewünscht. Zu jedem Geburtstag, zu jedem Weihnachtsfest, wenn jemand sie nach ihren Wünschen fragte, antwortete sie: „Ein Hund.“

Sie tat ihrer Mutter so leid, dass sie Pepper diesen Plüsch-Beagle schenkte und ihr versprach, dass sie einen richtigen Hund bekommen würde, wenn sie eines Tages in eine größere Wohnung zogen, in der Haustiere erlaubt waren. Doch dieser Tag war nie gekommen.

Im zarten Alter von acht Jahren verlor Pepper ihre Mutter, durch ein Auto, das die rote Ampel überfuhr, als ihre Mutter die Straße überquerte. Pepper war zu ihrer Großmutter gezogen, die allergisch auf Tierhaare reagierte. Bugles McBeagle hatte sie begleitet.

Seufzend strich sie mit einem Finger über das Plüschfell des Stofftieres und schwor sich, dass sie eines Tages einen Hund haben würde. Allerdings noch nicht heute.

Dank der getönten Heckscheiben des Fahrzeugs konnte ihn niemand erkennen. Simon konnte ungehindert die vorüberziehenden Gebäude und geschäftigen Menschen auf dem bevölkerten Gehsteig betrachten. In den vergangenen paar Wochen hatte er oft an Peppers kleine Bäckerei gedacht. Er versuchte, sich einzureden, dass er den Kaffeeduft vermisst hatte, doch es war mehr. Das Gesicht von Pepper tauchte vor seinem geistigen Auge auf. Er sah, wie sich beim Lächeln ihre vollen Lippen öffneten und in den Mundwinkeln hoben, wobei sich die rosigen Wangen leicht rundeten. Mehr noch, wie ihre Augen blitzten, sodass das Grün ihn an Edelsteine erinnerte.

Und dann drängte sich eine viel traurigere Erinnerung in den Vordergrund: sein letztes Gespräch mit Pepper, ohne Lächeln, ohne Freundlichkeit. Sie hatte ihn eiskalt abserviert. So etwas war er nicht gewohnt, ganz und gar nicht. Stets war er derjenige, der eine Beziehung beendete, nicht umgekehrt.

„Halten Sie dort drüben“, wies er seinen Chauffeur an und stieg dann aus.

Normalerweise fuhr er selbst, Parkplätze waren hier zu dieser Tageszeit knapp und so hatte er es für klüger halten, sich fahren zu lassen. Er hatte erwogen, Pepper anzurufen, doch irgendwie kam es ihm nicht richtig vor.

Sosehr es Simon auch drängte umzukehren, setzte er doch einen Fuß vor den anderen. Die Straßen waren weihnachtlich dekoriert, an jedem Laternenpfahl hing ein großer Kranz mit einer roten Schleife. Schaufenster boten Weihnachtsszenen, Weihnachtsmänner und Weihnachtsbäume; man tat alles, um die Passanten in Weihnachtsstimmung zu versetzen, alle außer Simon.

Doch als er sich dem großen Schaufenster der Bäckerei näherte, verlangsamte er seine Schritte. Himmel! Die Dekoration war ein echtes Kunstwerk und bestand vollkommen aus Backwaren.

Es war eine Winterszene mit einem Tannenbaum, an dem mit Zuckerguss verzierte Lebkuchen hingen. Unter dem Baum stand ein Knusperhäuschen, das direkt aus einem Märchen zu entstammen schien! Es war liebevoll dekoriert und hatte vier mit weißem und rosa Zuckerguss verzierte Etagen. Simon musste nicht lange überlegen, um zu wissen, dass es Peppers Werk war. Begabt, wie sie war, hatte sie sogar Fensterläden aus weißem Zuckerguss und einen Schornstein angebracht.

Simon holte tief Luft, straffte die Schultern und öffnete die gläserne Ladentür. Der Verkaufsraum war leer, nicht ein einziger Kunde war zugegen. Sicher, es war kurz nach drei Uhr nachmittags, aber nach Peppers Worten gingen den ganzen Tag über Kunden in der Bäckerei ein und aus.

Er trat tiefer in den Ladenraum und sah, dass die Vitrinen so voll waren, als wäre den ganzen Tag über kein Gebäck verkauft worden. Wie konnte das sein? Pepper bot doch die bei Weitem besten Backwaren in der Stadt an.

„Ich bin gleich bei Ihnen.“ Die Stimme klang unbeschwert und freundlich, so, wie er sie in Erinnerung hatte, bevor alles außer Kontrolle geraten war.

Er wandte sich Pepper zu, gefasst auf ihren zornigen Wortschwall. Sie stand mit dem Rücken zum Tresen und schien etwas in ein Regal einzusortieren.

Und dann drehte sie sich um, ein Lächeln auf den Lippen. Ihr schönes langes kastanienbraunes Haar war kunstvoll am Hinterkopf hochgesteckt. Das Licht setzte tiefrote Akzente in ihrem Haar. Den Pony hatte sie zur Seite frisiert, und im Nacken ringelten sich ein paar feine Löckchen. War dies der eigentliche Grund für sein Kommen? Um sie noch einmal zu sehen, ihre Schönheit auf sich wirken zu lassen?

Als sie ihn erkannte, wich ihre Freundlichkeit purem Zorn. „Du.“ Ihre grünen Augen blitzten. „Was willst du hier?“ Dann hob sie eine Hand, wie um ihn am Sprechen zu hindern. „Egal. Ich will es nicht wissen. Geh einfach, bevor dich jemand hier sieht.“

„Pepper, wir müssen reden.“

Sie schüttelte den Kopf. „Wenn man dich hier entdeckt, kommt die Presse wieder her. Das halte ich nicht aus. Geh einfach.“

Er wusste, wie unangenehm die Reporter sein konnten, wenn sie glaubten, einer Story auf der Spur zu sein. „Ich habe Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Niemand weiß, dass ich hier bin.“

Sie schluckte. „Sie werden es trotzdem herausfinden. Sie haben sogar in meiner Vergangenheit gegraben. In meiner Vergangenheit! Leute, von denen ich dachte, nie wieder mit ihnen reden zu müssen, haben Interviews über mich gegeben. Weißt du, wie es ist, wenn jemand dermaßen in deine Privatsphäre eindringt?“

„Ich weiß es. Und es tut mir leid.“ Seit sein Unternehmen so groß geworden war, war sein gesamtes Leben in den Zeitschriften beleuchtet worden. Es war schwer, doch er hatte sich einigermaßen daran gewöhnt. „Hör dir nur an, was ich zu sagen habe, dann gehe ich wieder.“

Sie sah ihm tief in die Augen. „Mach’s kurz.“

„Wo sind all deine Kunden geblieben?“ Er ahnte, dass hier etwas absolut nicht stimmte. „Und warum sieht es so aus, als hättest du heute noch gar nichts verkauft?“

„Hier hat sich einiges geändert. Ich habe keine Zeit zum Plaudern. Ich muss arbeiten.“ Sie drängte sich an ihm vorbei, sehr auf Abstand bedacht, um nicht mit ihm auf Tuchfühlung zu geraten.

An der Eingangstür drehte sie das Schild auf „Geschlossen“. Ihm entging nicht, wie sie mit gerecktem Hals einen Blick die Straße hinauf und hinunter warf, um sich zu vergewissern, dass niemand Simon in ihrem Laden gesehen hatte.

„Ich muss mit dir reden.“

Sie schüttelte den Kopf. „Lass uns doch so tun, als würden wir uns nicht kennen. Das Leben wäre viel einfacher.“

Er wollte, er könnte die Zeit zurückdrehen. „Dafür ist es zu spät.“

Sie sagte nichts darauf, ging an ihm vorbei in den rückwärtigen Teil des Ladens. Ihre Feindseligkeit konnte er nicht verstehen. Hätte er ihr den Laufpass gegeben, dann, ja. Aber sie hatte Schluss gemacht. Klar, er hatte es geplant, aber sie war ihm zuvorgekommen.

Er folgte ihr schweigend in ein kleines, kahles Büro. Ein einsamer Schreibtisch bog sich nahezu unter einem Berg von Papierkram. Pepper griff nach einem kleinen gesteppten Rucksack mit rot-weißem Muster und nach ihrem Laptop.

Als sie sich zur Tür umdrehte, stieß sie praktisch mit ihm zusammen. Sie blickte zu ihm auf, als hätte sie sich in Gedanken verloren und ihn völlig vergessen. Sein Ego musste von allen Seiten Dämpfer einstecken. Er wusste immer noch nicht, was sie so gegen ihn aufbrachte.

Wie gehetzt blickte sie auf ihre Uhr. „Falls du gekommen bist, um über die Vergangenheit zu reden, lass es. Es war ein dummer Fehler und kommt nicht wieder vor.“

Hätte er noch bezweifelt, dass es ihr Ernst war, hatte er nun die Antwort. Sie wollte nichts mit ihm zu tun haben. Das erlebte er zum ersten Mal. Pepper war eindeutig völlig anders als alle anderen Menschen in seinem Leben.

