Julia Herzensbrecher Band 14

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SUSANNAH UND DER MILLIARDÄR von SHIRLEY JUMP
„Ich bin Kane. Nur Kane!“ Verliebt genießt Susannah die geflüsterten Worte des geheimnisvollen Unbekannten und seine zärtlichen Küsse – ohne zu ahnen, dass sie gerade ihr Herz an einen New Yorker Milliardär verliert, der ihr noch viel mehr als nur seinen Reichtum verheimlicht …

TRAUMFRAU MIT HINDERNISSEN von TRISH WYLIE
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HAPPY END IN NEW YORK von JACKIE BRAUN
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  • Erscheinungstag 28.01.2022
  • Bandnummer 14
  • ISBN / Artikelnummer 9783751512282
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Shirley Jump, Trish Wylie, Jackie Braun,

JULIA HERZENSBRECHER BAND 14

1. KAPITEL

Seine nackten Füße sanken in das saftige Frühlingsgras, die Zehen verschwanden zwischen den dichten grünen Halmen. Kane Lennox hatte schon auf Matratzen geschlafen, die so viel wie eine kleine Limousine kosteten. Er war schon auf im Orient handgeknüpften Teppichen gelaufen und hatte Schuhe getragen, die auf Bestellung von einem Schuster in Italien für ihn angefertigt wurden. Aber all jene Erfahrungen verblassten neben dieser. Behagen durchströmte ihn, der Stress fiel von ihm ab, und Kane hatte nicht mehr dieses Engegefühl in der Brust, als würde er kurz vor einem Herzinfarkt stehen.

Es war ihm ein Rätsel. Warum konnte etwas so Einfaches, wie barfuß über einen Rasen zu laufen, so wundervoll sein?

„Was soll das?“, fragte eine Frau hinter ihm.

Schnell drehte sich Kane um. Sie war groß und schlank, hatte langes blondes Haar, klassisch schöne feine Gesichtszüge, grüne Augen und einen sinnlichen Mund. Verwirrt und ärgerlich blickte sie ihn an. In einer Hand hielt sie ein Handy, und der Daumen schwebte über der Taste, um jeden Moment die Notrufnummer zu drücken.

Nicht, dass Kane es ihr verübeln konnte. Er musste einräumen, dass das, was er hier tat, ziemlich … seltsam aussehen mochte. „Für mein Benehmen gibt es eine völlig logische Erklärung“, sagte er. „Und für meine Anwesenheit ebenfalls.“

„Ein Fremder. Barfuß. Im Vorgarten auf dem Rasen. Mitten am Tag. Ja doch. Dafür gibt es bestimmt eine logische Erklärung.“ Die junge Frau sah sich suchend um. „Entweder springt gleich ein Team von ‚Versteckte Kamera‘ aus dem Gebüsch, oder Sie haben sich auf einem Klapsmühlenausflug abgesetzt.“

Kane lachte. „Ich versichere Ihnen, ich bin nicht verrückt.“

Obwohl ihn die vergangenen Wochen fast in den Wahnsinn getrieben hatten. Was ihn dazu gebracht hatte hierherzukommen. In die Kleinstadt Chapel Ridge mitten in Indiana, um darüber hinaus an einem strahlenden Apriltag barfuß im Vorgarten auf dem Rasen zu stehen. Na gut, es war leicht verrückt.

„Damit bleibt die ‚Versteckte Kamera‘, wozu ich absolut keine Lust habe. Oder … widerrechtliches Betreten eines Grundstücks. Wie auch immer, ich rufe jetzt die Polizei.“

„Warten Sie.“ Kane machte einen Schritt vorwärts, besann sich eines Besseren und trat wieder zurück. Als er erneut den Blick über die junge Frau gleiten ließ, kam sie ihm bekannt vor. „Sie müssen …“ Er zerbrach sich den Kopf. Normalerweise konnte sich Kane Namen so gut merken, aber ihrer fiel ihm nicht ein. „Sie müssen die Schwester der Braut sein. Jackies Schwester.“

„Ich hab’s. Sie sind ein Detektiv, der barfuß am besten kombinieren kann.“ Sie lächelte spöttisch. „Muss ja ein schweres Stück Arbeit gewesen sein, so viele Puzzleteile zusammenzusetzen: Mit dem Schild ‚Herzlichen Glückwunsch Jackie und Paul‘ vor dem Haus, den Papierhochzeitsglocken am Briefkasten und dem Glück, das rund ums Haus in der Luft liegt … Einen Moment mal. Woher wissen Sie, wer ich bin?“

Der Frage wich Kane aus. „Was hat Sie so zynisch gemacht?“

Seufzend senkte sie das Handy. „Ich habe einen harten Tag. Ein hartes Leben und …“ Sie verstummte. „Ich muss Ihnen überhaupt nichts über mich erzählen.“

„Hören Sie, ich verschwinde und überlasse Sie Ihrem Tag. Offensichtlich komme ich ungelegen.“ Kane bückte sich, hob seine italienischen Designerschuhe auf und ging los.

„Halt! Sie haben mir noch immer nicht gesagt, warum Sie hier barfuß auf dem Rasen herumgestapft sind.“

Verärgert drehte er sich um. „Sind wir jetzt wieder bei dem Thema?“

„Wann hatten wir es denn abgehakt?“ Sie stemmte die Hände in die Seiten, das Handy zwischen zwei Fingern haltend.

Ihr verraten, warum er hier war und was er hier suchte? Das brachte mit sich, auf viel zu viele persönliche Dinge zu sprechen zu kommen. Und wenn er anfing, über seine Probleme zu reden, würden in Kürze alle viertausendneunhundertzehn Einwohner von Chapel Ridge wissen, wer er war. Dann wäre es vorbei mit seiner dringend benötigten Ruhe und Erholung.

Nein, er hatte nicht die Absicht, irgendjemandem irgendetwas zu erzählen. Besonders nicht Jackies Schwester.

Susannah Wilson. Das war ihr Name, aber sie wurde von allen Suzie genannt.

Bevor sie ihn weiter ausfragen konnte, ging Kane zu seinem kleinen blauen Mietwagen, einem billigen amerikanischen Modell. Himmelweit entfernt von dem silberfarbenen Bentley-Cabrio, das er sonst fuhr. Der Mietwagen war nichtssagend, unscheinbar. Ein Auto, das sonst wer fahren könnte. Und damit perfekt für ihn.

Susannah folgte ihm. Keine, die ohne Weiteres aufgab, so viel war sicher.

„Sie haben noch immer nicht meine Frage beantwortet. Wer sind Sie? Und warum sind Sie hier?“

„Das sind zwei Fragen. Und ich muss Ihnen auch nichts erzählen. Ich kann tun und lassen, was ich will.“ Kane konnte fast hören, wie Susannah Wilson innerlich aufschrie vor Frustration. Oh, dies würde amüsant werden.

Finster blickte sie ihn an. „Widerrechtliches Betreten eines Grundstücks ist eine Straftat.“

Er lächelte breit. Dass ihn dieses kleine Energiebündel hier erwarten würde, hatte er ja nicht geahnt, als er die Reise gebucht hatte. „Nur, wenn man nicht eingeladen ist. Und ich bin eingeladen.“ Kane machte eine Pause und beobachtete, wie Susannahs Augen groß wurden vor Überraschung. „Schließlich bin ich der beste Freund des Bräutigams und sein Trauzeuge.“

„Was die Wahl deiner Freunde betrifft, hast du einen denkbar schlechten Geschmack.“

Paul Hurst, Jackies Verlobter, lachte. „Gib Kane eine Chance, Suzie. Er ist gar nicht so übel. Und er hatte bestimmt seine Gründe für das, was er da getan hat.“

„Wo hast du ihn überhaupt kennengelernt?“

„Auf dem College. Er hatte im Studentenheim das Zimmer neben meinem, wir haben ein paar Seminare zusammen besucht. Und er ist …“ Paul unterbrach sich. „Er ist ein anständiger Kerl. Vertrau mir einfach.“

Susannah stand auf und sammelte das Geschirr ein. Im Laufe des Tages waren es immer mehr Teller und Gläser geworden, während ihrer Abwesenheit hatte sich die Menge auf dem Couchtisch im Wohnzimmer des alten Hauses vervielfacht. Paul und Jackie rührten sich nicht. Paul hatte die Füße auf den verschrammten Tisch gelegt, Jackie hatte es sich neben ihrem Verlobten gemütlich gemacht. Auf dem Großbildschirmfernseher – ein vorzeitiges Hochzeitsgeschenk von Susannah und den Brautjungfern – lief ein Krimi.

„Das letzte Mal, als ich dir vertraut habe, hast du das Herz meiner Schwester gestohlen.“

Lachend legte Paul den Arm um Jackie und zog sie an sich. Das Ledersofa quietschte unter seinem Gewicht. „Stell dir einfach vor, dass du einen Bruder gewonnen hast.“

Jackie schmiegte sich an den braunhaarigen Mann, mit dem sie seit fast drei Jahren zusammen war, und küsste ihn auf die Wange. „Einen sehr gut aussehenden Bruder.“

„Der Weihnachtsmann hat mich wohl nicht gehört, als ich gesagt habe, ich wünsche mir ein Pony.“ Lächelnd trug Susannah das Geschirr in die Küche, stellte es in die Spüle und ließ heißes Wasser einlaufen, dann gab sie Spülmittel dazu und begann abzuwaschen.

An dieser Spüle stand sie schon, seit sie alt genug gewesen war, auf den kleinen Holzhocker zu klettern und in das Edelstahlbecken zu langen. Während sie abwusch, sah sie aus dem Fenster in den Garten hinaus. Früher hatte ihre Mutter neben Susannah gestanden und das Geschirr abgetrocknet. Im Hintergrund hatte das Radio gespielt, und die sonnige, gelb gestrichene Küche war so heiter und fröhlich gewesen wie die Stimme ihrer Mutter.

Doch diese Zeiten waren vorbei. Das Radio war bereits vor Jahren kaputtgegangen, die gelbe Farbe inzwischen verblasst und Abwaschen eine unangenehme Aufgabe geworden.