In erster Linie deswegen hatte Pepper ja einen solchen Reiz auf ihn ausgeübt. Sie war kein leichtes Opfer. Sie legte es nicht darauf an, möglichst viel aus ihm herauszuschlagen. Sie war frei und selbstständig und lebte ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen.

Ohne sich um ihn zu kümmern, ging sie in die Backstube, legte ihre Sachen auf einem Tisch ab, wusch sich die Hände und machte sich an die Arbeit, als wäre Simon gar nicht vorhanden.

„Warum bist du so sauer auf mich?“ Er stand jetzt am Eingang zur Backstube mit all ihren blitzblanken Arbeitsflächen. „Wenn ich mich recht erinnere, hast du mich doch abserviert.“

Ihre Wangen röteten sich. „Ich habe dich nicht abserviert.“

„O doch. Also warum bist du jetzt so sauer auf mich?“

Sie fuhr herum und sah ihn hitzig an. „Ich bin nicht sauer.“

Er zog skeptisch eine Braue hoch und wartete auf Peppers Erklärung. Wenn er es verdient hatte, war er durchaus bereit, Fehler einzugestehen. Doch in diesem Fall hatte er nichts Falsches getan. Überlegungen, die Beziehung im Keim zu ersticken, zählten nicht. Pepper mochte über eine gute Menschenkenntnis verfügen, konnte jedoch keine Gedanken lesen.

Sie seufzte. „Du hast recht. Ich lasse meinen Frust an dir aus.“ Sie hielt inne, als müsste sie ihre Worte mit Bedacht wählen. „Ich … Es tut mir leid.“ Sie streifte ihn flüchtig mit einem Blick, wandte sich aber ab, bevor er ihre Gedanken erraten konnte. „Das Geschäft läuft nicht besonders gut.“ Sie rührte in einem Topf, in dem sie Zucker schmelzen ließ. „Aber du bist nicht hier, um dir meine Sorgen anzuhören.“

Endlich redete sie wieder wie die Pepper, die er kennengelernt hatte und die ihm vertraut war. „Würdest du glauben, dass ich nicht fernbleiben konnte, weil ich deine Kirschtaschen so sehr vermisst habe?“

Sie neigte den Topf und ließ den geschmolzenen Zucker kreisen, sagte aber nichts.

Das Schuldgefühl, das er schon die ganze Zeit mit sich herumgetragen hatte, wuchs.

„Pepper …“

„Gib mir noch eine Minute.“ Sie konzentrierte sich voll auf ihre Arbeit, und er konnte es ihr nicht verübeln. Was sie dort schuf, grenzte an Zauberei.

Er hätte sich beeilen müssen. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit, aus der Stadt heraus zu seinem Landsitz zu kommen, wo die große Weihnachtsfeier stattfand. Doch er rührte sich nicht, sondern stand da und sah Pepper bei der Arbeit zu.

Irgendwann straffte sie sich, sah Simon an und blinzelte überrascht, als hätte sie vergessen, dass er immer noch auf eine Unterredung mit ihr wartete. Und dann ließ sie den Blick zu der Uhr oberhalb seines Kopfes schweifen.

„Ich muss mich beeilen.“ Sorgenfalten durchzogen ihre Stirn.

„Was passiert, wenn du nicht fertig wirst?“ Er wusste, dass viel auf dem Spiel stand, fragte sich aber, wie viel genau.

Pepper schüttelte den Kopf und packte Muffins in Schachteln. „Das darf nicht passieren.“

Er trat an ihre Seite und legte den Deckel auf eine gefüllte Schachtel. „Pepper, hör bitte für einen Moment auf.“

Sie wandte sich ihm zu. „Simon, tut mir leid. Ich habe einfach keine Zeit zum Reden. Ich muss das Catering für eine überaus wichtige Party liefern.“

„Darum geht es ja.“

„Worum?“

Er fing ihren Blick ein. „Um die Party. Es ist meine.“

„Deine?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe mit einer Frau gesprochen. Elaine Sowieso. Ihr voller Name steht auf der Bestellung. Und diese Party findet irgendwo auf dem Land statt.“

Er nickte. „Elaine Haskins ist meine Sekretärin, und die Party ist auf meinem Anwesen in Connecticut.“

Peppers Gesicht verriet ihre Ratlosigkeit. Sie sagte kein Wort, musste diese Information erst einmal verarbeiten.

„Tut mir leid“, sagte er. „Es ist meine Schuld. Auf der Party im Büro hast du bei allein einen so guten Eindruck hinterlassen, dass Elaine dich auf die Liste unserer Caterer gesetzt hat. Nach dem, was zwischen uns vorgefallen ist, habe ich vergessen, sie aufzuklären. Ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn du den Auftrag ablehnen willst.“

„Ablehnen?“ Sie straffte die Schultern und hob das Kinn. „Das kann ich gar nicht.“

„Nicht?“ Er war verwirrt.

„Hier geht es ums Geschäft. Es ist nichts Persönliches. Ich kann nicht glauben, dass ich dir das erklären muss.“

Und dann kam ihm der leere Verkaufsraum der Bäckerei in den Sinn, die Menge an unverkauften Backwaren. Irgendetwas war passiert, und er fragte sich, ob es mit dem Medienrummel nach ihrer gemeinsamen Nacht zu tun hatte. Er biss die Zähne zusammen. Er war so an die Reporter gewöhnt, dass er gar nicht überlegt hatte, welche Wirkung sie auf Pepper haben mochten.

Simon schaute sich um. „Bist du allein hier?“

Sie nickte. „Keine Sorge. Auf deinem Landsitz erwarten mich ein paar Mitarbeiter.“

„Lass mich dir helfen.“ Er zog seinen Mantel aus.

„Das ist nicht nötig.“

„Doch. Ich kann dir wenigstens beim Einpacken helfen.“ Er verlor kein Wort darüber, dass ihm die dunklen Ringe um ihre Augen aufgefallen waren. Pepper arbeitete zu viel und bekam zu wenig Schlaf. Er konnte nur hoffen, dass nicht mehr dahintersteckte.

Sie arbeiteten Seite an Seite und verpackten sämtliche Köstlichkeiten. Simon stahl sich eine Kirschtasche, er mochte nicht länger warten. Schon seit Wochen litt sein Gaumen unter dem Entzug, und seine Beherrschung kannte Grenzen.

„Wie spät es geworden ist.“ Leise Panik schwang in Peppers Stimme mit. „Bei dem dichten Verkehr werde ich zu spät kommen.“

„Nicht, wenn wir jetzt gleich aufbrechen. Ich kenne ein paar Schleichwege.“

„Aber ich muss alles noch in den Lieferwagen laden.“

„Ich helfe dir.“

Dieses Mal leistete sie keinen Widerstand. Auf Karren schafften sie die Backwaren hinaus zum auffällig gepunkteten Lieferwagen. Das Logo der Bäckerei prangte in Kaugummirosa und Limettengrün auf weißem Untergrund. Simon musste lächeln. Es war einzigartig, genau wie die Besitzerin.

Er stieg aus dem Laderaum. „Wir sind startbereit.“

2. KAPITEL

Was hatte sie sich dabei gedacht?

Als sie das letzte Mal mit diesem Mann allein gewesen war, war ihre Welt aus den Fugen geraten. Pepper konzentrierte sich auf die stark befahrene Straße. Aber sie konnte Simons Anwesenheit nicht ignorieren. Seit er neben ihr saß, war ihr, als wäre das Wageninnere geschrumpft.

Er war ihr so nahe, dass sie nur die Hand auszustrecken brauchte, um ihn zu berühren, wie nach seiner Party anlässlich der Markteinführung seiner neuen Ladenkette. Auf dem Weg zu Simons Apartment hatten sie Händchen gehalten, gelacht, geredet. Ganz im Gegensatz zu jetzt.

Schweigend folgte sie Simons Anweisungen und suchte sich ihren Weg durch den dichten Verkehr. Trotz seiner Vorgaben kamen sie nicht sonderlich schnell voran.

Die Stille im Lieferwagen war ohrenbetäubend. Pepper streckte die Hand nach dem Radio aus und stellte einen Sender ein, der nur Weihnachtslieder spielte. Andy Williams sang „Sleigh Ride“. Das war wenigstens fröhlich, im Gegensatz zu ihrem Beifahrer. Sie drehte die Lautstärke auf.

Die Fahrt war viel schlimmer verlaufen, als er es sich vorgestellt hatte.

Zum Glück entwickelte die Weihnachtsfeier sich vergleichsweise gut.

Als Geschäftsmann hatte Simon keinerlei Vorbehalte gegen Pepper. Auf privater Ebene wünschte er sich, die Bekanntschaft mit ihr nicht auf die nächsthöhere Stufe geführt zu haben, auch wenn jene Nacht die wunderbarste seines Lebens gewesen war. Der Preis war zu hoch. Diese Nacht hatte ihn ihre Freundschaft gekostet. Erst danach hatte er erkannt, wie viel sie ihm bedeutet hatte.