„Du musst das nicht tun.“ Jackie kam herein, lehnte sich an den Kühlschrank und feilte sich die Fingernägel.

„Wenn man es stehen lässt …“

„Wird es nicht zerbrechen“, unterbrach Jackie sie. „Mach den Abwasch später. Oder noch besser, überhaupt nicht.“

Er würde nie gemacht werden, wenn Susannah ihn nicht erledigte. Weder Jackie noch Paul hatten viel Sinn für Hausarbeit, trotz ihrer gegenteiligen Beteuerungen. Sie hatten einen Kredit aufgenommen, um das Haus instand zu setzen, und Susannah wohnte für eine sehr niedrige Miete bei den beiden, die ihnen half, die Hypothek abzuzahlen. Als Gegenleistung hatte sich Susannah bereit erklärt, den größten Teil der Hausarbeit zu übernehmen.

Tatsächlich war es so gekommen, dass sie sich schließlich um alles allein kümmerte. Aber an den meisten Tagen war ihr das sehr recht. Sie sparte Geld für ihr höchstes Ziel. Freiheit.

Eine Woche. Nur noch eine Woche, dann würde sie hier raus sein. Raus aus diesem Haus. Raus aus dieser Stadt. Auf dem Weg in das Leben, von dem sie schon so lange träumte, dass es Susannah vorkam, als wäre sie mit dem Traum geboren worden. Ihr Blick glitt zu dem Buntglaseiffelturm, der im Küchenfenster hing. Goldene und orangefarbene Lichtschimmer tanzten auf den Arbeitsflächen, als die Strahlen der Nachmittagssonne in den winzigen Glasscherben reflektierten.

Ihre Mutter hatte ihr die kleine Nachbildung des berühmtesten Wahrzeichens von Paris an jenem letzten gemeinsamen Weihnachtsfest geschenkt. „Ich bin nie dort gewesen“, hatte sie gesagt, „aber ich hoffe, dass du eines Tages hinfahren kannst, Susannah. Dir die Welt ansehen kannst. Ich habe es nie geschafft.“

Susannah würde es tun. Ganz gleich, was es sie kostete.

„Ich spüle nur eben die paar Teile ab, bevor ich zur Arbeit gehe.“

„Du bist gerade erst nach Hause gekommen. Ich dachte, du bist für heute fertig.“

„Vorhin hatte ich noch drei späte Anmeldungen. Jede davon bringt Geld.“

Jackie betrachtete prüfend alle zehn Finger, hielt sie für perfekt und steckte die Nagelfeile in die Hosentasche. „Du arbeitest zu viel.“

„Alles für das höchste Ziel, Schwesterherz.“

„Womit du taktvoll sagst, dass du es hasst, bei uns zu wohnen.“ Jackie lachte zum Zeichen, dass sie nicht beleidigt war. „Oh, würdest du mir bitte einen Gefallen tun und den Tischschmuck abholen? Ich habe heute Abend Anprobe und danach ist die …“

„Party.“

Die Junggesellinnenabschiedsparty, die Susannah als erste Brautjungfer organisiert hatte – an der sie jedoch nicht teilnahm. Sie hatte Jackies Freundinnen nie richtig gut kennengelernt und keine Lust, den Abend mit den anderen Brautjungfern zu verbringen. Die Frauen waren immer schon Jackies Freundinnen gewesen und hatten Susannah lediglich nachträglich einbezogen.

„Du kannst trotzdem noch kommen. Schließlich bist du eine von den Brautjungfern. Die Party gehört zu ihren Privilegien.“ Jackie lächelte fröhlich.

„Mir macht das nichts aus.“ Susannah schrubbte mit dem Schwamm einen Teller ab, bis er glänzte. „Ich bin sowieso nicht so für Partys.“

„Du drückst dich, wie immer.“

„Nein, tue ich nicht. Ich muss arbeiten.“

Jackie seufzte, ließ das Thema aber fallen. „Ich bin dir wirklich dankbar, dass du den Tischschmuck abholst. Du rettest mich. Mal wieder.“

Nicht, dass Susannah Zeit dafür hatte. Sie musste an diesem Abend drei Hunde waschen und zig Besorgungen für sich selbst machen. „Was ist mit Paul?“

„Ich glaube nicht, dass er überhaupt weiß, was Tischschmuck ist.“ Jackie lachte.

„Wann wolltest du ihn eigentlich zusammensetzen und aufstellen?“

„Zusammensetzen und aufstellen?“ Jackie schlug sich an die Stirn. „Verdammt. Das habe ich total vergessen. Vielleicht morgen Nachmittag. Nein, da ist die Besprechung mit dem Pfarrer. Hm … morgen Abend? Geht auch nicht. Paul und ich sind bei den Fitzgeralds eingeladen. Keine Ahnung, wie lange wir bei ihnen bleiben. Du weißt, wie sie reden können. Und am Dienstagabend haben wir die Pro…“

„Kurzum, du hast eine Million andere Dinge zu tun“, unterbrach Susannah sie.

Wie meistens. Auf Jackies Liste standen viele Verabredungen und Vergnügungen, aber nur sehr wenige Pflichten. Mit sechsundzwanzig war Susannah vier Jahre älter als Jackie und hatte ihr Leben immer genau gegenteilig geführt. Sie unterdrückte einen Anflug von Ärger. Bald würde Jackie verheiratet sein und verantwortungsbewusst handeln müssen. Weil ihre große Schwester nicht mehr da sein würde, um ihr alles abzunehmen.

„Ein Wunder, dass ich die Zeit finde, zur Arbeit zu gehen“, meinte Jackie lachend. „Glaub mir, wenn Paul und ich nicht das Geld brauchen würden, dann würde ich mich jeden Tag krankmelden. Mensch, wie soll ich bloß alles für die Hochzeit erledigen? Jerry hat gesagt, wir können die Tische ruhig schon decken, weil an diesem Wochenende keine anderen Veranstaltungen geplant sind, aber ich habe ja nicht einmal …“

Jackie verstummte, und dann erschien dieses hoffnungsvolle Lächeln, das Susannah so gut kannte.

„He, was machst du eigentlich heute Abend?“

Kopfschüttelnd zog Susannah den Stöpsel heraus. „Kommt gar nicht infrage, Jackie. Ich muss …“

„Bitte, Suzie. Bitte?“ Jackie warf ihrer Schwester einen flehenden Blick zu. „Nur noch diesen einen Gefallen. Ich schwöre, dass ich dich nie wieder um einen bitten werde.“

Und Susannah sagte Ja. Genau wie immer.

2. KAPITEL

Kane konnte ein milliardenschweres Edelsteinimportunternehmen leiten und über Millionendollargeschäfte verhandeln. Er verstand die schwierigsten Finanzberichte. Also würde er ja wohl ein Feuer machen können. Die Streichholzflamme traf auf das Holzscheit, zischte und ging aus.

Anscheinend nicht.

Er hatte die Hütte am Stadtrand gemietet, Holz bestellt, im Laden in der Stadt Streichhölzer gekauft und geglaubt, er müsste nur eins anzünden und es an ein Scheit halten.

Hm … ganz so einfach war es nicht.

Nach dem sechsten Versuch ging Kane fluchend nach draußen und atmete tief die frische Landluft ein. Vor einer Stunde hatte ihn diese neue Erfahrung noch begeistert. Jetzt war er so weit, seinen Chauffeur anzurufen, ihn schnellstens mit der Limousine herkommen und sich von ihm zum Privatjet der „Lennox Gem Corporation“ fahren zu lassen.

Nein. Er würde das schaffen. Er musste das schaffen.

Zunächst rief er sich die Abenteuerfilme ins Gedächtnis zurück, die er gesehen hatte, dann die Bücher über Camping, die er auf seiner Flucht vor der Wirklichkeit im Flugzeug gelesen hatte. Zu viele, zu große Holzscheite. Nicht genug Kleinholz.

Kane begann, Reisig vom Boden aufzusammeln. Nachdem er einen feststeckenden dünnen Zweig aus der Erde gelöst hatte, staunte er über seine schmutzige Hand. Noch nie hatte er Dreck unter den Fingernägeln gehabt. Kane kniete sich hin und presste die Hände in die weiche dunkelbraune Erde. Ein schwerer erdiger Geruch stieg ihm in die Nase. Dann zerbröckelten die Klumpen, die Erde rutschte ihm durch die Finger und plumpste wie dicke Regentropfen auf den Boden.

Leise lachte Kane. Wer hätte das gedacht! Einem der reichsten Männer der Welt machte es Spaß, Zwiesprache mit der Natur zu halten.

Irgendetwas ließ die Büsche neben ihm erzittern. Ruckartig stand Kane auf, packte sein Reisig und stieß den Arm vor. Dann sah er ein, dass er mit seiner Bäumchenmunition so gefährlich wie eine Sonnenblume war. „Wer ist da?“

Oder vielmehr, was war dort?

Als er vor zwei Tagen beschlossen hatte, sich länger als nur für Pauls Hochzeit hier aufzuhalten, hatte sich Kane schnell einen Überblick über den Ort verschafft – bis hin zum letzten Mangel an Komfort. Leider war ihm nicht eingefallen, „einheimische wilde Tiere“ nachzuschlagen. Um Himmels willen, das nur zwei Meter von ihm entfernt herumraschelnde Etwas konnte ein Bär sein! Das Rascheln wurde lauter, die Blätter bewegten sich stärker. Kane machte einen Schritt rückwärts. Sollte er zur Hütte laufen? Seinen Mann stehen? Im Geiste sah er die Schlagzeile schon vor sich:

Vertrottelter milliardenschwerer Vorstandsvorsitzender tot. Gegen Bär im Wald kommt Geld nicht an.

Aus dem Gebüsch sprang ein Fellbündel auf ihn zu, und Kane rannte los, bis er erkannte, dass das Bündel …

Ein Hund war.

Der kleine braun-weiße Kerl mit Schlappohren bellte ihn an, dann stürzte er sich schwanzwedelnd auf Kanes Beine. Oh Mann, jetzt sprang er an ihm hoch! Und sabberte! Kane hatte keine Erfahrung mit Haustieren. Außer, man zählte die eine Woche mit, in der seine Mutter geglaubt hatte, es wäre süß, ein Schoßhündchen zu haben. Sie hatte ihre Meinung geändert, sobald ihr klar wurde, dass lebendige Tiere Aa machten. Das Hausmädchen hatte den Pekinesen geschenkt bekommen.