Immer wieder ließ er den Blick zu Pepper hinüber wandern. Er redete sich ein, es wäre seine Aufgabe, das Personal im Auge zu behalten, sicherzustellen, dass die Party reibungslos lief. Er hatte sie telefonieren gesehen. Dass seine Angestellten Privatgespräche führten, während sie arbeiten sollten, konnte er nicht zulassen. Pepper drehte ihm den Rücken zu und ging in Richtung Küche, das Handy am Ohr.

Simon folgte ihr. Als er die Küche betrat, wäre er um ein Haar mit Pepper zusammengeprallt.

„Ist das wahr?“, sagte sie ins Handy. „Okay. Okay. Ich … Ich bin nicht in der Stadt. Ich komme, so schnell ich kann.“

Simon konnte ihr Gesicht nicht sehen, hörte aber das Zittern in ihrer Stimme. „Was ist passiert?“

Sie wandte sich ihm zu. Ihre Gesicht war weiß wie der Zuckerguss auf ihrem Gebäck. Tränen glitzerten in ihren Augen, doch sie sagte nichts.

„Was ist los?“, wiederholte er dringlicher.

„Ich muss los.“ Sie hastete zur Garderobe.

Er folgte ihr. „Wohin?“

Sie versuchte, in ihren Mantel zu schlüpfen, verfehlte jedoch den Ärmel. Beim zweiten Versuch klappte es. Ihre Bewegungen waren hastig und ruckartig. Sie flüsterte etwas Unverständliches.

„Was hast du gesagt?“

„Mein Rucksack. Ich brauche meinen Rucksack.“

Der Rucksack hing direkt vor ihrer Nase. Simon nahm ihn vom Haken. „Bitteschön. Nun sag schon, was ist los?“

„Keine Zeit, ich muss los.“

Ihn überkam Sorge. Er packte Pepper bei den Schultern. „Pepper, schau mich an.“ Als sie ihn aus großen Augen ansah, bat er: „Sag mir, was passiert ist.“

„Die Bäckerei. Sie steht in Flammen.“

„In Flammen?“ Mit so etwas hatte er nicht gerechnet. „Bist du sicher?“

„Der Sicherheitsdienst hat angerufen.“

„Okay.“ Er versuchte, die Information zu verarbeiten. „Vielleicht ist es falscher Alarm. Das passiert doch ständig.“

„Ich muss los.“ Sie sah aus, als überlegte sie, wie sie sich an ihm vorbeizwängen sollte, denn er blockierte den Durchgang.

Ausgeschlossen, dass sie in ihrem Zustand Auto fuhr. Bevor er wusste, ob es falsch oder richtig war, bot er ihr an: „Ich fahre dich.“

„Gut. Dann los.“

Dass sie keinen Widerstand leistete, verriet ihm, wie groß ihre Angst war, das Wichtigste in ihrem Leben zu verlieren. Er bestellte seinen Chauffeur zum Hintereingang.

Als sie im Fond der schwarzen Limousine saßen, lenkte der Fahrer den Wagen zügig in Richtung New York City. Simon wusste nicht, wie er Pepper trösten sollte. Sie knetete ihre Hände und sah aus dem Fenster.

Er wollte etwas sagen, etwas tun, um ihr die Sorge zu nehmen. „Alles wird gut.“

Sie fuhr ruckartig zu ihm herum und sah ihn aus angstvollen Augen an. „Das kannst du nicht wissen.“

Er nahm ihre Hand und drückte sie.

„Alles, was ich hatte, alles, was ich mir erträumt habe, steckt in der Bäckerei. Was soll ich machen?“

„Beruhige dich. Du weißt ja noch gar nicht, was passiert ist.“

Sie ließ ihre Hand in seiner. Sie fühlte sich gut dort an, so, als würden sie seit Jahren Händchen halten.

Rotlicht flackerte am Nachthimmel. Einsatzfahrzeuge und Passanten waren allgegenwärtig. Eine Nachrichtencrew filmte vor der Bäckerei oder dem, was von ihr übrig war.

„Das darf nicht wahr sein“, flüsterte Pepper entsetzt und hoffte inständig, aus dem Albtraum aufzuwachen.

„Pepper?“ Simons Stimme riss sie aus ihren aufgewühlten Gedanken.

Wie hatte das passieren können? Sie war so vorsichtig gewesen, hatte das Haus von oben bis unten neu verkabeln, eine kostspielige Alarmanlage installieren lassen. Sie hatte alles getan, was ihr in den Sinn gekommen war, und doch war es nicht genug.

„Pepper, wenn du lieber im Wagen bleiben willst, kann ich mit der Feuerwehr sprechen“, sagte Simon so sanft er konnte.

Sie schüttelte energisch den Kopf. Das hier war ihr Albtraum. Sie selbst musste sich der Katastrophe stellen. Pepper atmete tief ein und stieß einen zittrigen Seufzer aus.

Sie wusste nicht genau, wie sie es aus dem Auto und vorbei an dem Polizisten geschafft hatte, der die Leute von dem Brand fernhielt. Vor der kleinen Konditorei blieb sie stehen. Schwarzer Ruß bedeckte die Front. Stechender Rauchgestank hing in der Luft.

Tränen brannten in ihren Augen. Sie stand nur da und versuchte zu begreifen. Noch vor wenigen Stunden hatte sie ein Zuhause, ein Geschäft. Ihr Herz zerbrach in tausend Stücke. Jetzt besaß sie nichts mehr. Nichts als die Kleider, die sie am Leibe trug.

Ihr schnürte sich die Kehle zu. Ihre Knie wurden weich. Und plötzlich legte sich ein Arm um ihre Taille. Simon zog Pepper rücklings an sich und hielt sie aufrecht.

„Komm, ich bringe dich zurück zum Wagen“, sagte er sanft.

Sie traute ihrer Stimme nicht und schüttelte nur den Kopf. Sie wollte nirgendwohin.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ein Feuerwehrmann an sie herantrat. „Man sagte mir, der Besitzer sei hier.“ Der ältere Mann sah Simon an. „Sind Sie das?“

„Die Bäckerei gehört Pepper.“

Pepper warf einen Blick auf den Helm des Mannes. „Captain“ stand darauf. Hauptmann also. Für sie war er der Überbringer schlechter Nachrichten. „Die Bäckerei … Ist sie vollständig ausgebrannt?“

„Ich fürchte, ja.“

In diesem Moment war sie froh, dass Simon sie stützte. Es war, als hätte sie ein Familienmitglied verloren … schon wieder. Sie hatte ihre exzentrische Mutter und ihre konservative Großmutter verloren. Die Bäckerei war alles, was ihr von den beiden geblieben war. Und die hatte sie jetzt auch verloren.

„Aber es gibt auch gute Nachrichten“, sagte der Hauptmann. „Dank des Brandalarms waren wir schnell genug vor Ort, um den ersten Stock retten zu können. Sicher, der Rauch hat Schaden angerichtet, aber Reparaturen wie im Erdgeschoss werden nicht notwendig sein.“ Der Mann unterbrach sich und sah sie an, als erwartete er einen Schwall von Fragen von ihr. „Es tut mir schrecklich leid, Madam.“

„Wann … Wann darf ich ins Haus?“

Er schüttelte den Kopf. „Vorerst nicht. Der Brandinspektor wurde angefordert.“

„Der Brandinspektor?“ Jetzt klinkte Simon sich ein.

Der Hauptmann nickte. „In Fällen wie diesem wird er hinzugezogen, um festzustellen, ob es sich um Brandstiftung handelt.“

„Brandstiftung?“ Pepper riss die Augen auf. „Wer brennt denn eine Bäckerei nieder?“

Der Hauptmann sah sie an, sagte aber nichts. In diesem Moment wurde ihr klar, dass sie als Verdächtige galt, die ihren eigenen Laden der Versicherung wegen in Brand gesetzt hatte. Es war bestimmt kein Geheimnis, dass ihre Bäckerei ums Überleben kämpfte, seit die Konkurrenz ganz in ihrer Nähe ein Geschäft eröffnet hatte.

Der Hauptmann musterte sie, als wollte er abschätzen, ob sie das Zeug dazu hatte, einen Brand zu legen.

„Sehen Sie mich nicht so an. Ich habe es nicht getan. So etwas hätte ich nie im Leben getan.“ Sie hatte die Stimme erhoben, und die Leute drehten sich nach ihr um. „Ich bin keine Brandstifterin. Finden Sie den Täter! Ich war’s nicht! Ich doch nicht!“

„Gehen wir“, sagte Simon ruhig.

Den Arm immer noch um ihre Taille gelegt führte er Pepper fort von der Bäckerei.

Warum verlor sie die Menschen und Dinge, die ihr am meisten bedeuteten?

Ihr Kopf begann zu dröhnen, ihr wurde flau im Magen. Alles andere war unscharf, bis sie wieder im Fond des Wagens saß. Sie preschten die Straße entlang, und Pepper hatte keine Ahnung, wohin sie fuhren. Sie hatte schließlich keine Unterkunft mehr.

„Hier.“ Simon drückte ihr eine Flasche in die Hand. „Trink das.“

Sie sah zuerst die Flasche, dann Simon an. Ihre Unterlippe zitterte. „Meine schöne Bäckerei. Einfach weg.“ Ihre Stimme brach. „Sie ist einfach weg.“

Stand sie unter Schock? Sie hatte Menschen von außerkörperlichen Erfahrungen reden gehört. Erlebte sie gerade so etwas?

„Soll ich dich ins Krankenhaus bringen?“, fragte Simon. Die Sorge war ihm ins Gesicht geschrieben.

„Ins Krankenhaus? Wieso?“

„Wegen des Schocks. Es ist bestimmt nicht leicht für dich.“

Sie musste sich zusammenreißen. Sie war bisher gut allein zurechtgekommen. Dass ein Brand sie vernichtete, durfte sie nicht zulassen. Sie war aus härterem Holz geschnitzt, das hatte zumindest ihre Großmutter immer gesagt, wenn Pepper ihre Mutter vermisste. Die Kane-Frauen waren aus hartem Holz geschnitzt. Sie überstanden alles.

Mit geschlossenen Augen fragte sie: „Wohin fahren wir?“

„Weißt du, wo du unterkommen kannst? Bei Angehörigen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin allein.“

„Bei einem Freund?“

Ruckartig schlug sie die Augen auf und sah ihn aus schmalen Schlitzen an. „Nach meiner letzten kurzen, aber katastrophalen Romanze habe ich gern auf Affären verzichtet.“

Simon öffnete den Mund, entschied dann aber offenbar, dass es das Beste wäre, in diesem kritischen Augenblick nichts zu sagen. Er presste die Lippen zu einem Strich zusammen.

Gut. Denn nach diesem Brand hatte sie nicht mehr die Kraft, mit ihm zu streiten.

„Lass mich einfach hier aussteigen.“ Warum sagte sie das zu Simon? Er steuerte den Wagen nicht. Pepper beugte sich vor und wandte sich an den Chauffeur: „Würden Sie bitte anhalten?“

Der Chauffeur antwortete nicht. Doch im Rückspiegel sah Pepper, wie er Simon fragend anschaute.

Simon schüttelte den Kopf.

Pepper schnaubte empört. „Simon, was hast du vor? Du kannst mich nicht einfach entführen.“

„Ich entführe dich nicht. Ich leiste dir einen Freundschaftsdienst. Du hast gerade einen mächtigen Schock erlitten, und ich bin in Sorge um dich. Bis ich weiß, dass es dir gut geht und dass du eine sichere Unterkunft hast, habe ich ein Auge auf dich.“

Falls er erwartete, dass sie dankbar war, wurde er enttäuscht. Sie war … Sie platzte vor aufgestautem Zorn. Es war, als hätte die Welt es auf sie abgesehen. Jedes Mal, wenn sie das Glück gefunden hatte, wurde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen.

Und sie ließ ihren gesamten Frust an Simon aus. Er musterte sie voller Sorge. Und das zu Recht. Sie verhielt sich sonderbar. Und sie war ziemlich sicher, dass das Krankenhaus ihr Ziel war.

Nimm dich zusammen, Pepper.

Sie brauchte einen Moment, um ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. „Wohin fahren wir?“

„Zu mir.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht. Ich kann jetzt nicht deinen Gästen gegenübertreten.“

„Keine Sorge. Wir fahren nicht zurück zu der Party. Wir bleiben hier in der Stadt. Nach Hause, James.“

Der Kampfgeist hatte Pepper verlassen, so sehr, dass Simon fürchtete, sie könnte zusammenbrechen. Im Aufzug legte er den Arm um ihre Taille und zog Pepper fest an sich.

In seinem Penthouse angekommen, überlegte er, ihr einen Drink anzubieten. Etwas Starkes zur Beruhigung. Aber er wusste nicht, was sie mochte und ob sie überhaupt Alkohol trank.

Er führte Pepper in die Küche. Sie stellte keine Fragen nach seinen Absichten. Sie ließ sich einfach führen. Wenn es noch lange so weiterging, würde Simon sie letztlich doch in die Notaufnahme bringen.

„So.“ Er schob Pepper zur Kücheninsel zu einem der Hocker. „Setz dich.“

Sie gehorchte ohne Widerrede.

Wenige Minuten später wandte er sich, einen dampfenden Becher in der Hand, wieder Pepper zu. Sie wirkte benommen und verloren. Simon kam zu dem Schluss, dass sie sich in einem seiner Gästezimmer bedeutend wohler fühlen würde, und trat zu ihr.

„Komm, wir machen es dir gemütlich.“ Als sie ihn schließlich ansah, fragte er: „Kannst du aufstehen?“

Wortlos erhob sie sich und folgte ihm zu dem großen Gästezimmer mit dem Doppelbett. Er geleitete sie zum Bett, und sie setzte sich auf die Kante.

Simon reichte ihr den Becher. „Hier. Trink das.“

Sie schüttelte den Kopf. Sagte immer noch nichts.

Er ging vor ihr in die Knie und blickte zu ihr auf. In ihren Augen glitzerten ungeweinte Tränen. Das musste ein gutes Zeichen sein. Oder? Etwas regte sich in ihrem Inneren. Wenn er sie jetzt nur noch zum Reden bringen könnte.

Er hob den Becher an. „Komm schon. Trink ein bisschen.“

Sie ließ den Blick von seinem Gesicht zum Becher wandern. „Was ist das?“

Zum ersten Mal seit ihrem Beinahe-Zusammenbruch vor der Bäckerei atmete er erleichtert auf. „Heiße Schokolade. Die habe ich als Kind immer getrunken, wenn ich nicht einschlafen konnte.“

Sie griff nach dem Becher. Als ihre Finger seine streiften, bemerkte er, wie kalt sie waren. Während Pepper den Kakao trank, griff er nach einer flauschigen weißen Decke am Fußende des Bettes und legte sie ihr um die Schultern.

Pepper stellte den Becher auf dem Nachttischchen ab und lehnte sich zurück in die Kissen. Simon streifte ihr die Schuhe von den Füßen. Als er den Blick zu Pepper hob, sah er, dass sie sich die Tränen abwischte.

Er setzte sich auf die Bettkante. Wie er es hasste, dieses Gefühl der Hilflosigkeit. Das war er nicht gewohnt. Pepper wirkte so zerbrechlich, als könnte der kleinste Windhauch sie umwerfen.

„Ich dachte gerade daran …“, ihre leise Stimme brach in seine Gedanken ein, „… dass ich nicht mehr weiß, worüber wir geredet haben, als wir das letzte Mal … das letzte Mal in der Bäckerei zusammen Kaffee getrunken haben.“

Zunächst sagte er kein Wort. Darüber wollte sie also reden? Während um sie herum ihre Welt in Trümmer fiel, wollte sie über ihre Beziehung reden?

„Im Lauf der Monate haben wir über so manches geredet“, sagte sie. „Dieses Kaffeetrinken am frühen Morgen war so gemütlich, weil zu der Stunde noch keine Kunden kamen. Für mich war es die schönste Tageszeit. Da hatte ich Gelegenheit, mich in der Bäckerei wohlzufühlen, statt mir Sorgen über die Tagesgeschäfte zu machen. In diesen frühen Morgenstunden vor Sonnenaufgang versprach der Tag noch so viel. Und die Bäckerei war erfüllt vom wunderbaren Duft frischer Backwaren.“ Sie atmete tief ein, als könnte sie im Geiste immer noch diesen Duft wahrnehmen anstelle des Rauchgestanks, der ihnen zu folgen schien.

Sie spielte mit einem losen Faden an der Decke und wandte den Blick ab. „Ich habe mich jeden Mittwochmorgen auf deinen Besuch gefreut. Ich habe mir alles, was seit deinem letzten Besuch an Interessantem geschehen war, im Gedächtnis bewahrt, damit ich etwas zum Reden hatte. Jedes Mal, wenn wir uns verabschiedeten, war es nur bis zum nächsten Mal. Ich habe nie geglaubt, dass es einmal kein nächstes Mal mehr geben würde. Und jetzt habe ich gerade versucht, mich an unseren letzten gemeinsamen Kaffee in der Bäckerei zu erinnern …“ Ihre Stimme brach.

Im Geiste wanderte Simon in der Zeit zurück. Er erinnerte sich an alles, was Pepper betraf. Er hatte rasch erkannt, dass Pepper ein Mensch war, den er nie vergessen würde, und wenn er sich noch so bemühte.

„Ich habe mich an jenem Morgen verspätet.“ Simon sah ihr in die Augen und hoffte, alles richtig zu machen. „Du hast eine orange-grün-rot gepunktete Schürze getragen. Du hast sie deine Herbstschürze genannt. Und du warst ganz aufgeregt, weil du gerade ein neues Rezept ausprobiert hattest.“

Während er sprach, lehnte sie sich entspannt ins Kissen zurück. Am liebsten hätte Simon ihr die rotblonden Löckchen von der blassen Wange gestrichen. Aber er wollte sie nicht verschrecken. Sie hatte genug Aufregung für einen Abend hinter sich. Und so behielt er seine Hände bei sich und tat sein Bestes, um sie mit Worten zu trösten.