Vorsichtig streckte Kane die Hand aus und tätschelte dem Hund unbeholfen den Kopf. „So. Jetzt geh schön nach Hause.“

Der Hund bellte, plumpste auf sein Hinterteil und wischte mit dem Schwanz einen Halbkreis in die Erde, wobei er eine Staubwolke aufwirbelte. Eigensinnig.

„Tja, wenn du nicht gehst, dann gehe ich.“ Kane marschierte in die Hütte. Doch bevor er die Tür schließen konnte, war der Hund da.

Drinnen.

Mit ihm.

„Oh nein, lass das. Husch!“ Vergeblich versuchte Kane, ihn nach draußen zu scheuchen.

Erwartungsvoll blickte ihn der Hund an und bellte wieder. Kane war zwar keinesfalls sicher, aber das Tier schien hungrig zu sein.

„Ich habe kein Hundefutter …“

Menschenfutter hatte er auch nicht. Für einen Mann, der nach Plan lebte, hatte er das hier lausig vorbereitet.

Es lag an der Frau. Sie hatte ihn heute Morgen völlig durcheinandergebracht. Wenn er ihr nicht begegnet wäre, hätte er nicht vergessen, Lebensmittel zu kaufen. Oder gründlich seine Umgebung zu checken. Oder rechtzeitig Kleinholz zu sammeln. Und dann würde ihn dieses Tier jetzt nicht unverwandt anstarren.

Den Besitzer konnte Kane nicht anrufen, weil der Hund kein Halsband trug. Aber hierbehalten konnte er ihn auf keinen Fall. Kane holte sein Handy heraus und tippte die Nummer der Frau ein, die ihm die Hütte vermietet hatte.

„Mrs. Maxwell, haben Sie einen Hund?“

Angela Maxwell war eine ältere Dame mit grauem Haar und freundlichem Lächeln, die vor allem keine neugierigen Fragen stellte, wenn sie erst einmal eine gültige Kreditkartennummer zur Verfügung hatte. „Nein, mein Lieber. Aber bei den Hütten streunen viele Hunde herum. Wir haben hier keinen Leinenzwang. Die Leute lassen ihre Hunde einfach laufen. Schließlich ist es eine Kleinstadt. Fast jeder kennt den Hund von fast jedem.“

„Kennen Sie diesen? Er ist braun und weiß. Klein. Eigensinnig.“ Kane warf ihm einen wütenden Blick zu und hätte schwören können, dass der Hund ihn angrinste.

„Nein, aber ich weiß, wer ihn vielleicht kennt. Bringen Sie ihn zu ‚The Sudsy Dog‘. Die Besitzerin leitet eine Art Tierheim. Sie wird Ihnen helfen.“

„‚The Sudsy Dog‘?“

„Das ist ein Hundesalon. In einer Querstraße zur Main Street. Sie können ihn nicht übersehen. Auf dem Schild ist …“

„Lassen Sie mich raten. Ein Hund, der ein Schaumbad nimmt?“

„Ein Dackel. Es ist das allerniedlichste Ladenschild der Welt. Mein Orin hat es gemalt.“ Mrs. Maxwell legte auf.

Kane stöhnte. Er blickte den Hund an, der mit dem Schwanz wedelte. „Tja, wir müssen wohl eine Fahrt mit dem Auto machen.“

Voller Vorfreude sprang der Hund los. Doch Kane zuckte allein bei dem Gedanken an Hundehaare im Wageninnern zusammen und folgte dem Tier widerwillig nach draußen. Er öffnete die Autotür, und bevor er sagen konnte „Leg dich auf den Boden“, saß der Hund schon auf dem Beifahrersitz.

Anscheinend hatte Kane für die nächsten Minuten einen neuen besten Freund.

Ob er es wollte oder nicht.

Susannah schloss den großen Drahtkorb, in dem Mrs. Prudhommes Pudel saß, dann band sie die Schürze ab und strich sich den Pony aus der Stirn. „Du siehst toll aus nach deiner Schönheitsbehandlung, Fancy Pants. Was ich von mir nicht behaupten kann.“

Die weiße Hündin bellte, bevor sie sich hinlegte, um darauf zu warten, dass ihre Besitzerin sie abholte. Fancy Pants kam alle zwei Wochen. Die Maniküre ließ sie sich nur mit gutem Zureden gefallen, aber sie genoss das Waschen und Striegeln.

Hoffnungsvoll blickte Susannah das Poster des Arc de Triomphe, das an der Wand hing, an. Neunhundert Hunde gebadet, getrimmt und geschoren. Dreihundert Katzen in Pflege gehabt. Und jetzt hatte sie genug Geld gespart, um diese Reise zu machen. Um endlich ein Leben außerhalb dieser Kleinstadt kennenzulernen. Sie würde den jahrelangen Französischunterricht in die Praxis umsetzen. Ihren noch nie benutzten Reisepass aus der Schublade holen. Die Welt sehen.

Die Glocke über der Tür bimmelte, und Susannah seufzte. Zurück an die Arbeit. Zurück in die Wirklichkeit.

„Nehmen Sie ihn mir ab. Bitte.“

Schnell drehte sich Susannah um. Zu ihren Füßen entdeckte sie einen entzückenden braun-weißen Hund. Hinter ihm betrat der beste Freund des Bräutigams den Salon. Der Mann vom Vormittag. Allerdings trug er diesmal Schuhe und runzelte wütend die Stirn. „Sie schon wieder“, begrüßte sie ihn unwirsch.

„Ich könnte dasselbe sagen. Sie arbeiten hier?“

Susannah nickte. Sie machte sich nicht die Mühe, ihm zu erzählen, dass sie die Eigentümerin des Geschäfts war. „Ist das Ihrer?“ Sie bückte sich und kraulte den Hund hinter den Ohren. Glücklich seufzend drückte er sich an ihr Bein.

„Himmel, nein. Er ist ein Streuner, der offenbar keinen Wink versteht.“

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Davon scheinen in letzter Zeit viele in der Stadt zu sein.“

Den Ellbogen auf die Vitrine gestützt, lächelte Kane sie an. Das Lächeln verwandelte ihn, machte aus einem durchschnittlich attraktiven Mann einen außergewöhnlich gut aussehenden. Ein Schauer durchlief Susannah.

„Sprechen Sie etwa von mir?“, fragte er.

„Keineswegs.“ Sie richtete sich auf. „Und? Wem gehört der Spaniel?“

„Sagen Sie es mir. Er ist bei mir aufgetaucht.“ Kane zeigte mit dem Daumen nach Osten. „Ich wohne in einem der Ferienhäuser am Lake Everett.“

Er hatte eine von den einfachen Hütten gemietet? Sicher, er trug Jeans und T-Shirt, aber beides sah aus wie neu. Und die Schuhe …

Jetzt, da er sie anhatte, bemerkte Susannah, dass es teure, elegante Lederschuhe waren. Nicht solche, die jemand im Wald tragen würde. Kane Lennox war zu … perfekt, um der typische Urlauber zu sein, der für ein oder zwei Wochen zum Angeln in die Stadt kam und dann in sein Durchschnittsleben zurückkehrte. Er könnte als Model ein Titelbild zieren, man könnte ihn für einen dieser Männer halten, die in einem dreiteiligen Anzug für Eau de Cologne oder Designeruhren warben.

Abgesehen von seinen Augen. Das dunkle Blau weckte Gedanken an tiefe Seen, an unergründliche Geheimnisse. Sein Blick veranlasste Susannah sich zu fragen, wer der echte Kane Lennox war. Der Mann in einem Anzug? Oder der barfüßige Mann, dem sie am Morgen begegnet war?

„Also den Kleinen kenne ich nicht“, erwiderte sie und streichelte dem Hund die Ohren. „Ich werde hier im Salon einen Zettel aushängen.“

„Gut. Vielen Dank, ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen.“ Kane machte auf dem Absatz kehrt.

„Halt! Sie wollen ihn doch nicht etwa bei mir lassen?“

In der Türöffnung blieb er stehen und drehte sich um. „Natürlich. Ich kann unmöglich für einen Hund sorgen.“

„Warum nicht? Sind Sie allergisch?“

„Ich glaube nicht, nein.“

Seine Art zu sprechen passte auch nicht zum Image eines Hüttenmieters. Eines Wochenendanglers oder Jägers, der für ein paar Tage Urlaub vom Alltagstrott machte. Und jeder von Pauls Freunden war der typische Kerl von nebenan, der an der Bar saß, ein paar Bier runterkippte und ein bis zwei unanständige Witze erzählte. Kane Lennox war ganz und gar nicht dieser Typ. Wie in aller Welt war er bloß Pauls Freund geworden? Und auch noch der beste?

„Haben Sie zwei Hände?“, fragte Susannah.

„Ja.“ Er warf ihr einen argwöhnischen Blick zu.

„Zwei Beine?“

„Ja.“

„Dann brauchen Sie fürs Erste nur das …“ Susannah nahm eine Fünfpfundtüte Trockenfutter vom Regal und drückte sie Kane in die Arme. „Unsere Heimtiere haben es sehr gut bei uns, trotzdem versuchen wir zuerst einmal Pflegefamilien für sie zu finden.“

„Pflegefamilien. Für Hunde.“

„Richtig. Und da der Kleine schon an Ihnen hängt, sollte es kein Problem für Sie sein, ihn zu sich zu nehmen. Bei Ihnen wird er sich viel wohler fühlen als in einem Zwinger. Sie müssen ihn doch nur füttern, mit ihm spazieren gehen und warten, bis sein Besitzer ihn abholt.“

Starr sah Kane sie an. „Sind Sie völlig verrückt? Ich bin kein Hundenarr.“

Wieder hatte er diese Art an sich. Er gehörte nicht in die Stadt, nicht in Susannahs Welt, nicht in ihre Gesellschaftsschicht. Nach dem, wie er sich kleidete und sprach, stammte er aus reichem Hause. Warum sollte jemand wie er länger als nötig in Chapel Ridge, Indiana, bleiben wollen?