„Ich weiß noch, dass ich an jenem Morgen keine Zeit zum Reden hatte, weil ich spät dran war. Ich war fast die ganze Nacht auf den Beinen gewesen, auf der Suche nach Ideen für mein neues Projekt. Ich musste zu einer Konferenz, und du musstest für einen Sonderauftrag backen. Doch wir nahmen uns am Tresen die Zeit für die Abmachung, dass wir feiern würden, wenn ich die Ladenkette eröffnet hätte und du deinem Sortiment ein neues Rezept hinzufügen konntest.“

Ihre Augen blitzten auf, als kämen die Erinnerungen zurück. „Bei dem neuen Rezept handelte es sich um einen Möhren-Karamell-Kuchen. Er sollte mein Markenzeichen werden.“

Er nickte. „Er war saftig und einfach köstlich. Als ich aufbrechen musste, bist du hinterm Tresen hervorgekommen und hast mir eine Schachtel mit Gebäck fürs Büro gegeben. Da ist mir ein Hauch von deinem Parfüm in die Nase gestiegen.“ Er atmete tief ein, so wie an jenem Tag. „Es war ein weicher Blumenduft.“

„Lavendel.“ Sie schmiegte sich tiefer ins Kissen. Ihr Blick wirkte müde.

Simon überlegte kurz und nickte. „Der Duft passt zu dir.“

Unwillkürlich fragte er sich, ob er Lavendel riechen würde, wenn er sich jetzt über sie beugte. Doch er rührte sich nicht.

„Das waren schöne Zeiten.“ Sie sprach immer leiser, als völlige Erschöpfung über sie kam.

„Es waren die schönsten.“ Er stand auf.

„Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll.“ Es war kaum mehr als ein Flüstern, doch Simon vernahm den unendlichen Schmerz in ihrer Stimme.

Eine Träne rann über ihre Wange, und Simon wischte sie zärtlich ab. „Schsch … Gönn dir heute Nacht erst einmal Ruhe.“

„Morgen …“ Ihr fielen die Augen zu.

3. KAPITEL

Simon machte sich große Sorgen.

Vielleicht hätten sie am Vorabend doch zum Krankenhaus fahren sollen.

Er hatte schon seine erste, zweite und dritte Tasse Kaffee hinter sich, hatte auf sein routinemäßiges Training im Kraftraum verzichtet, weil er da sein wollte, falls Pepper irgendetwas benötigte. Und noch immer war sie nicht aufgewacht.

Langsam faltete er die Morgenzeitung zusammen, die er überflogen hatte, ohne wirklich zu verstehen, was er las. Immerzu dachte er an Pepper. Noch nie hatte er jemanden so verzweifelt gesehen. Er konnte es ihr nachfühlen, wusste er doch, wie viel die Bäckerei ihr bedeutete.

Er stand auf und ging den Flur entlang in Richtung Gästezimmer. Vor der Tür hielt er inne. Aus dem Raum war kein Geräusch zu hören. Vielleicht schlief sie noch. Simon bezweifelte es nach einem Blick auf seine Armbanduhr. Genau wie er war sie es gewohnt, früh aufzustehen. Diese Gemeinsamkeit hatte ihre Freundschaft begründet.

Wie sehr hatte er sich auf ihr Kaffeestündchen in aller Herrgottsfrühe gefreut, bevor Kundschaft in die Bäckerei strömte. Doch durch seine Unachtsamkeit hatte er die Person verloren, die ihn wie einen normalen Menschen behandelte und nicht wie einen Chef oder einen reichen Mann oder eine gute Partie. Für Pepper war er lediglich ein netter Mensch gewesen. Vielleicht war er egoistisch, aber er wollte diese Freundschaft zurück. Ob sie bereit sein würde, ihm eine zweite Chance zu geben?

Vorsichtig klopfte er an die Tür.

Er wartete. Keine Reaktion.

Er klopfte erneut.

„Pepper?“

Immer noch keine Reaktion.

Jetzt machte er sich wirklich Sorgen.

„Ich komme jetzt herein“, rief er. Er drückte leise die Tür auf. „Pepper?“

Stille.

Er schob den Kopf durch den Türspalt. Sogleich sprang ihm das leere Bett mit den zerwühlten Laken ins Auge. Also hatte sie immerhin ein wenig geschlafen.

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Nebenraum, und Peppers überraschter Blick traf Simon. Doch nicht ihre Reaktion auf seine Anwesenheit in ihrem Zimmer erschreckte ihn, sondern ihr blasses Gesicht.

„Simon, was tust du hier?“

„Verzeih. Ich habe angeklopft. Mehrmals. Und als du nicht reagiert hast, habe ich mir Sorgen gemacht, dass es dir womöglich nicht gut ginge.“

„Ich … Mir fehlt nichts.“

Er forschte in ihrem Gesicht. Er sah ihr an, dass sie log, wagte aber nicht, es ihr vorzuwerfen. Stattdessen wollte er so tun, als wäre alles in Ordnung, was natürlich nicht der Fall war. Doch bis er herausgefunden hatte, wie er ihr helfen konnte, blieb er am besten auf der sicheren Seite.

„Möchtest du etwas essen? Eier? Toast? Waffeln? Oder Pfannkuchen?“

Bei seinen Worten wurde Pepper nahezu grün im Gesicht. Mit erhobenem Finger gebot sie ihm zu schweigen. Dann wurde die Tür zum Bad zugeschlagen. Was um alles in der Welt hatte das zu bedeuten?

Als er sich der Badezimmertür näherte, wusste er es. Pepper war übel. Es lag wohl am Schock. Er konnte es ihr nachempfinden. Wenn sein Geschäft plötzlich in Flammen aufgehen würde, wäre auch er am Boden zerstört. Doch sie musste einfach begreifen, dass dieser Rückschlag nur ein vorübergehender war, nicht das Ende.

Er wusste nicht, was er tun sollte. Er wollte ja nicht alles noch schlimmer machen, also wartete er. Wenige Minuten später wurde die Badtür geöffnet, und Pepper tauchte auf. Jetzt waren auch ihre Lippen weiß.

Er stürzte zu ihr. „Vielleicht solltest du dich lieber setzen.“

Sie sagte nichts und wehrte sich auch nicht, als er sie zum Bett führte. Ihr ging es offenbar genauso schlecht, wie sie aussah.

„Bleib sitzen. Ich bin gleich zurück.“

Er hastete in die Küche. Die Vorratskammer betrat er nicht oft, doch als er jetzt die Tür öffnete, war er erleichtert, wie gut sie gefüllt war.

Er griff nach einer Dose Ginger Ale, dann nahm er sich den Kühlschrank vor. In Erinnerung an das, was seine Mutter ihm vorgesetzt hatte, wenn ihm schlecht war, röstete er ein paar Scheiben Toast.

Er ging zurück ins Gästezimmer und sah, dass Pepper das Bett gerichtet und aufgeräumt hatte. Er konnte nicht fassen, dass sie wieder auf den Beinen war. Dafür hatte sie viel zu krank ausgesehen. Und so sah sie immer noch aus.

„Pepper, komm her.“ Er deutete auf einen kleinen Tisch vor dem Fenster.

Sie seufzte und kam zum Tisch, setzte sich und musterte das Frühstück, das er ihr serviert hatte, machte jedoch keine Anstalten zu essen oder zu trinken.

„Es ist nur Ginger Ale und Toast“, sagte Simon und setzte sich ihr gegenüber. „Das hat meine Mutter mir immer aufgetischt, wenn mir schlecht war. Ich dachte, es würde dir vielleicht guttun. Aber wenn du lieber etwas anderes hättest …“

„Nein. Es ist schon gut so.“ Sie sah ihm in die Augen. „Danke, dass du so zuvorkommend bist. Und mir tut das alles leid, dass du meinetwegen die Party verlassen musstest, dass ich gestern Abend eine Szene und dir solche Umstände gemacht habe …“

„Stopp. Dir braucht nichts leid zu tun. Ehrlich gesagt, die Party war langweilig.“

„Warum hast du sie dann veranstaltet?“

„Weil es von mir erwartet wurde.“

Sie musterte ihn. „Du hast diese Party veranstaltet, weil die Leute es von dir erwarteten, obwohl du selbst dich gar nicht amüsiert hast.“

„So ähnlich. Aber egal. Wie kann ich dir helfen?“

„Du hast mir bereits geholfen.“

„Ach ja?“ Er konnte ihr nicht ganz folgen.

Sie nickte. „Als du, wenn auch nur ein paar Sekunden lang, über dich und deine Party geredet hast, konnte ich an etwas anderes denken als an den Albtraum, der jetzt mein Leben ist.“

Die Ereignisse des Vorabends waren tatsächlich ein Albtraum.

Das Problem bestand darin, dass alles immer noch Wirklichkeit war, als Pepper am Morgen aufwachte.

Nachdem ihr Magen sich beruhigt hatte, war Pepper nun in der U-Bahn auf dem Weg zu ihrer Bäckerei. In den Kleidern vom Vortag saß sie auf ihrer Bank, und ihre Haltestelle näherte sich rapide.

Bald würde sie vor den Ruinen ihrer Bäckerei stehen. Sie hoffte, dass der Schaden bei Tageslicht betrachtet nicht so groß sein würde, wie sie ihn sich vorstellte. Vielleicht war nur ein Backofen ausgebrannt, der sich leicht ersetzen ließ. Konnte sie so viel Glück haben?

Sie stieg aus der U-Bahn und machte sich auf den Weg zur Mulberry Street. Es war nicht weit. Leichte Flocken fielen vom Himmel und schmolzen auf dem Gehsteig. Normalerweise hätte sie ihre Freude an der winterlichen Szene gehabt, doch an diesem Tag war sie zu verzweifelt, um irgendetwas schön finden zu können.

Als sie um die Ecke bog, konnte sie das Gebäude schon sehen. Es war mit gelbem Flatterband abgesperrt. Pepper nahm die Passanten auf dem Gehsteig und die Fahrzeuge auf der Straße kaum wahr. Ihr Blick war starr auf den Unglücksort gerichtet.

Und dann blieb sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Ihre schöne Bäckerei war zerstört und rußig. Tränen brannten in Peppers Augen. Sie blinzelte sie fort. Am Abend zuvor war sie zusammengebrochen, doch heute musste sie sich zusammenreißen. Sie musste einen Plan aufstellen.

Sie ging zu dem kleinen Haus. Dort war ein Schild angebracht, doch sie nahm sich nicht die Zeit, es zu lesen. Es drängte sie einzutreten und nachzusehen, was getan werden musste.

In dem Moment, als sie nach der Klinke griff, wurde die Tür von innen geöffnet. Vor Pepper stand ein großer Mann in Feuerwehruniform. Mit ernster Miene sah er sie an.

„Sie dürfen hier nicht rein. Haben Sie das Schild nicht gelesen?“

„Aber mir gehört die Bäckerei.“

Er nickte. „Trotzdem.“

„Aber ich wohne hier.“ Sie hatte nichts mehr außer den Kleidern, die sie am Leibe trug. „Ich muss meine Sachen holen.“

„Das geht nicht. Der Brandinspektor war noch nicht hier, um seinen Bericht zu schreiben.“

„Was für einen Bericht?“

Er antwortete nicht, trat nach draußen und drängte Pepper zurück auf den Gehsteig. Der Mann war so groß, dass sie nicht um ihn herum ins Hausinnere spähen konnte.

Der Mann musterte sie abschätzend. „Es besteht der Verdacht der Brandstiftung.“

„Brandstiftung?“ Sie schluckte. So, wie dieser Mann sie ansah, hielt er sie für schuldig.

Die Bäckerei sah so schlimm aus, wie er sie in Erinnerung hatte.

Simon hatte zunächst die Rückseite des Gebäudes inspiziert, da niemand ihn hineinlassen wollte. Er hatte gehofft, dass es sich um einen kleineren Schaden handelte und Pepper an diesem Tag noch zurück nach Hause konnte, aber das war nicht der Fall. So viel war schon von außen zu erkennen. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was das Feuer im Inneren des Hauses angerichtet hatte.

Er dachte an Pepper, und wieder überrollte ihn eine Welle von Mitleid. Der Brand hatte sie so schwer getroffen, er wusste nicht, wie sie den Anblick ihrer zerstörten Bäckerei aufnehmen würde.

Langsam umrundete er das Gebäude und blieb vor der Bäckerei auf dem Gehsteig stehen, als er Pepper entdeckte. Der Respekt einflößende Feuerwehrhauptmann, der auch ihn weggeschickt hatte, entfernte sich gerade von ihr. Der Mann war nicht eben freundlich. Seine Antworten waren kurz und knapp.

Simon richtete seine Aufmerksamkeit auf Pepper und biss die Zähne zusammen, als er ihr verzweifeltes Gesicht sah. Er war sicher, dass der Hauptmann nicht eben hilfreich gewesen war.

Er ging zu ihr. „Ist alles in Ordnung?“

Sie schüttelte den Kopf. „Hast du das Haus gesehen?“ Sie sah ihn bekümmert an. „Was tust du hier? Müsstest du nicht im Büro sein?“

„Ich wollte wissen, wie die Dinge stehen.“

„Keine Sorge.“ Ihr Blick spiegelte ihren Schmerz. „Du bist mich los, sobald ich die Versicherung kontaktiert habe.“

„Das hat keine Eile.“ Spontan zog er sie an sich. Zunächst wehrte sie sich, doch dann ließ sie seinen Trost zu.

Und in diesem Moment, mitten im Schneegestöber, wurde Simon endgültig bewusst, wie sehr sie ihm gefehlt hatte, wie sehr ihm alles an ihr gefehlt hatte.

Er flüsterte in ihr Haar: „Du kannst bleiben, solange es nötig ist.“

Sie rückte von ihm ab, und äußerst widerwillig ließ er sie los. „Ich werde eine andere Regelung finden. Du hast ohnehin schon zu viel für mich getan.“

Doch es kam noch schlimmer.

Die Versicherungsgesellschaft sperrte die Mittel, solange nicht ausgeschlossen werden konnte, dass es sich um Brandstiftung handelte.

Pepper konnte nicht fassen, dass sie der Brandstiftung verdächtigt wurde. Sie, die ihre kleine Bäckerei von ganzem Herzen liebte. Die verloren war ohne ihre warme Backstube, in der es nach Zimt, Äpfeln, Kirschen und Butter duftete.

Da sie nicht wusste, was sie Simon sagen sollte, nahm sie seine Einladung an, sich in seinem Penthouse einzurichten. Nach einem raschen Besuch im Lebensmittelgeschäft begab sie sich in Simons große Küche. Sie verlor sich ganz im Backen. Es hatte eine heilende Wirkung für sie.

Und dann war es an der Zeit, zum Tierheim aufzubrechen, wo sie mindestens einmal pro Woche freiwillig aushalf. Dort fühlte sie sich, gleich nach ihrer Bäckerei, am wohlsten. Jedes Wochenende schleppte sie Schachteln voller Kekse, Muffins und Plunder für die Mitarbeiter und den regelmäßig stattfindenden Tag der Offenen Tür heran.

„Pepper, ich habe nicht geglaubt, dass du es schaffen würdest.“ Stephanie, die stellvertretende Leiterin des Tierheims, nahm sie in die Arme. „Wir haben von dem Brand gehört, und es tut mir so leid für dich. Kann ich dir irgendwie helfen?“

„Danke. Ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber im Moment kann ich nichts anderes tun als abwarten, bis der ganze Papierkram erledigt ist.“ Über die Ermittlungen in der Brandstiftungsfrage wollte sie nicht reden.

„Wie schlimm war der Brand?“

Bilder von der verkohlten Front der Bäckerei schossen Pepper durch den Kopf. „Von außen sieht es böse aus.“

„Und drinnen? Was ist mit deiner Wohnung?“

Pepper schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Sie lassen mich noch nicht herein.“

„Ach, Pepper, das ist ja schrecklich. Wo bist du untergekommen?“

„Bei einem Freund.“ Bei dem Gedanken an Simon stieg es ihr heiß in die Wangen. Sie war nicht sicher, ob er noch als Freund durchging, wusste jedoch nicht, als was sie ihn sonst bezeichnen sollte.

Ein Lächeln milderte den Ausdruck der Sorge auf Stephanies Gesicht. „Muss wohl ein sehr guter Freund sein.“

Pepper wurde zunehmend heiß. „Wieso?“

„Weil du rot wirst. Sag nicht, es ist Simon Ross.“

„Schsch …“ Pepper vergewisserte sich, dass niemand sie hörte.

„Also doch.“ Stephanie klatschte leise in die Hände. „Wie ist es dazu gekommen?“

Pepper brauchte jemanden, um über die Ereignisse in ihrem Leben zu reden, und Stephanie war zu einer guten Freundin geworden. Pepper gab ihr eine kurze Zusammenfassung der Geschehnisse der letzten vierundzwanzig Stunden.

„Wow. Ich kann es kaum glauben.“

„Ich auch nicht.“ Ihre Gedanken schweiften ab zu den Problemen mit der Versicherung. „Ich weiß nicht, was ich machen soll.“

Stephanie sah auf die Uhr. „Wir müssen uns beeilen, gleich kommen die ersten Interessenten, aber vorher möchte dich mit jemandem bekannt machen.“

Pepper folgte Stephanie zum hinteren Teil des Tierheims, wo die Welpen untergebracht waren. In Peppers Augen waren sämtliche Hündchen einfach süß. Alle hatten ihre traurige Geschichte, die Pepper zu Herzen ging. Wäre es ihr möglich gewesen, hätte sie sie allesamt adoptiert.