Inzwischen war der Hund von Susannah zu Kane gelaufen und saß neben ihm, die kleine Schnauze nach oben gerichtet. „Offenbar ist er anderer Meinung.“

„Er ist ein Hund, er weiß es nicht besser. Sie sind die Hundepflegerin. Sie nehmen ihn.“

„Nein, geht nicht. Ich habe zu viel mit den Hochzeitsvorbereitungen zu tun.“

„Sie sind nicht die Braut.“

Und Susannah hatte nicht die Absicht, allzu bald eine zu werden. Eine feste Beziehung würde sie nur davon abbringen, den Traum wahr zu machen, für den sie so hart gearbeitet hatte.

„Sagen wir einfach, dass ich als Brautjungfer genauso viele Verpflichtungen habe.“

Fragend blickte Kane sie an, hakte jedoch nicht nach. „Er ist nur ein Hund. Sicherlich …“

„Damit werden Sie auch fertig.“ Noch eine Sache, um die sie sich kümmern musste, hatte ihr gerade noch gefehlt! Konnte der Mann das nicht begreifen? Er sah ja gut aus, aber er war schrecklich eigensinnig.

Susannah schnappte sich eine Leine und ein Halsband und hielt Kane beides hin. „Vielleicht möchten Sie die Leine jetzt gleich benutzen.“

„Wovon reden Sie?“

„Rover muss mal.“ Susannah zeigte auf den frisch getauften Spaniel, der unruhig den ganzen Raum abschnüffelte. „Sie sollten mit ihm spazieren gehen.“

„Warum? Er hat selbst vier Pfoten.“

Seufzend verdrehte Susannah die Augen, dann legte sie dem Hund das Halsband an, befestigte die Leine und gab Kane das andere Ende. „Führen Sie ihn aus. Er wird es verstehen, glauben Sie mir.“

Anscheinend entsetzt über diesen Plan, starrte Kane sie an. „Was ist mit Ihnen?“

„Ich muss an die Arbeit.“ Susannah steuerte auf das Nebenzimmer zu.

„Warten Sie!“

Sie drehte sich um und hätte fast laut gelacht. Der große muskulöse Kane sah ratlos aus. „Es ist ganz einfach, Mr. Lennox. Setzen Sie einen Fuß vor den anderen. Rover wird Ihnen folgen.“ Sie zeigte zur Hintertür. „Direkt am Parkplatz ist eine Rasenfläche. Es wird höchstens fünf Minuten dauern.“

Mit finsterem Blick ging Kane nach draußen. Rover lief mit, alle zwei Sekunden blieb er stehen und schnupperte. Susannah schaute aus dem Fenster und versuchte, nicht zu laut zu lachen. Ein paar Minuten später fühlte sich Rover viel besser, und Kane war zurück im Laden.

„Jetzt nehmen Sie ihn aber?“

„Warum? Sie machen das großartig. Außerdem haben Sie Urlaub, richtig? Und wohnen in einer Hütte im Wald? Denken Sie sich ihn als … Zimmergenossen.“

„Ich will keinen Zimmergenossen, und ich brauche keinen.“

„Sieht so aus, als hätten Sie einen, ob Sie wollen oder nicht.“ Susannah lächelte den Spaniel an, der sich an Kanes Bein drückte.

Auf dem Parkplatz hielt ein Geländewagen mit einem bekannten goldenen Fellknäuel auf dem Beifahrersitz. „Vielleicht sollten Sie jetzt mit Ihrem neuen besten Freund nach Hause fahren. Es sei denn, Sie möchten mir helfen, eine Golden-Retriever-Hündin zu baden und ihr Schleifen ins Haar zu binden.“

Ungläubig schüttelte Kane den Kopf. „Schleifen? Für einen Hund?“

„Sie mag es, hübsch zu sein. Allerdings sehe ich hinterher aus wie eine klitschnasse Katastrophe“, fügte Susannah hinzu, während sie sich ein Büschel Hundehaare vom T-Shirt wischte.

Nicht, dass es sie interessierte, was Kane Lennox von ihrem Aussehen hielt. Der Mann brachte sie einfach aus dem Gleichgewicht. Wenn er sie wenig reizvoll fand, weil sie gerade mit dem Baden eines Pudels fertig war, so machte ihr das nichts aus.

Nur dass es ihr doch nicht ganz so gleichgültig war. Und sie ärgerte sich darüber, dass sie sich besorgt fragte, ob ihr Lippenstift verschmiert war. Ob ihr Pony schief saß. Ob sie nach Hund roch.

„Was, wenn ich Ihnen helfe? Nehmen Sie ihn mir dann ab?“

„Sie wollen mir helfen, einen Golden Retriever zu baden?“

Kane stellte die Tüte mit Trockenfutter auf den Tresen. „Warum sind Sie so überrascht?“

„Weil Sie mir nicht wie der Hundepflegertyp vorkommen. Besonders wenn man sieht, wie Sie auf Ihren neuen Freund hier reagieren.“

„Ich mache Ihnen ein geschäftliches Angebot. Leistung und Gegenleistung.“

Wieder musterte Susannah den aus dem Ei gepellten Kane. Sie bezweifelte, dass er Erfahrung mit Haustieren hatte, geschweige denn mit deren Shampoonieren und Striegeln. Aber sie würde diesen steifen, hochmütigen Fremden zu gern voller Seifenschaum und Hundesabber sehen.

Sie gab ihm die Hand, und es war, als würde ein elektrischer Funke überspringen und ihren Arm hochfahren. Susannah war völlig überrascht. Fühlte sie sich zu Kane Lennox hingezogen?

Das konnte nicht sein. Er war nicht ihr Typ. Zum einen hatte er dieses Oberschichtgehabe an sich. Zum anderen drückte er sich zu unklar darüber aus, wer er war und woher er kam. Sie mochte Männer, die offen und freundlich waren. Allerdings wäre es dumm von ihr, ihn zurückzuweisen, wenn er ihr ein bisschen von der Last abnehmen wollte.

„Abgemacht, Mr. Lennox“, sagte sie und schrieb ihre Reaktion auf ihn dem Umstand zu, dass sie so müde und überarbeitet war. „Ich hoffe nur, Sie können Ihren Teil des Geschäfts einhalten.“

Er lächelte. „Ich sorge immer dafür, dass ich von einem Geschäft auch profitiere, Miss Wilson.“

Als sein Lächeln breiter wurde, fragte sich Susannah, ob sie gerade ausgetrickst worden war. Ob sie die Verliererin bei diesem Arrangement sein würde.

3. KAPITEL

Verrückt. Kane ließ sich niemals zu spontanen Äußerungen hinreißen. Hinter allem, was er tat, steckte eine Absicht, ein Ziel, ein Plan. Er funktionierte wie ein Mercedes mit einem gut eingestellten Motor und einem Navi. Keine Pannen, keine Umwege und keine Überraschungen.

Warum in aller Welt hatte er dann angeboten, einen Hund zu baden? Er hatte für Hunde nicht einmal etwas übrig. Oder zumindest glaubte er nicht, dass er sie mochte. Er hatte keine Erfahrung mit ihnen und daher auch keine Meinung über sie. Aber er wusste, dass er für diesen herrenlosen Spaniel keine Zeit und keinen Platz in seinem Leben hatte.

Trotzdem stand er hier mit den Armen bis zu den Ellbogen in Seifenwasser neben einem viel zu freundlichen Golden Retriever.

Liebevoll sprach Susannah Wilson mit dem Hund, während sie den Kopf des Tiers mit Shampoo einschäumte. Kane blickte sie an und wusste genau, was in ihn gefahren war. Sie.

Diese hübsche Frau hatte ihn bereits vom ersten Moment ihres Kennenlernens an verwirrt. Wie sie sich auf einer Seite das Haar hinters Ohr gesteckt hatte und es auf der anderen an ihre Wange fiel. Und wie sie ihn ansah. Als wäre er ein durchgeknallter Stalker.

Attraktiv und misstrauisch. Die Kombination gefiel Kane und steigerte sein Interesse an ihr. Er war Hunderten von Frauen begegnet und mit Dutzenden ausgegangen. Aber in den Kreisen, in denen er verkehrte, waren die weiblichen Wesen zu perfekt und zu verwöhnt. Susannah Wilson dagegen hatte etwas Unvollendetes an sich. Wie ein Diamant, der erst noch geschliffen werden musste. Sie war …

Einzigartig.

Faszinierend.

„Ich dachte, Sie wollten helfen. Das bedeutet, sie ruhig zu halten“, tadelte Susannah.

„Leichter gesagt als getan“, murrte Kane. „Sie ist so glatt wie ein Aal in einem Ölfass.“

Susannah lachte und zog die mit bunten Pfoten bedruckte Stoffleine straffer, mit der die Hündin am Rand der Edelstahlwanne angebunden war. „Hatten Sie noch nie ein Haustier?“

„Nein.“

„Nicht einmal einen Hamster?“

„Ein Hamster hätte sich mit der Zimmereinrichtung meiner Mutter nicht vertragen“, erwiderte Kane verächtlich.

Susannah warf ihm einen neugierigen Blick zu, und Kane verfluchte sich für diesen Schnitzer. Er hätte ihr erzählen sollen, dass er ein Dutzend Haustiere gehabt hatte. Leider war er nicht gut im Lügen, also war es das Beste, gar nichts zu sagen. Nur dass sie – wenn sie ihn nicht gerade ansah, als würde sie ihn entweder für verrückt oder kriminell halten – eine Persönlichkeit war, die Freundlichkeit erbat. Offenheit.

Ihr strahlendes Lächeln und ihr tiefes Lachen waren ansteckend. Sie hatte wunderschöne, vor Wissbegierde funkelnde Augen, die ihn fesselten und ihn seine Tarnstory, sein Leben in New York vergessen ließen. Stattdessen sehnte er sich nach der Zauberkraft, die Susannah zu besitzen schien. Der Zauberkraft, mit der sie mühelos Hunde beruhigte.

Vielleicht sollte ich mir in meinem Urlaub auch ein bisschen Entspannung mit einer Frau gönnen?, überlegte Kane, während er Susannahs geschmeidigen Körper betrachtete. Schließlich war er der Trauzeuge des Bräutigams, und Susannah war die erste Brautjungfer. Für die Hochzeit würden sie zusammen sein müssen. Wurde es nicht fast erwartet, dass sie schließlich ein bisschen mehr taten, als nur ein- oder zweimal miteinander zu tanzen?

Die Hündin nutzte Kanes Unaufmerksamkeit und fing an zu zappeln. Wasser schwappte über seinen Arm.

„Sie sollten besser festhalten, sonst wasche ich noch aus Versehen Sie“, neckte ihn Susannah lachend.

„Wehe!“

„Kleine Unfälle am Arbeitsplatz passieren ständig.“ Sie hob die große Handbrause.

Er lachte. „Was ist das? Rache für heute Morgen?“

„Wieso denn Rache?“ Unschuldig blickte Susannah ihn an. „Ich sage nur, dass ich die Kontrolle über das Wasser habe und Sie sich von Ihrer besten Seite zeigen sollten.“ Sie drückte einmal kurz auf den Knopf und richtete den feinen Strahl auf Kane.

Die Frau hatte jedenfalls nur gute Seiten, was ihr Aussehen betraf. Von ihrem strahlenden Lächeln und den grünen Augen bis zu den perfekten Rundungen zog alles an ihr immer wieder seine Aufmerksamkeit an. Selbst in Jeans und einem T-Shirt sah sie so schön aus wie die Models, die er in New York kennengelernt hatte. Vielleicht noch schöner, wegen ihrer Natürlichkeit, die ein unbändiges Verlangen in ihm weckte.

„Sie haben die Kontrolle, ja?“, sagte er spöttisch lächelnd. Dann machte er einen Schritt nach rechts, entriss ihr die Handbrause und sprühte ihr auf den Bauch.

„He! Das ist unfair.“

„Im Krieg und im Geschäftsleben ist alles erlaubt, wussten Sie das nicht?“

Susannah griff nach der Brause und stieß mit Kane zusammen. Beide erstarrten. Er war sich ihrer Nähe äußerst bewusst. Nur eine kleine Bewegung, und er könnte Susannah in den Armen halten. Und sie küssen.

Die Brause fiel in die Wanne. Kane hob die Hände und neigte den Kopf …

Anscheinend spürte der Hund, dass die Menschen abgelenkt waren. Schnell schüttelte er sich und duschte alle drei mit Seifenschaum.

Ruckartig fuhr Kane zurück.

Susannah wandte sich hastig um und beruhigte den Golden Retriever. „Wir sollten weiterarbeiten.“

„Ja, das sollten wir.“ Aber Kane wusste, dass sich zwischen ihnen etwas verändert hatte. Jetzt waren sie nicht nur flüchtige Bekannte, sondern ein bisschen mehr.

„Wieso haben Sie sich entschieden, so Ihren Lebensunterhalt zu verdienen?“, fragte er. „Hundewaschen ist ja wohl nicht gerade die Laufbahn, die Berufsberater empfehlen würden.“

Sie wurde böse. Verdammt. Er hatte sie beleidigt.

„Tut mir leid. Ich wollte nicht …“

„Nein, schon gut. Es ist ohnehin nur ein vorübergehender Job. Als Schülerin habe ich angefangen, mit Hunden spazieren zu gehen, um mir zum Taschengeld etwas dazuzuverdienen. Eins hat zum anderen geführt. Und ehe ich mich versah, hatte ich ein eigenes Geschäft.“

„‚The Sudsy Dog‘ gehört Ihnen?“

Susannah lächelte. „Alles meins, samt Seifenschaum.“

Noch eine Überraschung. Kanes Wertschätzung für Susannah Wilson stieg um einiges. „Ich bin beeindruckt. Anscheinend kommen Sie wirklich gut zurecht. Einmannbetrieb und so. Das ist nicht ohne Weiteres zu schaffen.“

Sie zuckte die Schultern. „Es ist keine große Sache.“

Nur damit sie ihm aufmerksam zuhörte, legte Kane die Hand auf ihre, aber er war wie elektrisiert, sobald er Susannah berührte. Wann hatte er zuletzt so empfunden?

Vor sieben Jahren. Rebecca Nichols, eine junge Frau, die er in seinem Berufsethos-Kurs am College kennengelernt hatte. Rebecca zählte weder zum ehrwürdigen Geldadel noch zu den Neureichen, sondern stammte aus einer typischen amerikanischen Durchschnittsfamilie. Sie gingen sechs Monate miteinander, sechs schnelle, wilde Monate. Sie war die erste Freundin, die nicht von seinem Vater sorgfältig ausgesucht worden war.

Und Kane hoffte, dass Elliott sie akzeptieren würde. Dass er die Wahl seines Sohnes für mutig halten würde. Außergewöhnlich. Zielstrebig. Genau die Eigenschaften predigte Elliott immer seinen Angestellten. Und schien sie dann bei seinem Sohn im Keim ersticken zu wollen.

Die Beziehung zwischen Kane und Rebecca war lustig, aufregend und perfekt, bis sein Vater herausfand, dass Kane mit einer „unannehmbaren“ Frau zusammen war. Elliott zahlte Rebeccas Eltern genug Geld, um sie davon zu überzeugen, dass ihre Tochter im Ausland eine bessere Ausbildung bekommen würde.

Kane hatte begriffen, dass sein Vater ihn nicht für mutig und zielstrebig hielt, sondern einfach nur für unbesonnen und dumm. Aus der Reihe zu tanzen würde ihn teuer zu stehen kommen. Das Unternehmen und das Image der Familie waren wichtiger als alles andere. Sogar wichtiger als persönliches Glück.

Zwar hatte Kane auf dem College bleiben dürfen, aber erst, nachdem er sich bereit erklärt hatte, die Familiengesetze streng zu befolgen. Und sein Vater hatte ihm einen neuen Zimmergenossen geschickt, um sicherzustellen, dass Kane bei der Stange blieb.

Jetzt spürte er zum ersten Mal seit einer Ewigkeit wieder eine starke Anziehungskraft. Wirkliches, echtes Verlangen nach einer wirklichen, echten Frau, die sich nicht aufspielte. Verdammt, es fühlte sich gut an. Er fing Susannahs Blick auf. Erging es ihr ebenso wie ihm? Nein. Ausdruckslos sah sie ihn an und wartete darauf, dass er etwas sagte. Kane ermahnte sich, dass er nur für einen Kurzurlaub hier war und nicht aus seinem bisherigen Leben aussteigen wollte.

Er räusperte sich. „Es ist nicht zu unterschätzen, glauben Sie mir. Bis zu fünfzig Prozent aller neu gegründeten Firmen gehen innerhalb der ersten fünf Jahre kaputt. Sie sollten stolz auf sich sein, Susannah.“

„Woher wissen Sie so viel über Wirtschaft?“, fragte sie mit zusammengekniffenen Augen.

Verdammt. Das Leben inkognito wollte gelernt sein: Man musste seinen Text beherrschen oder den Mund halten.

Seinen richtigen Lebenslauf konnte er schlecht preisgeben. Kane Lennox, in der vierten Generation Chef des größten Edelsteinimportunternehmens der Welt. Kane Lennox, einer von den Lennoxes, die zu den reichsten Familien der Welt gehörten. Kane Lennox, der Mann, dessen Privatvermögen groß genug war, um zehn dieser Kleinstädte zu kaufen. Und der trotzdem noch genug Kleingeld übrig hätte, um die Straßen mit Tausenddollarscheinen zu pflastern.

Wenn er Susannah irgendetwas davon erzählte, würde sie ihn genau so ansehen, wie es alle anderen taten. Ehrfürchtig. Respektvoll. Sie würde aufhören, ihn einfach für Kane zu halten.

Und zum ersten Mal in seinem Leben wollte er einfach … Kane sein.

Ein ganz normaler Mann, der ganz normale Kleidung trug und ganz normale Dinge tat.

Kein Butler, keine Limousine, keine Erwartungen.

„Ich … lese gern Wirtschaftsmagazine“, erwiderte er schließlich. „Um beruflich weiterzukommen.“

„Das kann ich verstehen.“ Einfühlsam lächelte Susannah ihn an. „Wenn man etwas will, muss man hart dafür arbeiten.“

„Genau.“

„Nach dem Grundsatz lebe ich auch. Wer hätte gedacht, dass ich etwas gemeinsam haben würde mit einem Mann, den ich auf dem Rasen meiner Schwester getroffen habe?“

„Obendrein noch einem barfüßigen.“

Sie lachte. „Und dabei stehe ich sonst auf Männer, die Schuhe tragen.“

„Ich werde es mir mer…“ Die Hündin schüttelte sich und bespritzte Susannah und Kane mit Seifenwasser. Leise schimpfend wich Kane zurück. „Was hat dieses Tier bloß?“

„Wenn Sie die Hündin richtig festhalten, tut sie das nicht.“

„Was glauben Sie, was ich die ganze Zeit mache? Sie kooperiert nicht.“

Spöttisch zog Susannah die Augenbrauen hoch.

„Halten Sie das Tier doch, wenn Sie meinen, Sie können es besser.“

„Gut. Dann waschen Sie.“ Susannah gab ihm das Shampoo.

„Nein. Keinesfalls kann ich diesen Hund waschen.“

„Sie haben gesagt, Sie würden helfen. Bis jetzt sind Sie keine große Unterstützung gewesen. Außerdem ist Dakota eine brave Kundin, vertrauen Sie mir.“

„Brav?“ Verächtlich schnaufte Kane.

Die Hündin sah ihn mit ihren großen, seelenvollen braunen Augen an, als würde sie sagen: Oh nein, nicht er!

Kane schüttete sich ein wenig Shampoo in die Hände. „Wo …?“

„Ihren Rücken. Arbeiten Sie es ins Fell ein. Denken Sie an eine Hundemassage, dann wissen Sie, wie es geht.“

Missmutig verzog Kane das Gesicht. Lieber würde er Susannah Wilson massieren. Er stellte sich vor, wie er erst die Hände und anschließend den Mund über ihre herrlichen Rundungen gleiten lassen würde …

Zweifellos waren das nicht die passenden Gedanken, während er ihr bei der Arbeit helfen sollte. Nur konnte Kane nichts dagegen machen. Susannah Wilson faszinierte ihn.