Stephanie ging voran bis zum letzten Zwinger, wo sie stehen blieb. „Pepper, darf ich dir Daisy vorstellen?“

In dem Zwinger hockte ein Beaglewelpe. Er drückte sich ängstlich in die hinterste Ecke, ein hinreißendes Fellbündel mit braunen Schlappohren. Peppers Herz schmolz dahin.

„Was ist passiert?“, fragte sie.

„Wir wissen nichts Näheres. Irgendwer hat die Welpen in der Eiseskälte in einer Kiste gefunden. Daisy ist die Einzige, die überlebt hat. Aber sie ist noch nicht vermittelbar, muss sich erst noch erholen. Und wie du siehst, muss sie zunächst einmal sozialisiert werden. Sie vertraut keinem Menschen, und angesichts dessen, was sie erlebt hat, kann ich es ihr nicht verübeln.“

„Darf ich mal?“

„Nur zu. Lass es langsam angehen, aber das weißt du ja.“

Ja, das wusste sie. Pepper machte es nicht zum ersten Mal. Sie öffnete die Zwingertür. „Hey, Daisy. Ich heiße Pepper.“ Die kleine Hündin sollte sich zunächst an Peppers Stimme gewöhnen. „Ich hoffe sehr, dass wir Freunde werden können.“

Daisy sah sie stumm aus ihren großen braunen Augen an. Vor Angst zitterte sie am ganzen Körper. Das würde ein harter Brocken Arbeit werden, doch irgendetwas schien Pepper sofort zu dem Beagle hinzuziehen.

Am liebsten würde sie ihn mit nach Hause nehmen. Doch im nächsten Augenblick kam die ernüchternde Erinnerung, dass sie kein Zuhause mehr hatte. Und Pepper war ziemlich sicher, dass Simon keinen Hund auf seinen polierten Böden und in der Nähe seiner unbezahlbaren Kunstobjekte dulden würde. In Peppers Augen wohnte der Mann eher in einem Museum als in einem Zuhause.

Pepper kramte ein paar Hundebiskuits aus ihrer Tasche, die sie immer dabei hatte. Sie waren zu groß für die kleine Hündin. „Verzeihung“, sagte Pepper. „Ich habe gar keine Leckerli für Welpen. Hier im Heim haben wir nur selten Welpen von deiner Größe. Aber ich verspreche dir, bei meinem nächsten Besuch bringe ich Kekse speziell für dich mit.“

Pepper blieb bei Daisy, solange sie konnte, bevor sie die Tischdekoration zu Ende brachte. Und dann setzte sie sich an den Informationstresen, ihren zugewiesenen Arbeitsplatz für die nächsten paar Stunden.

Sie war müde, völlig erschöpft.

Ihr war, als hätte sie seit Tagen nicht geschlafen.

Sie hatte nur den einen Wunsch: es sich mit einem Schwarzweiß-Klassiker vor dem Fernseher gemütlich zu machen.

„Da bist du ja.“

Pepper zuckte zusammen, als Simons Stimme ertönte. Sie ließ ihre Sachen an der Tür zu Boden fallen und folgte der Stimme ins Wohnzimmer. Simon stand vor der Fensterfront mit Blick auf den Central Park.

„Hast du auf mich gewartet?“, fragte sie.

„Ich wusste nicht, wo du steckst, und als ich dich telefonisch nicht erreichen konnte, habe ich mir Sorgen gemacht.“

Sie zog ihr Handy aus ihrer Gesäßtasche und blickte auf das Display. Simon hatte nicht nur einmal, sondern zweimal angerufen.

Er machte sich Sorgen um sie? Tatsächlich? Simon Ross hatte Angst gehabt, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte?

Einen flüchtigen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, dass sie ihm doch noch etwas bedeutete, dass sie immer noch gute Freunde wären. Doch rasch verwarf sie diese alberne Vorstellung. Wahrscheinlich hoffte er nur, dass sie eine Unterkunft gefunden hatte.

„Verzeihung. Ich hatte das Handy auf stumm geschaltet. Mir geht’s jetzt besser. Kein Grund zur Sorge.“ Sie erwog, ihm von ihrem Besuch im Tierheim zu erzählen, fand dann allerdings, dass sie sich längst nicht mehr in dem Stadium befanden, in dem man sich über Privates austauschte. „Soll ich dir noch etwas backen, bevor ich gehe?“ Es wäre nur eine geringfügige Gegenleistung für alles, was er für sie getan hatte, aber mehr hatte sie momentan nicht anzubieten.

Simon schüttelte den Kopf. „Ich habe keinen Hunger.“

„Dann packe ich jetzt meine Sachen.“

Er stemmte die Hände in die Hüften. „Wo kommst du denn unter? Du weißt schon, für den Fall, dass sich etwas ergibt und ich dich erreichen muss.“

Was sollte sich wohl ergeben, damit er sie würde erreichen müssen? Sie unterließ es, die Frage zu stellen. Stattdessen gab sie an, in ein kleines Motel in New Jersey ziehen zu wollen.

Er verzog die Stirn. „Deine Versicherung kann dir doch sicher Besseres bieten?“

„Die Versicherung zahlt nicht. Ich sollte jetzt aufbrechen, sonst wird es zu spät.“ Sie wandte sich zum Gehen und hoffte, dass Simon keine weiteren Fragen stellte, Fragen, die sie nicht beantworten wollte.

„Warum zahlt sie nicht? Du bist doch versichert, oder?“

Sie drehte sich zu ihm um und zuckte mit den Achseln. „Ja. Aber da ist der Verdacht der Brandstiftung. Und solange die Frage nicht geklärt ist, halten sie das Geld zurück.“

„Das ist nicht in Ordnung. Wenn man dich dort kennen würde, wüsste man auch, dass du so etwas nie im Leben tun würdest.“

Es tat gut zu wissen, dass er an ihre Unschuld glaubte. „Das ist es ja gerade. Sie kennen mich nicht.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Und wenn es tatsächlich Brandstiftung war? Wie soll ich jemals beweisen, dass ich es nicht war?“

Mitleid glomm in seinen Augen, als er auf sie zu kam. „Keine Angst. Das regelt sich alles. Und bald hast du deine Bäckerei zurück.“

„Aber nicht rechtzeitig.“

„Nicht rechtzeitig?“ Er zog die Brauen zusammen.

„Zu all den Weihnachtsfeiern in meinem Terminkalender.“

„Du bekommst bestimmt reichlich Bestellungen, wenn du neu eröffnet hast.“

Wenn sie doch so zuversichtlich wäre, wie er klang. „Die Zeit wird es zeigen.“

Sie drehte sich um und flüchtete in das Gästezimmer. Sie würde nicht lange brauchen, um ihre Sachen zu packen. Sie besaß nur eine Tasche voller Kleidung, die sie gerade gekauft hatte.

Am nächsten Tag würde sie anfangen müssen, die zugesagten Veranstaltungen abzusagen. Ganz gleich, wie die Brandstiftungsermittlungen auch ausgingen, die Bäckerei würde nicht rechtzeitig wieder betriebsbereit sein.

Es klopfte.

Sie hatte die Tür nicht abgeschlossen. Als Pepper sich umdrehte, stand Simon da und blickte sie schweigend an.

„Was willst du?“

„Ich will, dass du bleibst.“

Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Was sagte er da? Hatte sie richtig gehört? Sicher nicht.

„Was hast du gesagt?“

Er trat auf sie zu. Mit jedem seiner Schritte schlug Peppers Herz schneller. Einen Moment lang stellte sie sich vor, dass er sie in seine Arme zog und leidenschaftlich küsste wie in jener Nacht vor nicht allzu langer Zeit. Er fehlte ihr, seine Umarmung, seine Lippen auf ihren …

„Ich möchte, dass du bleibst.“ Seine Stimme schreckte sie aus ihren abwegigen Gedanken auf. „Du weißt schon, bis deine Wohnung wieder bewohnbar gesetzt ist. Du kannst hier backen. Ich benutze meine Küche ja kaum.“

Sie gab sich alle Mühe, nicht auf seinen Mund zu blicken … nicht an die köstlichen Empfindungen zu denken, die er in ihr wachrufen konnte. Was war los mit ihr? Sie stammten aus verschiedenen Welten. Sie strebten ganz offensichtlich unterschiedliche Ziele im Leben an. Warum hatte er trotzdem diese starke Anziehungskraft?

„Aber warum willst du das?“, rief sie. „Warum soll ich hierbleiben? Wäre es dir denn nicht lästig, wenn ich bliebe?“

„Ich arbeite bis spät abends. Ich bin mit keiner Frau zusammen. Du hast die Wohnung also meistens für dich allein. Und jetzt bestelle ich uns etwas zu essen.“

4. KAPITEL

Heute stand die wichtige Konferenz an. Es ging um die geplante Expansion seines Unternehmens.