„Hundemassage?“

„Auch Hunde mögen ein sanftes Verwöhnprogramm.“

Weil Kane den kleinen Streuner nicht in seiner Hütte haben wollte, tat er sein Bestes, um dem Golden Retriever eine … Seifenschaummassage zu bieten, so verrückt das auch klang.

Dabei dachte er jedoch an Susannah, die neben ihm einen Song aus den Sechzigerjahren zu summen begann und sich zum Rhythmus in den Hüften wiegte. So natürlich, so ungehemmt. So anders als die Frauen, die er bisher kennengelernt hatte. In ein paar Tagen würden sie zusammen auf einer Hochzeit sein. Was bedeutete, dass er sie in die Kirche geleiten und später auf dem Empfang mit ihr tanzen würde. Sie in seinen Armen halten würde. Prickelnde Vorfreude durchströmte ihn.

Vielleicht brauchte er nicht so lange zu warten. Er könnte Susannah zum Essen einladen und …

Sein Handy klingelte.

„Möchten Sie, dass ich für Sie rangehe?“, fragte Susannah.

„Ignorieren Sie es. Ich bin im Urlaub. Offenbar haben nicht alle das Memo bekommen.“ Seine Assistentin sollte alle Anrufe umleiten, aber einige musste sie übersehen haben. Entweder das, oder sein Vater hatte schon jetzt seine Abwesenheit bemerkt. Auf alle Fälle wollte Kane nicht erneut wie durch eine Nabelschnur mit dem Unternehmen verbunden sein.

Er hatte gerade Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel, sich um Susannah Wilson zu kümmern.

„Kennen Sie hier in der Stadt ein gutes Restaurant?“

„Man bekommt großartiges Essen zum Mitnehmen in der ‚Corner Kitchen‘ drüben an der Main and Newberry. Der Besitzer macht alles selbst, von Erdbeermarmelade bis Kartoffelbrei. Ein Gourmettempel ist das nicht, aber …“

„Für mich wird es exotisches Essen sein.“ Kane lachte leise.

Neugierig blickte Susannah ihn an. „Wie können Erdbeermarmelade und Kartoffelbrei exotisch sein?“

Kane richtete seine Aufmerksamkeit auf die Hündin und benutzte die Handbrause, um das Shampoo auszuspülen. Nur gut, dass er nicht zur CIA gegangen war. Ein Dreijähriger hätte seine Tarnung aufdecken können.

„Ich esse oft auswärts, diese ganze Nichthausmannskost. So ein Essen habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr bekommen.“ Tatsächlich niemals. Aber „seit meiner Kindheit“ klang zumindest glaubwürdig.

Sie hatten eine Köchin gehabt, die auf den leisesten Wink seiner Eltern eine Feinschmeckermahlzeit zubereitet hatte. Und danach folgten Luxusrestaurants, von denen keins Kartoffelbrei auf der Speisekarte hatte.

„Was ist mit Ihnen? Haben Sie heute Abend schon etwas vor?“

„Ich bin beschäftigt, tut mir leid.“

Dass ihn eine Frau so schnell abblitzen ließ, war etwas Neues für Kane. Es musste daran liegen, dass er inkognito hier war.

Anstatt deprimiert zu sein, munterte ihn die Abfuhr auf. Forderte ihn irgendwie heraus. Endlich hatte er eine Frau kennengelernt, die nicht wusste, wer er war. Die kein Interesse an seinem Geld hatte, weil sie nicht einmal ahnte, dass es existierte. So viele Frauen hatten ihn mit Dollarzeichen in den Augen angeblickt. Sie sahen zuerst sein Geld und zuletzt ihn, wenn überhaupt.

Immer hatte sich Kane gewünscht, Menschen zu treffen, die um seiner selbst willen mit ihm zusammen sein wollten. Nicht wegen seines Vermögens und seines Namens. Damals auf dem College hatte er geglaubt, es geschafft zu haben. Bis sein Vater mit diesem allmächtigen Geld die Beziehung zu Rebecca zerstört hatte.

Kane hatte sich immer nach einem guten innigen Verhältnis zu seinem Vater gesehnt. Bekommen hatte er jedoch nur Kritik und Geld. Wahrscheinlich saß sein Vater jetzt gerade im Sitzungssaal der Lennox Gem Corporation und rastete total aus, weil er nicht wusste, wo sein Sohn war. Nicht, weil er sich um Kane sorgte, sondern weil er ihn nicht mehr an der Kandare hielt.

Weshalb es Kane freistand, sich um Susannah Wilson zu bemühen. Wenn sie mit ihm zusammen sein würde – sei es auch nur für die paar Tage, die er hier war –, würde sie es nicht tun, weil er Kane Lennox war. Oder weil sie hoffte, am Ende der Woche mit Diamanten behängt zu werden. Sie würde die Zeit mit ihm verbringen, weil sie ihn gern mochte.

Sehnsucht durchflutete Kane. Es war ein so neues Gefühl, dass es fast fremd war. Und es weckte eine sinnliche Begierde, wie er sie seit Langem nicht mehr empfunden hatte.

Zu seinen Füßen bellte der herrenlose Spaniel, dem Susannah den Namen Rover gegeben hatte.

„Ich glaube, noch jemand möchte ein Bad nehmen“, sagte Susannah.

„Tut mir leid, aber ein Hund ist mein Limit.“

„Sie haben gute Arbeit geleistet“, lobte sie einen Moment später. „Dakota ist schön sauber. Vielleicht biete ich Ihnen einen Job an.“

„Danke, ich habe schon einen.“

„Was machen Sie?“

„Ich … bin im Schmuckhandel tätig.“ Kane behielt für sich, dass er Diamanten und andere kostbare Edelsteine im Wert von Milliarden Dollar importierte.

„So? Arbeiten Sie auch in einem Laden?“

„Hm, irgendwie schon, ja.“

Susannah griff über die Wanne hinweg nach einem riesigen Föhn und schaltete ihn ein. Nach wenigen Minuten war der Retriever fast trocken.

Ein junges Mädchen kam hereingeflitzt und schmiss einen proppenvollen neonrosa Rucksack auf einen Stuhl, bevor es zu dem Käfig ging, in dem der Pudel saß. „Entschuldige, dass ich zu spät komme, Suzie“, rief es über die Schulter. „Hallo, Dakota. Hallo, Fancy Pants.“ Der Teenager öffnete den Käfig, kraulte dem Hund liebevoll den Kopf und hakte den Riegel wieder ein.

Dann nickte das Mädchen Kane kurz zu, als wäre er eine niedere Spezies, die sie gerade erst bemerkt hatte. „Ach, hallo. Wer sind Sie?“

„Das ist Kane. Kane, darf ich Ihnen Tess vorstellen?“

Er begrüßte sie, doch sie bückte sich bereits und streichelte Rover. „Der ist ja süß! Gehört er Ihnen?“

„Nein, nein. Nein!“

Tess lachte, als Rover beim Klang der Stimme den Kopf hob und sofort zu Kane lief. „Er scheint anderer Meinung zu sein.“

Inzwischen hatte Susannah die Tür an einer Seite der Wanne geöffnet, half Dakota hinunter und führte sie zu einem Striegeltisch. Kane nahm Rover mit nach vorn in den Laden des Hundesalons. Was Susannah erleichtert aufatmen ließ. So dicht neben Kane zu arbeiten hatte sie nervös gemacht.

Sie war sich jeder seiner Bewegungen bewusst gewesen, der Wassertropfen auf seiner Haut, des Spiels seiner Muskeln, während er Dakotas Fell mit Shampoo eingeschäumt hatte. Jetzt brauchte Susannah dringend Abstand zu ihm, zu den Empfindungen, die er in ihr geweckt hatte. Vor allem musste sie ihre Konzentration verstärkt auf die Arbeit richten. Und auf ihr Ziel.

„Tess, kannst du eine Zeit lang allein die Stellung halten? Für heute haben wir nur noch eine Anmeldung.“

„Klar.“ Tess zog sich eine Schürze über den Kopf und legte Nagelzange, Bürsten und Schleifen für Dakota bereit. „Lass mich raten. Du hast zehntausend Besorgungen für andere Leute zu machen.“

„Nur neuntausendneunhundertneunundneunzig.“

„Sag einfach Nein, Susannah. Das lernen wir im Sexualkundeunterricht.“

„Bei siebzehnjährigen Jungs mag das ja funktionieren, aber nicht bei meiner Schwester. Sie ist …“

„Sie wälzt alles auf dich ab. Und du bist viel zu nett, um jemandem einen Korb zu geben.“ Tess tätschelte ihr den Arm.

„Ja, du hast recht.“ Seufzend nahm Susannah ihre Schürze ab und hängte sie an einen Haken. Vielleicht würde Jackie es demnächst kapieren und sich nicht mehr so sehr auf ihre große Schwester verlassen. Susannah wusste, dass sie einfach damit aufhören sollte, für Jackie zu sorgen. Aber das war leichter gesagt als getan. Sie hatte sich daran gewöhnt, Jackie zu behüten, ihr die Eltern zu ersetzen. Diesen Beschützerinstinkt abzuschalten war fast unmöglich. „Ich muss los. Nachher komme ich zurück, um die Tierheimhunde auszuführen.“

„Ich schaffe das schon. Fancy Pants, Dakota und ich spielen etwas von den Rolling Stones und werden mächtig Spaß haben.“

Lachend ging Susannah in den Hauptraum des Hundesalons, wo Kane und Rover warteten. „Nochmals danke für Ihre Hilfe, Kane.“

„Kein Gefallen, sondern eine Abmachung, erinnern Sie sich? Ich danke Ihnen dafür, mir mein Problem abzunehmen.“

„Es war kein Problem.“ Susannah lächelte. „Ganz und gar nicht.“

Als sie seinen Blick erwiderte, fragte sich Kane, ob sie von dem Hund sprach oder davon, sich mit ihm zu befassen. Oder von etwas anderem.

Mit Sicherheit könnte Susannah Wilson eine wichtige Rolle in seinem Urlaub spielen. Sie war eine feurige schöne Frau, die ihn faszinierte. Indem er Zeit mit ihr zusammen verbrachte, würde sein Aufenthalt in Chapel Ridge möglicherweise viel amüsanter werden, als er erwartet hatte. Und ihm erlauben, seine Probleme vorübergehend auszublenden.

Die Tür des Hundesalons fiel hinter ihm zu. Auf dem Weg zu seinem Auto streifte irgendetwas sein Bein. Kane blickte nach unten und sah das kleine braun-weiße Fellbündel dicht neben ihm herlaufen. Ein fest entschlossener blinder Passagier. Seine Probleme auszublenden würde anscheinend nicht so einfach sein, wie er geglaubt hatte.

4. KAPITEL

„Du bist eine Heilige.“

Susannah lachte. „Ach was. Ich helfe nur Jackie.“

Ihre grundehrliche, realistisch denkende Freundin Kim Sheldon zog die Augenbrauen hoch. „Das ist deine Lebensgeschichte, Suzie.“ Die kurvenreiche Brünette hob eine flache dicke Glasschale aus einem der Kartons und stellte sie auf den runden Tisch. „Erklär mir noch einmal, warum du hier bist und nicht auf der Junggesellinnenabschiedsparty. Das ist auch eine der Pflichten der ersten Brautjungfer, weißt du. Sich die Kante geben und sich mit einem gut gebauten Stripper blamieren.“

„Ich habe nicht viel gemeinsam mit diesen jungen Frauen.“

„Musst du etwas mit ihnen gemeinsam haben? Du siehst dir die sexy Kerle an und trinkst ein paar Cocktails.“ Kim lachte. „Für manche ist das die Basis einer lebenslangen Freundschaft.“

„Jackie braucht mich dabei nicht. Sie braucht mich hier.“ Susannah öffnete einen Beutel mit Glaskügelchen, schüttete mehrere Dutzend in die Schale und steckte hellblaue und weiße Seidenblumen in die Mitte. Dann hängte sie silberne Bänder an den Rand der Schale, um der Dekoration einen eleganten Schimmer zu verleihen.

„Sie hat dich darum gebeten, den Tischschmuck abzuholen, nicht darum, ihn zusammenzusetzen und aufzustellen. Also? Weshalb drückst du dich vor der Party?“

Seufzend ließ sich Susannah auf einen Stuhl sinken. „Jackies Freundinnen sind eigentlich nie meine gewesen. In ihrer Nähe komme ich mir immer vor wie das fünfte Rad am Wagen. Ein sehr simples obendrein.“

„Aber warum? Du hast doch überhaupt keinen Grund, dich ihnen unterlegen zu fühlen.“

„Kim, ich verdiene meinen Lebensunterhalt damit, Hunde zu baden. Das ist nicht gerade eine große Leistung.“

„Für die Hunde ist es das. Sie lieben dich, und deine Kunden lieben dich auch. Verdammt, du hast mit elf Jahren angefangen. Und jetzt sieh dir an, was du erreicht hast. Du hast dein eigenes Geschäft, keine Schulden, einen randvollen Terminkalender …“

„Während die Freundinnen meiner Schwester alle mit Ärzten oder Anwälten verheiratet sind, mit Geländewagen durch die Stadt fahren und sich über ihre Designerhandtaschen unterhalten. Ich bin nicht nur eine der Brautjungfern, ich bin die sprichwörtliche alte Jungfer in der Gruppe.“ Immer, wenn sie versuchte, mit den Freundinnen ihrer Schwester zu reden, verebbte das Gespräch mittendrin. Susannah hatte den Eindruck, dass sie erst noch das Leben kennenlernen musste, die Welt außerhalb dieser Kleinstadt.

„So schlimm sind Jackies Freundinnen nun auch wieder nicht.“

„Nein, sind sie nicht. Ich bin einfach mürrisch und will unbedingt weg aus Chapel Ridge.“

„Um dein Leben zu leben. Nicht das von jemand anders“, sagte Kim verständnisvoll.

„Genau. Ich habe so lange auf diese Chance gewartet. Jetzt, da Jackie heiratet …“

„Findest du, dass du an der Reihe bist.“

Susannah nickte.

„Vielleicht warst du schon vor langer Zeit an der Reihe.“

„Was meinst du damit?“

„Jackie ist zweiundzwanzig. Sie ist erwachsen, Susannah. Du bist schon seit Jahren nicht mehr für sie verantwortlich.“

Nur dass sie nie aufgehört hatte, es zu sein. Keinen Tag ihres Lebens, seit ihre Eltern vor acht Jahren gestorben waren, und sie, damals selbst erst achtzehn, die Verantwortung für die vierzehnjährige Jackie übernommen hatte. Jackie war erwachsen geworden, und dennoch hatte sich Susannah weiter Sorgen gemacht und das Gefühl gehabt, sie müsste auf ihre jüngere Schwester aufpassen.

„Du hast recht, aber …“

„Aber man handelt oft wider besseren Wissens.“ Kim lächelte. „Versprich mir, dass du nach der Hochzeit nicht mehr so eine Glucke bist.“

„Bestimmt nicht. Ich werde lange verreisen. Drei Wochen für mich allein in Paris. Ich will die Welt sehen. Was ich in Paris sehe und erlebe, ist ein Anfang. Und es wird mir über die Zeit danach hinweghelfen, wenn ich in einem kleinen Apartment wohne, weitere vierhundert Hunde bade und für die nächste Reise spare.“ Susannah lachte und ging zurück zu den Kartons.

Kims Handy klingelte. Sie überprüfte die Nummer. „Das ist meine Mutter. Sie hat einen Arzttermin, und ich habe versprochen, sie hinzufahren. Ich bin spät dran.“ Kims Blick glitt über die Kartons und den Stapel Tischdecken, die aufgelegt werden mussten – noch etwas, was Jackie selbst machen wollte, um Geld zu sparen, und jetzt auf Susannah abgewälzt hatte. „Ich lasse dich nur ungern mit der ganzen Arbeit allein.“

„Geh schon. Ich komme zurecht. Ehrlich.“

„Das sagst du immer, du Masochistin.“ Schnell umarmte Kim ihre Freundin, bevor sie aus dem Ballsaal eilte.

Stille senkte sich über den Raum. Das „Chapel Ridge Hotel“ war weder besonders groß noch angesichts seiner Lage in einer Kleinstadt eine Topadresse. Aber es bot einen schönen Blick auf den See und machte deshalb guten Umsatz mit Hochzeiten und Konzerten.

Um die Kosten niedrig zu halten, hatten Jackie und Paul beschlossen, ihre Hochzeit an einem Freitag Mitte April zu feiern, bevor die Hauptsaison begann. Der Besitzer hatte dem jungen Paar einen Rabatt auf die Saalmiete und das Essen gewährt.

Susannah war den ganzen Tag auf den Beinen gewesen, und nun spürte sie jeden Muskel. Sie sank auf einen Stuhl und fing an, den Tischschmuck zusammenzusetzen. Wie am Fließband schüttete sie Glaskügelchen in eine Schale, steckte die Seidenblumen hinein und hängte silberne Bänder an den Rand.

Nachdem sie die Hälfte der Arbeit geschafft hatte, zählte sie nach und stellte fest, dass sie einen Karton im Auto vergessen hatte. Seufzend stand sie auf und ging nach draußen. Der schwere Karton hatte sich jedoch im Kofferraum verkeilt und wollte sich einfach nicht rühren.

„Sie sehen aus, als könnten Sie Hilfe gebrauchen.“

Erschrocken fuhr Susannah zusammen. Hinter ihr lehnte Kane an seinem Mietwagen. Er hatte das T-Shirt gegen ein hellblaues Button-down-Hemd getauscht. Die Farbe betonte das Tiefblau seiner Augen, und einen Moment lang vergaß Susannah zu atmen. Die Aprilsonne tauchte ihn in leuchtend goldenes Licht, das sein kurzes schwarzes Haar schimmern ließ. Wenn der Mann nicht so nerven würde, müsste sie zugeben, dass er unglaublich attraktiv war.

Na gut, er war unglaublich attraktiv.

„Ich habe alles im …“ Susannah verstummte. Hatte sie es nicht satt, die ganze Last zu übernehmen und ständig zu behaupten, es würde ihr gut dabei gehen? Wenn sie jetzt nicht anfing, mal an sich selbst zu denken, wann wollte sie es dann tun? „Ja, ich brauche wirklich Hilfe. Danke.“

Kane stieß sich vom Auto ab. Sein Gang war selbstsicher, energisch. Zweifellos war er ein Mann, der jede Situation beherrschte.

Er kam zu ihr, griff in den Kofferraum und bewegte den Karton hin und her, bis er frei war. Susannah, die hinter Kane stand, musste einfach bemerken, wie gut seine Jeans saßen. Als wären sie maßgeschneidert, schmiegten sie sich an seinen Körper. Wieder fühlte sie sich zu Kane hingezogen, noch stärker diesmal.

„Verdammt“, sagte er. „Was ist da drin?“

„Die letzten fünfundzwanzig Glasschalen. Und das, was in sie hineingehört.“

„Schwer wie fünfundzwanzig Elefanten.“ Trotzdem hob er den Karton heraus, als wäre er federleicht. „Wohin damit?“

Susannah zeigte auf das Gebäude vor ihnen. „In den Ballsaal. Ich darf die Tische vorzeitig decken. Die Hotelbesitzer sind Freunde von meinen Eltern und haben vor der Hochzeit in dem Raum keine anderen Veranstaltungen mehr.“

„Warum machen Sie das? Ist das nicht die Aufgabe des Hochzeitsplaners?“

„Hochzeitsplaner?“ Susannah lachte spöttisch. „Dafür haben Jackie und Paul kein Geld.“

„Aber warum Sie? Was ist mit Paul? Oder Jackie? Den Brautjungfern? Oder der Mutter der Braut?“

Der plötzliche brennende Schmerz raubte ihr den Atem. Ihre Eltern waren seit acht Jahren tot, und die ganze Zeit über hatte Susannah ihre Trauer unter Kontrolle gehalten. Jetzt erinnerte sie dieser Ausdruck „Mutter der Braut“ daran, wie viel Jackie und sie verloren hatten. Und wie viel Frank und Eleanor Wilson nicht mehr erlebt hatten und niemals mehr erleben würden.