Simon sprang aus dem Bett, bereit, es mit der ganzen Welt aufzunehmen. Der Plan sah vor, die neue Ladenkette noch vor Weihnachten mit der Eröffnung eines Vorzeige-Shops mitten in New York zu launchen. Direkt nach den Feiertagen waren weitere Eröffnungen in allen wichtigen Städten im ganzen Land vorgesehen. Aber irgendetwas stimmte einfach noch nicht.

Unter der Dusche grübelte er immer und immer wieder, was ihn störte. Irgendetwas fehlte in seinem Konzept, das gewisse Etwas, das aus einem normalen Shop für Tierbedarf ein einzigartiges Haustierparadies machte. Es sollte kein gewöhnlicher Laden werden, sondern etwas bieten, das die Kunden nirgendwo sonst bekamen.

Monatelang hatte er sein Team daran arbeiten lassen. Bisher hatten sie ein paar gute Ideen eingebracht, aber nichts, was ihn umhaute. Und jetzt sollte sein erster Laden ohne die zündende Idee eröffnet werden. Wenn er nicht rasch etwas unternahm, würde die neue Kette noch vor ihrer Markteinführung untergehen.

Und das wollte Simon nicht zulassen.

Doch in seinem Kopf hallten die barschen Worte seines Vaters wider. Du bist und bleibst ein Versager.

Simon seufzte, schloss die Augen und schüttelte den Kopf, um die trüben Gedanken loszuwerden. Die Gespenster der Vergangenheit waren die Grübelei nicht wert. Er hatte Wichtigeres zu tun, tausend Dinge erforderten seine ungeteilte Aufmerksamkeit.

Schnell trat er aus der Dusche, zog sich an und ging in die Küche. Als er durch die Tür trat, erwartete er, Pepper beim Backen herrlich duftender Kreationen anzutreffen. Oder beim Dekorieren von Gebäck, das sie am Vorabend hergestellt hatte. Doch das Licht war aus, die Küche leer.

Wo steckte Pepper? Am Vorabend hatte sie ihm erzählt, wie viel Arbeit die bevorstehende Party erforderte, und sogar gefragt, wie früh sie mit dem Backen beginnen könnte, ohne ihn zu stören. Wo also war sie?

Er ging zu ihrem Zimmer und klopfte an die Tür.

„Pepper?“

„Herein.“ Ihre Stimme klang schwach, ließ den gewohnten Elan vermissen.

Er öffnete die Tür und fand Pepper im Bett vor. Er brauchte nicht nachzufragen, um zu wissen, dass es ihr wieder schlecht ging. Es war der zweite Tag infolge. Und es schien nicht besser zu werden.

„Zieh dich an“, sagte er und zückte sein Smartphone. „Du musst zum Arzt.“

„Wie bitte? Nein. Das wird schon wieder. Lass mir ein bisschen Zeit. Ich habe versprochen, etwas fürs Büro zu backen …“

„Vergiss das Backen.“ Er schüttelte den Kopf. „Du bist krank, und zwar schon viel zu lange. Ich möchte, dass du dich vom Arzt untersuchen lässt, um sicherzustellen, dass es nichts Ernstes ist.“

Pepper sprang aus dem Bett. „Siehst du? Ich bin …“

Sie wurde blass, stürzte ins Bad und schlug die Tür hinter sich zu.

Schön. Alles klar. Und ich bin der Weihnachtsmann.

Er tippte die Nummer seines Hausarztes ein. Der Mann war inzwischen zwar alt, aber er hatte Simon sein Leben lang behandelt. Niemandem außer ihm würde er Pepper anvertrauen.

Als er einen Termin vereinbart und das Gespräch beendet hatte, kam Pepper aus dem Bad zurück. „Mir fehlt nichts. Ich bin nur zu hastig aufgestanden.“

Ohne auf ihre fadenscheinige Erklärung einzugehen, sagte Simon. „Du hast heute Morgen einen Arzttermin. Zieh dich an, wir fahren gleich los.“

Sie hockte sich auf die Bettkante. „Ich sagte doch, mir fehlt nichts.“

„Du hast nichts weiter gesagt als ‚Ich bin’ und bist aus dem Zimmer gelaufen. Deshalb glaube ich nicht, dass dir nichts fehlt. Ich finde, du solltest einen Arzt aufsuchen, es könnte sich ja um etwas Ernstes handeln.“

Pepper verschränkte die Arme und sah Simon an. „Ich kann nicht zum Arzt.“

Er stemmte die Hände in die Hüften. Er konnte genauso starrsinnig sein wie sie. „Warum nicht?“

Als sie nach einigem Zögern antwortete, sprach sie leise, als fiele ihr das Eingeständnis sehr schwer. „Weil in meiner Familie immer etwas Schlimmes passiert, wenn jemand zum Arzt oder ins Krankenhaus muss.“ Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie die Erinnerungen verscheuchen. Leise, aber mit Nachdruck sagte sie: „Ich kann nicht.“

Simon ließ die Arme sinken. „Das wusste ich nicht.“ Er setzte sich neben Pepper. „Was ist passiert?“

Sie wandte den Blick ab, sodass er ihr nicht in die sprechenden Augen sehen konnte. „Es fing an, als ich acht war.“ Ihre Stimme war heiser vom Ansturm der Gefühle. „Meine Mutter war auf dem Heimweg von ihrer Arbeit in einem Lebensmittelgeschäft. Aus dem Nichts kam ein Auto.“ Pepper holte tief Luft. „Der Fahrer hielt nicht einmal an. Meine Mutter … Sie wurde ins Krankenhaus gebracht. Ich … Ich durfte sie sehen, bevor sie operiert wurde. Ihre Hand war so kalt, ihr Gesicht kreideweiß …“ Pepper schüttelte den Kopf, wie um sich von den schmerzlichen Bildern zu befreien. „Sie ist während der Operation gestorben.“

Simon streckte die Hand nach ihr aus, zögerte und zog sie wieder zurück. „Das tut mir leid.“

„Meine Großmutter hat mich zu sich genommen. Ich kannte sie nur gesund und energisch, doch dann hatte sie plötzlich Brustkrebs. Nach monatelanger Chemotherapie erklärten die Ärzte, dass sie nichts mehr für sie tun konnten.“ Pepper wandte sich Simon zu. „Verstehst du jetzt, warum ich mich von Ärzten fernhalte?“

„Aber hier liegen die Dinge anders. Dir passiert nichts.“

„Genau.“ Sie stand auf. „Deshalb brauche ich auch keinen Arzt.“

Simon stand auf und sah ihr lange in die Augen. Er seufzte. „Hat dir mal jemand gesagt, dass du unglaublich stur bist?“

„Ich glaube, meine Mutter hat es gelegentlich angedeutet. Und? Willst du den ganzen Tag hier stehen bleiben?“

Er rieb sich den Nacken. Wie konnte er ihr beibringen, dass sie sich wirklich ärztlich untersuchen lassen musste?

Wie zur Antwort auf seine Frage wurde sie blass. Sie presste die Hand auf den Bauch und stürmte wieder aus dem Zimmer. Simons Sorge steigerte sich.

Als Pepper zurückkam, war sie immer noch bleich. „Steh nicht hier rum. Ich muss mich anziehen.“

Er machte einen Riesenwirbel um nichts.

Genau das behauptete Pepper wenig später dem Arzt gegenüber. Der Mann war schon älter, hatte silbergraues Haar und wachsame Augen hinter der gold gerahmten Brille. Er war ein stiller Mann, der nur das Nötigste sprach, hörte sich aber aufmerksam an, was Pepper nervös berichtete.

„Sehen Sie“, sagte sie zu dem Arzt, „ich stehe einfach nur unter Stress. Simon hat keinen Grund zur Sorge. Wenn Sie ihm das klarmachen könnten, brauchten wir Sie nicht mehr zu nerven.“

„Wir warten nur noch Ihre Untersuchungsergebnisse ab. Es dauert nicht mehr lange.“

Der Arzt ging in Richtung Tür.

„Könnten Sie Simon herholen lassen?“

Der Arzt nickte auf seine stille Art.

Die Tür wurde geöffnet, und Simon spähte in den Raum. „Die Schwester sagte, ich könnte jetzt kommen.“

Pepper saß auf der Kante der mit Papier abgedeckten Untersuchungsliege und ließ die Beine baumeln. „Ich bin gleich fertig.“

Simon trat ein und schloss die Tür hinter sich. „Ist alles in Ordnung?“

Sie nickte. „Ich sag’s doch. Es ist nur der Stress.“

Er seufzte. „Gut. Ich war sehr in Sorge.“

„Du hättest auf mich hören sollen.“

„Worauf warten wir dann noch?“

„Auf deinen Arzt. Er wartet noch auf die Testergebnisse.“

Autor

Sophie Pembroke

Seit Sophie Pembroke während ihres Studiums der englischen Literatur an der Lancaster University ihren ersten Roman von Mills & Boon las, liebte sie Liebesromane und träumte davon, Schriftstellerin zu werden. Und ihr Traum wurde wahr! Heute schreibt sie hauptberuflich Liebesromane. Sophie, die in Abu Dhabi geboren wurde, wuchs in Wales...

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