Mühsam holte Susannah Atem und sperrte den Schmerz tief in ihrem Innern ein, dann öffnete sie die Tür des Hotels und hielt sie für Kane auf. „Durch die Halle und nach rechts.“

„Und das Thema ist beendet.“

„Ja.“ Susannah schlüpfte vor ihn, ging voran und zog eine der Flügeltüren zum Ballsaal auf. „Stellen Sie den Karton einfach auf die Anrichte.“

Kane stellte den Karton neben mehrere andere, trat zurück und schätzte die Anzahl der noch nicht gefüllten Schalen, der Beutel mit Glaskügelchen und der Seidenblumen. „Haben Sie vor, das alles allein zu machen?“

„Geplant war es nicht, aber ja, so sieht es aus. Heute ist die Junggesellinnenabschiedsparty, deshalb gehen die anderen Brautjungfern mit Jackie aus.“

„Während die erste Brautjungfer zurückbleibt und Aschenputtel spielt?“

Aschenputtel. Dieser Vergleich beschrieb ihr bisheriges Leben vielleicht richtig, doch ihre Zeit auf dem Ball würde schon noch kommen. Nur nicht heute. Sie wich Kanes Blick aus und begann, den Karton auszupacken. „So ist es nicht. Ich bin kein großer Partyfan, das ist alles.“

Kane zog die Augenbrauen hoch.

„Und ich dachte, Sie sind mit Ihrem neuen besten Freund in Ihrer Hütte am See“, sagte Susannah, um das Thema zu wechseln, während sie eine Decke entfaltete und sie auf einen runden Tisch legte.

„Ich hatte noch ein paar andere Besorgungen zu machen. Dann habe ich Sie gesehen und … hier bin ich.“

Was für andere Besorgungen?, wollte Susannah fragen, unterließ es aber. Du willst ihn nicht näher kennenlernen, ermahnte sie sich, gerade als ihr Gefühl ihr sagte, dass dieser Mann einige große Geheimnisse verbarg. Kane Lennox war ein grüblerischer, rätselhafter Typ. Wie in aller Welt hatte sich der kontaktfreudige, hemdsärmelige Paul nur mit jemandem wie diesem Mann anfreunden können?

„Wo ist Ihr Hund?“

„Er ist nicht mein Hund. Und er schläft im Auto.“ Kane erwiderte ihren fragenden Blick. „Ja, ich habe ein Fenster einen Spaltbreit offen gelassen. Völlig blöd bin ich nicht.“

„Ich habe niemals behauptet, dass Sie es sind. Tatsächlich scheinen Sie ein sehr intelligenter Mann zu sein.“ Sie griff nach der nächsten Tischdecke, und Kane half ihr, sie aufzulegen und glatt zu streichen. „Sie haben Paul auf dem College kennengelernt?“

„Ja.“

„Haben Sie auch einen Abschluss in Geschichte?“

Kane lachte leise. „Nein. Das Fach war mein Ruin. Nur dank Paul habe ich darin bestanden. Wir haben uns im Seminar ‚Theorie und Strategie der Kriegsführung‘ kennengelernt.“

„Warum haben Sie einen so komplizierten Kurs belegt, wenn Sie in Geschichte nicht gut waren?“, fragte Susannah, während sie zur Anrichte zurückkehrte und sich vor die vielen noch nicht fertigen Blumenschalen setzte.

„Es war meine Familienpflicht. Das Thema passte zu meinem Hauptfach. Und mein Vater ist sehr anspruchsvoll. Er war überhaupt nicht einverstanden mit dem College, das ich gewählt hatte. Also habe ich dafür gesorgt, dass alle meine Kurse seinen hohen Anforderungen gerecht wurden.“

„Hat er Sie so unter Druck gesetzt? Aber Sie waren damals … schon achtzehn?“

„In meiner Familie spielt das Alter keine Rolle, wenn es um die Pflicht geht“, erwiderte Kane leise. Er setzte sich neben Susannah und reichte ihr einen Beutel Glaskügelchen. „Und ein Scheitern kommt nicht infrage. Niemals. Deshalb war ich für Pauls Hilfe in Geschichte sehr dankbar.“

„Niemals scheitern?“ Susannahs Eltern hatten jede noch so kleine Leistung gewürdigt und nichts herabgesetzt. Sie konnte sich nicht vorstellen, als Kind unter so einem Erfolgszwang zu stehen. Nachdenklich öffnete sie den Beutel und schüttete die durchsichtigen Glaskugeln in eine Schale. „Und Ihr Hauptfach? Hat Ihnen das Ihr Vater auch vorgeschrieben?“

Kane stützte den Ellbogen auf den Tisch und musterte Susannah. „Sie fragen gern, stimmt’s?“

„Meinen Sie nicht, wir sollten uns besser kennenlernen? Schließlich werden wir für die Dauer der Hochzeit zusammen sein.“

Das war ihre Rechtfertigung, und Susannah würde daran festhalten. Ihr Interesse hatte nichts mit der Anziehungskraft zwischen ihnen zu tun. Es hatte nichts damit zu tun, wie Kane sie ansah. Oder damit, dass sie an seine Finger auf ihrer Haut dachte, während er eine Seidenblüte berührte. Es hatte nichts damit zu tun, dass Kane Lennox irgendetwas in ihr wachgerufen hatte, was sie nicht erwartet hatte.

Er legte die Blume auf den Tisch. „Ist das alles? Sie wollen nur den Mann kennenlernen, den Sie für ein paar Stunden am Hals haben werden?“

Nichts damit zu tun, dass sie Kane anblickte und sich dabei fragte, ob sie all die Jahre etwas verpasst hatte. Ob Miss Verantwortungsbewusst vielleicht Urlaub machen sollte … vor ihrem Urlaub.

Susannah holte Atem und fing die Zitrusnoten seines Eau de Cologne auf. Den ihm eigenen unaufdringlichen männlichen Duft. „Natürlich.“

Lügnerin.

„Diese Woche bin ich im Urlaub“, sagte Kane. „Und das bedeutet, dass ich nicht darüber sprechen will, woher ich komme. Nicht über meine Arbeit oder mein Alltagsleben. Ich möchte einfach nur Kane sein.“

„Okay … Kane.“

„Ich denke, wir werden sogar mehr Spaß zusammen haben, wenn wir geheimnisvoll füreinander bleiben. Also? Wie wäre es, wenn ich nur Kane bin und …“, er lächelte, „… du nur Susannah bist?“

Nicht Susannah, die Schwester, von der erwartet wurde, dass sie jedes Durcheinander in Ordnung brachte. Nicht Susannah, die Geschäftsinhaberin, die zwölf Stunden am Tag arbeitete, um für einen Traum zu sparen. Nicht Susannah, die Tochter der Stadt, so pflichtbewusst, so perfekt.

Nur Susannah.

Eine Fremde, die nichts anderes tun sollte, als Spaß zu haben.

Spaß. Das eine, worauf sie fast schon ihr ganzes Leben wartete.

Die Vorstellung begeisterte sie, reizte sie. Eröffnete Möglichkeiten, die ihr bisher verschlossen geblieben waren als Kleinstadtmädel, das seine jüngere Schwester großziehen musste. Vielleicht konnte sie zumindest für ein paar Tage nur Susannah sein und sehen, wie das war.

Sie streckte die Hand aus. „Freut mich, dich kennenzulernen, Kane.“

Hitze durchflutete sie, als er mit seiner größeren Hand ihre umfasste. Susannah verspürte den verrückten Wunsch, Kane zu küssen.

Ruckartig wich sie zurück. Stopp. Das ging weit darüber hinaus, einfach eine Zeit lang eine andere zu spielen. Sie hatte trotzdem Pflichten, hatte Jackie, Paul und ihre Kunden. Und zig Glaskügelchen in Blumenschalen zu schütten.

„Ich … muss wieder an die Arbeit.“

Kane lächelte. „Der Charakterzug ist mir vertraut.“

„Welcher?“ Susannah öffnete einen neuen Beutel mit Glaskügelchen und schüttete sie in die nächste Schale.

„Workaholic. Typ A. Niemals Urlaub. Niemals eine Pause machen.“

„Ich bin kein …“ Sie hörte kurz auf, die Blumen hineinzustecken. „Vielleicht ein bisschen. Aber ich habe einen Grund dafür.“

Inzwischen hatte Kane begonnen, es ihr nachzutun. Er öffnete einen Beutel, füllte eine Schale und steckte Blumen hinein. „Die Weltherrschaft in der Hundepflegeindustrie?“

Autor

Jackie Braun
Nach ihrem Studium an der Central Michigan Universität arbeitete Jackie Braun knapp 17 Jahre lang als Journalistin. Regelmäßig wurden dabei ihre Artikel mit Preisen ausgezeichnet. 1999 verkaufte sie schließlich ihr erstes Buch ‚Lügen haben hübsche Beine‘ an den amerikanischen Verlag Silhouette, der es im darauf folgenden Jahr veröffentlichte. Der Roman...
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Trish Wylie
<p>Alles geschieht aus einem bestimmten Grund, davon ist Trish Wylie überzeugt. So war ein Reitunfall innerhalb ihrer beruflichen Karriere als Pferdedresseurin der Auslöser dafür, dass sie wieder zu schreiben begann, obwohl sie diese Leidenschaft im Laufe der Jahre erfolgreich in den Hintergrund gedrängt hatte. Dabei sammelte Trish schon in der...
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Shirley Jump
<p>Shirley Jump wuchs in einer idyllischen Kleinstadt in Massachusetts auf, wo ihr besonders das starke Gemeinschaftsgefühl imponierte, das sie in fast jeden ihrer Romane einfließen lässt. Lange Zeit arbeitete sie als Journalistin und TV-Moderatorin, doch um mehr Zeit bei ihren Kindern verbringen zu können, beschloss sie, Liebesgeschichten zu schreiben. Schon...
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